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Kräftemessen

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‚Was mach ich hier bloß?’ dachte sich Oliver, während er sich vom Rücken auf den Bauch drehte. Obwohl sein Rücken schon einigermaßen gebräunt war und seine Vorderseite deutlich heller war, wollte er nicht weiter auf dem Rücken liegen, es war einfach unbequemer. Er verschränkte seine Arme, stütze seinen Kopf auf ihnen ab und ließ seinen Blick herum schweifen.

Die Liegewiese war ziemlich leer für so einen heißen Sommertag. Andererseits drängten sich werktags nie so viele Menschen ins Bad wie am Wochenende, und die Urlaubszeit und eine Baumesse taten ihr übrigens. Es gab daher hauptsächlich jugendliche Besucher, die in den Ferien natürlich hierher strömten, wenn sie nicht verreisten.

Oliver kam sich mit seinen dreiundzwanzig Jahren alt vor im Vergleich zum Durchschnittspublikum hier. Selbst seine Freunde, Mario und Thomas, die sich mit ihren jeweiligen Freundinnen in seiner unmittelbaren Nähe ausgebreitet hatten, waren um zwei bzw. drei Jahre jünger. Er fragte sich, was er im Sommer in dieser ländlichen Kleinstadt verloren hatte. Immerhin war er schon vor 4 Jahren in die Hauptstadt gezogen, um dort zu studieren. Aber den Sommer verbrachte er die meiste Zeit bei seinen Eltern am Land.

Doch nun lag er hier zwischen seinen Freunden und fühlte sich einsam und ausgeschlossen. Er war ein wenig neidisch auf die Freundinnen der beiden, die sich an seine attraktiven Freunde ankuscheln konnten, wenn sie nicht sogar am knutschen waren. Mario war der schönere von ihnen, braungebrannt, eins achtzig groß, muskulös, dunkelbraunes, halblanges Haar. In seiner violetten engen Badehose sah er einfach „zum Anbeißen“ aus. Ein Schönling, Frauenheld und Fußballer. Oliver seufzte.

Thomas war ebenfalls ein gut aussehender junger Mann, eins neunzig groß, blondes, kurzes Haar und schlank. Er hatte grüne Badeshorts an, was bei seiner Größe ein wenig schlaksig wirkte. Er lag auf dem Rücken, während seine Freundin Nina ihren Kopf auf seinem Bauch ausruhte.

Beide fragten ihn früher häufig, ob er eine Freundin hätte und wer sie sei. Doch Oliver hatte noch nie eine Freundin. Auch keine Affäre, nicht einmal Sex. Abgesehen von dem mit seiner rechten Hand, doch das zählt nicht wirklich. Während er diesen Fragen früher immer ausgewichen war, erzählte er ihnen in letzter Zeit viel von den gemeinsamen Unternehmungen mit seiner besten Freundin Manuela, die auch in Wien wohnte und studierte. Beide nahmen wohl an, dass Oliver mit ihr was hätte und fragten kaum noch nach.

Schmerzhaft wuchs Olivers Einsamkeit inmitten der vielen hübschen Jungs im Bad, die er so unauffällig wie möglich beobachtete, um sich wenigstens in der Nacht gedanklich mit ihnen zu vergnügen.

Oliver wusste seit einer Ewigkeit, so ab dem Alter von zwölf, dass er Jungs anziehender fand als Mädchen, doch weder die Coming Out Folgen von „Dawsons Creek“ – wie oft schlief er in Gedanken an Jack ein – noch „Beautiful Thing“, den er sich unter Herzklopfen alleine im Kino in Wien angesehen hatte, konnten ihn dazu bewegen, zu seiner Sexualität zu stehen, geschweige denn sich zu outen. Darüber kann man sich eigentlich auch nicht wundern, wenn man diese konservative ländliche Gegend und die prüde, verklemmte Familie Olivers kennt.

Den einzigen Körperkontakt mit anderen Jungs hatte Oliver hier, im Schwimmbad, mit seinen Freunden und anderen Burschen aus der Ortschaft, wenn sie sich gegenseitig ins Wasser warfen, was nie ohne Rangelei stattfand, die sich im Wasser unter gegenseitigem Tauchen fortsetzte. Bei diesen Sommerspielchen ging es recht hart zu, je heftiger der Gegner sich wehrte ins Wasser befördert zu werden, desto fester musste man ihn halten und desto enger umschlungen drängte man ihn zum Beckenrand.

Oliver liebte diese Beckenrand- und Wasserschlachten, die er durch geschickte Provokationen oft selbst in Gang brachte. Die meisten Jungs, die er kannte, stiegen auch voller Inbrunst in dieses Spiel ein, während die Mädchen sich eher abseits aufhielten, da es oft ziemlich brutal zuging. Natürlich wurden nach einiger Zeit auch die Mädchen ins Wasser gezerrt und getaucht, doch eigentlich immer erst, wenn sich die Jungs eine zeitlang ausgetobt hatten. Das war jeden Sommer so, soweit sich Oliver erinnern konnte, und er dachte nicht daran damit aufzuhören, nur weil er schon dreiundzwanzig war.

Ein durchdringendes lautes Gelächter weckte Oliver aus seinen Gedanken. Nicht weit von ihm und seinen Freunden lag eine große Gruppe junger Leute zwischen sechzehn und fünfundzwanzig, wobei besonders die Jungs ziemlich athletisch und attraktiv waren. Es handelte sich um die Clique der Basketballspieler plus Anhang. Oliver kannte die meisten vom Sehen, und mit Andi und Bernd ging er sogar vier Jahre gemeinsam in eine Klasse des örtlichen Gymnasiums. Rene und Udo kannte er noch von der Volkschule.

Bernd! Ihn hatte Oliver diesen Sommer noch kein einziges Mal gesehen. Dieser eins achtundsiebzig Meter große „kleine“ Basketballspieler war früher sein bester Freund gewesen. Jedoch nur bis zur siebenten (für D.: elften) Klasse Gymnasium. Ein schlanker athletischer Junge mit blonden verstrubbelten Haaren und glänzenden blauen Augen. Er war gerade soweit trainiert, dass er wohlgeformte Bizeps- und Brustmuskeln hatte, aber er wirkte nicht übertrieben muskulös oder aufgeblasen. Wenn er anspannte, konnte man auch seine Bauchmuskeln erkennen. Auf seiner bronzefarbenen Haut glänzte die Sonnencreme. Was für ein schöner Körper. Olivers Blick wanderte die wenig behaarten, trainierten und schlanken Beine entlang bis zu Bernds enger hellblauer Short und der dortigen leichten Erhebung. Oliver musste schlucken.

