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Weihnachtsgeschichte

Weihnachtschallenge 2007

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Beitrag zur Weihnachtschallenge 2007

 

Brrr. Kalt. Zitternd schloss ich die Wohnungstür. Winter... einfach nicht meine Jahreszeit. Überall dieser Schnee, die hektischen Menschen in der Stadt, die panisch versuchen, ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen... und habe ich den Schnee und die Kälte erwähnt? Es war der 23.12., also quasi fünf vor zwölf.

Da ich mit prallgefüllten Einkaufstüten beladen war, ließ ich die Tür mit meinem Fuß zurück ins Schloss fallen. Ich stellte die Tüten auf dem Boden ab, hängte meinen Schal an die Garderobe und atmete auf. endlich Ruhe! Aber es gab noch einiges zu tun – die Zeit hatte mir dieses Jahr einen Streich gespielt. Ungläubig schaute ich ein weiteres Mal auf den Kalender, der mir nach wie vor spöttisch und in großen Ziffern „23“ zeigte. Wo war nur die letzte Woche geblieben?

Zusammen mit meinem Freund Sprosse bezog ich ein recht gemütliches Appartement in einer mittelgroßen Stadt im Ruhrgebiet. Es war ein Altbau, urig im Stil der Sechziger. Ein altes Klavier und sogar einen kleinen Kamin gab es in unserem gemeinsamen Reich. Alte Holzmöbel teilten sich den Raum mit allerlei schwedischem Discountschnickschnack und Weihnachtskitsch. Sprosse liebte das alles – und es hatte wirklich seinen Charme. Heiligabend fiel dieses Jahr auf einen Sonntag. Heute, am Samstag, musste ich zum Glück nicht auf der Uni büffeln. Sprosse wollte erst am nächsten Tag kurz vor der Bescherung wiederkommen. „Mutti braucht mich jetzt“, hatte er heute Morgen zu mir gesagt und verschwand ohne ein weiteres Wort im Schneegestöber.

Das gab mir wenigstens genug Zeit, für unseren Heiligabend alles vorzubereiten. Wenn unsere Familien kamen, sollte diesmal ausnahmsweise alles vorbereitet sein für ein stressfreies und gemütliches Weihnachtsfest. In dieser Hinsicht war ich schlimm – während Sprosse jedes Jahr schon am Monatsanfang alle Geschenke beisammen und das Haus fertig geschmückt hatte, schob ich all das gerne vor mir her. Nur diesmal, diesmal sollte er sich wundern!

Am nächsten Morgen stand ich früh auf. Das Bett neben mir war leer – kein schöner Anblick. Verschlafen trottete ich in die Küche, machte mir Kaffee und Brötchen und hing mich frühstückend vor meinen Computer, was zweifellos eine schlechte Angewohnheit war. Aber Sprosse war schließlich nicht da und so schaute ich mampfend nach meinen Emails (immerhin eine Grußkarte von ihm „Bis heute Abend!“) und surfte ein wenig auf nickstories.de. Eine Weihnachtschallenge lief gerade, aber dafür hatte ich jetzt keine Zeit mehr. Ich legte eine CD auf und begann mit den Vorbereitungen: Auf dem Fußboden kämpfte ich mit Geschenkpapier, Schere und Klebeband. Vom Weihnachtsmarkt hatte ich bunte Pappkarten, die ich nun mit unoriginellen Weihnachtsgrüßen versah. Für Sprosse aber verfasste ich ein Gedicht:

Schatz, für mich bist du der Zimt,

Der im Bienenwachs jetzt glimmt,

Und vom Tannenzweig der Duft,

In dem Schnee die Winterluft.

Lieder singt man immerzu,

Doch die Melodie bist du.

Was ich damit sagen will,

Ist ganz einfach und nicht viel:

Weihnachten ist eigentlich

Unvollkommen ohne dich!

