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Teil 2

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Vorwort

Bastian muss ja bis jetzt ganz schön um seinen Daniel bangen. Dessen Situation ist auch nicht gerade ungefährlich. Die Beiden schaffen das aber bestimmt und finden sicher auch wieder zueinander.

Viel Spaß beim Teil 2.

Euer Andy.

 

Dieses grelle Licht wird immer stärker. Wie in der Morgendämmerung verschwindet der schwarze Schleier vor meinen Augen und ich sehe eine abstrakte Lampe über mir. Ich befinde mich anscheinend in einer Art Konferenzzimmer und sitze oder besser liege auf einem Sessel, während ich meine Beine auf dem Sessel mir gegenüber ausgestreckt habe.

Ich kann mich nicht erinnern, wie ich hierher gekommen bin. Alles erscheint mir wie in Nebel gehüllt. Mein Kopf dröhnt.

Links neben mir auf dem Tisch steht ein Glas Wasser. Der Tisch ist bestimmt drei Meter lang. Rechts und links stehen etwa zehn solcher Sessel. An der Wand hängt ein großes Bild von einer romantischen Felsenküste. Daneben stehen ein Fernseher und eine Vortragstafel.

Es ist absolut still in dem Raum.

Ich drehe meinen Kopf nach rechts.

Jetzt sehe ich Daniel wieder ganz deutlich vor mir. Ich höre sogar seine Stimme. Irgendwie ist das aber anders. Es wirkt alles so echt. Ich weiß nicht, ob ich träume oder ob das real ist. Plötzlich spüre ich seine Lippen und bekomme einen Kuss.

»Daniel? Daniel! Du bist es wirklich.«

Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Ich umarme ihn. Nur noch ganz fest halten will ich ihn. So fest, dass uns nie wieder jemand trennt.

Er sagt: »Oh Basti, ich hab dich ja so vermisst.«

Ich bringe keine Worte mehr hervor. Aus mir bricht die Erleichterung jetzt regelrecht heraus. Die Tränen kullern mir nur so die Wangen herunter.

Auch Daniel geht es jetzt so.

Wir brauchen eine ganze Weile um uns wieder zu beruhigen.

Das ist wunderschön, ihn endlich wieder zu umarmen, ihn festhalten zu können. Daniel ist wieder da und es geht ihm gut. Wir sind wieder zusammen. Endlich.

Wir umarmen und küssen uns immer wieder. Ich habe immer noch so eine Angst, dass es nur ein Traum ist. Aber es ist real. Mein Daniel sitzt wirklich neben mir und hält mich fest.

Ich bin so glücklich.

Aber wie ist das alles möglich?

»Wie kommst du hierher und wo sind wir eigentlich? Geht es dir wirklich gut?

Bitte lass mich nie wieder alleine! »

Inzwischen ist die Tür aufgegangen und Nicole kommt herein.

Sie grinst über beide Ohren.

»Na ihr Helden. Ihr seid schon ein Paar. Der eine wirft sich aus dem Flugzeug und der andere will sich an der Maschine festklammern.«

Lachend kommt sie zu uns rüber.

»Schön, dass euch beiden nichts passiert ist. Wenn ihr wieder ansprechbar seid, müssen wir noch ein paar Formalitäten klären. Und wir haben da auch noch einen Auftrag, einen ziemlich wichtigen sogar. Also ich lass euch noch ein paar Minuten alleine. Wir sehen uns dann draußen im Büro der Polizei. Bis gleich«, sagt sie und ist wieder verschwunden.

Ich schaue Daniel wieder an und kann es immer noch nicht fassen. Nun will ich aber wirklich erst einmal wissen, was denn alles passiert ist.

»Du bist aus dem Flugzeug gesprungen?«

Daniel beginnt die ganze Geschichte zu erzählen. Seine Stimme klingt wieder ruhig und vertraut. In ihr ist die Sorge, welche mich bei unserem Telefonat so erschreckte gewichen.

»Das mit dem Sprung war eigentlich nur der krönende Abschluss. Wobei abgeschlossen ist die Geschichte leider noch lange nicht. Aber der Reihe nach. Das Ganze begann in Hongkong auf der Messe.

Ich führte einem Kunden meinen neuen Temperatursensor vor. Und stellte fest, dass das Ding nicht so richtig funktionieren will. Ich hatte immer wieder so eine Art Störlinie auf dem Bildschirm. Nach einer Weile merkte ich, dass das keine Störungen, sondern wirkliche Messergebnisse waren. Der Sensor hatte die Strahlung einer Aluminiumkiste in der Ecke unseres Standes aufgezeichnet.

Die Kiste hatten kurz vorher zwei asiatische Herren für meinen Chef abgegeben. Mit der Bemerkung, er müsse die Ware unbedingt persönlich erhalten. Nach diesem Spruch war mir das sowieso nicht so ganz geheuer.

Als mein Kunde weg war, lieh ich mir dann ein Kernstrahlungsmessgerät von einem Nachbarstand und hielt es vor den Kasten. Dabei machte ich erst mal einen Schritt zurück. Das Ding war wirklich radioaktiv. Genauer gesagt war es Gammastrahlung auf einem Niveau, was weit über den Grenzwerten lag.

Ich hatte kaum meine Messung beendet, da kam auch schon mein Chef. Ich sagte ihm Bescheid, dass diese Kiste dort abgegeben wurde. Er ging gleich hin und betrachtete sie genau. Er prüfte sehr sorgfältig, ob die Versiegelung intakt war.

Ich sagte, das müsse wohl etwas sehr Besonderes sein. Er drehte sich daraufhin schlagartig zu mir um und blöffte mich an, ich solle mich um den Stand kümmern. Dies hier gehe mich nichts an. Das seien Geschäfte auf einer ganz anderen Ebene.

Nach dieser Reaktion stand für mich fest, dass hier etwas oberfaul war. Ich überlegte, was ich machen könnte. Ich hatte ja kaum Anhaltspunkte. Halt nur so eine Ahnung.

Da fiel mir Nicole Bergmann ein. Schon einige ihrer Artikel fand ich, wegen ihrer kritischen Art, richtig gut. Ich hatte ihr auch schon Mal eine Mail geschickt, in der ich mich zu einem ihrer Artikel äußerte. Ich wusste, dass sie hier auf der Messe sein sollte, und ließ sie daher ausrufen. Kurze Zeit später trafen wir uns dann im Messecafé.

Ich erzählte ihr die Geschichte und sie schien nicht mal sehr verwundert zu sein. Sie sagte nur, so etwas hat sie schon seit längerem vermutet. Nach ihrer Meinung hat Carlson Technologies vor etwa einem halben Jahr ein neues Element entdeckt.

Ja echt. Ein richtig neues Element. So wie Eisen, Magnesium und so weiter. Und zwar ist es auch stabil. Leider halt stark radioaktiv. Und es hat wohl ganz besondere Eigenschaften. Eigenschaften, die nach ihrer Meinung für uns alle sehr gefährlich werden könnten. Mehr weiß ich darüber aber auch nicht. Wir vereinbarten in Kontakt zu bleiben und uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

Der letzte Messetag verlief dann völlig normal. Außer dass ich außer an dich auch noch an die seltsame Kiste denken musste.

Wir packten unsere Sachen und fuhren zum Flugplatz. Mein Chef war schon da und wartete auf uns. Ich konnte mir schon denken warum. Sicher hatte er bereits die Kiste verladen lassen. Die Maschine startete und wir flogen in Richtung Kairo. Dort hatten wir einen planmäßigen Zwischenstopp zum Auftanken.

Kurz vor dem Weiterflug kam plötzlich ein bewaffneter Mann an Bord und wies unseren Piloten an, sofort in Richtung Faro weiterzufliegen. Hier landeten wir.

Ich musste eine Botschaft des Entführers an die hiesige Polizei überbringen. Die Gelegenheit nutzte ich, um dich kurz anzurufen. Leider wurde ich von den Beamten hier dabei unterbrochen.

Ich habe so deine Stimme gebraucht. Als der Idiot von Beamter mir das Handy wegnahm und unser Gespräch unterbrach, hätte ich ihn erwürgen können.

Ich ging dann zumindest wieder an Bord, da der Entführer gedroht hatte, sonst meinen Chef zu erschießen. Beim Betanken der Maschine kurz darauf merkte ich jedoch, dass die Frachtraumluke geöffnet wurde. Ich sah, wie etwas in den Tankwagen getragen wurde. Und ich bemerkte, wie mein Chef das beobachtete und dem vermeintlichen Entführer ein Zeichen gab.

Das Ganze war eine abgekartete Sache. Es war gar keine Entführung. Die wollten nur verhindern, dass der Aufenthaltsort der Kiste bekannt wurde.

Nach dem Zeichen von meinem Chef wies der Entführer den Piloten an zu starten. Die Maschine setzte sich in Bewegung und fuhr in Richtung Startposition.