Dieser Typ mit seiner muskulösen unbehaarten Brust und seinen leichten O-Beinen hatte es ihm schon sehr früh angetan. Er genoss jede kleine zufällige Berührung und die Nähe, die ihre gute Freundschaft mit sich brachte. Als diese zerbrach, heulte sich Oliver oft in den Schlaf. Diesen Verlust konnten seine anderen Freunde nicht wettmachen. Bernd war einfach was Besonderes.

„Aaahhh!“ Oliver schrie auf, als jemand Mineralwasser auf seinem Rücken entleerte. Mario lachte ihn aus und rannte davon, Oliver hechtete ihm hinterher und verfolgte ihn durchs ganze Bad bis zum Becken. Dort blieb Mario plötzlich stehen und drehte sich um...Oliver umfasste mit seinen Armen Marios Oberkörper und versuchte ihn ins Wasser zu schieben. Brust an Brust gepresst rangelten sie neben dem Becken.

Oliver war mit seinen eins fünfundsiebzig zwar kleiner als Mario, doch er war ziemlich kräftig. Er hatte immer schon breite Schultern, lag wohl an seinen Genen, und ein Freund überredete ihn zusätzlich vor einem Jahr mit Krafttraining zu beginnen. Dadurch hatte er überall Muskeln zugelegt und konnte mit Marios Muskelkraft mithalten. Beide Körper waren angespannt, man konnte überall ein feines Muskelspiel beobachten, vom Bizeps bis zur Wade, als diese hübschen Jungs miteinander rangen. Nicht wenige Badegäste, verfolgten den Kampf mit großem Interesse, hauptsächlich natürlich weiblicher Natur, wie der gebräunte Fußballer und der bronzefarbene schlanke Athlet mit den kurzen blonden Haaren rauften. Oliver dachte schon er hätte Mario soweit, um ihn endlich ins Wasser zu stoßen, als Mario seine Größe ausnutzend Oliver noch fester umarmte, ihn an sich presste und ihn leicht in die Höhe hob. ‚Shit!’ dachte Oliver. Er schien zwar somit zu verlieren, aber er genoss es, an Marios Körper gepresst zu sein – auf Ringerdeutsch in einem Bearhug – seine Füße verloren Bodenkontakt, seine roten, engen Retroshorts pressten auf die violette Badehose. ‚Hoffentlich krieg ich keinen Steifen’ dachte er sich noch…

Plötzlich wurden sie von einer dritten Kraft ins Wasser geschmissen. Da keiner der beiden die Umklammerung losließ, fielen sie eng umschlungen ins kalte Nass. ‚BRRRrrrrr!’ Aber die Gefahr in der Körpermitte war für Oliver gebannt. Während Thomas noch am Beckenrand stand und beide auslachte, stürzte sich Oliver auf Mario, legte seine Hände auf dessen Schultern und drückte ihn unters Wasser. Dann flüchtete er schnell aus dem Becken.

Er versuchte auch Thomas ins Wasser zu schmeißen, was ihm alleine nicht gelang, doch Mario half ihm ein wenig später, bis alle drei im Wasser landeten. Sie tauchten sich gegenseitig und versuchten wieder aus dem Becken zu klettern. Doch mittlerweile waren die Basketballer auch am Becken und ließen die drei nicht hinaus. Sie stießen sie immer wieder zurück ins Wasser, wobei einige von ihren Teamkameraden ins Wasser gestoßen wurden. Eine große wilde Wasserschlacht war bald im Gange. Wie üblich hielten sich Nina, Sine – Marios Freundin – und die anderen Mädchen ein wenig im Hintergrund, um nicht selbst Opfer zu werden. Sie saßen auf der Betoneinfassung eines Blumenbeetes in der Nähe des Beckens und amüsierten sich über die Kindereien der Jungs.

Jeder tauchte jeden, jeder rangelte mit jedem…Mario wurde besonders oft attackiert, die alte Fußball – Basketballkonkurrenz. Obwohl Andi, Rene und Udo oft zu dritt auf ihn losgingen, schafften sie es kaum ihn zu tauchen, weil Thomas und Oliver ihm zu Hilfe eilten und die drei einiges an Chlorwasser zu schlucken bekamen.

Nur zwei wahrten einen Sicherheitsabstand: Oliver und Bernd. Sie versuchten sich nicht in die Quere zu kommen und hielten einen Sicherheitsabstand zwischen sich. Schließlich redeten sie nicht einmal, da konnte man sich ja wohl schlecht tauchen.

Als es Oliver mal endlich aus dem Wasser schaffte, wollte sich auch Udo aus dem Becken stemmen. Sie gingen aufeinander los, um den anderen ins Wasser zu verfrachten. Udo war jedoch ein schlaksiger Riese und konnte Oliver nicht standhalten…Oliver hob ihn hoch, trug ihn bis zum Beckenrand und schmiss ihn in die Wellen.

Dann spürte er auf einmal, wie ihn starke Arme von hinten umfassten und sich vor seinem Bauch verschränkten. Ein nasser, warmer Körper presste sich an seinen Rücken und er wurde leicht in die Höhe gehoben. Seine Nackenhärchen stellten sich auf, als eine nur zu gut bekannte Stimme ihm ins Ohr raunte „Du schmeißt meine Freunde nicht ungestraft ins Wasser Olli!“ Bevor Oliver etwas sagen oder reagieren konnte, landeten die beiden athletischen Körper aneinander gepresst im Wasser. Doch damit nicht genug, als Oliver die Oberfläche erreichte und nach Luft schnappte, wurde er an den Schultern gepackt und mehrmals hintereinander in die Tiefen gedrückt. Oliver wurde gleichzeitig heiß und kalt, wenn er den Jungen spürte, der ihm soviel bedeutete und der ihn so schwer enttäuscht hatte.

