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Weihnachtsplätzchen im August
Weihnachtschallenge 2009
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Informationen
- Story: Weihnachtsplätzchen im August
- Autor: Berron Greenwood
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Weihnachten, Challenge
Vorwort
1. Feen sind anmutige Wesen voller irdener Schönheit, grazil und immer irgendwie leicht durchsichtig.
2. Kobolde sind kleine fiese Wesen, die grundsätzlich etwas Böses im Schilde führen und, so sie auf Menschen treffen, denen selten etwas Gutes wollen.
Völliger Blödsinn.
Der Kobold in unserer Geschichte ist lediglich einer dieser wenig beneidenswerten VIP – Betreuer, der eine schnippische Diva ertragen muss, welche schlussendlich aus lauter Schusseligkeit dafür sorgt, dass beide geringfügig falsch abbiegen.
„Autsch!“
Mühselig rappelte sie sich wieder vom Boden auf.
„Scheiß Blitzeis!“
Vor Wut schäumend schmiss sie das Regal mit den Weihnachtskeksen um.
Mich immer noch vor Lachen krümmend, half ich der Fee vom Boden auf.
„Tz, tz, tz!“, machte sie mit diesem gereizten Unterton, raffte etliche ihrer zahlreichen Röcke zusammen und fuchtelte mit ihrem Zauberstab wild in der Gegend herum.
„Lass gefälligst deine doofen Koboldfinger von mir, du Wicht!“, fuhr sie mich an. Dabei traf sie mit ihrem Stab meinen Hut und Funken stoben hinfort. Einige von ihnen erwischten einen kleinen Vogel, der zufällig vorüber flog und sich daraufhin in etwas Komisches verwandelte. Andere Funken trafen ein schrecklich verliebtes Teenagerpärchen. Warum der Junge zukünftig beim Onanieren nur noch an Männer dachte, und welche anderen Folgen sich daraus ergaben, soll hier nicht näher beleuchtet werden.
„Blitzeis?“, fragte ich mit einem leichten Vorwurf in der Stimme. „Ende August?“
„Wie?“, entgegnete sie gereizt. Dann sah sie sich um.
„Papperlapapp“ schnodderte sie mich an und düste weiter das Trottoire entlang.
Hysterische Ziege, dachte ich bei mir und war einmal mehr froh, dass wir für Menschenaugen unsichtbar waren. Es wäre sicher nicht einfach gewesen, eine gute Erklärung für die Existenz einer spitzhütigen Frau in einem unglaublich raumgreifenden Kleiderensemble zu finden. Oder für den Kobold, der hinter ihr her hopste, bemüht, die klebrige Bananenschale unbemerkt vom Hinterteil dieser Walküre zu klauben. Wer weiß, was sie noch alles mit ihrem hektischen Zauberstabgefuchtel anstellen würde. Aber so waren sie nun mal, die Feen, und als Betreuer für VIPs wusste ich ja, worauf ich mich eingelassen hatte. Dafür bekam ich Halloween frei und konnte mich austoben. Trotzdem war sie anstrengend.
„Teuerste“ zwitscherte ich, „wir haben August. Es ist kein Glatteis. Oder siehst du hier irgendwo einen Streuwagen?“
Sie blieb so abrupt stehen, dass ich ihr mit vollem Tempo in die Röcke lief. Als ich mich wieder daraus hervorgearbeitet hatte, erwarteten mich ihre wütenden Augen, die sich samt Kopf aus ihren höheren Sphären zu mir hinunter bemüht hatten.
„Glaubst du vielleicht, ich wüsste das nicht?“ Vor ihrer Stimme wäre jeder gestandene Granitblock freiwillig in Scheiben zerfallen, nur um dem Geschnittenwerden eben gerade so zu entgehen.
Es gelang mir nur ganz knapp, die errungene Bananenschale hinter meinem Rücken zu verstecken und ein möglichst einfältiges Grinsen aufzusetzen.
„Schon gut“ zirpte ich kurz zwischen den Zähnen hervor, ohne die Lippen zu bewegen.
Was nicht geht, geht nicht. Wer so alt ist und immer noch glaubt, Kobolde seien völlig verblödet, dem ist nicht zu helfen. Das musste ich einsehen. Oder sie. Aber das behielt ich für mich.
Derweil war der Besitzer des Regals aus dem Laden herausgekommen und fing an, den Inhalt wieder einzusammeln. Ein Beutel mit Spekulatius war aufgegangen.
Die Fee sah kurz hin, und für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich einen winzigen Funken Hoffnung, dass ihr die Situation zumindest ein klein wenig peinlich wäre. Aber da sie als Verursacherin unsichtbar blieb, wischte sie nur ein paar imaginäre Krümel von ihren Röcken, wandte sich um und setzte ihren Weg mit der Entschlossenheit eines ungebremsten Unimogs fort.
