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The race is over

Teil 7

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Inhaltsverzeichnis

Marc: Die große Feier wirft ihre Schatten voraus

Die beiden Jungs zählten ihre Tage bis zu ihrem Geburtstag. Mick war ein paar Tage früher dran. Sabine hatte wirklich alle Fäden in der Hand und ich hatte auch keine Ahnung, was sie alles geplant hatte. Ich wusste lediglich, dass Santiano ein kleines Konzert geben würde und dass ich beiden offiziell den TT übergeben sollte. Die Gästeliste schien sehr lang zu werden, denn Sabine hatte sich entschieden, die Feier an meiner Werkstatt durchzuführen. Sie hatte ein großes Einhundert-Mann-Zelt aufbauen lassen. Die Technik und die Musikanlage wurden von der Schüler AG aufgebaut. Auch eine kleine Bühne hatte sie organisiert. Es waren nur noch fünf Tage, und die Anspannung stieg deutlich bei den Jungs. Immer wieder wollten sie wissen, ob auch wirklich alles unter Kontrolle war. Sabine hatte alles im Griff.

Bevor ich hier auf dieses Ereignis weiter eingehe, möchte ich eine Zusammenfassung der neuesten Situation machen. Sabine war mittlerweile seit einer Woche mit Lucien bei uns eingezogen und Luc ging es richtig gut. Er hatte sein erstes Jugendzimmer mit dem von ihm gewünschten Hochbett erhalten. Natürlich hatte Sabine auch an die Zukunft gedacht und dieses Bett gleich in der großen Ausführung gewählt. Als ich das mitbekommen hatte, musste ich lachen. Der Junge hatte gerade begonnen, seine Pubertät zu entdecken und schon begann seine Mutter für etwaige Partner oder Partnerinnen zu planen. Mick und Lukas waren ein wenig neidisch auf dieses kuschelige Nest in Lucs Zimmer. Sabine hatte ihrem Chef die Zusage gegeben, nach der großen Feier wieder Vollzeit zu arbeiten. Für Luc war das ein gutes Gefühl. Er spürte damit, dass seine Mutter ihm zutraute, auch mal einen ganzen Tag ohne sie auszukommen. Das hatte mich aber auch einiges an Überzeugungsarbeit bei ihr gekostet.

Marcel und Benny waren verliebter denn je. Der Besuch bei ihren Familien hatte ihnen einen Schub gegeben. Leif hatte sich mit seinem Single-Dasein abgefunden und die Trennung von seiner Freundin mittlerweile abgehakt. Er unternahm zurzeit sehr viel mit Tommy und Nico. Luc war auch immer häufiger dabei. Sie spielten viel Tennis und im Moment war auch Billard schwer angesagt.

Tim war heftig mit dem Abitur beschäftigt und musste viel lernen. Manuel hatte leider sehr wenig Zeit für seinen Freund, aber die beiden waren weiterhin ein glückliches Paar. Für die Feier hatte sich Manuel extra eine Woche Urlaub genommen. Tim schrieb zwar eine wichtige Klausur in der Woche, aber selbstverständlich würde er auch bei der Feier dabei sein.

Ich selbst hatte den Lancia Delta mittlerweile fast fertig aufgebaut und wartete nur noch auf den Motor und das Getriebe, die aus Italien kommen würden. Was mich besonders freute, war die Tatsache, dass Mick und Lukas auch Thomas und Stephan eingeladen hatten. Ich hatte wirklich die richtige Entscheidung getroffen, mit den beiden gemeinsam in dieser Werkstatt zu arbeiten. Ich betrachtete sie bereits mehr als Freunde denn als Geschäftspartner.

Eine wirklich tolle Überraschung hatte mir Sabine noch zur Feier versprochen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wen meine Jungs alles so eingeladen hatten. Ich ging davon aus, dass Tom mit seiner Familie kommen würde, vielleicht hatten sie auch Wolfgang eingeladen, aber ich wusste es nicht. Aus Sabine war auch gar nichts herauszubekommen. An dem Wochenende nach der großen Feier hatte ich Lukas versprochen, endlich mit seiner neuen Familie an das Grab seiner Eltern zu fahren. Das würde sicherlich noch einmal ein sehr heftiges Wochenende werden.

Sabine hatte sich in dieser Woche frei genommen, um das Fest zu einem absoluten Erlebnis für die Jungs werden zu lassen. Das Catering übernahm unsere Hausfleischerei, dort hatte ja eigentlich alles begonnen: Ich hatte Luc kennengelernt und das Schicksal nahm seinen Lauf. Ein gutes Schicksal, wie ich fand.

Es war Montagmorgen gegen zehn Uhr, als ich mit Sabine beim Frühstück saß. Sie hatte schon einige Telefonate geführt und ich wollte mich gleich noch um die Vorbereitung des TT kümmern. Der Wagen sollte auf der Bühne vor dem Auftritt von Santiano übergeben werden. Dafür sollten Stephan und Thomas noch eine Rampe bauen. Die Jungs von Santiano sollten damit als Überraschung in das Zelt fahren und Mick und Lukas die Schlüssel übergeben.

Mehr wusste ich aber nicht von dem Ablauf der Feier.

Ich saß beim Frühstück, als unser Telefon klingelte. Sabine nahm den Hörer und plötzlich stutzte ich. Sie redete Französisch mit dem anderen Gesprächspartner. Das Gespräch dauerte einige Minuten und ich wurde immer neugieriger. Mein Französisch war nur sehr rudimentär. Ich verstand also nur ein paar Einzelheiten. Es muss wohl ein weiterer Gast gewesen sein, jedenfalls schien Sabine anschließend sehr erleichtert zu sein.