Bernd und Oliver waren lange Zeit unzertrennlich. Sie konnten über alles (sagen wir lieber fast alles) miteinander reden, blödeln, sie gingen gemeinsam laufen und spazieren, spielten Basketball miteinander, wobei Bernd natürlich viel besser war als Oliver, und sie schauten gemeinsam DVDs. Dabei passierte es nicht selten, dass Bernd während des Filmes, besonders wenn es spät war, einschlief und sich im Schlaf an Oliver kuschelte, der Kopf auf seiner Schulter und der Körper und die Beine berührten Olivers Körper und Beine. Sonst passierte nie etwas, aber Oliver fühlte sich wie im siebenten Himmel. Die Wärme, die von Bernds Körper ausging, durchströmte seinen und er fühlte sich geborgen. Manchmal rutschte Bernds Kopf auf Olivers Brust und Oliver legte einen Arm um ihn. Immer, wenn am Ende des Films Bernd langsam aufwachte, schob Oliver ihn ruckartig zu Seite und schimpfte ihn, dass er kein Durchhaltevermögen beim Filmeschauen hatte. Danach schaute Bernd mit seinen durchdringenden klaren blauen Augen und Dackelblick Oliver eine Weile an und lächelte geheimnisvoll: „Warum schaust du dann immer mit mir?“ Da musste Oliver auch immer lachen und er antwortete „Weil du schön ruhig bist und während des Films nicht laut Chips frisst!“

Die wichtigste und tiefe Freundschaft mit Bernd fand jedoch ein zunächst schleichendes und dann lautes Ende, als Bernd mit 17 in den Basketballverein eintrat. Schule, dreimaliges Training pro Woche und Match am Samstag kosteten viel Zeit. In der spärlichen Freizeit nahm er sich kaum Zeit für Oliver und hing meistens mit seinen Teamkameraden herum. Oliver war rasend eifersüchtig und nahm ihm das sehr übel. Während des Feriensommers vor dem Maturajahr ging es zwar wieder besser, doch in der Abschlussklasse wurde es richtig schlimm. Wenn sie sich noch trafen, stritten sie entweder oder schwiegen sich an. Bernd versuchte zuletzt Oliver mehrfach zu überreden, gemeinsam mit seinen neuen Freunden etwas zu unternehmen. Da wurde es Oliver, sie waren gerade in Bernds Zimmer zum Lernen, zu bunt:

„Mit diesen Idioten will ich nix zu tun haben! Die Basketballer haben doch außer Balli spielen, saufen und Weiber abschleppen nix im Kopf!“

„Red nicht so abfällig über meine Freunde!“ antwortete Bernd.

„Wenn diese Trotteln deine Freunde sind, was sagt das über dich aus? Du bist doch nicht so!“ Oliver wurde laut.

„Ich bin auch ein Basketballer, kapier das endlich“ schrie Bernd zurück „ich will halt nicht so ein komischer Außenseiter und Querulant sein wie Du! Entweder Du akzeptierst meine neuen Freunde und gewinnst damit selbst neue dazu, oder Du hast ab heute einen Freund weniger!“ Bernd wurde versöhnlicher „Versuch die Burschen erst Mal kennenzulernen, sie sind ganz ok, Du wirst sehen. Sei nicht so voreingenommen Olli!“

„Ich will sie nicht kennenlernen!“

„Bitte.“

„Nein!“

„Bitte Olli, mir zuliebe.“

„Ich hab nein gesagt verflucht. Andi nervt mich schon in der Schule, nie lässt er mich in Ruhe. Von den anderen Spinnern fang ich gar nicht an…“ Oliver verdrehte die Augen.

„OLLIE“

„Lass mich in Ruhe! Geh zu deinen scheiß Basketballkumpels“

„Du hast auch schon mit ihnen Basketball gespielt“ Bernds Blick wurde flehender.

„Ich will trotzdem nicht mit ihnen befreundet sein! Wenn Du neben Schule, Verein und deinen neuen Freunden keine Zeit für mich hast…tja, Pech “ Oliver schaute in die Luft. Es mochte arrogant wirken, doch er versuchte die Tränen aufzuhalten, die er schon kommen spürte.

„Du bist ein überhebliches Arschloch Olli, du bildest dir ein du wärst was besseres, gell?“ Bernd war nun wirklich wütend. Was er sich alles angehört hatte, nur wegen seiner neuen Freunde. Warum konnte sein alter, bester Freund das nicht verstehen.

„Leck mich Bernd, geh Balli spielen und lass mich in Ruhe!!!“ schrie Oliver in Rage. Plötzlich klatschte es. Dann war es sehr still. Auf Olivers Wange bildete sich ein Abdruck von Bernds Hand.

Oliver packte sein Zeug zusammen und wollte zu Tür raus, als ihn Bernd an der Schulter zurückhielt. „Greif mich nicht an!“ fauchte Oliver leise, aber glasklar und eiskalt. Bernd zuckte erschrocken zurück und Oliver verschwand. Seitdem haben sie nur Worte in der Schule gewechselt, wenn es unbedingt sein musste. Bernd wollte sich zwar entschuldigen, aber Oliver zeigte ihm immer die kalte Schulter, so gab er es irgendwann auf.

Nun wurde er von diesem Jungen getaucht. Nach den Jahren des fast nichts miteinander zu tun haben ein plötzliches zuviel an Nähe für Oliver. Er rang nach Luft und wollte aus dem Becken, doch Bernd schnappte plötzlich ein Bein und hielt es fest.

„Lass mich los, was soll das?!“

„Mensch Olli, is doch nur Spaß, bei den anderen bist du auch nicht so empfindlich!“

Kaum war der Satz ausgesprochen, wurde Olivers Bein in die Höhe gezogen, sein zweites ausgehebelt und er war wieder unter Wasser. Er tauchte auf und spürte, wie schon wieder jemand nach seinem Bein schnappte. Kurzerhand trat er denjenigen in den Bauch.

„Aua“ Bernd krümmte sich leicht vor Schmerz. „Bist du jetzt total übergeschnappt?“

Oliver musste zugeben, dass er übertrieben reagiert hatte, murmelte eine Entschuldigung und ging auf seinen Platz.