Ich sollte die Tür schließen. Den Moment nutzte ich und sprang heraus. Ich rollte mich hinter einen Schaltkasten. Sie hatten keine Chance an mich heran zu kommen also fuhren sie weiter in Richtung Startbahn.

Inzwischen war ein Fahrzeug der Flughafenpolizei bei mir eingetroffen und sammelte mich ein. Das Erste, was ich dann machte, war mir ein Handy schnappen und dich anrufen.

Du schienst aber wieder den Anrufton ausgeschalten zu haben. Also schickte ich Dir die kurze SMS. Ich freute mich schon so auf Dich. Und schließlich wusste ich ja nicht, dass du so nah bei mir warst. Tja und den Rest kennst du ja dann.»

Er schaut mich mit seinen wunderbaren blauen Augen an.

»Ach Daniel, verliebt sein, ist manchmal auch ganz schön anstrengend. Ich bin ja so froh, dass dir nichts passiert ist.«

Wir umarmen uns noch mal und gehen nun rüber zum Büro der hiesigen Polizei. Da wir dort Hände haltend ankommen, ernten wir erst einmal einen skeptischen Blick.

Ich denke jedoch gar nicht daran, Daniel jetzt wieder loszulassen. Wer weiß was dann wieder passiert.

Nicole kommt zu uns rüber und meint: »Na wieder alles klar?«

»Ja, jetzt ist alles wieder in Ordnung«, antworten wir fast gleichzeitig.

»Ok, ich habe bereits mit den Beamten ein Protokoll ausgearbeitet. Lest euch das bitte durch und wenn es alles passt, dann unterschreibt es bitte auch. Wir können dann ins Hotel fahren. Ich war so frei und habe drei Zimmer gebucht.«

»Drei?«, rufen wir gemeinsam.

»War ein Scherz, natürlich habe ich nur zwei Zimmer gebucht.« Nicole grinst. »Also los ihr beiden. Ich falle vor Müdigkeit schon fast um.«

Sie muss gähnen und wir schließen uns an.

Das Protokoll ist perfekt. Wir unterschreiben und gehen zu unserem Mietwagen.

Der steht auch noch da und hat nicht mal ein Knöllchen, obwohl er den ganzen Nachmittag im Halteverbot stand.

Als wir den Flugplatz verlassen, fällt mir auf, dass der BMW nicht mehr dasteht. Um darüber nachzudenken, bin ich aber schon zu müde.

Das Hotel ist noch eine gute Stunde Fahrt weit weg. Aber bei Nicole sind wir in einer dreiviertel Stunde da.

»Wieso fahren wir eigentlich noch so weit zu unserem Hotel?«, frage ich.

Daniel antwortet: »Ich habe den Namen des Hotels in einem Telefongespräch meines Chefs gehört und vielleicht gibt es ja irgendeine Verbindung.«

Und Nicole meint: »Außerdem hat die Hotelvermittlung gesagt, dass das ein wunderschönes Haus mit tollem Essen ist. Das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen. Oder?«

Ich lächle.

Daniel hat sich inzwischen an mich herangekuschelt und ist bereits eingeschlafen. Sein Kopf lehnt an mir und ich habe meinen Arm um ihn gelegt. Er sieht so total niedlich aus.

Ich bemühe mich jedoch noch wach zu bleiben und rede mit Nicole, die sicherlich auch schon ganz schön mit der Müdigkeit zu kämpfen hat. Zu meinem Erstaunen passieren wir noch die Grenze nach Spanien über eine tolle Brücke. Direkt auf der anderen Seite im nächsten Ort befindet sich unser Hotel. Es ist wirklich traumhaft.

Nicole stellt den Wagen ab. Ich wecke sanft Daniel auf und wir gehen hinein zur Rezeption. Der Mann sagt in recht gutem Deutsch, dass wir in zwanzig Minuten noch zu Abend essen können. Er gibt uns unsere Schlüssel für die zwei Zimmer und wir gehen hinauf. Nicole hat die 119 und wir die 120.

Es fällt Daniel und mir ganz schön schwer, nicht gleich in das Bett zu fallen.

Wir springen kurz unter die Dusche und stellen dann fest, dass keiner von uns beiden vernünftige Sachen mithat. Daniels Gepäck ist im Flugzeug geblieben und ich habe lediglich noch ein paar Sportsachen in meiner Tasche. Also müssen wir das anlassen, was wir sowieso anhaben.

Wir umarmen uns noch mal und geben uns einen langen Kuss.

Daniel sagt: »Ich freue mich schon auf unser Bett.«

Ich lächle ihn an und antworte »Au ja, ich auch.«

Dann gehen wir rüber zu Nicole und zusammen mit ihr hinunter in den Speisesaal.

Im Gegensatz zu uns hat sie sich jedoch umgezogen. Wir sind jetzt ein recht seltsames Trio. Daniel in dunkler Hose und nicht mehr ganz weißem Hemd, Nicole jetzt mit feiner Bluse und ich in Cargohosen und Poloshirt.

Von einem Kellner werden wir an unseren Tisch geleitet und nach den Getränkewünschen befragt. Um uns herum ist überall im sehr nobel aussehenden Speisesaal ein wirklich tolles Buffet aufgebaut. Alles zu probieren ist wirklich nicht möglich. Es gibt so ziemlich alles, außer vielleicht Pfannkuchen.

»Ich muss gestehen, ich habe einen riesen Hunger«, meint Daniel und geht zum Buffet.

Nicole und ich folgen ihm.

Ich lasse ihn keinen Moment mehr aus den Augen. Vielleicht ist das verrückt, aber ich fürchte immer noch, irgendetwas könnte uns wieder trennen.

Wir packen uns unsere Teller voll und kehren zu unserem Tisch zurück.

Das Essen ist wirklich wunderbar. Auch der Wein, den wir uns bestellt haben. Der hat aber zur Folge, dass ich sehr schnell sehr müde werde. Das scheint mir aber nicht alleine so zu gehen. Daher dehnen wir unser Mal nicht länger aus, sondern gehen bald wieder auf unsere Zimmer. Morgen ist ja schließlich auch noch ein Tag. Ich wäre nicht böse, wenn der dann nicht ganz so aufregend wird wie heute.

Wir verabschieden uns von Nicole und sind nun ganz für uns.

Ich setze mich auf unser Bett und Daniel setzt sich neben mich.

Er streicht mir durch das Haar und schubst mich jetzt einfach um. Ich wehre mich jedoch nicht. Warum auch? Wir liegen nun ganz dicht beieinander und schauen uns in die Augen. Daniels Augen sind so blau und weit wie der Himmel. Er hat ein fast kindliches Gesicht, obwohl er eigentlich ein wenig älter ist als ich. Ein kindliches Gemüt haben wir aber beide.

Heute sieht man ihm aber auch den Stress des Tages an.

Mir ist schon wieder so, als müsste ich gleich heulen.

Daniel sagt: »Hey, das ist doch jetzt vorbei. Wir sind ja wieder zusammen und ich liebe Dich, Basti.«

»Ich liebe dich auch, mein Daniel«

Wir rutschen in unser Bett, ziehen uns vorsichtig gegenseitig aus und kuscheln uns ganz dicht aneinander. Das erste Mal, dass wir so beieinanderliegen. Das habe ich mir schon so oft gewünscht.

Ich halte meinen Daniel ganz, ganz fest. Müde und überglücklich schlafen wir beide ein.

Ein neuer Tag beginnt.

Dieses störende Geräusch wird immer lauter. Was ist das bloß? Warum hört das denn nicht auf? Ich werde wach.

Im Hintergrund klopft jemand an die Zimmertür.

Obwohl ich eigentlich ziemlich missmutig aufgewacht bin, ändert sich meine Stimmung schlagartig, als ich nach rechts schaue und Daniels niedliches Gesicht vor mir sehe.

Er scheint das Klopfen noch nicht wahrgenommen zu haben und schläft noch. Dabei liegt ein feines Lächeln auf seinen Lippen. Es ist wirklich zu süß, ihn so beim Schlafen zu beobachten.

Ich gebe ihm vorsichtig einen Kuss auf die Wange und krauche aus unserem Bett. In dem schmalen Gang vor unseren Betten liegen unsere Sachen wild verstreut herum, so wie wir sie uns gestern ausgezogen haben. Aus diesem Durcheinander suche ich mir meine Hose, ziehe sie schnell an und gehe zu unserer Zimmertür.

»Hallo Bastian«

Nicole steht vor unserem Zimmer. Sie war die morgendliche Krachmacherin. »Guten Morgen. Na, wie siehts aus?«, meint sie weiter.

Ich mache nur »Psst!« und lege meinen Finger auf die Lippen. »Daniel schläft noch.«

»Mhm, das ist ja schön und gut, aber wenn wir noch was zum Frühstück haben wollen, müsstet ihr jetzt eigentlich mit runter kommen.«

»Wie spät ist es denn?« frage ich.

