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The race is on

Eine etwas andere Perspektive eines "Coming out"

Teil 3

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

An dieser Stelle muss ich mich bei allen Lesern bedanken, die sich bei mir gemeldet haben mit ihrer Kritik. Ich habe mich sehr gefreut über eure Reaktionen. Ich hatte nicht erwartet, dass diese Geschichte so gut ankommt. Ich habe nun den dritten Teil zum Lesen bereitgestellt und hoffe dieser Teil gefällt euch auch.

Also viel Spaß beim Lesen

Marc: Ausflug nach Spa

Damit wir auch alle rechtzeitig unseren Flieger erreichten, hatte ich noch angesagt, dass ich Leif und Tommy bereits um zehn Uhr abholen wollte. Wir würden dann gemeinsam bei mir Frühstücken und noch ein bisschen Zeit haben. Um 12 Uhr waren wir mit Nicos Eltern verabredet. Anschließend sollte es zum Flughafen gehen.

Ich saß nun mit einer frischen Tasse Tee um kurz nach neun auf meiner Terrasse, der Laptop stand vor mir auf dem Tisch und ich las in meinen Emails. Bis auf eine Mail alles geschäftliche Korrespondenz. Die eine Mail kam von Tom. Er bat uns, ihn vom Flughafen abzuholen, weil sein Flug sich etwas verzögern würde. Er konnte erst spät am Abend ankommen. Er würde also erst gegen 23 Uhr ankommen und dann hätten wir noch eine dreiviertel Stunde zu fahren. Ich sagte selbstverständlich zu. Das würde ich dann allein machen. Da wären Leif, Nico und Tommy hoffentlich schon im Bett.

Ich genoss einfach die Ruhe und die klare Luft in dem kleinen Garten. Was würde mich in den nächsten Wochen noch erwarten. Ich hatte das Gefühl, dieses Jahr wurde ein Jahr der Veränderungen. Mick und Lukas waren nun ein festes Paar und auch der „Kleine“ hatte mit Tommy und Nico wohl gute Freunde gefunden. Mick und Lukas hatten mit Tim und Manuel ein gleichgesinntes Paar als Freunde gefunden und das war für mich ganz wichtig. Ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Der gestrige Abend war für mich ein voller Erfolg gewesen. Ich habe die Eltern als sehr nette Leute kennengelernt, die ihre Kinder in allen Dingen unterstützen. Ich war mir sicher, dass meine Kinder dort gut aufgehoben waren. Ich spürte aber auch, dass es gerade für Leif schwierig war, dass ich so wenig persönlich vor Ort sein konnte. Tommy konnte jedes Wochenende zu seiner Familie fahren. Nico hatte eine tolle Familie.

Bei Mick und Lukas sah ich das Ganze mittlerweile etwas entspannter. Da war mir klar, dass ich in absehbarer Zeit nicht mehr so gefragt werden würde. Mein Plan war nun, die beiden bis zum Sommer in Austin erst mal zu begleiten und bis dahin eine Entscheidung anzustreben, wie ich meine Zukunft mit meiner Familie planen würde. Für Mick und Lukas stand zum Schuljahresabschluss noch die große Feier zum Abschluss der Sekundarstufe 1. Ich hatte mir den Termin vorsichtshalber schon in meinen Kalender geschrieben. Leider war jetzt schon klar, dass genau an dem Wochenende davor in den USA eine Präsentation unseres Herstellers sein würde. Es sollte dort ein neues Sportwagenmodell für den amerikanischen Markt vorgestellt werden. Eigentlich war geplant, dass ich dann gleich dort blieb um nach Austin weiterzureisen. Das musste ich wohl noch anders regeln.

Ich stand nun auf und räumte meine Sachen weg und packte meine Taschen zusammen, damit ich gleich die Zeit mit den Jungs verbringen konnte. Ich ging nun zu meiner Hauswirtin und klärte den weiteren Ablauf. Ich teilte ihr mit, dass ich heute gegen Mittag wieder den Ort verlassen würde. Anschließend verstaute ich bereits meine Sachen im Auto. Damit das Haus nicht wieder zu unordentlich wurde, hatte ich mit der Hauswirtin besprochen, ich würde mit den Jungs zum Frühstück in ein Café fahren.

Ich machte mich nun auf den Weg zum Internat. Hoffentlich waren die Jungs auch schon fertig. Es war vereinbart, dass wir uns um zehn auf dem Parkplatz treffen. Als ich auf den Parkplatz fuhr, war von den beiden Jungs nichts zu sehen. Toll - das ging ja schon mal gut los. Also machte ich mich auf den Weg zum Zimmer der beiden. Ich klopfte und Leif öffnete mir. Tommy war nicht da.

„Hallo Papa, wir sind fast fertig. Nur Tommy war noch eingefallen, dass er noch Geld holen müsste.“

Ich war jetzt nicht begeistert: „Das fällt ihm aber früh ein. Wir wollten doch noch in Ruhe Frühstücken.“

„Ja Papa, aber was sollte ich machen. Er muss ja nun mal Geld mitnehmen.“

„Bist du denn soweit fertig? Tasche gepackt? Genug Sachen eingepackt?“

Leif ging noch mal zu seinen beiden Reisetaschen und prüfte alles durch. Danach strahlte er mich an und sagte: „Ja, ich glaube ich habe nichts vergessen. Ich freue mich richtig auf Spa mit dir.“

Ich nahm ihn in den Arm und erwiderte: „Ja Leif, ich bin auch wirklich sehr froh, dass wir nun ein paar schöne Tage haben werden. Sag mal, die beiden Taschen da drüben, gehören die Tommy?“

Leif bestätigte das und ich schlug dann vor, schon mal die Taschen zum Auto zu bringen. Wenn Tommy gleich zurückkam, konnten wir direkt starten. Wir gingen mit den Taschen zum Auto. Im Haus war wirklich Ruhe. Die meisten Bewohner waren zu ihren Familien gefahren. In kurzer Zeit waren die Taschen verstaut. Wir gingen zurück zum Zimmer und dort erwartete uns doch eine kleine Überraschung. Erstens war Tommy mittlerweile zurück und zweitens waren Lukas und Mick auch gekommen um uns zu verabschieden. Das fand ich doch eine tolle Geste. Ich umarmte beide zur Begrüßung. Sie erzählten, dass sie gleich auf den Tennisplatz zum Training gehen wollten. Sie wollten ja ab morgen ein Turnier spielen.

„Marc, passt gut auf euch auf“, sagte Lukas zu mir und ich lächelte ihn an. Er stand eng an Mick gelehnt und die beiden beobachteten, wie Tommy noch seine Jacke nahm. Dann gingen wir alle zum Auto. Tommy und Leif verabschiedeten sich von Mick und Lukas und stiegen schon mal ein. Ich stand nun noch bei den beiden „Großen“. Ich nahm beide noch mal ganz fest in die Arme und sagte ihnen: „So, jetzt sind wir erst mal weg. Ihr habt also eure Ruhe. Macht aber keinen Blödsinn. Genießt die Zeit und meldet euch bitte auch mal zwischendurch.“

Mick grinste nun und Lukas stand seine Hand haltend neben ihm. Er sagte dazu: „Marc, ich möchte dir noch einmal für alles danken. In den letzten Tagen ist hier so viel passiert. Mick und ich haben gestern Abend noch lange über alles geredet. Ich spüre immer mehr, wie dankbar ich bin, dass du mich so aufgenommen hast. Ich hoffe es wird nichts passieren in Spa.“ Dann kam er auf mich zu und umarmte mich wirklich sehr herzlich.

Ich stieg nun ein und Mick kam noch mal an die Tür: „Papa, ich möchte dir noch etwas sagen. Lukas hat große Angst, dass bei dem Rennen etwas passiert. Er hat gestern davon geträumt. Ich weiß, er würde dir gegenüber das jetzt niemals erwähnen, aber pass bitte auf dich auf.“ Ich versprach ihm das und dann fuhren wir vom Hof. Im Rückspiegel konnte ich die beiden noch winken sehen und wie sie sich dann sehr liebevoll küssten.

Leif hatte das Gespräch natürlich mitbekommen. Er saß vorne auf dem Beifahrersitz.

„Papa, was meinte Mick damit eben? Hat Lukas damit ein Problem, dass du wieder zum Rennen fährst?“

„Naja, weißt du, es ist ja so. Er hat durch einen Autounfall seine Eltern verloren. Also seine Familie und alles was ihm den Halt gegeben hatte. Nun haben wir ihm eine Chance aufgezeigt, wieder eine Familie zu bekommen. Da kann ich schon verstehen, dass er Angst spürt. Schließlich weiß er ja auch, dass Motorsport gefährlich ist. Gerade nach dem Unfall bei unserem Männernachmittag.“ Leif saß nun etwas nachdenklich in seinem Sitz und Tommy meldete sich von hinten: „Marc, wie wird denn heute der Tag verlaufen? Fahren wir schon direkt zum Flughafen?“

„Nein, wir fahren jetzt erst mal ordentlich frühstücken. Danach zu Nico und dann geht’s zum Flughafen, dann gebe ich das Auto zurück und wir checken ein.“

„Also haben wir genug Zeit noch? Ich habe ja etwas Zeit vergeudet schon. Dafür wollte ich mich noch entschuldigen. Ich habe das einfach nicht hinbekommen.“

„Schon gut, Tommy. Wir haben genug Zeit. Ich hatte genug Reserve eingeplant.“ Damit fuhren wir mit schöner Musik im Auto Richtung Salvatori. Dort wollte ich mit den Jungs in Ruhe die Zeit hier beenden. Ich würde erst mal einige Zeit nicht mehr hier sein. Allerdings hatte ich entschieden, es würde in Zukunft nicht mehr so lange dauern, bis ich wieder hier sein würde.

Wir drei betraten die Pizzeria und der Chef persönlich nahm uns in Empfang. Wir klärten kurz, was wir vorhatten und dann gingen wir an unseren schon bekannten Tisch in der hinteren Ecke. Ich wollte mit den Jungs meine Ruhe haben.

Als wir unsere Bestellung abgegeben hatten, fing Leif an vom gestrigen Abend zu erzählen.

„Papa, wir haben gestern mit Nico wirklich viel Spaß gehabt. Aber was mich schon sehr gewundert hat, warum hat er so wenig Freunde? Er ist richtig nett gewesen und mich würde einfach mal interessieren, warum er so schwierige Zeiten hinter sich hat. Weißt du vielleicht mehr? Haben die Eltern was erzählt?“

„Nein Leif, ich weiß auch nicht viel mehr als ihr. Lediglich, dass er immer versucht hat, im Mittelpunkt zu stehen und vielen Leuten sehr weh getan hat. Er war wohl auch sehr jähzornig in bestimmten Phasen. Warum das so war, kann ich euch auch nicht sagen. Gestern habe ich jedenfalls einen sehr schüchternen und freundlichen Jungen kennengelernt. Ich denke auch, ihr solltet nicht zu sehr in seiner Vergangenheit wühlen. Gebt ihm eine Chance, solange er sich so wie gestern verhält, hat er euch als Freunde sicher. Wenn es Probleme geben sollte, müssen wir schauen. Aber lasst ihm Zeit. Wenn er euch wirklich vertraut, wird er vielleicht etwas erzählen.“

Die beiden Jungs waren nun sehr nachdenklich und insbesondere Tommy war sehr still. Ich wollte eigentlich noch mehr über Tommy wissen.

„Tommy, was ist los? Du bist so still. Sonst redest du immer wie ein Wasserfall. Erzähl mir doch mal ein wenig von dir und deiner Familie.“

„Was möchtest du denn so wissen? Also ich habe eine ganz normale Familie. Mein Papa ist Arzt in einer großen Klinik. Er ist Unfallchirurg in Zürich. Meine Mutter arbeitet als Architektin. Und ich habe noch eine Stiefschwester. Die ist aber schon sehr viel älter. Sie kommt aus der ersten Ehe meiner Mutter.“

„Ahja, und was hast du für Hobbys? Ich weiß irgendwie noch nicht viel von dir. Leif erzählt sowas ja auch nicht.“ Dabei zwinkerte ich Leif zu. Der wollte sich nämlich schon beschweren.

Wir bekamen jetzt unsere schönen Sachen. Die Jungs bekamen eine große Kanne mit heißem Kakao, ich italienischen Kaffee und dazu gab es für alle frische Pfannkuchen mit Marmelade oder einer Nougat Crème. Damit war natürlich erst mal unser Gespräch beendet. Was mir allerdings auffiel, am Nebentisch saßen zwei Jugendliche mit ihren Eltern. Die beiden Jungs waren etwas älter als Leif, ich schätzte sie auf etwa 15, jedenfalls beobachteten sie uns sehr genau. Das gefiel Tommy überhaupt nicht. Tommy hatte damit ja auch keinerlei Erfahrungen. Für Leif war das ja relativ normal. Tommy wurde etwas unruhig und sprach mich ganz leise an: „Marc, ich finde das etwas unangenehm so beobachtet zu werden.“

„Tu einfach so, als ob du es gar nicht bemerkst. Du bist nicht derjenige, der beobachtet wird. Ich werde beobachtet. Daran wirst du dich gewöhnen müssen, wenn du mit mir unterwegs bist. Lass dir das mal von Leif erklären. Darum habe ich auch immer so viel Wert darauf gelegt, dass Leif und Mick in der Öffentlichkeit recht geschützt sind. Ich bin halt bekannt in der Öffentlichkeit aber dafür können ja meine Jungs nichts.“

Tommy gab sich große Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Aber es viel ihm sichtlich schwer. Da half Leif nun. Denn Leif verwickelte Tommy in ein Gespräch zu einem anderen Thema. Das war für Tommy sicherlich gut. Jedenfalls kam einer der beiden Jungs vom Nebentisch, nachdem wir fertig mit essen waren, zu mir an den Tisch.

„Entschuldigen Sie Herr Steevens, würden Sie mir bitte ein Autogramm geben? Ich bin etwas überrascht, sie hier in so einem kleinen Ort in der Schweiz zu treffen.“ Der Junge war sehr freundlich und höflich. Das gefiel mir. Ich fragte ihn noch nach seinem Namen und Alter, dann schrieb ich ihm eine kleine Widmung auf seinen Zettel und er bedankte sich herzlich. Danach hatten wir wieder unsere Ruhe. Es wurde nun Zeit zum Flughafen aufzubrechen. Ich bezahlte und verabschiedete mich von Salvatori und dann machten wir uns auf den Weg.

Wir kamen um kurz nach zwölf bei Nico an. Ich fuhr in die Einfahrt bei Nico und Tommy stieg schnell von hinten aus. Er lief direkt an die Haustür und klingelte. Leif und ich blieben erst noch einen Moment am Auto. Nicos Mutter öffnete die Tür und bat uns noch einen Moment hereinzukommen. Tommy schickte sie direkt nach oben. Ich sah Leif etwas verwundert an. Wir begrüßten Nicos Mutter und sprachen noch kurz ein paar Dinge ab. Ich erhielt eine Notfallhandynummer, falls etwas passieren sollte. Darunter war immer einer der Eltern erreichbar. Ich bedankte mich und erklärte, wie unser weiterer Plan für den Tag sei. Mittlerweile kamen Tommy und Nico auch wieder zu uns. Tommy hatte eine Tasche von Nico in der Hand und Nico hatte auch noch eine Tasche dabei. Ich begrüßte Nico und sagte Leif, er möge doch bitte schon mal die Taschen ins Auto bringen. Allerdings nahm Tommy mir den Schlüssel ab und ging mit Nico zum Auto. Leif und ich schauten ihnen etwas verwundert hinterher. Nicos Mutter bemerkte unser Staunen. Sie erklärte uns dazu: „Also Nico hat uns gestern noch viel über Tommy erzählt. Ich glaube die beiden mögen sich. Jedenfalls hat Nico heute Morgen nur noch von euch erzählt. Ich glaube er ist sehr aufgeregt.“ Leif konnte das soweit bestätigen. Jedenfalls kamen die beiden dann wieder zu uns und Nico schien etwas fragen zu wollen. Er wartete höflich, bis ich mein Gespräch mit seiner Mutter beendet hatte, und dann: „Marc, wie sieht das im Hotel eigentlich aus, wer wird mit wem auf einem Zimmer sein?“

„Ich weiß es noch nicht. Lass uns das doch erst vor Ort klären. Aber wenn es passt, werde ich nichts dagegen haben, wenn du mit Tommy auf ein Zimmer kommst.“ Dabei zwinkerte ich ihm zu. Er war zufrieden und damit verabschiedete er sich von seiner Mutter und sie wünschte uns noch viel Spaß, ermahnte ihren Sohn noch mal sich an meine Ansagen zu halten und dann brachen wir auf Richtung Flughafen.

Am Flughafen gab ich noch die Papiere und den Schlüssel vom Wagen ab, dann gingen wir gemeinsam Richtung Flugschalter. Da wir Business flogen, brauchten wir nicht lange in der Schlange stehen und innerhalb von 30 Minuten hatten wir unser Gepäck aufgegeben und unsere Bordkarten bekommen.

Der weitere Verlauf der Reise war recht ereignislos. Wir landeten ohne Probleme und waren innerhalb einer dreiviertel Stunde wieder im Besitz unseres Gepäcks. Ich ging nun zum Informationsschalter, dort sollten eigentlich für mich ein Schlüssel und die Papiere für unser Leihfahrzeug bereitliegen. Mein Arbeitgeber war normalerweise damit sehr sorgfältig. Ich ging also zu der netten jungen Dame hinter dem Schalter.

„Schönen guten Tag, für mich sind hier ein Autoschlüssel und die passenden Papiere dafür hinterlegt worden.“

„Guten Tag, sagen sie mir doch bitte auf welchen Namen und geben sie mir bitte Ihren Führerschein.“ Ich war nun etwas verblüfft. Das passierte mir nicht oft, dass ich mich noch ausweisen musste. Ich suchte also meinen Führerschein aus meiner Jackentasche und gab ihn der jungen Dame. Nun wurde sie doch etwas rot und sie entschuldigte sich bei mir. Ich fragte: „Wofür entschuldigen sie sich? Sie haben ja nur recht, ohne gültigen Führerschein würde ich den Wagen auch nicht herausgeben. Vor allem, wenn sie mich nicht kennen.“

Sie wurde nun etwas lockerer und lächelte wieder: „Herr Steevens, eigentlich sollte ich sie schon kennen. Ich habe nicht darauf geachtet. Normalerweise hätte ich sie nicht nach ihrem Führerschein gefragt.“

Sie gab mir nun den Schlüssel und die Papiere. Ich quittierte den Empfang und damit verabschiedete ich mich. Wir vier fuhren nun auf direktem Weg ins Hotel. Dort gab es allerdings dann eine Überraschung. Mir wurde mitgeteilt, dass meine Zimmerreservierung nicht wie geplant umgesetzt wurde. Im ersten Moment war ich darüber jetzt richtig verärgert. Man bat mich einen Moment zu warten, weil der Hotelmanager mich zu sprechen wünschte. Ich sagte nun den drei Jungs sie sollten doch die Taschen in der Lobby stehen lassen und so lange schon mal in den Hotelgarten gehen. Da gab es einen Kletterturm.

Ich hingegen blieb in der Lobby und man brachte mir einen Kaffee. Ich war immer noch recht genervt. Nach zehn Minuten weiteren Wartens kam der Manager auf mich zu. Er begrüßte mich sehr freundlich.

„Herzlich willkommen Herr Stevens, ich möchte sie bitten, mir einen Moment zu folgen. Ich möchte ihnen erklären, warum wir ihre Reservierung geändert haben.“ Ich folgte dem Mann in den Fahrstuhl. Dort erläuterte er mir, dass er sich überlegt hatte, eine andere Alternative zu haben. Wir fuhren in die vierte Etage, also ganz nach oben, die Türen öffneten sich und wir gingen den Gang entlang zu einer der Türen. Er nahm seine Karte und öffnete die Tür. Wir betraten eine Suite, die es wirklich in sich hatte. Er erklärte nun: „Herr Steevens, sie werden hier mit vier Jugendlichen und zwei Erwachsenen unsere Gäste sein. Deshalb haben wir uns erlaubt, sie alle hier in dieser Suite unterzubringen. Dann sind sie immer zusammen und müssen nicht immer in verschiedene Zimmer laufen. Hier haben wir vier Schlafzimmer, einen Wohnraum mit TV und Internet, eine kleine Dachterrasse und für jedes Schlafzimmer ein eigenes Bad. Sie können sowohl hier im Essbereich speisen, wie auch unten im Restaurant. Ich hoffe sie sind mit meiner Idee einverstanden.“

Ich staunte nicht schlecht. Das war Luxus pur. Außerdem eine tolle Geste des Managers. Gut, das Hotel profitierte in so fern davon, dass die Kids nicht ständig im Hotel umherschwirrten und die anderen Gäste sich eventuell gestört fühlten. Für uns war es aber wirklich perfekt. Ich bedankte mich für diesen Service und er gab mir drei Zimmerkarten. Er sagte mir noch, dass er sich um unser Gepäck kümmern würde und fragte, ob er den Jungs Bescheid sagen sollte. Ich bedankte mich erneut für dieses Angebot, wollte aber die Jungs selbst abholen. Also ich musste feststellen, dieses Hotel direkt an der Rennstrecke war seine fünf Sterne absolut wert. Allerdings musste ich die Jungs, insbesondere Tommy noch mal darauf hinweisen, dass hier dezentes Verhalten angesagt war. Hier würde sich am Rennwochenende die gesamte Fahrerelite aufhalten. Also keine Autogrammanfragen im Hotel. Leif kannte das ja schon. Ich schloss hinter mir die Tür und fuhr wieder hinunter zu den Jungs. Die waren schon fleißig an der Kletterwand und Tommy war natürlich derjenige, der am höchsten rumturnte. Ich wollte jetzt erst mal mit den Jungs die Suite wohnlich machen und deshalb stand ich neben dem Mann, der Tommy sicherte: „So Jungs, alles geklärt. Wir können uns erst mal einrichten. Also kommt bitte zu mir.“

Es dauerte nicht lange und dann ging ich mit den Jungs wieder nach oben. Da ich mittlerweile auch recht hungrig war, fragte ich auf dem Weg nach oben: „Wie sieht das bei euch mit Essen aus? Wollen wir dann gleich zusammen zu Abend essen?“

Seltsamerweise war es nicht Tommy, der zuerst antwortete, sondern Leif: „Papa, das ist eine gute Idee, ich könnte nämlich ein halbes Schwein auf Toast essen.“

Nico schaute mich an und brach in lautes Gelächter aus. Er schien diesen Spruch noch nicht gekannt zu haben. Meinte dann aber: „Also nen halbes Schwein wird mir wohl zu viel sein aber Hunger habe ich schon. Aber Marc, was ich fragen wollte, dieses Hotel scheint sehr nobel zu sein. Müssen wir hier auf irgendwas besonderes achten? Ich war noch nie in so einem Haus.“

„Nico, kein Problem, ich sage euch gleich in unserer Suite was hier geht und was vor allem nicht geht.“ Leif hatte mich genau verstanden, wollte noch etwas sagen aber wir standen bereits vor unserer Tür. Ich öffnete und wir traten ein. Die Jungs waren sprachlos. Selbst Leif, der ja schon ab und zu mit mir auf Tour war, kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Unser Gepäck stand mittlerweile ordentlich im Wohnraum. Ich ging mit den Jungs einmal durch die Suite und zeigte ihnen, wo was war, und gab Leif eine Zimmerkarte. Nachdem wir alle Räume gesehen hatten, trafen wir uns im Wohnraum und ich bat die Jungs um den Zimmertisch Platz zu nehmen.

„So Leute, wie ihr gemerkt habt, hat man uns hier zusammen untergebracht. Tom und Mika kommen erst heute Nacht, werden aber hier ebenfalls mit wohnen. Leif, ich denke du nimmst am besten dann mit Mika ein Zimmer. Du kennst ihn ja bereits. Dann nehmen Tommy und Nico das Zimmer neben meinem Schlafzimmer. Tom nimmt das andere kleine Schlafzimmer. Ich möchte jetzt noch einige Regeln erklären. Wir befinden uns hier in einem fünf Sterne Hotel. Da werden auch einige Promis auftauchen. Vor allem zum Rennwochenende. Da gilt die Regel, keine Autogramme im Hotel. Die Leute wollen hier ihre Ruhe haben. Behandelt jeden hier wie einen normalen Menschen, egal wie berühmt er ist.“

Nun sah mich Nico etwas fragend an: „Marc, dürfen wir uns hier überhaupt frei bewegen oder muss immer ein Erwachsener dabei sein?“

„Ihr könnt euch hier frei bewegen, allerdings das Hotelgelände verlasst ihr bitte nur nach Absprache mit mir oder Tom. Wir müssen wissen wo ihr seid. Ebenso die Verantwortung für die Zimmerkarte. Leif hat die Karte für euch. Tom und ich haben auch jeweils eine. Wer als letzter die Suite verlässt, nimmt die Karte und gibt sie unten an der Rezeption ab. Getränke gibt es hier oben an der Theke dort drüben. Dass ihr keinen Alkohol bekommt, muss ich ja eigentlich nicht erwähnen. Wer etwas essen möchte, kann jederzeit sich unten etwas bestellen. Allerdings sollten wir die normalen Mahlzeiten gemeinsam einnehmen. Hat jetzt noch jemand dazu fragen?“

Die Jungs schüttelten mit dem Kopf, also gab ich nun die Ansage, jeder sollte seine Sachen ausräumen und sich etwas frisch machen. In einer halben Stunde sollten wir uns wieder hier treffen, um nach unten zum Essen zu gehen. Tommy und Nico nahmen ihre Taschen und verschwanden in ihrem Schlafzimmer. Leif und ich blieben noch einen Moment im Wohnzimmer. Leif sah mich an und war sichtlich beeindruckt: „Papa, das ist ja der Hammer hier. Was für ein Luxus. Ich hoffe Tommy und Nico machen hier keine dummen Sachen. Die beiden haben immer mal Blödsinn im Kopf.“

„Ach, und du niemals oder wie?“ Dabei musste ich echt lachen. Leif sah mich etwas genervt an. Ich hörte allerdings schon, wie Nico und Tommy in ihrem Zimmer sich etwas lauter vergnügten. Sie schienen sich gegenseitig zu kitzeln und auf dem Bett rumzualbern. Ich ging mal sicherheitshalber nachsehen. Ich betrat das Zimmer und tatsächlich, beide lagen auf dem Bett und tobten herum. Tommy kitzelte Nico und sie waren sichtlich guter Laune.

„Hey Jungs“, unterbrach ich ihr Treiben, „es war Taschen auspacken angesagt und nicht rumtoben. Was sollen denn die anderen Hotelgäste denken?“ Tommy sah mich etwas verärgert an, aber Nico sprang sofort vom Bett auf und sagte: „Sorry Marc aber Tommy hat mich einfach durchgekitzelt und ich wollte mir das nicht so gefallen lassen. Ich packe jetzt meine Tasche aus.“ Dann ging er zu seiner Tasche und räumte seine Sachen in den Schrank. Ich erinnerte Tommy noch mal an den Treffpunkt und das ich erwartete, dass sie auch vorher noch duschen waren. Dann ging ich wieder hinaus. Leif war mittlerweile auch in seinem Zimmer verschwunden und ich nahm meine Tasche und ging ebenfalls in mein Zimmer. Bevor ich den Schrank einräumte, wollte ich noch kurz mit Mick telefonieren. Ich wählte also seine Nummer. Nach einem kleinen Moment hörte ich eine Stimme, die aber nicht von Mick war: „Hallo wer spricht denn da?“ fragte ich etwas verwundert.

„Ach hallo Marc, hier ist Lukas. Mick ist grade unter der Dusche, wir wollen gleich zum Billardtraining mit Tim und Manuel.“

„Hallo Lukas, ich wollte nur grade Bescheid sagen, wir sind gut angekommen. Richtest du das bitte Mick aus?“

„Klar mache ich. Hat alles gut geklappt?“

„Ja danke, wir wohnen hier wirklich fast königlich. Wenn ihr zum Billard geht, bestellt Tim und Manuel bitte schöne Grüße. Ich hoffe ihr habt Spaß heute Abend. Wenn ihr gefragt werdet, ob ihr dort Mitglied werden dürft, meine Erlaubnis habt ihr. Sie sollen euch dann die Formulare geben und ihr könnt sie dann ausfüllen. Mick kennt ja meine Bankverbindung für solche Dinge. Das müsst ihr nicht von eurem Geld bezahlen.“

„Mensch Marc, woran du alles denkst. Aber dennoch danke schon mal. Ich glaube Mick hat Lust dort mitzumachen. Ich weiß bei mir noch nicht so recht. Ich bin ja nicht so gut wie Mick.“

„Also Lukas, hör mal auf dich immer schlechter zu machen, als du bist. Ich finde es wird dir gut tun, dort mit anderen Leuten zusammen zu kommen. Also wenn du Spaß hast, mach das. Versprich mir, dass du das nur nach dem Spaß entscheidest.“

„Ok Marc. Ich verspreche es. Dann wünsche ich euch auch viel Spaß und hoffentlich hast du keine Probleme beim Rennen.“

„Alles klar und danke dir, schöne Grüße an Mick.“ Dann legte ich auf. Mittlerweile war Leif wieder zu mir ins Zimmer gekommen. Er sah mir zu, wie ich meine Tasche auspackte, und mir dann frische Sachen zurechtlegte. Ich zog mich aus und ging ins Bad zum Duschen. Vorher bat ich Leif noch, mal bei den anderen beiden zu schauen, ob da alles ok war. Ich stand nun unter der Dusche und genoss das heiße Wasser. Es war sehr entspannend. Ich vermisste meinen Physio jetzt etwas, aber der würde erst zum Testtag am Mittwoch anreisen. Ich drehte das Wasser ab und nahm mir ein Handtuch. In meinem Zimmer konnte ich die Stimmen der drei Jungs hören. Ich ging also aus dem Bad in mein Zimmer und wollte mich anziehen. Als ich nackt in der Tür stand, erschrak Nico förmlich. Er wurde richtig rot und auch Tommy war das wohl etwas unangenehm. Nico drehte sich schnell um, Leif musste lachen: „Hey Nico, das ist bei uns normal. Wir haben damit kein Problem. Also das muss dir nicht peinlich sein.“ Leif musste sich richtig zusammen nehmen, um nicht nur noch lachen zu müssen. Nico ging aber aus dem Zimmer. Es war ihm wohl sehr unangenehm. Tommy blieb sitzen, war aber auch etwas verunsichert. Ich hingegen nahm meine frischen Sachen und zog mich an. Fragte Tommy aber auch: „Seid ihr mit duschen und allem schon fertig?“

„Ja Marc, alles fertig“, antwortete Tommy.

„Ok, dann würde ich sagen, wir treffen uns gleich im Wohnzimmer, Tommy geh mal nach Nico schauen. Er scheint sich ja etwas erschrocken zu haben.“ Tommy stand auf und ging hinaus. Leif musste immer noch lachen und meinte zu mir: „Hey Papa, scheint so zu sein, dass Nico damit ein Problem hat, wenn plötzlich ein nackter Mann vor ihm steht.“

„Ja scheint wohl so zu sein aber ich glaube du musst dich nicht über ihn lustig machen. Er scheint das nicht gewohnt zu sein.“

„Ja tut mir leid Papa aber das sah einfach zu komisch aus, wie er dich ansah. Ich wollte mich nicht über ihn lustig machen, nur die Situation war so komisch.“

„Ok, wir sollten vielleicht später darüber noch mal mit ihm reden. Komm, lass uns zum Essen mit den anderen gehen, ach ja schöne Grüße soll ich von Lukas und Mick bestellen.“

Dann gingen wir zusammen ins Wohnzimmer, wo die anderen beiden auf uns warteten. Nico sah mich immer noch sehr verängstigt an. Es war ihm immer noch peinlich. Ich ignorierte das jetzt und ich meinte lediglich: „So alle Mann fertig zum Essen fassen?“ Es gab allgemeine Zustimmung und so machten wir uns auf den Weg nach unten.

Das Essen verlief mit einer Ausnahme völlig unspektakulär. Tommy und Nico waren etwas irritiert über so viel Aufwand. Wenn irgendetwas auch nur ansatzweise sich leerte, kam ein Kellner und füllte auf Wunsch alles wieder auf. Auch war alles sehr edel. Die Jungs sahen bestimmt nicht schlecht angezogen aus, aber die anderen erwachsenen Gäste hatten nahezu alle dunkle Anzüge oder Kleider an. Ich verweigerte derartige Verkleidungen eigentlich prinzipiell. Ich trug das, was mir gefiel und was bequem war. Lediglich bei dienstlichen Veranstaltungen konnte ich mich überwinden, auch mal ein Sakko anzuziehen. Jedenfalls sahen wir etwas minderwertig gekleidet aus. Ich nahm das recht gelassen, denn hier kannte man mich und meine Einstellung. Da war es doch ein Vorteil eine gewisse Popularität zu haben. Es wurde einfach so akzeptiert. Alles in allem war es ein exzellentes Abendessen. Das Ganze dauerte auch über zwei Stunden und ich war nun gut gesättigt und auch etwas müde. Ich musste aber nachher noch Tom und Mika abholen. Also wollte ich noch einen Spaziergang machen. Außerdem musste ich den Kids ja noch sagen, was morgen geplant war. Denn ich hatte uns ja für ein Amateur Kart Rennen hier an der Strecke angemeldet. Tommy und Nico haben noch nie in einem Rennkart gesessen. Ich hatte uns von daher in der Anfänger Klasse gemeldet. Nachdem wir nun gemeinsam das Restaurant verlassen hatten, gab ich eine kurze Anweisung: „Jungs hört mal eben zu! Ich möchte noch ein wenig durch die Abendluft spazieren. Wenn jemand Lust hat, kann er gerne mitkommen, ansonsten treffen wir uns in einer halben Stunde oben im Wohnzimmer. Ich will euch dann sagen, was wir morgen und am Sonntag anstehen haben.“ Die Jungs nickten und dann trennten wir uns. Die Jungs nach oben, ich nach draußen. Allerdings stellte ich fest, dass es ohne Jacke doch recht frisch war. Also noch mal nach oben und meine Jacke geholt. Die Jungs saßen vor der Playstation und zockten.

Draußen war es wirklich sehr schön. Der Himmel war sternenklar und es war kaum Dunst in der Luft. Ich konnte viele Sterne und Sternbilder erkennen. Ich ging vom Hotel hinüber an die Strecke. Dort war noch nicht viel los. Es wurde zwar schon einiges vorbereitet, aber abends war es doch sehr still dort. Ich freute mich wirklich auf diese Strecke. Sie war eine der anspruchsvollsten Strecken der Welt. Es gab viele Kurvenkombinationen, die es wirklich in sich hatten. Sie erforderten ein wenig Mut. Insbesondere die sogenannte „Eau Rouge“. Eine links-rechts Kombination, die im Qualifying absolut voll gefahren wurde. Das waren dann so 280 Stundenkilometer. Danach ging es steil den Berg hinauf. Am Ende der Waldgeraden erreichten unsere Sportprototypen über 330 km/h. Leider hatte ich an die „Eau Rouge“ auch eine sehr traurige Erinnerung. Ich war 1985 als Zuschauer dabei, wie sich ein gewisser Stefan Bellof mit Jacky Ickx, jeweils in einem Sportwagen Prototypen, bei Tempo 260 berührten und es zur Katastrophe kam. Stefan Bellof kam bei diesem Unfall ums Leben und er war zu der Zeit sicher mit Abstand der beste deutsche Rennfahrer. Er hatte mit unterlegenem Material sowohl in der Formel 1 als auch bei den Sportprototypen für Furore gesorgt. Ich werde diese Bilder nie ganz vergessen können.

Dennoch fuhr ich immer sehr gerne auf dieser Strecke. Sie forderte von den Piloten sehr viel Können ab. Also hier war nur jemand wirklich schnell, der auch das Fahrzeug beherrschte. Ich ging nach einigen Minuten zurück und traf die Jungs immer noch vor der Playstation sitzend im Wohnzimmer an.

„So Jungs, seht mal zu, dass ihr zum Ende kommt. Es ist mittlerweile kurz vor zehn und wir müssen morgen richtig früh raus.“

Jetzt sahen mich alle drei sehr fragend an. Tommy stellte für die anderen die entscheidende Frage: „Wieso denn das? Wir haben doch Ferien.“

„Ja Tommy, das schon, aber ich sagte ja vorhin schon ich erkläre euch gleich noch was am Wochenende anliegt. Also macht bitte die Daddelkiste aus und setzt euch hier mit an den Tisch.“

Das half doch deutlich. Innerhalb weniger Minuten war die Playstation wieder im Schrank verstaut und alle saßen mit mir um den Tisch verteilt.

„So, jetzt bitte alle gut zuhören. Morgen früh ist um halb acht aufstehen und um acht Frühstück angesagt. Wir werden morgen und am Sonntag jeweils an einem Kart Rennen teilnehmen. Hier findet immer am Wochenende vor dem Sportwagenrennen ein Kart Wochenende statt. Jeweils Samstag und Sonntag finden Rennen in den unterschiedlichen Klassen statt. Ich habe euch in der Amateurklasse angemeldet.“

Jetzt wurden die Jungs etwas unruhiger. Leif freute sich als Einziger wie ein Schneekönig.

„Hey Papa, wie geil ist das denn. Wir fahren alle mit? Echt? Können denn Tommy und Nico da ohne Lizenz mitfahren?“

„Ja Leif, deshalb ja Amateurklasse. Du darfst da eigentlich nicht mehr fahren aber ich habe darum gebeten. Es wurde genehmigt.“ Ich wollte ihm jetzt noch nicht sagen, dass er nicht mit Tommy, Mika und Nico fahren würde, sondern mit Tom und mir in der Race Klasse. Das wäre vielleicht etwas viel Druck gewesen. Jetzt meldete sich Tommy: „Marc, ich habe doch gar keinen Helm und sowas dabei. Nico auch nicht.“

„Ja ich weiß, deshalb habe ich das bereits alles organisiert. Es ist alles für euch vorbereitet. Ihr bekommt das alles morgen an der Strecke.“

Nico war nun sichtlich beunruhigt. Er sah überhaupt nicht glücklich aus. Er traute sich aber nicht etwas zu sagen. Ich fragte deshalb mal nach: „Nico, hast du ein Problem damit?“

„Ähm, nein eigentlich nicht, aber ...“, er zögerte jetzt, „ich habe erst einmal in einem GoKart gesessen. Das wird doch total peinlich für Leif und Tommy.“

Tommy widersprach sofort: „Quatsch, wir werden viel Spaß haben. Mach dir nicht so viel Druck. Das macht richtig Laune. Das bekommst du schon hin. Leif ist ja schon richtig gut. Und was machst du in der Zeit, Marc? Du darfst ja nicht mitfahren als Profi.“

Ich lächelte: „Nein, das nicht aber ich werde euch mit Tom als Teamchef unterstützen. Und ich werde mit Tom in der Race Klasse starten.“

Jetzt staunte Leif aber nicht schlecht: „Du fährst echt mit? Das meinst du doch nicht ernst?“

„Klar, warum denn nicht? Tom kann auch ordentlich Gas geben. Also wollen wir auch mal Spaß haben.“ Leif grinste jetzt richtig und freute sich diebisch.

„So Leute, ich muss jetzt zum Flughafen und Tom und Mika abholen. Ihr macht euch jetzt bettfertig und ich möchte, dass ihr in einer Viertelstunde im Bett seid.“ Tommy war damit gar nicht einverstanden. Er war ja ein absoluter Fan von Tom und wollte natürlich dabei sein, wenn Tom hierher kam. Er versuchte mit mir zu handeln: „Marc, du bist gemein. Ich möchte mit zum Flughafen. Ich finde Tom nämlich total cool. Ich habe mich schon so darauf gefreut ihn kennenzulernen. Ich bin morgen trotzdem ausgeschlafen.“

„Nein, keine Chance. Tommy, du gehst jetzt ins Bett. Ende der Ansage.“ Die Jungs machten, bis auf Tommy, keine Anstalten sich zu wehren. Leif war schon Richtung Zimmer verschwunden und Nico stand schon in der Tür. Nur Tommy saß wie eine beleidigte Leberwurst auf dem Sofa. Nico wartete an der Tür auf ihn: „Los Tommy, mach jetzt kein Stress hier. Du siehst ihn doch morgen hier.“

Ich war Nico sehr dankbar für diese Unterstützung. Und Tommy stand nun auch auf und ging mit Nico in ihr Zimmer. Ich nahm mir noch eine Cola aus dem Kühlschrank und wartete noch ein paar Minuten, dann ging ich zu Tommy und Nico ins Zimmer, um ihnen eine Gute Nacht zu wünschen. Tommy hatte sich auch wieder beruhigt und sich sogar entschuldigt. Nico lag schon im Bett und war recht müde. Ich gab den beiden noch die Info, dass ich gegen Mitternacht wieder zurück wäre. Dann ging ich zu Leif rüber. Der lag auch schon fertig im Bett und machte das gleiche bei ihm. Nur dass ich ihm noch einen Gute Nacht Kuss gab. Er umarmte mich sogar dabei. Das war ein schönes Gefühl für mich mit dem „Kleinen“. Ich löschte das Licht und ging dann hinaus.

Ich nahm den Fahrstuhl direkt in die Tiefgarage und ging zum Auto. Diesmal hatten wir wirklich die S8 Limousine, die ich bereits letztes Mal erwartet hatte. So wurde es eine sehr entspannte und ruhige Fahrt zum Flughafen. Es war bereits kurz vor elf nachts und deswegen wenig los am Flughafen. Ich bekam sofort einen Parkplatz in der Nähe des Eingangs. Ich schloss den Wagen ab, zog mir meine Jacke über und ging durch die klare Nachtluft.

In der Halle ging ich in Richtung des Ankunftsbereichs. Ich brauchte nicht allzu lange warten, dann sah ich Tom mit einem Jungen aus dem Terminal kommen. Meine Güte, der Junge musste sein Sohn sein. War der groß geworden. Ich hatte ihn ja jetzt schon einige Monate nicht mehr gesehen. Die beiden kamen nun auf mich zu und Tom begrüßte mich sehr herzlich. Er stellte mir seinen Sohn vor und dann gingen wir direkt zum Auto. Mika machte einen sehr müden Eindruck und deshalb redete er auch nicht sehr viel. Tom entschuldigte sich: „Marc, entschuldige bitte, wenn Mika grade nicht sehr gesprächig ist. Normalerweise liegt er um diese Zeit schon im Bett und schläft.“

„Schon ok, kann ich nachvollziehen. Die anderen Jungs habe ich ja auch schon ins Bett geschickt. Ich hoffe mal, dass sie nun auch schlafen und keinen Blödsinn machen.“

Wir verstauten die Taschen im Auto, Mika saß schon hinten im Auto, als wir beide vorne einstiegen. Nach wenigen Minuten konnte ich im Rückspiegel sehen, dass Mika eingeschlafen war. Ich machte die Musik sehr leise und Tom fragte nun: „Wie war eure Anreise, hat alles geklappt?“

„Ja alles geklappt, nur die Unterbringung hat sich etwas geändert. Wir wohnen alle gemeinsam in einer tollen Suite. Und wir sollten jetzt etwas leiser reden. Mika ist schon eingeschlafen.“

Tom musste nun etwas lächeln und sagte: „Huch, scheint für den Kleinen wohl doch etwas zu anstrengend gewesen zu sein. Er wollte nämlich unbedingt wach bleiben, um dich noch ein paar Dinge zu den anderen Jungs zu fragen. Das muss dann wohl bis morgen warten.“

„Ja mal sehen, ich denke die haben morgen früh noch etwas Gelegenheit sich kennen zu lernen. Wir Frühstücken ja noch zusammen und bis zum ersten Rennen ist ja noch etwas Trainingszeit. Ach ja, Leif weiß noch nicht, dass er mit uns zusammen das Rennen fährt. Ich wollte ihm das erst morgen früh sagen.“ Tom grinste und dann unterhielten wir uns noch etwas über unser Programm hier. Die Fahrt zum Hotel verlief völlig normal und ruhig. Ich bog direkt in die Tiefgarage des Hotels ab. Parkte das Auto und dann meinte Tom: „Ich muss dann wohl den Kleinen mal wecken.“

„Ach lass ihn doch schlafen. Nimm ihn auf den Arm und ich nehme die Taschen.“ Tom nahm den Jungen auf den Arm und es war ein wirklich niedliches Bild. Mika schlief tief und fest und Tom hielt ihn vorsichtig auf seinen Armen. Ich hatte beide Taschen genommen und wir fuhren schnell nach oben in unsere Suite. Ich zeigte Tom das Zimmer von Leif. Ich öffnete ganz leise die Tür und Tom legte seinen Sohn vorsichtig neben Leif ins Bett. Tom wollte ihm noch die Sachen ausziehen aber ich meinte flüsternd: „Tom lass doch gut sein. Es macht doch nichts, wenn er mal eine Nacht in den Sachen schläft.“ Tom sah das auch ein, er deckte den Jungen noch zu und gab ihm einen Kuss. Danach verließen wir das Zimmer.

Ich zeigte Tom nun sein Schlafzimmer und wir sprachen uns kurz über den Ablauf für morgen ab. Danach gingen wir beide auch schnell schlafen.

Am nächsten Morgen wurde ich von dem hoteleigenen Service um sieben geweckt. Ich wollte vor den Jungs duschen und alles schon mal vorbereiten. Zwanzig Minuten später traf ich mich mit Tom im Wohnzimmer. Wir wollten jetzt die Jungs wecken. Tom ging zu Leif und seinem Sohn und ich zu Tommy und Nico. Also ich das Zimmer betrat musste ich lachen. Nico hatte sich während der Nacht ganz niedlich an Tommy gekuschelt und sie schliefen beide noch tief und fest. Ich fuhr die Rollos hoch und öffnete das Fenster. Dann ging ich zu den Jungs ans Bett und weckte zuerst Nico. Er wurde auch recht schnell wach. Dann schubste ich Tommy leicht an und weckte ihn ebenfalls. Ich sagte beiden einen schönen Guten Morgen. Als ich sicher war, dass beide wach waren, verließ ich mit der Bitte, um acht beim Frühstück zu sein, das Zimmer. Tom war auch schon im Wohnzimmer und wir beide sprachen kurz über den Ablauf. Nach wenigen Minuten kamen Leif und Mika zu uns ins Wohnzimmer. Ich begrüßte beide: „Hallo und guten Morgen die Herrschaften. Habt ihr gut geschlafen?“ Leif nickte und Mika kam auf mich zu und begrüßte mich erst mal richtig:

„Hallo Marc, ich war gestern einfach zu müde. Papa hat mir gesagt, du hast mich schlafen lassen. Danke dafür.“

„Hallo Mika, kein Problem. Ich denke das war besser so, ihr müsst ja heute fit sein. Leif kennst du ja schon. Die anderen beiden müssten auch jeden Moment kommen.“ In dem Moment ging die Schlafzimmer Tür auf und Nico und Tommy kamen zu uns in Wohnzimmer. Die Jungs begrüßten sich freundlich und ich hatte den Eindruck, sie würden sich gut miteinander verstehen. Nico war etwas ruhiger als sonst und schaute immer wieder zu mir herüber. Wir machten uns dann auf direktem Weg zum Frühstück. Ich verließ als Letzter unsere Suite. Als ich zum Fahrstuhl kam, stand Nico noch dort und wartete auf mich. Ich war etwas erstaunt, dass er nicht mit den anderen mitgegangen war. Deshalb fragte ich: „Nico was machst du hier noch. Keinen Hunger auf Frühstück?“

Dabei legte ich meinen Arm auf seine Schulter und drehte ihn Richtung Fahrstuhl damit wir jetzt schnell hinter den anderen herkamen. Nico blieb aber stehen und wollte mit mir reden:

„Marc, mir ist das vorhin voll peinlich gewesen, du hast doch bestimmt gesehen, wie wir im Bett lagen. Ich wollte das nicht. Ich habe das echt nicht gemerkt im Schlaf.“ Er war richtig rot geworden und ich spürte, wie unangenehm es ihm war.

„Mach dir keine Gedanken. Meinst du, ich habe bei Leif sowas noch nicht erlebt. Ich finde das ist doch gar nicht schlimm. Mach dir keine Gedanken. Es sah zumindest so aus, als ob es Tommy nicht gestört hätte. Also alles in Ordnung.“ Ich hatte ihn immer noch im Arm und dann gingen wir zum Frühstück. Als wir zu den anderen kamen, schaute uns Tommy aber besonders genau an. Nico setzte sich zu Tommy an den Tisch und ich nahm neben Leif Platz.

Wir hatten viel Spaß am Tisch, die Jungs fragten Mika einige Dinge zu ihm und was er so macht. Erst als Mika dann die Frage nach dem Rennen stellte, wurde es plötzlich ruhig am Tisch. Ich erklärte nun den Ablauf. Mika, Tommy und Nico starteten in der Anfängerklasse. Das waren 125 ccm Motoren, die eine Leistung von 10 PS hatten. Die Höchstgeschwindigkeit war auf 80 Stundenkilometer begrenzt. Im Training wurden die besten Rundenzeiten aller Fahrer eines Teams zusammengerechnet. Das ergab die Startaufstellung. So wurde eine gewisse Ausgeglichenheit erzwungen. Mechaniker waren verboten und auch andere Servicearbeiten waren nicht gestattet. Die Karts wurden vom Veranstalter gestellt und jeweils den Teams zugelost. Ein Team bestand aus drei Fahrern und jeder Fahrer musste eine halbe Stunde Rennzeit absolvieren. So würde das Team gewinnen, welches die beste Teamleistung abgeben würde.

Bei den Race Karts war das etwas anders. Wir hatten ebenfalls 125 ccm aber knapp 30 PS. Es gab keine Beschränkung der Geschwindigkeit. Allerdings war hier eine Rennlizenz erforderlich. Ansonsten war der Modus der gleiche.