Natürlich war es unmöglich gewesen, sich gänzlich aus dem Weg zu gehen. Schon gar nicht in der Schule oder in dieser Stadt. Man sah sich jeden Tag in der Klasse, im Sommer sah man sich im Schwimmbad oder spielte Basketball miteinander. Denn Mario und Thomas kannten die Leute vom Verein und spielten gerne gegen sie, und Oliver musste wohl oder übel mitmachen, wenn er nicht alleine dastehen wollte. Aber die beiden reduzierten ihren Umgang auf das allernötigste und gingen sich so gut es ging aus dem Weg. Das war noch schlimmer, als hätten sie gar keinen Kontakt. Oliver wurde immer wieder aufs Neue schmerzlich an den Verlust seines besten Freundes erinnert. Er umgab sich aus Trotz dann häufiger mit jenen Leuten, von denen er wusste, dass sie Bernd nicht ausstehen konnte. Obwohl er Bernd vermisste und oft seine Nummer im Adressbuch des Handys aufschlug, rief er ihn nie an. Sein Stolz war dann immer stärker…oder war es seine Feigheit.

Die schmerzlichste Zeit war im Maturajahr und dem folgenden Sommer, doch dann hatten sich beide scheinbar an die Situation gewöhnt. Und seit seinem Studium war Oliver ohnehin viel seltener hier.

Oliver lag auf seinem Handtuch und ließ die vergangenen Minuten Revue passieren. Immer und immer wieder. ‚Olli’ so wie Bernd es immer sagte, klang so weich und liebevoll. Aber was sollten jetzt diese Gedanken auf einmal. ‚Der Spinner soll mich in Ruhe lassen, nach so vielen Jahren braucht er auch nicht mehr auf nett machen!’

Und hier war er wieder, der verletzte Stolz und der Ärger über die eigene Dummheit, so einen riesengroßen Fehler gemacht zu haben und die beste Freundschaft aufs Spiel gesetzt und verloren zu haben. Aber warum…

Oliver wurde immer heißer, Schweißperlen bildeten sich überall. Warum sich jetzt noch Gedanken darüber machen. Aber warum hatte er damals so heftig reagiert. Wieso konnte er Bernd nicht die Freiheit für den Verein und seine neuen Freunde geben. ‚Hhhmmm’ Wieso grübelte er jetzt noch darüber. Es war zu spät. Das hätte er sich vorher überlegen müssen, aber die Gedanken kehrten immer wieder zurück.

„Heee, da bist du! Wieso hast du uns im Stich gelassen gegen die Basketballer“ Thomas lachte ihn halbböse an und schüttelte seine nassen Haare über Oliver. „Hmpf“ grummelte dieser nur. Mario, Thomas, Sine und Nina waren aus dem Becken zurückgekehrt, trockneten sich ab und schmierten sich anschließen mit Sonnencreme ein. Oliver ließ sich auch den Rücken von Sine eincremen, obwohl ihm Mario lieber gewesen wäre. Während er so auf dem Bauch lag und Sine die Lotion am Rücken verteile, merkte Oliver, wie Bernd ihn dauernd anstarrte. Als er merkte, dass Oliver ihn auch beobachtete, schaute er schnell weg. Was wäre gewesen, wenn sich Oliver entschuldigt hätte. Vielleicht wäre ihr Verhältnis wieder besser geworden, vielleicht wäre sogar mehr draus geworden als Freundschaft. ‚Blödsinn, absoluter Blödsinn!’ dachte Oliver. Es gab zwar tief in ihm den sehnlichen Wunsch, Bernd möge auch schwul sein, doch er wusste, dass seine Hoffnungen vergeblich waren. Und selbst wenn, würde Bernd sich mit ihm einlassen? Er war einfach der Parade-Hetero. Man brauchte sich nur die Mädchen anschauen, die ihn umschwärmten. Sie waren wohl äußerst attraktiv, aber das zu beurteilen war ja nicht Olivers Sache. Aber nicht einmal die Freundschaft hatte er retten können. ‚Ich war so blöd! Aaaahhhh!!! Ich will nicht mehr dran denken!’

Oliver hatte nie wieder so einen guten Freund gefunden. Einen, der noch dazu so attraktiv war. Er war einfach perfekt, wunderschön…Oliver stellte sich vor, als würde Bernd ihm den Rücken mit Sonnencreme einreiben und seufzte zufrieden. „So fertig!“ Sine riss ihn aus seinen Träumen.

„He, wollen wir nicht eine Runde ‚beachen’ gehen?“ fragte Mario. Die anderen waren ganz begeistert und auch Oliver ließ sich nach ein paar mürrischen Seufzern über die Hitze und Sonnenstichgefahr überreden. Nach einem kurzen Einspiel begann ein hitziges Beachvolleyballmatch, wobei Mario und Thomas gemeinsam gegen Oliver und die beiden Mädchen antraten. Trotz der numerischen Überlegenheit war das Match sehr knapp und allen rann der Schweiß wie kleine Bäche vom Körper. Nachdem Olivers Mannschaft den ersten Satz knapp gewonnen und den zweiten knapp verloren hatte, musste der dritte über den Sieg entscheiden. Kurz nach dem ersten Ballwechsel, kamen Udo, Rene, Andi und Bernd auf den Platz. Sie wollten auch spielen. Mario schrie ihnen zu „Wir werden noch den Satz gewinnen, dann können wir gegeneinander spielen!“…“Träum weiter du Angeber!“ gab ihm Oliver zurück und das Match ging weiter. Irgendwie konnte sich Oliver nicht helfen, er fühlte sich beobachtet…immer wenn er kurz zu den Basketballern schaute, die sich im Schatten eines Baumes neben dem Spielfeld niedergelassen hatten, sah ihm Bernd in die Augen und dann schnell weg. ‚Irgendetwas stimmt hier nicht, oder ich fange auch schon zu fantasieren an’ dachte er sich. Das Match nahm seinen Lauf und Oliver und die Mädchen verloren schließlich ganz knapp, mit zwei Punkten Unterschied.

Während Mario mit Uwe und Andi gerade aushandelte, wer gegen wen spielen sollte, wollte Oliver sich schnell abduschen und kurz ins Becken springen, um den Schweiß und Sand, der an seinem Körper klebte, loszuwerden. Als er an Bernd vorbeiging, sagte dieser zu ihm: „Gut gespielt Ollie! Wirklich gut!“

Oliver traute seinen Ohren nicht. Ihm fiel die Kinnlade nach unten...dann besann er sich und antwortete patzig: „Verarschen kann ich mich selber!“ Bernds Blick verfinsterte sich und wurde abweisend: „Aha. Na wenn das so ist!“ Oliver ging weiter, während seine Gedanken Achterbahn fuhren. ‚Das gibt’s doch nicht, was ist nur hier los? Was will er auf einmal? Wieso lobt er mich? Hat er das ernst gemeint? Das kann doch nicht sein?’ Er kam zu den Duschen und das kalte Wasser half etwas, seinen Körper zu reinigen und die Gedanken zu beruhigen. Mario, Thomas und ihre beiden Mädchen kamen auch nach, duschten sich und sprangen kurz rein, um anschließend Druck zu machen. „Komm jetzt endlich Oliver, wir möchten es den Großmäulern mal zeigen!“ Oliver seufzte und folgte ihnen auf den Beachvolleyballplatz, wo sich die Basketballer gerade eingespielt hatten.