»Kurz vor halb Zehn. Es gibt aber nur noch bis 10 Uhr Frühstück.«

Ich überlege kurz und antworte: »Warte, ich komme mit und bringe Daniel etwas mit aufs Zimmer.« In dem Moment gehen mir jedoch wieder sehr deutlich die Geschehnisse des letzten Tages durch den Kopf.

»Nein, warte doch noch einen Moment. Oder gehe am Besten schon mal nach unten, wir kommen gleich nach. Es dauert sicher nur einen Moment.«

»Na gut, aber beeilt euch bitte. Also bis gleich.«

»Ok, bis gleich.«

Ich gehe wieder zurück in unser Zimmer.

Da war wieder der Anflug dieser Angst. Ich konnte Daniel einfach nicht alleine lassen. Die gestrigen Ereignisse waren einfach zu schmerzend.

So gebe ich meinem Daniel vorsichtig einen Kuss. Was ich nicht weiß, ist, dass er nun bereits wach ist und nur noch auf mich lauert, um mich übermütig wieder ins Bett zu ziehen.

»Hey du Räuber, das ist ja gefährlich hier. Einfach nichts ahnende Touristen anzufallen.« Weiter komme ich jedoch nicht, denn Daniel hat mich nun gänzlich überwältigt und lässt mich mit einem Kuss verstummen. Da kann ich dann auch nichts machen. Ich gebe meine Gegenwehr auf und überlasse mich dem Schicksal dieses unvorhergesehenen Angriffs.

Daniel ist wirklich total niedlich. Er kniet jetzt mit völlig zerzausten Haaren über mir und lächelt mich an.

Eigentlich würde ich jetzt das Spiel zu gerne noch etwas weiter treiben. Ich habe aber immer noch Nicoles »Beeilt euch« im Kopf. So muss ich meinen niedlichen Angreifer leider mit einem Kuss und einer geschickten Drehung abwehren, was ein langgestrecktes »Oh, schade« zur Folge hat.

»Wir finden schon noch Zeit, du wilder Räuber. Aber es gibt nur noch ein paar Minuten Frühstück und Nicole wartet schon auf uns«, entgegne ich.

»Na gut, aber ich erwische dich schon noch und dann ... mmh.« Ein breites Grinsen beendet Daniels Satz. Ich grinse zurück und ziehe ihm jetzt die Bettdecke weg, in der er sich wieder eingewickelt hat. Daraufhin folgt ein Knurren und Daniel verschwindet mit einem verschmitzten Lächeln im Bad.

Kurz darauf kommt er wieder, nun schon fast komplett angezogen und tut so, als ob er bereits ewig auf mich warten muss. »Na Basti, wieder eingeschlafen oder was?«

Ich schaue ihn an und sage nur: »Daniel, das ist wirklich wunderschön, mit dir aufzuwachen. Stell dir mal vor, wir hätten uns in dem Café damals nicht getroffen.«

Nachdenklich antwortet er: »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Und außerdem will ich das auch gar nicht.«

»Mmh, das geht mir genauso«, entgegne ich.

»Sag mal«, meint Daniel, »weiß Daniela eigentlich wo du bist?«

»Nee, ich denke sie kann es sich aber denken. Sicher nicht, dass wir hier im Süden sind. Aber zumindest, dass ich bei dir bin.«

»Wieso? Hast du ihr von uns erzählt?«

»Mmh.«

»Und?«

»Na nichts und. Sie hat es hingenommen und ist fast sang- und klanglos verschwunden.« Ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen. Andererseits bin ich aber auch überzeugt, dass es richtig war, ihr die Wahrheit zu erzählen. Und dann ist ja da auch noch ihr Verhältnis zu Markus.

Irgendwie wollte ich jetzt aber nicht über Markus und schon gar nicht über Daniela nachdenken. Mir schwirrten jetzt wieder ihre letzten Worte durch die Ohren. Ich weiß gar nicht, ob sie überhaupt weiß, was wirklich das Wort Liebe bedeutet. Aber egal. Ich bin so froh, dass ich jetzt hier zusammen mit Daniel bin. Und das will ich mir nicht durch unnötige Gedanken verderben lassen.

»Danke.«

»Wofür?«, frage ich verwundert.

»Danke, dass du mich und uns beide so ernst nimmst, dass ich für dich nicht nur ein Abenteuer bin.«

»Du bist kein Abenteuer, du bist mir wichtiger als alles andere auf der Welt.«

Daniel streicht mir durch die Haare und hat jetzt wieder dieses absolut süße Lächeln drauf. Ich gebe ihm noch einen Kuss und verschwinde auch kurz im Bad. Danach geht es recht schnellen Schrittes runter in den Speisesaal.

Das Buffet sieht schon ziemlich leer aus und es sind auch kaum noch andere Gäste außer Nicole zu sehen.

»Na, das war aber ein ziemlich langer Moment.«, werden wir begrüßt.

»Naja, es gab da noch einen kleinen Überfall.« Ich grinse Daniel an und er grinst zurück.

»Jetzt suchen wir uns aber besser noch schnell was zu essen, bevor die hier alles abgeräumt haben.« Wir gehen also zum Buffet und suchen uns aus den Restbeständen ein noch sehr reichhaltiges und leckeres Frühstück zusammen. So versorgt setzen wir uns wieder zu Nicole.

Sie lässt uns erst mal ein paar Happen essen und beobachtet uns scheinbar dabei.

»Was ist denn los? Du guckst so skeptisch?«, frage ich sie.

»Ich finde es nur niedlich. Sagt mal, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«

»Basti ist schuld«, ertönt es rechts von mir.

»Na los erzähl mal.«

»Gleich, ich muss ja wenigstens mein Frühstück hinunterschlucken«, antworte ich.

»Wo soll ich denn anfangen?«

Da beginnt Daniel: »Also ich kam da völlig ahnungslos in das Strandcafé und wurde da doch plötzlich von diesem Jungen angemacht.«

»Hey, hey, das war ja schließlich mein Job.«

»Dein Job?«, fragt Nicole.

»Ok, ich glaube es ist besser, wenn ich die ganze Geschichte erzähle«, erwidere ich.

Daniel wuschelt mir die Haare durcheinander und meint: »Na dann leg mal los, du Strauchdieb.«

Dafür knuffe ich ihn noch mal in die Seite und beginne zu erzählen:

»Na gut, also ich bin eigentlich Werbefotograf.«

Großer Blick von Nicole.

»Ja echt, ich habe wirklich nen Beruf.«

»Ich hab doch gar nichts gesagt«, meint sie daraufhin.

»Ok, weiter. Also ich hatte da von einer Werbeagentur einen Job zum Vorcasting bekommen. Das mache ich öfters. Ist eigentlich eine schöne Sache. Man fühlt sich dabei so richtig bedeutend. Als wenn ich irgendein großer Filmproduzent wäre. Meine Aufgabe ist es dabei eigentlich, für verschiedene Werbeaufnahmen Leute auf der Straße zu suchen. Sie zu fragen, ob sie Lust hätten da mitzumachen, ein kleines Formular auszufüllen und sie kurz zu fotografieren. Meist setze ich mich dafür mit meinen Freunden in irgendein schönes Café und mache das, was man sowieso oft macht. Nämlich Leute beobachten. Und das auch noch für eine recht gute Bezahlung.

Ich saß also im Strandcafé und schaute mir die leider meist ziemlich versnobt aussehenden Leute an. So vier oder fünf hatte ich in den letzten drei Stunden angesprochen, sie fotografiert und die Adressen getauscht. Um mich herum saßen meine Freunde und alberten rum. Ich war aber schon ziemlich genervt, weil zwar viele toll gestylte Jungen und Mädel vorbeikamen, aber halt kaum einer wirklich interessant aussah.

Ja, und dann kam dieser absolut niedliche Traumprinz herein. Seine Haare waren genauso zerzaust, wie jetzt und er hatte dieses wirklich bezaubernde Lächeln drauf. Als er an mir vorbeiging, vergaß ich total, warum ich eigentlich da war. Ich sah wirklich nur ihn und vergaß alles um mich herum.»

Daniel wird rot und lächelt mich verlegen an.

»Ja und da war es passiert. Irgendwann riefen meine Freunde: Hallo Bastian, bist du noch da? So wurde ich wieder wach. In diesem Moment wusste ich gar nicht so recht, was eigentlich los ist. Ich fühlte mich magisch von ihm angezogen. Da ich mich vorher auch noch nie in einen Jungen verliebt hatte, war das total eigenartig. Trotzdem riss ich mich zusammen und sprach ihn an.

Normalerweise habe ich da so einen Standardspruch drauf. Aber in dem Moment fing ich regelrecht an zu stottern. Ein blöder Auftritt.»