Für den Service hatte ich zwei Mechaniker unseres Rennteams gebeten, uns zu unterstützen. Tom und ich teilten uns die Kosten dafür. Denn dass wir die Mechaniker dafür bezahlten, war selbstverständlich.

Als ich die Regularien für die Race Klasse erläuterte, wurden die anderen aufmerksam. Tommy fragte deshalb: „Marc, wer von uns fährt denn in der Race Klasse?“ Tom und ich schauten uns belustigt an und Tom sagte dann trocken: „Also ganz einfach, Marc und ich.“

Jetzt wurde Leif etwas hellhörig. Die anderen bekamen große Augen. Leif stellte dann folgende Frage: „Papa, wer wird denn bei euch der dritte Fahrer sein? Habt ihr da schon jemanden im Auge. Bislang seid ihr ja nur zu zweit und drei Fahrer sind doch Pflicht?“

„Gut beobachtet, ja wir haben unseren dritten Fahrer bereits verpflichtet. Du wirst unser dritter Mann sein.“ Jetzt fiel Leif die Kinnlade förmlich auf die Tischkante. Er bekam ganz große Augen und konnte kaum darauf etwas sagen: „Das ... das meint ihr doch nicht ernst. Ich soll mit euch zusammen dieses Rennen fahren? Da werden wir doch nie gewinnen. Ich bin viel zu schlecht für euch.“

„Blödsinn“, meinte Tom nun, „du bist sehr talentiert und hast viel weniger Gewicht. Außerdem wollen wir doch hauptsächlich zusammen Spaß haben.“

Die anderen freuten sich unheimlich, dass wir auch mitfahren würden. Vor allem für Leif freuten sie sich. Das fand ich besonders schön. Sie waren nicht neidisch, sondern freuten sich wirklich für ihn. Wir brachen nun Richtung Kartstrecke auf. Ich bat Tom mit den Jungs schon mal loszumarschieren, während ich unsere Taschen mit den Rennsachen holte. Mika hatte auch schon seine eigenen Sachen. Also mussten nur Tommy und Nico mit Rennkleidung und Helme ausgestattet werden. Der Veranstalter war gut vorbereitet und so waren wir nach einer halben Stunde komplett ausgerüstet. Wir waren nun in unserem Zeltunterstand, wo Stefan und Mario - unsere Mechaniker - mit unserem Renngerät auf uns warteten. Um neun war Besprechung für alle Piloten. Dort wurden die Sicherheitsanweisungen und der Ablauf bekanntgegeben. Anschließend war für alle Teilnehmer die Streckenbesichtigung. Erst danach begann das Training für die Anfänger. Es folgte im Anschluss das Training der Race Klasse.

Ich gab noch die Ansage: „Leute, wenn wir gleich in der Besprechung sind, Ohren auf und Mund zu. Ich möchte, dass ihr da genau zuhört. Wer Fragen hat, sollte sie erst zum Schluss stellen. Alles klar, noch Fragen jetzt?“

Die Jungs schüttelten mit dem Kopf und dann machten wir uns auf den Weg. Die Besprechung dauerte etwa zwanzig Minuten. Es waren maximal 15 Teams pro Klasse zugelassen. Als wir aus der Besprechung Richtung Strecke liefen, um diese zu besichtigen, wurden Tom und ich von einigen der anderen Piloten beobachtet. Auch von den Piloten der Race Klasse. Das waren sicherlich schon sehr gute Kartfahrer. Sie waren aber höchstens 16 oder jünger. Da waren Tom und ich echt die Opas. Wir gingen nun um die Strecke. Ich hatte Leif und Mika bei mir und Tom die anderen beiden. So konnten wir das effektiver erklären. Die Strecke war sehr winklig und es gab nur eine richtige Gerade. Also das Durchschnittstempo blieb überschaubar. Dadurch war das Risiko auch nicht so hoch, falls es zu Unfällen kommen sollte. Nach der Besichtigung trafen wir uns wieder an unserem Teamzelt. Die Jungs waren doch recht aufgeregt. Mika sollte mit dem Training beginnen. Er sollte erst mal eine Zeit vorlegen. Er war ja auch schon häufiger in Dänemark gefahren. Nur aufgrund seines Alters war er diese Art der Karts noch nicht gefahren. Ich fand unser „Rookie“-Team machte sich sehr ordentlich. Sie wurden von 15 Teams Zehnte. Damit waren wir sehr zufrieden. Vor allem war die Stimmung bei uns ganz hervorragend. Tommy war zwar immer extrem nervös, wenn Tom ihm etwas erklärte, sonst fuhren Nico und Mika sehr gleichmäßige Zeiten. Also das sollte wirklich gut klappen.

Nun waren wir an der Reihe. Der Motor wurde aufgewärmt und Tom wollte anfangen mit Fahren. Ich wollte zuletzt ins Training gehen. Auch hier lief alles ohne Probleme. Leif hatte großen Respekt vor der Leistung, machte seine Sache aber wirklich sehr gut. Auch Tom lobte ihn viel für seine Leistung. Die anderen drei standen dabei ganz gespannt am Rand und fieberten mit. Im Fahrerlager bekamen wir immer mehr Besuch von den anderen Fahrern. Tom und ich waren eben doch etwas Besonderes heute. Allerdings war niemand aufdringlich oder distanzlos. Es waren immer nette Gespräche und ich fand es eine tolle Atmosphäre. Für die Jungs war es definitiv ein Erlebnis. Sogar Nico taute immer mehr auf. Mika wurde ebenso wie Leif immer wieder von den anderen Piloten befragt. Aber alles sehr nett. Unsere Platzierung im Training war etwas besser. Wir wurden mit einer halben Sekunde Rückstand drittes Team. Damit war ich äußerst zufrieden. Leif war eine exzellente Zeit gefahren. Dafür gab es von Tom ein besonderes Lob. Ich nahm ihn in den Arm und gab ihm einen Kuss. Er freute sich sichtlich über das Lob. Also die Rennen konnten für uns beginnen.

Mick: Freitagabend vor dem Billard Training

Wir hatten nun für morgen noch mal gut trainiert und ich fühlte mich fit und gut vorbereitet für das Turnier. Wir waren gerade gemeinsam duschen gewesen und hatten uns schon mal unsere Sachen für heute Abend angezogen. Tim und Manuel würden ja wie immer vorher bei Salvatori essen. Ich hatte den beiden das nicht zugesagt, weil wir ja nicht so genau wussten, wann wir vom Training kommen würden. Jetzt lagen wir aber gut in der Zeit und ich wollte da gerne mit Lukas auch hin. Ich saß bei uns auf dem Sofa und er föhnte sich noch die Haare. Dann kam er zu mir und setzte sich neben mich. Ich lehnte mich an seine Schulter und er gab mir einen Kuss.

„Lukas, ich würde gerne mit Tim und Manuel bei Salvatori zum Essen gehen. Wie sieht das bei dir aus?“

„Ach Mick, eigentlich schon, aber ich würde genauso gerne noch mit dir hier etwas kuscheln.“ Dabei sah er mich sehr niedlich mit seinen wunderschönen Augen an. Ich wäre fast über ihn hergefallen, so süß sah er aus. Wollte aber Tim und Manuel auch nicht enttäuschen. Und kuscheln ging ja dort auch. Also entschieden wir uns zu den Beiden zu gehen und gemeinsam eine Pizza zu vernichten. Wir zogen unsere Jacken an und marschierten los. Unterwegs nahm Lukas immer wieder meine Hand und wir küssten uns immer wieder zärtlich. Ich fand es war einfach nur schön mit Lukas gemeinsam etwas zu unternehmen und seine Nähe zu spüren. Um kurz vor sechs waren wir bei Salvatori. Wir gingen hinein und mussten feststellen, dass die anderen beiden noch nicht da waren. Wir setzten uns an unseren Tisch wie immer und unterhielten uns noch etwas über die Ereignisse. Lukas saß mir gegenüber und sein Arm lag auf dem Tisch. Ich legte meine Hand in seine und es fühlte sich einfach toll an, ihn zu berühren und ihn in der Nähe zu haben. Jetzt sagte Lukas zu mir: „Ich weiß gar nicht mehr, wie das war, bevor wir uns verliebten. Ich finde es so schön mit dir zusammen zu sein, Mick - ich liebe dich.“ Ich spürte wieder dieses Kribbeln und ich wusste, mit Lukas würde ich momentan überall hingehen. Ich wollte nicht mehr ohne ihn sein. Ich drückte seine Hand und streichelte seinen Arm. Dabei konnte ich sehen, wie er eine Gänsehaut bekam.

Lukas musste mal für kleine Jungs und so saß ich für einen kleinen Moment allein am Tisch. Genau in diesem Moment kamen Tim und Manuel an unseren Tisch. Ich stand auf und wir begrüßten uns mit einer herzlichen Umarmung. Tim war etwas erstaunt, dass ich allein war: „Mick, wo hast du Lukas versteckt oder bist du etwa allein gekommen?“

„Nein, natürlich bin ich nicht allein gekommen aber er musste mal für kleine Jungs. Er kommt sicher gleich wieder.“ Da kam er auch schon um die Ecke und sah die beiden nun. Er ging auf Tim und Manuel zu und umarmte sie ebenfalls.

Wir setzten uns an den Tisch und jetzt saß Lukas neben mir und die beiden anderen uns gegenüber. Manuel schlug uns vor, mal eine Familien-Platte zu probieren. Das war eine große Fleischplatte mit verschiedenen Fleisch- und Gemüsesorten, dazu verschiedene Pasta und Salate. Also sozusagen eine „Salvatori speciale“-Platte. Ich fand diese Idee sehr interessant, Lukas war sich nicht so sicher aber stimmte ebenfalls zu.

„Ich soll euch übrigens von Marc ganz herzliche Grüße ausrichten. Sie sind gut in Spa angekommen und wohnen wohl in einem fünf Sterne Palast.“

Tim grinste und meinte: „Hoffentlich weiß Nico, wie er sich da zu benehmen hat. Er war noch nie in so einem Haus. Nicht dass es für Marc zu peinlich wird.“

Manuel erwiderte: „Blödsinn Tim, Nico wird bestimmt nichts tun, was für Marc oder die anderen unangenehm wird. So wie ich das gestern gesehen habe, hat er sich schon sehr mit Leif und Tommy angefreundet.“

„Vor allem mit Tommy“, ergänzte Lukas nun.

Ich sah ihn etwas verwundert an: „Wie kommst du darauf?“

„Naja, also es war schon etwas auffällig, wie Nico mit Tommy umgegangen ist. Manchmal hatte ich das Gefühl, Leif war sogar etwas eifersüchtig auf Nico.“

Ich bekam dabei komische Gedanken und sagte: „Leute, mal ganz ruhig. Denkt ihr das sich bei Nico und Tommy was anbahnt? Fänd ich ehrlich gesagt etwas schwierig. Weil wenn Leif dann wieder einen Freund an jemand anderes verliert. Ob er das noch mal verkraftet. Ich weiß ja nicht.“

Manuel: „Also so meinte ich das überhaupt nicht. Mach dir keine Sorgen, Leif wird Tommy als Freund nicht verlieren. Das glaube ich nicht. Außerdem hast du ja selber schuld. Du hast dich doch schließlich in Lukas verliebt und ihm damit seinen großen Bruder geklaut.“ Jetzt grinste er echt fies zu mir rüber. Die anderen fingen an zu lachen, ich wurde rot und wechselte schnell das Thema.

„Man, mit euch kann man aber auch nirgendwo hingehen. Aber was anderes. Papa hat uns gesagt, wenn wir bei euch in den Verein gehen möchten, sollt ihr uns bitte die Unterlagen mitgeben. Papa würde uns den Beitrag und das Training bezahlen.“

Tim und Manuel fanden das natürlich richtig gut und wollten am liebsten uns gleich schon in ihrer Mannschaft sehen. Ich wollte das etwas ruhiger angehen, gerade weil Lukas ja nicht so überzeugt war, dass er gut genug war. Wir einigten uns darauf, dass der Trainer sich unsere Fähigkeiten nachher ansehen sollte. Dann würden wir weiter sehen. Nun kam unsere Spezial Platte und mir wurde sofort klar, mit dieser Platte würde man eine ganze Großfamilie sättigen können. Wir starteten jedenfalls den Versuch diese Platte zu vernichten.

Tim kam noch einmal auf das Thema zurück: „Mick, ich denke, dass Nico sich einfach nur freut, wieder Freunde gefunden zu haben. Er hat in der Vergangenheit viele Freunde verloren durch sein aggressives Verhalten. Wir haben leider auch keine Ahnung, warum er sich so verhalten hat. Innerhalb der Familie war er nie so auffällig. Nur in der Schule und in seinem Freundeskreis. Insbesondere im letzten Jahr. Das war auch für meine Eltern ganz schlimm. Jedes Mal wenn ein Elternsprechtag anstand, ist meine Mutter mit einem schlechten Gefühl hingegangen. Also ich glaube Nico ist einfach froh, dass er wieder jemanden hat, der ihm vertraut und meine Eltern freuen sich halt auch sehr darüber. Ich glaube ganz bestimmt nicht, dass Nico Leif weniger mag als Tommy und das sich Tommy nun von Leif entfernt. Dafür sind die beiden schon zu eng befreundet.“

„Ich hoffe es jedenfalls, denn für Leif war die letzte Zeit auch nicht einfach. Er braucht seine Freunde hier. Ich werde ihm zwar immer als Bruder und Freund erhalten bleiben aber er muss seine eigenen Freunde haben. Zumal mit Lukas jetzt auch noch ein neuer Bruder hinzukommt, der auch so etwas wie Konkurrenz darstellt. Papa wird sicher versuchen für ihn mindestens genauso Zeit zu haben wie für uns, aber Lukas muss er auch erst lernen zu akzeptieren.“

Lukas wurde bei dieser Aussage leider sehr nachdenklich. Ich merkte, ich hätte das lieber nicht erwähnt.

„Mick, was meinst du mit Konkurrenz zu ihm? Denkst du ich wäre für ihn ein Problem? Dann sollte Mick mich besser nicht adoptieren. Ich will nicht in eurer Familie ein Problem sein.“

Das war genau das, was ich befürchtet hatte. Ich musste Lukas jetzt ganz schnell das austreiben. Manuel kam mir dabei zuvor.

„Lukas, so ein Blödsinn. Marc hat dich in der Familie aufgenommen. Er wird sich das sehr genau überlegt haben. Außerdem spüre ich, dass dich Leif sehr mag. Sonst wäre er viel ablehnender gegenüber dir. Du bist dort wirklich sehr willkommen, auch von Leif. Da bin ich mir ganz sicher. Also fang jetzt nicht an daran zu zweifeln. Dann gibt es Ärger mit uns. Du brauchst genauso die Unterstützung und sie steht dir zu. Marc wird Leif genauso wie dir als Vater beistehen, da kannst du dich drauf verlassen.“

Ich war Manuel wirklich sehr dankbar für diese Worte. Ich musste in Zukunft noch etwas aufpassen, wie ich mich Lukas gegenüber zu diesem Thema äußere. Er war noch nicht so stabil, wie ich gehofft hatte.

Wir waren mit Essen fertig und machten uns jetzt auf zum Billard. Wir kamen an die Tische und dort war bereits reges Treiben. Manuel und Tim wurden freundlich begrüßt. Es waren so ungefähr zehn Leute da, alle etwa in unserem Alter, bis auf zwei Leute. Ein Junge, der war höchstens 15 und ein Mann, der war deutlich älter. Tim ging zu dem älteren Mann, ich schätzte ihn so auf 40, sprach mit ihm und zeigte dann auf uns. Der ältere Mann kam zu uns und stellte sich vor.

„Hallo ihr beiden. Ich bin Michael und hier Trainer der Mannschaften. Tim sagt ihr wollt vielleicht bei uns mitspielen?“

„Hallo Michael, ja Tim hat uns das vorgeschlagen, als wir uns hier vor einigen Tagen kennengelernt haben. Ich bin übrigens Mick und das ist mein Freund Lukas.“ Dabei zeigte ich auf meinen Freund. Michael gab uns die Hand und er fragte uns noch nach unserem Alter und wie lange wir schon spielen würden. Wir unterhielten uns einige Minuten und ich merkte, entweder hatten Tim und Manuel nichts über meinen Vater erzählt oder es spielte für Michael gar keine Rolle. Das gefiel mir. Tim und Manuel waren schon an einen Tisch gegangen und spielten schon eine Partie.

Michael bat uns einen Moment zu warten. Er würde gleich zurück sein. Lukas stand nun neben mir und ich spürte seine Unsicherheit.

„Und wie gefällt dir das hier bisher“, wollte ich von ihm wissen.

„Eigentlich ganz gut, ich hoffe es gibt hier kein Problem mit unserem Schwulsein.“

„Quatsch, Tim und Manuel sind doch hier auch offen schwul und voll akzeptiert. Mach dir keine Sorgen.“

Jetzt kam Michael wieder zurück und er bat uns ihm zu folgen. Wir gingen an einen Tisch, wo der Junge alleine einige Bälle spielte. Michael bat ihn für uns ein paar Bälle aufzubauen. Es wollte ein paar Übungen mit uns machen. Der Junge stellte sich uns als André vor. Wir gaben uns die Hand und er erklärte uns, was wir machen sollten. Michael stand etwas abseits und schaute uns zu. Ich sollte zuerst spielen. Ich begann mit den einzelnen Aufgaben und ich konnte sie recht gut lösen. Nun kam Lukas an den Tisch und er schaffte diesen Teil ebenfalls recht gut. André war zufrieden und er meinte nun: „So ihr beiden, ich habe jetzt ein paar schwerere Bilder, die zu lösen sind. Ich gebe jetzt nur ein Bild vor und ihr müsst eine eigene Lösung finden.“

Für nicht Billard-Spieler: Bilder nennt man die Situation auf dem Tisch, wie die Kugeln zueinander liegen.

Für mich hatte er ein Bild aufgebaut, welches nur über eine Vorbande zu spielen war. Ich konnte zwar ein Foul verhindern aber gelocht hatte ich die Kugel nicht. Lukas sollte es ebenfalls versuchen. Bei ihm war das genauso wie bei mir. Nun ging André an den Tisch, nahm seinen Queue und erklärte uns seine Variante. Er spielte einen sogenannten Bogenball um die im Weg liegende Kugel. Die Kugel fiel ohne Probleme ins Loch. Lukas und ich staunten nicht schlecht.

Lukas wollte das nun erklärt haben: „André, wie geht das? Ich meine, ich bin schon froh, wenn ich einen Rückzieher oder einen Nachläufer spielen kann. Und sag mal, wie alt bist du eigentlich?“

André war 14 und erklärte uns die Technik. Wir versuchten das beide einige Male, aber das gelang uns nicht wirklich gut. Wir hatten auch noch keinen eigenen Queue, sondern spielten mit einem Queue, der an den Tischen bereit lag. Michael kam nun an unseren Tisch und gab einige Hinweise und lobte unsere Fertigkeiten. Er gab mir seinen Queue und meinte, ich sollte das damit noch einmal versuchen. André baute die Kugeln wieder neu auf und ich setzte nun den Stoß neu an. Überraschenderweise klappte das nun auf Anhieb. André musste grinsen und Lukas applaudierte. Auch Tim war mittlerweile mal an unseren Tisch gekommen und sah noch den Stoß. Er nickte ebenfalls anerkennend. Nun sollte Lukas auch einen anderen Stoß spielen mit Effet. Er nahm ebenfalls den Queue von Michael und konnte im zweiten Versuch die Kugel versenken.

Michael ging an einen anderen Tisch, sprach mit einem anderen Spieler und kam wieder auf uns zu: „So, ihr beiden. Das sah wirklich schon sehr ordentlich aus. Vor allem habt ihr ein gutes Vorstellungsvermögen. Ich gebe euch meinen Queue für heute Abend und ihr geht mal mit André rüber zu Marco. Da könnt ihr ein paar Spiele machen. Einer von euch spielt mit André und einer mit Marco. Später würde ich gerne noch mit euch kurz sprechen.“

Wir nickten und dann spielten wir vier Spiele. Es war recht ausgeglichen. Lukas spielte immer besser und ich musste mich mit André richtig anstrengen, um nicht unterzugehen. André und Marco waren beide sehr nett. Marco war so alt wie wir und ging mit Tim in eine Klasse. Wir kamen immer mehr ins Gespräch. Dann meinte André: „Lasst uns mal zum Schluss eine Partie als Turnier-Doppel spielen. Ihr beiden gegen Marco und mich.“

„Meinetwegen, aber das wird wohl eine recht einseitige Sache werden“, meinte ich. Wir begannen und nach wenigen Minuten lagen wir deutlich zurück. Lukas war doch sehr nervös und seine Präzision war weg. Jetzt bekam ich mal eine Situation, in der ich mehrere Bälle lochen konnte. Dann kam genau so eine Situation, wie wir sie eben geübt hatten. Entweder über Vorbande oder einen Bogenball. Ich wollte die Vorbande spielen. André mischte sich nun ein: „Hey Mick, warum spielst du jetzt diese Variante? Eben hast du doch den Bogenball hervorragend gespielt.“

„Ja schon aber ich traue mich das jetzt nicht. Wenn das nicht klappt und ich ein Foul spiele, haben wir gleich verloren.“

„Na und, es ist ein Spiel und du sollst hier doch was lernen.“ Dies erstaunte mich doch etwas. Ein 14 jähriger Junge mit so einem Selbstbewusstsein. Ich sah zu Lukas und er ermutigte mich, das mit dem Bogenball zu versuchen. So spielte ich diesen Ball auch, und es hatte geklappt. Lukas kam jetzt auf mich zu und umarmte mich, gab mir einen Kuss und freute sich mit mir. Allerdings war die Reaktion von André auch nicht zu übersehen. Er bekam große Augen und Marco musste lachen.

„Hey, jetzt verstehe ich auch warum Tim und Manuel euch mitgebracht haben. Sie wollten Gleichgesinnte haben“, rief André nun etwas deutlich vernehmbar aus. Lukas war das sichtlich unangenehm und ich wusste in diesem Moment auch nicht so richtig, wie er das meinte. Ich ging erst mal zwei Schritte zurück und nahm Lukas demonstrativ in den Arm. Dann sagte ich deutlich vernehmbar für die beiden: „Ja, Lukas und ich sind schwul und wir sind ein Paar wie Tim und Manuel. Gibt das ein Problem für euch? Falls ja, sagt es bitte gleich, dann werden wir uns hier nämlich nicht wieder sehen.“ Ich war innerlich etwas böse auf diese Reaktion von André. Tim bekam das mit und kam sofort zu uns und ebenfalls Michael. Tim nahm sich André vor.

„Sag mal spinnst Du? Was sollte dieser Kommentar, mit uns hast du doch auch kein Problem bisher und die beiden kommen hier her, wollen mit uns spielen und du ziehst hier so ne Show ab. Das kannst du dir schenken.“ Michael ging nun zwischen die beiden und gab André deutlich zu verstehen, dass er sich an einen hinteren Tisch setzen soll und dort auf ihn warten sollte. Er ging auch wortlos dorthin. Jetzt drehte sich Michael zu uns: „Mick und Lukas, es tut mir leid. Dieses Verhalten habe ich bei ihm noch nie erlebt. Bislang gab es auch mit Tim und Manuel nie ein Problem. Wir wissen alle, dass sie schwul sind. Und Tim hatte mir vorher schon gesagt, dass ihr beide zusammen seid. Ich hoffe, ihr bleibt dennoch bei uns. Wir haben damit kein Problem und ich werde gleich mit André noch mal reden. So ein Verhalten wird hier nicht akzeptiert. Ich kann mich nur noch mal entschuldigen. Lasst uns das bitte gleich noch mal besprechen, wenn ich mit ihm gesprochen habe. Ist das ok für euch?“

Ich sah nun zu Lukas und spürte, wie er sich verkrampft hatte. Ich hatte bislang hier viel Spaß gehabt und wollte eigentlich bleiben. Manuel stand mittlerweile neben Lukas und nahm ihn am Arm mit nach draußen. Tim hielt mich zurück.

„Mick, lass Manuel mal machen. Er wird Lukas beruhigen. Ich weiß, wie er sich nun fühlt. Lukas würde aber hier niemals etwas dazu sagen.“ Tim hatte recht. Er kannte Lukas mittlerweile recht gut und ich blieb also bei Tim stehen.

Da kam Marco auf mich zu: „Mick, ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll. Ich habe wirklich keine Probleme mit euch. Ich fand es nur richtig niedlich wie Lukas dich geküsst hat. Weil Tim und Manuel sich das am Anfang nicht getraut hatten. Ich hatte damit nicht gerechnet. Es tut mir wirklich leid, wenn du das als Ablehnung empfunden hast.“ Er streckte mir die Hand entgegen und ich schlug ein. Dann zog er mich an sich heran und umarmte mich. Das fand ich eine tolle Geste. Damit war das für mich mit Marco geklärt. Mittlerweile war Tim mit Lukas zurückgekommen und Lukas wurde ebenfalls von Marco empfangen. Er erklärte Lukas ebenfalls die Situation und auch Lukas umarmte er dann. Ich spürte bei Lukas deutliche Erleichterung. Marco hatte einfach die Situation nicht richtig eingeschätzt und wollte uns überhaupt nicht angreifen. André hingegen konnte ich nicht so ohne weiteres verzeihen, das musste eindeutig geklärt werden für mich.

Marco stand plötzlich neben Lukas und mir und hatte ein Tablett mit Getränken in der Hand.

„Hier ihr beiden, lasst uns das Missverständnis mit einem Bier aus der Welt schaffen.“ Wir stießen an und damit war für uns das Thema erledigt. Tim ging nun nach hinten zu Michael und André an den Tisch. Michael schickte ihn allerdings direkt wieder weg. Ich glaubte, dass Michael richtig sauer war und sich André ordentlich zur Brust nahm. Jedenfalls saß André ziemlich zusammengesunken auf seinem Stuhl. Tim kam zurück und sprach uns an: „Ich glaube, das Ganze tut André schon richtig leid. Er saß mit Tränen in den Augen da am Tisch. Michael wird ihm ordentlich klar machen, dass das mal richtig daneben war. Er hat, glaube ich, überhaupt nicht nachgedacht, dass ihr das so auffassen könntet. Kommt lasst uns noch ein bisschen spielen. Einige der anderen kamen ebenfalls zu uns, gaben deutlich zu verstehen, dass wir willkommen seien. Wir gingen mit Tim und Manuel an einen Tisch. Die anderen hatten jetzt dafür Verständnis, das Tim und Manuel sich um uns kümmern wollten und wir nun an einem Tisch spielen wollten.

Nach einer weiteren Viertelstunde konnten wir sehen, dass Michael vom Tisch aufstand und er mit André wieder zu den Tischen zurückkam. Michael kam an unseren Tisch und André ging erst mal Richtung Toiletten.

„Mick und Lukas, würdet ihr beiden bitte mal einen Moment mitkommen.“ Wir sahen uns an und eigentlich wollte ich, dass Tim und Manuel auch mitkommen würden. Ich sah zu Tim aber er gab mir mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass es ok ist mit Michael mitzugehen. Wir gingen nun an den Tisch, wo Michael eben noch mit André gesessen hatte.

„Also ihr beiden, zu diesem Vorfall möchte ich jetzt erst mal nichts mehr sagen. Ich kann nur noch mal betonen, wir würden uns freuen euch bei uns begrüßen zu dürfen. Ihr habt beide das Talent zum Billard. Außerdem seid ihr beide nett. Ihr passt zu uns. Was André betrifft, dazu wird er, hoffe ich, selbst noch mit euch sprechen.“

Ich sah zu Lukas und wir waren uns einig. Wenn diese Sache sich klären würde, hatten wir Lust dort mitzuspielen. Also sagte ich zu Michael: „Wenn André sich entschuldigt und er mit uns das klärt, würden wir gerne hier mitspielen. Ich finde es nur schade, dass der erste Abend so abgelaufen ist. Ich habe eigentlich Spaß am Billard und würde mich freuen, hier auch neue Freunde zu finden. Lukas, was meinst du dazu?“

„Ich kann dir nur zustimmen, möchte aber in Zukunft hier offen schwul sein dürfen und nicht immer wieder damit hier auf Probleme stoßen.“

Michael nickte zustimmend: „Also eines kann ich euch versprechen, sollte es erneut von unseren Leuten zu solchen Äußerungen kommen, werde ich das nicht dulden. Allerdings können wir nicht für gegnerische Mannschaften sprechen. Vielleicht wäre es dann angebracht, das nicht so deutlich zu zeigen, dass ihr schwul seid. Tim und Manuel halten sich dann auch meist zurück.“

„Alles klar, wie sieht das mit den Formularen aus? Müssen wir das heute sofort ausfüllen?“

„Nein, ich gebe euch nachher jeweils einen Mitgliedsantrag mit. Den könnt ihr in Ruhe ausfüllen und mir beim nächsten Mal wieder mitbringen. Ich sage vorne Bescheid, dass ihr aber schon ab sofort in der Woche bis 21 Uhr kostenlos spielen könnt. Den Ausweis bringe ich euch dann nächsten Freitag mit.“

„Vielen Dank, dann hoffe ich mal, wir werden in Zukunft nur noch Spaß haben und uns solche Situationen sparen können.“ Dann standen wir auf und Michael gab uns die Hand. Wir gingen wieder zu Tim und Manuel. André konnten wir nirgends sehen. Manuel meinte nur: „Seid bitte nicht zu streng mit André. Er war eben schon kurz bei uns und hat sich entschuldigt. Er wollte das überhaupt nicht als Provokation oder gar als Beleidigung meinen. Es ist ihm total unangenehm jetzt. Ich hoffe er kommt gleich noch mal zu euch. Er ist eigentlich ein ganz netter Junge und wir haben auch noch nie Probleme mit ihm gehabt.“

„Ist schon ok, er soll das mit uns klären und dann vergessen wir das am besten“, meinte ich dann dazu. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass André jetzt hinter uns stand. Tim gab uns ein Zeichen, dass wir uns umdrehen sollten. André stand verlegen vor uns und wusste nicht, wie er das Gespräch beginnen sollte.

„Ähm ... Mick und Lukas, ich ...“, er war wirklich verlegen und er hatte auch geweint, wie man deutlich noch erkennen konnte, „... wollte euch wirklich nicht angreifen. Es sollte ein Spaß sein. Es tut mir so leid, bitte verzeiht mir das. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ihr das so auffassen könntet.“ Dabei war deutlich die Angst in seinem Gesicht zu sehen. Michael musste ihm eine deutliche Ansage verpasst haben. Von daher nahmen wir diese Entschuldigung an und wir gaben uns die Hand. Danach ging Lukas für mich überraschend auf ihn zu und umarmte ihn. André tat das sichtlich gut, deshalb tat ich das Gleiche.

Nun wurde es doch noch ein lustiger Abend und André wurde uns immer sympathischer. Wir verstanden uns immer besser und er erklärte uns sehr viel. Er legte uns nahe, dass wir uns einen eigenen Queue zulegen sollten. Wir hatten davon keine Ahnung und so fragte ich ihn, ob er uns dabei beraten würde.

„Wenn ihr mir jetzt noch vertraut, nachdem ich euch so mies behandelt habe, mache ich das gerne.“

Lukas sah mich an und er ging auf ihn zu: „André, das Thema ist erledigt. Wir vertrauen dir. Wann wollen wir das denn mal machen und einen Queue kaufen und was kostet sowas eigentlich?“

„Also da gibt es große Preisspannen. Es beginnt so bei 30 Franken und geht bis 500 Franken und mehr. Aber so ab 45 Franken gibt es schon ordentliche Pool-Queues.“

Ich dachte nur so für mich, bis 500 Franken, Respekt!

„Also 500 Franken werde ich sicherlich nicht ausgeben, aber so 50 bis 60 Franken kann ich mir vorstellen.“ Lukas nickte zustimmend. Michael beobachtete unser Gespräch und war sichtlich erleichtert, dass wir mit André wieder normal umgehen konnten. André meinte noch zu den Queues:

„Ich frage Michael mal, manchmal bekommen wir einen Vereinsrabatt bei unserem Lieferanten.“

„Ja das ist doch gut, dann frag doch mal da nach und wir gehen in der nächsten Woche los und kaufen so ein Gerät“, meinte ich dann.

Es war nun schon halb zehn und unsere Trainingszeit ging zu Ende. Tim und Manuel kamen noch mal zu uns und wir sagten, dass wir am Wochenende ein Tennisturnier spielen würden. Wenn sie Lust hätten, könnten sie ja mal vorbei schauen. Sie wollten schauen was sie vorhatten. Dann könnte es aber sein, dass sie mal zuschauen würden. Wir verabschiedeten uns von den beiden und wollten schon gehen. Da kam Michael noch mal zu uns. André ging neben ihm.

„Ihr wollt euch einen eigenen Queue zulegen, meinte André, also geht mit André in das Sportgeschäft in der Innenstadt. Dort bekommt ihr 20 Prozent Rabatt. Ich werde dort Bescheid sagen, dass ihr vorbeikommt.“

„Vielen Dank, Michael. Ich möchte dir auch noch mal danken für die Unterstützung vorhin. Ich glaube wir haben das gut aus der Welt geräumt.“ Ich sah André mit einem Lächeln an und er strahlte uns an. Dann verabschiedeten wir uns von Michael. Er gab uns die Anträge noch mit und dann kam André noch mal zu uns.

„Mick, ich habe eine Bitte. Ich muss in die gleiche Richtung wie ihr, darf ich mit euch mitgehen. Meine Mutter möchte nicht so gerne, dass ich so spät noch alleine unterwegs bin. Sie würde mich auch abholen aber dann muss ich noch eine halbe Stunde hier warten.“

„Klar, kein Problem.“ Dann gingen wir gemeinsam los. Er erzählte uns noch ein wenig von sich, dass er noch einen kleineren Bruder hatte und er auf dieselbe Schule ging wie Tim. Er war in der achten Klasse. Wir erzählten ihm auch ein wenig von uns. Als Lukas nebenbei erwähnte, dass er bald mein Stiefbruder sein würde, stutzte André etwas. Wir erklärten ihm das und er war sichtlich beeindruckt. Ich hatte das Gefühl, wir würden mit André nie wieder ein derartiges Problem haben wie vorhin. Irgendwie tat es mir auch leid, dass wir das so aufgefasst hatten. Wir trennten uns dann, als er einen anderen Weg nehmen musste. Wir hatten noch unsere Handynummern ausgetauscht. Dann waren Lukas und ich allein. Wir gingen jetzt schweigend Arm in Arm zum Internat. Lukas schmiegte sich an mich und ich streichelte ihm den Nacken.

Als wir auf unserem Zimmer ankamen, war es mittlerweile elf Uhr geworden. Lukas wollte noch duschen. Also nahm er sich Handtuch und seine Boxer für die Nacht und ging ins Bad. Ich zog mich auch schon aus und merkte aber dass ich noch mal für kleine Jungs musste. Ich klopfte also an, als Lukas im Bad war. Wir hatten uns angewöhnt nicht mehr abzuschließen, wenn einer von uns im Bad war. Ich ging also dann hinein und konnte mich schnell erleichtern. Dabei sprach mich Lukas an:

„Mick, ich finde den André eigentlich ganz nett. Warum hat er nur so einen Spruch gemacht vorhin?“ Ich konnte dem eigentlich nur zustimmen. Lukas stellte nun das Wasser ab und öffnete die Duschabtrennung. Ich gab ihm das Handtuch und wir standen nun direkt voreinander. Er sah wirklich toll aus. Ich hatte ja nur meine Boxer an und er war nackt und noch nass. Dennoch umarmte er mich und küsste mich leidenschaftlich. Ich war darauf gar nicht vorbereitet. Ich war nun ebenfalls nass und Lukas umarmte mich ganz innig und wir streichelten uns über den Rücken. Allerdings war es recht eng im Bad, deshalb schlug ich vor: „Lass uns im Bett weitermachen. Da ist es gemütlicher.“ Lukas widersprach nicht und wir waren in kurzer Zeit abgetrocknet in seinem Bett gelandet. Es war einfach nur schön mit Lukas zu kuscheln. Seine Nähe war unheimlich erregend. Allerdings beruhte das wohl auf Gegenseitigkeit, denn ich konnte spüren, dass Lukas genauso erregt war. Ich wollte jetzt nicht aufhören, es war einfach nur zu schön. Lukas atmete schon deutlich schneller. Seine Männlichkeit stand genauso hart und steil nach oben wie meine. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich ging mit meiner Hand zwischen seine Beine und irgendwann waren wir beide damit gegenseitig beschäftigt. Es war einfach nur gigantisch. Nach wenigen Minuten waren wir beide nahezu gleichzeitig mit einem heftigen Abschuss gekommen. Lukas war es etwas unangenehm, weil wir beide das Bettlaken ziemlich eingesaut hatten. Mir war das relativ egal, dafür gab es ja Waschmaschinen. Wir schliefen dann völlig entspannt und eng umschlungen ein. Es wurde eine wirklich schöne gemeinsame Nacht, die erst am nächsten Morgen leider schon um acht endete. Das Turnier wartete auf uns.

Marc: In Spa beim Kart Rennen

Es war jetzt an der Zeit das Anfängerrennen in Angriff zu nehmen. Ich spürte die Aufregung der Jungs. Tommy lief jetzt schon zum dritten Mal auf die Toilette. Er sollte den Start fahren. Leif und Mika standen bei Tom und ließen sich von ihm etwas ablenken. Tommy kam mir nun entgegen:

„Hey Tommy, ist deine Blase immer noch nicht leer?“, zog ich ihn etwas auf.

„Ich weiß auch nicht, wo das alles herkommt. Aber ich bin einfach nur aufgeregt. Hoffentlich mache ich beim Start nichts falsch. Schließlich dauert das Rennen über 90 Minuten. Sag mal Marc, wie oft müssen wir eigentlich tanken. Der Tank ist ja nicht sehr groß.“

„Normalerweise nur beim Fahrerwechsel, Tom meinte, dass diese Karts sehr sparsam sind. Er muss es am besten wissen. Er hat die meiste Erfahrung damit. Also versuche einfach ohne Crash durch die ersten Runden zu kommen. Wenn es eng wird, denk dran, das Rennen wird nicht in der ersten Kurve gewonnen, aber man kann dort verlieren.“

Tommy hatte mich verstanden und jetzt kam die Ansage, dass alle Fahrzeuge des ersten Rennens sich in die Startaufstellung begeben sollten. Jetzt wurde es ernst. Ich war ehrlich gesagt auch richtig nervös. Tommy setzte sich seinen Helm auf und zog sich die Handschuhe über. Tom stand neben dem Kart und startete den Motor. Er gab ihm noch ein paar beruhigende Worte, dann setzte sich Tommy ins Kart und fuhr ganz langsam in die Startaufstellung. Es wurde mit einer Einführungsrunde begonnen und dann fliegend gestartet. Die Karts hatten ja keine Kupplung und ein Automatikgetriebe, deshalb musste fliegend gestartet werden, um das Material zu schonen. Wir standen alle in der Box, bis auf Tom, der stand bei Tommy auf der Startlinie. Wir schauten auf die Strecke. Der Veranstalter hatte in jeder Team-Box einen Monitor aufgestellt, auf dem die Zeiten und die Platzierungen abzulesen waren. Ich war wirklich beeindruckt, wie gut alles hier organisiert war. Jetzt wurden alle Betreuer gebeten, aus der Startaufstellung zu gehen. Nach weiteren 60 Sekunden wurde das Feld auf die Einführungsrunde geschickt. Ich versuchte äußerlich ruhig zu bleiben, war aber genauso nervös wie bei einem richtigen Rennstart bei mir.

Nico und Mika standen neben mir und Tom kam auch zu uns. Mika lief auf seinen Vater zu und er nahm ihn beruhigend in den Arm. Nico suchte meine Nähe, er war sichtlich angespannt. Dann kam das Feld wieder auf die Startlinie zurück und die Ampel wurde auf Grün geschaltet. Das Rennen hatte begonnen. Sofort wurde wild um jede Position gekämpft. Es gab die ersten Kollisionen und Dreher. In der ersten Kurve waren gleich vier Teams in der Wiese gelandet. Es konnten zwar alle weiterfahren, aber dadurch würde Tommy erst mal etwas mehr Platz haben sich ins Rennen zu finden. Tommy fuhr eine sehr saubere Linie und hielt sich wie besprochen exzellent aus allen Scharmützeln heraus. Die ersten zehn Runden waren vorbei und wir waren mittlerweile Sechster von fünfzehn. Ich stand an der Ziellinie hinter der Absperrung und hielt Tommy die Tafel mit der Platzierung und den Abständen heraus. Nico stand neben mir.

„Marc, Tommy fährt richtig gut. Hoffentlich geht das so weiter.“ Ich sah ihn an und musste schmunzeln. Er war völlig angespannt und kaute an seinen Fingernägeln. Ich nahm ihn in den Arm und fragte: „Sag mal, du bist ja aufgeregter als Tommy vor dem Start. Es ist doch nur ein Rennen was uns Spaß machen soll. Versuch dich zu entspannen, das wird schon alles klappen.“

„Ich will aber keine Fehler machen. Wenn ich was falsch mache und die anderen dann drunter leiden müssen, wäre das doch blöd.“

„Ach was, Fehler passieren halt. Denk nicht so viel daran. Du musst einfach nur das machen was du im Training gemacht hast. Dann läuft das schon.“

Leif hatte mittlerweile meine Aufgabe mit der Tafel übernommen und ich konnte beobachten, dass er bei jeder Zieldurchfahrt Tommy den Daumen zeigte. Leif war voll bei der Sache. Was ich noch gar nicht bemerkt hatte, Tom stand plötzlich mit der Videokamera bei uns und filmte uns. Mika war jetzt auch bei uns und wir standen geschlossen an der Mauer und beobachteten das Rennen. Tommy hielt sich auf der sechsten Position. Das war viel mehr als ich erwartet hatte. Er hatte sogar einen kleinen Vorsprung auf seinen Verfolger herausgefahren. Mika sollte den Schluss fahren. Er hatte schon die meiste Rennerfahrung der Drei. Mein Plan war, dass er die Ruhe hatte, ein Rennen sicher zu Ende zu fahren. Nico schickte ich nun los sich fertig zu machen zum Fahrerwechsel. Er zögerte einen Moment und fragte mich: „Marc, kannst du bitte mitkommen? Ich bin so aufgeregt und will nichts vergessen.“

Ich lachte ihn an und dann ging ich mit ihm zum Anziehen. Dabei erklärte ich noch mal:

„Nico, wenn Tommy gleich reinkommt, warte bis das Kart betankt ist. Sonst gibt es eine Strafe für uns. Du darfst dich erst hinsetzen, wenn der Tankvorgang beendet ist. Dann fährst du erst ein paar ruhige Runden um dich dran zu gewöhnen. Mach dir also nicht zu viel Stress. Du kannst das. Ich glaube an dich.“

Er sah mich mit seinen leuchtenden Augen an, umarmte mich noch einmal und setzte dann seinen Helm auf. Jetzt würde es nur noch wenige Augenblicke dauern bis Tommy reinkommen würde. Ich blieb natürlich bei ihm und wollte ihm Sicherheit geben. Dann kam unser Kart in die Box. Tommy sprang heraus und ich steckte die Tankkanne auf. Tommy ging zu Nico und erklärte ihm irgendwas. Ich winkte Nico nun heran, er nahm Platz und dann schob ich ihn aus der Box wieder ins Rennen. Tommy hatte seinen Helm bereits abgenommen und er war total verschwitzt. Sah aber richtig glücklich aus. Er lief sofort zu Mika und die beiden redeten aufgeregt miteinander. Sie klatschen sich ab und Tom klopfte Tommy anerkennend auf die Schulter. Er gab Tommy ein Handtuch und es war ein schönes Bild wie locker Tom mit den Jungs umging. Tommy würde das bestimmt nie vergessen, dass er mit seinem großen Idol hier ein Rennen fahren konnte.

Nico hatte sich nach dem Fahrerwechsel auf Platz sechs wieder eingereiht und er wurde jetzt mutiger. Seine Zeiten wurden immer schneller. Er konnte fast sogar die Zeiten vom Spitzenreiter mitfahren. Mir wurde das etwas unheimlich. Ich ging zu Tom:

„Er fährt immer schneller. Ich fürchte wir sollten Nico anzeigen, er soll langsamer machen. Was meinst du? Nicht dass er es übertreibt.“

„Nein lass uns noch warten, momentan fährt er eine saubere Linie. Sollte er unkonzentriert werden, dann zeige ich ihm das an.“

Hoffentlich behielt Tom recht. Nicht dass es zu spät sein würde. Tommy kam nun zu mir und wollte wissen, wie ich seine Leistung beurteile.

„Wie bin ich gefahren, ich hoffe du bist zufrieden.“ Dabei sah er mich etwas schüchtern an.

„Tommy, ich bin total begeistert. Du hast keinen Fehler gemacht, deine Position gut verteidigt und von daher kannst du stolz auf dich sein.“ Dabei umarmte ich ihn und klopfte ihm auf die Schulter. Tommy genoss sichtlich dieses Lob. Mika kam aber auch noch mal zu ihm und die beiden gingen zusammen in die Box zurück. Tommy sollte sich erst mal erfrischen und etwas trinken. Ich wollte nun mit Leif an eine Stelle an der Strecke gehen, um dort mit Leif die Linien der Fahrer zu studieren. Ich wollte ihm zeigen, dass seine Linie dort nicht optimal war. Wir gingen nun also an die Strecke, um das Ganze zu beobachten. Wir standen hinter der Absperrung in einer Rechts-Links Kombination. Dort war es extrem wichtig den Eingang richtig zu treffen, ansonsten würde man sehr viel Schwung verlieren. Genau das war der Ansatz, den ich hatte. Leif war immer sehr spät auf der Bremse dort, kam dadurch aber zu weit außen in die Kurve hinein. So verlor er am Ausgang mehr Zeit, als er am Anfang gewann. Wir standen dort nun einige Minuten und Nico fuhr dort wirklich eine sehr saubere Linie. Er war immer noch Sechster, hatte aber den Rückstand auf den vierten und fünften Platz deutlich verringert.

Wir standen hinter der Absperrung, unterhielten uns über die mögliche Linie, als Leif plötzlich mit großen Augen zur Strecke schaute. Ich stand einen Moment mit dem Rücken zur Strecke, aber als ich merkte, dass etwas nicht stimmte, drehte ich mich sofort zur Strecke um. Ich sah, wie der viert- und fünftplatzierte nebeneinander auf die Kurven zu fuhren. Das würde so böse ausgehen. Einer der beiden musste nachgeben. Leider passierte nun etwas Unglückliches. Der Fünfte machte eine kurze Bewegung nach rechts und sein rechter Vorderreifen berührte den linken Hinterreifen des Vierten. Dabei stieg sein Kart wie eine Mondrakete sofort in die Luft auf. Leif stieß einen kleinen Schrei aus und ich hielt die Luft an. Das Kart knallte mit voller Wucht wieder auf die Piste und geriet außer Kontrolle. Der andere Pilot drehte sich um die eigene Achse und kam direkt vor Nico zum Stehen. Nico war nun direkt in der Situation drin. Er hatte eigentlich keine Chance mehr zu reagieren. Für mich gab das jetzt einen richtigen Crash. Nico riss sein Lenkrad herum und kam über den Rasen an dem anderen Piloten vorbei. Es war unglaublich, wie er das hinbekommen hatte. Er hatte nicht gebremst. Das war vermutlich sein Glück, dadurch konnte das Kart die Lenkkräfte noch aufnehmen. Leider hatte der Vierte nicht so viel Glück. Nachdem das Kart wieder auf die Strecke geknallt war, schlug er direkt vor uns in der Begrenzung ein. Der Pilot wurde dabei aus dem Kart geschleudert und blieb regungslos vor der Begrenzung liegen. Sofort wurden gelbe Flaggen geschwenkt und das Rennen neutralisiert. Leif stand noch völlig geschockt neben mir. Ich sah, dass der Fahrer immer noch regungslos auf dem Boden lag. Ich sprang sofort über die Absperrung und lief zu ihm hin. Er lag auf dem Bauch. Ich kniete neben ihm und fühlte zuerst an seinem Hals nach dem Puls und konnte auch fühlen, dass er noch vorhanden war. Allerdings konnte ich keine Atmung feststellen. Der Pilot war auf jeden Fall bewusstlos. Mittlerweile waren einige Streckenposten bei mir und ich fauchte sie an, sie mögen sofort den Rennarzt alarmieren. Ich drehte nun mit Hilfe eines weiteren Streckenpostens den Piloten vorsichtig auf den Rücken. Ich sah, dass Blut aus dem Helm lief. Ich wies den Posten an, den Hals des Piloten abzustützen, damit ich ihm den Helm abziehen konnte. Als ich den Helm in der Hand hatte, konnte ich das Gesicht des Piloten sehen. Er war höchsten so alt wie meine Jungs, vielleicht fünfzehn. Er war immer noch bewusstlos. Ich nahm nun meine Hand und öffnete seinen Mund um die Atemwege frei zu bekommen. Seine Zunge war in den Rachen gerutscht. Als ich diese dann nach vorne geholt hatte, begann seine Atmung wieder einzusetzen. Mittlerweile waren auch der Rettungswagen und der Arzt eingetroffen. Meine Hand war blutig aber der Junge wurde nun optimal versorgt und ich war hier nicht mehr gefragt. Ich ging dann wieder zurück zu Leif. Das Rennen lief nun unter Gelb weiter. Alle Fahrer fuhren langsam hinter dem Führungsfahrzeug her. Als ich über die Absperrung sprang, kam Leif auf mich zugelaufen. Er umarmte mich und war total geschockt. Ich legte ihm nun meinen Arm auf die Schulter und wir verließen die Strecke in Richtung Boxen.