Mario, Thomas und Oliver auf der einen Seite des Netzes, Bernd, Udo und Andi auf der anderen. Rene und die Mädchen hatten es sich im Schatten mit Getränken gemütlich gemacht und beobachteten von dort aus das Geschehen. Zu Beginn was das Match noch harmlos, und am Anfang des erstens Satzes ziemlich gesittet. Doch bald steigerten sich die Spieler immer mehr hinein, alle schwitzten und die Sonne brannte auf ihren Körpern.

Oliver retournierte einen Aufschlag ohne Zwischenspiel von Udo, der bei Bernd auf die Linie einschlug.

„Out!“ rief Bernd.

„Du spinnst wohl, der war auf der Linie!“ sagte Oliver.

„Das kannst du von dir aus gar nicht sehen!“

„Sicher, besser als du, weil er ging hinter dir auf die Linie“

„Blödsinn, der war eindeutig im Out“

„Bist du blind oder schummelst du grundsätzlich“

So ging es die ganze Zeit. Am Anfang stritten die anderen noch ein bisschen mit, doch mit der Zeit diskutierten nur mehr Bernd und Oliver heftig um jeden Punkt. Je mehr sie sich ins das Spiel hineinsteigerten, desto mehr fauchten sie auch ihre Mitspieler an, die entsprechend zurückmaulten. Als Oliver Bernd mit einem Teamkollegen toben sah, musste er unwillkürlich lächeln. In der Hinsicht waren sie sich wirklich nicht unähnlich. Plötzlich schaute Bernd ihm mitten ins Gesicht, sah Olivers Lächeln, verzog aber keinen Mundwinkel. Olivers Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war.

Die Sache wurde noch schlimmer, denn es stand eins zu eins nach Sätzen. Der letzte Satz würde das Spiel entscheiden. Trotz der Aufregung kam Oliver nicht umhin, auch während des Spiels Bernd immer wieder anzusehen, das Spiel seiner athletischen Muskeln zu beobachten und die Wölbung in Bernds hellblauer Short anzustarren. Er hatte das Gefühl, dass Bernd dies ebenfalls tat, versteckt hinter dieser grimmigen Miene.

Das Spiel zog sich in die Länge, die Ballwechsel wurden immer länger und die Spieler waren am Ende mit ihren Kräften. Die Zuschauer dieser Partie hatten auch schon das Weite gesucht und die sechs Spieler blieben alleine auf dem Platz. Keine Seite konnte wirklich einen Vorsprung herausarbeiten. Deshalb kämpften beide Seiten verbissen weiter, am meisten jedoch Bernd und Oliver. Aber sie warfen sich weniger Gemeinheiten an den Kopf, denn auch sie bekamen kaum noch Luft.

Es war gerade Punktegleichstand, und Oliver hatte Aufschlag. Wenn er einen Punkt machen würde, hätte sein Team den Matchball. Er donnerte den Ball über das Netz, dieser knallte hinter Andi auf die Linie, die erzitterte. Mario, Thomas und Oliver klatschten sich gegenseitig ‚high-five’ und schubsten sich mit ausgestreckter Brust. Ihre Art einen guten Punkt zu feiern. Der arme Andi wurde inzwischen von Bernd wegen seines Versagens niedergebrüllt.

Oliver war nun zuversichtlich, dass sie das Spiel für sich entscheiden konnten, er sah die Nervosität in Bernd Augen.

„Ich dachte du hasst Balli spielen Olli? Aber jeder hat mal einen Glückstreffer“ ätzte Bernd. „Halts Maul! Für einen Baskteballspieler bist du grottenschlecht mit dem Volleyballi“ kam es retour.

Trotzdem verpatzte Oliver den Aufschlag, er landete im Out. Bernd lachte siegessicher. Punktegleichstand. Doch auch er verpatzte den nächsten Aufschlag. Matchball. Mario war an der Reihe. Er schaffte einen guten Aufschlag, doch Udo konnte ihn annehmen. Der Ball wurde drei Mal gespielt, wobei beim letzten Mal Bernd versuchte, ihn übers Netz zu schlagen…er wurde von Thomas geblockt, der mit seiner Größe keine Schwierigkeiten hatte, den Ball zu stoppen. Andi konnte ihn zwar noch mit Müh und Not baggern, doch der Ball kam flach und schnell auf Bernd zu, Bernd machte einen weiten Schritt und warf sich Richtung Ball…doch er traf ihn nur mit der Faust…der Ball ging in die Höhe…aber nicht Richtung Netz, sondern in die Gegenrichtung. Weit ins Out!

„Ssssiiiiiiiieeeeeeeeeeegggg!!!“ brüllte Oliver. Er stürzte sich auf seine Teamkollegen und umarmte jeden. Mario hob er sogar hoch und wirbelte ihn durch die Luft.

„Ganz ruhig!“ lachte dieser, „ist ja schon gut. Kein Grund auszuzucken!“ doch man merkte auch ihm und Thomas die Freude über den Sieg an, denn sie machten auch noch einige spitze Bemerkungen in Richtung der Basketballer. Aber wie es sich gehört, schüttelten sie anschließend auch die Hände der Gegner und sagten gegenseitig „Gutes Spiel!“ Nachdem auch Oliver das bei Andi und Udo erledigt hatte, wollte er zu Bernd. Der war gerade dabei den Ball hinten am Spielfeld aus dem Gebüsch zu fischen, wohin dieser gerollt war. „Legst du mir den Ball bitte dann auf meinen Platz?“ fragte Mario. „Jaja“ murrte Bernd zurück.

Während Oliver auf Bernd zuging, liefen die andern schon in Richtung Becken zu den Duschen. Die beiden ehemaligen Freunde waren nun ganz allein am Spielfeld.

Bernd kroch gerade auf allen vieren rückwärts mit dem Ball aus dem Gebüsch. Oliver betrachtete seine hellblaue Short und dein geilen Knackarsch, der sich darin abzeichnete…er musste schlucken.