»Überhaupt nicht«, erwidert Daniel. »Sondern total niedlich. Als Bastian rüberkam und versuchte, zu erklären, weswegen er mich eigentlich ansprechen wollte, da war das wirklich total süß. Und ich dachte, was für ein chaotischer Junge. Und jetzt habe ich diesen chaotischen Jungen als Freund. So wie jetzt hatte ich mir das damals zwar nicht vorgestellt, aber nachdem wir ein wenig Zeit miteinander verbracht hatten, merkte ich, dass daraus viel mehr als nur eine Freundschaft wurde. Ich hatte mich wirklich in Bastian verliebt. Das war gar nicht so einfach, ihm das zu sagen. Ich hatte so eine Angst, dass ich damit alles zwischen uns kaputtmachen könnte. Nach viel Überwindungskraft habe ich es dann aber doch über die Lippen gebracht.

Ich werde nie den Moment vergessen, als mich Basti in die Arme nahm und sagte ´Ich liebe dich auch.´ Das war direkt vor meinem Abflug nach Hongkong.»

Daniel lächelt mich an und gibt mir einen Kuss, worauf ich rot werde und verlegen zurücklächle.

Nicole hat uns still zugehört und meint jetzt nachdenklich: »Die Geschichte ist ja fast wie aus einem Buch. Na dann seid ihr ja noch ein ganz frisch verliebtes Paar.«

»Ja, das kann man sagen«, antworten wir beide mit einem breiten Grinsen auf unseren Gesichtern.

So, nun kennt Nicole unsere Geschichte. Gerne hätten wir jetzt erfahren, wie das eigentlich mit ihrem Privatleben aussieht. Inzwischen haben die Kellner jedoch schon begonnen unseren Tisch abzuräumen und uns höflich aufgefordert, aus dem Speisesaal zu verschwinden.

Es ist jetzt halb elf und wir begeben uns in den kleinen Salon. Dort lassen wir uns in den bequemen Sesseln nieder und beratschlagen, wie es nun weitergehen soll.

Wir haben unseren selbstgestellten Auftrag, herauszufinden, wo die geheimnisvolle Kiste ist und was Carlson Technologies damit vorhat.

Also tragen wir noch mal alle unsere Fakten zusammen, die wir inzwischen wissen. Nicole hat ein kleines Buch herausgeholt und schreibt alles stichpunktartig mit.

Daniel fängt an: »Punkt eins: Die Kiste ist radioaktiv, sie wiegt etwa fünfzehn Kilo, passt in jeden Kofferraum und mein Chef hat ein persönliches Interesse an dem Ding.«

Nicole meint dazu: »Ja, Herr Tenner scheint der Drahtzieher der Sache zu sein. Oder er ist auch nur Handlanger für die Besitzer der Firma, die Familie Carlson selbst.«

»Wo leben die denn?«, frage ich in die Runde.

Daniel antwortet: »Die haben ein feudales Anwesen in Stockholm. Die Firma hat ihren Hauptsitz dort in Schweden.«

Nicole sagt: »Ich habe da schon mal recherchiert. Carlson Technologies hat weltweit zwölf Niederlassungen. In so ziemlich allen wichtigen Städten, wie London, Toronto, L.A. und viele andere. Auch eine in Hongkong.«

Jetzt füge ich schon recht aufgeregt hinzu: »Daniel hat beobachtet, wie die Kiste in Faro aus dem Flugzeug geladen wurde. Und ich habe draußen einen BMW mit Duisburger Kennzeichen gesehen. Ein Auto, das ich schon ein paar Mal bei dir vor der Firma gesehen habe.«

»So´n dunkelgrüner mit getönten Blinkergläsern?«, fragt Daniel.

»Genau den«, antworte ich.

»Das ist der von meinem Chef. Nicht Herr Tenner, sondern sein Vertreter Herr Velden.

Inzwischen kann ich kaum noch warten und sage recht aufgeregt: »Na dann schaut mal dort aus dem Fenster.«

Die Blicke gehen nach rechts und als Nächstes folgen zwei verwunderte Gesichter.

»Habe ich doch richtig gehört, als der Name von diesem Hotel hier fiel. Das passt ja wie die Faust aufs Auge«, sagt Daniel strahlend.

Ein blöder Spruch, irgendwie stimmt es hier aber.

Nicole fragt mich: »Kennt dich Herr Velden, Bastian?«

»Ich denke schon.«

»Dann sollten wir uns vielleicht in eine etwas abgeschiedenere Ecke setzen. Oder besser noch, ihr verdrückt euch erst mal und ich beobachte hier den BMW und die Rezeption weiter. Wie sieht denn dein Chef aus, Daniel?«

»Also als Typ absolut null acht fünfzehn, so um die fünfzig, dunkle Haare. Das Markanteste sind aber seine absolut scheußlichen Krawatten, die er wirklich immer trägt. Also, wenn du jemanden mit blauem Schlips und großen Tomaten oder Ähnlichem drauf siehst, der ist es ganz bestimmt.«

Ich beiße noch mal von meinem Brötchen ab und stehe auf.

»Gut, na dann los.«, meint Daniel. »Komm Basti, wir packen unsere Sachen und bleiben noch im Zimmer. Velden fährt bestimmt bald weiter. Ich mache mein Handy an, so können wir uns dann verständigen. Wie ist das denn mit deinen Sachen, Nicole?«

»Das bisschen habe ich schon gepackt. Ihr müsst nur meine Tasche mit runter bringen.«

»Ok, also bis dann.« Daniel schnappt sich noch ein Muffin und wir gehen los.

Als wir in die Empfangshalle kommen, sehen wir, wie gerade jemand mit eben jener Krawatte und zwei Koffern aus dem Lift steigt.

Eine schnelle Drehung und wir gehen so unauffällig wie möglich zurück zu Nicole.

»Es geht los. Velden geht gerade mit gepackten Koffern zur Rezeption.«

»Na dann, wir müssen ihm folgen, wenn wir jetzt nicht aufgeben wollen. Am besten ihr holt schnell unsere Sachen, ich zahle die Rechnung und tausche unseren Mietwagen«, meint Nicole im Aufstehen.

Ein kurzes »Ok« und wir gehen los. Unser Weg führt uns über die Nottreppe vor der Empfangshalle in den ersten Stock. So können wir uns ungesehen in unser Zimmer schleichen. Daniels und meine Sachen sind in einer Minute gepackt. Wir schnappen uns unsere und Nicoles Taschen und rennen die Nottreppe zurück ins Erdgeschoss.

Ein kurzer Blick in die Empfangshalle zeigt, die Luft ist rein.

Nicole steckt gerade an der Rezeption die Papiere für den neuen Mietwagen ein und kommt zu uns rüber. »Ihr geht am besten hinten raus. Ich komme mit dem Auto hinter und lade euch ein.«

»In Ordnung, bis gleich«

Nicole verschwindet vorne durch den Haupteingang und wir sehen durch die Fenster, wie sie an Herrn Velden vorbeiläuft und ihn kurz mustert. Von hier drinnen kann man ihn ganz gut beobachten.

»Warte mal«, sage ich zu Daniel. »Ich mache noch schnell ein Bild.«
Velden lädt jetzt seine Koffer in den Kofferraum und da steht, wie ich vermutet habe, wirklich die geheimnisvolle Aluminiumkiste. Ich sehe sie jetzt zum ersten Mal. Sie ist ein Würfel von ungefähr fünfzig Zentimeter Kantenlänge. Auf ihrer Querseite ist eine Art Zahlenschloss und irgendein Messgerät angebracht.

»Das ist sie«, sagt Daniel.

Ich habe schon meine Kamera in der Hand und erwische Velden und die Kiste auch hervorragend auf einer ganzen Serie von Bildern.

»Gut, das hat geklappt. Jetzt schnell hinter zu Nicole.«

»War ein guter Einfall mit dem Foto«, ruft mir Daniel beim Laufen zum Hinterausgang zu.

»Tja, gut wenn man immer einen Fotografen bei sich hat. Nicht wahr?«, antworte ich mit einem Lächeln.

Hinten wartet schon Nicole. Im ersten Moment habe ich sie gar nicht gesehen. Ich hatte immer noch unseren vorigen Mietwagen erwartet.

»Hey, was ist denn das?«, ruft Daniel Nicole zu. »Ich denke du heißt Bergmann und nicht Bond.«

Sie lacht und meint dazu nur: »Der war gerade im Angebot.«

Wir springen in den Wagen. Daniel vorne auf den Beifahrersitz und ich mit unseren drei Taschen auf den Rücksitz. So ein Z3 ist eine noble Sache. Und als Roadster geradezu geschaffen für diese südländische Gegend. Irgendwie schafft das und unsere bevorstehende Verfolgung von Herrn Velden wirklich eine 007-Atmosphäre.

Wir sind im Auto, da düst Nicole auch schon los. Vom Haupteingang sehen wir gerade Velden abfahren.

Wir hinterher.

Die Sonne brennt wieder vom strahlendblauen Himmel. Diesmal stört über uns kein Autodach die Belüftung. Wir können vollends die wunderbare Natur und das herrliche Wetter in Andalusien genießen.