„Papa, wie schwer ist der Fahrer verletzt?“ wollte Leif nun wissen. Ich wollte ihn nicht zusätzlich beunruhigen: „Es ist - glaube ich - nicht so schlimm. Nachdem ich den Helm abgenommen hatte, fing er auch wieder an zu atmen. Außerdem hat der Helm gehalten. Es wird schon gut gehen.“ Dabei streichelte ich ihm den Kopf. In unserer Box standen noch Mika und Tommy. Tom war vorne an der Strecke und achtete auf Nico. Der war mittlerweile wieder normal im Rennen und auf Position acht. Das Rennen war immer noch neutralisiert und niemand durfte überholen.

Tommy sah meine blutige Hand und wurde richtig blass. Ich hatte an meine Hand gar nicht mehr gedacht.

„Tommy alles in Ordnung mit dir?“ fragte ich ihn. Er nickte aber zeigte auf meine Hand und stotterte: „Du ... Du blutest an der Hand. Tut das nicht ... weh?“

Ich sah erst jetzt auf meine Hand und musste lachen: „Nein Tommy, es ist alles in Ordnung. Das ist nicht mein Blut. Ich geh mich mal grade waschen. Du musst keine Angst haben.“

Ich ging nun meine Hand sauber waschen und kam direkt zurück zu den Jungs. Das Rennen wurde auch wieder freigegeben, weil die Unfallstelle geräumt war und der Fahrer abtransportiert war. Nico musste noch zehn Minuten fahren. Ich sagte Mika nun, er sollte sich schon mal fertig machen. Dadurch würde er etwas abgelenkt sein. Ich ging nun zu Tom um ihn abzulösen. Er sollte seinen Sohn selbst beim Wechseln betreuen. Ich würde so lange die Tafeln halten und Nico die Informationen geben. Tommy kam zu mir an die Mauer, er hatte Leif auch dabei. Leif war immer noch etwas blass. Ich nahm ihn in den Arm und ich beruhigte ihn. Ich wollte nach dem Fahrerwechsel auf jeden Fall mich bei dem Team erkundigen, wie es dem Jungen geht.

Hoffentlich konnte sich Mika noch richtig konzentrieren. Allerdings hatte ich keine Probleme unsere Jungs sofort aus dem Rennen zu nehmen, wenn Tom oder ich merken würden, dass sie Schwierigkeiten mit der Situation hätten. Nico fuhr weiterhin gute Runden und auch Mika sah recht konzentriert aus, wie er mit seinem Vater in der Box stand. Der Fahrerwechsel verlief ohne Vorkommnisse. Als alle Wechsel vollzogen waren, lagen wir wieder auf der vierten Position. Mika sollte nun bis zum Schluss fahren und vielleicht noch einen Angriff auf das Podium machen.

Tom kam nun mit Nico zu uns. Ich merkte, dass Nico noch etwas beeindruckt war von dem Erlebten. Ich ließ ihn erst mal in Ruhe. Bot ihm aber an mit mir und Leif in die Box zu gehen. Er folgte uns und Tom übernahm wieder die Boxentafel. Als wir einen Moment in der Box saßen, meinte Nico:

„Das war echt knapp vorhin. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich da noch ausweichen konnte.“ Dabei fing er leicht an zu zittern. Es sah aus, als ob das Adrenalin erst jetzt langsam aus ihm heraus ging. Ich saß auf einer Kiste und Nico setzte sich bei mir auf den Schoß. Er fing jetzt richtig an zu zittern. Ich bat Leif mir eine Flasche Wasser zu holen.

„Nico, lehn dich zurück. Versuche dich etwas zu beruhigen. Du hast alles richtig gemacht.“ Dann legte ich ihm meine Arme um die Brust und er entspannte sich merklich. Das tat ihm sichtlich gut, dass ich jetzt bei ihm war. Tommy sah sehr besorgt aus und er fragte mich: „Kann ich irgendwas helfen? Ich habe etwas Angst um Nico.“

„Nein Tommy, alles in Ordnung. Gib Nico etwas Zeit. Das wird schon gleich wieder besser sein. Lasst uns mal einen Moment allein.“

Plötzlich sah ich einen anderen Piloten auf uns zukommen. Er war vielleicht 16 oder 17. Er stand irgendwann vor uns und sagte zu Nico:

„Ich wollte mich bei dir für deine tolle Reaktion bedanken. Wenn du nicht ausgewichen wärest, hätten wir vermutlich jetzt beide Kopfschmerzen.“ Dabei hielt er Nico seine Hand hin. Nico sah ihn an und dann gaben sie sich die Hand. Der andere Junge lud ihn direkt ein, mit ihm eine Cola trinken zu gehen. Das fand ich eine tolle Geste. Es kehrte nun wieder etwas Normalität ein. Das gab mir die Gelegenheit mit Leif und Tommy mal beim Medical Center vorbeizuschauen. Dort erfuhren wir, dass der andere Junge zwar in ein Krankenhaus gebracht wurde, aber es wohl nur eine Gehirnerschütterung, einige Prellungen und Schnittwunden gegeben hatte. Das waren doch wirklich sehr erfreuliche Nachrichten. Wir gingen nun beruhigt zurück, ich informierte Tom und Nico, der auch wieder zurück war. Mika war tatsächlich fast noch am Dritten vorbei gekommen. Aber es fehlten vielleicht drei Runden. So wurden die Jungs in ihrem ersten richtigen Rennen vierte. Ein - wie ich fand - tolles Ergebnis und vor allem eine tolle Leistung. Ich war schon etwas stolz auf die Truppe. Tom sah das genauso und wir gingen nun zur Feier des Tages erst mal gemeinsam Mittagessen. Die Stimmung war sehr ausgelassen und die Jungs redeten lebhaft durcheinander. Irgendwann wurde es mir dann doch zu viel. Ich hob also die Hand und bat um Aufmerksamkeit:

„So Leute, genug geschwätzt. Jetzt geht´s gleich zum zweiten Rennen und ich möchte, dass wir uns genauso gut dort schlagen wie ihr eben. Ich muss sagen, ich hätte es nicht gedacht, dass ihr so toll zusammenarbeitet. Ich hoffe es wird gleich genauso viel Spaß machen. Ich möchte darum bitten, dass ihr euch überlegt, wer vorne die Tafel für uns raushält. Außerdem hoffe ich, dass wir morgen dann noch eine Steigerung hinbekommen.“

Ich hatte für alle eine Runde Getränke bestellt und von daher stießen wir nun auf diese tolle Leistung an. Tommy und Nico saßen schon wieder tuschelnd am Tisch. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass die beiden sich besonders gut verstanden. Allerdings kümmerten sie sich nun auch sehr schön um Leif. Der war nämlich jetzt richtig nervös geworden. Von daher war es mir durchaus sehr recht, dass Tommy und Nico mit ihm noch ein wenig zusammen nach draußen gingen. Mika saß noch bei uns am Tisch und er fragte mich: „Marc, ich hoffe es macht dir auch so viel Spaß wie mir. Ich finde das hier echt cool. Darf ich mit den anderen Jungs auch noch etwas raus?“

„Ja, ich habe auch sehr viel Spaß mit euch bisher. Und ob du mit raus darfst, das sollte doch besser dein Vater entscheiden. Ich habe da nichts gegen. Ihr müsst nur in einer Viertelstunde wieder hier sein. Dann müsste sich Leif mit uns vorbereiten.“

Tom gab sein Ok und dann flitzte Mika zu den anderen Jungs. Ich unterhielt mich nun noch ein wenig mit Tom.

„Marc, ich muss sagen, diese Idee mit den Jungs hier ein paar gemeinsame Tage zu verbringen, gefällt mir richtig gut. Mika fühlt sich auch sehr wohl. Vorhin hatte er mir extra gesagt, dass er sich mit den anderen richtig gut versteht und er auch dazugehört, egal was die anderen machen würden.“

„Ja, ich habe es schon bemerkt. Die Jungs mögen sich untereinander. Ich merke immer mehr, wie sehr mir meine Kinder eigentlich oft fehlen. Ich überlege auch schon, wie ich das ändern kann in der Zukunft. Mick und Lukas sind ja auch noch da.“

„Sag mal, stimmt das eigentlich wirklich, Lukas und Mick sind ein Paar?“

„Woher weißt du das denn jetzt? Ja, es stimmt, Mick und Lukas sind zusammen.“

„Sorry, ich habe es vorhin mitbekommen, als Tommy mit Leif darüber redete. Allerdings habe ich jetzt ein kleines Problem.“

„Wieso? Hast du mit Homosexuellen ein Problem oder was ist los?“

„Nein, ganz bestimmt nicht, aber Mika hat mich natürlich gefragt, was eigentlich schwul sein heißt und ich bin mir nicht so sicher, wie ich das am besten erklären soll. Ich möchte, dass er lernt, dass es etwas Normales ist und es eigentlich nichts Besonderes ist. Er ist aber auch erst elf und ich finde damit muss er sich noch nicht im Detail beschäftigen. Tommy und Leif scheinen da ja keine Hemmungen zu haben.“

Ich schaute wohl etwas verdutzt, denn Tom fuhr dann fort:

„Naja, Tommy und Leif erklärten Nico ziemlich anschaulich, wie das so funktioniert mit dem schwulen Sex im Bett und so weiter. Ich war darüber nicht so begeistert mir vorzustellen, wenn Mika dabei wäre, wenn sie darüber sprechen. Ich finde dafür ist er noch zu jung. Das muss er im Detail noch nicht wissen.“

„Ne, das ist nicht dein Ernst. Ich glaube ich muss da mit den Jungs mal reden. Natürlich, das sehe ich genauso. Mika muss diese Details nicht wissen. Ich bespreche das mit ihnen und werde darum bitten, dass dieses Thema hier nicht erwünscht ist, so lange Mika in ihrer Nähe ist.“

„Danke Marc, mir wäre es etwas unangenehm, das selbst zu machen. Kommt vielleicht ein bisschen streng dann rüber. Ich meine die Drei sind wohl schon mitten in der Pubertät und habe sicher schon ein Interesse an diesem Thema, aber Mika soll sich damit noch ein wenig Zeit lassen können. Bislang hat ihn das Thema nämlich noch gar nicht interessiert und er war vorhin etwas verunsichert.“

„Danke, dass du mir das hier so sagst und nicht sofort dazwischen gegangen bist. Ich werde mit den Jungs heute Abend reden. Vielleicht bekommen wir das ja auch hin, wenn Mika schon im Bett liegt und wir beide das mit ihnen besprechen. Dann merken sie auch, dass wir beide uns gut verstehen und sie sollen nicht auf die Idee kommen uns auszutricksen.“

„Das ist eigentlich noch besser aber meinst du nicht, das könnte für sie etwas unangenehm sein, wenn ich dabei bin?“

„Kann ruhig auch etwas unangenehm sein, finde ich. Wenn sie meinen sie müssen das so offen besprechen, müssen sie damit rechnen, dass es jemand mitbekommt. Dann können sie das auch aushalten, wenn du ihnen sagst, dass es unpassend ist, wenn ein Elfjähriger in der Nähe ist.“

Tom und ich grinsten uns jetzt an und wir hatten nun klar, wie es heute Abend gemacht würde. Jetzt wurde es aber auch Zeit, dass wir uns auf unser Rennen vorbereiteten. Ich ging zu den Jungs nach draußen und wollte Leif mitnehmen. Die Jungs saßen auf einer Bank und alberten ein wenig rum. Ich fand es niedlich, denn die drei größeren erzählten Mika gerade von der Geschichte, wie ich sie im Internat überrascht hatte. Mika hörte ganz gespannt zu und alle bekamen gar nicht mit, dass ich zu ihnen gekommen war und jetzt auch alles mithören konnte. Als Tommy fertig war, mussten alle vier richtig lachen, erst als ich dazu sagte: „Na, amüsiert ihr euch gut über mich? Finde ich ja interessant, ich mache hier mit euch das Programm und was ist der Dank? Ihr macht euch hinter meinem Rücken lustig.“ Das hatte ich natürlich nicht ernst gemeint. Denn ich fand es ja auch eigentlich ganz lustig, wie es bei Salvatori gelaufen war. Jetzt sah mich Nico aber sehr beschämt an und er wurde richtig rot. Tommy und Leif fanden das lustig und lachten mit mir. Sie hatten das verstanden, dass ich das als Spaß gesagt hatte.

„Leif, kommst du mit. Wir müssen uns fertig machen. Wir wollen noch kurz ein paar Dinge besprechen.“

„Klar Papa, ich komme. Aber sagst du Tom noch mal, dass ich kein so guter Fahrer bin. Ich möchte ihn nicht enttäuschen.“

„Quatsch Leif, Tom will genauso Spaß haben wie wir beide. Ich habe volles Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten. Wenn ich Zweifel hätte, würde ich dich das nicht fahren lassen.“

In der Box angekommen, besprachen wir mit den Mechanikern unsere Strategie. Hier waren die Boxenstopps nämlich nicht so genau festgelegt. Wir wollten, dass Leif in der Mitte fährt und ich beginne. Tom war der Schlussfahrer.

Unser Team war nun bereit und wir begaben uns in die Startaufstellung. Tom und ich wurden immer wieder von anderen Piloten um Fotos und Autogramme gebeten. Da sich das Ganze weiterhin in sehr netter Atmosphäre abspielte, erfüllten wir das gerne. Ich hatte meinen Helm bereits in der Hand und wollte mich gerade für den Start fertigmachen, als mir ein junger Mann gegenüber stand. Er war vielleicht um die 22-23 Jahre alt. Er sprach mich auf akzentfreiem Deutsch an:

„Herr Steevens, ich heiße Michael Stipp, entschuldigen sie bitte so kurz vor dem Start die Störung, aber ich möchte kurz mit ihnen sprechen. Ich muss gleich zu meinem Bruder in die Klinik, möchte mich aber für ihre Hilfe bei dem Unfall meines Bruders bedanken.“ Dann streckte er mir die Hand entgegen, die ich gerne nahm. Er fuhr dann fort:

„Wie ich vom Notarzt erfuhr, haben sie mit den richtigen Handgriffen viel Schlimmeres verhindert. Ich hatte noch keine Zeit früher zu ihnen zu kommen.“

„Das ist doch eine Selbstverständlichkeit gewesen. Darf ich fragen, wie es ihrem Bruder geht?“

„Schon viel besser. Er muss jetzt noch eine Nacht zur Beobachtung in der Klinik bleiben aber er hat keine schweren Verletzungen davon getragen. Auch der Atemstillstand bleibt dank ihrer schnellen Hilfe ohne Folgen. Vielen Dank dafür.“

Wir gaben uns noch mal die Hand und dann setzte ich meinen Helm auf. Leif kam zu mir und fragte mich, wer das denn gewesen sei. Ich erklärte ihm das und er sah anerkennend dem jungen Mann hinterher. Ich saß nun im Kart, auf die Einführungsrunde wartend, als Tom mir noch mal auf die Schulter klopfte und Leif mich umarmte. Die Umarmung fand ich wirklich schön von meinem Sohn. Er hatte das in den letzten Tagen immer häufiger gemacht.

Die Rennleitung gab das Feld nun für die Einführungsrunde frei und wir fuhren langsam um den Kurs. Bereits vor der letzten Kurve wurde das Tempo deutlich erhöht und ich war nun voll konzentriert. Der Start verlief zwar turbulent, aber es gab keine Unfälle. Ich war nach der ersten Runde Zweiter und in Schlagdistanz zum Führenden. Ich bekam sehr schnell einen guten Rhythmus und konnte ohne Probleme das Tempo mitgehen. Unser Kart lief hervorragend. Ich beschloss nach zehn Minuten einen Angriff zu versuchen. Ich fuhr also deutlich aggressiver und bedrängte den Führenden. Er machte aber sehr geschickt immer wieder meine Überholversuche zunichte. Der Pilot war wirklich gut. Erst kurz vor Ende meines Stints konnte ich einen seiner ganz wenigen Fehler ausnutzen und in Führung gehen. Ich konnte also mein Fahrzeug in Führung liegend an Leif übergeben. Beim Boxenstopp gab ich Leif noch einige Streckenhinweise und wünschte ihm viel Glück. Ich wollte nicht mehr sagen, es hätte ihn nur noch nervöser gemacht.

Als ich wenige Minuten später wieder in der Box erschien, nachdem ich mich etwas frisch gemacht hatte, kam Tom mit Mika auf mich zu. Er berichtete mir, wie nervös Leif geworden war. Mit jeder Minute stieg seine Unruhe. Tom erzählte, dass er irgendwann die Jungs gebeten hatte, sie möchten doch mit Leif mal kurz rausgehen. Das wollte Leif aber absolut nicht. Tom hatte Leif dann selbst an die Seite genommen und ihn beruhigt. Jetzt stand Tommy vorne an der Strecke und die anderen saßen mit mir etwas hinter der Begrenzung. Von dort hatten wie einen guten Blick auf die Strecke. Ich spürte bei mir eine gewisse Unruhe. Es war doch etwas anderes, wenn der eigene Sohn im Rennen war. Leif fuhr aber wirklich gute Zeiten und konnte den zweiten Platz gut halten. Er hatte es taktisch sehr geschickt gemacht. Als er überholt wurde, hat er sich einfach an den Führenden gehängt und ist dran geblieben. Wir lagen also vor dem letzten Wechsel an Position zwei. Kurz bevor Leif zum Wechsel kam, wurden auch die Jungs sehr unruhig. Wir gingen alle bis auf Tommy in die Box und wollten Leif dort in Empfang nehmen. Er kam dann in die Box und Tom stand bereit. Leif war sichtlich erschöpft. Bevor er sich den Helm abnahm, setzte er sich auf einen Stuhl. Tom fuhr nach dem Tanken wieder ins Rennen. Leif saß immer noch auf seinem Stuhl und versuchte seinen Helm abzunehmen. Ich konnte sehen, wie seine Hände zitterten und es ihm nicht gelang den Helmriemen zu öffnen. Ich ging zu ihm, öffnete den Helm und half ihm, diesen abzunehmen. Er war völlig verschwitzt und hatte ein total rotes Gesicht. Seine Hände zitterten. Ich begann mir Sorgen zu machen. Mika stand neben mir:

„Mika hol mir bitte schnell eine Flasche Wasser und ein Handtuch.“ Mika war sofort los und ich sprach nun Leif an: „Hey Kleiner, was ist los? Hast du dich etwas übernommen?“

Er konnte kaum sprechen, er bekam nicht richtig Luft. Außerdem schien er Schmerzen zu haben. Aber er wollte sich nicht zu viel anmerken lassen. Dennoch spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich blieb jetzt bei ihm und Mika kam mit dem Wasser. Ich bat ihn den anderen Bescheid zu sagen, dass ich erst mal mit Leif nach draußen vor die Strecke gehen würde. Ich half ihm auf und wir gingen an eine ruhige Stelle.

„Papa, es ist alles in Ordnung, ich bin nur total erschöpft. Hätte nie gedacht, dass das so anstrengend sein würde.“ Dabei war er aber immer noch sehr kurzatmig.

„Leif, ich glaube dir kein Wort. Du hast Schmerzen und ich will jetzt sofort wissen, was los ist!“

Er sah mich mit traurigen Augen an und meinte dann: „Ich bekomme schlecht Luft. Mir tut es in der Brust weh.“

„Wusste ich es doch. Seit wann hast du die Schmerzen?“

„Ungefähr seit der zehnten Runde.“ Jetzt wurde mir aber doch ganz anders. Er hatte also fast zwei Drittel der Zeit mit diesen Schmerzen zu kämpfen.

„Warum bist du nicht an die Box gekommen. Dann hätte ich doch übernehmen können. Oder Tom wäre erst gefahren. Zeig mir mal die Stelle genau und sag mir was passiert ist.“

Nachdem er mir das erklärt hatte und ich die Stelle behutsam abgetastet hatte, bekam ich einen Verdacht. Ich vermutete, er hatte sich einen Wirbel ausgerenkt. Deshalb auch die Atemnot. Ich legte ihn nun auf den Rasen und tastete den Rücken ab. Plötzlich war Nico zu uns gekommen. Er war sichtlich beunruhigt.

„Marc, was ist passiert? Ist Leif verletzt? Ich hoffe es ist nichts Ernstes.“ In seiner Stimme konnte ich seine Sorge förmlich hören. Ich wollte jetzt Leifs Rücken einrenken. Das würde aber weh tun. Da sollte Nico nicht unbedingt dabei sein.

„Nein, ich glaube es ist nichts Schlimmes. Kannst du mir bitte aus Leifs Tasche ein frisches Shirt holen, ich werde ihn so lange hier noch behandeln.“

„Klar, bin gleich wieder da.“ Er ging dann in die Box um das gewünschte zu holen. Ich legte nun beide Hände auf Leifs Rücken.

„So, ich werde dich jetzt einrenken. Das wird etwas weh tun. Bitte tief ein atmen und dann aus atmen und kurz die Luft anhalten.“ Ich wartete bis er ausgeatmet hatte, dann drückte ich den Wirbel wieder in Position. Leif stöhnte kurz auf und dann war alles vorbei. Ich half ihm vorsichtig auf die Beine und er hatte noch Tränen in den Augen, aber er merkte, dass die Schmerzen nun viel besser waren. Er umarmte mich und ich war heilfroh, dass es nichts Schlimmeres war. Ich ging nun mit Leif im Arm Nico entgegen. Er hatte Leifs Shirt in der Hand und war sichtlich erleichtert.

Jetzt wurde mir erst so richtig bewusst, dass sich Leifs Körper schon merklich entwickelt hatte. Er hatte schon einen recht kräftigen Oberkörper mit erkennbaren Muskeln. Das Kindliche war fast vollständig verschwunden. Es wurde mir deutlich, Leif war wirklich schon voll in der Pubertät und auf dem Weg ein Jugendlicher zu werden. Leif zog sich das Shirt über und ging dann mit Nico zu Mika.

Ich ging doch etwas nachdenklich an die Strecke, um die Tafel von Tommy zu übernehmen. Ich musste mir eingestehen, Leif war nicht mehr der kleine Junge, wie ich ihn bisher noch gesehen habe. Ich sollte mich damit anfreunden, irgendwann auch bei ihm die ersten pubertären Probleme zu erkennen. Innerlich freute ich mich zwar aber andererseits würde das auch sicherlich für mich mehr Stress bedeuten. Ich war aber auch sehr froh, dass er mit Tommy, Nico und Mika Freunde gefunden hatte, die sicher für ihn wichtige Stützen sein würden. Ich musste nur dafür sorgen, dass er mir weiterhin vertraute und ich für ihn da sein konnte, wenn er mich brauchen würde. Jetzt aber genug gedacht, ich musste meine Aufgabe hier beenden. Ich ging also zu Tommy, sagte ihm kurz was passiert war und er soll bitte aufpassen, dass sie mit Leif nicht so rumtoben.

Tom hatte mittlerweile den Führenden so lange bearbeitet, dass er einen Fehler gemacht hatte und wir nun in Führung lagen. Es waren aber noch zehn Minuten zu fahren. Jetzt wurde sozusagen die Endphase eingeläutet. Innerhalb weniger Momente standen plötzlich alle bei mir an der Wand und fieberten mit. Tom war in einen Zweikampf mit dem Zweiten verwickelt. Der Pilot war richtig gut und hatte einen deutlichen Gewichtsvorteil. Er konnte also später bremsen und früher beschleunigen als Tom. Tom hatte allerdings viel mehr Erfahrung und wusste, wie er sich zu verteidigen hatte. Die Jungs schauten bei jeder Zieldurchfahrt nervös auf die Strecke ob Tom noch vorne lag. Sie hatten über 30 Sekunden Vorsprung auf den dritten Platz. Es brach nun die letzte Runde an und die Anspannung war fühlbar. Mika hüpfte total aufgeregt hin und her, Leif stand eng an mich gelehnt neben mir und hielt sich ganz fest. Tommy stand mit Nico etwas weiter rechts und wir warteten nun wer als Erster aus der letzten Kurve kommen würde. Dann sahen wir das nur noch ein Kart aus der Kurve kam. Es war leider nicht Tom. Was war passiert? Wir sahen und alle ziemlich fassungslos an. Mika fing an sich richtig aufzuregen und auch die anderen waren sehr traurig. Hoffentlich war nichts kaputtgegangen oder noch schlimmer ein Unfall passiert. Es gab aber keine Gelbphase, und dann kam er doch noch als Zweiter über die Ziellinie.

Wir waren doch sehr enttäuscht, ich wollte vor allem wissen, was passiert war. Allerdings war der zweite Platz auch ein tolles Ergebnis, aber wenn man eine Runde vor Ende noch geführt hatte, war das jetzt nicht so toll. Wir sahen uns alle fragend an und ich ging nun Richtung Box. Tom würde dort ja jeden Moment eintreffen. Mika war sichtlich enttäuscht und auch Leif sah sehr traurig aus. Ich nahm beide in die Arme und sagte: „Hey Leute, wir sind Zweiter. Das ist doch ein tolles Ergebnis.“

Leif konnte das nicht wirklich trösten, denn wir hatten schon einige Stimmen gehört, dass es wohl eine Berührung gegeben habe und dadurch Tom kurz die Strecke verlassen musste. Leif wurde richtig böse: „Sowas Unsportliches, einfach den Gegner von der Strecke zu fahren. Man sollte ihn dafür bestrafen.“ Die anderen fielen alle in denselben Tonfall. Ich hielt mich zurück, ich wollte erst mal mit Tom sprechen. Er kam jetzt in dem Moment in die Box gerollt. Er nahm seinen Helm ab und die Jungs stürmten auf ihn ein. Ich pfiff erst mal alle zurück bis auf Mika. Tom nahm den Kleinen auf den Arm und tröstete ihn. Mika kullerten doch ein paar Tränen der Enttäuschung übers Gesicht. Ich ging zu den beiden und streichelte Mika auch über den Kopf.

„Was ist denn in der letzten Runde passiert?“ wollte ich nun wissen.

„Sorry, aber das war ganz klar meine eigene Blödheit. Er war einfach schneller und ich hätte ihn einfach vorbei lassen sollen. Ich habe versucht immer später zu bremsen und irgendwann war ich zu spät und wir haben uns berührt. Also der Sieg geht für ihn völlig in Ordnung. Ich werde gleich auch noch hingehen und mich wohl entschuldigen müssen. Es wäre echt zu blöd gewesen, wenn wir beide dadurch rausgeflogen wären.“ Ich fand das so typisch für ihn. Er hatte noch nie ein Problem damit, zuzugeben, wenn er einen Fehler gemacht hatte. Das hatte mich schon von Beginn an beeindruckt. Die Jungs waren auch sehr beeindruckt und Tommy war der Erste, der Tom dafür die Anerkennung aussprach. Die anderen freuten sich nun über den zweiten Platz und die Stimmung war nun wieder sehr positiv. Wir mussten nun noch zur Siegerehrung. Als wir dem anderen Team dort begegneten, entschuldigte sich Tom bei ihnen und wir redeten sehr gelöst miteinander. Sie waren vor allem von Leifs Performance sehr angetan. Ich übrigens auch.

Nachdem wir den Pokal überreicht bekommen hatten und wir uns wieder ein wenig gesammelt hatten, kam ein älterer Herr auf mich zu. Er schien so um die 60 Jahre zu sein. Er ging aber an mir vorbei und sprach Tom an. Tom musste sofort lachen, er schien den Herren zu kennen. Tom kam mit dem Mann zu mir und stellte ihn mir vor. Es war der Präsident des belgischen Kartverbandes und er erkundigte sich nach Leif. Er war der Meinung, dass Leif ein außerordentliches Talent hätte. Er würde es begrüßen, wenn Leif einige offizielle Läufe zur Meisterschaft fahren würde. Bei der Leistung würde er garantiert ein gutes Team finden, welches ihn als Fahrer nehmen würde.

Ich bedankte mich für diese Anerkennung, machte aber sofort deutlich, dass Leif bislang keinerlei Interesse an einer Karriere als Rennfahrer hatte. Wir waren aber so verblieben, sollte Leif doch ein größeres Interesse an dem Kart-Sport entwickeln, würden wir auf ihn zu kommen.

Für unsere Jungs war dieser Tag auf der Rennstrecke ein großes Erlebnis. Ich konnte spüren, dass der Trouble mit der Siegerehrung und der Bekanntheit von Tom und mir den Jungs mittlerweile ein wenig auf die Nerven ging. Insbesondere Leif und Mika wollten langsam ihre Väter wieder für sich haben. Leif sprach mich auch direkt darauf an:

„Papa, wann können wir hier eigentlich endlich verschwinden. Mich nervt das hier. Ich finde es ist langsam genug mit Interviews und Fotos machen.“

Ich sah ihn etwas verwundert an: „Nanu, jetzt kannst du mal merken, wie gut du es hast nicht immer erkannt zu werden und jederzeit angesprochen zu werden. Ich kann dich aber verstehen. Ich sehe jetzt auch zu, dass Tom und ich hier verschwinden. Am besten du nimmst dir alle und gehst schon mal rüber ins Hotel. Und sorge dafür, dass ihr genug Flüssigkeit trinkt. Tom und ich kommen dann gleich nach.“

„Alles klar. Papa, aber mach wirklich hier bald Schluss. Ich dachte wir sind hier noch privat.“ Er sah mich dabei etwas vorwurfsvoll an und ich nickte ihm lächelnd zu. Ich konnte dann schnell erkennen, wie er mit Tommy und Nico nach Mika suchte. Sie konnten ihn nirgends finden in dem Gewühl. Tommy kam nach einigen Minuten zu mir zurück und fragte:

„Weißt du wo Mika ist? Wir können ihn nicht finden.“

„Moment, ich frage mal Tom, der weiß vielleicht wo er ist.“

Allerdings wusste Tom auch nicht mehr als wir. Ich sagte Tommy, er sollte noch einen Moment suchen, ansonsten sollten sie schon vorgehen. Aber da winkte Leif mir auch schon zu und ich konnte erkennen, dass Mika nun neben ihm stand. Tommy verließ uns nun und die Jungs gingen ins Hotel. Tom und ich hatten noch ein Pressegespräch. Eine Viertelstunde später machten auch wir uns endlich auf den Weg ins Hotel. Ich hatte jetzt nur noch den Wunsch einer schönen heißen Dusche. Tom und ich gingen nebeneinander her und wir unterhielten uns über den bisherigen Verlauf. Wir waren beide der Meinung, dass es bislang ein voller Erfolg war, mit den Jungs gemeinsam ein paar Tage zu verbringen.

Wir kamen in unsere Suite und es war erstaunlich ruhig. Keiner war im Wohnzimmer und wir sahen uns schon etwas verwundert an. Wir hörten allerdings leise Stimmen aus Tommys Zimmer und von daher gingen wir jeder erst mal duschen. Ich genoss es förmlich unter der heißen Dusche zu stehen und mich zu entspannen. Ich vermisste nun meinen Physio richtig. Eine schöne Massage wäre jetzt das Sahnehäubchen gewesen. Aber gut, das ging eben nicht. Deshalb stellte ich das Wasser ab und nahm mir das Handtuch. Ich trocknete mich ab und betrat mein Zimmer. Dort saß Leif jetzt mit nassen Haaren auf meinem Sofa. Ich war doch etwas überrascht.

„Hi Leif, alles in Ordnung bei dir? Freust du dich über den Pokal?“ Leif sah mich etwas seltsam an. Ich hatte das Gefühl, irgendetwas beschäftigte ihn.

„Papa, Tom ist so komisch im Moment. Eben hatte er schon bei uns geschaut, was wir machen. Mika hat er gefragt, ob alles in Ordnung ist. Hat er mit uns ein Problem, dass er uns nicht vertraut?“

Bei mir klickte es. Tom hatte scheinbar doch etwas mehr Probleme mit dem Thema der älteren Jungs und seinem Sohn. Mika war ja doch deutlich jünger. Ich wollte jetzt aber keine Unruhe schaffen: „Leif, sei beruhigt. Nur ihr müsst daran denken, Mika ist erst elf. Tom hat vielleicht etwas Sorge, dass ihr nicht daran denkt. Er möchte halt nicht, dass Mika so ohne weiteres alles mit euch mitmachen kann.“

„Aber wir machen doch gar nichts, was Mika nicht dürfte. Ich fühle mich grade etwas ungerecht kontrolliert. Als ob er uns nicht vertraut.“

„Pass auf Leif, ich finde es erst mal gut, dass du zu mir kommst und mir das so sagst. Was sagen denn Nico und Tommy? Ihr habt doch bestimmt schon darüber geredet oder nicht?“

„Ja schon, aber sie wollen nicht, dass ich dir das sage. Sie wollen keinen Stress.“

„Also ich möchte, dass du das Tom bitte selbst fragst. Er wird euch sicherlich dann etwas dazu erklären. Vielleicht wartest du einfach bis heute Abend. Mika geht ja früher ins Bett als ihr. Ich glaube das wäre dann eine gute Möglichkeit da mal anzufragen. Und ich finde das von Tommy und Nico jetzt etwas feige. Sie stört das genauso und sie schicken dich vor. Ich finde, darüber solltest du mit ihnen auch mal reden. Weder Tom noch ich haben euch bisher jemals nicht zugehört, wenn ihr ein Anliegen hattet, oder sehe ich das falsch.“ Leif wurde jetzt etwas unruhig. Er merkte wohl, dass er hier eine unglückliche Aktion gestartet hatte. Er stand auf und wollte gehen. Er gab mir noch das Versprechen mit den beiden zu reden, dann ging er hinaus.

Ich ging direkt zu Tom, um mit ihm darüber zu sprechen. Ich klopfte an und betrat nach dem „Herein“ das Zimmer.

„Hallo Marc, na fühlst du dich nach der Dusche auch wieder wie ein Mensch.“ Dabei grinste er mich an.

„Auf jeden Fall. Aber Tom, ich habe da eine Sache über die wir reden müssen. Leif war eben bei mir und hat mir erzählt, dass die Jungs das Gefühl haben du würdest sie kontrollieren und ihnen nicht vertrauen, wie sie mit Mika umgehen.“ Tom sah mich nun etwas ungläubig an.

„Blödsinn, nur ich möchte halt nicht, dass Mika mit ihnen vielleicht etwas macht, was nicht unbedingt sein muss. Ich will halt schon wissen, was sie so machen und worüber sie mit Mika reden.“

„Du hast Angst sie könnten Mika mit sexuellen Themen beschäftigen? Das Gespräch der Jungs macht dir doch noch mehr Gedanken, oder?“

„Ehrlich gesagt ja, ich weiß nicht, wie ich das verhindern kann, dass sie mit ihm sowas bereden. Ich will das halt noch nicht.“

„Ich glaube, dass wir das nicht wirklich verhindern können. Wir können ihnen nur vermitteln, dass wir bestimmte Dinge nicht gut finden und sie auffordern das nicht zu tun. Aber wenn Mika auch nicht selbst auf sich achtet, werden wir das nicht verhindern können. Deshalb sollten wir ihnen vertrauen. Sie tun das ja nicht mit der Absicht, um Mika in Schwierigkeiten zu bringen. Ich bin mir sicher, wenn wir mit ihnen heute Abend darüber reden und sie ernst nehmen, erreichen wir viel mehr als mit deiner jetzigen Kontrolle. Bislang haben sie sich hier doch wirklich toll verhalten. Sie helfen sich gegenseitig und die drei Größeren haben sicher auch schon Themen, die eben auch um Pubertät und Sexualität gehen. Hast du damals gleich mit deinen Eltern geredet? Ich habe auch erst mal mit meinem besten Freund über das Thema geredet. Ich finde wir sollten wachsam sein, aber nicht ständig kontrollieren. Ich glaube daran, dass Leif in einer passenden Situation zu mir kommt und mit mir darüber reden wird. Er war ja auch jetzt zu mir gekommen. Sie mögen dich wirklich. Bisher haben sie nur Positives über dich erzählt. Also lass uns das heute Abend ansprechen und aus der Welt schaffen.“

Tom überlegte nun und er war sichtlich überrascht, dass ich so deutlich Position für die Jungs einnahm. Er wollte jetzt von mir wissen:

„Wie war das denn mit Mick, hatte er von sich aus das Gespräch mit dir gesucht? Ich meine, hat er dir von sich aus erzählt, dass er schwul ist und Lukas sein Freund ist?“

„Ja, nachdem er für sich gemerkt hatte, dass er alleine damit nicht klar kam, hatte er mich ins Vertrauen gezogen. Das war sehr schwer für ihn, aber er hatte es mir erzählt. Als er merkte, dass ich damit überhaupt kein Problem hatte, war er sichtlich erleichtert und erzählte mir die ganze Geschichte. Ich bin davon überzeugt, unsere Jungs werden uns nur ihre Probleme erzählen, wenn sie das Gefühl haben wir vertrauen ihnen. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich würde sie sicherlich nicht einfach alles machen lassen, aber ich schaue möglichst genau hin und warte erst mal ab, ob es notwendig ist, wirklich eingreifen zu müssen.“

Tom sichtlich erstaunt: „Respekt. Das hätte ich nicht gedacht, dass er damit so umgeht. Also gut, ich werde mich zwingen, Mika zu vertrauen. Hoffentlich hast du recht und wir können das heute Abend mit den Jungs vernünftig bereden.“ Damit war das Thema für uns beendet. Ich rief nun noch bei der Rezeption an, dass wir für 18 Uhr zum Essen einen Tisch für sechs Personen haben möchten.

Wir ließen die Jungs bis zum Abendessen allein und Tom und ich genossen die Ruhe, um auch mal ein wenig zur Ruhe zu kommen. Um kurz vor sechs bat ich Tom doch mal bei den Jungs vorbeizuschauen. Wir wollten dann zusammen zum Essen gehen. Tom kam wenige Augenblicke mit den vier gutgelaunten Jungs zurück ins Wohnzimmer.

„Na, sind die Herrschaften bereit für unser Belohnungsdinner?“ Es gab allgemeines Gelächter und Grinsen. Dann brachen wir auf in Richtung Restaurant. Ich hatte ein drei Gänge Menü vorbestellt. Die Jungs waren begeistert und wir hatten ein richtig gemütliches Dinner. Tom und ich bestellten uns noch einen Espresso nach dem Essen. Da fragte Tommy: „Marc, wie schmeckt so ein Espresso eigentlich? Ich habe noch nie sowas getrunken. Kaffee finde ich bitter. Zu Hause und im Internat dürfen wir ja noch keinen Kaffee und sowas trinken.“

„Also ein guter Espresso ist nicht bitter. Allerdings hat er viel Koffein und deshalb sollten Jugendliche wie ihr damit auch sehr vorsichtig sein.“

„Würdest du denn Leif mal erlauben sowas zu probieren?“

„Wenn er mich fragen würde und ich dabei bin, warum nicht. Ich meine, probieren ist ja in Ordnung. Es sollte halt noch nicht zur Gewohnheit werden. Dafür seid ihr noch recht jung. Alkohol sollt ihr ja auch noch nicht trinken.“

Jetzt schaltete sich Leif ein: „Heißt das, wenn ich jetzt um Erlaubnis bitten würde, hättest du nichts dagegen?“

„Genau, ich hätte nichts dagegen, dass du um Erlaubnis fragen würdest.“ Leif sah mich nun einen Moment irritiert an, dann hatte er das Wortspiel verstanden.

„Ich bitte hiermit um Erlaubnis.“ Da fingen alle an zu lachen. Auch Tom musste vor Lachen ein wenig husten. Die anderen Jungs, insbesondere Tommy, sahen mich jetzt an.

„Also hiermit erteile ich zur Feier des Tages für euch, außer für Mika, die Erlaubnis mit uns einen Espresso zu trinken.“

Mika sah mich traurig an und fragte mich dann: „Warum erlaubst du mir das nicht? Bin ich zu klein für sowas?“

„Nein Mika, zu klein sicher nicht, wenn überhaupt zu jung. Der wahre Grund warum ich dir das nicht erlauben kann ist ein anderer. Dein Vater sitzt hier neben mir. Der ist für dich zuständig in solchen Fragen. Dabei lachte ich ihn an und sein Gesicht wurde gleich wieder fröhlicher.

Leider war Tom der Meinung, Mika sollte noch keinen Espresso trinken. Die anderen Jungs bekamen jeweils einen Espresso, den wir gemeinsam tranken. Der Geschmack fand ein geteiltes Echo. Leif und Tommy fanden ihn lecker. Nico mochte ihn nicht so wirklich.

Dann nutzte ich die Gelegenheit, einige organisatorische Dinge zu besprechen. Dazu gehörte es, dass unsere Rennanzüge für morgen noch gewaschen und getrocknet werden müssen. Dafür hatte ich Tommy und Mika vorgesehen. Sie sollten an der Rezeption fragen, ob das möglich wäre. Nico und Leif sollten sich eine Strategie für das morgige Rennen überlegen. Denn morgen wurde ein Team-Rennen gefahren. Es wurden alle Ergebnisse eingerechnet. Also die Amateur-Klasse mit der Renn-Klasse. Es waren auch nur Teams zugelassen, die beide Klassen fuhren. Tom und ich waren gespannt, wie sich die Jungs mit diesen Aufgaben anstellten. Tom wollte dann um neun mit uns allen das Ganze dann besprechen. Anschließend war für Mika Bettruhe angesagt und wir hatten ja auch noch einen Punkt mit den anderen Jungs zu regeln.

Die Jungs machten sich auf und Tom und ich gingen noch einen Moment draußen spazieren. Wir gingen einige Meter schweigend nebeneinander her, dann brach Tom das Schweigen: „Marc, ich glaube du hattest recht. Ich fand die Situation eben wirklich toll, wie Tommy das mit dem Espresso fragte. Auch das die Jungs damit so locker umgegangen sind, dass es eben eine Ausnahme ist. Dass Mika das so auch akzeptiert hat. Ich denke, ich sollte wirklich mehr Vertrauen haben in die großen Jungs.“

„Ach Tom, es ist ja nicht so, dass ich nicht auch Kontrolle ausübe. Nur versuche ich diese Kontrolle nur da zu machen, wo es wirklich nötig ist. Bislang habe ich das Glück gehabt, dass meine beiden Jungs mich nicht groß enttäuscht haben. Hier ist es noch etwas anders. Ich habe ja auch für Tommy und Nico die Verantwortung. Da habe ich das Problem, dass ich beide nicht so gut kenne wie meine eigenen beiden Jungs. Also da muss ich darauf vertrauen, dass ich sie richtig einschätze und dass mir Leif dabei hilft. Er kennt Tommy viel besser als ich. Sie leben zusammen auf einem Zimmer, Leif vertraue ich absolut. Wenn es also ein Problem geben würde, käme er zu mir. Da bin ich mir sicher.“

„Was denkst du zu dem Gespräch gleich. Wie werden sie damit umgehen? Ich fühle mich grade nicht mehr so sicher.“

„Ich denke, dass dieses Gespräch auf jeden Fall fällig ist. Wir müssen da klare Verhältnisse schaffen. Die Jungs haben es sicherlich nicht vor, Mika in eine unangenehme Situation zu bringen. Der Espresso hat ja schon gezeigt, dass sie sich sehr wohl an Regeln halten. Wir müssen nur dafür sorgen, dass es Regeln gibt.“

Tom stimmte mir in diesem Punkt zu und wir mussten nun wieder zurück, da es bereits kurz vor neun war. Wir trafen pünktlich in unserer Suite ein und die Jungs saßen schon im Wohnzimmer und warteten auf uns. Wir setzten uns zu ihnen und dann fragten wir nach dem Stand der Dinge. Tommy ließ Mika erzählen. Der Kleine wurde nun etwas rot. Er sollte jetzt berichten, wie das mit den Rennanzügen sein würde. Die Rezeption war erst verwundert, als die beiden Jungs dort vorstellig wurden. Erst als der Chefconcierge hinzukam, wurde ihnen das zugesagt. Er kannte die beiden bereits und damit war das in Ordnung. Leif und Nico stellten dann ihre Überlegungen vor. Sie wollten diesmal Mika am Schluss in der Amateur-Klasse und mich in der Renn-Klasse fahren lassen. Damit wir dann die größte Aggressivität zum Schluss hatten. Tom würde bei uns anfangen und Tommy bei den Jungs. Nachdem wir alle Punkte abgehandelt hatten, schickte Tom Mika jetzt ins Bett. Er sollte sich fertig machen und in zehn Minuten würde er ins Zimmer kommen zum Gute Nacht sagen. Mika war nicht begeistert aber er fügte sich widerstandslos. Wir wünschten ihm auch eine gute Nacht und dann verließ er unsere Runde.

Ich holte für uns noch eine Runde Getränke aus dem Kühlschrank. Wir saßen also jetzt um den Wohnzimmertisch und ich merkte, wie Leif unruhig wurde. Er wollte jetzt Tom ansprechen aber er traute sich sichtlich nicht so wirklich. Er sah mich immer wieder fragend an. Ich gab ihm mit einem Augenzwinkern zu verstehen, er sollte einfach loslegen. Das tat er dann auch:

„Tom ich habe mal eine Frage, seit einiger Zeit haben wir das Gefühl, dass du uns ständig kontrollierst, wenn Mika bei uns ist. Du hast jedes Mal nachgeschaut, wenn wir in meinem oder Tommys Zimmer allein waren. Warum vertraust du uns nicht mehr. Haben wir etwas verbrochen? Hat sich Mika bei dir über uns beschwert oder was soll das?“

Tommy und Nico wurden richtig blass, mit dieser klaren Formulierung hatten sie wohl gar nicht gerechnet. Tom sah Leif mit großen Augen an und war ebenfalls sichtlich überrascht über diese direkte Art. Allerdings ging er darauf direkt ein:

„Leif, wenn du es schon so direkt ansprichst. Ja, ein wenig mehr Kontrolle habe ich schon gemacht, was Mika betrifft. Ich habe gestern mitbekommen, wie ihr euch über einige Dinge unterhalten habt, die Mika noch nicht wirklich interessieren sollten. Er ist elf und da muss das noch nicht sein.“ Da Tom jetzt nicht klar sagte, auf was er anspielte, wurde Leif direkt:

„Was meinst du damit? Was haben wir denn besprochen, dass Mika noch nicht mitbekommen sollte und das dir nicht gepasst hat?“ Leif war richtig etwas angefressen. Auch Tommy stieg jetzt mit ein: „Ich wüsste jetzt wirklich nicht, wo wir mit Mika etwas besprochen haben, was er noch nicht wissen sollte. Also ich finde das jetzt etwas ungerecht. Wir versuchen Mika immer mitzunehmen, damit er dazugehört. Und jetzt wirfst du uns vor, wir würden mit ihm verbotene Sachen machen. Das stört mich jetzt doch sehr.“

Ich merkte, wie die Stimmung deutlich gereizter wurde. Die Jungs fühlten sich von Tom ungerecht behandelt. Vor allem, weil Tom nicht gesagt hatte, um welches Thema es ging. Ich wollte jetzt aber ein vernünftiges Gespräch haben und keinen Streit.

„Jungs, macht mal halblang. Niemand will euch etwas unterstellen oder etwas vorwerfen. Also es geht um Folgendes und jetzt hört bitte genau zu. Tom hat gehört, wie ihr euch über sexuelle Themen unterhalten habt. Insbesondere wie du mit Tommy Nico erklärt hast, wie das mit dem schwulen Sex im Bett geht. Ich meine, das muss ein Elfjähriger nicht wissen. Und bevor ihr jetzt gleich protestiert, Mika war da nicht dabei. Es geht aber darum, dass Tom sich erschrocken hat, als er das so mitbekommen hat. Wir haben kein Problem, wenn ihr drei euch auch über Sex unterhaltet oder eure ersten praktischen Erfahrungen austauscht.“ Dabei zwinkerte ich ihnen zu. „Allerdings sollt ihr euch klar machen, dass Mika damit noch nicht beschäftigt werden muss. Passt also bitte auf, wenn ihr sowas besprecht oder ausprobiert, dass Mika nicht daran beteiligt ist. Ansonsten habe ich noch eines dazu zu sagen. Das gilt für euch alle drei. Ich möchte, dass ihr wisst, ihr könnt immer zu mir kommen, wenn ihr darüber sprechen wollt. Sexualität ist für mich kein Tabu-Thema. Ich möchte, dass ihr normal damit umgeht. Auch dass Mick und Lukas eben schwul sind. Und bislang freue ich mich über euren Umgang damit. Also es geht nicht um ein Misstrauen gegen euch.“ Jetzt waren die Jungs nur sprachlos. Tommy wurde sogar etwas rot und Nico sah etwas verschämt auf den Boden. Nun ergänzte Tom noch etwas dazu: „Leute, ich habe mit Marc schon darüber gesprochen. Ich glaube ich habe mich auch nicht so toll verhalten. Aber ich war nicht so begeistert, als ich das mitbekommen hatte. Ich hätte vielleicht mit euch darüber sprechen sollen. Das tun wir ja jetzt. Ich verspreche euch, ich werde euch genauso vertrauen wie bislang. Solltet ihr weiterhin das Gefühl haben, ich behandel euch ungerecht, dann sagt es mir bitte. Aber ich möchte, dass ihr mir versprecht, aufzupassen was ihr mit Mika beredet und was bitte noch nicht. Ok?“

Leif reagierte darauf als Erster: „Ähm, ihr habt das mitbekommen? Nun ja, aber da war Mika nicht dabei, und in Zukunft passen wir auch weiter auf, was wir mit Mika machen. Das haben wir bis jetzt gemacht und werden das auch weiterhin machen. Wir wissen, dass er erst elf ist.“

„Dann ist ja alles geklärt. Ich denke, ihr geht jetzt auch mal ins Bett. Wir wollen morgen um zehn Frühstücken.“

Die Jungs schauten sich noch mal gegenseitig an und dann standen sie auf und gingen in ihre Zimmer. Leif blieb noch einen Moment länger und ich konnte sehen, dass er überlegte. Er wollte mir wohl doch noch mal was sagen, ging aber dann wortlos hinaus. Tom und ich blieben zurück. Tom war sichtlich angespannt. Ich fand das Gespräch gut und wichtig. Auch dass Leif klar gesagt hatte, dass er sich ungerecht behandelt fühlte. Tom ging nun noch mal zu Mika und Leif ins Zimmer. Ich wollte in zehn Minuten bei Tommy und Nico gute Nacht sagen.