„Gutes Spiel!“ krächzte er und hielt Bernd die rechte Hand hin.

„Verarschen kann ich mich selber!“ erwiderte dieser wütend und schlug ihm die Hand weg.

„Na komm schon...oder kann der große Ballispieler nicht verlieren? Du hättest dir nicht gedacht, gegen mich zu verlieren, was?“ grinste Oliver siegesbewusst.

„Da hast du euren scheiß Ball“ rief Bernd und knallte ihm den Ball so fest in den Bauch, sodass sich Oliver krümmen musste.

„Sag mal spinnst du?“ keuchte Oliver, während er sich aufrichtete…und er sah Bernds verächtlichen Grinser und sah plötzlich rot…er holte aus und knallte Bernd eine Ohrfeige auf die Wange. Bernd starrte ihn für einen Moment sprachlos an, dann schrie er auf und stürzte sich auf Oliver. Oliver flog auf den Rücken und Bernd auf ihn drauf. Sie wälzten sich am Boden, mal hatte der eine, mal der andere die Oberhand. Sie versuchten sich auch gegenseitig in den Schwitzkasten zu nehmen, doch sie waren beide so verschwitzt, dass sich der Eingeklemmte immer wieder befreien konnte.

Sie kämpften verbissen und leise, man hörte nur ihr Keuchen. Beine ineinander verkeilt, die Arme des anderen fixierend rollten sie über den Platz, einmal war Bernd im Vorteil, einmal Oliver. Manchmal lösten sie sich voneinander und boxten sich gegenseitig in den Bauch oder auf die Schultern, aber es wurde nie wirklich brutal. Obwohl scheinbar beide unbedingt als Sieger aus dieser Rauferei aussteigen wollten, gab es doch eine Grenze für beide, das ganze nicht ausarten zu lassen. Oliver hatte schon lange keinen so intensiven Körperkontakt mit einem Jungen…noch dazu war das Bernd. Sein ehemaliger bester Freund, dieser schöne sportliche Athlet! Besonders wenn Bernd auf ihm lag, seine athletische Brust an Olivers Brust presste, seine Shorts an Olivers Badehose drückte, kam Oliver nicht umhin das schön zu finden, ja mehr noch…diesen Körper zu spüren war geil. Er bekam langsam eine Latte und wurde nervös.

Dennoch ging der Kampf inzwischen unvermindert weiter…Bernd schien auch unaufmerksam, denn Oliver konnte einen tollen Griff ansetzten…er hielt Bernd in einem Doppelnelson fest (seine Arme unter Bernds Arme hindurch und auf Bernds Nacken verschränkt, sodass er Bernds Kopf an dessen Brust pressen konnte und dieser seine Arme nicht bewegen konnte).

Bei diesem Griff wurde Bernds Rücken an Olivers Brust gepresst…sein Becken in Olivers Schritt. Oliver wollte ihn zu Boden drücken, doch er fürchtete Bernd würde seine Latte spüren. Sein Griff wurde schwächer und Bernd wand sich heraus. Dann nahm er Oliver schnell in einen Schwitzkasten und zerrte ihn zu Boden, er war schon wieder über ihm und hätte ihn fast gepinnt…Oliver versuchte verzweifelt, sich zu wehren, doch er hatte kaum noch Kraft. Dann fiel ihm ein, seine Beine zu benützen…er schlang seine trainierten Beine um Bernds Taille und machte eine Beinschere…seine muskulösen Oberschenkel pressten in Bernds glatten Bauch. Trotz seiner Bauchmuskeln wurde die Schere immer enger, Bernd schrie kurz auf und ließ von seinem Angriff ab. Oliver konnte ihn auf den Rücken drehen und sich auf deinen Bauch setzen. Er versuchte Bernds Arme hinter dessen Kopf und machte sich breit, damit ihn Bernd nicht abschütteln konnte.

‚Aber hallo? Das kann doch nicht sein! Das gibt es nicht! Das darf es nicht geben’ dachte Oliver verwirrt, denn während er Bernds Arme am Boden fixierte war er nach hinten gerutscht, er lag nun fast ausgestreckt auf seinem alten Freund. Seine Shorts presste er in Bernds Beule und er spürte deutlich, dass auch dieser eine Erektion hatte. Sein Puls erreichte ungeahnte Höhen. ‚Oh mein Gott, er wird doch nicht schwul sein? Wie konnte mir das entgehen?...’ Während Olivers Gedanken verrückt spielten, zappelte der schöne Verlierer unter ihm und sagte mit gebrochener, leiser Stimme: „Ok ok, du hast gewonnen, du bist der Sieger! Und jetzt geh runter von mir!“

Das tat Oliver aber nicht. Er ließ Bernds Arme los und setze sich auf, wobei sein Hintern genau auf Bernds steifen Schwanz landete. Er schaute Bernd lange und intensiv an, seine grünbraunen Augen versanken in den klaren blauen Augen seines Gegners. Da lag er unter ihm, der Junge, der ihm soviel bedeutet hatte und jetzt noch mehr bedeutete. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals…Tränen stiegen ihm in die Augen.

„Nein Bernd. Ich habe verloren. Meinen besten Freund und…“ Oliver kam nicht weiter, seine Stimme versagte. ‚Ich liebe dich verdammt!’ dachte er sich…näherte sich langsam Bernds Kopf und küsste ihn sanft, zärtlich und ein wenig unbeholfen auf den Mund.

„Oh mein Gott! Ollie…“ hörte er eine Stimme unter sich. Er blickte in Bernds fragende Augen, die sich auch mit Tränen füllten.

Da realisierte er, was er soeben getan hatte…’Ich bin sooo ein Idiot, warum hab ich mich dazu verleiten lassen? Spinne ich jetzt ganz, nur weil Bernd zufällig eine Latte beim Ringen bekommt’ dachte sich Oliver und fügte laut hinzu, während er aufsprang „Es tut mir leid! Verzeih mir Bernd! Es tut mir alles so leid!!!“ dann lief er davon.

Er wusste vor Aufregung zunächst gar nicht wohin, doch dann rannte er zu den Duschen, um sich den Sand und den Schweiß abzuduschen, aber vor allem sollte niemand sehen, dass er geweint hatte. Das kalte Wasser prasselte seinen Körper nieder und die letzten Minuten gingen ihm noch mal vor seinem geistigen Auge durch den Kopf. Oliver fing an zu zittern.

