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Keine Angst der will nur spielen!

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Vorwort

Ich habe das Bedürfnis, einmal meine Gedanken aufzuschreiben. Deshalb ist auch alles was hier steht, wahr. Fakt ist einfach, dass ich so das Leben seh - als schwuler Teenager in einer Welt, in der man als cool gilt wenn man das ist. Ich möchte hier nicht generelle Schlussfolgerungen ziehen, der Text beschreibt einfach nur die Situation, wie ich sie durchlebe.

Es waren diese Momente, die einem das Leben als so vollkommen erscheinen ließ. Diese Momente, wenn man aus dem Tunnel kommt und den ersten Blick auf die Stadt hat, oder man sieht, wie die Sonne über dem See aufgeht. Momente - so wunderschön und friedlich wie diese - erleichterten einem den morgendlichen Weg ins Gymnasium unheimlich. Ich glaube, man kann mich als sentimental bezeichnen oder als romantisch. So banal und unwichtig solche Momente auch sind, so wichtig sind sie doch, und wenn man dann den Blick nicht mehr von der Landschaft lassen kann, wird man von einem weiterem Tunnel vergewaltigt, dass man spätestens jetzt alles verfluchen will.

Er hatte Eigenschaften, die man als störend und einige Tage später als angenehm empfand. Es gab Tage, an denen ich ihn für unausstehlich hielt, und wenn er dann mit dir tanzt freust du dich mit ihm dort zu sein. Er verstand es, sich in jeder Lebenslage in Szene zu setzen, und doch konnten nur die wenigsten behaupten ihn wirklich zu kennen. Ich konnte mich nicht wirklich zu diesen Leuten zählen. Sicher nahm ich teil an seinem Leben, und sicher verbrachten wir beträchtlich viel Zeit zusammen, doch konnte man nicht sagen, dass wir die besten Freunde waren. Ich sah in vielen Dingen zu ihm auf, und man kann auch fast sagen, dass er mir viel beigebracht hat. Ok, das haben sehr viele Leute, doch bei ihm war es vielleicht etwas Besonderes. Ihm etwas beibringen war wiederum sehr viel schwieriger, bis fast unmöglich. In vielen Dinge hasste er es, Gewissheit darüber zu haben, dass er schwächer war. Schwäche konnte er sich aber nicht leisten. Die meisten Leute hatten dunkle Seiten im Leben durchgemacht, und jeder kann wohl von sich behaupten, schon einmal ausbrechen zu wollen. Vielleicht war Tristan deshalb auch eine Person, zu der man in diversen Dinge hoch schauen konnte, weil er es tat. Denn wenn er etwas wollte, dann nahm er es sich. Sicher konnte er sich Dinge erfüllen, die die meisten sich nicht leisten konnten, doch war sein Leben deshalb auch nicht leichter. Nur besaß er etwas, das man sich nicht kaufen kann: Mut !

Unsere Freundschaft war wohl anders als die von Heteros; sie war vielleicht auf einer Seite erzwungen, doch auf der anderen war sie auch sehr tief, und wir wussten, dass wir einander brauchten. Ich glaube, dass uns allen jene Gruppe geholfen hat, unser Leben und unsere Sexualität besser in den Griff zu bekommen. Einige fanden in ihr ihre Liebe, zumindest für einige Zeit, doch eins fanden wir alle: unsere Identität. Wir wussten, dass wir nicht wirklich die Wahl hatten - entweder diese Leute oder gar keine. Es gab nun mal nicht sonderlich viele schwule Jugendliche in der Gegend, und wir wussten, dass wir irgendwie auch nicht wirklich die Wahl hatten. Also rauften wir uns zusammen und hielten sie fest, die Harmonie. An ihr haftete unser Glück, an ihr unser Leben und unser Spiegelbild. Selbst ich, der ein eher weniger Gesellschaftsmensch ist, zeigte sich von seiner besten Seite. Es drehte sich nicht mal darum was wir machten. Das wichtigste war, Zeit miteinander zu verbringen. Kostbar war sie und wir genossen sie. Wir zitterten jeden Samstag die Minute 0, in der wir unseren Bus nehmen mussten, bis zum Schluss hinaus. Wir besuchten uns gegenseitig in unseren Schulen, nicht weil es uns interessierte, der Sinn lag im Zusammensein.