Als Tom zurückkam, meinte er: „Ich glaube ich habe verstanden, dass ich zu besorgt war. Es tut mir leid, dass ich Leif falsch beurteilt habe. Ich habe mich gerade bei ihm entschuldigt. Er hat mir noch mal versprochen Mika ernst zu nehmen. Ich bin echt froh, dass du so gut mit den Jungs klarkommst.“

„Passt schon. Ich geh jetzt mal bei Tommy und Nico gute Nacht sagen.“ Dann verließ ich das Wohnzimmer und betrat das Zimmer von Tommy und Nico. Sie lagen bereits beide in ihrem Bett und unterhielten sich noch etwas. Nico sah mich etwas verunsichert an und fragte mich:

„Ich habe mal eine Frage.“

„Ja, schieß los, was hast du auf dem Herzen?“

„Also versprichst du mir aber, das nicht meinen Eltern zu erzählen? Es ist mir etwas unangenehm.“

„Klar, ist versprochen. Ich werde nur mit deiner Erlaubnis mit ihnen darüber reden.“

„Ich habe mich in letzter Zeit mit Tommy etwas mehr angefreundet und ja es stimmt, ich habe Tommy gefragt, wie das so mit dem Sex zwischen zwei Jungen wohl geht. Auch weil Tim ja mit Manuel zusammen sowas macht. Ich wollte einfach mal einen anderen fragen. Und wenn ich ehrlich bin, ich bin etwas neugierig, wie das wohl so wirklich ist. Aber wir sind alle doch erst 13 bzw. 14 Jahre alt. Dürfen wir das eigentlich überhaupt?“

„Was meinst du damit, was ihr dürft?“

„Ja also, ich meine“, er zögerte nun. Es war ihm unangenehm. „dürfen Tommy, Leif und ich sowas eigentlich auch mal ausprobieren?“ Dabei wurde er sichtlich rot und Tommy wurde blass. Tommy regte sich sogar richtig auf. „Nico, spinnst du das jetzt zu fragen. Leif ist doch gar nicht dabei. Wenn der das rauskriegt dann gibt’s Ärger. Das sollte ein Geheimnis bleiben.“

Ich war nun etwas verwundert. Das war eine direkte Frage zu dem Thema und ich sollte dazu antworten. Erst sagte aber Nico darauf etwas: „Ist mir jetzt egal. Ich will sowas nicht heimlich machen müssen. Außerdem hat Marc uns vorhin auch verteidigt und ich vertraue ihm.“

Das tat mir wirklich gut, Nico schien mir also zu vertrauen. Ich wollte dazu auch eine ehrliche Antwort geben. Also erklärte ich dazu:

„Nico, wenn ihr drei euch einig seid, was ihr machen wollt und was nicht, dann ist das ok. Aber macht nur das, was ihr wirklich wollt. Und denkt auch an Kondome, sollte es zu mehr kommen. Ich habe damit keine Probleme, wenn ihr sowas mal probiert. Darf ich mal fragen, wie weit seid ihr eigentlich schon mit der Entwicklung?“ Tommy wurde rot und Nico war auch peinlich berührt. Jetzt wollte ich sie nicht weiter in Verlegenheit bringen.

„Also ich sehe schon, lassen wir das jetzt besser. Schlaft mal ne Nacht darüber und wenn ihr morgen oder in den nächsten Tagen noch mal darüber reden wollt, kommt einfach zu mir. Schlaft gut und bis morgen dann.“ Ich nahm beide kurz in den Arm und verließ dann das Zimmer. Sie waren noch nicht bereit so offen mit mir darüber zu reden.

Ich ging noch mal zu Tom und verabschiedete mich bis morgen. Ich spürte, das war nicht das letzte Gespräch mit den Jungs zu diesem Thema. Damit ging ich auch zu Bett und schlief ziemlich schnell ein.

Am nächsten Morgen war ich schon um neun wach und hatte mich meinen Emails gewidmet. Dabei war auch eine Antwort-Mail von Wolfgang. Ich hatte ihm eine Kopie der Zeugnisse und Beurteilungen von Manuel geschickt. Er hatte die Idee, Manuel doch am Mittwoch zum Test-Tag einzuladen und ihn dann mal mitarbeiten zu lassen. Ich antwortete darauf, dass ich es versuchen würde, Manuel noch so kurzfristig nach Spa zu beordern. Ich wollte mich melden, sobald ich mit Manuel gesprochen hatte,

Ich hatte bis zum Frühstück noch ein wenig Zeit und die Jungs schliefen auch noch. Da ich wusste, dass Mick und Lukas heute schon ab neun Uhr beim Turnier sein mussten, wählte ich Micks Nummer. Ich wollte wissen, wie es ihnen gestern so ergangen war. Ich hörte nach einigen Sekunden seine Stimme:

„Hallo Papa, seid ihr auch schon unterwegs? Wie war euer Tag gestern, noch alles heile?“

„Guten Morgen Mick, hier ist alles heil und wir waren gut. Vor allem hatten wir alle viel Spaß. Die Jungs wurden Vierte und wir wurden Zweite. Aber das war gar nicht wichtig. Es war ein toller Tag und ich habe mit den Jungs hier viel Spaß. Wie sieht es denn bei euch aus, seid ihr beide noch im Turnier?“

„Ja läuft hier ganz gut. Lukas hat sein erstes Match in drei Sätzen gestern gewonnen und dann in der zweiten Runde glatt in zwei Sätzen gewonnen. Er muss jetzt im Halbfinale gegen die Nummer drei der Setzliste spielen. Ich habe beide Matches in zwei Sätzen gewonnen. Ich spiele also das andere Halbfinale. Wenn es gut läuft, treffen Lukas und ich im Finale aufeinander aber für Lukas wird es schon sehr schwer werden.“

„Hört sich doch gut an soweit. Und wie war das Doppel gelaufen? Oder habt ihr Doppel dann nicht gespielt?“

„Doch klar, da müssen wir noch Halbfinale spielen nach den Einzelhalbfinals. Aber das macht eigentlich nur total Spaß. Gestern haben Lukas und ich einfach nur locker drauflos gespielt. Wir hatten so viel Spaß wie schon lange nicht mehr. Das Coolste war aber, dass mich Lukas auf dem Platz nach dem Matchball einfach umarmt und geküsst hat. Das hatte dann bei den Zuschauern und dem Gegner etwas Verwirrung ausgelöst. Aber nach ein paar Minuten kamen einige Spieler immer wieder zu uns und fragten nach, ob wir ein Paar wären. Bis auf zwei oder drei von den älteren Zuschauern waren alle total nett und fanden das gut. Ich war wirklich überrascht.“

„Hey, das hört sich doch toll an. Also bei den Spielern dort seid ihr akzeptiert? Das freut mich ja wirklich, ich hatte schon ein wenig Bedenken, ob ihr das so gut hinbekommt. Aber so läuft das ja perfekt. Wir werden hier gleich noch das Team Rennen fahren und dann machen wir bis Mittwoch noch die ein oder andere Tour hier. Bestell mal Lukas von uns allen hier schöne Grüße. Ich hoffe es läuft für euch weiterhin so gut. Melde dich doch heute Abend noch mal. Ach ja, waren Tim und Manuel schon bei euch zum Zuschauen?“

„Danke Papa, nein die wollten aber heute zum Halbfinale kommen. Also die müssten gleich hier eintreffen. Warum fragst du?“

„Nur so, kannst du Tim bitte ausrichten, Nico geht’s gut und er macht auch bislang hier keinerlei Probleme. Die Jungs verstehen sich außerordentlich gut. Und sag bitte Manuel, er möge mich heute noch unbedingt anrufen. Das wäre schon wichtig. Ich habe da eine wichtige Information für ihn.“

„Alles klar, mache ich alles. Soll dich schön grüßen von Lukas, er sitzt nämlich jetzt mir gegenüber. Wir gehen in fünf Minuten auf den Platz.“

„Danke, dann mal euch viel Erfolg und wir reden heute Abend weiter. Bitte denk an Manuel.“

„Ja mache ich Papa, versprochen. Also dann tschüss und bis heute Abend.“

Damit war das Gespräch beendet. Ich freute mich für die Jungs. Die ersten Erfahrungen waren doch recht positiv für sie verlaufen. Jetzt wurde es aber auch Zeit mal nach den Jungs zu sehen. Tom war mittlerweile schon laufen gegangen und hatte mich gebeten, die Jungs zu wecken. Ich ging zuerst bei Leif und Mika vorbei. Die beiden waren schon wach und von daher konnte ich gleich zu den anderen beiden gehen. Ich klopfte leise an, aber es kam keine Reaktion, ich öffnete vorsichtig die Tür und ging zum Fenster um es zu öffnen. Dabei bemerkte ich erst, dass Tommys Bett leer war. Ich erschrak im ersten Moment, weil ich dachte, er wäre gar nicht im Bett gewesen. Dann erst bemerkte ich, dass Tommy bei Nico im Bett lag. Sie schliefen noch tief und fest. Ein niedliches Bild. Nico hatte sich an Tommy gekuschelt. Es war alles harmlos. Sie hatten ihre Schlafanzüge an und ich hatte auch gar keine Probleme damit. Leif hatte das auch schon mit Tommy gemacht, wie er mir mal erzählt hatte. Ich weckte nun die beiden und Nico streckte sich gähnend und Tommy wurde nun auch wach.

„Guten Morgen ihr zwei. Gut geschlafen?“ Dabei musste ich ein wenig grinsen. Es sah einfach zu niedlich aus, wie die beiden bei Nico im Bett lagen.

„Morgen Marc“, nuschelte Nico noch völlig verschlafen, „ist es wirklich schon so spät?“

„Jop, ihr Schlafmützen, los raus aus den Federn. In einer Viertelstunde geht’s zum Frühstück.“ Dabei stand ich vor dem Bett. Tommy sah mich aus seinen verschlafenen Augen an und schüttelte den Kopf.

„Du bist gemein, Marc. Es ist so schön warm hier im Bett. Ich möchte noch etwas schlafen.“

„Nix da, aufstehen jetzt. Sonst muss ich dir die Bettdecke wegnehmen.“ Tommy grummelte vor sich hin und Nico war schon aus dem Bad wieder heraus. Da kam Nico einfach ans Bett und zog kurzerhand die Decke einfach weg. Nico lachte und zog Tommy auf: „Los du Langschläfer, genug gepennt. Der Tag wartet auf uns.“

Ich musste innerlich lachen, denn in dem Moment, wo Nico die Decke wegzog, konnte ich bei Tommy auch deutlich erkennen, dass er eine Beule in der Schlafanzughose hatte. Tommy bemerkte das erst, als ich ihn anzwinkerte und meinte: „Los Tommy ab ins Bad, da geht’s dann am besten wieder weg.“ Dann drehte ich mich um und ging hinaus. Nico hatte das vermutlich noch gar nicht bemerkt und ich wollte das Ganze nicht für ihn peinlich werden lassen.

Etwa zehn Minuten später saßen Tom, Leif, Mika und ich fertig im Wohnzimmer und warteten noch auf die beiden anderen, um zum Frühstück zu gehen. Dann ging die Tür auf und Nico und Tommy kamen zu uns. Tommy sah immer noch recht müde aus. Da kam von Leif der Spruch: „Hey Tommy, du siehst so fertig aus, da möchte ich gar nicht so genau wissen, was du in der Nacht so gemacht hast.“ Tom und ich mussten lachen. Nico grinste und Tommy wurde etwas rot und ging kopfschüttelnd Richtung Tür. Wir standen alle auf und machten uns auf den Weg zum Frühstück. Als wir am Tisch saßen, berichtete ich von dem Gespräch mit Mick und bestellte an alle schöne Grüße. Tommy sah immer noch nicht so wirklich wach aus. Wir widmeten uns nun erst mal dem Essen. Tom und ich sprachen schon über das Rennen und irgendwann klingelte bei Tom das Handy. Ich nutzte diese Situation, um ein wenig am Tisch zu schauen. Leif saß jetzt bei Tommy und Nico und er redete recht lebhaft mit Nico über das kommende Tagesprogramm. Tommy saß träge und noch fast schlafend neben ihnen. Mika war schon fertig mit essen und wollte schon in den Garten gehen und sich etwas aufwärmen. Mir kam jetzt aber eine Idee. Ich bat Mika noch einen Moment zu warten. Tommy war nun auch fertig mit essen und ich meinte dann zu ihm: „Tommy, bevor du wieder einschläfst gehst du jetzt am besten mit Mika ne Runde laufen. Dann wirst du endlich mal wach.“ Er sah mich böse an und protestierte heftig. Ich ließ mich aber nicht drauf ein und schickte ihn mit Mika auf die Reise. Tom wollte auch mit laufen gehen und ich saß jetzt mit Nico und Leif allein am Tisch. Allerdings saßen die beiden etwas weiter weg von mir, so konnte ich nicht so genau verfolgen, was die beiden sich leise erzählten. Ich merkte nur, dass Leif immer wieder mal etwas nachfragte. Er war etwas ungläubig. Ich tat so, als ob ich nichts mitbekommen würde. Blieb aber am Tisch sitzen. Ich wollte nun aber auch mal wissen, warum Tommy heute Morgen so müde war.

„Sag mal Nico, was hat Tommy heute Nacht denn gemacht, dass er immer noch so müde ist. Der wird ja gar nicht wach.“

„Ach ich weiß auch nicht. Er konnte gestern nicht einschlafen. Ich bin irgendwann um halb elf eingeschlafen und da hatte er noch gelesen. Erst heute Morgen habe ich dann gemerkt, dass er zu mir ins Bett gekommen war. Er wollte mir eben auch nicht sagen, warum er zu mir gekommen war. Ich hoffe du denkst jetzt nichts Falsches von uns. Wir haben nichts gemacht. Ich habe echt bis heute Morgen geschlafen.“

„Ach Nico, mach dir keine Gedanken. Das kenne ich von Leif auch schon. Also ich finde das in eurem Alter echt total normal. Vielleicht hatte er etwas Schlechtes geträumt und es war ihm nun peinlich, weil ich ihn heute Morgen euch geweckt hatte und dann auch ihn bei dir im Bett gesehen hatte.“

Nico war nun beruhigt und er ging mit Leif nach oben. Ich wollte noch etwas sitzen bleiben und bat die beiden aber sich oben ruhig zu verhalten, weil es ja noch recht früh am Morgen war. Die anderen Gäste mussten ja nicht gestört werden. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich meldete mich:

„Marc Steevens. Guten Morgen.“

„Hallo Marc, Manuel hier, du hast um einen Anruf gebeten.“

„Ja, hallo Manuel. Schön dass du dich so schnell meldest. Ich habe eine Frage. Hast du Interesse dir eine neue Arbeitsstelle am Mittwoch anzusehen?“

Manuel war nun hörbar verdutzt. „Ähm, ich bin jetzt etwas überrascht aber grundsätzlich schon. Ich müsste aber in der Firma fragen, ob das geht.“

„Also ich habe das mit deinem Meister schon geklärt. Er hat gesagt, wenn du für ein Vorstellungsgespräch frei brauchst, sollst du nur Bescheid sagen. Es gibt nur ein Problem.“

„Ja wenn das so ist, dann geht das. Wieso? Was für ein Problem?“

„Du musst dich bereits am Dienstagabend in den Flieger setzen, weil du am Mittwoch bereits um acht Uhr hier an der Strecke sein sollst.“

„Wie bitte? Das musst du mir erklären.“

„Also pass auf, ich hatte dir ja gesagt, dass ich eine Idee hatte, für dich einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Ich hatte mit unserem Teamchef Wolfgang gesprochen und er hat deine Zeugnisse und Beurteilungen gelesen. Dann meinte er gestern zu mir du sollst doch am Mittwoch zu unserem Testtermin herkommen. Er will dich kennenlernen und sehen, was du kannst. Ich würde dich gerne als Mechaniker in unser Rennteam nehmen. Hättest du Lust dazu?“

„Ist das dein Ernst? Ich bekomme eine Chance bei euch zu arbeiten? Kann ja nicht sein. Klar kann ich mir das vorstellen. Allerdings muss ich mit Tim noch mal sprechen dann.“

„Ja klar, aber komm bitte erst mal am Mittwoch hier her. Das andere klären wir dann danach, wenn du für uns geeignet bist. Ok?“

„In Ordnung. Ich werde mir für Dienstag einen Flug raussuchen. Kannst du mich dann am Flughafen abholen?“

„Ja sicher. Ich bereite hier im Hotel alles vor. Wenn Tim auch mitkommen will, sag Bescheid. Dann reserviere ich hier ein Doppelzimmer für euch. Den Rückflug kannst du dann für Donnerstag buchen. Also du müsstest dir am besten die Woche dann frei nehmen. Zumindest bis Donnerstag jedenfalls.“

„Alles klar, mache ich. Ich bin jetzt echt total aufgeregt. Man wäre das geil. Schon mal vielen Dank für deine Hilfe.“

„Passt schon. Klär das alles und wenn du weißt, wann du hier ankommst und ob Tim mitkommt, meldest du dich bei mir bitte.“

„Ja mache ich dann sofort. Wie ist denn euer Rennen gestern gelaufen? Und wie macht sich Nico?“ Ich berichtete ihm noch kurz und dann verabschiedeten wir uns bis Dienstagabend.

Ich trank meinen Kaffee aus und ging nach oben. Wir hatten noch etwas Zeit bis zum heutigen Team Rennen. Allerdings wollte ich mit Tommy noch mal sprechen. Wenn sein Zustand nicht deutlich besser würde, könnte ich nicht verantworten ihn starten zu lassen. Das war einfach zu gefährlich. Ich wartete jetzt darauf, dass Tom mit den beiden zurückkommen würde. Leif und Nico hatten sich vor die Playstation gesetzt und spielten zusammen. Wenige Augenblicke später kamen die anderen drei zurück. Tom und Mika waren gut gelaunt und scherzten über Tommys Bewegungsdrang. Tommy hingegen ging mürrisch in sein Zimmer. Nico und Leif sahen mich fragend an. Ich konnte ihren Blick aber nur genauso fragend erwidern. Ich war jetzt sicher, so würde er nicht am Rennen teilnehmen. Ich ging zu Tom und fragte ihn:

„Sag mal Tom, was war denn los bei euch? Tommy ist ja unausstehlich heute Morgen.“

„Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat er eine Bewegungsgeschwindigkeit einer Schnecke heute. Reden tut er auch nicht wirklich mit uns. Keine Ahnung was er hat.“

Ich beschloss nun direkt mit ihm ein Gespräch zu führen. So konnte es ja nicht weiter gehen. Ich ging zielstrebig Richtung Tommys Zimmer. Als ich durch das Wohnzimmer schritt, hielt mich Nico auf:

„Marc, warte bitte mal. Ich glaube ich sollte dir vielleicht etwas erzählen.“ Dabei machte Nico einen sehr unsicheren Eindruck. Leif saß auf dem Sofa und beobachtete Nico genau. Ich blieb nun stehen und schaute fragend in sein Gesicht.

„Können wir irgendwo ungestört reden. Ich möchte nicht, dass Mika davon etwas mitbekommt.“

„Wir können in mein Zimmer gehen oder in den Garten. Was dir lieber ist.“

„Lass uns besser in den Garten gehen. Da kann nicht jemand plötzlich reinkommen.“

Ich drehte mich nun um und wir gingen auf direktem Wege schweigend nach unten in den Garten. Bevor ich den Raum verließ, konnte ich Leif noch deutlich seufzen hören. Mir gingen nun einige Gedanken durch den Kopf. Allerdings eine wirklich plausible Erklärung hatte ich noch nicht gefunden. Wir setzten uns nun im Garten auf eine der Bänke und ich wartete nun darauf, dass Nico mir etwas erzählen würde. Nico zögerte, er überlegte, wie er mir das am besten erzählen konnte, dann:

„Also Marc, ich bin jetzt in einer schwierigen Lage. Tommy hat mich zum Schweigen gezwungen, aber ich sehe, wie schlecht es ihm geht. Vielleicht ist es also besser, ich berichte von dem, was gestern wirklich passiert ist.“ Ich konnte seine Unsicherheit spüren. Ich wollte ihn nicht drängen aber ermutigen mir zu berichten.

„Nico, ich verstehe was du meinst, Tommy hat dir etwas erzählt und du hast versprochen es für dich zu behalten. Jetzt siehst du aber, wie schwer es für Tommy ist, damit umzugehen. Habe ich das richtig verstanden?“

Nico nickte nur und ich spürte nun, wie er innerlich kämpfte. Ich blieb ganz ruhig neben ihm sitzen und dann begann er:

„Also gut, gestern Abend haben Tommy und ich noch einige Zeit zusammen geredet. Wir verstehen uns wirklich gut. Auch Leif und ich verstehen uns gut. Nur Tommy hat gemerkt, dass sich etwas für ihn verändert hat. Er hat seit dem Abend bei uns zu Hause ein Gefühl, das für ihn anders ist als bisher. Ich habe es schon am Donnerstagabend gemerkt. Er war immer in meiner Nähe und wir haben viel rumgealbert und wir haben viel erzählt. Er hat mir von der Freundschaft zu Leif erzählt und das er Leif total vertraut. Allerdings gibt es da ein Problem.“ Jetzt zögerte Nico und atmete tief ein. Er wusste nicht, ob er jetzt wirklich alles erzählen sollte.

„Marc, ich weiß nicht, wie wird Leif darauf reagieren, wenn ich das jetzt erzähle. Ich habe Angst, dass Leif dann nicht mehr unser Freund ist. Genauso geht es Tommy. Er hat bislang Leif immer alles erzählt, nur jetzt ist etwas hinzugekommen, das er nicht mit Leif besprechen will, weil er meint, das würde Leif noch nicht verstehen.“

Ich überlegte wirklich, was könnte das sein? Ich hatte keine Ahnung, womit Leif ein Problem haben könnte. Plötzlich fiel mir die Szene heute Morgen ein. Was wäre, wenn Tommy doch mehr für Nico empfindet. Leif war eigentlich noch nicht so weit, dass ihn das Thema sonderlich interessierte. Hatte er mir ja auch im Internat schon vermittelt, das ihn Mädchen und solche Dinge bislang nicht wirklich interessierten. Tommy hatte ja auch schon mit Lukas darüber gesprochen und nicht mit Leif, weil er meinte, Leif wäre noch nicht soweit. Nico wurde jetzt richtig nervös. Ich wollte ihm eine Brücke bauen:

„Nico, schau mal. Du machst dir Sorgen um Tommy, aber ich spüre, dass Leif auch beteiligt ist. Ich möchte dir Folgendes sagen: Du musst keine Angst haben, dass ich mit Leif rede, ohne euch um Erlaubnis zu fragen. Aber du solltest diese Dinge nicht allein entscheiden. Ich verspreche dir, wir werden es gemeinsam viel besser lösen können.“ Jetzt sah mich Nico mit großen Augen an, ich konnte sehen, wie es ihn aufwühlte.

Nico holte noch einmal tief Luft und dann schien er sich entschieden zu haben:

„Ich hoffe Tommy wird mir verzeihen, also es ist so: Tommy hat mir gestern Abend im Zimmer erzählt, seit dem Donnerstag denkt er oft an mich und was ich so für Probleme hatte. Er hat sich sehr für mich eingesetzt und er wollte, dass ich eine neue Chance bekomme. Ich fand das von ihm richtig schön und wir sind uns sehr vertraut geworden. Gestern hat mir Tommy gestanden, dass er seit dem Abend immer häufiger an mich denkt und sich darauf freut, mit mir zusammen zu sein. Er meinte, so ein Gefühl hätte er noch nie gespürt. Ich war gestern darauf nicht vorbereitet und habe wohl einen Fehler gemacht. Ich habe spontan gesagt, ich bin nicht schwul und er soll sich keine falschen Hoffnungen machen.“ Jetzt senkte Nico seinen Kopf und es lief ihm eine Träne über sein Gesicht. Er schniefte und ergänzte: „Ich merke aber, dass ich ihn auch sehr mag, habe aber Angst vor der Situation. Ich glaube ich bin nicht ehrlich gewesen. Aber ich will Leif nicht verletzen, wenn ich mit Tommy zusammen bin und er dann nicht mehr so viel mit Tommy machen kann. Immerhin macht sein Bruder ja auch nicht mehr so viel mit ihm, seit er mit Lukas zusammen ist. Ich will nicht schuld daran haben, dass die beiden nicht mehr befreundet sind. Und Tommy war sehr enttäuscht gestern, er hat geweint und irgendwann habe ich gesagt er soll zu mir ins Bett kommen, ich konnte ihn nicht länger allein lassen. Tja und dann hast du uns heute Morgen so gefunden. Tommy hat seitdem Panik.“

Ich saß nun sehr nachdenklich auf der Bank und legte meinen Arm um Nico. Ich war sehr dankbar für diese ehrliche Schilderung.

„Nico, wenn du für Tommy Gefühle empfindest, dann solltest du sie auch erwidern. Sei ehrlich zu ihm und zu dir. Ich denke ihr seid noch sehr jung. Also macht euch nicht so viele Gedanken ob ihr schwul seid oder nicht. Wenn ihr gerne zusammen sein wollt, dann genießt diese Zeit. Kuschelt miteinander und macht eure Erfahrungen. Wenn es so ist, dann ist es so. Gegen Gefühle kann man sich schlecht wehren. Und wenn Tommy dir das so sagt und du es auch möchtest, dann ist es in Ordnung. Ich glaube nämlich, dass Leif dich genauso mag wie er Tommy mag. Ich denke, macht es nicht so kompliziert. Wenn Leif irgendwann so weit ist, dass er seine sexuellen Interessen entdeckt, dann weiß ich auch noch nicht, wie er sich orientieren wird. Also wenn du mit Tommy zusammen bist und ihr spürt, dass ihr auch mal kuscheln wollt oder euch küssen wollt, macht das einfach so, wie ihr es fühlt. Und geht mit Leif auch offen um. Er wird spüren, dass ihr ihm vertraut. Das wird viel besser sein, als es heimlich zu machen. Tommy ist schon ziemlich weit für sein Alter. Er wird ja in einer Woche 14 und Leif hat noch etwas bis zum Geburtstag. Also ich glaube, er hat da noch gar keine Ambitionen mit Beziehungen. Für ihn sind Freundschaften das Wichtigste im Moment. Du bist ja schon 14 und ich nehme mal an, ihr habt auch beide schon eure ersten Erfahrungen mit Samenerguss und Selbstbefriedigung gemacht.“ Dabei wurde er nun richtig rot.

„Also Nico, geh zu Tommy und zeige ihm, was du für ihn empfindest und ich bin mir sicher, Leif wird es verstehen. Aber grenzt ihn nicht aus. Lasst ihn einfach teilhaben.“

Nico hatte die ganze Zeit geschwiegen und ich streichelte ihm den Kopf. Er war sichtlich erleichtert. Wusste jetzt aber nicht, wie er sich verhalten soll.

„Soll ich Tommy sagen, dass ich mit dir gesprochen habe? Ich meine, ich habe sein Vertrauen missbraucht.“ Dabei blickte er mich ängstlich an.

„Ja, geh zu ihm und rede mit Tommy darüber. Erkläre ihm, warum du zu mir gekommen bist. Wenn ihr beide mit mir reden wollt, kommt einfach zu mir. Ich glaube nämlich, dass ihr noch nicht alles allein regeln müsst.“ Dabei zwinkerte ich ihm Mut machend zu. Er lächelte nun ein wenig und dann umarmte ich ihn noch mal richtig und er ging nun nach oben. Ich blieb noch einen Moment sitzen und musste über dieses Gespräch noch einen Moment nachdenken.

Sollte ich mit Leif direkt über diese Situation reden, oder sollte ich abwarten, wie es sich entwickelte. Ich entschied mich für erst mal abwarten. Ich musste nun erst mal entscheiden, ob ich Tommy und Nico beim Rennen starten lassen konnte. Erst wenn sich ihr Zustand normalisiert hatte, würde ich sie fahren lassen.

Ich hatte irgendwie die Zeit vergessen und gar nicht mitbekommen, dass ich schon einige Zeit allein auf der Bank saß. Denn plötzlich bemerkte ich Leif neben mir sitzend. Er hatte sich wortlos zu mir gesetzt. Ich sah ihn an und ich konnte seine Verunsicherung sehen.

„Hallo Leif, ich habe dich gar nicht bemerkt. Was hat dich hergeführt?“

„Ach Papa, ich bin ja nicht ganz blöd. Tommy ist seit wir bei Tim waren so anders geworden. Und heute Morgen war es dann ganz schlimm. Nico wollte mir auch nichts sagen. Ich habe das Gefühl, sie vertrauen mir nicht und verheimlichen etwas. Ich habe einfach Schiss, dass ich schuld bin, dass Tommy so ist. Ich glaube nämlich, dass Nico und Tommy mehr als nur gute Freunde sind.“

Ich sah ihn nun wohl etwas erstaunt an, denn er meinte: „Ich bin nicht blind. Tommy wollte ja unbedingt mit Nico auf ein Zimmer. Und auch sonst war Tommy immer bei Nico. Er hat sich ja auch dafür eingesetzt, dass Nico mit hier herkommt. Ich finde es nur richtig scheiße, dass sie mir nichts sagen. Ich will nicht immer außen vor sein. Tommy ist doch auch mein bester Freund. Warum behandeln sie mich so?“

„Leif, ich glaube, diese Frage solltest du nicht mir stellen, sondern Tommy und Nico. Nico hat mir eben einiges erzählt und ich glaube, das wird sich klären lassen. Gib ihnen noch ein wenig Zeit. Sie wollen deine Freundschaft genauso gerne erhalten wie du. Glaube mir, du bist ihnen noch genauso wichtig wie bisher.“ Leif sah nun nicht viel freundlicher aus, aber er spürte, dass ich mehr wusste, als ich jetzt sagen würde. Deshalb gingen wir nun gemeinsam nach oben. Als wir im Wohnzimmer ankamen, saßen Nico und Tommy bereits dort und warteten auf uns. Tommy sah nun nach dem Duschen schon viel besser aus und auch Nico schien sich gefangen zu haben. Es sah so aus, dass sie miteinander geredet hatten.

„Hallo ihr zwei, Leif kommst du bitte mal mit uns mit. Wir würden gerne mit dir mal sprechen.“ Das kam sehr freundlich von Tommy. Nico sah mich dabei an und ich wusste jetzt, ich hatte es richtig gemacht. Sie würden es Leif jetzt selbst erklären. Leif sah Tommy erstaunt an, aber er sagte nichts und ging mit den beiden einfach nach draußen. Ich setzte mich auf das Sofa und nahm mir eine Tasse Kaffee. Tom kam mit Mika herein und schaute mich etwas seltsam an.

„Na Marc, haben die Jungs ein wenig Schwierigkeiten?“ Er lächelte dabei vielsagend.

„Schwierigkeiten? Das ist aber sehr schön umschrieben. Ich glaube die Jungs leiden unter deutlichen Gefühlsstörungen.“ Nun mussten wir beide aber richtig lachen. Tom meinte nachdem wir uns beruhigt hatten, er müsste wohl auch irgendwann damit rechnen, dass Mika damit anfing. Ich bestätigte ihm das und meinte, er könnte ja schon mal trainieren für diese Gespräche. Mika stand nun in der Tür und schüttelte unwissend den Kopf. Er konnte ja nicht wissen, warum wir so gelacht hatten. Für mich war es ein gutes Gefühl, Tom mit dabei zu haben. Ich konnte mit ihm wirklich gut reden.

„Sag mal, kannst du nicht mal den Jungs Bescheid sagen. Wir müssen uns langsam mal fertig machen für das Rennen.“ Ich wollte jetzt nicht zu den Jungs gehen. Das sollte Tom besser machen. Er ging also nun zu den Jungs. Ich war jetzt sehr gespannt, ob die Drei sich ausgesprochen hatten, und sie nun wieder besser gelaunt wieder zurückkommen würden.

Wenige Augenblicke später flog die Tür auf und Tom alberte mit den Dreien herum und sie lachten herzlich. Es schien so zu sein, dass sich die Lage deutlich entspannt hatte. Plötzlich legte Tommy seinen Arm um Nico und sie bleiben im Wohnzimmer stehen. Sie sahen mich erwartungsvoll an. Leif stellte sich jetzt neben Tommy und dieser legte seinen anderen Arm auch um Leif. Ich erklärte nun, dass wir uns fertig machen müssten. Wollte aber noch wissen, ob alles geklärt ist und Tommy wirklich in der Lage sein würde, am Rennen teilzunehmen. Tom gab mir sein ok und da war mir klar, die Stimmung war gut und alles soweit geregelt.

Eine halbe Stunde später standen wir auf der Strecke und alle waren gespannt auf den Start. Wir starteten von der zweiten Position aus. Es wurde das Ergebnis des gestrigen Rennens für die Startaufstellung genommen. Das Rennen verlief wirklich ohne nennenswerte Zwischenfälle und wir wurden am Ende gute Dritte. Die Jungs waren sehr gelöst und es gab keine Anhaltspunkte mehr, dass sie sich heute Morgen fast böse gestritten hatten. Die Vier alberten mit uns und den anderen Teilnehmern herum und auch die Siegehrung war sehr lustig. Wir gingen dann gemeinsam gut gelaunt zurück in unsere Suite und machten uns erst mal frisch. Tommy und Nico gingen zusammen auf ihr Zimmer und die anderen beiden ebenfalls. Ich ging in mein Zimmer und zog mich aus. Ich wollte jetzt mal ein schönes heißes Bad nehmen. Nach einer guten halben Stunde in der Wanne klopfte es an meiner Tür. Ich rief, dass ich noch im Bad sei. Ich konnte hören, wie meine Zimmertür aufging und sich Personen in mein Zimmer setzten. Ich stieg nun aus der Wanne und trocknete mich ab. Dann zog ich mir meinen Bademantel an und trat in mein Zimmer. Dort saßen drei Jungs zusammen auf meinem Sofa. Sie grinsten mich an und waren sichtlich guter Stimmung.

„Na, was wird das denn hier jetzt?“ fragte ich belustigt.

„Ein Überfall!“ gab Nico zur Antwort, dabei mussten aber alle laut lachen. Ich musste wohl ein sehr blödes Gesicht gemacht haben, denn Leif zog eine Grimasse, die die anderen wieder zum Lachen brachte.

„Leute, was ist hier eigentlich los? Heute Morgen geht ihr euch fast an die Wäsche und jetzt habt ihr euch gegen mich verbündet, oder wie?“ Jetzt wurden sie aber ganz ruhig und ich merkte, Tommy wollte mir etwas sagen. Leif und Nico saßen neben ihm und schauten mich genau an.

„Also, ich glaube ich möchte dir etwas sagen, Marc.“ Tommy stand nun auf und kam auf mich zu. Er stand nun direkt vor mir und er fuhr fort:

„Ich möchte mich für mein schlechtes Benehmen heute Morgen entschuldigen. Es tut mir leid, ich war zu feige dir die Wahrheit zu erzählen. Nico war so mutig mit dir zu reden, obwohl ich das nicht wollte. Du hast uns vor einem großen Streit bewahrt, danke.“ Dann streckte er mir seine Hand entgegen, ich zog ihn an mich heran und umarmte ihn. Dann kamen die anderen hinzu und wir bildeten einen Kreis und dann passierte etwas Besonderes. Tommy löste den Kreis auf und ging auf Leif zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich zu Nico und machte das Gleiche bei ihm. Alle drei sahen mich nun an. Ich musste laut lachen.

„Ich verstehe, ihr seid also wieder im Reinen!“ Danach strahlten mich drei glückliche Jungs an und sie verließen mein Zimmer. Allerdings konnte ich noch erkennen, dass Nico Tommy in den Arm nahm. Ein wirklich niedliches Bild. Leif schien verstanden zu haben, was jetzt Sache war. Er nickte mir jedenfalls fröhlich zu. Das war ein gutes Zeichen.

Für mich gab es dazu nun erst mal nichts mehr zu sagen. Ich wartete ab, was nun so passieren würde. Jedenfalls war der Abend recht ruhig. Die Jungs waren müde vom Rennen und ich war froh, dass alle die beiden Rennen so gut überstanden hatten. Wir machten uns einen gemütlichen Abend mit Essen und spielten zusammen „Die Siedler“.

Zwischendrin telefonierte ich noch mit Mick und erfuhr so, dass er das Turnier als Zweiter im Einzel abgeschlossen hatte. Im Doppel verloren sie im Halbfinale aber es hatte beiden sehr viel Spaß gemacht und so war dieses Wochenende auch schon vorbei. Am nächsten Tag passierte eigentlich gar nichts Besonderes. Wir schliefen alle lange aus. Die Jungs waren auch richtig geschafft von dem Wochenende und so hatte ich mal einen „Faulenzer Tag“ angesagt. Ich ging mit Tom und Mika zusammen schwimmen und in die Sauna. Die anderen Jungs erkundeten die Gegend. Rund um die Strecke gab es ja viel Wald.

Abends klärte ich mit Manuel, dass er am nächsten Abend mit Tim gemeinsam für den Test Tag hier ankommen würde. Ich sollte sie um 19 Uhr vom Flughafen abholen. Das sagte ich zu und Nico wollte auf jeden Fall mitkommen und seinen Bruder und dessen Freund in Empfang nehmen.

So gegen neun Uhr abends saß ich mit Tom im Garten und wir redeten über die neue Situation bei mir. Ich konnte ihm meine Gedanken mitteilen. Er hörte sich alles sehr geduldig an und er gab mir Hinweise und bestärkte mich in meinen Plänen mehr Zeit für meine Kinder zu haben. Auch die neue Erfahrung mit den Eltern der Freunde meiner Kinder bestärkte mich immer mehr in meinem Gedanken. Ich wollte näher an den Kindern sein. Ich spürte, dass gerade jetzt eine Zeit wäre, die ich später nie wieder haben würde. Meine Gedanken zu einem Ende meiner Fahrerlaufbahn wurden immer präsenter. Plötzlich tauchte Mika aus dem Eingang zum Garten auf. Er lief schnell auf uns zu und blieb außer Atem bei uns stehen. Tom sah ihn sehr erstaunt an. Mika war sehr aufgeregt und er redete ziemlich wirres Zeug. Ich konnte es nicht wirklich nachvollziehen, erst als er den Namen Leif erwähnte, war ich hellwach.

„Mika, was ist mit Leif? Ist was passiert oder warum bist du so aufgeregt?“

„Ich wollte es doch gerade erzählen aber ich weiß auch nicht so genau was los ist. Jedenfalls liegt er in unserem Zimmer und weint seit ungefähr 20 Minuten und ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Er wollte nicht, dass ich zu dir gehe.“

Scheiße, dachte ich jetzt. Was sollte das nun? Ich stand natürlich sofort auf und ging mit weichen Knien Richtung unserer Suite. Mika war bei Tom geblieben. Mika hatte mir nur noch berichtet, dass Leif vorher mit Tommy und Nico unterwegs war und er schon komisch drauf war als er ins Zimmer kam. Was da wohl passiert war? Ich stand nun vor der Zimmertür und ich konnte Leif schon deutlich hören. Er musste wirklich richtig verzweifelt sein. So heftig habe ich ihn schon lange nicht mehr weinen gehört. Die anderen waren nirgends zu hören, geschweige denn zu sehen. Ich öffnete die Tür und blieb in dem Türrahmen stehen. Leif lag auf dem Bauch liegend auf seinem Bett und weinte. Was war passiert? Ich ging zu ihm und setzte mich auf seine Bettkante und legte meine Hand auf seinen Kopf. Er schreckte hoch und sah mich aus verweinten Augen an. Er hatte einen Blick, wie ich ihn bei ihm noch niemals vorher gesehen hatte. Ich bekam richtig Angst.

„Leif, was ist passiert? Beruhig dich wieder. Ich bin doch da.“ Dabei nahm ich ihn zärtlich in den Arm. Er fiel förmlich zusammen und zitterte am ganzen Körper. Er stammelte leise immer wieder: „Warum? Warum? Erst Lukas ... jetzt Nico ... das ist ungerecht ...“

Ich war völlig verwirrt. Was sollte das denn jetzt. Ich hielt meinen Sohn jetzt ganz fest im Arm und streichelte ihn. Nach eigenen Minuten beruhigte sich Leif dann. Aber wirklich reden wollte er nicht mit mir. Ich ließ ihn also erst mal in Ruhe und blieb einfach bei ihm sitzen und wir kuschelten uns aneinander. Ich wusste nicht mehr wie lange es gedauert hatte aber ich konnte mittlerweile hören, wie Tom mit Mika in sein Zimmer ging und ich war ihm sehr dankbar dafür. Das half mir schon mal in Ruhe bei Leif bleiben zu können. Irgendwann war Leif eingeschlafen. Ich blieb bei ihm und legte mich zu ihm ins Bett. Er lag in meinen Armen und schlief. Ich hatte keine Ahnung, was den Jungen so aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Mir gingen seltsame Gedanken durch den Kopf. Was hatte das mit Lukas und mit Nico zu tun? Plötzlich wurde der Kleine wieder unruhig. Er wälzte sich hin und her und er redete im Schlaf. Er rief immer wieder und immer lauter werdend die beiden Namen. Dann sprang er auf und saß schweißgebadet im Bett. Ich beruhigte ihn und er fiel mir in die Arme.

„Papa, ich kann nicht mehr. Warum muss das so ungerecht sein. Ich will auch mal einen Freund für mich haben.“ Dabei schmiegte er sich ganz eng an mich. Er war total verschwitzt und ich sagte leise zu ihm: „Kleiner, beruhige dich erst mal wieder. Du hast etwas geträumt und ich bin bei dir. Du bist nicht allein. Komm, ich hole dir erst mal frische Sachen. Willst du dich etwas frisch machen?“

„Ich will nicht allein sein. Bleibst du bei mir? Kommst du mit ins Bad? Ich habe Angst.“ Ich war nun wirklich besorgt. Was hatte den Kleinen derart in diesen Zustand versetzt? Ich ging mit ihm wortlos ins Bad. Dort zog er seine Shorts und T-Shirt aus. Er stand nun seit langer Zeit mal wieder völlig nackt vor mir. In letzter Zeit hatte ich dieses auch versucht zu vermeiden, weil ich ihm vielleicht eine peinliche Situation ersparen wollte. Er war ja schon fast 14. Da sind die Jungs manchmal schwierig. Ich nutzte nun die Gelegenheit, um mir den Jungen mal genauer anzusehen. Er hatte schon seinen kindlichen Körper verloren, er war deutlich kräftiger und reifer geworden. Ein ganz leichter Flaum war in seinem Schambereich zu erkennen. Die Pubertät war definitiv in vollem Gange. Jetzt gab ich ihm erst mal seine frischen Sachen. Er zog sich an und dann fiel er mir wieder in die Arme. Wir gingen nun gemeinsam in mein Zimmer. Ich wollte, dass Mika zumindest wieder in sein Bett konnte. Wir legten uns gemeinsam auf mein Sofa und kuschelten uns aneinander. Immerhin fing er nicht wieder an zu weinen. Ich versuchte also erneut ein Gespräch mit ihm.

„Kleiner, was ist eigentlich los? Was hat dich so verängstigt?“ Er schüttelte nur mit dem Kopf und schwieg. Er war immer noch nicht in der Lage darüber zureden. Ich wurde immer besorgter und auch ein wenig ärgerlich. Was hatten Lukas und Nico damit zu tun? Am liebsten hätte ich Nico sofort dazu befragt. Plötzlich hörte ich Leifs Stimme:

„Papa, ich will nicht immer wieder allein bleiben. Erst hat mir Lukas Mick weggenommen als Freund und nun macht Nico das mit Tommy. Das ist so gemein. Du bist auch immer weg und ich habe niemanden. Mick kann mit Lukas reden und gemeinsam kuscheln, jetzt macht Tommy das mit Nico und nicht mehr mit mir.“ Diese Worte taten mir sehr weh. Ich spürte, wie verzweifelt er war. Ich wusste zwar, dass es so nicht war, weil die beiden ihn niemals allein lassen würden. Sie mochten ihn genauso sehr wie bislang, aber für ihn war das wohl so. Ich musste jetzt herausfinden, warum er ausgerechnet jetzt so einen Gefühlsausbruch hatte. Ich musste sehr vorsichtig sein.

„Hey Kleiner, niemand wird dich allein lassen. Mick und auch Lukas werden immer für dich da sein. Du musst sie nur lassen. Und was ist mit Nico und Tommy passiert? Ich verstehe es noch nicht, was ist passiert? Und ich bin doch auch da für dich. Leif bitte erzähl mir von deinem Kummer und deiner Angst.“

Wir saßen nun eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa und ich hatte beide Arme um seine Brust gelegt. Mein Kopf lag auf seiner Schulter und seine linke Wange lag an meiner Rechten. Er holte nun tief Luft und dann begann er zu erzählen.

Er berichtete von der Zeit, als er spürte, dass Mick nicht mehr so viel für ihn da war. Er wusste noch nicht, was Lukas schon erlebt hatte. Mick war jedenfalls nicht mehr ständig bei ihm. Er musste vieles alleine entscheiden. Dann erzählte er von seinen Ängsten mich anzurufen, wenn er Fragen hatte. Er wollte mich nicht belästigen wegen Kleinigkeiten. Dann freundete er sich immer mehr mit Tommy an. Er fing an Vertrauen aufzubauen und sie konnten sich über alles unterhalten. Er hatte sogar mal mit Tommy sich ein paar verbotene Seiten im Internet angesehen. Tommy ging damit total locker um und nahm Leif die Angst. Sie redeten über Selbstbefriedigung und Tommy erzählte ihm, wie er seinen ersten Samenerguss hatte. Leif hatte sich damals so geschämt, dass es bei ihm noch nicht so weit sei. Er hatte Tommy angelogen und Tommy hatte es rausbekommen und ihn nicht dumm angemacht, sondern ihm gesagt, er solle einfach nur die Wahrheit sagen. Bei ihm würde es halt noch etwas dauern.

Leif fing an, sich immer mehr in einen Fluss zu reden. Er erzählte von seinen Erlebnissen mit Tommy und dass sie sich alles erzählten. Tommy war für ihn der Freund, den er sich gewünscht hatte. Er hatte Tommy auch erzählt, dass er manchmal auf mich wütend war, wenn ich nicht für ihn da sein konnte. Tommy hatte ihn dann in den Arm genommen und sie haben sich getröstet. Tommy musste eine ganz besondere Rolle für ihn eingenommen haben. Dann hatten sie Nico kennengelernt. Nico fand er auch sehr nett und sie verstanden sich sehr gut. Nur Tommy war plötzlich anders geworden. Er war viel mehr mit Nico zusammen und Leif hatte wieder das Gefühl, er würde seinen Freund an jemand verlieren, den er selbst auch sehr mochte. Dann kam der Moment, wo Leif mir von dem Ereignis erzählte, was heute passiert war. Sie hatten sich ja ausgesprochen darüber, dass Tommy und Nico etwas mehr füreinander empfanden, aber Leif nicht ausgrenzen wollten.

Leif fing nun wieder an zu zittern, er stockte in seinen Erzählungen. Aber ich konnte ihm die Angst nehmen. Er überwand sich und ich hörte dann Folgendes:

„Vorhin, als wir im Wald waren und zusammen rumgealbert hatten, sagte Nico zu Tommy, dass er ihn mal richtig küssen möchte. Dann standen sie plötzlich voreinander und ich sah, wie Tommy ihn umarmte und sie sich küssten. Das war ja noch ganz ok, obwohl ich mich dabei nicht wohl fühlte. Danach war auch erst alles wieder normal. Wir gingen gemeinsam zum Hotel zurück und wir redeten noch mal über die schönen Tage hier mit dir. Aber dann kam Nico ganz eng zu mir und legte mir seinen Arm um mich. Ich fand das irgendwie schön aber ich war überrascht. Dann sah Tommy zu uns und er sagte zu Nico, dass er mich ruhig küssen dürfe, er hätte kein Problem damit. Ich wusste gar nicht was mir passierte. Dann kam Nico immer näher und er fragte ganz leise - willst du das wirklich? - ich wusste nicht, was ich tun sollte.“ Jetzt überkamen ihn die Gefühle und die Tränen flossen wieder. „Es fühlte sich so schön an, ihn im Arm zu fühlen aber ich hatte Angst vor dem was jetzt kommen würde. Dann nickte ich nur und spürte ich seine Lippen auf meinem Gesicht. Es war so schön aber ich bekam Angst.“ Ich hörte ihm zu und ließ ihn in seinem Tempo erzählen. Er sollte jetzt alles raus lassen. Er fuhr nach kurzem Zögern fort: „Als wir dann in Tommys Zimmer kamen, fing Nico an Tommy zu küssen und sie begannen sich zu streicheln. Tommy umarmte mich und er begann bei mir das auch zu tun. Ich erschrak, ich wollte das noch nicht. Ich wollte aber auch nicht als Feigling da stehen. Ich konnte nichts mehr tun. Ich war wie gelähmt. Und dann machten sie einfach weiter. Ich bekam Panik und bin dann einfach raus gestürmt. Ich bekam Angst. Ich kann das noch nicht. Ich will doch nur einen normalen Freund haben.“ Jetzt wurde mir einiges klarer. Leif war in einem totalen Gefühlschaos. Einerseits genoss er die Nähe und die Vertrautheit, aber er hatte noch keine wirklichen Ambitionen wie sie Tommy und Nico füreinander hatten. Sie hatten sie sogar auch für Leif. Nur Leif war noch nicht bereit dafür. Er wollte sie aber nicht enttäuschen und sie als Freunde verlieren. Da ist er einfach weggerannt. Jetzt hatte er Panik, dass die beiden das als Ablehnung sehen und er wieder allein ist. Meine Aufgabe bestand nun darin, erst mal Ruhe in die Sache zu bringen. Morgen würden Tim und Manuel kommen. Mit Tim würde ich das bereden können. Er würde Nico diese Sache sicher gut erklären können und Tommy würde ich mir vornehmen. Nico kannte ich noch nicht gut genug um einschätzen zu können, wie er reagieren würde. Ich nahm nun Leif auf den Schoß und ich nahm seinen Kopf in beide Hände: „Hör mal zu mein Kleiner, ich habe es jetzt begriffen, was hier passiert ist. Vielen Dank, dass du das Vertrauen hast mir alles zu erzählen. Ich glaube du hast nichts falsch gemacht. Und Tommy und Nico auch nicht. Ihr habt nur nicht gewusst, was da jetzt passiert. Ich glaube sie werden dir nicht böse sein. Sie wollen dich als Freund behalten, sonst hätten sie sich nicht so verhalten. Sie wollten dir zeigen, wie sehr sie dich auch mögen. Leider war das vielleicht ein wenig zu viel für dich. Du musst aber lernen zu sagen, wenn es dir unangenehm wird.“ Leif hörte mir sehr aufmerksam zu und ich spürte, wie er sich ein wenig entspannte. Ich wollte, dass er mir vertraute und nicht mehr mit Ballast herum laufen musste.

