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Die Kälte des Schnees

I. Aufbruch ins Nichts

Teil 1 - Prolog

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

'Die Kälte des Schnees' hat eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich. Im Winter 2004 entstanden die ersten Kapitel. Die Arbeiten am 'Septemberregen' ruhten zu dieser Zeit, denn der 'Septemberregen' ist für mich eine klassische Sommergeschichte und diese im Winter fortzusetzen, na ja, das fiel mir damals sichtlich schwer.

Außerdem wollte ich eine neue Erzählperspektive ausprobieren, die des Ich-Erzählers. Hier bei Nickstories ist sie mit Abstand die beliebteste Erzählweise. Ich selbst habe allerdings schnell gemerkt, wie unzureichend und beengend sie ist, weil der Erzähler nicht in die Köpfe der anderen Charaktere hineinschauen kann und ihre Gefühle nur gespiegelt über die Wahrnehmung des Ich-Erzählers wiedergegeben werden können.

So begannen schnell die Probleme und außerdem kam irgendwann der Sommer, in dem mir nun wirklich nicht der Sinn danach stand, vom kalten Schnee zu schreiben. In den Jahren danach wuchs der Torso auf meiner Festplatte zwar immer wieder mal ein wenig, er stand aber gleichzeitig stets am Rande des Abgrunds. Den Torso nie fertigzustellen und nie die geschützten Räume meiner Festplatte verlassen zu lassen, war eine Option, die ich mir immer offengehalten habe.

Dass die Geschichte am Ende doch noch abgeschlossen wurde, verdankt sie allein den Charakteren. Sie waren viel zu intensiv gezeichnet und irgendwie zu liebenswert, als dass ich sie einfach mit einem Federstrich dem Vergessen anheimfallen lassen wollte.

Nun werden Sebastian, Sergej und Co. den geschützten Bereich meiner Festplatte verlassen und all denen begegnen, die sich zum Weiterlesen entschließen.

'Die Kälte des Schnees' zur Hand zu nehmen und mit dem Lesen zu beginnen, ist nicht schwer. Der Handlung bis zum Ende zu folgen unter Umständen schon, denn einen Bericht vom Ponyhof gibt es nicht zu lesen. Mir kam es eher darauf an, die Härte und die Teilnahmslosigkeit der Welt in den Vordergrund zu rücken.

Wenn über Leichen gegangen wird, bleiben zwangsläufig einige auf der Strecke. Das kalte 1x1 aus Macht und Unterdrückung kennt leider viele Opfer und wenig Gnade. Rücken diese jedoch zusammen, entsteht eine Kraft, die zwar nicht unbedingt Berge versetzt, wohl aber schützen, stützen und manchmal auch befreien kann.

Ich bin an dieser Stelle ganz gewiss nicht neutral, aber die Punkte, an denen diese Kraft aufscheint, zählen für mich zu den schönsten und wertvollsten Passagen der Geschichte.

'Die Kälte des Schnees' selbst ist eine fiktionale Erzählung. Nicht eine einzige der in ihr aufscheinende Person hat einen realen Hintergrund und ich selbst bin auch nicht der Ich-Erzähler.

Doch der Hass, die Unterdrückung, die Gewalt, aber auch die Freundschaft und die Liebe, von der erzählt wird, können sehr wohl real werden. Es liegt nur an uns, den Schalter umzulegen.

Als die Schlusskapitel geschrieben wurden, war die Ostukraine politisch noch kein Thema. Inzwischen sprechen einige hundert Kilometer östlich von Dnjepropetrowsk die Waffen und mir wird bewusst, dass man, auch wenn man sich eine von vorn bis hinten fiktive Handlung ausdenkt, der Realität verteufelt nahekommen kann.

Beim Schreiben hatte ich keine übermäßige Eile, beim Veröffentlichen hier auf Nickstories habe ich sie auch nicht. Es ist beabsichtigt, Euch alle sechs bis acht Wochen ein neues Kapitel vorzustellen.

Wem das zu lange dauert, wer sofort wissen möchte, wie es mit Sebastian, Sergej und den anderen weitergeht, der wird hier fündig:

Tobias Auenwald - Die Kälte des Schnees

Das vollständige E-Book zum ersten Teil 'Aufbruch ins Nichts' ist Anfang November erschienen. Es kann im Mobi-Format bei Amazon für 9,99 Euro erworben werden. Wer das offene EPUB-Format bevorzugt, wendet sich über das Kontaktformular besser direkt an mich.

Doch nun genug der Vorrede und viel Freude und jede Menge Spannung beim Lesen.

Tobias

Inhalt

1. Teil: Aufbruch ins Nichts

1. Prolog

2. An fremden Ufern

3. Der Nebel der Nacht

4. Sergejs Geheimnis

5. Die Angst der Sehnsucht

6. Der Schatten der Nacht

7. Die Macht der Bilder

8. Das helle Licht der Nacht

9. Der Auftrag

10. Am Abgrund

11. Das Netz der Spinne

12. Der tiefe Fall

1. Prolog

Vor ein paar Tagen fiel sie mir wieder in die Hände, die kleine Schachtel mit den Fotos und meinen Aufzeichnungen von damals. Aufgeschrieben hatte ich sie ursprünglich für Tom oder besser gesagt für einen Brief an ihn.