Velden fährt mit gleichmäßigem Tempo in Richtung Valencia. Und wir mit unauffälligem Abstand hinterher. Wir sind eine wirklich tolle Truppe und durch das fantastische Wetter auch richtig gut drauf. Das kommt aber nicht nur durch das schöne Wetter, sondern auch, weil wir anscheinend einfach gut zusammenpassen.

Inzwischen beginnt auch Nicole ein wenig von sich zu erzählen.

Sie lebt seit einiger Zeit alleine in Berlin. Durch ihren Job ist sie aber ständig unterwegs und hat auch schon längere Auslandsaufenthalte hinter sich. Ein Jahr lang war sie Korrespondentin in Portugal.

Auf meine Frage, ob sie da auch Manuel kennengelernt hat, reagiert sie aber nur mit einem kurzen »Mmh.«

Für einen Moment ändert sich ihre Miene und sie wirkt fast erschrocken. Ich merke sehr schnell, dass ihr diese Frage nicht sehr angenehm ist, wenngleich sie versucht, das zu überspielen. Ihr Gesichtsausdruck in diesem kurzen Augenblick verrät aber, dass dabei weit mehr Gefühle im Spiel sind, als sie selber zugeben würde.

Ich lenke daher gleichsam ab und frage: »Und kennst du den Teil Spaniens auch, wo wir gerade sind?«

Nicole ändert wieder ihren Gesichtsausdruck und meint sichtlich lockerer: »Ja, na klar. Aber nur aus dem Urlaub.«

Eigentlich wollte ich noch fragen, warum sie denn alleine lebt. Das verkneife ich mir jetzt aber.

Inzwischen hat Daniel meinen Fotoapparat aus der Tasche geholt und schimpft, warum der Film schon wieder voll ist.

»Hey du, meckere nicht rum. In der Tasche sind mindestens noch zehn Filme. Es hat aber nicht so sehr viel Sinn dreißig Bilder eines BMW von hinten zu fotografieren.«

»Ja, ja schon gut. Ich höre ja schon auf. Da fotografiere ich halt dich und Nicole.«

Daraufhin ziehen wir beide ein wirklich tolles Gesicht und Daniel kann sich vor Lachen kaum halten.

»Schade, dass ich den Film nicht schon gewechselt habe. Das wären jetzt zwei herrliche Bilder geworden«, meint Daniel dazu, als er wieder Luft bekommt.

Der Wind streicht uns durch die Haare, die Sonne verwandelt die Orangenhaine um uns herum in golden glänzende Oasen.

Es ist jetzt richtig schön.

In mir verschwindet langsam die Spannung und ich beginne wieder das Leben um mich herum wahrzunehmen.

Ich beobachte Nicole und Daniel. Er dreht sich immer mal zu mir um und lächelt mich an. Der Wind zerzaust seine Haare wieder völlig.

Es ist schon seltsam. Ich habe mich wirklich in ihn verliebt. Er ist tatsächlich ein Junge. Wie kann das eigentlich sein. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob das richtig oder falsch ist. Er war plötzlich in mein Leben getreten und hatte alles verändert. Vieles erscheint mir jetzt in einem neuen Licht. Vieles strahlt heller. Anderes wiederum hat an Bedeutung verloren.

Ich weiß aber, dass er mir meine Welt mit einem Mal ganz weit und bunt gemacht hat.

Es ist wunderschön, ihn jetzt hier bei mir zu haben.

Ich beuge mich vor und lege meine Hand auf seinen Arm.

Daniel dreht sich daraufhin wieder zu mir um und lächelt mich an. Ich fühle mich jetzt ganz frei und leicht. In diesem Augenblick erscheint alles ganz still. Wie in Zeitlupe bewegt sich unwirklich die Landschaft an mir vorbei. Daniels Augen strahlen mich an. Sein wunderschönes Lächeln gilt allein mir.

Das alles wird mir jetzt bewusst.

Seit er mein Leben bestimmt, habe ich so oft diese Augenblicke.

Der Alltag und auch noch so außergewöhnliche Ereignisse, wie sie seit gestern abgelaufen sind, verlieren dabei jegliche Bedeutung.

Das Leben wird wieder zu einem Erleben und nicht mehr zum bloßen Ablaufen von Ereignissen.

Nicole bremst plötzlich und wir werden wieder in die Wirklichkeit zurückgerufen.

»Was ist denn los?«, sage ich leicht erschrocken.

»Velden ist weg.«

»Wie, weg? ... Tatsächlich, wo ist denn der BMW?«

Keiner von uns Dreien hat gemerkt, das Velden scheinbar irgendwo abgebogen ist.

Wir halten am Straßenrand und schauen ziemlich verdutzt aus der Wäsche.

Daniel nimmt den Straßenatlas.

Nicole sagt »Wir sind jetzt genau hier.«

Einige Kilometer zurück ist eine Raststätte eingezeichnet. Wir meinen einstimmig, das Velden nur dort abgebogen sein kann. Also beschließen wir kurzerhand zu wenden und dorthin zurückzufahren.

Nach circa zwei Kilometern erscheint das Schild mit dem Hinweis Restaurant.

Wir biegen ab und rollen vorsichtig auf den Parkplatz.

Was wir dort sehen, hätten wir nicht für möglich gehalten.

Der BMW steht mitten auf dem Platz. Davor steht quer auf der Fahrbahn ein Polizeiwagen. Wir fahren in eine vor dem Geschehen liegende Parkbucht.

Velden sitzt in einem Polizeiwagen und diskutiert mit einem Beamten.

Der Schmuggel schien aufgeflogen zu sein. Das war ja schön und gut, aber so würden wir nie das ganze Ausmaß der Machenschaften von Carlson Technologies herausfinden. Die hätten wenigstens noch bis zum Bestimmungsort warten können. Oder war das vielleicht die Übergabe und wir haben sie verpasst.

Der Kofferraum des BMW ist immer noch geschlossen. Ist die geheimnisvolle Kiste immer noch darin?

»Verdammt, was machen wir jetzt?«, fragt Nicole und schaut Daniel und mich an.

»Das scheint es gewesen zu sein mit unserer Verfolgung«, entgegne ich resignierend.

Nur Daniel blickt sehr nachdenklich zu dem BMW und sagt nichts.

Plötzlich meint er: »Fahr los.«

Nicole schaut ihn mit großen Augen an. »Wieso?«

»Das ist nicht der BMW.«

»Was?«, entgegnen Nicole und ich gleichsam.

»Ja. Die Nummernschilder stimmen zwar. Der dort hat aber keine getönten Blinkergläser.«

Daniel hatte Recht. Irgendwie kam mir das Auto schon seltsam anders vor. Ich wusste jedoch nicht, wieso.

Mit einem »Stimmt, du hast Recht.« fährt Nicole los.

»Fahr doch mal hinten um das Restaurant rum. Vielleicht gibt es ja dort einen Seitenweg«, fällt mir dazu ein. »Wenn uns der echte BMW entgegengekommen wäre, hätten wir ihm eigentlich begegnen müssen.«

Unter skeptischen Blicken der Beamten und auch von Herrn Velden fahren wir an dem Restaurant vorbei.

Wir werden zum Glück nicht weiter beachtet und kommen ungehindert an ihnen vorbei.

Hinter dem Restaurant führt ein kleiner Weg über ein Feld zum naheliegenden Dorf. Deutlich sind frische Fahrspuren von breiten Reifen zu erkennen. Ob das unser gesuchtes Fahrzeug ist, wissen wir zwar nicht, wir folgen jedoch unserem Instinkt und diesen Spuren.

Plötzlich taucht in eine große Staubwolke gehüllt neben uns ein Polizeiwagen auf.

Das Beifahrerfenster ist geöffnet. Aus dem Inneren deutet uns jemand an, wir sollen halten. Wir staunen nicht schlecht, denn es ist Manuel, der wild gestikulierend versucht, Nicole zum Halten zu bewegen.

Nicole macht mit unserem Roadster einen Schlenker, worauf Manuel mit seinem Wagen im Feld verschwindet und gibt Vollgas.

Wir rauschen mit über hundert Sachen über den Feldweg. Hinter uns verschwindet die Landschaft in einer großen Staubwolke.

Nicole meint zu uns: »Manuel steht doch wieder auf der falschen Seite. Das ist ein verdammt hinterhältiges Spiel. Ich habe das schon mal ganz ähnlich mit Manuel hinter mir. Er hat mir damals seine Hilfe angeboten und mich nur für die Interessen anderer ausgenutzt.«

Bei unserer Geschwindigkeit und der Beschaffenheit des Weges muss sie regelrecht schreien, damit wir sie verstehen. Dabei merken wir ihr sehr deutlich ihre Enttäuschung und ihre Wut an.

Wir erreichen das Dorf. Nicole bremst.

Vor uns liegt eine asphaltierte Landstraße, die sich weit sichtbar in der Ferne verliert. Deutlich erkennen wir die Silhouette eines auf ihr befindlichen Fahrzeugs.