„Leif, ich glaube sowohl Nico als auch Tommy wollen dich genauso als Freund behalten. Sie haben dir ja sogar zeigen wollen, was für Gefühle sie für dich haben. Sie sind schon für sich weiter. Sie können für sich annehmen, dass sie auch mehr voneinander wollen. Sie wollen sogar, dass du dabei nicht außen vor bleibst. Deshalb diese Versuche von ihnen. Du bist aber noch nicht soweit. Das musst du ihnen sagen.“ Er nickte nun und ich spürte, dass er eine Frage auf dem Herzen hatte. „Leif, was bewegt dich gerade, sprich es aus.“

Er zögerte, ich spürte seine steigende Anspannung. Dann begann er leise:

„Papa, ich habe mit Tommy vor einiger Zeit auch über Selbstbefriedigung gesprochen. Ich hatte ihn mal dabei überrascht und er hat es mir erklärt. Ich hatte da noch kein Interesse daran. Aber seit einigen Tagen wollte ich das auch mal probieren. Ich habe mich nicht getraut, ich hatte Angst es würde jemand bemerken. Aber ich war so neugierig, ob das wirklich so toll ist, wie Tommy immer erzählt hat. Da habe ich es noch im Internat mal gemacht. Es war wirklich ein schönes Gefühl. Nur Tommy hatte noch nicht geschlafen, wie ich gedacht hatte. Plötzlich meinte er zu mir, ob es mir Spaß macht. Ich war total erschrocken. Es war so peinlich. Er hatte es bemerkt, ich wäre am liebsten weggelaufen. Dann meinte er nur, dass er auch Lust hätte und seiner wäre auch schon steif. Ich war unsicher aber ich wollte auch weitermachen. Es fühlte sich so gut an. Dann haben wir beide weitergemacht und ich hatte plötzlich eine nasse Hose. Es war voll peinlich. Tommy merkte das und als er fertig war, erklärte er mir, wie das zu verhindern wäre mit der nassen Hose. Ich war total irritiert, er kann damit so locker umgehen, ich bin so unsicher. Ich möchte das aber noch mal machen. Es war nämlich ein schönes Gefühl.“

„Leif, mach dir keinen Kopf darüber. In eurem Alter ist das alles völlig normal. Wenn du Spaß an der Selbstbefriedigung hast, mach es so oft wie du möchtest. Auch mit Tommy zusammen, wenn ihr beide es wollt. Oder mit Nico. Es ist egal. Hauptsache jeder von euch tut nur das, was er wirklich möchte. Ich glaube aber, ihr solltet morgen mal in Ruhe darüber reden, was heute passiert ist. Schlaf jetzt erst mal eine Nacht drüber und wir reden dann morgen noch mal darüber. Du brauchst dich nicht zu schämen und auch keine Angst haben, dass Tommy oder Nico jetzt etwas Falsches denken. Und ich verspreche dir, wenn du willst, werde ich mit dir gemeinsam und den beiden reden. Es muss niemandem peinlich sein. Das gehört in der Pubertät dazu, dass man Dinge ausprobiert und auch mal etwas tut, was andere vielleicht nicht tun. Das heißt aber noch lange nicht, dass das dann gleich verboten ist.“ Jetzt nahm ich ihn in die Arme und fragte nur noch; „Möchtest du jetzt in dein Bett oder bei mir schlafen?“ Es war für ihn klar, dass er bei mir schlafen würde. Also gingen wir nun gemeinsam ins Bett. Leif schlief glücklich in meinen Armen innerhalb weniger Augenblicke ein. Ich hatte noch einiges länger zu kämpfen, aber ich schlief dann auch irgendwann ein. Wir konnten ja ausschlafen, Gott sei Dank.

Am nächsten Morgen wurde ich sehr niedlich geweckt. Leif lag in meinem Bett und kitzelte mich wach. Ich sah in seine wachen und offenen Augen. So gefiel mir mein Sohn schon wieder viel besser. Gestern hatte ich schon große Sorgen, dass er etwas wirklich Schreckliches erlebt hatte.

„Guten Morgen Kleiner, freut mich, dass du wieder besser gelaunt bist.“ Wir tobten noch ein wenig im Bett und wir fingen sogar eine kleine Kissenschlacht an. Was für eine Situation! Ich merkte, wie sehr ich das genoss. Es war schon Ewigkeiten her, dass wir gemeinsam sowas gemacht hatten. Für ihn musste das auch sehr toll gewesen sein. Wir vergaßen ein wenig die Zeit, als ich dann doch irgendwann auf die Uhr sah, war es bereits halb zwölf. Ich schickte Leif rüber in sein Zimmer zum Duschen, ich ging in mein Bad und tat das Gleiche. Frühstück fiel also heute mal aus für uns. Nachdem ich mich angezogen hatte, schaute ich mal nach den anderen. Irgendwie war niemand da, also ging ich zu Leif und schaute mal was er so machte. Ich klopfte und als ich eintrat, zog er sich gerade seinen Pullover über. Auch Tom und Mika waren unterwegs. Tom hatte mir eine Nachricht geschickt, dass er mit Mika bei Verwandten vorbei fahren wollte. Tommy hatte mir eine SMS geschickt, dass er mit Nico wieder in den Wald ist. Sie wollten um eins zum Essen zurück sein. Leif sah mich nun an und ich spürte, dass etwas seit gestern passiert war. Er wollte mit mir nach draußen. Ich stimmte zu und wir machten uns auf den Weg. Draußen sagte er zu mir:

„Papa, ich bin so froh, dass du gestern zu mir gekommen bist. Ich hatte Mika nämlich verboten dir Bescheid zu sagen. Ich weiß nicht, was ich dann gemacht hätte.“

Ich wollte Mika jetzt nicht so einfach bloßstellen, deshalb antwortete ich: „Bedank dich bei Mika. Er hatte mir trotz deines Verbotes Bescheid gegeben. Er hatte große Angst um dich und ist deshalb zu uns in den Garten gekommen. Du solltest dich bei ihm bedanken.“

Leif wurde nun etwas verlegen und ich nahm ihn in den Arm. Ich wollte, dass er spürt, wie normal es für mich war und heute eben ein neuer Tag war. Dann sagte er zu mir:

„Papa, ich würde gerne mit dir zusammen nachher mit Tommy und Nico sprechen. Hast du Zeit für mich?“

Ich sah ihn nun verwundert an: „Natürlich habe ich dafür Zeit. Und wenn ich keine Zeit hätte, dann würde ich mir Zeit nehmen. Das musst du dir merken, wenn du solche Probleme hast, werde ich da sein. Zur Not auch von überall her. Hast du das verstanden Leif?“

Er schien es begriffen zu haben, denn er kuschelte sich an mich und wir gingen einfach den Feldweg weiter und schwiegen. Er genoss diesen Moment spürbar. Allerdings ging es mir genauso. Dann plötzlich kam ihm eine Idee.

„Kommst du mit in den Wald? Ich will dir zeigen wo wir gestern waren. Ich vermute, Tommy und Nico sind da jetzt auch wieder. Da gibt es nämlich einen kleinen Fluss durch den Wald.“ Er hatte leuchtende Augen, da konnte ich ja jetzt nicht nein sagen. Wir gingen also einige Minuten über kleine Wege durch den Wald. Dann kamen wir an einen kleinen Bach und da gab es eine kleine Holzhütte. Ich nahm an, es war eine Waldarbeiterhütte oder so etwas. Jedenfalls schien Leif sich schon ganz gut auszukennen. Er gab mir ein Zeichen leise zu sein. Wir schlichen uns an die Hütte heran und er hatte recht. Mika und Tommy saßen auf der anderen Seite der Hütte auf einem Steg und ließen ihre Füße ins Wasser baumeln. Sie hatten uns noch nicht mal bemerkt. So standen wir hintereinander hinter der Hausecke und beobachteten die beiden. Sie saßen eng nebeneinander und unterhielten sich. Wie wir schnell bemerkten, redeten sie über Leif und das, was gestern passiert war. Tommy war noch immer davon beeindruckt. Er sprach mit leiser Stimme:

„Es war schon blöd gestern. Warum ist er bloß so weggerannt. Ich wollte doch nur, dass er sieht, wie sehr wir ihn noch mögen. Ich weiß doch, wie groß seine Angst ist, wieder einen Freund zu verlieren durch unsere Freundschaft.“

„Ich bin auch echt traurig. Hoffentlich hat Marc ihm geholfen. Wir müssen nachher unbedingt mit ihm sprechen. Wenn er das meinen Eltern oder Tim morgen erzählt, wird’s ungemütlich für mich.“

„Meinst du echt, Leif würde uns verpetzen? Ich meine, was wäre denn wenn Marc wüsste was passiert ist. Also so alles halt. Das wäre doch voll peinlich. Ich meine, er weiß schon was zwischen uns ist, aber dass was wir gestern machen wollten, muss er nicht wissen. Das wäre echt peinlich.“

„Tommy, ich mag dich echt sehr. Aber ich will nicht, dass Leif darunter leidet. Wir müssen doch einen Weg finden können, zusammen zu sein, ohne dass es immer so endet.“

Tommy legte seinen Arm um Nico und sagte: „Ja, sehe ich auch so. Ich will, dass Leif mein bester Freund bleibt und wir dennoch auch zusammen sind. Das muss doch gehen. Außerdem, Nico, ich muss dir noch etwas sagen. Ich habe da ein kleines Geheimnis mit Leif.“

Nico sah ihn nun an und ich wollte jetzt nicht, dass Tommy das erzählen würde. Ich hatte nämlich eine Ahnung. Deshalb schubste ich Leif einfach ein bisschen nach vorne und damit schreckten die beiden derart hoch, dass Nico einen Satz in den Fluss machte. Mit einem großen Platscher fiel er ins Wasser.

Tommy reif laut aus: „Leif, Marc, wo kommt ihr denn her? Habt ihr uns erschreckt.“

Wir lachten uns tot, weil Nico fluchte wie ein Rohrspatz, denn er hatte eine etwas nasse Hose. Wobei etwas nass schlicht untertrieben war. Er war bis auf die Unterhose nass. Entsprechend fluchend kletterte er wieder auf den Steg. Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, schickte ich Nico ohne weitere Diskussion Richtung Hotel. Er musste sich etwas anderes anziehen. Da ich mit Tommy allein mal reden wollte, schickte ich Leif mit Nico los. Wir würden gleich nachkommen. Tommy merkte recht schnell, auf was das Ganze hinauslaufen würde. Ich setzte mich allerdings erst mal in aller Ruhe auf den Steg. Tommy wollte eigentlich schon aufbrechen, aber als er merkte, dass ich keine Anstalten machte aufzustehen, setzte er sich wortlos neben mich. So saßen wir schweigend einige Minuten dort in der Mittagssonne.

„Leif hat es erzählt, oder?“, damit brach er sein Schweigen. Er war sehr traurig und auch verängstigt. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und antwortete ihm:

„Leif hat mir etwas erzählt, ja. Ob er „es“ damit erzählt hat kann ich nicht sagen.“

„Und jetzt? Was denkst du nun von uns?“

„Ich denke, dass ihr Leif dankbar sein solltet, dass er sich überwunden hat zu mir zu kommen.“

Tommy schwieg darauf einen Moment. Dann wurde er sichtlich unruhiger.

„Was hat er erzählt? Ich meine, wir wollten ihm nicht wehtun. Wir wollten nur, dass er merkt, wie sehr wir ihn mögen als Freund. Ich weiß ja, dass er Angst hat wieder einen Freund zu verlieren. Aber das ist doch Unsinn. Wir wollen weiterhin Freunde sein. Ich will ihn als besten Freund nicht verlieren. Ich wollte ihm das nur zeigen. Dann ist er weggelaufen. Wir haben gar nicht verstanden warum er plötzlich weglief.“

Ich sah ihn an und innerlich war ich schon etwas aufgewühlt, dennoch wollte ich ruhig bleiben und versuchen mit ihm eine Klärung der Situation herbeiführen.

„Tommy, ich glaube das ist nur ein Teil der Geschichte. Ich denke du hast mit Leif auch noch eine andere Baustelle. Das hat diese Sache nicht unbedingt einfacher gemacht.“ Jetzt hatte er begriffen, dass mir Leif wirklich alles erzählt hatte. Er begann schneller zu atmen und einige Angstschweißtropfen standen plötzlich in seinem Gesicht.

„Er ... Er hat das ... auch erzählt. Bitte nicht. Das hätte ich nicht gedacht.“ Er saß nun sehr niedergeschlagen und zusammengesunken neben mir am Steg.

„Tommy, es gibt keinen Grund jetzt Panik zu haben oder gar auf Leif sauer zu sein. Er hat alles richtig gemacht. Ich denke auch, dass ihr nichts wirklich falsch gemacht habt. Nur Leif ist noch nicht so weit wie du. Er hat noch kein Interesse an einer Beziehung oder vielleicht an partnerschaftlichen Sex. Im Gegenteil, das hat ihm Angst gemacht. Er fühlte sich bedrängt und wusste nicht mehr, was er machen sollte. Ihr wolltet ihm eure Freundschaft zeigen, für ihn war das einfach zu viel. Du hast ihm die Selbstbefriedigung erklärt und das es normal ist. Aber dabei hättest du merken können, wie unsicher Leif da noch ist. Er fängt erst an mit seiner Pubertät und ist auch längst nicht so locker im Umgang damit wie du. Ihr müsst viel mehr miteinander reden. Ich habe Leif gesagt, dass er auch mehr Vertrauen haben muss. Er kann immer zu euch kommen und auch zu mir, wenn es Probleme gibt. Einige Probleme solltet ihr erst mal besprechen, und einige Dinge sollten direkt mit mir besprochen werden. Ich habe vollstes Verständnis, dass dir die Sache mit der Selbstbefriedigung jetzt vielleicht unangenehm ist, aber ich habe damit kein Problem. Im Gegenteil, ich freue mich, dass Leif dir vertraut und ihr darüber reden könnt. Er ist nämlich lange nicht so offen damit wie du.“

Er sah mich nun unsicher an und leise sprach er: „Wird er weiter mein Freund bleiben? Ich will nicht, dass er jetzt Angst vor uns hat. Die letzten Male hat es immer so geendet. Wir wollten doch nur, dass er unser Freund bleibt und nicht außen vor ist.“

Ich legte jetzt meine Hand auf seine Schulter: „Also Leif will nichts mehr als euer Freund zu sein. Gerade zu dir hat er ein besonderes Verhältnis. Aber Nico hat ihn eifersüchtig werden lassen. Du musst ihm klarmachen, dass deine Beziehung zu Nico anders ist, als die Freundschaft zu dir. Er hat noch keine Erfahrung mit diesen Dingen. Für ihn sind Freundschaften noch viel wichtiger. Du willst aber auch schon mehr. Und Nico wohl auch. Das hat Leif verwirrt. Ihr müsst aufpassen, diese beiden Dinge nicht zu vermischen. Ich würde jetzt vorschlagen, dass du mit Nico erst mal klärst, wie das mit euch beiden nun ist. Dann solltest du mit Leif sprechen, denn er will keine Beziehung, er will deine Freundschaft. Das ist etwas anderes. Das musst du dir klarmachen. Leif hat mich gestern gebeten, mit euch zu sprechen. Er hat Angst vor diesem Gespräch mit dir. Sag ihm was du willst. Erkläre es ihm. Nur so wird diese Situation nicht in die falsche Richtung gehen. Und nimm dir weiterhin Zeit, mit Leif auch etwas alleine zu machen ohne Nico. Ihr könnt natürlich auch zusammen etwas unternehmen aber manche Dinge solltest du ohne Nico mit Leif machen. Das hilft ihm jedenfalls auch zu trennen zwischen deiner Beziehung zu Nico und der Freundschaft zu ihm. Verstehst du das, wie ich das meine?“

Tommy überlegte einen Moment und ich konnte spüren, wie sehr ihm das zu schaffen machte. Er nickte dann, stand auf und schaute mich an: „Ich werde es versuchen. Marc, kann ich dich etwas fragen?“

„Ja sicher.“

„Warum ist das so schwierig? Nico und ich mögen uns und wir mögen beide auch Leif. Leif mag doch auch uns beide. Warum können wir das nicht gemeinsam haben?“

„Darf ich dir vorher eine andere Frage stellen?“

„Ja klar“

„Ist Nico dein Freund? Seid ihr schwul?“

Er zögerte, ich spürte, dass ihm das jetzt unangenehm war. Dennoch gab er mir eine ehrliche Antwort: „Ich weiß nicht so genau. Ich empfinde für Nico ein anderes Gefühl als für Leif. Obwohl ich auch für Leif viele Gefühle habe. Ich glaube sogar, ich möchte mit Leif das auch machen, was ich mit Nico mache. Wenn ich Nico streichel oder er mir einen Kuss gibt ist das einfach nur schön. Ich genieße seine Nähe, genau wie bei Leif. Nur Leif würde mich nicht küssen. Das weiß ich auch. Ich würde das auch nicht tun, wenn er es nicht möchte. Ich glaube ich bin mir nicht sicher, ob ich schwul bin. Im Moment genieße ich das mit Nico.“

Wir gingen nun langsam Richtung Hotel zurück. Tommy ging neben mir her und ich ließ das erst mal so einen Moment stehen.

„Ich denke, das ist auch die Antwort auf deine Frage eben. Du musst für dich erst mal klären, was du von Nico möchtest und wie du zu Leif stehst. Ich kann dir nur so viel sagen, Leif möchte dich als besten Freund behalten. Er akzeptiert deine Beziehung zu Nico. Er mag Nico auch sehr, also klärt eure Verhältnisse und dann redet einfach über diese Dinge. Wenn du unsicher bist oder einen Rat brauchst, komm zu mir oder rede mit Tim und Manuel. Oder mit Mick und Lukas. Sie können dir sicher in diesem Punkt besser helfen. Nur eines noch. Leif ist noch nicht bereit für eine Beziehung. Er fängt erst an, sich mit seiner Pubertät zu beschäftigen. Du überforderst ihn noch mit deinen Gefühlen für ihn. Sei also etwas zurückhaltender. Ich habe ihm aber auch gesagt, dass er dir das sagen muss, wenn es unangenehm für ihn wird. Für mich ist diese Geschichte eigentlich gar nicht so schwierig, es gehört zum Erwachsenwerden dazu. Und eines noch: Solltest du für dich entdecken, dass du schwul sein solltest und Nico dein Freund ist, habe ich damit überhaupt kein Problem. Wäre ja auch zu komisch, einen schwulen Sohn haben, den zu unterstützen und dann den besten Freund vom anderen Sohn nicht akzeptieren. Geht ja mal gar nicht.“

Wir mussten beide lachen. So gefiel mir Tommy schon wieder viel besser. Wir waren jetzt fast am Hotel als Tommy noch mal kurz stehen blieb:

„Danke für das Gespräch. Ich werde versuchen etwas daraus zu lernen und ich werde mit Leif reden.“

„Mach das, und wenn du mit Nico deine Gefühle mehr ausleben willst, denkt daran euch zu schützen.“ Dabei grinste ich ihn an. Er bekam große Augen und meinte sofort:

„Keine Angst, so weit sind wir noch lange nicht. Ich habe da mit Leif eigentlich mehr gemacht als mit Nico bisher.“ Ich legte ihm meinen Arm um und dann war das für uns beendet. Als wir in unserer Suite ankamen, saßen Nico und Leif im Wohnzimmer und spielten sehr gelöst mit der Playstation. Nico sah zu uns und stand auf. Er ging auf Tommy zu und sie umarmten sich intensiv. Dann drehte sich Nico zu mir um, ich wollte eigentlich schon in mein Zimmer gehen, und sagte: „Marc, warte bitte einen Moment. Ich möchte auch etwas sagen.“

Ich schaute ihn nun an und nickte ihm zu. Er begann direkt mit den Worten: „Ich habe mit Leif gesprochen und es tut mir leid, dass wir Leif gestern so weh getan haben. Wir wollten eigentlich genau das Gegenteil von dem machen. Ich will aber auch sagen, dass ich Tommy sehr mag und ich mir wünschen würde Tommy würde mein Freund und Leif bleibt ein guter Freund von uns. Ich will damit sagen, also ..., ich bin schwul und habe mich in Tommy verliebt.“ Dann nahm er Tommy in die Arme und gab ihm einen Kuss. Ich sah Leif an und konnte sein Grinsen erkennen. Ich glaubte wir waren auf einem guten und richtigen Weg.

„Nico, wie du ja weißt, habe ich damit keine Probleme, und wenn du mit Leif alles geklärt hast, dann wünsche ich euch viel Glück und regelt eure Beziehungen klar und eindeutig. Tommy weiß was ich meine. Du hast ja mit Tim auch einen kompetenten Bruder. Da fällt mir ein, wir müssen in einer Stunde zum Flughafen aufbrechen. Du solltest mit Tommy davor noch einiges klären, damit ihr wisst, wie ihr das weiterhin regeln wollt. Ich gehe jetzt was essen. Kommt jemand von euch mit? Sagen wir in zehn Minuten hier treffen.“ Dann ging ich in mein Zimmer. Ich musste mich jetzt erst mal hinsetzen und nachdenken. Ich hatte gerade herausbekommen, dass Nico und Tommy wohl unser nächstes Pärchen würde und dass Leif wohl da noch kein Interesse hatte. Vielleicht würde sich Leif ja auch mal für die Mädels interessieren. Irgendwie nur Jungs fänd ich doch etwas einseitig. Aber gut, es wird so werden wie es wird. Allerdings merkte ich auch, dass mir Lukas und Mick auch schon ein wenig fehlten. Ich beschloss also erst mal bei den beiden anzurufen und mit ihnen zu sprechen. Sie wollten sich ja ein paar schöne Tage machen. Ich nahm mein Handy und rief bei Mick an. Leider ging direkt seine Mailbox an, dass wunderte mich jedoch etwas. Mick stellte sein Handy eigentlich nie aus. Naja, vielleicht war auch sein Akku leer. Also versuchte ich Lukas mal zu erreichen aber auch da direkt die Mailbox. Innerlich musste ich schmunzeln. Mir kam der Gedanke, vielleicht waren sie auch gerade mit schönen Dingen beschäftigt und wollten ungestört sein. Komisch, dieser Gedanke löste bei mir ein richtiges Lächeln aus.

Wie dem auch sei, bevor wir zum Flughafen fuhren, wollte ich noch Nahrung aufnehmen. Deshalb schaute ich kurz im Wohnzimmer vorbei, ob jemand mit kommen würde. Tom und Mika waren ja noch nicht wieder zurück. Die Jungs waren aber nicht zu sehen, ich ging zu Tommys Zimmer, klopfte an und nach dem „Herein“ öffnete ich die Tür. Ich sah drei Jungs, die sich angeregt unterhielten und mich etwas überrascht ansahen.

„Essen?“, fragte ich nur kurz.

Nico stand nun auf, kam zu mir und sagte: „Ja, ich komme mit, die beiden hier bleiben noch etwas. Aber wenn ich jetzt nicht esse, sterbe ich nachher vor Hunger.“ Dabei lachten wir alle zusammen. Leif sah auch wieder normal aus. Also schien es ein Gespräch zu sein, das beide wieder zusammen bringen würde. Ich sagte noch Bescheid, dass wir nach dem Essen direkt fahren würden und wir uns dann erst später sehen würden. Sollte irgendwas sein, hatte ich ja mein Handy dabei.

Damit verschwanden Nico und ich und gingen etwas essen. Nico sagte nicht viel, er war sehr nachdenklich. Auch beim Essen. Ich wollte ihn aber auch nicht bedrängen.

„Sag mal, freust du dich, dass Tim auch mitkommt?“

„Ja schon, aber ich habe auch ein wenig Bammel davor.“

„Warum das denn? Habe ich irgendwas verpasst.“

„Naja, ich will ihm schon sagen, was mit Tommy und mir ist. Und das ist doch nicht so einfach, wie ich gedacht habe. Eben bei dem Gespräch mit Leif spürte ich doch mehr Angst, als ich erwartet habe.“

„Hast du mit Tommy und Leif etwas klären können? Zumindest so, dass ihr wieder fröhlich miteinander zusammen sein könnt?“

„Ja, ich denke schon. Ich hoffe es wird für Leif nicht zu schwer. Tommy ist sein bester Freund und der hat sich ausgerechnet einen anderen guten Freund ausgesucht als Boy-Friend, das ist nicht so toll. Aber was sollen wir machen? Ich habe ihm versprochen, Tommy wird weiterhin sein bester Freund bleiben. Und ich will auch weiterhin sein Freund sein. Ich hoffe wir bekommen das hin.“

„Also wenn ihr endlich aufhört euch gegenseitig was vorzumachen und einfach ehrlich miteinander seid, dann ganz bestimmt. Außerdem habt ihr doch mit Mick, Lukas, Manuel und Tim einige gute Ratgeber.“

Jetzt schaute er mich doch etwas überrascht an und ergänzte: „Du solltest dich nicht vergessen. Ohne dich wäre hier doch schon alles vorbei gewesen. Ich bin einfach nur so froh, dass Leif wirklich zu dir gekommen ist und alles erzählt hat.“

„Nein, eigentlich war es ja Mika. Der hat sich nämlich überwunden zu uns zu kommen. Sonst wäre das wohl anders gelaufen.“

Nico nickte schweigend und wurde wieder sehr nachdenklich. Deshalb ließ ich ihn ein wenig in seinen Gedanken reisen. Das Essen hatten wir mittlerweile beendet und waren schon ein paar Minuten auf der Autobahn Richtung Flughafen. Ich wollte nun noch mal versuchen, Mick zu erreichen. Die Freisprechanlage wählte also Micks Nummer, unverändert direkt die Mailbox. Das Gleiche bei Lukas. Irgendwie wurde ich doch etwas unruhig. Das war schon merkwürdig. Ich ließ mir jedoch nichts anmerken und die schwere Limousine glitt leise über die Autobahn. Nico saß immer noch sehr nachdenklich neben mir.

„Marc, ich habe noch eine Frage. Als Leif mit dir über Tommy und mir gesprochen hatte, was hast du da gedacht? Ich meine, Tommy hat ja immerhin mit Leif auch schon über Selbstbefriedigung gesprochen und er wusste doch von Mick auch, wie das ist, schwul zu sein.“

„Darum ging es ja gar nicht. Er war einfach überfordert mit seinen Gefühlen. Ihr habt einfach zu viel von ihm gefordert. Er will doch nur, dass Tommy sein bester Freund bleibt und du sein Freund. Er hatte übrigens mit Tommy nicht nur über Selbstbefriedigung geredet. Ich weiß auch, dass sie es gemeinsam gemacht haben. Also das musst du nicht verheimlichen. Sei beruhigt, ich finde das wie schon gesagt, alles ganz normal. Mach dir nicht so viele negative Gedanken. Du solltest mit Tim übrigens offen umgehen. Sag ihm, was bei dir los ist, und redet darüber. Er wird es eh irgendwann mitbekommen, was zwischen dir und Tommy läuft. Da fällt mir ein, was ist mit deinen Eltern? Wissen die schon, dass du auch schwul bist?“

„Nein, ich habe es erst hier so richtig erkannt und für mich akzeptiert. Also das wird auch noch anstehen, wenn wir zurück sind. Aber ich glaube das wird nicht so schlimm. Tim unterstützen sie ja auch weiterhin. Trotzdem, ein komisches Gefühl ist es schon.“

„Ach das wird schon gut gehen. Ich jedenfalls wünsche euch alles Gute dafür und ihr könnt immer zu mir kommen, wenn was ist. So, jetzt wollen wir mal sehen, dass wir für Manuel einen guten neuen Job vorbereiten können.“

„Danke noch mal für deine Hilfe, ich bin wirklich froh, dass du uns so geholfen hast. Denkst du, dass Manuel wirklich bei euch im Team arbeiten kann?“

„Ja mal sehen. Er macht einen fitten Eindruck und seine Noten sind exzellent. Er muss natürlich Lust dazu haben, weil er wird viel unterwegs sein und es wird auch recht stressig sein.“

„Also Tim meinte nur, dass sich Manuel tierisch über dieses Angebot gefreut hat. Er war total aus dem Häuschen. Tim hat mir das am Telefon erzählt und auch seine Mutter war wohl auch froh darüber. Ich finde Manuel hat es verdient eine Chance zu bekommen. Er hat mir auch schon viel geholfen.“

„Du magst ihn auch sehr, oder? Du vertraust ihm. Damals als du mit Tims Homosexualität Probleme hattest, hat er dir geholfen, oder?“

„Ja, absolut. Ohne Manuel hätte das viel länger gedauert. Er hat mir auch in der Schule geholfen.“

Ich spürte eine große Anerkennung für Manuel von Nico. Ich glaubte, Nico fuhr auch nicht nur wegen Tim mit zum Flughafen, sondern Manuel war für ihn ein besonderer Freund. Wir kamen nun auf dem Flughafenparkplatz an. Wir stiegen aus und ich schloss das Auto ab. Dann liefen wir Richtung Ankunft Terminal. Wir hatten noch ungefähr eine viertel Stunde Zeit. Deshalb versuchte ich erneut Mick anzurufen. Er war immer noch nicht erreichbar. Nico wurde jetzt doch darauf aufmerksam und fragte mich: „Sag mal Marc, wen versuchst du eigentlich ständig anzurufen. Du bist ja schon ein wenig nervös. Ist irgendwas passiert?“

„Nein, ich versuche nur Mick anzurufen und sein Handy ist aus, seit über eine Stunde schon. Das kenne ich gar nicht von ihm. Auch Lukas Handy ist aus. Das macht mich schon etwas stutzig.“

Nico wusste jetzt auch nicht so richtig, was er sagen sollte und meinte nur ich sollte mir nicht zu viele Sorgen machen. Vielleicht seien sie auch nur beschäftigt und wollten ihre Ruhe haben. Dabei musste ich einfach nur lachen. Ich hatte ja denselben Gedanken schon gehabt.

Es kam nun eine Ansage, dass der Flug mittlerweile gelandet sei und die Passagiere am Gate 3 ankommen würden. Also gingen wir zu Gate 3 und warteten dort. Wenige Minuten später sah ich Manuel mit einer Tasche in der Hand durch die Tür kommen. Tim war nicht dabei. Das wunderte mich, aber da kam er doch noch und dann blieb mir fast die Luft weg. Ich konnte kaum glauben, was ich sah. Neben Tim gingen zwei junge Männer, die mir sehr bekannt vorkamen. Jetzt verstand ich auch, warum ich Mick nicht erreichen konnte. Sie gingen nämlich gerade seelenruhig neben Tim auf uns zu. Sie grinsten mich beide an und auch Nico war wohl die Überraschung in die Glieder gefahren. Er stand nämlich mit offenem Mund einfach neben mir.

„Was ist denn das für ne Nummer? Hallo ihr vier. Jetzt habt ihr mir aber wirklich eine Überraschung gemacht.“

Mick strahlte mich an und sagte: „Hallo Papa, wir hatten Langeweile und Tim meinte dann, wir sollten doch einfach mitkommen. Ich hoffe das gibt keinen Stress jetzt.“

Ich lachte ihn an, denn irgendwie fand ich das doch toll. Meine „Großen“ hatten sich spontan entschlossen herzukommen. Das hatte ich ihnen überhaupt nicht zugetraut. Das würde jetzt zwar etwas mehr Aufwand geben aber egal. Ich freute mich wirklich darüber. Ich begrüßte auch die anderen drei sehr herzlich, Nico war richtig glücklich seinen großen Bruder zu sehen. Sie umarmten sich sehr intensiv. Wir gingen dann gemeinsam zum Auto. Jetzt würde es etwas eng werden. Denn eigentlich war die Limousine ja nur für fünf Personen ausgelegt. Egal, das ging jetzt nicht anders. Nico, Tim, Lukas und Manuel mussten sich hinten etwas beengt setzen. Da war die Limousine aber doch groß genug für eine kurze Strecke zurück zum Hotel. Jedenfalls war eine ausgelassene Stimmung im Auto und wir waren schnell zurück im Hotel. Ich kümmerte mich als Erstes um ein weiteres Doppelzimmer für Mick und Lukas. Der Concierge schaute schon etwas belustigt, als ich ihm mein Anliegen vortrug. Aber es gab keine Schwierigkeiten ein zusätzliches Zimmer zu bekommen. Die Jungs gingen zuerst mal auf ihre Zimmer und machten sich frisch. Leif hatte ich noch gar nicht sagen können, wer noch mitgekommen war. Deshalb ging ich in Tommys Zimmer, wo die beiden auf uns warteten. Sie saßen bei Tommy auf dem Sofa und unterhielten sich. Nico stand hinter mir und Tommy umarmte ihn zur Begrüßung.

„Na ihr beiden, wir sind wieder da und haben eine Überraschung mitgebracht. Mick und Lukas sind auch hier.“

Jetzt staunte Leif aber nicht schlecht. So machten wir uns noch einen richtig gemütlichen Abend, und wenn Manuel und ich nicht schon um acht beim Briefing sein müssten, wäre es wohl eine lange Nacht geworden. So sind wir aber um halb elf alle Mann ins Bett.

Der Weckdienst meldete sich bei mir um halb sieben. Heute sollte ein Test mit einigen neuen Teilen am Einsatzfahrzeug für das kommende Wochenende stattfinden. Wir hatten geplant, den ganzen Tag mit dem ganzen Team Testfahrten zu machen. Als Fahrer wahren Tom, Marcel und ich vorgesehen. Marcel war Schweizer und einer der jüngeren Piloten aus dem zweiten Werksauto. Wir hatten diesmal auch nicht unsere Testmannschaft hier, sondern das Rennteam, da wir ja am kommenden Wochenende ab Donnerstag das Rennen hier hatten.

Manuel, Tom und ich trafen uns wie verabredet um sieben zum Frühstück. Manuel begrüßte mich schon ziemlich wach am frühen Morgen. Wir saßen nun am Tisch und ich gab ihm einige kleine Vorabinformationen, welche Personen für ihn heute wichtig waren. Tom stellte ich ihn ebenfalls vor und erklärte, warum Manuel hier war. Wir sollten um acht in der Box sein. Dort würde unser Chefmechaniker Manuel in Empfang nehmen und ihn in den Tag einweisen. Wir hatten in der Zeit eine Teambesprechung und ab zehn Uhr sollte dann mit dem Fahren begonnen werden. Meine Jungs konnten also erst mal noch etwas länger schlafen. Wir gingen nach dem Frühstück hinüber zur Strecke. Dort begrüßten wir unsere Truppe. Wolfgang war schon startbereit und ich stellte ihm zuerst einmal Manuel vor. Wolfgang empfing ihn sehr freundlich und Manuel war sichtlich nervös. Ich verabschiedete mich vorläufig von ihm und gab ihm noch einen kurzen Rat mit auf den Weg:

„Manuel, du bist neu hier. Das weiß auch jeder von unseren Leuten. Also wenn du dir nicht sicher bist, was du machen sollst, frage die Jungs. Hier ist jedes Teil extrem teuer. Also jedes Teil was kaputt geht kostet eine Menge Geld. Deshalb frage einmal mehr als zu wenig. Markus unser Chefmechaniker wird dir sehr genau erklären, was deine Aufgabe sein wird. Also halte dich einfach an die Vorgaben und alles wird gut. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Ansonsten viel Spaß.“

„Danke, Marc. Hoffentlich kann ich das auch alles bewältigen. Ich werde mir jedenfalls Mühe geben, das zu schaffen. Sehen wir uns zwischendurch mal?“

„Ja sicher. Wir werden ja mit euch gemeinsam mit dem Auto zu tun haben. Nur werden wir nicht viel Gelegenheit haben, über Privates zu reden. Aber das merkst du schon recht schnell, wie das hier abläuft. Also halte dich erst mal an Markus.“ Dann trennten wir uns. Ich ging zum Teammeeting und Manuel wurde von Markus begrüßt und zu den Mechanikern gebracht.

Mittlerweile waren unsere Besprechungen alle beendet und wir Fahrer machten uns fertig, um in die Autos zu steigen. Wir hatten beide Einsatzfahrzeuge schon vor Ort und es sollten auch beide Fahrzeuge mit unterschiedlichen Programmen gefahren werden. Die Motoren wurden bereits angewärmt und von daher kam nun richtig Leben an die Strecke. Ich konnte in der Box sehen, wie Manuel bereits in Teamkleidung sich darum kümmerte, die Reifen zu markieren und in die Listen einzutragen. Also sollte er erst mal in der Reifen-Crew mitarbeiten. Einer unserer Mechaniker schaute ihm dabei hin und wieder über die Schulter. Jetzt sah ich auch, wie meine Jungs Richtung Strecke kamen. Sie wurden am Eingang von unseren Sicherheitsleuten in Empfang genommen und durften dann die Boxen betreten. Dort nahm ich sie in Empfang. Ich erklärte ihnen, dass sie sich aus dem direkten Umfeld der Autos fernhalten sollten. Außerdem sollten sie keine Fotos oder Videos machen, ohne vorher um Genehmigung zu fragen. Wir wollten neue Teile testen, da wäre das einfach zu gefährlich. Aber Mick und Leif kannten das ja schon. Nico hatte sich das schon gedacht und von daher sollte das also kein Problem werden. Mittlerweile saß Marcel im ersten Auto und ließ sich festschnallen. Er sollte einige Motorentests fahren. Ich hatte die Aufgabe neue Reifen zu probieren. Ich ließ mir vom Reifeningenieur die wichtigen Dinge erklären und dann stieg ich ein, ließ mich ebenfalls festschnallen und dann legte ich den ersten Gang ein. Ich checkte noch die Funkverbindung und dann rollte ich los. Meine Jungs standen nun an der Boxenmauer und beobachteten die Strecke und die Monitore. Wolfgang saß am Kommandostand und ich gab über Funk alle wichtigen Daten weiter. Alle Parameter waren in Ordnung und ich begann die Reifen auf Temperatur zu bringen. Marcel war ja schon einige Zeit vor mir auf die Strecke gegangen und von daher schaute ich immer wieder mal in den Rückspiegel. Ich fuhr nun hinter der „Eau Rouge“ den Berg hinauf und war noch recht langsam, als Marcel im Spiegel schon auftauchte. Er hatte schon Renntempo erreicht und flog an mir vorbei. Ich sollte nun zwei Runden fahren, reinkommen, Reifen checken und dann 30 Runden am Stück fahren. Nach den beiden Runden kam ich rein und die Crew führte alle möglichen Messungen durch. Nach wenigen Minuten fuhr ich wieder raus. Jetzt also 30 Runden am Stück. Wolfgang meldete sich über Funk und gab eine feste Rundenzeit vor, die nach Möglichkeit konstant zu fahren sein. Also dann mal los. Das Auto lief wirklich hervorragend. Marcel war mittlerweile wieder an die Box zurück und ließ einiges an neuen Teilen montieren.

Mick: An den Boxen in Spa

Also für Leif und mich war das hier ja nicht so wirklich etwas Neues, allerdings für die anderen war das richtig spannend und Nico war damit beschäftigt, Tommy und Leif genau zu erklären was hier ablief. Papa war schon einige Runden gefahren, Tim stand neben mir und war total beeindruckt, mit welch einem Aufwand hier gearbeitet wurde. Tim hatte natürlich auch immer ein Auge auf Manuel. Ich glaubte er war mittlerweile nervöser als Manuel. Lukas stand bei den „Kleinen“ und ließ sich von Nico alles Mögliche erklären. Tim fragte mich jetzt:

„Sag mal, wie ist das eigentlich, wenn hier beim Testen etwas passiert? Beim Rennen sind doch überall Posten und ein Medical-Center in Betrieb.“

Darüber musste ich schmunzeln, „also beim Testen ist hier alles genau wie beim Rennen. Nur mit etwas weniger Personal. Aber es wird ein Heli bereitgestellt und auch die Posten an der Strecke werden dort sein. Die Sicherheit muss gewährleistet sein, ansonsten dürfte hier nicht gefahren werden.“Jetzt kam Lukas auch zu uns und wir gingen nach hinten in die Box hinein. Dort konnten wir Manuel beobachten, wie er immer wieder verschiedene Reifen bereitstellte. Die wurden dann in Heizdecken gesteckt, um bei Bedarf sofort montiert werden zu können. Wie ich das beurteilen konnte, war Manuel recht gut integriert und arbeitete gut mit. Allerdings was ich auch beobachten konnte, war das Nico und Tommy immer zusammen standen. Leif unterhielt sich oft mit Mika und kam jetzt auch zu uns rüber.

„Hi, na was macht ihr hier so? Vorne erklärt Nico wirklich alles. Tommy ist schon ganz gefesselt.“ Dabei grinste er über sein ganzes Gesicht. Ich wollte ihn gerade etwas fragen, als ein wenig Unruhe in die Box kam. Eins der Autos sollte zum Check in die Box kommen. Die Boxen Crew stellte sich vorne bereit, um das Auto in Empfang zu nehmen. Wir gingen jetzt ein paar Schritte weiter nach hinten, um nicht im Weg zu stehen. Dann sahen wir das Marcel mit seinem Fahrzeug in der Box zum Stehen kam. Papa fuhr weiterhin seinen Run, um die Reifen an die Grenze der Haltbarkeit zu bringen. Manuel rollte nun zwei Reifen nach vorne. Die Crew entfernte sofort die Heizdecken und sie wurden montiert. Manuel war wirklich gut dabei. Jetzt kam Markus, der Chefmechaniker zu ihm und sie sprachen irgendwas miteinander. Sie hatten eine Liste, über die sie schauten. Es war aber einfach zu laut um mitbekommen zu können, was genau sie sprachen. Der erste 30 Runden Turn ging langsam zu Ende und Papa musste in den nächsten Runden neuen Diesel tanken. Außerdem sollten alle Daten ausgelesen werden. Das konnte ich über den Boxenfunk hören. Denn ich hatte als Einziger einen Kopfhörer auf, der es mir ermöglichte alles mitzuhören. Dann hörte ich Papa sagen:

„Leute ich komme jetzt rein, mein Sprit geht zur Neige.“

Wolfgang reagierte sofort: „Nein Marc, bleib draußen, wir wollen genau wissen, wie viel Sprit wirklich noch zur Verfügung ist, wenn die Reserve leuchtet. Zwei Runden sollten noch gehen.“

Papa bestätigte dies und jetzt ging ich nach vorne. Tommy und Nico standen immer noch neben dem Kommandostand und wichen sich keinen Meter von der Seite. Das fand ich schon ungewöhnlich. Selbst Leif war immer wieder mal bei uns oder ging durch die Boxen. Ich ging also mal zu ihnen nach vorne. Ich stellte mich hinter die beiden und nahm eine Seite des Kopfhörers vom Ohr. Ich konnte also jetzt mitbekommen, über was sie gerade sprachen. Sie hatten mich noch gar nicht bemerkt. Tommy fragte Nico gerade:

„Sag mal, hast du Tim schon was erzählt? Oder weiß er noch nichts von uns?“

„Nein, ich habe noch keinem etwas erzählt. Es war noch nicht passend dafür. Deshalb will ich noch warten bis später.“

Ich bekam das genau mit und war etwas verwundert. Was sollten wir von ihnen schon wissen? Ich tippte den beiden jetzt auf die Schulter und sie zuckten zusammen. Ich grinste sie an und fragte:

„Na Tommy, erklärt dir Nico alles ganz genau?“ Tommy schaute mich fast erschrocken an und gab zur Antwort: „Oh, hallo Mick. Wir haben dich ja gar nicht bemerkt. Ja, Nico weiß echt viel. Ich finde das hier so cool gerade.“

„Und was sollte Nico Tim von euch erzählen? Habe ich was verpasst?“ Nico wurde jetzt richtig unruhig und Tommy wiegelte gleich ab:

„Ach nichts, wirklich. Wir haben hier ja nun schon einiges gemacht. Da wollten wir Tim von berichten.“

Irgendwie hatte ich das Gefühl, das wäre nur eine Ausrede. Ich beließ es aber dabei. Denn jetzt kam Papa in die Box. Alle standen bereits parat und er rollte präzise an die Markierungen. Allerdings war ich etwas verwundert, er stellte den Motor ab und schnallte sich ab. Das Auto wurde rückwärts in die Box geschoben. Papa stieg dann sogar aus. Er nahm seinen Helm ab und der Ingenieur sprach mit ihm. Ich konnte sehen, dass sie eine angeregte Diskussion führten. Irgendwas war nicht zufriedenstellend gewesen. Wenige Minuten später kam Papa zu uns nach vorne. Er nahm mich in den Arm und fragte uns: „Na Jungs, ist euch nicht langweilig?“ Tommy antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Langweilig? Spinnst du, das ist doch so geil hier. Nico weiß echt viel und ich kann immer noch nicht glauben, was hier so passiert.“ Nico lächelte etwas verlegen. Papa erwiderte: „Dann ist ja alles ok. Wir müssen jetzt erst mal einige Dinge reparieren. Wir haben ein Problem mit dem Spritverbrauch. Der ist viel zu hoch und wir wissen nicht warum. Also habe ich einen Moment Pause. Ich gehe mal zu Manuel rüber.“ Tommy sah Papa nun hinterher und ich ging mit ihm mit.

„Papa, wie läuft es so? Wird das ein größeres Problem?“

„Nein, ich denke nicht. In ein paar Minuten werden wir sicherlich wieder weiterfahren.“ Wir standen jetzt in der Box und die Crew hatte die Motorabdeckung abgenommen und es wurde fleißig geschraubt. Papa sprach mit dem Ingenieur und dann ging er zu Manuel. Manuel war sichtlich angespannt. Papa sprach mit ihm und sie lachten sogar beide etwas. Das tat Manuel sichtlich gut. Papa nahm sich eine Flasche Wasser und kam wieder zu mir. Wir standen nun vor der Box und ich unterhielt mich mit ihm über die letzten Tage. Tim kam auch zu uns und Papa erklärte ihm, dass Manuel wohl bisher einen guten Job machte. Das war für Tim eine echte Beruhigung. Allerdings sprach Tim den Gedanken jetzt aus, was ich schon die ganze Zeit beobachtet hatte.

„Marc, ich weiß, es ist vielleicht nicht der richtige Moment aber habe ich irgendwas verpasst, was Nico und Tommy betrifft?“ Papa bekam nun ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht. Er antwortete:

„Nun, ich weiß nicht, ob ich dazu jetzt etwas sagen sollte. Frage sie doch einfach mal.“ Dabei bekam Papa ein für mich eindeutiges Minenspiel. Ich wusste nun, dass hier irgendwas passiert war.

Da wir hier ja in der Öffentlichkeit mit Presse waren, konnten Lukas und ich uns nicht so offen zeigen, wie wir das gerne hätten. Papa hatte aber uns allen gestern noch geraten, sich nicht offen schwul zu zeigen. Gerade für mich und Lukas galt das. Tim und Manuel kannte ja keiner. Wenn allerdings irgendjemand bemerken würde, dass Marcs Sohn schwul ist, würde das für die Presse sicher eine Sensation sein. Das musste ja nicht sein. Also hatten Lukas und ich vereinbart, wir sind hier an der Strecke nur gute Freunde. Im Hotel oder wenn wir privat unterwegs waren, störte das sicher niemanden. Jedenfalls war es jetzt so, dass auch Lukas mich auf diese Situation mit Tommy und Nico ansprach:

„Mick, was denkst du zu den beiden? Läuft da vielleicht mehr als wir bisher wissen? Ich finde, dass sie sich anders verhalten als sonst.“

„Ich kann dir nur zustimmen. Ich will mal Tim fragen, ob er was weiß.“ Wir gingen nun zu Tim, der gerade bei Manuel stand und sich mit ihm unterhielt. Manuel hatte gerade eine kleine Pause. Wir kamen hinzu und Lukas fragte Tim: „Weißt du was mit Tommy und Nico ist? Nico ist so verdächtig oft nur mit Tommy zusammen und er ist verdächtig ruhig und ausgeglichen. Längst nicht mehr so aggressiv.“

Tim schaute genauso ratlos wie wir. Er sagte dazu nur: „Keinen Plan Lukas, ist mir aber auch schon aufgefallen. Leif wollte auch nichts dazu sagen und Manuel weiß auch nichts. Irgendwie stimmt hier etwas nicht. Etwas muss hier passiert sein. Wenn die beiden nicht noch so jung wären, würde ich sagen, die beiden könnten verliebt sein.“ Dabei zwinkerte er uns zu. Wir mussten lachen aber der Gedanke war eigentlich genau richtig. Aber ich konnte es mir nicht wirklich vorstellen. Vor allem Leif müsste dann doch etwas davon wissen.