Auch am nächsten Supermarkt standen schon Metallkörbe mit Weihnachtsgebäck herum. Die Fee blieb stehen; diesmal hatte ich damit gerechnet und konnte die Kollision vermeiden.
„Unglaublich“ zischte sie. Dann drehte sie sich derart schnell zu mir herum, dass ihre Garderobe noch eine halbe Ewigkeit nachwallte, eh die textilen Kontinente wieder zur Ruhe kamen. Die Fee schnippte mit den Fingern, und aus einem kleinen goldenen Dunstwölkchen erschien eine Handtasche, blieb auf halber Höhe vor der Fee in der Luft schweben und öffnete sich brav, nachdem sie, wie mir schien, beim Anblick ihrer Besitzerin kurzfristig erschauerte. Was schon an und für sich bemerkenswert war, da sich die Handtasche durch einen eklatanten Mangel an Augen auszeichnete.
„Lass uns mal sehen“ tirilierte die Fee und versenkte ihr Gesicht gefolgt von beiden Armen in die Handtasche.
Zugegeben, es klingt, wie bei Mary Poppins geklaut, aber Realität ist nun mal Realität, das lässt sich nicht mal so eben hinfort wischen.
„Na wo hab ich es denn nun“ schallte es aus der Tasche, so als würde sich jemand in einer riesigen Höhle mehr oder minder verzweifelt nach einem Feuerzeug. umschauen. Ich war der festen Überzeugung, dass dieses magische Behältnis in seinem Inneren die Räumlichkeiten eines mittelgroßen Wolkenkratzers beherbergte. Das konnte also dauern.
Doch die Fee tauchte unvermittelt wieder auf, rückte sich den Hut gerade und reichte mir mit einem giftigen Blick eine gelb-blau gestreifte Visitenkarte.
„Da hin, los, los, los!“ Ohne mich weiter eines Blickes zu würdigen, fuchtelte sie wieder mit dem Stab und die Tasche verschwand, begleitet von einem erleichterten Seufzen, irgendwo zwischen hier und dem Andromedanebel in einer Spalte des Raum-Zeit-Gefüges.
Ich schaute auf die Karte und zuckte mit den Schultern. Das war zumindest mal ein einfacher Auftrag. Ich beschrieb einen Kreis in der Luft, murmelte ein paar kurze koboldische Formeln und öffnete einen VIP - Wunder-Port. Mit einem kaum hörbaren „Gawubbel“ verschluckte uns der Durchgang und wir standen gleich darauf auf einer bunten Frühlingswiese vor einem Haus, welches mich irgendwie unweigerlich an die „Waltons“ erinnerte. Der Anzahl der Stimmen im Inneren nach zu urteilen, war diese Assoziation auch gar nicht mal so verkehrt.
Die Fee verlor keine Zeit und rauschte direkt auf die Veranda, wo sie beinahe von vier tobenden Hasenkindern in farbverklecksten Levi’s - Latzhosen über den Haufen gerannt worden wäre.
„Tschuldigung, gnä’ Frau“ grölte der kleine Chor und verschwand kichernd um die Ecke.
Die Fee sah ihnen nach und wenn ihr das Wort „konsterniert“ bekannt gewesen wäre, hätte sie sicherlich den dazugehörigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. So aber schaute sie nur für meine Begriffe etwas dümmlich und klopfte sich noch rasch den Staub vom Wunder-Port aus dem Hut.
„Die könnten die Sub-Raum-Highways auch mal wieder besser putzen“ raunte sie verächtlich. Dann hob sie die Hand und wollte klopfen, doch in diesem Moment wurde die Tür von Innen geöffnet, zwei weitere Hasenkinder stürmten aus dem Haus und verschwanden umgehend im Bekleidungsgebirge der Fee.
„Huch! Na also wollt ihr wohl… Hallo?!“, quietschte sie, während sie immer wieder hüpfte und sich drehte, während die beiden verdatterten Kleinen mit einem baumwollenen „Fump“ aus den Röcken hervorquollen und auf der Veranda landeten. Die Hasenmama kam aus dem Haus und musste unweigerlich lachen, während ich mich damit ablenkte, die Dielen der Veranda genauestens zu zählen; man konnte ja nie wissen.
Zum Wohle der Kinder entschieden sich alle Beteiligten, den kleinen Vorfall schnellstens zu ignorieren und man betrat die gemütliche und sehr kindlich belebte Wohnstube. Ich kann an dieser Stelle nicht umhin, noch kurz auf die so typisch knarrende Fliegengittertür am Eingang hinzuweisen; es war wirklich wie bei den „Waltons“. Nur halt etwas mehr Kinder.