Nicole schaut uns an. »Da ist der echte BMW. Weiter?«

»Ja na klar! Ich weiß zwar jetzt gar nicht mehr, was hier gespielt wird. Aber wenn wir jetzt aufhören, werden wir das wahrscheinlich auch nie erfahren.«

Daniel nickt mir zu und Nicole gibt wieder Gas.

Unser Roadster schwebt über die Landstraße.

Die Straße führt schnurgerade auf einen am Horizont liegenden Hügel zu, hinter welchem gerade unser verfolgtes Fahrzeug verschwindet. Wir liegen ungefähr eine halbe Minute zurück. Damit müsste sich Velden eigentlich sicher und unverfolgt fühlen.

Wieso eigentlich Velden? Der saß doch eindeutig in dem Polizeiwagen vor dem Restaurant. Er kann das Fahrzeug dementsprechend nicht fahren.

Während ich überlege, wer jetzt der Fahrer des BMW ist, erreichen wir den Hügel.

Nicole ruft uns nach einem kurzen Blick in das Tal zu: »Probleme, Probleme.«

Auch wir sehen es.

Dort im Tal liegt ein kleiner Flugplatz und unser gesuchter BMW, er ist es wirklich, wie wir jetzt eindeutig sehen können, ist gerade auf das Gelände gefahren. Er hält vor einer kleinen Privatmaschine.

Inzwischen sind auch wir am Rand des Geländes angekommen.

Nicole hält.

Ich habe schon meinen Fotoapparat in der Hand und schaue mit dem Teleobjektiv in Richtung des Geschehens. Der Fahrer des BMW und scheinbar der Pilot sind gerade zum Kofferraum gegangen. Ich sehe sie nur von hinten.

Jedoch kommt mir die Gestalt des Fahrers bekannt vor.

»Daniel, schaue mal durch. Ist das Tenner?«

Daniel nimmt sich den Fotoapparat und sieht zum Flugzeug.

»Du hast Recht. Die haben wieder die Rollen gewechselt. Tenner hat scheinbar die Ladung wieder übernommen. Sie laden jetzt die Kiste aus. Und in das Flugzeug.«

»So ein Mist. So verlieren wir sie. Nicole, hast du eine Idee?«

Sie antwortet nicht. Statt dessen gibt sie Gas und fährt zügig zum kleinen Flugplatzgebäude.

Dort stellt sie unseren Wagen auf dem Parkplatz ab und meint: »Los schnell, uns bleibt wohl nichts anderes übrig. Wir müssen irgendwie zu einem Flugzeug kommen.«

Wir springen aus dem Wagen und mit Nicole an der Spitze in das Gebäude. Drinnen angekommen fragt Nicole den dort sitzenden und Kaffee trinkenden Herrn freundlich irgendetwas auf Spanisch. Ich denke mal, sie fragt nach dem Chartern eines Flugzeugs. Leider antwortet der Herr bei weitem nicht so freundlich, sondern knurrt nur ein paar unverständliche Laute und wendet sich mit seiner Kaffeetasse von uns ab.

Wir scheinen ihn wohl in seiner Mittagspause gestört zu haben.

Nicole versucht noch mal ihr Glück. Wir starren gespannt auf den unfreundlichen Menschen. Jedoch ohne jegliche Reaktion. Er ignoriert uns jetzt einfach. Also laufen wir zur Tür auf die Flugwiese. Mehr ist es eigentlich nicht.

Wir sehen das Flugzeug. Der Pilot und Tenner sitzen bereits im Cockpit. Sie starten die Maschine, rollen über die Wiese und heben ab in Richtung Norden.

»So eine verdammte Scheiße jetzt haben wir sie verpasst.«

Diese Worte kommen von Nicole. Ich hätte es nicht treffender ausdrücken können.

Wie gebannt starren wir zum Horizont, wo das Flugzeug zu einem immer kleiner werdenden Punkt wird und langsam verschwindet.

Daniel unterbricht als Erster unsere Lethargie. Er geht zu Tenners BMW, der am Rand des Geländes geparkt ist und schaut durch die Scheiben. Wir kommen hinterher und überlegen, was wir jetzt machen können.

»Sucht mal einen Stein.«

»Was?«

»Ich will in das Auto.«, meint Daniel.

»Du kannst doch nicht die Scheibe einschlagen. Und was willst du überhaupt da drinnen?«

»Vielleicht finden wir irgendeine Spur. Ich weiß doch auch nicht. Habt ihr eine bessere Idee?«

Mmh, eigentlich habe ich jetzt überhaupt keine Idee mehr. Mein Kopf ist wir leergeblasen. Auch Nicole schaut ziemlich ratlos aus.

Sie geht zum Kofferraum und drückt auf den Knopf. Wie selbstverständlich öffnet sich zu unser aller Erstaunen die Klappe.

Wir müssen lachen. Die Situation hat schon eine eigenartige Komik.

Der Kofferraum ist offen und völlig leer. Aber von dort kann ich jetzt vor zu den Sitzen krauchen. Ich öffne eine Tür. Auch Nicole und Daniel kommen jetzt in das Auto. Wir durchsuchen alle Fächer und Ablagen.

Das Auto ist wie leergeräumt. Kein Zettel, kein Hinweis. Einfach nichts, was uns weiterhilft.

Da habe ich eine Idee. »Das Telefon«, rufe ich den anderen zu.

Der Wagen hat ein eingebautes Autotelefon. Wir nehmen den Hörer ab. Leider passiert nichts. Anscheinend funktioniert es nur, wenn der Zündschlüssel steckt.

Jetzt nimmt Daniel sein Handy und wählt die Nummer, die mit Prägeband auf das Telefon geklebt ist. Ein Moment vergeht und dann klingelt es.

Daniel nimmt den Hörer ab.

Auf dem Armaturenbrett erscheint jetzt die Anzeige für das Telefon.

Er drückt einen Knopf, der Ruf wird unterbrochen und eine Telefonnummer erscheint im Display.

»Das ist der letzte Anruf, den Tenner gemacht hat. Vielleicht ist das ja das Ziel.«

»Wie hast du denn das gemacht?«, frage ich verblüfft.

»Tja, gewusst wie.«

Die Telefonnummer hat als Länderkennzahl eine +46 vorangestellt.

Deutschland ist das nicht, also einigen wir uns, dass das nur Schweden sein kann, wo Carlson Technologies seinen Hauptsitz hat.

Nicole notiert sich die Rufnummer und wir machen uns wieder auf den Weg in Richtung unseres Autos.

Einen kleinen Hinweis haben wir ja nun. Ob uns das auch wirklich wieder auf die richtige Spur führt, wissen wir zwar nicht, aber immerhin.

Es folgt die obligatorische Frage: »Wollen wir weitermachen?«, die alle mit ja beantworten.

Also geht es mit unserem schnellen Roadster weiter in Richtung Valencia.

Nach einer kleinen Rast, bei der wir im Telefonbuch feststellen konnten, das die Vorwahl 46 wirklich Schweden ist und weiteren drei Stunden Fahrt erreichen wir die Stadt Valencia. Wir suchen den Wirrwarr an Verkehrsschildern nach einem Hinweis auf den Flughafen ab, den wir mit sehr viel Mühe und Geduld finden.

Dort angekommen gibt Nicole als Erstes unseren Roadster bei der Autovermietung ab.

Daniel und ich erkundigen uns derzeit nach einem Flug in Richtung Schweden.

Einen Direktflug nach Stockholm gibt es nicht. Jedoch können wir in einer Stunde einen Flug nach Leipzig und von dort weiter nach Stockholm nehmen.

Ein kurzes Nicken von uns beiden. Daniel zückt seine Kreditkarte und wir haben unsere Tickets in der Hand.

Inzwischen ist auch Nicole wieder da. Nach einem kurzen Abstecher in die entdeckte kleine Boutique, in der Daniel und ich uns mit ein paar Sachen eindecken können, gehen wir gemeinsam durch die Sicherheitskontrolle in den Wartebereich. Dort gibt es ein kleines Café, in dem wir uns noch ein wenig stärken. Ich schaffe drei Croissants und zwei heiße Schokoladen und halte dabei mit Daniel mit. Nur Nicole hält sich etwas mehr zurück.

So gestärkt geht es zu unserem Flug vom warmen und sehr aufregenden Süden in den kühlen und hoffentlich nicht ganz so stressigen Norden. Vielleicht bestätigt sich ja unsere Spur und wir können das Geheimnis um die ominöse Kiste lösen. Nicole meint, es sei sehr wichtig, dass der Inhalt nicht in die falschen Hände fällt.

Das ist übrigens ein guter Gedanke. Der Inhalt. Was ist eigentlich der Inhalt?