Wir kamen aber nicht mehr dazu, denn in diesem Moment kam Unruhe in die ganze Mannschaft. Ich konnte über Funk nur hören, dass Marcel ein technisches Problem hatte und er ganz langsam in die Boxen kommen würde. Für uns hieß das aber, wir sollten die Boxen verlassen, damit die Crew hier in Ruhe arbeiten konnte. Also marschierten wir unaufgefordert nach vorne, dort standen ja Tommy und Nico und Leif und Mika waren mittlerweile auch bei ihnen. Also waren wir jetzt alle außer Manuel zusammen. Tim nahm sich Nico an die Seite und ich konnte sehen, dass Tim ihm sehr eindringlich irgendetwas erzählte. Ich hatte sogar das Gefühl, Tim würde Nico bedrängen. Plötzlich drehte sich Nico weg und lief einfach davon. Wir sahen uns alle etwas verwundert an. Tommy blieb auch nicht mehr lange bei uns, sondern ging wortlos von der Boxenmauer nach hinten und verschwand aus der Box.

„Was soll das denn jetzt?“, wollte ich von Tim wissen. Er war auch etwas ratlos, aber er erklärte uns nun, dass er Nico gefragt hatte, was zwischen ihm und Tommy los wäre und warum Leif so wenig bei ihnen sei. Daraufhin hätte Nico sehr aggressiv reagiert und hätte Tim beleidigt. Daraufhin hatte Tim ihm klargemacht, dass er sich gefälligst zu benehmen hatte. Dann war er geflüchtet. Ich nahm mir nun Leif an die Seite.

„Komm mal bitte mit. Ich möchte mit dir was klären.“ Wir gingen ein paar Schritte an die Seite und dann konnte ich mit Leif ungestört reden.

„Was ist mit Tommy und Nico? Warum machen sie jetzt so eine Show hier? Und warum bist du entweder mit Mika oder mit uns zusammen? Und erzähl jetzt keine Märchen mehr. Die beiden sind abgehauen und wir müssen jetzt wohl suchen gehen.“

Leif schaute mich ängstlich an und dann sagte er nur: „Sie wollten es euch noch erzählen und wir sollten noch nichts sagen. Tommy und Nico haben sich wohl ein wenig verliebt. Nico hat uns gesagt, dass er auch schwul ist. Aber Mick, bitte sei nicht so sauer jetzt. Nico hat einfach Schiss vor Tims Reaktion. Er wollte es ihm selbst zuerst sagen.“

Jetzt wurde mir einiges klar. Ich schnappte mir Tim und dann machten wir uns auf die Suche nach den beiden. Auf dem Weg nach draußen erklärte ich Tim, was los war, und konnte sehen, wie er begann sich Sorgen zu machen. Wir gingen aus dem Streckenbereich hinaus und schauten uns um. Lukas sollte Papa informieren und dann bei den anderen bleiben. Nach einigen Metern Richtung Wald sahen wir die beiden auf einer Bank am Wegesrand sitzen. Sie konnten uns von weitem erkennen. Wir gingen ruhig auf sie zu. Erst als wir auf wenige Meter heran waren, blieb ich etwas zurück und Tim ging allein zu den beiden. Er blieb vor der Bank stehen und sprach einige ruhige Worte zu den beiden. Tommy stand nun auf und kam zu mir. Tim setzte sich zu Nico auf die Bank und gab mir Zeichen, ich sollte mit Tommy sprechen und er würde sich um Nico kümmern. Tommy stand nun direkt vor mir und ich konnte sehen, dass er geweint hatte.

„Mick, es tut mir leid, aber wir wollten es euch noch sagen, nur gestern war noch keine Gelegenheit dafür. Leif hatte versprochen auch noch nichts zu sagen. Dein Vater weiß aber schon Bescheid. Also verzeihst du mir?“

„Ähm, wenn ich wüsste, wofür ich dir verzeihen soll?“

„Nico ist mein Freund ... also so wie Lukas für dich. Ist das schlimm für euch? Mit Leif haben wir schon alles geklärt. Du musst keine Angst haben, dass wir Leif jetzt hängen lassen.“

Ich konnte seine Angst förmlich spüren. Er wollte auf keinen Fall mit uns Stress haben. Ich war echt platt jetzt. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet. Nach einigen Sekunden, die für Tommy wohl eine Ewigkeit waren, nahm ich Tommy nur in den Arm und sagte:

„Hey, gratuliere. Ich hätte ehrlich gesagt damit nicht gerechnet. Ihr seid noch so jung. Bist du dir wirklich sicher mit dem?“

Tommy zögerte jetzt sichtlich: „Nein, ich bin mir noch nicht sicher, ob ich wirklich nur auf Jungs stehe, aber momentan bin ich mit Nico einfach zusammen. Und ich finde es super schön mit ihm.“

„Man Tommy, und wir machen uns schon Sorgen, hier wäre echt was Schlimmes zwischen dir und Leif passiert. Komm, lass uns zurückgehen. Die anderen machen sich Sorgen.“

„Bist du nicht enttäuscht, dass wir es dir noch nicht gesagt haben?“

„Naja, es wäre natürlich schöner gewesen, wenn wir es schon von euch gehört hätten. Ist jetzt aber nicht zu ändern. Das wird sich schnell wieder normalisieren. Ich denke Tim wird auch nur froh sein, dass Nico ihm jetzt die Wahrheit erzählt hat.“ Damit gingen wir zurück und wurden schon erwartet. Leif schien aber jetzt auch schon etwas erzählt zu haben. Sogar Papa stand grinsend neben ihnen. Da wusste ich, es war jetzt raus und alle wussten Bescheid. Lukas kam auf Nico zu und umarmte ihn freundlich. Er freute sich für den Kleinen. Papa ging schon mal wieder zu seinem Auto, das war nämlich repariert und er sollte jetzt noch mal zehn Runden fahren. Tom war schon mit dem anderen Auto auf Zeitenjagd losgefahren. Dann kamen auch Tim und Nico zu uns. Nico wurde von Lukas und mir ebenfalls umarmt und wir wünschten auch ihm alles Gute. Die Stimmung war jetzt gleich viel besser und alle wussten Bescheid. Nur Manuel konnten wir es noch nicht richtig mitteilen. Das würde aber sicher bald Tim übernehmen, sobald dafür Zeit war.

Der Test verlief danach eigentlich ohne weitere besondere Vorkommnisse. Wir genossen die gemeinsame Zeit. Es war toll für mich, mit allen anderen und Papa hier zusammen zu sein. Wie sehr wünschte ich mir mehr solcher Momente. Hoffentlich würde jetzt auch noch Manuel eine Chance bekommen hier zu arbeiten. Dann wäre der Tag perfekt.

Am späten Nachmittag, die Testfahrten waren beendet worden und Manuel war schon kurz bei uns gewesen und wir hatten schon gemeinsam etwas sprechen können, kam Papa auf uns zu und nahm Manuel mit zur Besprechung. Wir sollten schon mal alle ins Hotel gehen. Das könnte jetzt noch etwas dauern. Im Hotel konnten Lukas und ich endlich auch mal wieder zärtlich sein und kuscheln. Mika war auch echt niedlich. Er wusste zwar schon, dass wir ein Paar waren, aber das jetzt wirklich zu sehen war doch komisch für ihn. Das andere Paar hatte er ja noch nicht sehen können, Manuel war ja noch nicht wieder zurück. Wir saßen jedenfalls nun alle zusammen bei Papa in der Suite und auch Tommy und Nico kuschelten sich niedlich aneinander. Es war ein anstrengender Tag bisher und wir waren alle etwas geschafft. Hunger machte sich auch langsam breit und ich wollte nun wissen, wie lange wir noch auf Papa und Manuel warten mussten. Also nahm ich mein Handy und schrieb Papa eine Nachricht. Er antwortete erstaunlicherweise auch sofort. Er war nämlich schon unterwegs zu uns. Also würde er jeden Moment kommen. Ich sagte Tim nun schon mal Bescheid und wir waren jetzt wirklich neugierig, wie sich Manuel gemacht hatte.

Tatsächlich waren die beiden innerhalb von fünf Minuten bei uns angekommen. Manuel sah ziemlich kaputt aus, auch Papa war geschafft. Sie wollten beide erst mal Duschen und sich etwas erholen. Ich sollte aber schon mal einen Tisch zum Essen bestellen. Das tat ich auch direkt. Wir waren nämlich hungrig.

Es waren jetzt eigentlich alle in unserem Wohnzimmer eingetroffen, nur Manuel und Papa fehlten noch. Wir diskutierten über den Verlauf des Tages und gerade Tim war sehr aufgeregt. Er wollte natürlich wissen, wie sich sein Freund nun gemacht hatte und ob er gut genug war, um als Rennmechaniker zu arbeiten. Als Erster kam Manuel zu uns, wenige Augenblicke später kam Papa. Wir sahen ihn alle mit großen Erwartungen an. Aber Papa meinte nur: „So Leute, lasst uns was essen gehen. Ich habe Hunger. Ich nehme mal an, ihr auch.“

Wir stimmten förmlich wie ein Chor mit einem zustimmenden Ja ein. Nur Tim hielt es nicht mehr aus, er rief ein: „Marc, wie hat sich denn Manuel so angestellt. Ich bin einfach so neugierig. Bitte erlöse mich.“

„Also Tim, ich darf noch nicht so viel dazu sagen. Die Entscheidung wird erst in den nächsten Tagen fallen. Da aber Manuel gebeten wurde, schon beim kommenden Rennen hier zu bleiben und seinen Job weiter machen soll, kann er sich so schlecht nicht angestellt haben.“ Jetzt musste Papa echt lachen. Tim wurde blass und wir freuten uns alle für Manuel. Das hieß nämlich, Manuel würde auf jeden Fall bis Sonntag hierbleiben. Tim hatte nun ein Problem, sein Flug war ja schon für morgen gebucht. Manuels Flug wurde vom Team umgebucht. Papa sagte aber zu, er würde das über das Team regeln. Wir gingen nun gemeinsam zum Essen, dabei wurde viel über die Ereignisse gesprochen. Auch Leif und Tommy waren wieder guter Dinge und unterhielten sich den ganzen Abend so wie eigentlich immer. Auch Nico und Tim waren viel in Gespräche verwickelt. Mika und Tom verabschiedeten sich erst mal um 21 Uhr. Tom wollte seinen Sohn zu Bett bringen. Um 23 Uhr waren wir anderen alle so müde, dass wir, als wir im Bett lagen, sofort einschliefen. Das Einzige, was noch erwähnenswert war, dass Lukas und ich froh waren im Zimmer wieder kuscheln zu können.

Marc: Die Tage bis zum Rennen

Also die Tage bis zum Rennen verliefen recht harmonisch. Es gab keine besonderen Ereignisse, nur dass Leif mir mitteilte, das Tommy am Samstag Geburtstag hätte. Die großen Jungs waren mit dem Auto nach Luxemburg gefahren. Sie wollten dort etwas shoppen gehen und ein paar Dinge für Tommys Geburtstag machen. Tim und Manuel genossen ebenfalls ein paar ruhige Tage. Für Mick und Lukas war das eine gute Gelegenheit in Ruhe ihre Zweisamkeit zu genießen. Tom war mit Mika in einem großen Tierpark in der Nähe. Leif war auch mit und für Tom war das kein Problem. Erstaunlicherweise wollte Tommy auch mit. Nico hatte keine Lust. Also war er der einzige der Jungs, der bei mir blieb. Hatte für mich den Vorteil, ich konnte auch etwas entspannen. Nico war viel im hoteleigenen Pool und wir hatten auch Gelegenheit einige Gespräche zu führen. Ich lernte noch einiges über seine Familie und seine Vergangenheit. Ich konnte nun auch besser verstehen, warum er oft aggressiv war. Ich war sehr erstaunt, wie offen Nico mit mir war. Ich hatte das Gefühl, er genoss diese Zeit auch. Ich war ja allein für ihn da. Wobei wir auch viel Zeit allein unterwegs waren. Am Freitag nun war der erste offizielle Renntag. Freies Training war angesagt.

Jetzt waren die Jungs ein wenig auf sich gestellt. Für mich war nun volle Konzentration auf das Fahren angesagt. Manuel war wieder in der Reifen-Crew beschäftigt und er hatte sich auch mittlerweile recht gut in die Truppe eingearbeitet. Heute würde die Reifenabteilung viel zu tun bekommen, weil wir festlegen mussten, welche Reifen wir morgen und Sonntag benutzen würden.

Mick und Lukas waren mit den anderen in den Bereich oberhalb der Box gegangen und hatten sich dort einen Tisch reserviert. Von dort aus konnten sie alles überblicken und gleichzeitig das Geschehen verfolgen. Mick hatte wieder den Kopfhörer bekommen, um auch den Boxenfunk mithören zu können. In diesem Bereich hatte niemand Zutritt, außer Personen mit einem Teamausweis. Also auch keine Presse. Das hatte sowohl für Mick und Lukas, als auch für Nico und Tommy den Vorteil, dass sie sich nicht komplett verstecken mussten.

Ich war nun mit Tom und Loic dabei, dass wir uns über einen Ablauf mit Wolfgang besprachen. Wolfgang wollte zuerst alle Reifentypen festgelegt haben und erst dann sich um weitere Kleinigkeiten kümmern. Dafür sollte das erste Training genommen werden. Also bekamen wir die Order mit möglichst gleichbleibender Rundenzeit, viele Runden zu fahren, um einen Vergleich der Typen zu bekommen. Das war recht langweilig aber musste halt sein. Dadurch waren wir nach dem ersten Training bei trockenen Bedingungen nur fünfte. Unser Schwesterauto hatte die Motoren und Verbrauchstests gefahren und war die schnellste Zeit gefahren.

Nachdem wir die drei Stunden beendet hatten und es glücklicherweise keine großen technischen Probleme gab, trafen wir Fahrer uns mit den Ingenieuren zur Besprechung. Wolfgang und beide Fahrzeugingenieure saßen nun mit uns zusammen und wir werteten die Daten aus. Es wurde relativ schnell klar, welche Sorte Reifen wir nehmen würden. Daher dauerte diese Besprechung nicht allzu lange und wir hatten nun noch zwei Stunden bis zum Beginn des zweiten Trainings. Hier in Spa war das zweite Training aufgeteilt, 90 Minuten noch am Nachmittag und dann 90 Minuten am Abend im Dunkeln.

Tom und ich waren uns schnell einig, dass wir mit den Kids zusammen nun zu Mittag essen wollten. Das fand im Catering Bereich statt. Ich ging nun zu den Jungs nach oben und wurde auch freudig begrüßt. Nico war etwas beunruhigt über unsere schlechten Zeiten. Er wollte wissen, ob wir Probleme hatten, weil das andere Auto ja viel schneller war. Ich erklärte allen, was unsere Strategie war und da waren alle schnell beruhigt. Wir gingen nun zu Tom und Loic in den Catering Bereich. Da passierte eine etwas seltsame Situation. Tim war nämlich zu Manuel in den Mechaniker Bereich gegangen und wollte dort mit Manuel sprechen. Das wurde aber gar nicht gerne gesehen und Tim wurde etwas brüsk aus der Box gebeten. Tim berichtete mir sehr aufgebracht über diese Szene. Er konnte nicht verstehen, warum er dort jetzt nicht erwünscht war.

Ich erklärte: „Also beruhig dich etwas. Die Jungs dort müssen jetzt das Auto umbauen für den Nachmittag. Das bedeutet, dass alle Verkleidungen abgenommen werden. Niemand möchte, dass jemand einen Blick auf die Technik bekommt, der nicht auch berechtigt ist. Ich werde aber mal mit Wolfgang reden, dass du in den Pausen zu Manuel darfst.“

„Meine Güte, ist das denn so geheim und ich bin doch gar kein Fremder aus einem anderen Team. Ich hätte nie gedacht, dass das so schwierig ist sich hier zu bewegen.“

„Am besten fragst du besser immer vorher, ob du in die Box darfst oder nicht. Dann kann nichts passieren. Wir haben hier jetzt Rennbetrieb, da herrschen etwas andere Regeln, als beim Testen.“ Tim akzeptierte das und damit war das erledigt. Wir saßen nun gemeinsam im Catering Bereich und jeder holte sich vom Buffet sein Essen. Es gab verschiedene Salate und alle möglichen Pasta-Sorten. Während des Essens saß auch Loic mit am Tisch bei uns. Ich stellte ihm unsere Truppe vor und er fand, das sei eine tolle Idee von mir, die Kids mal mitzubringen. Er unterhielt sich direkt mit Mick und wollte auch wissen, ob er schon selbst Rennen fuhr. Mick konnte ihm erklären, dass er nicht so wirklich mit dem Rennsport was anfangen könnte. Das wäre halt eher Leifs Metier. Daraufhin ging die Unterhaltung mit Leif und Loic weiter. Mick und Lukas wollten sich nach dem Essen ein wenig nach draußen verabschieden. Tim wollte sie begleiten. Dann saßen also noch Loic, Leif und Nico beieinander, die sich über das Thema Rennsport unterhielten. Tommy und Mika waren mit Tom und mir aufgestanden und wir machten einen Rundgang durch die Box. Mit uns Fahrern sollte das wohl keine Probleme geben. Ich zeigte ihnen die unterschiedlichen Bereiche. Motoren und Getriebe, Reifen und Fahrwerk und die Kommandozentrale. Dort saßen gerade Wolfgang und die Ingenieure beisammen und werteten die Daten aus. Als wir hereinschauten, blickte Wolfgang kurz zu mir und meinte dann: „Du Marc, kannst du gleich mal zu mir kommen? Ich würde da gerne mit dir etwas besprechen.“ Ich war nun etwas erstaunt, aber dachte mir nicht wirklich viel dabei. Ich fragte, wann es zeitlich am besten passen würde, und wir vereinbarten, uns in einer halben Stunde im Team-Bus zu treffen.

Nachdem ich mit den anderen noch den Rundgang beendet hatte, kamen auch Mick und Lukas mit Tim wieder zu uns zurück. Mick und Lukas hielten sich innerhalb der Boxenanlage sichtbar zurück mit Liebkosungen. Es war ein komisches Bild. Ich spürte, dass sie das ein wenig störte. Aber sie wollten sich das ersparen, dass eventuell ein Pressevertreter das mitbekommen könnte. Bei Tommy und Nico bemerkte das eigentlich niemand, weil sie ja noch recht jung waren. Sie küssten sich auch nicht öffentlich, sondern waren nur ständig zusammen anzutreffen. Tim war nun sozusagen „Strohwitwer“. Sein Manuel war leider viel beschäftigt und er musste sich allein mit uns begnügen. Ich ging nun zu dem Treffen mit Wolfgang. Ich betrat den kleinen Besprechungsraum im Bus und wartete auf Wolfgang. Wenige Minuten später kam er auch hinzu und wir setzten uns bei einer Tasse Kaffee an den Tisch. Wolfgang kam gleich zum Thema: „Marc, du bist hier mit deinen Jungs und deren Freunde. Ich finde das auch absolut in Ordnung, weil sie dich vermutlich viel zu selten zu sehen bekommen. Ich habe auch einige Gerüchte gehört, die ich gerne mit dir klären möchte. Einige Mechaniker haben mir berichtet, dass der Tim der Freund vom Manuel ist. Also im Sinne von Partner, stimmt das? Ist Manuel homosexuell?“

Ich überlegte einen kleinen Moment, wie ich darauf reagieren sollte: „Ja das ist korrekt, Manuel und Tim sind zusammen. Gibt das ein Problem für die Arbeit?“

„Nein, absolut nicht, aber einige der Mechaniker scheinen das wohl nicht sonderlich gut zu finden. Sie wollen keinen schwulen Kollegen, und dann womöglich ein Zimmer mit ihm teilen müssen in Zukunft.“

Ich wurde richtig ärgerlich über so eine intolerante Haltung, fand es aber von Wolfgang klasse, dass er mir das so mitteilte. Ich wollte klar Stellung beziehen und gab folgende Antwort:

„Also damit das für die Zukunft klar ist. Ich finde diese mittelalterliche Haltung dieser Mechaniker einfach bitter. Ich meine, entweder ein Mechaniker ist gut und kann seinen Job oder er kann es nicht. Es ist doch völlig egal, ob er Frauen oder Männer liebt. Was machen denn die Jungs, wenn mal eine Mechanikerin bei uns wäre? Müssten wir diese dann vor den Jungs schützen?“

„Bitte beruhige dich, ich habe überhaupt kein Problem mit Manuel, ich sehe sogar, dass er ein guter Mechaniker ist. Er hört gut zu, fragt viel und macht einen guten Job. Ich würde ihn gerne behalten für den Rest der Saison, wenn er seine Prüfungen gemacht hat. Aber ich kann nicht immer und überall dabei sein. Was meinst du denn? Wie sollen wir damit umgehen? Ich kann ja schlecht von mir aus auf Manuel zugehen und ihm das so sagen. Er hat es mir ja nicht gesagt.“

„Ich werde es mit den Jungs besprechen. Wolfgang, ich möchte dir dann jetzt auch noch eine weitere Information geben. Versprichst du mir, damit vertraulich umzugehen?“

Er sah mich etwas skeptisch an aber es schien so, als ob er ahnte, was jetzt kommen würde.

„Klar, ich kenne dich lange genug aber ich nehme an, es geht um deine Kinder. Also schieß los.“

„Ok, also es ist so. Mein ältester, der Mick, ist ebenfalls schwul und er ist mit dem Lukas zusammen. So haben sich die auch untereinander kennengelernt. Du kannst dir sicher vorstellen, wie schwierig das für die beiden ist, mit so einem prominenten Vater als schwules Paar zu leben. Sie sind ja alle noch sehr jung. Tim und Manuel sind beide erwachsen aber Mick und Lukas noch nicht. Ich habe übrigens vor, Lukas als Stiefsohn zu adoptieren, weil er seine Eltern vor ein paar Monaten bei einem Unfall verloren hat. Also entweder das Team akzeptiert diese Geschichte so wie sie ist, nämlich als normal oder ich werde hier und heute direkt darauf reagieren. Ich werde es nicht zulassen, dass einem der Jungs hier eine ablehnende Haltung entgegenweht. Ich habe meine Kinder nicht jahrelang aus der Öffentlichkeit gehalten, um sie dann von den eigenen Leuten ans Messer liefern zu lassen. Ich werde mich mit den Jungs beraten und dir dann mitteilen, was wir tun werden. Aber eines verspreche ich dir jetzt schon. Keiner der Jungs wird deswegen seine Neigungen verleugnen. Entweder ihr kommt damit klar oder ich werde daraus Konsequenzen ziehen.“

Jetzt saß Wolfgang mir mit offenem Mund gegenüber und war ziemlich sprachlos. Nach einigen Sekunden hatte er sich wieder gefangen und sagte:

„Ganz ruhig Marc, ich bin jetzt echt überrascht. Aber mir wird nun auch klar, was da in Silverstone los war. Deshalb hast du so Probleme mit deinen Jungs gehabt. Haben sie es dir da gesagt?“

„Nein, aber direkt danach. Deshalb wollte ich auch sofort in die Schweiz fliegen. Sie haben es mir dann dort gesagt und ich werde sie voll unterstützen. Also ich werde nun mit den Jungs reden, sie werden entscheiden, wie das hier weitergeht.“

„Bitte bleib ruhig, ich verstehe jetzt einiges. Du wolltest ihnen zeigen, dass du hinter ihnen stehst und deshalb auch mehr Zeit für sie haben. Ich denke, du solltest das auch genauso machen. Deine Kinder brauchen dich nun mehr denn je. Das wird nicht einfach werden. Ich werde mit der Crew reden. Sprich du mit deinen Jungs und wir werden dann sehen was wir tun.“

„Warte bitte erst, bis ich mit den Jungs gesprochen habe. Danach sehen wir weiter. Übrigens Tom weiß bereits darüber Bescheid. Also er sieht das genauso wie ich. Auch sein Sohn weiß das mittlerweile und selbst der kleine Mika hat mit den Jungs keine Probleme und versteht sich hervorragend mit ihnen.“

„Gut, ich warte so lange. Treffen wir uns vor dem Beginn des zweiten Teils noch mal und dann sehen wir weiter.“ Ich stand nun auf und verließ etwas genervt den Bus. Ich ging direkt zu den Jungs. Sie waren mittlerweile alle außer Manuel wieder oben im Raum über der Box. Ich sagte ihnen folgendes: „So Jungs. Wir haben hier ein Problem. Es gibt hier einige Mechaniker, die ein Problem mit der Situation haben. Ich möchte mit euch gemeinsam das erörtern. Ich werde jetzt Manuel holen und wir treffen uns in zehn Minuten in unserem Wohnzimmer im Hotel.“ Es entstand nun eine deutliche Unruhe. Mick wollte natürlich sofort mit mir diskutieren. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich dazu jetzt keine Lust hatte, und bat ihn ins Hotel zu gehen. Danach ging ich zu Manuel und holte ihn aus der Box. Seine Mechaniker waren etwas irritiert aber ich wollte keine Diskussion führen. Ich war dafür zu erbost über diesen Teil des Teams. Nachdem wir nun alle im Hotel zusammen waren, erklärte ich den Sachverhalt. Selbst Tom war zu uns gestoßen und war sichtlich erbost über diese Entwicklung. Er war der Erste, der sich äußerte: „Also eines ist für mich klar. Ich habe kein Verständnis für diese neue Entwicklung. Ich denke wir sollten hier klare Positionen haben. Wenn das sinnvoll ist, werde ich mit allen Fahrern sprechen und das Thema offen diskutieren.“

Die Jungs waren teilweise traurig und teilweise erbost. Mick und Lukas waren sichtlich erbost. Vor allem Mick war derjenige, der jetzt nicht nachgeben wollte.

Er meinte: „Ich finde das absolut lächerlich. Ich werde das nicht akzeptieren, ohne das dann auch öffentlich zu diskutieren. Wenn sich die Teamleitung auf diese Sache einlässt, werde ich dafür sorgen, dass dieses Thema auch mal in der Presse steht. Ich will nicht länger diskriminiert werden. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber im Moment stehe ich auf Konfrontation.“ Lukas stimmte sofort zu und auch Tim war nicht bereit das so kommentarlos hinzunehmen.

Ich wollte aber konstruktiv vorgehen. Deshalb bat ich Tom mit allen Fahrern zu sprechen und zu fragen, ob jemand von ihnen uns unterstützen würde. Dann würde ich mit Wolfgang reden, um ein Meeting mit allen Personen anzusetzen. Ich hatte nämlich auch die Idee, dass es noch mehr gleichgesinnte in unserem Team geben würde. Statistisch gesehen auf jeden Fall. Da würden diese Leute vielleicht auch den Mut haben, sich zu positionieren.

Ich wollte aber von Manuel nun eine klare Meinung haben. Es betraf ihn ja in erster Linie. Deshalb fragte ich ihn: „Wie willst du das denn machen? Ich meine, wenn wir jetzt auf Angriff gehen, könnte das bedeuten, dass du hier nicht weiter arbeiten kannst und es auch öffentlich wird, dass ihr schwul seid. Also nicht nur du, sondern auch Lukas und Mick würden dann offen damit umgehen lernen müssen. Ist dir das bewusst?“

„Ja absolut, aber ich habe damit keinerlei Probleme. Ich will aber nicht das Mick und Lukas darunter leiden müssen. Oder du deine Karriere hier aufs Spiel setzt für mich.“

„Jetzt ist aber genug. Tom, du redest mit den Jungs. Ich rede mit Wolfgang und dann wird das hier heute Abend eine etwas andere Teambesprechung geben. Die werden ihr blaues Wunder erleben.“ Ich war jetzt richtig in Fahrt und es war mir egal, was dann über mich in der Presse stehen würde. Für meine Kinder und deren Freunde würde ich mir nichts verbieten lassen. Ich platzte fast vor Wut über so viel Ignoranz und Intoleranz. Meine Jungs spürten es förmlich und Mick kam zu mir und nahm mich in den Arm und sagte: „Papa, bitte tu nichts, was dir schaden könnte. Ich will nicht, dass du deswegen hier nicht mehr fahren kannst. Wir können auch weiterhin unsere Beziehung heimlich führen.“

Ich war darauf nun gar nicht eingestimmt und blockte das kategorisch ab: „Was glaubst du denn, wenn ich dann hier deswegen nicht mehr fahren kann, dann werden sie sich auch noch für Tom einen anderen Piloten suchen müssen. Ich muss für kein Geld der Welt mehr arbeiten. Dann höre ich halt auf und wir machen uns ein schönes neues Familienleben.“

Da kam plötzlich Unruhe in unsere Runde. Auch die „Kleinen“ spürten jetzt meine Wut. So etwas hatte ich noch nie gesagt und entsprechend groß war das Erstaunen. Leif meinte: „Meinst du das ernst? Du würdest deswegen aufhören mit Fahren, unseretwegen?“

„Ja, absolut. Ohne zu zögern. Genug des ganzen Geredes. Ich gehe jetzt zu Wolfgang. Oder hat jemand irgendwelche Einwände dagegen?“ Alle sahen mich an und niemand widersprach. Damit war die Entscheidung gefallen. Tom stand auf und machte sich auf zu den anderen Fahrern. Ich verließ das Wohnzimmer in Richtung Wolfgang. Jetzt würde es interessant werden. Ich brauchte nicht lange, dann stand ich bei Wolfgang, der gerade noch mit einem Repräsentanten des Reifenherstellers sprach. Als er mich sah, konnte er wohl erkennen, in welchem Gemütszustand ich gerade war. Wir gingen direkt in Richtung Team-Bus. Wortlos gingen wir nebeneinander her.

„Du machst aber einen richtig geladenen Eindruck“, meinte er nur und dann setzten wir uns wieder an den Tisch.

„Ich bin richtig sauer. Wenn diese Truppe wirklich damit ein Problem hat, das Manuel schwul ist und mein Sohn auch. Dann werde ich für mich die Konsequenzen ziehen. Tom und ich sind uns einig. Sollte das Team sich nicht klar hinter Manuel und meinen Sohn und Stiefsohn stellen, werden Tom und ich sofort aufhören für dieses Team zu fahren.“ Jetzt wurde Wolfgang blass. Damit hatte er definitiv nicht gerechnet. „Mensch Marc, nehmt mal Gas raus. Niemand von unserer Chefetage hat damit ein Problem. Also meine Rückendeckung habt ihr. Redet mit den Mechanikern und macht ihnen klar, dass ihr Verhalten von euch nicht akzeptiert wird. Ich habe es eben schon gesehen. Tom spricht mit den anderen Piloten. Was hast du jetzt vor?“

„Ich werde heute Abend bei der Teamsitzung das zum Thema machen. Alles andere kann warten. Und ich meine das ernst. Tom und ich werden das nicht akzeptieren.“ Wolfgang wurde jetzt wirklich klar, dass wir ernst machen würden. Er stimmte dem zu und versprach dafür zu sorgen, dass heute alle auch anwesend sein würden. Damit gingen wir auseinander. Draußen traf ich Tom und Marcel. Marcel schaute mich an und meinte: „Sag mal, sind die hier alle bescheuert? Ich denke von uns Fahrern hast du volle Unterstützung. Tom hat uns erklärt was los ist. Geht ja mal gar nicht.“

Ich musste einfach lächeln. Das tat einfach gut zu wissen, dass wir Unterstützung hatten. Ich erklärte den Plan und wir waren uns einig. Das würde so mit uns nicht zu machen sein. Ich ging wieder zu meinen Jungs und gab meinen Schlachtplan bekannt. Alle waren einverstanden. Auch Mika meinte zum Schluss: „Marc, ich möchte auch etwas dazu sagen. Ich bin vielleicht zu klein, um mir richtig eine Meinung zu bilden, aber ich mag alle, die hier mit uns unterwegs sind. Egal ob sie auf Jungs stehen oder nicht.“

Danach brach allgemeines Gelächter aus. Ich fand das einfach nur niedlich, wie Mika das so schön gesagt hatte.

Das freie Training hatte eine leichte spürbare Spannung vermittelt. Auch bei Wolfgang ging das nicht spurlos vorbei. Jedenfalls brachten wir das ohne weitere Zwischenfälle über die Bühne. Nachdem wir uns alle nun ein wenig frisch gemacht hatten, lief mir Mick über den Weg.

„Papa, wie hast du dir das denn gleich gedacht? Ist nur Manuel alleine bei der Besprechung? Ich finde wir sollten ihn unterstützen und ihn begleiten.“

„Ich weiß Mick. Es ist nur so, bei den Teambesprechungen dürfen eigentlich nur Teammitglieder teilnehmen. Ich werde Wolfgang gleich noch mal fragen, wie er das sieht. Ich sage euch gleich noch Bescheid.“

„Nur für den Fall, dass wir nicht mit dürfen, Manuel hat zu Tim klar gesagt, wenn das hier zum Problem wird, sucht er sich einen anderen Job, aber dann würde er das publik machen. Ich denke, das wäre die schlechteste Variante für alle.“ Dem konnte ich nur ohne Widerspruch zustimmen. Ich ging nun zuerst zu Manuel. Er stand schon vor dem Catering Bereich und unterhielt sich mit einem anderen Mechaniker. Ich trat zu den beiden hinzu und ich bemerkte sofort, was Thema ihres Gespräches war. Colin, der Mechaniker, begrüßte mich freundlich und sagte sofort zu mir:

„Hi Marc, ich möchte dir sagen, fast alle unserer Jungs kommen sehr gut mit Manuel klar. Er hat einen guten Job hier gemacht bisher. Und sein Schwulsein interessiert die meisten überhaupt nicht. Es sind einige wenige Dummköpfe. Was hast du eigentlich jetzt vor? Manuel deutete etwas an, wusste aber auch nichts Genaueres.“

„Ich werde das gleich in der Teambesprechung zum Thema machen. Wolfgang weiß auch Bescheid und er wird auch etwas dazu sagen wollen. Ich bin sowas von geladen gerade.“

„Ja, ich merke es schon. Aber wie gesagt, dem Großteil der Jungs ist es wichtig, dass die Leute gute Arbeit machen und nett in unser Team passen. Das tut Manuel auf jeden Fall.“ Manuel stand die ganze Zeit dabei und blieb wortlos bei uns stehen. Allerdings signalisierte er mir jetzt, dass er mit mir alleine reden wollte. Wir gingen ein paar Schritte an die Seite und dann konnten wir sprechen.

„Ich weiß gar nicht, warum hier jetzt so eine gereizte Stimmung ist. Wir haben einige Dummköpfe hier, aber ich habe auch ganz viele positive Rückmeldungen bekommen. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen hier mit deinem Arbeitgeber Probleme bekommst.“ Das war für mich jetzt die Steilvorlage, die ich gebraucht habe.

„Also eines verspreche ich dir hier, es ist mir, egal ob ich danach ein Problem mit meinem Arbeitgeber hätte. Ich möchte, dass in dem Team, in dem ich fahre, keine homophoben Mitarbeiter sind. Und ich spüre, wir haben von ganz oben Rückendeckung. Auch alle Fahrer sehen das so. Ich werde dazu gleich eine kleine Diskussion anstiften, dann werden wir sehen. Mach dir keine Gedanken um meine Zukunft. Wir sollten uns um deine Zukunft Gedanken machen. Du scheinst ein guter Mechaniker zu sein, das Team und insbesondere Wolfgang möchte dich gerne einstellen erst mal für ein Jahr. Da werde ich nicht zulassen, dass das hier für dich zur Quälerei wird.“

Jetzt kamen auch immer mehr Mitarbeiter hinzu und ich sah zu, dass ich noch Wolfgang fragen konnte, ob zumindest Tim, Mick und Lukas teilnehmen durften. Wolfgang zögerte keine Minute und gab grünes Licht, dass die Drei dabei sein durften. Zumindest was diesen Teil betraf. Sollte es noch technisches zu besprechen geben, würden die Drei selbstverständlich den Raum verlassen. Ich informierte meine Jungs und dann kamen wir nun gemeinsam zum Meeting. Wolfgang hatte wie immer einige Tische vorne gestellt. Dort saßen normalerweise nur die Ingenieure und er selbst. Wir saßen meist mit den anderen Mitarbeitern vor diesen Tischen. Ich konnte aber schon erkennen, Wolfgang hatte sich das heute anders überlegt. Er bat nämlich Manuel und Tim, Tom und mich ebenfalls vorne Platz zu nehmen. Er setzte sich zwischen uns und ich konnte sehen, dass er Manuel zunickte. Jetzt kam Tim hinzu und die beiden umarmten sich und Wolfgang ging auf Tim zu und begrüßte ihn. Er sprach mit ihm einige Sätze und klopfte ihm zum Schluss anerkennend auf die Schulter.

Nachdem nun einige Minuten vergangen waren, wir schon sehr viele Personen waren, fing Wolfgang nun an zu sprechen. Er begrüßte alle Anwesenden und erklärte kurz den Grund für diese Veranstaltung. Dann gab er das Wort an mich weiter. Ich stand nun auf und begann den Sachverhalt zu erklären. Ich gab die Geschehnisse so wieder, wie sie mir berichtet wurden und auch Manuel bat ich seine Version zu erzählen. Als er von den Beleidigungen sprach, brach etwas Unruhe aus. Einige Mechaniker murmelten zu ihren Nachbarn und Wolfgang musste erst um etwas mehr Ruhe bitten, damit ich meine Ausführungen fortführen konnte. Ich redete mich richtig in Rage und begann meinen Mechanikern klarzumachen, dass wir im 21. Jahrhundert leben würden und es wohl nicht sein könnte, dass nur weil jemand homosexuell war, er nicht ein guter Mechaniker sein konnte. Es ginge doch darum, ob jemand seinen Job gut machen würde. Und der Job eines Mechanikers sei nun mal das Schrauben und nicht das Jungs glücklich machen. Bei diesem Spruch brach sogar etwas Gelächter aus. Ansonsten konnte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. Nachdem ich meine Ansprache gehalten hatte, wandte sich Wolfgang an alle.

„So Leute, ich denke wir haben hier gerade eine klare Ansage zu dem Thema gehört. Damit hier auch keine weiteren Missverständnisse aufkommen, ich werde derartige Äußerungen gegenüber homosexuellen Mitarbeitern nicht akzeptieren. Es geht einzig und allein um die Qualität der Arbeit. Wer damit ein Problem hat, sollte sich jetzt um einen anderen Job kümmern. Ich dulde keine weitere Unruhe hier. Ich möchte jetzt Marc noch mal bitten, dazu etwas zu sagen.“ Ich stand nun wieder auf und begann: „Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, auch einmal zu erwähnen, wie viele von euch mir bereits signalisiert haben, dass sie mit Manuel keine Probleme haben. Ich habe erst selbst vor kurzem mich mit dieser auch für mich neuen Situation auseinandersetzen müssen. Denn mein ältester Sohn hat mir erklärt, dass er schwul ist. Dabei habe ich auch erst Manuel und Tim kennengelernt, denn sie waren diejenigen, die meinem Sohn geholfen haben sich damit auseinanderzusetzen. Ich war nämlich leider wie viel zu oft nicht da, sondern mit euch in Silverstone. Also will ich hier klare Verhältnisse haben. Mick und Lukas steht ihr bitte mal auf.“ Sie standen nun auf und sahen mich etwas verwundert an. „Danke, also das sind meine beiden ältesten Söhne. Mick ist mein leiblicher Sohn und Lukas ist mein Stiefsohn. Tim stehst du bitte auch mal auf, danke. Das ist also Tim, der Freund von Manuel. Ich glaube jeder hat sie mittlerweile hier kennengelernt und ich möchte euch jetzt auffordern, wer hat denn nun tatsächlich schlechte Erfahrungen mit einem der Jungs gemacht. Dann soll er es jetzt bitte sagen. Dann können wir darüber sprechen.“ Es herrschte jetzt eine gespenstige Stille. Wolfgang sah mich sehr erstaunt an und nickte mir zu. Jetzt ergriff er das Wort:

„Also ihr habt es gehört, gibt es dazu etwas anzumerken?“ Jetzt meldete sich Colin zu Wort.

„Ich weiß zwar, um welche Kollegen es sich handelt, die sich negativ über Schwule geäußert haben, aber ich werde sie nicht nennen. Ich werde nur nicht dulden, dass in Zukunft solche Äußerungen erneut vorkommen. Dann werde ich nicht mehr schweigen. Manuel soll bei uns ein toller Kollege werden. Es ist uns egal ob schwul oder hetero.“ Danach kam plötzlich lauter Applaus auf. Einige pfiffen und unsere Jungs wurden plötzlich von vielen der Mechaniker und auch Ingenieuren umarmt und die Stimmung wurde immer gelöster. Jetzt kam Manuel zu mir und ich umarmte ihn auch sehr herzlich. Ich freute mich über diese großartige Unterstützung. Hoffentlich war das Thema damit erledigt. Damit übernahm Wolfgang das Wort wieder und er bat nun wieder um Ruhe, um dem Rest noch abzuhandeln. Dabei wollten Tim, Mick und Lukas schon unaufgefordert den Raum verlassen. Wolfgang hingegen bat sie zu bleiben. Das fand ich eine schöne Geste. So ging dieser Abend doch noch erfolgreich zu Ende. Nach der Teambesprechung sagte ich zu meinen Jungs, dass wir uns mit allen noch mal in unserem Wohnzimmer im Hotel treffen wollten. Tom kam zu mir und meinte:

„Hey Marc, ich bringe unsere Fahrer auch gleich alle mit. Wir wollen mit den Jungs zusammen noch zu Abend essen im Hotel. Ist das ok für euch?“

„Mann Tom, du hast ja die Jungs voll im Griff, klasse Idee. Da freuen sich die anderen sicher sehr drüber.“ So machten wir es auch und für unsere „Kleinen“ wurde es noch ein sehr spannender Abend. Insbesondere Nico und Tommy hatten ihren Spaß. Sie konnten nämlich nun die Piloten mit ihren Fragen löchern. Um halb zehn war aber dann auch das zu Ende. Wir mussten ja alle früh wieder raus zum Qualifying. Wir hatten also unsere Truppe zusammengeschweißt und noch einen tollen Abend gehabt.

Am nächsten Morgen hatte ich richtig böse Kopfschmerzen. Das kannte ich so überhaupt nicht. Ich trinke ja keinen Alkohol, von daher musste das eine andere Ursache haben. Ich konnte das jetzt auch überhaupt nicht gebrauchen. Wir mussten heute noch die Qualifikation fahren. Also ging ich erst mal unter die Dusche. Nachdem ich etwas länger gebraucht hatte, rief ich direkt meinen Physio an. Er sollte sich das doch mal ansehen. Vielleicht konnte er mir ja etwas Entlastung verschaffen. Wir vereinbarten, dass ich noch vor dem Frühstück kommen sollte. Die anderen außer Tom waren noch nicht wach. Wir ließen sie auch noch schlafen. Sie würden ja jederzeit rüber zur Strecke kommen können.

Auf dem Weg zu Heikki begegnete mir Wolfgang und er sah direkt, dass ich nicht in Bestform war.

„Guten Morgen Marc, du siehst aber heute Morgen nicht gerade fit aus. Ist alles in Ordnung?“

„Guten Morgen Wolfgang, nein du hast schon recht. Ich habe böse Kopfschmerzen seit heute Morgen. Bin auf dem Weg zu Heikki. Ich hoffe, er kann das etwas lindern. Keine Ahnung was hier los ist. Hoffentlich wird das keine Grippe.“

„Na dann mal gute Besserung. Wie geht es denn deinen Jungs, haben sie das alles gestern gut überstanden? Es war ja doch ein wenig Aufregung.“

„Ich hoffe doch, heute Morgen habe ich noch keinen von ihnen gesehen. Sie schliefen alle noch.“ Dabei konnte ich mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.

„Ach, ist doch in Ordnung. Sie haben ja Ferien und sie müssen ja nicht gleich in ein Rennauto steigen.“ Nun mussten wir beide lachen und ich spürte, Wolfgang hatte mit der Geschichte gestern wirklich keine Probleme. Als ich bei Heikki im Physio-Bereich ankam, lief mir noch Manuel kurz über den Weg. Wir sprachen noch mal ganz kurz über den gestrigen Abend. Er berichtete mir auch, wie der heutige Morgen verlaufen war. Es gab keine negativen Überraschungen. Im Gegenteil, viele hätten ihn heute sehr gut gelaunt begrüßt und er war sehr froh, dass die meisten seine Leistung anerkannten. Ich ließ mich dann von Heikki behandeln und er stellte eine deutliche Nackenverspannung fest. Er bearbeitete mich eine gute halbe Stunde und ich fühlte förmlich, wie meine Lebensgeister zurückkehrten. Ich hatte in den letzten Tagen mit meinen Jungs das Ganze etwas vernachlässigt. Ich bekam auch gleich eine „Belehrung“. Ich gelobte Besserung und damit wurde ich zum Frühstück entlassen. Ich begab mich in unseren Catering Bereich. Mir war es immer wichtig, zu möglichst vielen aus dem Team einen guten Draht zu haben. Deshalb ging ich zum Essen nicht ins Hotel zurück. An Renntagen traf ich dort immer mal Mechaniker oder andere Piloten. Das war immer sehr interessant. Außerdem war unser Essen immer ganz hervorragend. Heute traf ich eine Gruppe von Mechanikern beim Frühstück. Sie grüßten freundlich und ich setzte mich zu ihnen an den Tisch. Wir unterhielten uns über die neuesten Entwicklungen das Auto betreffend. Ich erfuhr, dass wir heute eine etwas geänderte Aerodynamik fahren würden. Wir hatten noch etwa fünfzehn Minuten bis zum morgendlichen Meeting, da sprach mich Colin auf gestern Abend noch mal an.

„Wie haben es denn eigentlich Mick und Lukas aufgenommen. Ich meine sie haben gestern offen gemacht, dass sie auch schwul sind. Ich finde das sehr mutig. Schließlich müssen sie damit rechnen, dass sowas auch irgendwann bei der Presse ankommt. Wie wirst du damit umgehen?“

„Ach, für mich gar kein Problem. Wenn es mal dazu kommen sollte, dann werde ich das ganz locker sehen. Es ist halt so. Warum sollte ich das verheimlichen. Das wäre doch nur das, was die Presse will. Ich glaube, dass die Jungs schon richtig damit umgehen werden. Sie sind ja sonst sehr selten bei den Rennen dabei. Ich habe es ja immer versucht zu vermeiden, dass sie in der Öffentlichkeit stehen. Und wenn die Presse mich dazu befragen will, werde ich entweder klar Stellung beziehen oder klar ablehnen meine Kinder hineinzuziehen. Sie können mich zu meiner Meinung fragen aber mehr auch nicht.“ Meine Kopfschmerzen waren nun fast weg und ich verabschiedete mich von den Mechanikern und begab mich zum Meeting. Dort traf ich auf alle anderen Piloten von uns. Die Stimmung war sehr gut und es wurde nicht mehr über gestern gesprochen. Alles fokussierte sich auf das Training und das Rennwochenende - so wie es ja auch sein sollte. Dafür waren wir ja hier. Jetzt würde ich meine Jungs vermutlich nur noch sehr wenig sehen bis zum Rennende am Sonntag. Aber ich hatte ja mit Nico einen echten Experten dabei. Der würde den anderen schon alles erklären können. Und abends im Hotel würde ja auch Zeit sein. Insofern konzentrierte ich mich nun ausschließlich auf meinen Job als Rennfahrer.

Mick: Freitag, freies Training

Lukas und ich hatten eine ruhige, gemütliche Nacht. Wir hatten noch mal über die Ereignisse vom Abend gesprochen, bevor wir dann einschliefen. Heute Morgen wachten wir relativ spät auf. Papa und Tom waren natürlich schon zur Strecke. Ich ging zuerst mal duschen und anschließend weckte ich Tommy und Nico. Leif und Mika waren schon wach und auch bereits mit duschen und anziehen beschäftigt. Heute würden wir Papa vermutlich nicht viel zu Gesicht bekommen. Jedenfalls nur aus der Distanz. Wir wollten uns alle gemeinsam zum Frühstück treffen und von daher ging ich zurück in unser Zimmer und mein Lukas war sogar schon fertig mit duschen und kam gut gelaunt aus dem Bad.

„Na Mick, was wird uns denn heute so erwarten? Gestern war das Ende ja recht überraschend. Marc wird heute für uns vermutlich ja nicht oft Zeit haben.“

„Das ist wohl richtig. Ich habe aber eine ganz andere Sache, die mich beschäftigt. Wir könnten uns ja jetzt offen als Paar zeigen. Es ist nun alles bekannt seit gestern. Was meinst du dazu?“

„Ich weiß nicht, wir müssen die Presse ja nicht provozieren. Sollte uns jemand fragen, sagen wir die Wahrheit, aber ich will das nicht zur Show machen.“

„Gute Idee. Sehe ich auch so, aber jetzt will ich noch einen Kuss von dir.“ Unsere Lippen berührten sich sehr zärtlich und wir umarmten uns immer fordernder. Da Lukas ja noch fast nackt war, konnte ich seine starke Erregung natürlich spüren. Er flüsterte mir ins Ohr:

„Langsam, sonst komme ich nicht mehr zum Frühstück und wir landen direkt wieder im Bett. Das fällt auf.“ Wir brachen unser Spiel ab und mussten beide grinsen.

„Los los, dann zieh dir aber schnell etwas Ordentliches an, wie soll ich sonst nicht über dich herfallen.“ Wir lachten und ich ging ins Wohnzimmer, Lukas zog sich nun vollständig an und kam ebenfalls ins Wohnzimmer. Jetzt fehlten nur noch Tim, Nico und Tommy. Tim kam als Nächster und er sah sehr müde aus.

„Hey Tim, wie siehst du denn aus? War die Nacht mit Manuel so schlimm?“, ich konnte mir ein böses Grinsen nicht verkneifen.