Grinsend las ich die Zeilen noch einmal, packte die Karte in einen Umschlag und legte ihn zu den anderen Geschenken. Ein Blick zur Uhr verriet mir, dass ich noch knapp drei Stunden Zeit hatte, bis Sprosse zurück war. Ich ging zurück ins Wohnzimmer und packte die Kerzen aus den Papiertüten, für die ich auf dem Weihnachtsmarkt ein halbes Vermögen ausgegeben hatte. Ich stellte sie überall im Wohnzimmer auf, manche sogar auf dem Fußboden. Über den Kamin spannte ich ein breites Stofftuch und heftete mit einer Stecknadel daran je eine Socke für jeden unserer Gäste, die ich mit Süßigkeiten und Nüssen füllte – Erdnüsse wohlgemerkt, denn auf dem schlecht sortierten Markt konnte ich keine einzige Walnuss mehr ergattern. Ich zündete das Kaminfeuer an und schaute mich für ein paar Sekunden im Raum um. „Gut gemacht“, lobte ich mich selber und verschwand im Badezimmer, um mich frisch zu machen und ordentlich in Schale zu schmeißen. Aus meinem Schrank kramte ich mein bestes Hemd und die schickste Hose hervor und warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel. „Heiligabend kann kommen“, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Schnell zündete ich noch die Kerzen im Wohnzimmer an, denn er konnte jeden Augenblick da sein. Es vergingen keine zehn Minuten, bis es klingelte. Hastig öffnete ich und Sprosse stand dick eingepackt und lächelnd mit glühroten Wangen vor mir. „Da bin ich“, sagte er, drückte mir einen Kuss auf die Wange und ging an mir vorbei, um die Jacke abzulegen. „Wann hatten wir das letzte Mal weiße Weihnachten?“ fragte er fröhlich und schüttelte seine nassen Haare, sodass ich die kalten Tropfen ins Gesicht bekam. „Hey, pass auf, sonst gibt’s später nur lauwarme Dosenravioli“ erwiderte ich augenzwinkernd. „Na komm, lass uns den Abend genießen, solange die Gäste noch nicht da sind.“ Mit den Worten führte ich Sprosse in das von Kerzen beleuchtete Wohnzimmer und wartete seine Reaktion ab.

„Das ist…einfach…wunderschön“, stammelte er und ich war froh, dass es ihm gefiel. „So hätte es die letzten Jahre auch sein sollen“, flüsterte er und lehnte sich an meine Seite. „I’m dreaming of a white Christmas…“, ertönte es aus der Musikanlage. „…just like the ones I used to know…“ Ich machte uns einen Kakao und holte Zimtsterne aus dem Schrank. „Die sind nicht selbst gemacht – du weißt, ich kann nicht backen“, entschuldigte ich mich. Sprosse lächelte. „Du hast dir so viel Mühe gemacht, du solltest dich hinsetzen und nur noch den Abend genießen.“ Er legte sanft seinen Arm um mich. „…Where the treetops glisten and children listen…“ Es war schön. Draußen die klirrende Kälte und ich im Arm meines Liebsten am knisternden Kaminfeuer, romantischer Kerzenschein, klischeebeladene Weihnachtslieder… Irgendwann seufzte ich leise. „Unser Besuch hätte schon seit einer halben Stunde da sein müssen.“ Sprosse wirkte völlig ruhig „Denen ist bestimmt nichts passiert und im Moment vermisse ich sie auch nicht.“ Ich zwinkerte ihm zu. „Und, wollen wir dann schon mal unsere Geschenke auspacken, solange sie noch frisch sind?“ Sprosse zögerte. „Nein, besser nicht.“

„Wieso nicht?“

„Das wäre nicht richtig…“

„Nicht richtig? Nur weil unsere Familien nicht dabei sind?“ Kurz lachte ich auf. „Na schön, dann warten wir eben, bis sie da sind.“

„Sie werden heute nicht kommen.“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wollte er sich jetzt über mich lustig machen? „Nicht kommen? Wann sollten sie sonst kommen? Sie haben uns bisher jedes Jahr am 24. besucht!“

„Das werden sie auch“, sagte Sprosse. „In einer Woche.“

„In einer Woche? Was willst du damit sagen?“

Sprosse holte tief Luft. „Weißt du… Weihnachten war bisher nie das, was es eigentlich sein sollte. Wir hatten keine Ruhe, waren nur damit beschäftigt, alles für unsere Familien vorzubereiten. Da habe ich mir gedacht: Warum feiern wir zwei nicht unser eigenes kleines Weihnachtsfest – ganz allein, eine Woche vor Heiligabend?“

Ich bekam meinen Mund nicht mehr zu. „Dann wäre ja heute der…“

„Der 17. Dezember.“

„Aber wie…?“

Sprosse erklärte es mir: „Ich habe da ein bisschen getrickst. Als du geschlafen hast, habe ich sämtliche Kalender um eine Woche vorgestellt, das Datum auf deinem Rechner geändert, ja sogar deine Digicam habe ich manipuliert.“ Ich konnte es kaum fassen. „Und das habe ich überhaupt nicht gemerkt?“

„Nein, du Schlafmütze! Du dachtest wohl, es wäre wieder der übliche Weihnachtsstress, der dein Zeitgefühl beeinträchtigt hat, aber dem war diesmal nicht so.“

„Du bist ja völlig verrückt!“, sagte ich mit gespielter Empörung. Dann musste aber doch grinsen. „Und was machen wir jetzt mit den Geschenken?“ Er sah mir ernst in die Augen, dann lachten wir beide.

„…and may all your Christmases be white.“

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