»Du, Nicole. In der Kiste ist deiner Meinung nach ein neues Element. Richtig?«

»Stimmt. Meine Recherchen haben das zumindest ergeben. Das heißt, es ist eigentlich nicht richtig neu. Es wurde bis jetzt nur immer gut verborgen. Wenn die Geschichten stimmen, die ich so aufgestöbert habe, ist es der Teil eines Meteoriten, der bereits Ende des 13. Jahrhunderts in Südfrankreich runtergekommen ist. Es ist angeblich das hundertsiebzehnte Element im Periodensystem. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist es jedoch stabil, das heißt, es zerfällt nicht.«

»Aber es ist radioaktiv?«

»Mmh. Nach Daniels Messung und den allgemeinen Gerüchten, ja.«

»Das klingt nicht sehr überzeugt.«

»Tja, bin ich auch nicht. Eigentlich dürfte es das Element gar nicht geben. Die Chemiker, die ich befragt habe, schlossen es völlig aus, dass es so etwas überhaupt gibt. Sie meinen, wenn durch besondere Umweltbedingungen solch ein Element entsteht, zerfällt es in Bruchteilen einer Sekunde auch wieder in seine Bestandteile. Wenn es jedoch wirklich völlig stabil ist, dürfte es auch nicht radioaktiv sein. Ich weiß wirklich nicht, was stimmt.«

»Und warum ist das Zeug nun so wichtig und deiner Meinung nach auch so gefährlich?«

»Wenn es wirklich die ihm zugesagten Eigenschaften aufweist, ist es eine Art Fusionsinitiator. Das heißt, es führt auf natürlichem Weg andere Elemente zur Kernverschmelzung.«

»Das, woran alle forschen?«, fragt Daniel.

»Genau, eine kalte dauerhaft funktionierende Kernfusion. Die Energiequelle der Zukunft.«

»Jetzt kann ich mir auch denken, warum meine Firma solch ein Interesse an der Sache hat. Die wären mit einem Schlag die mächtigsten Leute weltweit«, sagt Daniel nachdenklich.

Nicole erwidert: »Carlson Technologies hat Ende vergangenen Jahres einen Vertrag mit der NATO abgeschlossen. Zur Forschung und Entwicklung neuer mobiler Energiesysteme. Ich glaube das sagt alles. Von friedfertiger Nutzung kann da wohl keine Rede sein.«

Daniel überlegt und schaut sehr nachdenklich in meine Richtung. Nach einer Weile meint er dann: »Hauptsache uns wächst die Sache nicht über den Kopf. Wenn das alles wahr ist, ist das vielleicht doch etwas viel für uns drei.«

Nickend antwortet Nicole: »Das war ursprünglich auch ganz anders geplant. Ich wollte einen fundierten und beweissicheren Bericht veröffentlichen und damit die Öffentlichkeit zum Handeln aufrufen. Carlson Technologies hat davon aber anscheinend Wind bekommen und dann haben sich die Ereignisse einfach überstürzt. Eigentlich ist mir die Sache bereits bei Daniels Entführung über den Kopf gewachsen. Es gibt aber keinen anderen, der überhaupt etwas unternehmen kann, als wir drei. Ich kann euch beiden jedoch nicht verdenken, wenn ihr lieber die Finger davon lasst.«

Daniel schaut mich an. Ich erkenne deutlich, dass er auf keinen Fall die Sache auf sich beruhen lassen will. Auch ich denke so.

Wir nicken uns kurz zu und Daniel antwortet daraufhin zu Nicole: »Auf keinen Fall, wir machen selbstverständlich weiter.«

Nicole lächelt uns zu und will noch etwas sagen, da ertönt die Durchsage für unseren Flug.

Wir gehen zum Zugang zu unserem Flieger, zeigen unsere Bordkarte und bewegen uns mit den anderen Fluggästen in das Flugzeug. Dort werden wir freundlich begrüßt. Wir suchen unsere Plätze, verstauen unser weniges Gepäck und warten auf den Abflug.

Daniel sieht jetzt ziemlich verunsichert aus. Auch mich stimmt die Flugzeugatmosphäre sehr nachdenklich. Nicht dass es Flugangst wäre, vielmehr erinnert mich das alles an meinen letzten Flug, wo ich noch so um meinen Daniel bangen musste. Ich lächle meinen Traumprinzen an und halte sacht seine Hand. Er lächelt daraufhin zurück. Worte brauchen wir nicht, wir wissen auch so, was der andere sagen will.

Nicole sitzt neben uns und hat auch mitbekommen, warum wir beide jetzt so still geworden sind. Mit ihrem Lächeln zeigt sie, dass sie uns beide sehr gut verstehen kann.

Die Sicherheitshinweise der Stewardess und das Signal zum Anschnallen folgen. Kurz darauf erhebt sich die Maschine in die Luft mit Kurs zurück nach Deutschland.

Ich lege meinen Kopf an Daniels Schulter, genieße seine Nähe und schlafe ein.

»What would you like? Tea or Coffee?«

»Häh? Ähh, I think I´d like tea, please.«

Noch etwas benommen nehme ich meine Tasse Tee entgegen und antworte fast automatisch mit einem »Thank you.«

Da ich noch immer nicht ganz wach bin, weiß ich erst einmal gar nicht, wo ich die denn nun abstellen soll. Daniel klappt mir daraufhin meinen Tisch herunter und nimmt mir meine Teetasse ab. Ich bekomme noch etwas zum Essen. Es ist wieder das übliche Irgendetwas, das mich jedes Mal rätseln lässt, ob man das wirklich essen kann.

So langsam sammeln sich auch meine Gedanken wieder und ich merke, dass meine anfängliche Sorge um meinen Daniel, die ich nach dem Wachwerden hatte, jetzt nun wirklich unbegründet ist. Das verbessert auch schlagartig meine Laune. Ich gebe Daniel einen Kuss auf die Wange und wende mich meinem geheimnisvollen Essen zu.

Nicole und Daniel öffnen auch ihre Verpackungen und mit einem Mal zeigt sich, dass die kleinen Tische eigentlich nicht für die vielen Dosendeckel und Tüten gemacht sind. Wir kämpfen alle drei mit unseren Verpackungen und mit unserem Essen.

Das schmeckt heute gar nicht mal so schlecht. Es ist, wenn ich mich nicht täusche, wieder mal Putenfleisch mit etwas Gemüse. Durch meine drei Croissants vor dem Abflug habe ich jedoch nicht so sehr viel Hunger.

Auf dem kleinen Bildschirm vor unseren Sitzen sehen wir, dass die Maschine langsam ihre Flughöhe verringert. Das nette Personal räumt das Geschirr wieder ab und es ertönt die Durchsage, dass wir in ungefähr zwanzig Minuten in Leipzig landen werden.

Nicole vervollständigt noch ihre Notizen, Daniel blättert in einem Reisemagazin und ich schmuse mich noch mal an ihn ran.

Durch das Fenster sind jetzt die Autobahn und die ersten Häuser zu sehen. Auf der Autobahn herrscht bester Feierabendstau. Ich bin ganz froh, dass wir gleich weiterfliegen und nicht in Deutschland bleiben.

Unsere Maschine landet und nach dem üblichen Chaos durch die sich hinausdrängelnden Passagiere kommen wir in der Empfangshalle an. Unser Anschlussflug startet in eineinhalb Stunden. Nicole sagt, sie muss noch mal telefonieren und wir wollen uns die Beine vertreten. So verabreden wir uns in dem kleinen Café vor der Sicherheitskontrolle.

Daniel und ich gehen nach draußen. Es ist ein milder aber recht trüber Sommertag. Die Luft ist erfüllt von Straßen- und Baulärm, jedoch ist es angenehm, ein wenig im Freien herumzulaufen.

Ein Stück weiter finden wir eine Wiese, die durch die umliegende Bebauung ein wenig vom allgemeinen Lärm abgeschirmt wird. Ich setze mich hin und Daniel setzt sich neben mich. Vom Himmel blinzelt jetzt auch ein wenig die Sonne durch die Wolken und gibt diesem Fleck den Eindruck einer Oase im hektischen Gewimmel dieses Flughafens.

Wir strecken uns beide der Länge lang aus. Daniel hat seinen Arm um mich gelegt und ich gebe ihm einen Kuss. Es ist so richtig erholsam und entspannend. Da ertönt neben uns vorsichtig eine sehr verwundert klingende Stimme.

»Bastian?«

Das hat mir noch gefehlt. Markus. Was macht der denn hier? Ich drehe mich um und dort steht mit offenem Mund und recht seltsam anzuschauendem Gesicht mein bester Freund Markus. Oder besser gesagt der jetzige Freund meiner Exfreundin.

Daniel und ich haben uns aufgerichtet und schauen uns den Störenfried an.

»Hi Markus. Du hier? Und das ohne Daniela?«

Das konnte ich mir nicht verkneifen. Ich bin aber gespannt, wie er reagiert. Und er reagiert wirklich. Sein Mund schließt sich, man sieht, wie er beginnt über den Satz nachzudenken.

»Tut mir leid, dass du es so erfahren hast. Ich wollte dir schon lange etwas sagen, aber ich konnte es einfach nicht.«

Das hatte ich nicht erwartet. Nach Danielas Reaktion habe ich etwas Ähnliches auch von Markus befürchtet. Statt dessen schaut er jetzt wirklich traurig und nachdenklich in meine Richtung.