‚Ich bin ja so blöd…wie konnte ich nur so blöd sein...mich zu so was hinreißen lassen…SCHEISSE, da kommt ER!’ Er sah Bernd, der ebenfalls gerötete Augen hatte, auf die Duschen zugehen.

Oliver duschte sich schnell fertig und war im Begriff um das Becken herum auf die Liegewiese zu flüchten, als er Mario, Thomas, Sine und Nina in die Arme lief, die gerade am Beckenrand lümmelten. „Was hast du denn solange gemacht? Hast du mit Bernd gestritten?“ fragte Thomas besorgt, „Du siehst ja gar nicht gut aus!“

„Ähm…“ Oliver musste schlucken. ‚Was soll ich jetzt nur sagen? Hilfe?!!’ Er wurde immer verzweifelter, bis ihm eine gute Ausrede einfiel: „Nein, aber das anstrengende Match bei der Hitze, ich glaub ich hab einen leichten Sonnenstich. Ich glaub’ ich geh’ besser heim!“

„Wenn man vom Teufel spricht! Da kommt er!“ sagte Mario grinsend, Oliver drehte sich um und blickte in diese begehrten blauen Augen, konnte Bernds Blick jedoch nicht deuten.

‚Ich bin geliefert! Wenn er jetzt den anderen erzählt, dass ich ihn geküsst habe, bin ich geliefert! Dann werden sie mich alle als Schwuchtel beschimpfen! Keiner wird mehr was mit mir zu tun haben wollen!’ Oliver wurde starr vor Angst, und obwohl er am liebsten davonlaufen wollte, bewegten sich seine Beine nicht.

„Hast du den Ball auf meinen Platz gelegt?“ fragte Mario. Bernd, der Oliver mit seinem Blick fixiert hatte, riss sich förmlich los von ihm und stammelte „Äh, was? Den Ball? Ach so, hab ich!“

Oliver blickte zu Boden, er konnte weder etwas sagen, noch traute er jemandem in die Augen zu schauen, aus Angst man könnte ihm alles ansehen. Plötzlich hörte er schnell Schritte hinter sich und sah, wie Andi, Rene und Udo auf sie zukamen und jeden am Beckenrand Stehenden ins Wasser warfen. Bernd und Oliver flogen ohne Gegenwehr rein, sie waren zu überrascht, Mario und Thomas konnten je einen Angreifer mit ins Wasser ziehen. Udo versuchte auch noch die beiden Mädchen ins Wasser zu drängen, doch Oliver stieg schnell aus dem Becken und warf Udo ins Wasser. Dann rief er noch ein „Ich muss jetzt echt los! Ciao Leute!“ Richtung Becken und nützte die Gelegenheit zur Flucht. Er sah noch aus den Augenwinkeln, wie Bernd aus dem Becken stieg und er glaubte sogar ein ‚Warte auf mich!’ gehört zu haben, doch Mario war schneller aus dem Becken und rannte zu Bernd und schmiss ihn wieder hinein.

Mit einem Seufzer der Erleichterung war Oliver bei seinem Handtuch angelangt, er trocknete sich schnell ab, schmiss seine Sachen in den Rucksack, schlüpfte in seine Turnschuhe und zog ein T-Shirt über und eilte, ohne sich umzuziehen, mit den nassen Shorts Richtung Ausgang. Er war so mit seiner Flucht beschäftigt, dass er das Geschehene im Moment gut verdrängen konnte. Als er das Bad verließ, riskierte er einen Blick Richtung Becken, wo seine Freunde wieder am Beckenrand saßen. Thomas sah ihn und deutete ihm per Handzeichen er solle warten, doch Oliver winkte einfach in ihre Richtung und ging dann ohne sich umzudrehen aus dem Bad. Draußen wurde er ein bisschen ruhiger, allerdings fühlte er sich unwohl. Das T-Shirt wurde durch die Shorts nass und klebte um seine Taille, er spürte ein leichtes Kopfweh und ihm war heiß und kalt gleichzeitig. Er wollte nur noch so schnell wie möglich heim. Er schloss sein Rad auf und machte sich auf den Weg.

‚Mah, es war so schön ihn wiederzusehen, seinen schönen glatten Körper zu spüren, seine Lippen zu berühren’ das Ereignis ging ihm wieder durch den Kopf und er spürte ein Kribbeln im Bauch, wenn er an Bernd dachte. ‚Er hatte doch auch eine Latte, vielleicht empfindet er so wie ich…ich mein, wieso hätte er sonst eine Latte…aber vielleicht war es nur die Reibung…dann ist er hetero und hasst mich jetzt…und die anderen, was werden sie sagen…vielleicht erzählt er es ja ihnen nicht…aber wenn er es ihnen erzählt…was soll ich nur machen…’ die Hoffnungen, die sich Oliver zwischendurch machte wurde immer durch seine Angst und Panik verdrängt.

‚Wahrscheinlich werden alle über mich herziehen, Thomas und Mario werden nicht mehr mit mir reden…Scheiße…so eine Scheiße…warum is das nur passiert, ich wünschte das wäre nie passiert. … Aber Manuela wird mich verstehen, sie muss mich verstehen können…und Mama und Papa? Die werden ausrasten. Und geben mir kein vielleicht kein Geld mehr, dann kann ich das Studium schmeißen…SCHEISSE…’

Er konnte seine Tränen nicht mehr unterdrücken und heulte leise vor sich hin. Das Leben war eben doch keine Serie oder ein Coming-Out Film. Dort lief alles immer so schön glatt, und nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde alles besser. Aber bei ihm? Und wenn er sich schon outen musste, dann doch nicht so. Durch Tratsch würden es alle erfahren. Vielleicht würden Mario und Thomas seine Sexualität gar nicht so schlimm finden. Aber wenn sie es so erfahren, hinterrücks. Sie werden denken, dass er ein verlogener Arsch ist, der ihnen nur was vorgemacht hat die letzten Jahre.