Verliebt war doch eh keiner von uns, wir brauchten einfach jemandem, den wir in den Arm nehmen, den wir küssen und sicher auch mit dem wir schlafen konnten. Obwohl das noch nicht mal das Wichtigste war. Eine Art Mittel zum Zweck wurde gesucht, man fand einfach Anziehung und entscheid dann, es als Liebe zu verkaufen. Vielleicht kann man es unter jugendlichem Leichtsinn einordnen, vielleicht waren es aber auch einfach unsere pubertierenden Gedanken, die uns einen Streich spielten. Als Yves und Sébastien zusammen gingen, glaubten wir doch alle an ihr Glück, genau wie wir alle Eifersüchtig waren. Doch passte es uns ganz gut in den Sinn, dass beide uns angehörten, hatte man sie doch so besser im Auge.

Die klassischen Teenie-Szenarien spielten sich ab. Ich war sowieso in jeden verschossen, Mathieu in Sébastien während der ja mit Yves zusammen war und Tristan liebte eh nur sich selbst. Mein Ziel war es mittlerweile auch nicht mehr, mit jemand zusammen zu sein, mir genügte es den anderen dabei zu zuschauen und mich mit Ihnen zu freuen. Ich kann nicht mal mehr beschreiben wie das war. Ich glaube, dass ich in meinem Leben noch nie wirklich verliebt war, außer in einen Schweden, den ich in den Ferien kennen gelernt hatte. Das Problem war noch nicht einmal, dass er Hetero war, sondern dass er einfach am anderen Ende des Kontinents lebte. Also verließen wir uns eben unter Tränen in London am Flughafen, und noch dazu ungeküsst. Ich würde nicht sagen, dass ich nicht von ihm losgekommen bin, denn das wäre gelogen, doch denke ich sicher noch häufiger an ihn als mir lieb ist. Seit dem, glaube ich, war ich nicht mehr wirklich verliebt. Entweder ich fühlte mich physisch zu einem hingezogen, oder ich verstand mich brillant gut mit der Person, doch das geschah nie zur selben Zeit. Ich vergrub mich lieber in Arbeit und in meinem Studium und hielt es für ratsam regelmäßig one night stands zu haben, viel Zeit mit meinen Freunden zu verbringen, was schlussendlich auch nicht mal so schlecht war.

Als klar egozentrisch und eingebildet würde ich mich im Umgang mit den Heteros beschreiben, aber als mitfühlend und offen im Umgang mit Homos.

Eine Internetbekanntschaft sagte mir eines: dass dieses Verhalten von einer Störung in meiner Wahrnehmung der Gesellschaft kommt. Vielleicht stimmt das sogar, doch stört mich das nicht.

Ich hatte den unersättlichen Willen akzeptiert zu werden und den noch viel größere Willen, meine Sexualität vor den Heteros zu verteidigen und zu rechtfertigen. Ich hatte Phasen, in denen ich Heteros als plump, unkultiviert und zwangvoll hinterherschleichend sah. Ich war nicht gern in Begleitung von heterosexuellen Personen und meidete ihre Gegenwart. Das ging so weit, dass ich in der Schule dachte ich sei nur besser weil ich Homo war, was natürlich nicht stimmte.

»Ich bin stolz, dich zum Freund zu haben«, sagte mir einst ein Mädchen, das ich kaum und das mich noch weniger kannte.

Als gute Seele kann man Mathieu bezeichnen, als freundlich und lieb zu jedem. Man musste ihn einfach gern haben und ich verspürte das Bedürfnis, ihm oft einfach nur in den Arm zu nehmen. Ich glaubte dass zwischen uns die größte Freundschaft in der Gruppe herrschte. Ich war für ihn eine Art Beispiel. Ich half ihm bei seinem Coming Out und mit ihm ging ich auch auf seinen ersten Gay Pride. Mit mir hatte Mathieu vieles erkundet was seine Sexualität angeht. Er wusste es, sich ganz den Personen hinzugeben, die er mochte, auch wenn das viele waren. Nichts freute ihn mehr, als dir ein Geschenk zu machen, für das er lange gespart hatte. Ich weiß noch genau wie wir stundenlang redeten, nachdem Sébastien ihm einen Korb gegeben hatte. Solche Dinge hatten die anderen nicht miteinander, so etwas teilten nur wir. Nur mit mir wollte er einst nach Paris zu einem Freund fahren, und er hielt sich extra Abende frei um mit mir etwas zu unternehmen. Ich glaube, er sah mich in diversen Dingen auch wie eine Art Bruder, daher wohl auch die Erklärung wieso wir nie miteinander geschlafen hatten.