»Ich hoffe zu dir ist Daniela ehrlicher.« In gewissem Sinn habe ich jetzt eine Art Mitleid für Markus. Das klingt zwar seltsam. Aber wir kennen uns wirklich schon eine halbe Ewigkeit. Und ihn ganz wegstoßen will ich einfach nicht.

»Ok, lassen wir das. Daniel kennst du ja. Er ist jetzt mein Daniel und ich bin sein Bastian. Alles klar? Aber das weißt du ja sicher schon von Daniela.«

»Mmh, ja. Hallo Daniel.«

Markus wirft einen schüchternen Blick zu ihm rüber. »Also ich muss jetzt los, ich habe meine Eltern abgeholt. Die waren im Urlaub. Machts gut ihr beiden.«

Sagte er und war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.

»Was war denn das jetzt?«, fragt mich Daniel verwundert.

Da ich auch noch ziemlich baff bin, kann ich nur mit den Schultern zucken.

Nach kurzem verwundertem Schweigen schaut Daniel auf seine Uhr und meint, wir müssten langsam wieder zu Nicole reingehen, was wir daraufhin auch machen.

Nicole sitzt schon an unserem vereinbarten Treffpunkt. Sie wirkt abwesend. Ein leichtes Lächeln liegt auf ihrem Gesicht.

Als wir zu ihr an den Tisch kommen, schaut sie uns mit großen Augen an. Wir merken regelrecht, dass wir sie aus ihren Gedanken gerissen haben.

»Na du Träumerin?«, begrüße ich sie.

»Ich? Wieso? Habe ich so verträumt ausgesehen?«

Daniel und ich werfen uns einen Blick zu und müssen dann beide Nicoles Frage zustimmen.

Sie ist jetzt still und sieht uns beide immer noch mit großen Augen an. Das geht eine ganze Weile so. Inzwischen haben wir uns noch was zu trinken bestellt und sitzen gemeinsam am Tisch, um uns vielsagend anzuschweigen.

Irgendwann wird mir das dann aber doch zu viel und ich frage sie direkt, was denn los sei.

Nicole schweigt. Sie schaut schon wieder durch uns hindurch und hat ihr Lächeln aufgelegt.

»Hallo Nicole! Noch da?«

»Äh, ja. Schwer zu erklären. Ich erzähle euch das Ganze am besten nachher im Flugzeug.«

»Na gut. Es wird auch langsam Zeit, dass wir wieder einchecken.«

Also zahlen wir unsere Rechnung, nehmen unsere paar Sachen und begeben uns wieder durch den Sicherheitscheck. Es folgt der übliche Ablauf. Nach kurzem Warten werden die Tickets kontrolliert und wir gehen in unsere Maschine. Wenige Minuten darauf sind wir mit unserem neuen Flieger in der Luft, Richtung Skandinavien.

Daniel tippt mich an und zeigt zu Nicole. Irgendwie ist das langsam beängstigend. Sie schaut schon wieder völlig abwesend nach draußen.

Ich zucke mit den Schultern. Daniel spricht sie daraufhin wieder an.

Sie dreht sich zu uns um und überlegt kurz. Etwas unschlüssig beginnt sie dann zu erzählen.

»Also, Manuel und ich ?«

Ah ja, Manuel ist also der Grund. Da liegt doch mehr verborgen, als es nach außen den Anschein hat. Ich erinnere mich an die beiden letzten Male, als wir uns über Manuel unterhalten haben.

»Wo ihr ..., tja eben auf dem Flugplatz ...«

»Was eben auf dem Flugplatz? Nicole, wenn du nicht drüber reden möchtest, musst du das natürlich auch nicht. Wir haben uns nur Gedanken gemacht, weil du doch etwas abwesend wirktest.«

»Nein, ist schon ok. Ganz im Gegenteil, ich glaube euch beiden kann ich die Geschichte am besten anvertrauen.« Sie lächelt ein wenig.

»Ganz kurz von vorne. Manuel und ich, wir waren für eine Weile ein Paar.«

Sie schaut uns erwartungsvoll an.

Daniel meint daraufhin: »Das haben wir uns schon gedacht.«

»Wieso?«

»Ich weiß auch nicht wieso. Aber immer wenn es um Manuel ging, haben wir bei dir sehr viele verschiedene Gefühle und vor allem sehr viel Zuneigung gespürt.«

»Na ja, das stimmt schon ...

Zumindest habe ich ihn eben in Leipzig angerufen. Ich wollte wissen, was das Ganze soll und auf wessen Seite er diesmal steht. Er hat daraufhin geantwortet, dass er mir das persönlich in Stockholm erzählt, wenn er uns vom Flughafen abholt. Ich war natürlich ganz schön baff, woher er weiß, dass wir auf dem Weg nach Schweden sind, und habe ihn gleich gefragt, ob er mir nachspioniert. Daraufhin sagte er, dass er sich nur Sorgen um mich macht. Aber nicht die Worte, sondern wie er das gesagt hat, hat mich wirklich überzeugt. Ich glaube mit Manuel haben wir doch einen Verbündeten. Ich weiß, es ist nur ein Gefühl. Richtig begründen kann ich das nicht. Aber ich glaube ihm.»

Viel dazu sagen können wir eigentlich nicht. Dafür kennen wir Manuel zu wenig. Ich selber bin mir aber nicht so ganz klar, was für eine Rolle er in der Sache spielt.

Nicole strahlt uns jetzt an wie ein verliebter Glückskäfer.

Ich lächle zurück und meine zu ihrer kurzen Erzählung: »Da gibt es doch noch mehr oder?«

» ... Er hat die Geschichte von vor drei Jahren erklärt. Das, wo ich dachte, er hätte die Seiten gewechselt und mich im Stich gelassen. Ich hatte Unrecht. Auch damals hat er mich nur beschützt und ich habe es nicht bemerkt.«

Es folgt ein nachdenkliches Schweigen.

Nicole nimmt sich unser beider Hände und sagt sehr ernst: »Es war damals nicht sehr leicht. Bei ihm in Portugal gibt es immer noch sehr strenge Sitten und viele konservativ denkende Menschen, bei uns in Deutschland die unterschwellige Abneigung gegenüber allem Fremden. So wie ihr sicher immer mal dumme Bemerkungen erntet, ging das auch uns. Alles, was nicht ganz in das alteingesessene Schema der gutbürgerlichen Leute passt, wird oft einfach verurteilt. Dabei verbindet mich und Manuel genau wie euch das Schönste, was es eigentlich gibt, unsere gemeinsame Liebe.«

Stimmt genau. Ich sehe Nicole vor mir und denke an die letzten Worte von Daniela. Ich schaue meinen Daniel an und merke, wie sehr mich solche Vorurteile auch verletzen.

Ich liebe ihn und keiner hat das Recht das irgendwie zu verurteilen. Keiner!

»Vertraue deinen Gefühlen, dann wird aus dir und Manuel vielleicht auch wieder ein Paar. Was die Leute denken oder reden, ist nicht wichtig. Überhaupt nicht.«

Ich lächle Nicole und meinem Daniel an.

Im Flugzeug beginnt jetzt wieder die Essenverteilung.

Ich trinke nur einen Tomatensaft und esse einen Apfel, während ich immer noch über das von Nicole gesagte nachdenken muss.

Für mich ist es so schön, in Daniel verliebt zu sein. Warum stören sich andere Menschen nur daran?

Ich streichle Daniel durch die Haare.

Auf der anderen Seite des Gangs sitzt ein Junge, so um die Siebzehn, scheinbar mit seinen Eltern. Ich spüre seinen Blick. Als ich meinen Kopf wende, sehe ich genau das, was ich in meinen Gedanken gemeint habe. Ein völlig unverständlicher Blick dafür, dass ich meinen Arm um Daniel gelegt habe.

Ich schaue meinen Daniel an. Es ist ein Unterschied, wie Tag und Nacht. Daniel strahlt mich liebevoll mit seinen wunderbaren Augen an.

Die Augen des Jungen nebenan funkeln jedoch regelrecht abstoßend zu mir rüber.

Ich kann das nicht verstehen. Und eigentlich bin ich darauf sehr stolz.

»Na, allein mit deinen Eltern?«, frage ich ihn.

Als Reaktion kommt das, was ich erwartet habe. Er dreht sich weg.

Zum Glück besteht die Welt nicht nur aus solchen Menschen. Ich wende mich zu Daniel und Nicole und sehe, wie sie mich anlächeln. Nicole sagt: »Genau das habe ich gemeint. Aber man trifft auch viele Leute, die nicht solche Vorurteile haben. Zum Glück.«

»Das stimmt.«

Unsere Reise geht weiter. Jetzt sind es noch knapp dreißig Minuten bis Stockholm. Na mal sehen, was uns dort erwartet.

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