‚Aaaahhhhh. Warum muss alles nur so kompliziert sein und warum muss ausgerechnet ich schwul sein…warum musste ich heute ins Bad gehen und IHN dort sehen…und mit IHM Volleyball spielen…und mit IHM raufen…und ihn küssen…’

Er wusste zwar nicht, wie er es geschafft hatte, aber Oliver war zu Hause angekommen. Er stieg vom Rad ab und öffnete das Garagentor. ‚So ein Glück, beide Autos nicht da’ Sein Vater kam sowieso immer erst spät von der Arbeit, aber auch Olivers Mutter schien unterwegs zu sein, einkaufen oder sonst wo. Sie war Lehrerin und hatte jetzt auch Ferien. Er stellte sein Rad ab und schloss das Tor. In der Küche fand er einen Zettel: „Bin bei Oma, helfe ihr im Garten, Salat steht im Kühlschrank“

Essen konnte er jetzt nichts. Oliver ging ins Bad, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Es war noch ganz schön viel Sand in den Shorts und an ihm selber, der jetzt in den Abfluss rann. Das lauwarme Wasser entspannte ihn ein wenig. Während er sich seinen Schwanz wusch, musste er schon wieder an Bernd und seinen perfekten Körper denken. Er hätte beinahe eine Erektion bekommen, doch der unerfreuliche Höhepunkt des Tages und seine Ängste kehrten zurück und jede Lust verschwand. Er duschte sich fertig und stieg aus der Kabine. Während er sich abtrocknete sah er sich im Spiegel. Ein verzweifeltes Gesicht mit roten Augen blickte ihn traurig an. ‚Selbst, wenn Bernd schwul wäre, würde ihm so eine Gestalt wie ich gefallen’ fragte sich Oliver.

Missmutig ging er in sein Zimmer, zog sich eine Boxershorts an und wollte sich gerade aufs Bett werfen, als sein Handy im Rucksack läuten hörte. Er wartete, bis der Rufton verstummt war und nahm es dann in die Hand. Fünf Anrufe in Abwesenheit. Zwei mal Thomas, einmal Mario, und zwei Anrufe von einer Nummer, die er nicht gespeichert hatte, aber dessen Inhaber er auch nach Jahren wiedererkannte. Sie mussten alle angerufen haben, als er unter der Dusche stand. Aber in so kurzer Zeit fünf Anrufe? Da piepste es schon wieder. Eine SMS: „Sie haben neue Nachrichten auf ihrer Mobilbox“.

‚Wer könnte draufgeredet haben? Mario oder Thomas? Wissen sie schon über den Kuss Bescheid? Oder vielleicht hat Bernd was hinterlassen? Soll ich es abhören?’ Oliver überlegte angestrengt, was zu tun wäre, als es an der Türglocke Sturm läutete.

Hatte er etwa vergessen den Schlüssel abzuziehen? Er war doch durch die Garage ins Haus, außerdem lag sein Schlüssel auf dem Schreibtisch. Da das Sturmgeläute unvermindert weiter ging, schnappte sich Oliver den Schlüssel und lief zur Tür. „Jaja, ich komm ja schon!“ brüllte er auf dem Weg, nur damit das Gebimmel ein Ende nahm. Der Lärm und die kurze Zeit verhinderten, dass Oliver überlegen konnte wer der Verursacher war.

Er schloss auf und riss die Tür auf und erschrak. „Bernd“ flüsterte er noch und starrte sein Gegenüber an. Bernd schien geduscht und umgezogen, denn er hatte nicht mehr seine Badesshorts an. Seine blauen Augen blickten tief in Olivers grünbraune Augen. Dann wanderte sein Blick nach unten und er wollte was sagen, konnte aber nicht und musste schlucken.

„Olli, du hast nur Boxershorts an!“ meinte er schließlich.

„Ähm…ja“ Oliver lief rot an, „ich war grad vorher duschen“

„Ahso. Wir müssen unbedingt reden Olli!“ mit diesen Worten schob Bernd ihn in den Flur und schloss die Haustür.

„Ich weiß…“ Oliver blickte schuldbewusst zu Boden.

Bernd näherte sich ihm, hob sein Gesicht „…aber vorher gibt’s noch eine Revanche!“ mit diesen Worten beförderte er Oliver auf den Flurteppich. Es war nicht brutal und tat auch nicht weh, es ging aber doch schnell und war effektiv. Oliver lag auf dem Rücken und starrte seinen Kontrahenten ungläubig an, der mittlerweile über ihm kniete und seine Arme festhielt.

‚Will er mich jetzt schlagen? Ich habs nicht anders verdient, was war ich für ein schlechter Freund’ Olivers Gedanken mischten sich mit seinen Tränen. Verschwommen nahm er wahr, wie sich Bernds Kopf näherte…

„MMMMmmmhhhhh“ Warme weiche Lippen berührten Olivers Mund und eine Zunge bat um Einlass. Oliver sah fast schon Sterne, denn so hatte er noch nie geküsst, so hat er noch nie gefühlt…nun wusste er, was ihm die ganze Zeit gefehlt hat. Dieser Junge, dessen Körper jetzt auf seinem lag, in den war er hoffnungslos verliebt.

Und nicht nur das, der athletische Basketballer machte ihn scharf. Er spürte wie sein Schwanz wuchs und er spürte auch gleichzeitig Bernds Erektion.

„Olli, ich hätte nie gedacht, dass du je so fühlen könntest wie ich. Ich glaube, ich bin in dich verliebt“ Bernd hatte sich aufgerichtet, streichelte sachte über Olivers Gesicht und lächelte ihn an.

Oliver setzte sich auf, räusperte sich: „Ich liebe dich Bernd! Ich weiß, dass ich dich liebe. Ich glaube ich habe dich schon immer geliebt!“

Bernds blaue Augen füllten sich mit Tränen. Noch immer über Oliver kniend, umarmte er ihn und presste ihn an sich. „Du hast mir so gefehlt, ich war so einsam ohne dich! Verzeih mir…“ „Nein“ unterbrach ihn Oliver, „wenn sich einer entschuldigen muss, dann wohl ich…ich…“

Ein Kuss, dass ihm Hören und Sehen verging, brachte ihn zum schweigen. Als ihre Münder auseinander gingen, schauten die grünbraunen Augen tief in ihr blaues Gegenüber und beide wussten, alles war vergeben und vergessen. Oliver streichelte Bernd den Rücken, fuhr immer tiefer, in Bernds Hose, massierte seinen Po und drückte ihn deutlich gegen die Beule in seinen Shorts. „Mensch OLLIIIEEE!!!“ japste dieser.

Oliver grinste schelmisch. Ihr Kräftemessen war noch lange nicht vorbei!

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