Im Haus machte die Fee keine Anstalten zur Gemütlichkeit, sondern ging schnurstracks ins Arbeitszimmer. Hier saß der Herr des Hauses und entwarf gerade neue Designs für die nächste Ostereierkollektion. Im Ohrensessel saß Großvater Hase, träufelte diverse Alkoholika zusammen, nippte immer wieder mal an den Kreationen und verzog entweder verzückt oder angewidert das Gesicht. Ab und an hickste er leise, während er das eine oder andere Sauflied anstimmte. An einer Wand fuhren Formen heran und wurden über Rohrleitungen mit leckerer Schokolade gefüllt. In einem offenen Nebenraum rührten vier ältere Geschwister mit einer ehemaligen Gardinenstange in einem riesigen Schokoladenbottich.
Vater Hase blickte auf und erkannte die Fee. Er lächelte und begrüßte sie.
„Ja, was für eine Freude. Und so früh im Jahr.“
Die Fee setzte sich mühsam, während ihre Röcke über den Rand des angebotenen Sessels quollen.
„Na, du hast gut reden“ flötete sie pikiert und sah sich unauffällig nach möglichen und auch wahrscheinlichen weiteren Kindern um, die möglicherweise drohten, sie aus dem Sessel zu schubsen.
„Ich war gerade in der Menschenwelt“, begann sie, mich dabei geflissentlich übergehend. „Die haben jetzt schon Weihnachtgebäck überall rumstehen und dabei ist dort erst…“ Sie zögerte, als ihr das Wort nicht einfiel. Wieder fuchtelte sie mit der Hand in der Luft herum, machte ihr hysterisches „tz, tz, tz“, woraufhin ich „August“ sagte, während der Großvater hingebungsvoll rülpste.
„Naja“, entgegnete der Osterhase, „wir sind ja hier auch schon an der Arbeit. Die Motive sind fast fertig, und Großvater testet gerade die Füllungen für die Weinbrand-Eier.“ Den letzten Teil des Satzes flüsterte er fast, aber der alte Hase kommentierte mit einem lautstarken „Jaaawwwoll!“
„Also ich finde das nicht gut“ flötete die Fee und zupfte an ihren Ärmeln. Wenn sie sich so umsah, hatte sie etwas von einer fiesen Gouvernante. Sie erhob sich geräuschvoll rauschend und blickte auf die Installationen.
„Hier wird ja wenigstens noch vorbereitet, aber dort stehen ja bald schon wieder Eier in den Regalen“, echauffierte sie sich.
Der Großvater hob sich mit knackenden Gelenken aus seinem Sessel, schwang kampfeslustig seinen Spazierstock und wankte auf die Fee zu.
„Daaasssuuu dann aunnoch miiindestens einnn riiiesiger Schololadenhase!“, tönte er, glotze sie dann mit glasigen Augen und knallroter Nase an, schwankte bedrohlich und machte „hicks“.
Der Fee verschlug es beinahe den Atem, als er vor ihr stand. Ihr Blick trübte sich ein wenig und bunte Schlieren tanzten kurz über alles, was sie sah.
„Vielleicht schaust du mal beim Weihnachtsmann vorbei und fragst dort mal, was das soll?“, schlug der Osterhase vor.
Hinweise anzunehmen gehörte zwar nicht zu den Stärken der Fee, doch die Möglichkeit, sich der alkoholischen Dunstwolke des Großvaters zu entziehen, war einfach zu verlockend, zumal sie bei sich Vorboten einer beginnenden Alkoholvergiftung gewahrte und sich somit zum geordneten Rückzug entschloss.
„Das wollte ich sowieso tun“, rettete sie spitzzüngig ihre Ehre vor sich selber.
Mit einer knappen Kopfbewegung bedeutete sie mir, dass es an der Zeit war, ihr vorauszueilen, sämtliche Türen zu öffnen und den Weg von etwaigen tobenden Hasenkindern zu räumen. Wir verabschiedeten uns noch höflich von der Hasenmama, die offenbar schon wieder mit einem größeren Wurf guter Hoffnung und daher sehr guter Dinge war.
Vor dem Haus auf der Wiese wiederholte sich das Handtaschenritual, wobei ich diesmal glaubte, aus dem Inneren der Tasche das Geräusch zu hören, welches entsteht, wenn jemand an einem Fläschchen Riechsalz schnuppert und niesen muss.
Die Fee drückte mir nun eine rot-grün gestreifte Visitenkarte in die Hand, aber die Adresse hätte ich auch aus dem Kopf gewusst. Ich beschrieb wieder den Kreis und murmelte koboldische Sprüche. Am Handschuh der Fee muss wohl etwas Riechsalz gewesen sein, jedenfalls mischte sich bei mir ein lautes „Hatschie“ zwischen den Reisespruch, so dass es zwar wieder „Gawubbel“ machte, wir aber nicht beim Weihnachtsmann, sondern mitten auf einem süddeutschen Fußballplatz herauskamen, noch dazu für alle Menschen sichtbar. Der Zauber war diesmal ordentlich in die Hose gegangen.
Und irgendjemand hinter uns sagte: „Ja, is denn heut scho’ Weihnachten?“
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