„Sehr witzig. Wir haben gestern noch bis zwei Uhr geredet über das Ganze. Und Manuel musste ja schon um sieben wieder raus. Ich bin da natürlich mit aufgestanden und habe ihn rübergebracht, dann habe ich mich nochmal hingelegt. Aber so wirklich schlafen ging auch nicht mehr.“

„Und wie geht’s euch jetzt so nach dem gestrigen Abend?“

„Eigentlich ganz gut. Ich mache mir nur Sorgen über die Situation für deinen Vater und euch. Wir sind ja nach diesem Wochenende wieder das normale Paar und Manuel arbeitet hier, aber du und Lukas, ihr seid die Söhne vom berühmten Marc Steevens und das werdet ihr auch bleiben. Marc hat jahrelang dafür gesorgt, euch aus der Öffentlichkeit zu halten. Das wird jetzt vermutlich schwierig werden. Es tut mir irgendwie leid, dass es so gekommen ist.“

„Ach Unsinn, es wurde mal Zeit den Leuten die Augen zu öffnen. Andere Promis können doch auch offen schwul leben. Dann können wir das auch, wir müssen nur zu uns stehen. Ich spüre immer mehr, dass ich das mit Lukas offen tun will.“ In dem Moment kam Lukas ins Wohnzimmer und umarmte mich von hinten und gab mir einen Kuss auf den Hals. Er flüsterte:

„Na, muss mein Schatz schon am frühen Morgen Probleme wälzen. Lasst uns doch erst mal frühstücken.“ Ich musste nun grinsen. Wir waren ja jetzt vollständig versammelt und damit machten wir uns auf den Weg nach unten. Wir setzten uns an einen schönen Tisch auf der Terrasse und genossen die Morgensonne und die Geräusche der Motoren, die bereits von der Strecke kamen. Wir waren heute echt spät dran. Es war schon halb elf, als wir alle am Tisch saßen und unser Frühstück einnahmen. Ich wollte nun die Gelegenheit nutzen und einige Regeln für das Rennwochenende ausgeben.

„Also hört mal her. Jetzt ist es also soweit. Das Rennwochenende hat begonnen und wir sollten einige Regeln beachten. Vor allem fragt jemanden aus dem Team, bevor ihr etwas tut. Während und kurz vor Beginn des Fahrbetriebes sollten wir uns nur oberhalb der Box oder vorne am Kommandostand aufhalten. Wobei vorne nur nach Absprache. Des weiteren keine Fotos machen ohne Genehmigung. Am besten erst gar keine machen so lange gefahren wird. Wir bekommen ein Teamfunkgerät, mit dem wir alles mithören können, was gesprochen wird. Es stehen oben alle Monitore, die freigegeben sind. Also es gibt für keinen Grund sich ohne besondere Genehmigung im Boxenbereich aufzuhalten. Bitte haltet euch daran.“

Alle nickten, allerdings waren insbesondere Tommy und Leif etwas enttäuscht. Sie wollten natürlich lieber in der Box sein. Ich erklärte ihnen, Papa würde sie sicher holen, sollte es möglich sein. Damit waren sie zufrieden. Als nun alles geklärt war, bewegten wir uns zur Strecke rüber. Jeder hatte einen Ausweis bekommen, der uns erlaubte alle Bereiche betreten zu dürfen.

Das Training hatte schon begonnen und wir konnten so recht ungestört nach oben in den Gästebereich über der Box gehen. Papa war bereits auf der Strecke und ich konnte hören, wie er sich mit seinem Ingenieur über das Auto unterhielt. Er war recht unzufrieden über das Fahrverhalten. Sie wollten den Reifendruck überprüfen. Es schien so zu sein, dass ein Überwachungssensor fehlerhaft war. Einige Minuten später stand das Auto unten vor der Box. Die Mechaniker stürzten sich auf das Auto und ruckzuck stand es demontiert in der Box. Es mussten die Radsensoren getauscht werden. Papa blieb aber im Auto sitzen. Das würde also nicht so lange dauern.

Wir nutzten die Gelegenheit, uns von Nico einiges erklären zu lassen. Vor allem Lukas und Tim hatten einige Fragen. Nico erklärte ihnen wirklich sehr gut alle ihre Fragen, bis Tim folgende Frage stellte: „Sagt mal, wieso muss der Reifen eigentlich so genau einen bestimmten Druck haben. Wenn bei meinem Auto der Druck 0,2 bar abweicht, merke ich davon doch überhaupt nichts. Hier sagt Marc sofort, das Auto sei unfahrbar. Das kann ich eigentlich nicht begreifen.“

Nico lachte sich halb tot - er begann folgende Erklärung:

„Also ganz einfach, ein Rennreifen ist viel sensibler als ein Straßenreifen. Er muss viel mehr Grip aushalten und wird viel heißer als ein Straßenreifen. Je heißer die Luft, desto stärker steigt der Luftdruck, weil sich die Luft ja ausdehnt. Wenn dann der Druck zu hoch wird, fängt der Reifen an zu schmieren. Das fühlt sich an wie auf Schnee fahren. Das Auto wird dann ziemlich unfahrbar.“ Dabei grinste er uns wissend an.

Tim: „Woher weißt du bloß das alles so genau?“

Nico: „Ich bin schon immer ein Motorsport-Freak gewesen. Ich habe immer alles darüber gelesen was es gab.“

Lukas und ich standen vorne am Fenster und wir konnten wunderbar einen großen Teil der Strecke überschauen. Lukas legte seinen Arm um meine Hüfte und wir hingen unseren Gedanken nach. Was erlebten wir eigentlich hier gerade. Wir waren alle zusammen mit Papa beim Rennen und ich hatte auch noch meinen Freund dabei. Ich wurde akzeptiert von meiner Familie und hier wurde ich nicht belästigt. Eigentlich war doch alles perfekt. Allerdings würde dieser Sachverhalt bald wieder anderes sein. Wir wären bald wieder auf uns allein gestellt. Papa würde nicht mehr so oft bei uns sein. Ich merkte jetzt immer wieder, wie sehr er mir und auch Leif fehlte. Ich wünschte mir ein echtes zu Hause und eine Familie. Lukas spürte meine Gedanken.

„Hey Kleiner, worüber sinnierst du gerade nach? Ich fühle, dass du dich mit einem Gedanken herumträgst.“

„Ja stimmt, ich würde so gerne mit allen eine richtige Familie haben. Papa würde bei uns wohnen und wir hätten unsere Freunde. Ich würde nicht immer alles allein entscheiden müssen und wir beide könnten bei uns zusammen sein. Leif hätte auch seine Freunde um sich und Papa könnte für uns da sein wenn wir ihn brauchen.“

Nun kam Lukas ganz eng an mich heran und streichelte mein Gesicht, er gab mir einen liebevollen Kuss und sagte dann: „Weißt du, ich verstehe dich. Aber sieh es doch mal so, wir haben das Glück, dass dein Vater sich so viel Mühe gibt, uns zu unterstützen. Ich weiß nicht, aber ich glaube, dass Marc etwas ausheckt. Er hat in den letzten Tagen manchmal so seltsame Dinge gesagt. Vielleicht ändert sich bald etwas.“

Leif hatte unser Gespräch auch verfolgt und sah uns mit großen Augen an.

„Was meinst du damit? Glaubst du er verheimlicht uns etwas?“

„Naja“, warf ich ein, „es wäre nicht das erste Mal, dass er etwas vorbereitet, ohne uns vorher im Detail einzuweihen. Schließlich ist das hier ja auch alles von Papa vorbereitet worden, ohne uns etwas zu sagen. Ich habe das Gefühl, Papa möchte uns etwas mitteilen, aber er weiß noch nicht wie und wann.“ Lukas stimmte mir nickend zu. Tommy verließ nun günstigerweise den Raum, vermutlich um mal auf die Toilette zu gehen. Das gab Nico und Leif die Gelegenheit über Tommys Geburtstag morgen zu sprechen.

Nico: „Ihr wisst ja, Tommy hat morgen Geburtstag. Habt ihr ne Idee was wir machen können? Ich habe ja mein Geschenk schon mitgebracht. Er bekommt ein PS 3-Spiel von mir. Leif was meinst du?“

„Ich habe ein Geschenk, das ihn völlig überraschen wird. Ich denke, da wird er noch lange dran denken. Das ist ein Geschenk von der Familie Steevens.“

„Oha“, meinte Nico und schaute fragend in die Runde, „was habt ihr euch ausgedacht?“

Ich grinste nun und sagte vielsagend: „Du glaubst doch nicht, dass wir hier schon alles verraten. Warte bis morgen, dann wirst du sehen was wir mit deinem Freund vorhaben.“ Jetzt kam Lukas und stellte sich neben mich und legte seinen Arm um mich, gab mir einen Kuss und sagte:

„Ich glaube Tommy wird morgen dem Herztod nahe sein, wenn er zum Frühstück sein Geschenk bekommt. Obwohl, vielleicht wäre es besser, er würde nicht vorher frühstücken.“

Jetzt brachen wir bis auf Nico alle in lautes Gelächter aus. Nico sah uns etwas pikiert an und schimpfte: „Ihr seid gemein. Wehe ihr verarscht meinen Freund, dann werde ich sauer.“

„Bleib ruhig, Nico. Niemand wird deinem Liebsten was Böses tun. Es wird nur ein besonderes Geschenk sein.“ Damit war dieses Thema beendet. Das freie Training lief ohne besondere Vorkommnisse weiter und war mittlerweile in der Schlussphase. Ich konnte über den Funk keine außergewöhnlichen Dinge verfolgen. Wir hatten eine gemeinsame Mittagspause und aßen mit einigen Mechanikern, insbesondere mit Manuel, zu Mittag. Papa war mit dem Team und den anderen zum Meeting und würde für uns erst gegen Abend wieder Zeit haben. Manuel berichtete von seinen Eindrücken und war wirklich begeistert über die Stimmung und den Umgang miteinander. Es gab keinerlei Anfeindungen mehr und alle schienen ihn zu unterstützen bei der Arbeit. Wir und insbesondere Tim, freuten uns natürlich mit ihm und ich hatte das Gefühl es würde ihm Spaß machen. Wenn alles so weitergehen würde, denke ich mal, wird er bald ein fester Rennmechaniker werden. Ich gönnte es ihm wirklich. Auch Tim war sichtlich gelöster, als er spürte, wie Manuel mit Spaß bei der Arbeit war und er sah, dass sie von den anderen akzeptiert wurden.

So verlief der Tag recht ereignislos weiter. Papa kam erst recht spät aus den Meetings mit dem Team und wir hatten uns im Hotel noch mit verschiedenen Aktivitäten beschäftigt. Mika war bis dahin bei uns, wurde jetzt aber von Tom abgeholt, um mit ihm einen Besuch bei Freunden zu machen. So warteten wir nun noch auf Papa, damit wir gemeinsam zu Abend essen konnten. Nachdem er sich geduscht und umgezogen hatte, verließen wir unsere Suite und gingen hinunter zum Essen. Diesmal würde auch Manuel wohl zu uns stoßen. Papa meinte, sie hätten wohl nicht noch so viel zu tun. Wir bekamen wieder einen schönen Tisch auf der Terrasse und genossen die Abendsonne. Das Wetter meinte es bislang wirklich gut mit uns. In den Ardennen war das überhaupt keine Selbstverständlichkeit. Ich hatte hier auch schon Weltuntergangswetter erlebt. Wir warteten noch einige Minuten auf Manuel, aber er war noch nicht zu uns gestoßen. Leif wurde ungeduldig und wir beschlossen, doch schon mit unseren Bestellungen zu beginnen. Wie das ja immer so ist, direkt nach dem wir bestellt hatten, kam Manuel um die Ecke. Er war noch nicht umgezogen und sah doch recht müde aus. Er kam zu uns an den Tisch und wir besorgten für ihn wieder eine Karte. Er bestellte und ging dann erst mal duschen. Bis zum Essen sollte er wieder zurück sein. Nico hatte so viele Fragen an Papa, damit hätte man ein Buch füllen können. Papa war wirklich sehr geduldig mit ihm, wobei es auch schon sehr spezielle Fragen waren. Ich konnte immer mehr erkennen, wie sehr Nico mit dem Rennsport verbunden war. Er wurde hier immer offener und selbstbewusster. Aber nicht unangenehm. Ich fand es tat ihm richtig gut. Auch Tommy und Leif waren sehr gelöst und ich konnte überhaupt keine Spannungen mehr erkennen. Es war schön für mich, dass die Drei sich mit der neuen Situation arrangiert hatten. Es wurde nicht ein Wort über die Beziehung von Tommy und Nico gesprochen. Gerade Leif war sehr locker drauf und scherzte mit beiden. Lukas und ich saßen nebeneinander und Tim schien förmlich sehnsüchtig auf Manuel zu warten. Ich konnte es auch verstehen. Alle hatten den ganzen Tag über ihre Freunde oder Partner um sich, nur er war von seinem Liebsten getrennt. Jetzt wollte er das nachholen. Als Manuel dann wieder zu uns kam, schien er förmlich zu strahlen. Er ging auf Tim zu, umarmte ihn und sie küssten sich wirklich leidenschaftlich. Einige der anderen Gäste schauten schon etwas irritiert, vor allem weil sie ja Papa bei uns am Tisch erkannten. Jedenfalls bekamen wir dann auf den Punkt alle, auch Manuel schon, unser Essen. Wirklich ein exzellentes Hotel. Sie hatten das Essen so hergerichtet, dass wir gemeinsam essen konnten.

Die Zeit verging recht schnell und irgendwie war Papa auch recht müde und er meinte zu uns, er würde sich schon zurückziehen. Für Leif, Nico und Tommy gab es mit 22 Uhr eine Sperrstunde, wann sie im Bett zu liegen hätten. Wir wollten noch einen kleinen Abstecher an die Bar und in den Salon machen.

Der Abend verlief wirklich sehr lustig. Als unsere drei Jüngsten bereits verschwunden waren, trafen wir an der Bar noch einige Mechaniker und Ingenieure. Wir unterhielten uns sehr angeregt und sicherlich wurde auch der eine oder andere Cocktail oder Bier getrunken. Irgendwann stand ich mit Lukas vor der Bar und unterhielt mich mit einem Mechaniker, als ich plötzlich von einem Mann angesprochen wurde, den ich noch nicht kannte und auch hier noch nicht gesehen hatte. Er war in etwa 45 Jahre und sah sehr sportlich aus. Er sprach mich mit einem leichten Akzent an.

„Entschuldigung, ich suche den Marc Steevens. Können sie mir sagen, wo ich ihn finden kann?“ Lukas und ich sahen uns fragend an und ich war mir nicht sicher, wie ich reagieren sollte. Deshalb versuchte ich erst mal etwas Zeit zu gewinnen und mir einen Eindruck der Person zu machen.

„Darf ich fragen, warum sie ausgerechnet uns nach Herrn Steevens fragen? Wieso sollten wir wissen, wo er sich befindet.“ Das Gesicht meines Gegenübers bekam ein richtiges Lachen. Er konnte sich kaum beruhigen und meinte:

„Ach wie lustig ist das denn. Sie sind doch sein Sohn, da denke ich wohl richtig, dass sie wissen, wo er sich befindet. Ich hatte gehofft, er würde noch mit Ihnen oder sollte ich besser sagen mit euch etwas hier sein.“

Ich musste wohl wirklich ziemlich blöd geschaut haben. Jedenfalls war ich doch völlig ratlos. Wer war dieser Mann. Er schien mich sofort erkannt zu haben und er kannte Papa wohl recht gut. Lukas neben mir wurde etwas unruhig und auch Tim und Manuel hatten mitbekommen, dass sich bei uns etwas Ungewöhnliches tat. Sie kamen aus der Sitzecke zu uns an die Bar. Ich war dermaßen perplex, dass Lukas nun einfach direkt fragte:

„Sagen sie, wer sind sie eigentlich? Wir haben irgendwie keine Ahnung, woher wir uns kennen sollten.“ Mir wurde das Ganze etwas unheimlich. Ich tat jetzt so, als ob ich mal zur Toilette müsste. Ich ging an der Rezeption vorbei und bat den Concierge sofort meinen Vater anzurufen und ihn hinunter in die Bar zu bitten. Wir bräuchten ihn dort. Das wurde mir zugesagt. Es wurde auch sofort gefragt, ob wir Hilfe bräuchten, dann würde die Security informiert. Das verneinte ich erst mal. Allerdings war es beruhigend zu wissen, dass es hier so etwas gab. Ich ging nun wieder zurück an die Bar. Tim und Manuel waren ein wenig an die Seite gegangen, beobachteten aber die Situation genau. Sie ließen uns nicht aus den Augen, jederzeit bereit uns zu helfen, wenn nötig.

Lukas hatte den Fremden mittlerweile in ein Gespräch verwickelt und Tim kam mir entgegen.

„Wir sollten Marc informieren. Ich habe ein komisches Gefühl. Was meinst du, Mick?“

„Schon passiert, ich habe Papa ausrichten lassen, dass wir hier Hilfe brauchen.“ Danach ging ich zu Lukas und wir unterhielten uns mit dem Fremden weiter. Er war eigentlich sehr nett und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Mann unsere Familie kennen würde. Ich konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Glücklicherweise sah ich nun Papa aus dem Fahrstuhl kommen. Er suchte kurz nach uns und kam schnellen Schrittes auf uns zu. Er sah auch etwas beunruhigt aus. Erst als er bis auf einige Meter heran war, bekam er ein staunendes Lächeln.

„Norbert, das kann doch nicht sein. Was machst du denn hier?“ Dann ging Papa auf den Fremden zu und sie umarmten sich herzlich. Ich war sichtlich verblüfft.

„Papa, kannst du uns bitte mal erklären wer das ist? Wir haben schon gedacht, wir würden hier ausspioniert oder so etwas.“ Jetzt musste Papa richtig lachen. Er zeigte auf den Fremden und erklärte: „Jungs, Tim und Manuel kommt ihr auch bitte hinzu, darf ich euch vorstellen. Das ist Norbert Steiner. Er ist der ältere Bruder eurer Mutter. Wir haben uns jetzt bestimmt fünf Jahre nicht gesehen.“ Ich musste wohl sehr blöd ausgesehen haben, jedenfalls lachten sich Papa und mein Onkel ziemlich tot über unsere Gesichter. Norbert hatte sich schnell wieder beruhigt und er gab uns die Hand und erzählte:

„Lieber Mick, ich muss mich wohl entschuldigen. Aber es war einfach zu niedlich, wie du geschaut hast. Ich wusste ja, dass du niemals einfach so einem Fremden sagen würdest, wo Marc sich aufhalten würde. Aber den Spaß wollte ich mir gönnen. Du bist richtig erwachsen geworden. Das letzte Mal wo ich dich gesehen habe warst du acht oder neun. Danach hat mir Marc nur immer Bilder gezeigt.“

Ich war einfach noch zu überrascht, aber der Abend wurde nun noch recht lustig. Norbert erzählte uns einiges über unsere Mutter. Warum sie damals uns verlassen hatte und dass er sie nicht mehr oft sieht, aber er uns immer noch sehr mag. Deshalb hatte Papa ihm auch immer mal Bilder von uns geschickt. Diese Überraschung war jedenfalls gelungen und dann passierte doch noch etwas Ungewöhnliches. Tim, Manuel, Lukas und ich hatten uns mittlerweile etwas beruhigt und Lukas gab mir einen Kuss und flüsterte mir ins Ohr:

„Das war ja ne coole Nummer von deinem Onkel. Ich glaube auch Marc ist richtig überrascht.“

„Ja, da hast du wohl recht. Ich habe auch keine wirkliche Erinnerungen mehr an ihn und diese Zeit.“ Tim und Manuel wollten sich jetzt nach oben verabschieden. Manuel musste ja ganz früh wieder arbeiten. Sie umarmten uns beide und wünschten uns noch einen schönen Abend. Papa und Norbert standen mit uns noch an der Bar, als Lukas mir seinen Kopf auf die Schulter legte, schaute uns Norbert etwas irritiert an. Er drehte sich zu uns und dann kam die befürchtete Frage:

„Sag mal Mick, ihr beide seid doch nicht nur Freunde. So wie Lukas dich immer ansieht und ihr hier rumflirtet, könnte man fast meinen ihr seid verliebt.“ Dabei grinste er uns mit einem Augenzwinkern an. Mir wurde plötzlich etwas warm und ich spürte auch bei Lukas eine Anspannung. Wie sollten wir jetzt reagieren. Das nahm uns Papa dann direkt ab.

„Ja Norbert, Mick und Lukas sind zusammen und bevor ich es vergesse, Lukas wird mein Stiefsohn werden. Ich werde ihn in Kürze adoptieren. Und um gleich vorzubeugen, die anderen beiden Jungs eben, Tim und Manuel sind auch ein Paar.“ Jetzt konnte man bei Norbert so etwas wie Bewunderung erkennen. Er schaute uns an und dann kam er auf uns zu, umarmte mich und Lukas und gratulierte uns. Es war eine schöne Situation zu spüren, dass er uns völlig akzeptierte. Wir unterhielten uns noch einige Zeit über die Probleme einen berühmten Vater zu haben und wie schwer es ist unsere homosexuelle Beziehung in der Presse zu verheimlichen. Allerdings meinte Norbert auch irgendwann, wir sollten unser Versteckspiel aufgeben, spätestens wenn wir volljährig seien. Dann hätte die Presse kein großes Interesse mehr an mir. Und ich könnte mich viel freier bewegen. Vor allem, wenn Papa mal irgendwann nicht mehr fahren würde. Wir verstanden uns prima, er hatte auch bis heute seiner Schwester nicht verziehen, uns einfach so sitzen zu lassen. Wenn wir nicht durch Papas Job unabhängig gewesen wären, hätte er dafür gesorgt, dass sich seine Schwester nicht so einfach vom Acker gemacht hätte. Wir redeten und lachten noch viel und irgendwann war es drei Uhr morgens. Papa war doch erschrocken, er musste ja schon um zehn wieder im Auto sitzen. Er hatte natürlich keinerlei Alkohol konsumiert, wie immer, aber jetzt wollten wir doch auch ins Bett. Norbert verabschiedete sich und wir vereinbarten uns morgen zum Abendessen zu treffen.

In unserem Zimmer fielen Lukas und ich ziemlich fertig aber gut gelaunt ins Bett. An irgendwelche anderen Dinge war nicht zu denken, wir schliefen sehr schnell ein und wie ein Fels bis zum nächsten Morgen durch.

Ich verzichte hier mal auf die unschönen Dinge des morgendlichen Aufstehens. Es fehlten uns einfach ein paar Stunden Schlaf. Wir trafen mit den anderen beim Frühstück zusammen. Natürlich waren wir die Letzten, die zum Tisch kamen. Wir gönnten uns ein gutes und reichhaltiges Frühstück, dabei informierte ich noch die anderen über die Begegnung mit Norbert, unserem Onkel. Leif hatte ihn eigentlich noch nie persönlich getroffen. Zumindest konnte er sich nicht mehr an ihn erinnern. Insofern waren wir schon gespannt, wie der Abend später werden würde. Papa und Tom waren schon zur Strecke und Mika war mit seinem Vater schon mitgegangen. Der Junge war halt ein absoluter Frühaufsteher. Wobei Leif früher auch so ein Frühaufsteher war. Muss wohl auch etwas am Alter liegen. Was heute noch anstand, war der Geburtstag von Tommy. Er wurde heute vierzehn. Wir taten erst mal alle so, als ob wir gar nicht wüssten, dass er Geburtstag hatte. Wir sprachen über den möglichen Tagesablauf und Nico erklärte uns natürlich, wie die Qualifikation so ablaufen würde. Dann bewegten wir uns alle gemeinsam in Richtung Strecke.

Marc: Samstag Qualifikation und Tommys Geburtstag

Heute stand also einiges auf dem Plan. Das Qualifikationstraining begann erst um halb vier, dafür standen vormittags sogenannte Taxifahrten mit Sponsoren an. Diese sollten mit dem dafür umgebauten Ersatzfahrzeug stattfinden. Diese Fahrten würden Marcel und Tom machen. Was allerdings noch niemand von meinen Jungs wusste, Tommy würde nach diesen offiziellen Fahrten eine „Sonderfahrt“ bekommen. Tom sollte mit ihm fünf Runden Renntempo fahren. Das war unser Geburtstagsgeschenk. Da er ja Tom noch mehr verehrte als mich, hatte ich Tom gefragt, ob er das machen würde. Er sagte sofort zu.

Ich war bereits seit neun Uhr an der Strecke und ich sollte um zehn einige Installationsrunden absolvieren, bevor die Taxifahrten begannen. Also war ich nun schon mit den Vorbereitungen beschäftigt und Tom war auch schon umgezogen, unsere Jungs waren noch nicht da. Ich nahm an, dass sie heute etwas verschlafen sein würden. Die Nacht war ja recht kurz. Dass mein Schwager hier aufkreuzen würde, damit hatte ich ja gar nicht gerechnet. Darüber war ich sehr erfreut und auch meine Kinder schienen ihn zu mögen.

Jetzt aber erst mal mit den Ingenieuren das Programm abklären. Ich sollte möglichst aggressiv fahren, um den Reifenverschleiß zu testen. Die Strecke galt als sehr Reifen verschleißend, von daher mussten wir wissen, ob wir einen Doppel Stint fahren konnten oder ob wir wirklich bei jedem Tanken auch die Reifen wechseln müssten. Dann ließ ich mich festschnallen und los ging die Hatz. Von den Jungs war noch keiner in der Box. Ich hatte sie aber auch vorgewarnt, ich hatte am Rennwochenende nicht ständig die Möglichkeit bei ihnen zu sein. Aber Nico war ja wirklich sehr fachkundig und konnte ihnen viel erklären.

Nachdem ich nun eine Runde sowohl die Bremsen als auch die Reifen angewärmt hatte, begann ich richtig Gas zu geben. Ich durfte förmlich volles Rohr „angasen“. Diese Reifen würden nicht mehr für das Rennen oder die Qualifikation gebraucht. Nach drei sehr guten Runden wurde ich immer schneller und hatte wirklich viel Spaß mit dem Wagen. Er lag geradezu perfekt. Es war wenig Verkehr auf der Strecke, diese 45 Minuten standen ausschließlich den LMP 1 Prototypen zur Verfügung. Also konnte ich frei fahren und hatte innerhalb der ersten vier Runden die schnellste Zeit vom ganzen Wochenende bislang gefahren. Ich konnte über Funk hören, dass alle Werte sehr gut im grünen Bereich lagen. Ich bekam richtig Lust darauf das Auto komplett ans Limit zu treiben. Ich kam in meiner sechsten Runde nun aus der „La source“ und beschleunigte voll auf die „Eau Rouge“ zu. Ich wollte diese Runde die „Eau Rouge“ ohne lupfen fahren. Das bedeutete eine Geschwindigkeit von ca. 260km/h und eine komplette Kompression der Federung. Die Kurve lag in einer Senke. Ich hatte überhaupt keine Bedenken, da das Auto völlig ruhig lag. Ich schoss also durch „Eau Rouge“ steil den Berg wieder hinauf durch den Wald. Am Ende der Geraden hatte ich weit über 320km/h auf der Uhr. Diese Runde war bislang perfekt und ich hatte eine neue Zwischenbestzeit aufgestellt. Ich lief nun auf einen Konkurrenten auf, dieser wurde aber durch die Posten mit der blauen Flagge gewarnt und so konnte ich ohne Zeitverlust an ihm vorbei fahren. Diese Runde verlief weiterhin hervorragend. Ich hatte am Ende einen neuen Rundenrekord für LMP 1 Fahrzeuge aufgestellt. Nach weiteren vier Runden merkte ich aber deutlich den Reifenverschleiß, so konnte ich keine neuen Rekordzeiten mehr fahren. Ich steuerte nun wie vereinbart die Boxen an und rollte in die Parkposition. Mein Ingenieur öffnete meine Tür und er sah recht zufrieden aus. Ich schnallte mich ab und stieg aus. In einer Viertelstunde sollten die Taxifahrten beginnen. Meine Jungs waren mittlerweile auch eingetroffen. Ich sah, wie sie oben am Fenster standen und ich winkte ihnen kurz zu. Dann ging ich zum Meeting mit Wolfgang und den Reifen-Ingenieuren. Danach hätte ich Zeit für meine Jungs. Das Taxi übernahmen ja Marcel und Tom. Wir mussten aber jetzt feststellen, in diesem Tempo würden die Reifen nicht zwei Stunden halten. Wir entschieden uns von daher nicht volle Attacke zu fahren, sondern auf die Reifen zu achten und dadurch mehr Zeit herausholen. Wenn es erforderlich sein würde, könnten wir immer noch die Strategie ändern. Nachdem das besprochen war, ging ich direkt zu Tom. Der stand bereits fertig vorbereitet mit einigen Gästen in der Box. Ich ging zu ihm und fragte:

„Na Tom, heute mal wieder ein paar Leuten das Frühstück verderben?“ Dabei mussten wir beide laut lachen. Er hingegen setzte noch einen drauf und sagte:

„Naja, ich denke mal Tommy wird später auch seinen Spaß haben, hoffe er hat nicht zu viel gefrühstückt. Weiß er eigentlich schon was ihn erwartet?“

„Nein, bislang hat es ihm hoffentlich noch keiner gesagt. Ich gehe aber jetzt mal nach oben und schau mal nach der Stimmung dort. Ich habe sie ja alle auch noch nicht gesprochen heute.“

Ich verließ nun die Box und ging nach oben in den Zuschauerbereich. Als ich durch die Tür ging, war gerade eine lebhafte Diskussion in Gang. Es schien so, dass Mick und Lukas mit Nico und Tommy darüber stritten, ob ich mit wenig Benzin unterwegs war. Nico meinte, dass meine Zeit nur mit ganz wenig Sprit gehen würde, Mick hingegen war der Meinung, dass ich das fahrerisch herausgeholt hätte. Sie hatten noch nicht bemerkt, dass ich bereits hinter ihnen stand, denn sie schauten weiterhin aus dem Fenster auf die Strecke.

„Na Jungs, wie ist die Lage heute Morgen. Alle den Abend gut überstanden?“ Dabei zuckten alle ein wenig zusammen, sie hatten mich einfach nicht bemerkt.

„Boah, Marc, hast du uns erschreckt.“ Dabei fuhr Tim herum und „mir fehlten eindeutig ein paar Stunden Schlaf heute.“ Da es den anderen wohl nicht anders ging, sagte ich:

„Naja, wer so lange an der Bar steht, darf am nächsten Tag nicht meckern. So wie siehts denn aus bei euch?“

„Gut Papa, aber du weißt ja was gleich noch ansteht, oder?“, meinte Leif.

„Also ganz verkalkt ist mein Gehirn noch nicht, klar habe ich das nicht vergessen.“ Dabei musste ich wohl etwas zu wenig gegrinst haben. Denn Nico wunderte sich über diese Provokation von Leif und meinte: „Leif, wie kannst du deinen Vater so anmachen? Ich würde mir nie trauen meinem Vater sowas zu sagen. Er wird wohl schon das nicht vergessen, was du mit ihm besprochen hast. Aber da stellt sich mir die Frage, was soll er eigentlich nicht vergessen haben? Marc, du hast so vielsagend gegrinst, was ist hier im Busch?“

Nico war ja der Einzige, den wir nicht eingeweiht hatten. Wir wollten ja nicht, dass er uns die Überraschung verdirbt. Also ließ ich das erst mal so stehen und ging auf Tommy zu.

„Ähmm, Tommy“, begann ich, „ich habe da so dunkel im Kopf, dass heute ein besonderer Tag ist für dich.“ Alle Augen sahen nun auf Tommy, der sichtlich rot anlief. Tommy erwiderte nur zögernd: „Wie ... so meinst du das?“

„Nun ja, alles Gute zum Geburtstag, ich wünsche dir Gesundheit und bleib so wie du bist.“ Dann ging ich zu ihm hin und umarmte ihn. Er war wirklich überrascht darüber, dass wir das nicht vergessen hatten. Jetzt gingen alle zu ihm hin und gratulierten. Leif sagte dann:

„Tommy, gib zu damit hast du jetzt nicht mehr gerechnet. Du hast doch bestimmt geglaubt ich hätte es auch vergessen, oder?“

„Also ehrlich gesagt, ich war schon etwas traurig heute Morgen, dass nur Nico mir gratuliert hat.“

„Tja, so kann sich das ändern.“ Warf Tim ein. Jetzt gab mir Leif das Zeichen, dass ich ihm nun das Ganze erklären sollte. Ich hatte allerdings noch einen anderen Plan. Deshalb reagierte ich mit einem leichten Kopfschütteln.

„Leute, ihr habt sicher schon mitbekommen, dass jetzt einige „Taxifahrten“ gemacht werden, wollen wir nicht lieber mal runter gehen und uns das vor Ort ansehen?“

Das war jetzt das Stichwort, Leif nahm Tommy an die Hand und zog ihn hinter sich her. Tommy war sichtlich verwundert, folgte ihm aber. Alle anderen waren direkt hinterher gegangen. Ich bildete mit Mick den Schluss. Mick und ich schauten uns an und ich sagte nur:

„Er wird gleich die Überraschung schlechthin bekommen. Ich habe nämlich nicht nur eine Runde im Renntaxi für ihn organisiert, sondern Tom wird mit ihm fünf Runden im Renntempo fahren. Mal sehen, ob er dann auch noch so lockere Texte drauf hat.“ Mick konnte sich sein Lachen nur knapp noch verkneifen. Wir kamen also als letzte nun unten in der Box an und dann sahen wir schon, wie alle sich die Autos ansahen und Nico stand mit großen Augen direkt neben dem Auto. Er schien es förmlich mit den Augen aufzusaugen. Er sah sich jedes Detail an und war vollkommen versunken. Tommy stand neben ihm und sie hielten sich die Hände. Es war ein niedliches Bild. Auch Lukas hatte es bemerkt und wir wechselten unsere Blicke. Mick kam ganz nahe zu mir, damit die anderen nicht mitbekamen, was wir sprachen.

„Könntest du nicht Tom fragen, ob wir Nico nicht auch ne Runde geben? Ich meine, der weiß echt so viel und ich glaube der wird dermaßen neidisch auf Tommy sein. Was denkst du Papa?“

„Ich hatte schon den gleichen Gedanken, warte mal eben. Ich frage Wolfgang mal grade.“ Ich ging nun also zu Wolfgang, klärte das ab und ging mit einem Lächeln und dem Daumen nach oben zu Mick zurück. Ich stellte mich nun hinter Nico und Tommy und konnte hören, was sie miteinander sprachen.

„Man Tommy, was für ein geiles Auto. Diese ganze Technik und es ist eins der besten Langstreckenautos der Welt. Und wir dürfen ganz nah davor stehen.“

Tommy sah zu Nico und ich spürte, wie Tommy in Gedanken war, als er sagte: „Ja das stimmt, ich frage mich gerade, erleben wir das hier wirklich? Ich meine, Leif ist unser Freund und dann lerne ich dich kennen und ich stehe nun mit dir hier direkt im Geschehen. Marc kümmert sich um uns wie um seine eigenen Kinder. Ich weiß gar nicht, wie wir das jemals zurückgeben können.“

„Weißt du was, ich würde am liebsten einfach mich mal hineinsetzen. Nur mal hier drin sitzen. Das glaubt mir doch keiner von meinen Klassenkameraden.“ Tommy nahm ihn in den Arm und gab ihm einen kleinen zärtlichen Kuss. Sie hatten mich immer noch nicht bemerkt und jetzt räusperte ich mich. Sie erschraken beide. Es war ihnen sichtlich unangenehm.

„Na ihr zwei, was für Gedanken treiben euch so durch den Kopf gerade?“ Ich sah, wie nun alle anderen auf Tommy schauten, sie wussten ja alle was ich vorhatte.

Tommy: „Ich bin einfach nur sprachlos, was ich hier erleben darf. Ich stehe hier mit den besten Rennfahrern der Welt, meinen Freunden und dir als Vater von meinen besten Freunden, kneif mich mal.“

„Nein ich weiß was Besseres als kneifen. Damit ihr es wirklich glaubt, setzt euch einfach hinein. Ich erkläre euch das Cockpit. Nico nimm einfach mal hinter dem Steuer Platz.“

„Echt jetzt? Kein Scherz, ich darf da wirklich mal drin sitzen? Wie geil!“ Ich gab Mick ein Zeichen, er soll doch einfach mal einige Bilder machen. Dann half ich Nico beim Einsteigen. Ich nahm das Lenkrad ab und er setzte sich fast ehrfürchtig in den Fahrersitz. Er traute sich gar nicht, etwas anzufassen. Ich erklärte ihm alles ziemlich genau und die anderen standen hinter mir um das Auto verteilt. Tom fuhr ja noch mit dem Trainingswagen und konnte somit jetzt nicht unterstützen. Plötzlich stand Manuel bei uns und er öffnete die Beifahrertür und gab den anderen ein Zeichen auf die andere Seite zu kommen. So standen wir alle um mein Einsatzfahrzeug und ich erklärte Nico die ganzen Knöpfe und Schalter. Tommy stand neben mir und war völlig sprachlos. Nico, so hatte ich das Gefühl, schwebte auf Wolke sieben und dann fragte Tommy mich:

„Darf ich auch mal dort sitzen? Oder ist dafür jetzt keine Zeit?“ Ich fand es einfach zu schön, wie die beiden "Kleinen" sich wie die Schneekönige freuten und gleichzeitig nahezu ehrfürchtig vor dem Auto standen.

„Klar, du musst nur Nico jetzt dazu bringen auszusteigen. Ich weiß nicht, ob er freiwillig jetzt bereits aussteigen möchte.“ Wir mussten alle ganz herzlich lachen. Nico stand aber sofort für seinen Freund aus dem Fahrersitz aus, Tommy setzte sich nun dorthin. Nico war sichtlich beeindruckt und sagte zu mir ganz leise: „Vielen dank Marc, du weißt gar nicht, was für ein Traum gerade für mich Wirklichkeit geworden ist.“ Er hatte wirklich feuchte Augen, der Junge. Ich nahm ihn in die Arme und sagte: „Nico, ist schon in Ordnung so. Du musst dich nicht revanchieren. Das mache ich wirklich gerne mit euch. Ich freue mich sehr, dass meine Kinder so tolle Freunde haben.“

Mittlerweile war Tom mit den normalen Taxifahrten durch und jetzt bekam ich von Manuel ein Zeichen. Es konnte losgehen. Ich stand nun auf und sagte: „Nico, bist du mutig?“ Nico sah mich jetzt fragend an: „Wieso fragst du? Was soll diese Frage?“

„Nun, ja oder nein?“, ich versuchte total ernst zu blicken. Nico zögerte und wieder sagte er dann nur: „Ich glaube ich bin jedenfalls kein Angsthase.“

„Gut, dann komm mit.“ Ich nahm ihn nun an die Hand und zog ihn hinter mir her. Tommy saß noch im Auto und wusste gar nicht was geschah. Dann stand ich vor der Box und Tom saß noch im Auto und ich öffnete die Beifahrertür. Dann gab mir Lukas den Helm von Nico und ich sagte nur ein Wort: „Einsteigen!“ Nico konnte es nicht glauben und zögerte. „Los, einsteigen - Tom kann nicht so lange warten mit laufendem Motor. Der wird zu heiß.“ Nico setzte sich den Helm auf und ich schnallte ihn fest. Dann gab ich Tom das Zeichen und er fuhr los. Ich stand nun mit allen Jungs noch in der Boxengasse und Tommy kam zu mir: „Muss ich jetzt Angst haben? Weil ich weiß nicht ob Nico das verkraftet. Sein und mein Idol fährt mit ihm in einem echten Rennwagen eine Runde in Spa. Ich glaube das einfach nicht.“

„Ach Tommy, das wird schon klappen. Tom hat bestimmt davor Angst, dass du ihn verprügelst, wenn er deinen Freund nicht heile zurück bringt.“ Dieser Spruch kam natürlich - von wem sonst - von Tim.

„Haha, sehr witzig. Ich weiß gar nicht, womit ich so viel Anteilnahme verdient habe.“

Jetzt kam mein Auftritt. Ich hatte bereits Tommys Helm in der Hand und dann sagte ich. „Ach ja, ich habe hier auch etwas für dich. Zieh den Helm schon mal über. Wenn Tom gleich zurückkommt, darfst du dabei sein, wenn Tom versuchen wird, meine Bestzeit zu knacken. Er hat fünf Runden Zeit. Schafft er es nicht, musst du nachher beim Reifenwechsel mitmachen. Schafft er es doch, muss ich wohl eine Runde Eis für alle spendieren.“

„Im Ernst, ich darf auch mal mitfahren? Wie geil.“

„Nein, du darfst nicht mal mitfahren, du fährst mit Tom fünf Runden Renntempo - wenn du das heile überstehst ohne kotzen, dann hast du dir das Eis verdient.“

Tommy wurde blass. Ich glaubte, er würde jetzt überlegen, ob er sich freuen sollte oder Angst haben sollte. Tom kam in diesem Moment zurück, ich öffnete die Tür, Nico stieg wortlos aus. Ich konnte sehen, dass er Tränen der Freude in den Augen hatte. Tommy wurde nun festgeschnallt und ich gab Tom das Signal. Ich war wirklich gespannt, würde Tommy das gut überstehen? Er wird in den Genuss kommen, alle Kräfte unter Rennbedingungen zu spüren.

Nico saß nun ein wenig Abseits auf dem Boden. Er hatte sichtlich zu kämpfen, Leif stand bei ihm und ich konnte spüren, wie Nico mit seinen Gefühlen kämpfte. Es war gerade ein Traum für ihn in Erfüllung gegangen. Ich stand noch in der Boxengasse, als Mick und Lukas zu mir kamen. Lukas: „Marc, ich glaube du hast alles richtig gemacht. Ich habe eben mit Tim gesprochen, er meinte sein kleiner Bruder wäre noch nie so fertig gewesen.“ Wir grinsten uns an und dann warteten wir auf die erste Durchfahrt. Ich konnte hören wie Tom vor der „La Source“ runter bremste und wieder heraus beschleunigte, er fuhr wirklich voll am Limit. Der Motor drehte voll aus beim Schalten. Dann fuhren sie an uns vorbei und auf die „Eau Rouge“ zu. Tom lupfte wirklich nicht. Also er fuhr wirklich auf maximale Zeit. Ob Tommy das wohl heile überstehen würde?

Fünf Runden später kam Tom wieder zurück an die Box gerollt und wir waren alle sehr gespannt, wie würde Tommy wohl aussehen nach dem Aussteigen. Das Auto rollte langsam vor die Box und blieb schließlich stehen. Tom öffnete die Fahrertür und blieb mit einem Seitenblick auf Tommy noch sitzen. Tommy saß völlig regungslos in seiner Rennschale. So langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Auch die anderen wurden langsam unruhig und Nico wollte schon die Tür aufreißen und sich um ihn kümmern. Ich konnte ihn mit einem harten: „Stop, lass das!“ aufhalten. Er blieb wie angewurzelt stehen und sah mich entsetzt an. Ich blieb jetzt ganz ruhig und meinte: „Nicht so hektisch, ich mach das lieber selbst. Nicht dass er noch mehr Kreislaufprobleme bekommt.“ Ich öffnete nun die Tür und beugte mich zu Tommy ins Auto. Ich konnte durch den Helm erkennen, dass er völlig durchgeschwitzt war und ganz große Augen hatte. Ich sprach ihn an:

„Na Meister, wie geht’s dir? Mach ganz ruhig und keine Panik. Ich öffne dir jetzt ganz langsam die Gurte, bleib bitte noch einen Moment sitzen und nimm dir vorsichtig den Helm ab.“

Tommy war völlig apathisch und abwesend. Aber er reagierte auf meine Ansage und machte ganz langsam, was ich gesagt hatte. Nico wurde immer unruhiger und wäre am liebsten ins Auto gesprungen und hätte seinen Freund aus dem Auto gezogen. Ich konnte mir aber vorstellen, was Tommy passiert war. Er war diese enormen Kräfte gar nicht gewohnt und sein Körper rebellierte mit allen Sensoren. Das war einfach zu viel für den jungen Körper. Auch wenn er es total genossen hatte. Er war einfach fertig. Jetzt hatte er seinen Helm abgenommen und sein Gesicht sah zwar böse aus aber seine Augen leuchteten.

„Bleib noch einen Moment sitzen, mach dir keine Sorgen, das ist völlig normal jetzt. Dein Körper muss sich erst wieder auf Normalbetrieb umstellen.“

„Ok, ich dachte schon ich bin einfach ein Weichei. Ich kann mich kaum noch bewegen. So eine Kraft habe ich noch nie erlebt. Beim Bremsen habe ich keine Luft mehr bekommen.“ Als er diese ersten Sätze sagte, entspannte sich auch Nico wieder und die anderen bekamen ihr fiesestes Grinsen ins Gesicht. Tom stand mittlerweile neben dem Auto und lachte mich an:

„Hey Marc, das Eis ist unser. Ich habe deine Zeit um zwei Zehntel geschlagen.“

„Jaja, schon gut. Also gehen wir heute Abend zusammen Eis essen.“ Das führte bei allen zu einem freudigen Jubel. Tommy saß noch immer im Auto, wurde jetzt aber langsam wieder lebendig.

Nico stand immer noch recht ängstlich neben mir. Er hockte sich vor Tommy und nahm Tommys Hand und streichelte ihm durchs verschwitzte Gesicht. Jetzt lächelte Tommy wieder und ich ließ ihn nun aussteigen. Etwas wackelig, aber vollkommen glücklich stand unser Tommy nun vor Nico. Nico traute sich nicht, aber Tommy umarmte ihn einfach. Lukas und Mick klatschten und wir hatten alle unseren Spaß. Plötzlich hob Tommy seine Hand, er wollte uns etwas mitteilen:

„Leute, ich weiß noch gar nicht was hier gerade passiert. Das war das Krasseste was ich bisher erlebt habe. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich über diesen Geburtstag bin. Vielen, vielen Dank.“

„So Leute, Mittagspause. Wir gehen schön was essen und dann geht’s in die Qualifikation.“

So geschah es dann auch. Ich schickte Tommy und Nico erst mal zum Duschen. Dann trafen wir uns im Catering Bereich zum Essen und die beiden Jungs berichteten von ihren Erlebnissen im Auto. Tommy war immer noch ganz gefangen von den Eindrücken. Ich musste ihm nun leider sagen, dass er vermutlich am nächsten Tag ganz bösen Muskelkater bekommen würde. Das war ihm egal. Er meinte nur: „Weißt du Marc, für dieses geile Erlebnis ist mir fast alles recht. Da werde ich den Muskelkater wohl aushalten können.“ Wir mussten alle herzlich lachen und dann machten wir uns über unser leckeres Essen her. Was mich allerdings nun wunderte, Wolfgang kam zu uns an den Tisch und meinte er hätte ein Anliegen. Ich sah ihn etwas verwundert an. Wolfgang begann zu erklären: „Also erst mal einen guten Appetit aber ich habe eine Bitte. Marc, wir haben einige Anfragen von Pressevertretern bekommen, die sich fragen, was für eine Gruppe Jugendlicher sich hier in unserem Team aufhält. Ein Fernsehsender hat mich gebeten, mit einigen von euch ein Interview zu machen. Insbesondere mit dir Marc und Tom. Außerdem möchten sie ein paar von den Jungs dabei haben. Es ist wohl aufgefallen, dass hier etwas Besonderes stattfindet.“ Ich war jetzt nicht gerade begeistert, aber andererseits konnte ich Wolfgang verstehen. Es wäre eine gute Gelegenheit für unser Team über unseren Erfolg zu berichten. Da freuen sich sicher unsere Sponsoren. Außerdem hatte Wolfgang mich bislang immer unterstützt. Also bat ich Wolfgang um fünf Minuten, um zu klären, wer von den Jungs dabei sein sollte. Ich persönlich wollte auf jeden Fall Mick und Lukas dabei haben. Tom schlug vor, auch Tim und Manuel dazu zu nehmen. Manuel konnte die Mechaniker Perspektive einbringen. Außerdem würden die großen Jungs sicher besser damit umgehen können. Da die anderen damit einverstanden waren, ging ich zu Wolfgang, um die Details zu klären. Wir vereinbarten also ein Interview mit dem TV Sender nach der Qualifikation.

Die Qualifikation stand nun an und wir waren voll konzentriert. Meine Jungs waren mittlerweile wieder oben in ihrem Beobachterbereich. Ich sollte den ersten Versuch fahren und dann Loic und zum Schluss Tom. Mein Versuch war ganz ok, allerdings hatte ich ein kleines Problem mit dem Ladedruck unseres Motors. Dadurch verlor ich pro Runde etwa eine halbe Sekunde. Das war ärgerlich, aber die Mechaniker hatten schnell den Fehler gefunden und so konnte zumindest Loic sehr gute Zeiten fahren. Wir waren mittlerweile auf Position drei. Als Tom ins Auto stieg, hatten wir auf die Pole Position nur ein Zehntel Rückstand. Das sollte für Tom noch zu machen sein. Ich stand nun vorne am Kommandostand, als plötzlich Mick neben mir stand. Ich war doch erstaunt: „Mick, was machst du denn hier? Gibt’s was Besonderes?“

„Ja, ich wollte bei dir sein - oben ist zwar gut zum Zuschauen aber ich wollte endlich mal auch ganz nah bei dir sein. Außerdem möchte ich dir sagen, wie froh ich bin, dass du dir hier so viel Zeit für uns nimmst und wir so viel gemeinsam machen. Und das, obwohl du hier arbeiten musst und dich voll auf das Fahren konzentrieren musst. Das konnte ich dir so noch nicht sagen. Ich bin wirklich glücklich, dass wir hier sein können.“ Ich war wirklich berührt über seine Worte. Ich nahm ihn in den Arm und dann merkte ich wie einige Kameras klickten. Es würde wohl nun bald kein Geheimnis mehr sein, wer der junge Mann an meiner Seite sein würde. Aber ich spürte bei Mick ein ganz enorm gestiegenes Selbstbewusstsein und ich spürte, er wollte sich nicht mehr verstecken. Ich wollte meine Jungs hier auch nicht mehr zwanghaft schützen. Mick war alt genug, er sollte selbst entscheiden, ob er sich der Presse stellen wollte oder nicht. Für Leif wollte ich das nicht. Er war mir noch zu jung.