Ein Freund von mir, der ein Interview gab nachdem er sein erstes Buch veröffentliche, beantwortete die Frage wie es sei heute schwul zu sein, wie folgt : »Es ist nicht leicht, früher mussten man sich verstecken doch heute muss man immer gepflegt aussehen und dazu noch intelligent sein«.

Wir kannten uns am längsten von allen. Schon 3 Jahre bevor wir anfingen uns regelmäßig in der Gruppe zu treffen, gingen Yves und ich zusammen Ski laufen. Er war die Person die mir Französisch beibrachte, zumindest hatte er den Löwenanteil daran. Er war der Intelligenteste von uns. Mit 17 unterhielt er bereits 5 Webseiten und sein eigenes kleines Webdesignstudio. Er war kurz davor seinen Flugschein zu machen und ging auf ein Elitegymnasium, an dem ich nicht zugelassen wurde. Einsamkeit konnte Yves nicht ertragen, er war besessen danach einen Freund zu haben und war eine Art Traumschwiegersohn. Meine Mutter wollte

zumindest immer dass ich mit ihm gehe.

»Wenn es eine Möglichkeit gäbe einmal auszuprobieren wie es ist Hetero zu sein, würdest du es machen ?« fragte mich einmal eine Bekanntschaft aus den USA. Ich antwortete mit einer Gegenfrage : »Würdest du mal ausprobieren wie es ist, schwul zu sein ?« Daraufhin wechselte er das Thema.

Im Sommer genossen wir es immer in der Mittagspause am Seeufer zu essen. Wir lagen im Gras, und wenn es das Wetter erlaubte, zogen wir unser Shirt aus und genossen die Sonne. Früher oder später wurde den Mädchen meiner Klasse langweilig, und sie fingen an, die Leute zu beobachten, und kurz darauf gingen die Diskussionen los : »Hei schau dir den an, der ist aber süß … « Ich wusste dann, dass es nicht lange dauern konnte bis die erste mich fragte : »Hei Thomas, wie findest du den?« Da war sie gestellt, die Frage, die so interessant war, dass sie alle Mädchen zum Schweigen brachte. Wieso war meine Meinung interessanter als die eines anderen Mädchens? Wieso war er auf einmal nicht mehr interessant, wenn ich sagte, dass ich ihn nicht süß finde ? Wie kann es sein, dass vor 60 Jahren Schwule vergast wurden und dass heute meine Meinung wichtiger ist als die eines Heteros ?

Er war der Künstler in unserer Gruppe. Mit Farbe unter den Fingernägeln, Funkeln in den Augen und ohne Gedanken an den kommenden Tag. Wenn irgendwo in der Welt ein verrückter Modedesigner entschied, dass man jetzt rosa Handschuhe trägt, dann konnte man davon ausgehen, dass Sébastien der Erste war, der es von uns erfuhr. Ich war immer leicht eifersüchtig auf ihn, weil er sein Leben so lebte wie ich es gern hätte. Wie gerne wäre ich auch auf die Kunsthochschule gegangen wie er. Doch dazu fehlte es mir an Mut. Zu groß war meine Angst, nicht ein produktives Mitglied der Gesellschaft zu werden mit gutem Gehalt und geregelten Arbeitszeiten. Nicht dass ich nicht gerne aufs Gymnasium ging, doch war das auch nicht zu hundert Prozent das, was ich wollte. Eigentlich war er die Person, die ich am wenigsten kannte. Doch eins wusste ich was ihn anging: er sah bei weitem am besten aus von uns fünf, und das wusste er auch und Yves wusste auch, dass er der war der mit ihm ging, was er auch nicht verschwieg.

Ich weiß selber nicht so genau warum ich eher auf Typen stehe, die älter sind als ich. Ich hatte noch nie einen Freund, der in meinem Alter ist. Vielleicht mochte ich es ganz gern ein wenig verwöhnt zu werden. Ich wollte mich aber auch nie wirklich binden, von daher kam mir ein älterer Freund mit einem Beruf und einem vollen Terminplan ganz recht. So sahen wir uns nur einmal in der Woche oder nur alle zwei Wochen und in der Zwischenzeit hatte ich meine Freiheiten. Ich würde schon zugeben, dass ich Angst vor festen Bindungen habe.