Doch der Brief an meinen Bruder kam über das Stadium eines reinen Vorhabens, das immer wieder aufgeschoben wurde, nie hinaus. Am Ende wurde er, wie ich, ein Opfer der Zeitumstände und die waren damals nun wirklich nicht so, dass sie das Schreiben von langen, die eigene Situation erklärenden Briefen gefördert hätten.

Wieder und wieder schob ich die Aufgabe, Tom von dem wilden Geschehen um mich herum zu berichten, auf, und am Ende blieb der Brief vollkommen ungeschrieben. Alles ging so rasend schnell damals, und wenn ich heute im Abstand von mehr als zehn Jahren in meinen alten Aufzeichnungen lese, spüre ich zwischen den Zeilen immer noch die Angst und die Hetze der damaligen Zeit.

Es war im Herbst 2004. Ich war gerade erst im fernen Dnjepropetrowsk angekommen – na ja, zumindest körperlich angekommen - und befand mich schnell auf einem Karussell, das sich von Runde zu Runde immer schneller zu drehen schien.

Die Fahrt war, wie eine jener Veranstaltungen, bei denen man von Runde zu Runde spürt, dass die Katastrophe unausweichlich ist und das dicke Ende noch kommen wird. Dass mir nicht schon während der Fahrt schwindelig wurde, dass ich nicht weit hinausgeschleudert wurde, wundert mich noch heute.

Vielleicht liegt es daran, dass man gar nicht bemerkt, wie schnell sich die eigene kleine Welt dreht und von Minute zu Minute verändert. Man glaubt, man ist jung und hat noch alle Zeit der Welt, dabei rinnen die Stunden und Tage bereits wie feiner Sand unerbittlich durch unsere Finger.

Während die Musik spielt und das Karussell sich dreht, verliert man leicht das Gespür für Zeit und Raum – ich jedenfalls und bei einigen anderen war es damals genauso.

Inzwischen sind, wie gesagt, zehn Jahre vergangen. Eine lange Zeit, in der reichlich Gras über vieles wachsen konnte. Doch das Gras hat kaum Wurzeln geschlagen. Als ich vor ein paar Tagen meine alten Aufzeichnungen wieder zur Hand nahm und die Fotos meine langsam verblassende Erinnerung wieder auffrischten, war alles sofort wieder da. Es dauerte nicht eine Sekunde, da hatte ich die Gesichter vor Augen und die Stimmen wieder im Ohr.

Einige Stimmen kann ich heute nicht mehr hören, obwohl sie mir präsenter sind als damals und auch präsenter als andere Stimmen, die ich tagtäglich um mich herum habe. Warum das so ist, verstehe ich heute allmählich. Damals, im Winter 2004/2005 war es mir nicht klar. Wie sollte es auch? Ich war damals zu jung und unerfahren und ganz gewiss nicht der Mann, der ich heute bin.

Eine Zeit lang habe ich den Versuch gemacht zu vergessen. Doch es ging nicht. Ich konnte nicht vergessen und verdrängen, was sich tief in meine Erinnerung eingebrannt hat. Wahrscheinlich wollte ich es auch zu keinem Zeitpunkt. Zu wertvoll und zu kostbar waren mir meine Erlebnisse.

Es sind die Erlebnisse eines Jugendlichen, fast noch die eines Kindes, dem die Härte des Lebens mit einem Mal mit voller Wucht über den Weg läuft. Man sieht sie nicht kommen und kann ihr nur schwer ausweichen. Zumindest konnte ich es damals nicht und das ist wohl auch ein Teil der Schuld, die ich auf mich geladen haben.

Ja, Schuld ist das richtige Wort, denn ich bin vielen Vieles schuldig geblieben. Nicht nur mir selbst, eigentlich allen, besonders Vlad und Lucca.

Heute ist es zu spät, noch etwas zu ändern. Ich kann die Zeit weder anhalten noch zurückdrehen. Alles, was ich kann, ist meine Lebensgeschichte annehmen als das, was sie ist: meine ureigene Geschichte, die ich nicht mehr neu schreiben kann und die auf immer zu mir gehören wird.

Beim Blättern in den alten Fotos und Unterlagen ist mir das sehr schnell deutlich geworden. Es gibt kein Entrinnen und Fehler bleiben Fehler, so sehr man sie auch bereut. Was am Ende zählt, ist die Liebe, die bleibt und die Schuld, die auch Jahre später immer noch zwischen uns steht. Niemand nimmt sie fort, niemand macht sie ungeschehen.

Es begann alles ganz harmlos mit einem unvorsichtigen Versprechen und einer verrückten Party. Am Ende war Krieg in all seiner Schärfe. Ich habe ihn überlebt. Ob zurecht, das habe ich mich oft gefragt und nie eine befriedigende Antwort auf meine bedrückenden Fragen gefunden.

Vielleicht gibt es sie und ich muss noch länger nach ihr suchen. Vielleicht ist auch das Schweigen die einzige Antwort, die angemessen ist. Ich weiß es nicht.

Die Schachtel mit den Fotos hat eine Türe aufgestoßen, von der ich glaubte, dass sie fest verschlossen sei. Es war ein Irrtum, wie so vieles von dem, was ich erzählen werde, ein Irrtum war.

Wie man es besser machen könnte, weiß ich heute vielleicht. Damals wusste ich es ganz bestimmt nicht. Aber was ich weiß ist, dass sich die Dinge so zugetragen haben, wie ich sie nun schildern werde.

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