Die letzten Minuten der Qualifikation liefen und jetzt standen Mick, Loic und ich am Kommandostand und hofften, dass Tom noch eine Runde aus dem Hut zaubern würde. Dann tauchten die ersten Zwischenzeiten auf dem Monitor auf und das sah sehr gut aus. Tom war drei Zehntel schneller bei der zweiten Zwischenzeit. Jetzt wurde es spannend. Ich schaute in Richtung „La Source“, Tom würde jeden Moment dort auftauchen. Aber es passierte ... nichts. Ich sah mich etwas ratlos um und auch Wolfgang konnte mir noch nichts sagen. Ein wenig Ratlosigkeit breitete sich bei uns aus. Auch über Funk konnte Wolfgang Tom nicht erreichen. Allerdings gab es keine gelben Flaggen. Also der Rennbetrieb lief normal weiter. Dann konnte ich Tom in ruhiger Fahrt in der Boxeneinfahrt erkennen. Es war wohl gottlob nichts Schlimmeres passiert. Allerdings war die Zeit natürlich kaputt. Tom rollte aus und er öffnete die Tür. Wie sich herausstellte, der Funk war ausgefallen und die Leistung war schlagartig weg. Es war einfach zu wenig Sprit im Tank gewesen. Das war jetzt blöd, aber nicht zu ändern. Der dritte Platz war kein schlechtes Ergebnis. Das Rennen dauerte sechs Stunden, viel Zeit um sich nicht aufregen zu müssen über diese Panne. Also blieben wir alle recht gelassen und unsere Meetings konzentrierten sich auf die Strategie und wie die Wetterbedingungen sein würden. Zum jetzigen Zeitpunkt würde es wohl durchgehend trocken bleiben. Das konnte sich allerdings noch sehr schnell ändern. Nachdem alle Punkte abgearbeitet waren, gingen wir gut gelaunt auseinander. Wolfgang bat Tom und mich noch einen Moment zu bleiben.

„So ihr beiden, ich möchte noch kurz auf das Fernsehinterview eingehen. Ich habe einige Informationen bekommen, die insbesondere dir, Marc, nicht gefallen werden. Ich habe gehört, dass es bereits Gerüchte über die Jungs gibt. Einige Stimmen sprechen von deinen Kindern, einige vermuten ein Projekt unseres Teams, also ihr solltet euch auf das Ganze gut vorbereiten.“

Ich hatte damit schon gerechnet, deshalb kommentierte ich das recht gelassen: „Ach, irgendwann würde der Tag kommen, an dem sich Mick zeigen würde. Ich meine, er ist bald siebzehn und er soll das selber entscheiden. Wenn ich das richtig deute, wird er gleich ganz offen sagen, dass er mein Sohn ist und das er mit seinen Freunden mich besucht.“

Wolfgang nahm das mit Verwunderung aber auch Anerkennung zur Kenntnis. Die Kleineren wollte ich aber auf jeden Fall noch heraushalten. Ich hatte deshalb um ein kurzes Vorabgespräch mit der Reporterin gebeten. Das sollte nun in wenigen Minuten stattfinden. Ich bat Tom in dieser Zeit die Jungs schon mal abzuholen, damit wir pünktlich beginnen konnten.

Ich ging nun zum Pressebereich und traf mich dort mit der jungen Reporterin. Ich wurde wirklich sehr freundlich von ihr begrüßt: „Hallo Herr Steevens, ich bin Natalie Jong und freue mich, dass sie für uns Zeit haben.“

„Hallo Frau Jong, ich denke wir werden das sicher gut hinbekommen.“

„Wir haben sie seit gestern hier beobachtet und uns ist aufgefallen, dass sie immer in Begleitung einer Gruppe Jugendlicher sind. Wir würden sie gerne dazu befragen, was es damit auf sich hat. Außerdem liegen sie an der Spitze der WM und wir würden gerne darüber ein paar Fragen stellen.“

„Ja, diese Gruppe Jugendlicher ist eine besondere Gruppe. Ich möchte sie nun aber um etwas bitten. Ich werde ihnen sicher einiges beantworten, aber ich möchte, dass sie keine Fragen zu den jüngeren der Gruppe stellen und diese auch nicht erwähnen in ihrem Bericht. Was die älteren betrifft, werde ich sie gerne informieren. Aber die Jüngeren möchte ich schützen. Wenn sie das akzeptieren, werde ich dafür bereitwillig Auskunft geben über diese besondere Situation.“

„Es geht das Gerücht um, es wären ihre beiden Söhne in dieser Gruppe. Stimmt das?“

„Ja das ist korrekt, deshalb möchte ich auch, dass die jüngeren aus dem Spiel bleiben. Mein jüngster Sohn soll weiterhin von der Presse unbehelligt bleiben.“

„Ich verstehe, und ihr Ältester - Mick - ist auch hier?“

„Ja, er wird auch gleich mit seinen Freunden am Interview teilnehmen. Es wird das erste öffentliche Interview mit einem meiner Kinder sein. Bitte seien sie etwas nachsichtig.“ Ich sah nun die absolute Verwunderung der Reporterin. Es wurde ihr wohl bewusst, was für eine außergewöhnliche Situation sie hier hatte.

„Ich verstehe, wir werden alles dafür tun, um ihre Privatsphäre zu wahren. Ich werde meinem Team Anweisungen geben, keine Aufnahmen von den jüngeren ihrer Gruppe zu machen. Das verspreche ich ihnen. Wir werden auch die Fragen nur auf die Teilnehmer des Interviews beschränken.“

„Sehr gut, dann denke ich, können wir beginnen. Ich werde mit meinen Jungs pünktlich erscheinen. Brauchen wir Zeit vorher für die Maske oder kann das auch ohne gemacht werden?“

„Nein, wir machen das ohne. Es soll ein spontanes Gespräch sein.“

„Alles klar - das gefällt mir gut. Dann würde ich sagen bis gleich.“ Ich verabschiedete mich und ging zu Mick und Lukas. Die beiden warteten bereits mit Tim und Manuel auf mich. Sie waren etwas nervös.

„Hi Jungs, ich war gerade bei der Journalistin, die das Interview macht. Sie scheint sehr nett zu sein und ich habe mit ihr vereinbart, keine Fragen und Bilder zu den „Kleinen“. Ihr könnt selbst entscheiden, auf was ihr antworten möchtet und was ihr preisgeben wollt.“

Mick nickte und Lukas war doch etwas unruhig. Tim und Manuel, der übrigens seine Teamkleidung trug, waren recht entspannt. Sie hatten ja auch nicht das Problem einen Promi Vater zu haben. Ich hatte nun eine Frage, die ich Lukas stellen musste:

„Sag mal Lukas, wie willst du dich eigentlich vorstellen? Also mit welchem Namen? Ich würde es gut finden, wenn du dich mit Steevens vorstellen würdest. Dann hätten wir einen guten Einstieg und alle Gerüchte können wir aus der Welt schaffen. Was meinst du?“

„Ja, sehe ich auch genauso. Es ist mir zwar noch neu, aber ich glaube du hast recht.“

Mick fand das auch ganz toll. Manuel und Tim würden wir als die besten Freunde der beiden vorstellen. Manuel war ja jetzt sogar ein Mitarbeiter. Also auch da sollte es keine schwierigen Situationen geben. Wir gingen nun Richtung Treffpunkt. Das Interview sollte draußen hinter den Boxen stattfinden. Es gab dort einen Medienbereich, der speziell dafür eingerichtet wurde. Wir wurden von Natalie empfangen, sie stellte sich auch den Jungs vor und dann schaute sie alle vier an und dann kam die Frage, auf die ich schon gewartet hatte.

„Ich möchte ja nicht unhöflich sein aber du bist vermutlich Mick Steevens und damit der Sohn von Marc.“ Dabei zeigte sie auf Mick. Mick wurde leicht rot und es war ihm nicht so ganz geheuer. Aber er schlug sich wacker.

„Ja Frau Jong, ich bin Mick Steevens. Das hier sind meine besten Freunde Lukas, Tim und Manuel.“

„Wenn es dir nichts ausmacht, ich heiße Natalie. Sollen wir schon mal in die Interview Zone begeben. Dann zeige ich euch, wie wir uns das vorgestellt haben.“

Wir waren einverstanden und dann kamen wir auf eine sehr gemütliche Sitzgruppe mit einem Tisch in der Mitte. Dort sollte das Interview stattfinden. Wir nahmen dort Platz und die Kameras wurden eingerichtet. Nach einigen Minuten war alles soweit, dass wir beginnen konnten. Die ersten Fragen betrafen unser Rennteam und ich wurde zu den Ergebnissen und den Neuigkeiten befragt. Irgendwann leitete Natalie sehr geschickt das Gespräch auf die Situation mit den Jungs. Sie fragte: „Uns Journalisten ist aufgefallen, dass sie hier mit vielen Jugendlichen im Schlepptau zu sehen sind. Wir kennen sie schon sehr lange, für uns ist das sehr ungewöhnlich. Würden sie uns etwas dazu erzählen Herr Steevens.“ Ich sah nun zu den Jungs und wollte das eigentlich ihnen überlassen, deshalb gab ich nur eine kurze Einführung.

„Es stimmt schon. Bislang war ich sehr selten in Begleitung meiner Kinder in der Öffentlichkeit zu sehen. Hier hat sich aber eine neue Situation ergeben und ich denke Mick wird das viel besser erklären können, wie es dazu kam.“ Jetzt schwenkte die Kamera auf Mick und Lukas. Mick begann nun die Situation zu erklären und dass Manuel hier eine Möglichkeit bekam, einen Job zu bekommen. Dass dieses der Grund hauptsächlich war, weshalb er auch mit hierhergekommen war. Er erzählte von der Situation mein Sohn zu sein und es nicht immer einfach ist, ein normales Leben führen zu können. Deshalb sei er auch so selten in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Dann stellte Natalie eine folgenschwere Frage, vermutlich ohne sich darüber im Klaren zu sein.

„Lukas, du bist ein guter Freund von Mick. Wie ist das für dich mit einem Sohn eines berühmten Rennfahrers befreundet zu sein?“

„Eigentlich spüre ich das nicht. Ich bin der Freund von Mick und ich erlebe seinen Vater genauso, wie ich jeden anderen Vater meiner Freunde erlebe. Marc ist immer absolut normal und er kümmert sich genauso wie jeder Vater um seine Kinder. Was manchmal ein wenig schade ist, dass Mick ihn nur so selten sehen kann. Aber für mich ist Marc wie ein Vater.“

„Wie meinst du das? Er ist doch immer viel unterwegs und kann doch eigentlich sich nicht wirklich um euch kümmern. Deshalb lebt ihr auch in einem Internat.“

„Das ist schon richtig, aber wir kennen uns persönlich erst seit einigen Wochen. Ich bin erst einige Monate mit Mick im Internat. Wir haben uns dort kennengelernt und er hat sich sehr um mich gekümmert. Es hat bei mir in der Vergangenheit ein Ereignis gegeben, bei dem sich für mich sehr viel verändert hatte. Mick hatte mich einfach so angenommen, wie ich war. Da habe ich noch gar nicht gewusst, dass Marc sein Vater war. Dann kam ein Ereignis, dass dazu führte, dass Marc zu uns ins Internat kam. Ich war sowas von nervös. Aber Marc nahm mir alle Angst. Er war ein Vater, mehr nicht. Er hat mir zugehört und ich bin so dankbar, er hilft mir über den Verlust meiner Eltern hinwegzukommen. Und die Freundschaft zu Mick ist einfach nur sehr schön.“ Als er das gesagt hatte, konnte man bei Natalie Betroffenheit erkennen. Damit hatte sie nicht gerechnet.

„Also wenn ich hier mal nachfragen darf, Marc, sie haben sich um Lukas gekümmert, als sie erfuhren, dass seine Eltern ums Leben gekommen waren? Wie war das für sie, als ihr Sohn davon erzählte?“

„Das war alles sehr kompliziert und ich habe mich sofort auf den Weg gemacht zu den Jungs. Mittlerweile ist Lukas so gut wie mein Stiefsohn. Ich werde ihn adoptieren. Tim und Manuel sind die besten Freunde der beiden und so habe ich allen vier eine Freude machen wollen, sie hierher einzuladen. Ich will mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen. Dass Lukas seine Eltern verloren hat, kann ich nicht ausgleichen aber ich kann versuchen, dass er in Zukunft wieder eine Familie haben wird.“

Das Interview verlief wirklich sehr positiv. Allerdings kam irgendwann eine gewisse Spannung auf. Tim und Manuel machten ihre Beziehung öffentlich. Manuel stand zu der Frage, dass es das Gerücht gab, er sei schwul und Tim wäre sein Freund. Er gab ein klares Statement ab:

„Es ist kein Gerücht. Ich bin schwul und Tim ist mein Freund. Ich möchte hier auch etwas ganz Außergewöhnliches dazu sagen. Auch hier waren Mick, Micks Vater und Lukas richtige Hilfen. Sie haben es einfach akzeptiert und unterstützen mich weiterhin wo sie nur können. Ich bin richtig glücklich sie als Freunde zu haben.“ Ich war sehr angetan von dieser Offenheit und auch Natalie hatte das sehr überrascht. Das Interview verlief noch einige Minuten weiter und es wurde doch sehr persönlich. Aber wirklich gut gemacht von Natalie. Keine indiskreten Fragen, sie ging damit sehr freundlich um. Nach über einer Stunde Gespräch beendeten wir das Interview und wir verabschiedeten uns. Sie versprach mir ausschließlich über die Jungs aus dem Interview zu berichten. Keine Veröffentlichung zu den „Kleinen“. Wie ich später feststellen konnte, hielt sie sich daran. Das fand ich sehr positiv. Ich gab Wolfgang auch dazu eine Rückmeldung. Er sollte in Zukunft mit dieser Journalistin gerne weitere Termine machen dürfen.

Wir gingen dann in unser Hotel und die Jungs waren noch sehr aufgedreht. Also musste ich meine Wettschuld einlösen. Wir gingen nach dem Essen, zu dem mein Schwager Norbert zu uns kam, noch in ein kleines Eiscafé im Ort. Dann wurde um zehn Uhr abends Bettruhe angesagt. Tom und ich hatten ein anstrengendes Rennen vor uns.

Mick: Mit Lukas nach dem Interview im Hotel

Ich war nach meinem ersten Fernsehinterview doch sehr aufgedreht und ich glaube Lukas ging das genauso. Das sich Manuel und Tim öffentlich bekannten schwul zu sein und auch ein Paar zu sein imponierte mir jedoch sehr. Dazu hatte ich absolut noch keinen Mut gehabt. Wir waren noch gemeinsam Eis essen und die anderen bekamen dort berichtet, was sich alles ereignet hatte. Gegen 22 Uhr kamen wir wieder in unser Zimmer im Hotel. Morgen sollte also das Rennen sein und danach war unsere gemeinsame Zeit mit Papa schon wieder vorbei. Ich wurde richtig traurig bei diesem Gedanken. Lukas saß auf unserem Sofa. Er merkte meine Nachdenklichkeit und fragte: „Hey Kleiner, was denkst du gerade? Wir hatten einen tollen Tag und du wirkst so nachdenklich.“

„Ja stimmt. Ich denke gerade daran, dass ja morgen schon wieder unsere Zeit mit Papa vorbei ist. Wer weiß, wann wir wieder so etwas zusammen erleben. Ich möchte am liebsten, dass Papa zu uns in die Nähe zieht. Dann könnten wir wenigstens an den Wochenenden oder in der rennfreien Zeit immer zusammen sein.“

„Ja ich kann das verstehen. Ich genieße auch jede Minute hier. Mick ich möchte dir etwas sagen. Kommst du bitte zu mir aufs Sofa.“

Ich war nun etwas überrascht, aber da Lukas ein freundliches Gesicht machte, ließ ich mich neben ihm aufs Sofa sinken. Ich war doch etwas erschöpft.

„Weißt du eigentlich, ich war vorhin im Interview kurz davor uns ebenfalls zu outen. Als Tim und Manuel sich öffentlich dazu bekannten, war ich gefühlsmäßig überwältigt. Aber ich war zu feige. Ich wollte es auch nicht ohne deine Zustimmung machen.“

Ich sah ihn fragend an und ich spürte, hier würde gleich etwas Besonderes passieren. Dann stand Lukas auf und holte aus einer Tasche eine kleine Schachtel. Er kam wieder zu mir aufs Sofa und dann traf es mich wirklich unvorbereitet.

„Ich möchte dir sagen, dass alles was du und dein Vater für mich bislang getan habt, mit nichts wieder gutzumachen ist. Ich liebe dich über alles und ich will, dass wir beide noch ganz lange zusammen sind. Ich möchte dich fragen, ob wir nicht genau wie Tim und Manuel als reguläres Paar auftreten wollen. Kein heimliches Versteckspiel mehr. Ich will meine Liebe zu dir überall zeigen können.“

Er sah mich dabei unheimlich erwartungsvoll an und mir kamen tausend Gedanken durch den Kopf. Wäre es richtig, dass zu tun? Was würde Papa dazu sagen? Werden wir glücklich damit? In mir spürte ich, dass es richtig war. Ich liebte Lukas genauso und wollte endlich dazu stehen, und zwar überall ohne Ausnahmen.

Mir stockte der Atem, wie sollte ich das jetzt sagen, ich ging auf ihn zu, umarmte ihn so liebevoll, wie ich konnte. Ich küsste ihn. Dann sagte ich zu ihm:

„Lukas, ich liebe dich auch mit allem was ich habe. Was hast du dir denn überlegt?“

Er öffnete seine kleine Schachtel und holte zwei silberne Ringe hervor. Er nahm meine Hand und steckte mir einen Ring auf meine Hand, dann gab er mir den anderen Ring, damit ich den ihm auf seinen Finger stecken konnte. Ich war sprachlos. Ich sah ihn fassungslos an. Ich hatte so ein Gefühl noch nie gehabt. Wir standen uns sprachlos gegenüber, ich hielt seine Hand und dann küssten wir uns so leidenschaftlich wie schon ganz lange nicht mehr. Mir kamen die Tränen vor Glück. Unsere Hände gingen auf Wanderschaft und innerhalb weniger Minuten waren wir ohne Klamotten und krabbelten gemeinsam ins Bett. Es wurde ein wundervolles Erlebnis. Ich war mir jetzt absolut sicher. Ich wollte, dass jeder sehen kann, dass Lukas und ich gemeinsam durchs Leben gehen werden. Bevor wir einschliefen, sagte ich nur noch einen Satz:

„Lukas, ja ich will das auch mit dir teilen. Lass uns eine richtige Familie werden. Ich liebe dich.“

Dann kuschelten wir uns aneinander und schliefen glücklich ein. Ab jetzt sollte sich erneut einiges für uns ändern. Wer wusste schon was die Zukunft brachte.

Am nächsten Morgen klingelte um neun der Wecker. Heute war Renntag und ich wollte Papa so gut unterstützen wie ich konnte. Ich löste mich von meinem Freund und stieg aus dem Bett. Lukas schlummerte noch so vor sich hin. Ich ging ins Bad und als ich wieder heraus kam stand Lukas bereits mit einem Lächeln vor mir. Er umarmte mich und gab mir einen guten Morgen Kuss. So ließ ich mir das gefallen. Am besten jetzt immer jeden Morgen. Lukas ging dann ebenfalls ins Bad. Nach wenigen Minuten waren wir angezogen und schauten nach unseren Freunden. Papa, Manuel und Tom waren natürlich schon an der Strecke. Ich ging bei Mika schauen. Er lag noch friedlich schlafend im Bett. Ich weckte ihn vorsichtig. Er öffnete die Augen und war recht schnell wach. Das würde ich nicht können. Wecken und direkt aus dem Bett, aber er war ja auch noch sehr jung. Dann ging ich bei Tommy und Nico schauen und Lukas war bei Tim. Also klopfte ich kurz bei Tommy und Nico an. Ich öffnete die Tür und musste lachen. Die beiden standen vor dem Fenster, Arm in Arm und nur in Boxershorts, und schauten aus dem Fenster. Ich blieb ganz leise und dann gab Tommy Nico einen Kuss auf den Hals. Ich räusperte mich. Da erst hatten sie mich bemerkt und drehten sich etwas erschrocken um. Allerdings musste ich mich nun wirklich beherrschen. Beide hatten eine deutliche Beule in ihrer Hose. Also die beiden schienen sich wohl auch immer mehr ein echtes Paar zu werden. Hoffentlich würden sie keinen Blödsinn machen und unvorsichtig sein. Ich würde mit Tim mal reden. Er sollte das mal mit den beiden regeln.

Jedenfalls waren wir innerhalb einer Viertelstunde bereit zum Frühstück zu gehen. Als wir unsere Suite verließen, hatten Lukas und ich unsere Ringe am Finger und ich ging Arm in Arm mit ihm zum Essen. Die anderen schienen das noch gar nicht bemerkt zu haben. Als wir im Restaurant ankamen, gab mir Lukas einen Kuss und wir setzten uns nebeneinander an den Tisch. Tim sah uns etwas verwundert an, sagte aber nichts. Wir aßen in Ruhe und redeten über den kommenden Tag. Heute war der letzte Tag hier in Spa. Morgen würden wir wieder zurück in die Schweiz fliegen und der Alltag hätte uns wieder. Papa würde uns zum Flughafen bringen. Aber jetzt wollte ich diesen Tag noch genießen. Tommy und Nico waren schon die ganze Zeit nur über das Rennen am Diskutieren. Mika saß neben Tim und Leif und er redete mit Tim über Manuel. Leif sah immer wieder zu Lukas und mir und irgendwann gab mir Lukas wieder ganz offen einen Kuss. Da merkte Leif dann doch, dass sich etwas verändert hatte.

„Sagt mal, haben wir etwas verpasst. Seit wann seid ihr denn auch in der Öffentlichkeit ein Liebespaar?“ Alle Augen lagen jetzt auf uns. Ich sah Lukas und an dann gab ich es bekannt:

„Seit wir uns gestern geschworen haben, uns nicht mehr heimlich nur bei unseren Freunden zu zeigen. Wir stehen ab sofort zu unserer Liebe. Es kann jetzt jeder wissen. Wem das nicht passt hat selber schuld.“

Damit war alles gesagt und alle sahen uns erstaunt an. Dann sah Tim den Ring und er wusste sofort, was das bedeutete. Er sagte nur: „Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich sehr, dass ihr auch so weit seid. Ich wünsche euch eine lange Liebe und viele schöne gemeinsame Erlebnisse.“

Wir wurden wohl beide etwas rot. Wir frühstückten nun zu Ende und dann gingen wir zur Strecke hinüber. Auf dem Weg dorthin kam Leif zu Lukas und mir. Wir liefen Hand in Hand und Leif meinte: „Mick, wartet doch bitte mal einen Moment. Ich hatte eben noch nicht die Gelegenheit es euch zu sagen.“ Wir standen uns nun genau gegenüber und Leif umarmte Lukas ganz liebevoll und mir gab er sogar einen richtigen Kuss auf die Wange. Was für eine Geste. Ich war richtig gerührt. Der Tag konnte nicht mehr schlecht verlaufen. Selbst mein kleiner Bruder freute sich wirklich für uns. Das war mir sehr wichtig. Lukas und ich sprachen auch direkt darüber, denn es war ihm auch nicht entgangen, wie sehr Leif unter unserer Beziehung gelitten hatte. Leif sah Lukas einige Zeit als Konkurrenten, der ihm seinen großen Bruder wegnehmen wollte. Wir waren jetzt wirklich beide richtig glücklich. An der Strecke begrüßten wir auch Tom und Manuel. Papa kam gerade vom Wiegen, als wir uns begegneten. Ich hatte Lukas im Arm und er merkte sofort, dass hier etwas passiert war. Aber er lächelte uns nur an und umarmte uns. Wir mussten keine Worte wechseln. Er wusste was es nun bedeuten würde. Er wünschte uns auf diese Weise viel Glück und gab uns seine Zustimmung. Ich spürte, es würde nicht immer einfach sein aber es fühlte sich gut an.

Mittlerweile war die Strecke gut gefüllt und ich schätzte es waren fast 100.000 Besucher. Was für eine Kulisse. Überall Fernsehkameras und Presseleute. Wir durften uns überall frei bewegen. Die Autos wurden in die Startaufstellung gebracht und ich stand mit Lukas und Mika bei Tom und Papa am Auto. Leif kam nun auch mit den anderen bis auf Tim zu uns. Tim wollte in der Box bleiben und dort so lange wie möglich bei seinem Freund sein. Papa stand mit uns und seinen Teamkollegen am Auto. Wir redeten relativ entspannt noch über das Rennen. Dann kam ein TV-Team zu Papa und Tom und wollten ein Interview vor dem Start. Ich stand nun mit Lukas im Arm bei den beiden und Papa wollte uns eigentlich erst warnen aber dann gab er das Interview direkt neben uns. Ich musste grinsen. Und sagte danach: „Papa, du wirst dich daran gewöhnen müssen. Wir werden nicht mehr Versteck spielen. Es kann jeder sehen, dass ich mit Lukas zusammen bin.“

„Ja mein Sohn, ich werde es mir merken. Hoffentlich wird das alles gut gehen für euch, aber ich unterstütze euch dabei. Es ist gut, wenn ihr euch einig seid.“

Das war mir ganz wichtig, Papa hatte es wirklich begriffen und würde uns unterstützen. Jetzt konnte das Rennen kommen. Nach einigen weiteren Minuten mussten alle Personen, die nicht unmittelbar am Auto arbeiten mussten, die Strecke verlassen. Wir gingen zu unserer Beobachtungsloge oberhalb der Box. Dabei begegnete uns Wolfgang. Er war auf dem Weg zum Kommandostand und sprach mich an: „Hallo Mick, falls du möchtest, kannst du mit Lukas an den Kommandostand kommen. Für alle ist leider kein Platz.“ Ich war sehr überrascht und freute mich wirklich über dieses Angebot. Wolfgang schien uns mittlerweile auch akzeptiert zu haben und wusste, dass wir keine unüberlegten Dinge machen würden.

Also gingen wir für den Start mit Wolfgang an den Kommandostand. Von dort hatten wir eine totale Übersicht über den Start. Die anderen gingen nach oben. Wir standen neben Wolfgang und ich hatte einen Kopfhörer für den Funk auf. Papa war mit den anderen nach oben gegangen, um sich den Start von dort anzusehen. Loic saß im Auto und Tom stand mit Mika unten in der Box. Sie konnten dort ebenfalls über die Monitore alles beobachten.

Marc: Das Rennen am Sonntag

Nachdem Mick mich in Kenntnis gesetzt hatte, dass er jetzt mit Lukas nicht mehr im Verborgenen leben möchte und er sich offen zu seiner Liebe bekennen möchte, habe ich mich mit unserer Gruppe nach oben in die Beobachtungsbox begeben. Von dort konnten wir den Start sehr gut beobachten. Mick und Lukas waren vorne bei Wolfgang. Wir hatten uns letztlich wieder auf die gleiche Strategie wie in Silverstone geeinigt. Loic sollte den Start fahren, dann ich, und zum Schluss sollte Tom das Auto möglichst weit vorne über das Ziel bringen. Leif hatte seit langem mal wieder die ganze Zeit nur bei mir gestanden. Er genoss meine Nähe. Er kuschelte sich eng an mich und ich konnte seine Aufregung spüren. Nico und Tommy standen ganz vorne am Fenster. Tim war noch bis zuletzt bei Manuel geblieben und kam gerade die Treppe hinauf. Mika und Tom waren unten geblieben. Leif schien bald aufgeregter zu sein als ich. Das war schon lustig. Er drückte sich ganz eng an mich, als die Autos in die Formationsrunde gingen.

„Papa, ich bin ziemlich nervös. So viele Autos auf dieser schmalen Strecke, hoffentlich geht alles gut.“ Ich streichelte seinen Kopf und wirkte beruhigend auf ihn ein.

„Ach sicher, das sind alles Vollprofis. Leif, keine Sorge - jeder möchte ein sechs Stunden Rennen nicht in der ersten Kurve wegschmeißen. Du wirst sehen, es werden sich alle einig werden über die Reihenfolge.“ Natürlich war mir bewusst, dass ich hier nur die halbe Wahrheit sagte. Spa mit der „Eau Rouge“ nach dem Start war wirklich brisant. Selbst in der Startrunde würden dort mehr als 200 km/h gefahren. Und definitiv passten hier keine zwei Autos nebeneinander durch. Also ich war auch etwas angespannt, aber ich wollte Leif nicht noch mehr beunruhigen.

Die Autos nahmen nun Fahrt auf und kamen auf die „La Source“ zu um die Starformation in Zweierreihen aufzunehmen. Ab der Startlinie durfte überholt werden. Alle Autos fächerten aus und es wurde versucht, eine gute Position zu bekommen. Zwei Fahrzeuge im hinteren Feld konnten sich nicht einigen und berührten sich. Sie flogen quer durch das Feld und das gab das totale Chaos. Mehrere Fahrzeuge mussten über die Wiese ausweichen und Teile flogen durch die Luft. Nachdem sich der Staub gelegt hatte, konnte man drei völlig zerlegte Fahrzeuge vor der „Eau Rouge“ erkennen. Überall wurden gelbe Flaggen geschwenkt und die Rennleitung ordnete sofort das „Safety Car“ an. Das Rennen war erst mal neutralisiert und alle Autos mussten langsam hinter dem Führungsfahrzeug herfahren. Die Streckenposten kümmerten sich zuerst um die Fahrer. Das „Medical Car“ raste sofort zur Unfallstelle. Nach und nach stiegen aber alle Piloten aus ihren Fahrzeugen aus. Es gab anscheinend keine ernsthaften Blessuren. Leif war, als der Unfall passierte sofort vom Fenster weggelaufen. Er wollte das nicht sehen. Ich war etwas verwundert über diese heftige Reaktion. Ich ging also, nachdem ich wusste, dass niemand verletzt wurde und unser Auto an der zweiten Position völlig unversehrt war, hinaus um Leif zu beruhigen. Er saß draußen auf der Treppe und seinen Kopf hatte er in seinen Armen versenkt. Ich setzte mich wortlos neben ihn, legte meinen Arm um ihn und redete beruhigend auf ihn ein:

„Leif, was ist denn in dich gefahren? Ich kann dich beruhigen, ist alles gut ausgegangen. Es gibt keine Verletzten und nur drei Fahrzeuge sind aus dem Rennen. Was hat dich denn so erschreckt?“

Er nahm nun den Kopf hoch und ich konnte sehen, dass er rote Augen hatte. Er schluckte etwas und dann erzählte er mir zögernd: „Nico hatte mir ... gestern noch erzählt ... wie 1985 hier der deutsche Pilot Stefan Bellof bei einer Kollision mit Jacky Ickx starb. Genau an der gleichen Stelle. Ich hatte Angst, das es wieder passiert.“

Ich war doch nun etwas verwundert. Warum hatte er sich das so derart angetan? Allerdings wusste ich auch nicht, wie Nico ihm das geschildert hatte. Ich wusste ja, dass Nico sowas in allen Einzelheiten berichten konnte. Er tat das aber nicht, um jemanden zu schocken, sondern nur um sein Wissen anzuwenden. Er war wirklich ein wenig motorsportverrückt.

Nachdem ich Leif nun beruhigen konnte, gingen wir wieder hinein. Leif hielt sich noch einen Moment an meinem Arm fest, bevor er sich neben Tim stellte.

„Nico, kannst du mal eben mit mir hinauskommen.“ Ich wollte Klarheit, was hatte er genau erzählt. Nico ging ohne zu zögern mit mir nach draußen. Er sah mich nur etwas fragend an:

„Was gibt es denn? Ich möchte gerne nicht so viel verpassen. Wer weiß, wann ich je wieder so ein Rennen sehen kann.“

„Keine Sorge, du wirst noch genug sehen. Ich möchte nur wissen, was hast du Leif über den Unfall Bellof-Ickx erzählt?“ Jetzt wurde er rot. Er merkte wohl, dass das keine gute Idee war.

„Ähmm, ich habe Leif und den anderen davon erzählt, wie das damals wohl passiert ist. Und das Stefan Bellof der wohl beste Rennfahrer aus Deutschland war.“

„Toll, großes Kino! Leif hat eben bei dem Startcrash fast einen Nervenzusammenbruch bekommen. In Zukunft möchte ich nicht, dass du so detailliert derartige Ereignisse schilderst. Denk mal drüber nach, wie das für Leif oder Lukas wäre, wenn mir ein Unfall passieren würde.“

Er merkte sehr genau, jetzt war er zu weit gegangen mit seinem Wissen.

„Marc, ich wollte Leif nicht beunruhigen. Bitte glaub mir. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Es tut mir leid. Ich werde es so nicht wieder machen. Soll ich mich bei Leif entschuldigen?“

„Nein, aber vielleicht redest du mit ihm einfach ganz normal über das Rennen. Dann wird er schon merken, wie du das gemeint hattest.“

Wir gingen wieder hinein. Allerdings konnte ich nicht mehr lange bei den Jungs bleiben. Wolfgang wollte mich vorne am Kommandostand sehen. Ich sagte den Jungs Bescheid und ging hinunter. In der Box saßen die Mechaniker alle in gespannter Erwartung. Sie mussten immer jederzeit einsatzbereit sein. Sollte ein Problem auftauchen, mussten sie umgehend reagieren. Manuel sah ich ebenfalls dort sitzen. Er winkte mir aber kurz zu. Er machte wirklich einen zufriedenen Eindruck und schien hier glücklich zu sein.

Wolfgang berichtete mir von einem Problem mit der Bremse bei unserem Fahrzeug. Durch die langsame Fahrt hinter dem „Safety Car“ hatte sich wohl ein Fremdkörper in die Belüftung gesetzt. Mittlerweile wurde wieder Renntempo gefahren und die Bremse wurde zu heiß. Wir berieten nun, gemeinsam mit Tom und den Ingenieuren, was zu tun war. Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder bis zum ersten Tankstopp weiter fahren, dann die Bremse wechseln und einen Zeitverlust in Kauf nehmen. Vor allem riskieren, dass die Bremse vorher kaputt ginge. Oder die andere Variante, sofort reinzukommen und die Bremsbelüftung reinigen. Dabei gleich nachtanken und den Stopp damit vorziehen. Das würde allerdings die Strategie komplett ändern. Ich schaute mir die Daten und Temperaturen an und war mir sicher. Sollte es nicht deutlich heißer werden, würde die Bremse halten und wir sollten beim regulären Verlauf bleiben. Tom war anderer Meinung. Er wollte auf Nummer sicher gehen und Loic hereinholen. Es waren noch ungefähr dreißig Minuten bis zum regulären Stopp. Deshalb ließ Wolfgang bei den Mechanikern alle Teile schon mal bereitlegen. Die Bremse sollte gewechselt werden beim normalen Stopp. Sollte es sich kurzfristig verschlechtern, könnte man schnell reagieren.

Tom stimmte zu und so wurde es gemacht. Ich ging nun wieder zu meinen Jungs. Mick und Lukas waren jetzt auch zu den anderen gekommen. Als ich den Raum betrat, schauten mich alle fragend an. Lukas war der Erste, der fragte:

„Habt ihr ein Problem am Auto? Oder weshalb wollte Wolfgang Tom und dich sprechen?“

„Ja es gibt ein kleines technisches Problem. Aber wir werden es beim regulären Stopp reparieren.“ Ich wollte nicht von einem Bremsproblem reden, das hätte nur alle unnötig beunruhigt.

„Wird das ein großer Zeitverlust für euch?“ Wollte nun Mick wissen. Nico sah das als gute Gelegenheit sein Wissen einzubringen.

„Also das Rennen ist noch lang. Wenn es nur ein paar Minuten länger dauert, sollte das kein großes Problem werden.“

Ich lächelte und wollte das nicht weiter kommentieren. Allerdings beobachtete mich Leif genau. Er hatte mich durchschaut und sah überhaupt nicht beruhigt aus. Er kam zu mir und sagte:

„Papa, du verschweigst uns etwas. Ich sehe es dir an. Was für ein Problem ist das? Es ist doch schwerer, als du zugeben willst.“

„Leif, hör auf dir Sorgen zu machen. Vertrau meinen Mechanikern. Wenn das Risiko zu groß wäre, würden wir das Auto sofort reinholen. Das verspreche ich dir.“

Er nahm mir das ab und somit entwickelte sich das Rennen weiter. Nach einer Stunde kam Loic zum Tanken und Bremse wechseln. Das kostete etwas mehr als zehn Minuten Zeit. Dadurch waren wir weit zurückgefallen. Allerdings mussten alle anderen im Verlauf des Rennens auch einmal die Bremsscheiben wechseln. Wenn unsere Bremse nun halten würde, glich sich das wieder aus. Also abwarten was das Rennen noch bringen würde. Wir hatten jetzt zwei Runden Rückstand auf den Führenden und lagen auf Position 15. Das war eindeutig zu wenig für uns. Mick und Lukas waren sichtlich enttäuscht und versuchten mich zu trösten. Das erheiterte mich doch sehr. Ich sah das nämlich überhaupt noch nicht als ein Drama an.

„Hey Jungs, lasst mal die Köpfe nicht hängen. Das Rennen ist doch erst grade mal 90 Minuten alt. Das wird schon noch. Wir werden uns da noch gut vorkämpfen.“

Nach weiteren dreißig Minuten hatten wir zwar immer noch zwei Runden Rückstand auf den Führenden aber wir waren mittlerweile auf Platz sieben vorgefahren. Ich war jetzt schon in der Vorbereitung auf meinen Turn. Ich zog mir nun auch den Helm und die Handschuhe an und dann kamen Leif und Mick noch kurz zu mir, um mir Glück zu wünschen. Fand ich eine schöne Geste. Die Crew bereitete sich nun ebenfalls vor und alles lag bereit für den Stopp mit Fahrerwechsel. Loic rollte bereits in die Boxengasse und ich wartete darauf, ihm beim Aussteigen zu helfen. Er hielt perfekt auf der Position an, Tür auf - Pilot raus - ich rein - anschnallen - Flaschen wechseln und dann wurde getankt. Tür zu und als das Tanken fertig war, wurde das Auto auf Rollbrettern gestellt und rückwärts in die Box geschoben. Die neuen Reifen blieben noch unter den Heizdecken in der Box. Die Bremsscheiben vorne wurden gecheckt und alles sah gut aus. Reifen wieder drauf und ab geht’s. Also fast ein perfekter Stopp. Der Bremsencheck musste sein. Wir mussten ja wissen wie hoch ist der Verschleiß. Müssten wir erneut die Scheiben wechseln oder konnten wir durchfahren? Jedenfalls hatte ich mir vorgenommen, nun erst mal richtig Gas zu geben. Ohne auf den Verbrauch zu achten. Also los ging es. In den ersten beiden Runden hatte ich schnell meinen Rhythmus gefunden. Als ich dann das dritte Mal durch „La Source“ kam, beschleunigte ich voll durch und rauschte auf die „Eau Rouge“ zu. Das Auto war noch mit viel Sprit im Tank unterwegs und die Federn schlugen voll auf Block durch. Dennoch ließ ich das Gas stehen und fuhr voll durch die Senke. Dann gings den Berg hinauf bei „Kemmel“ vorbei und es ging dann mit über 320 Km/h auf „Les Combes“ zu. Das war eine rechts-links-rechts Kombination. Die ging im Eingang nur mit ca.100 km/h und dann im Ausgang wieder mit etwas mehr Geschwindigkeit. Es ging dann wieder bergab auf „Bruxelles“ zu. Das war eine 180 Grad rechts Kehre. Davor konnte man sehr gut den Gegner ausbremsen. Danach wurde es bis zur „Blanchimont“ nahezu unmöglich jemanden zu überholen. Die beste Gelegenheit bot sich allerdings dann vor der „Bus Stop“ Schikane und vor „La Source“. Allerdings musste man jeweils genug Windschatten haben, um mehr Überschussgeschwindigkeit zu bekommen. Wer zu spät auf der Bremse war, flog unwiderruflich raus. Damit mir das nicht passierte, versuchte ich schon vor dem eigentlichen Bremspunkt am Gegner vorbei zu sein. Ich fuhr nun eine schnelle Runde nach der anderen. Auf meinem Display tauchten immer wieder schnellste Rennrunden auf. Ich hatte innerhalb von zehn Runden mehr als 15 Sekunden auf den Führenden aufgeholt. Von der Position hieß das nun Platz fünf. Wenn ich weiterhin diese Zeiten fahren könnte, würde ich am Ende meines Stints vermutlich eine Runde aufgeholt haben. Unsere Bremse arbeitete weiterhin perfekt. Ich konnte wirklich über viele Runden voll durchziehen. Dadurch hatte ich mächtig viel Spaß im Auto. So machte mir das Rennfahren richtig Spaß. Der Boxenstopp zum Tanken verlief auch völlig problemlos. Wir waren auf dem Vormarsch. Das Einzige, was mich etwas stutzig machte, war zehn Runden vor dem Fahrerwechsel der Funkspruch von Wolfgang:

„Übertreib es nicht. Wir wollen ins Ziel kommen. Deine Zeiten sind auch so gut genug.“ Ich hatte aber in keinster Weise das Gefühl, das Auto zu überfahren. Ich gab weiterhin Gas. Die Reifen waren immer noch gut genug für hervorragende Zeiten. Wir waren pro Runde eine Sekunde schneller als der Führende. Unser Schwesterauto lag auf Platz zwei. Dann bekam ich die Information von meinem Ingenieur, dass der Führende ebenfalls seinen letzten Stopp etwas länger machen musste. Sie mussten ebenfalls die Bremsscheiben wechseln. Das hieß unser Schwesterauto würde die Führung übernehmen und wir wären dann sogar wieder Zweite. So verlief mein Run ohne Zwischenfälle und ich übergab mein Auto an zweiter Position liegend an Tom. Ich hatte mich völlig verausgabt. Erst als ich dann etwas zur Ruhe kam, spürte ich die Anstrengungen. Wolfgang ließ mich erst mal ein wenig erholen. Mick stand schon mit einer Wasserflasche bereit und das fand ich toll. Er umarmte mich und war richtig stolz auf mich, wie er sagte. Dann kam Wolfgang und er sah aber irgendwie gar nicht so begeistert aus.

„Marc, wie weit wolltest du denn den Rundenrekord noch runter schrauben? Ich hatte echt Angst du würdest gar nicht genug bekommen. Wenn du das übertreibst und rausfliegst, haben wir nichts gewonnen.“

Ich musste lachen: „Wolfgang, das Auto ist so eine Granate. Ich hatte nie das Gefühl, ich wäre schon am Limit. Einfach Fantastisch!“

Wir waren alle richtig euphorisch. Auch alle Jungs waren unten in der Box mittlerweile und fieberten mit. Tom fuhr weiterhin voll auf Angriff. Wir wollten eigentlich noch unser Schwesterauto angreifen für den Sieg.

Selbst Leif war jetzt auch mit den anderen richtig mit fiebernd in der Box geblieben. Etwa eine Stunde vor Rennende, kurz nachdem Tom das letzte Mal tanken war, kam Wolfgang zu mir und Loic. Wir standen mit allen Mechanikern in der Box und schauten auf den Zeitenmonitor. Es könnte tatsächlich noch einmal eng werden für unsere führenden Teamkollegen. So wie Wolfgang aussah, wusste ich was kommen würde. Dann sagte er auch schon, was niemand hören wollte:

„Marc und Loic, es tut mir leid, aber das Risiko jetzt noch ein Auto zu verlieren ist zu groß. Wir haben uns für das „Stay position“ entschieden. Tom soll nicht weiter angreifen.“

Für mich eine nachvollziehbare Entscheidung. Loic sah zwar auch etwas enttäuscht aus, aber am heftigsten waren meine Jungs sauer. Sie wollten das überhaupt nicht einsehen und schimpften heftig über diese Entscheidung. Tommy und Nico waren richtig aggressiv geworden gegenüber dieser Aussage von Wolfgang. Jetzt musste ich aber mal ein Machtwort sprechen.

„Leute, es reicht jetzt. Ich will keinen Ton mehr dazu hören. Motorsport ist ein Teamsport. Wir liegen sicher mit Platz eins und zwei vorne. Wer von uns gewinnt, ist völlig egal. Also für alle, ich will, dass ihr das akzeptiert. Wolfgang hat sich nicht gegen uns entschieden. Er hat sich für einen Doppelsieg entschieden, das ist die richtige Entscheidung.“ Danach war Ruhe in der Truppe. Das Rennen nahm dann seinen ruhigen Verlauf. Wir wurden Zweite und unsere Teamkollegen gewannen die sechs Stunden von Spa! Das war ein toller Teamerfolg. Wir freuten uns mit unserer Crew und die Siegehrung war auch sehr schön. Wir führten die WM weiterhin an und jetzt durfte gefeiert werden. Die Besprechungen waren schnell abgearbeitet und dann hieß es mal richtig feiern mit unseren Mechanikern. Als ich mit Tom und Loic aus der Dopingkontrolle kam, saßen meine Jungs in fröhlicher Runde mit den Mechanikern und auch Wolfgang war mittendrin. Tommy und Nico hatten sich auch wieder beruhigt und sie saßen neben Wolfgang und scherzten rum. Mick und Lukas tranken sogar mit Manuel und Tim ein Bier wie ich sehen konnte. Nach einer Stunde fiel mir allerdings auf, dass Mick ein wenig einen im Tee hatte. Das war echt niedlich. Er stand bei Tom und sie stießen mit einer Flasche Bier erneut an. Da kam Manuel zu mir und meinte:

„Du Marc, ich will ja nicht der Spielverderber sein aber ich glaube Mick hat etwas zu viel getrunken. Er sollte langsam aufhören mit dem Alkohol.“

Ich stimmte dem zu und nahm Lukas dezent mal an die Seite. Lukas hatte auch ein paar Bier getrunken aber längst nicht so viel wie Mick.

„Ich möchte, dass du Mick jetzt mit ins Hotel nimmst. Das nimmt hier sonst ein böses Ende. Wir müssen morgen in die Schweiz zurückfliegen. Da muss er fit sein. Er trinkt so selten Alkohol, ich glaube er wird morgen böse leiden müssen.“

Lukas grinste mich an, nickte aber und meinte: „Du hast recht Marc, ich hoffe nur er kommt auch mit nach oben.“

„Wenn er jetzt nicht freiwillig mit dir mitgeht, werde ich dafür sorgen. Aber es wäre besser er kommt mit dir mit. Sag ihm das auch.“

Dann lief mir Leif ebenfalls mit einer Bierflasche in der Hand über den Weg. Jetzt wurde es mir aber zu viel. „Leif, halt mal! Von wem hast du das Bier? Ich glaube du spinnst wohl?“

Er erschrak sichtlich und sagte kleinlaut: „Sorry Papa, Colin hat mir das gegeben. Ich wollte es mal probieren.“

„Die Flasche stellst du bitte ganz schnell weg und dann aber Finger weg von den anderen Sachen. Klar!“

„Ja Papa. Mache ich.“

Wir hatten noch einige Zeit viel Spaß zusammen. Mick war allerdings mit Lukas schon ins Hotel verschwunden. Hoffentlich würde das nicht noch ein böses Ende nehmen. Irgendwann fragte mich Leif nach Mick und Lukas: „Sag mal Papa, hast du Mick und Lukas irgendwo gesehen. Ich suche die schon seit einiger Zeit.“

„Ich habe Lukas mit Mick vor einiger Zeit bereits ins Hotel geschickt. Mick war etwas betrunken. Lukas sollte auf ihn aufpassen.“

„Oha, hoffentlich geht das gut.“ Ich sah das relativ entspannt. Warum sollte Mick das nicht auch mal erleben. Er hatte das bei Lukas schon erlebt und nun waren die Rollen vertauscht. Mal sehen, wie es denn später im Hotel sein würde.

„Du Leif, bleib ruhig. Wenn es schlimm wäre, hätte sich Lukas schon bei mir gemeldet. Ich denke mal Mick muss diese Erfahrungen auch mal machen, dass zu viel Alkohol nicht gut ist.“

Damit beendete ich die Feier für mich und meine Jungs. Wir zogen uns Richtung Hotel zurück. Manuel musste noch einpacken und das Equipment reisefertig in die Trucks packen. Morgen würden wir Richtung Heimat fliegen. Ich mit den Jungs in die Schweiz und unsere Mannschaft nach Ingolstadt. Mit Wolfgang und Manuel hatte ich am morgigen Vormittag noch ein Gespräch über die Zukunft von Manuel.

Als ich im Hotel ankam und wir unsere Suite betraten, war es bereits recht spät. Es war schon 23 Uhr und jeder ging schnell duschen und sich dann bettfertig machen. Wir waren alle ziemlich müde. Ich schaute aber zuerst mal bei Lukas und Mick rein. Dort saß Lukas an Micks Bett und wachte über ihn. Ich musste lachen. Lukas hatte ihm schon einen Eimer hingestellt und ich konnte mir vorstellen, was hier schon passiert war. Lukas war das sichtlich peinlich. Er entschuldigte sich mehrfach für Micks Verhalten. Ich hatte dafür nur ein paar Worte übrig.

„Ach ja, jetzt weißt du mal, wie sich Mick damals bei dir gefühlt hatte. Ich kann es ja jetzt auch nicht mehr ändern. Da muss er nun durch. Aber wenn es wirklich schlimmer wird, komm bitte sofort zu mir, ok? Ansonsten lass ihn schlafen. Versuche du auch mal etwas zu schlafen.“

Ich setzte mich zu Lukas aufs Bett und nahm ihn in den Arm. Er wirkte sehr traurig. Ich munterte ihn auf und für mich war es eben heute der Tag, an dem Mick seinen ersten richtigen Rausch erlebte. Morgen würde er sicher noch leiden aber es würde ihm sicherlich peinlich sein.

Damit verließ ich die beiden und wir konnten alle erschöpft aber glücklich ins Bett gehen. Morgen würde ein neuer Tag auf uns warten.

Auch alle anderen waren zu müde, um noch große Worte zu machen. Tim hatte mir schon für den nächsten Morgen angekündigt, etwas sagen zu wollen. Damit war ich sehr einverstanden. Ich war nämlich auch richtig kaputt und somit ging das Rennwochenende in Spa mit einem tollen zweiten Platz zu Ende.

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