Wieso streben wir so nach Gleichberechtigung mit den Heteros ? Wieso sollten wir auch gleichberechtigt mit ihnen sein ? Schließlich sind wir ja nicht wie sie. Wir leben nicht der selben Art und Weise. Was gefällt den Schwulen nicht daran, einfach zu wissen, dass sie anders sind, und wieso wollen wir diese Akzeptanz? Wieso können wir uns nicht einfach hinstellen und sagen: uns doch egal was ihr über uns denkt? Wahrscheinlich wollen auch wir das alles nur, um die Gewissheit zu haben, dass wir nicht abnormal sind. Doch auch im 21. Jahrhundert kann es dir passieren, dass du noch verhauen wirst in der Schule, wenn du geoutet bist, glaubt mir, denn ich bin es. All diese Homobewegung ist eigentlich nur für eines wichtig: den Heteros die Argumente zu nehmen und sie an Schwule zu gewöhnen. Denn all die wunderbaren Errungenschaften wie Homoehe sind doch schlussendlich gar nicht mal so wichtig. Wieso finden wir uns nicht einfach damit ab, dass wir unterschiedlich von den Heteros sind, und brauchen wir denn Dinge wie die Homoehe, um uns den Heteros ebenwürdig zu fühlen ?

Diverse Dinge, die tut man einfach ohne sie zu hinterfragen. Es ist ja eigentlich absolut dumm sein Bett zu machen, wenn man es doch einige Stunden später eh wieder benutzt. Ich glaube, dass es in der Pubertät genauso ist mit den ersten Annäherungen an andere schwule Personen in Chats oder das heimliche Ansehen von Homo Porno Seiten, ohne dass es die Eltern merken sollen. Als ich in der Situation war, stellte ich mir nicht die Frage wieso ich Lust hatte in einen Gay Chat zu gehen, oder wieso ich beim Onanieren an Männer denken muss. Ich tat es einfach. Nie hätte ich daran gedacht, dass ich eigentlich Hetero sein sollte. Man hat wohl nur ein bestimmtes Pensum an Dingen, die man tut, ohne darüber nachzudenken, denn mein Bett mache ich heute noch nicht.

Es kommt oft vor, dass ich, meistens in öffentlichen Transportmitteln, solche gut gemeinten Werbungen wie: Stop Aids, Keine Macht den Drogen oder Spendet Blut, sehe. Wenn man aber in der Schweiz Blut spenden will, und man das zum ersten Mal macht, muss man, wie in den meisten Ländern, einen Fragebogen ausfüllen. Nach einigen Standardfragen kommt dann: Ihre sexuelle Neigung. Als ich ehrlich war und meine wahre Sexualität angegeben habe, bin ich wieder nach Hause gefahren ohne einen Tropfen Blut gespendet zu haben.

Die meisten Sexualwissenschafter predigten in den sechziger Jahren, dass Homosexualität haupsächlich anerzogen ist, durch eine falsche Beziehung zu den Eltern. Wenn das Kind von einer sehr strengen Mutter und einem eher sensiblem Vater erzogen wird, fängt es an, Ekel vor Frauen zu entwickeln und richtet sich auf die männliche Person der Familie aus. Deshalb sind auch alle Mädchen, die in solch einer Situation aufwachsen, homosexuell, doch aber nicht lesbisch, sondern stehen trozdem auf Männer, während die Jungs normale Homosexuelle sind. Diese glasklare und einleuchtende Theorie trifft auf mich natürlich nicht zu, und um genau zu sein, sie trifft auf niemanden zu.

Um also Homosexualität zu vermeiden empfehlen ich all den potenziellen Vätern: schlagt eure Frauen, besauft euch und werdet gewaltvoll unsensibel, und all den Müttern rate ich: fangt mit dem Stricken an, seid eurem Mann untergeben und verbringt eure Zeit vor dem Herd. Nur so kann man, meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft rein und sauber halten.

Danke!

«Schwule wollen nur das Recht adoptieren zu dürfen, um wehrlosen Kindern den Kopf zu verdrehen und sie zu bekehren, um ihre Rasse zu erweitern». Das sagte einst ein rechter Politiker aus dem Wallis im Vorfeld einer Volksabstimmung in der Schweiz zur Homoehe in einem Interview.

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