„Na, Schatz, hast du wieder eine Zusage bekommen?“

„Ja, Marc, aber versuche es erst gar nicht, mich auszufragen. Ich werde nichts sagen.“

Dabei grinste sie nur und gab mir einen Kuss. Ich hatte mich mittlerweile an diese Sache gewöhnt und mich meinem Schicksal ergeben. Glücklicherweise hatten meine Söhne nur einmal ihren achtzehnten Geburtstag.

„Marc, kannst du bitte mal auf die Bestellung für das Essen schauen? Nicht, dass ich etwas vergessen habe. Ich habe etwas mehr bestellt, falls doch noch ein paar Gäste mehr kommen.“

Ich sah auf die Liste und staunte nicht schlecht. Das würde ein tolles Essen werden. Aber sie hatte auch Recht, für meine Söhne sollte es ein einmaliges Erlebnis werden, da sollte es nicht an Kleinigkeiten scheitern.

„Sag mal Sabine, wer übernimmt eigentlich die beiden Theken? Das soll jedenfalls keiner von uns machen. Ich möchte in Ruhe feiern können.“

„Keine Sorge, alles schon geregelt. Da kümmert sich Tim drum. Er wollte das mit Leuten aus seiner Jahrgangsstufe mit Micks Leuten zusammen machen. Also alles im grünen Bereich.“

„Aber sie machen das hoffentlich nicht umsonst, oder? Ich möchte, dass sie dafür bezahlt werden.“

„Denkst du wirklich, ich würde das nicht beachten. Ich kenne dich gut genug. Also habe ich das auch geklärt. Sie können natürlich essen und trinken, soviel sie wollen und ich habe mit ihnen einen Pauschalpreis ausgemacht, weil sie die Summe einem Schüler an ihrer Schule spenden wollen. Die Familie ist unverschuldet in Not geraten.“

„Hmm, darüber müssen wir noch einmal reden. Aber erst nach der Feier. Du hast eine Liste der Jungs, die helfen?“

„Klar, alles schon vorbereitet. So - und jetzt muss ich wieder los, ich muss noch einiges vorbereiten. Machst du heute für die Jungs das Essen? Ich denke, wir können um zwei alle zusammen essen.“

„Klar mache ich, und was machen wir am Mittwoch? Mick hat da ja Geburtstag. Ich möchte da gerne essen gehen, und zwar mit allen. Also sieh zu, dass du da nicht so viel noch zu tun hast. Da habe ich nämlich einiges geplant.“

Sie musste lachen und ich umarmte sie liebevoll. Ich war einfach begeistert von dieser Frau.

„Ist versprochen Schatz. Du, ich muss wirklich los. Kann ich den R8 nehmen? Oder brauchst du den heute?“

„Nein, kannst du nehmen, du bist zum Essen wieder zurück, oder?“

„Na klar, also bis nachher.“

Dann stand sie auf und verließ die Küche. Ich räumte die Sachen in den Kühlschrank und das Geschirr in die Spülmaschine. Ich konnte hören, wie der R8 aus der Einfahrt fuhr. Ich hatte mir für Micks Geburtstag am Mittwoch folgendes ausgedacht. Er sollte eine Trainerstunde im Tennis bekommen. Allerdings keine gewöhnliche, sondern eine Stunde mit einem ebenso Auto verrückten Typ wie mich, nur dass er viel besser Tennis spielte als ich. Allerdings konnte ich vermutlich besser Auto fahren. Ich hatte Roger bereits einige Male auf Sponsorenveranstaltungen getroffen und wir waren mittlerweile recht gut befreundet. Er wohnt auch nicht so weit von uns entfernt. Er hatte spontan zugesagt und so würde das für Mick sicher ein einmaliges Erlebnis werden.

Gegen halb zwölf klingelte das Telefon.

„Steevens“, meldete ich mich.

„Hallo Marc, Stephan hier. Es ist soeben ein großes Paket aus Maranello eingetroffen. Die Spedition hat es in die Werkstatt geliefert. Ich vermute, da könnte der Motor und das Getriebe für den Delta drin sein. Kommst du her und schaust dir das an?“

„Hallo Stephan, ich komme, aber nicht jetzt. Ich muss das Essen für alle vorbereiten. Aber danach kann ich herüberkommen. Muss jemand die Lieferung quittieren? Oder weshalb fragst du?“

„Ja, der Spediteur kann nicht so lange auf dich warten.“

„Ist doch ok, mach du das doch. Du weißt ja auch, worauf es ankommt. Ich schaue es mir dann später an.“

„Ok, dann also so bis später dann!“

Ich freute mich, endlich würde der Delta wieder zum Laufen kommen. Ich wollte damit auf jeden Fall an historischen Ralleys teilnehmen. Der von Ferrari aufgebaute Werksmotor sollte in etwa 400 PS leisten. Das sollte reichen. Die früheren Werksmotoren zu Gruppe B Zeiten hatten bis zu 900 PS.

Jetzt war allerdings Essen kochen angesagt. Ich schälte die Kartoffeln und setzte das dazugehörige Wasser auf. Anschließend kümmerte ich mich um das Fleisch und Gemüse. Die Zeit lief nur so davon, ich bemerkte so auch nicht, dass Luc mit Tobi nach Hause gekommen war. Die beiden standen plötzlich in der Küche und ich erschrak sogar ein wenig, als mir Luc von hinten seine Arme um den Hals legte. Mir fiel vor Schreck fast der Löffel aus der Hand.

„Mensch Luc, ich habe dir schon so oft gesagt, dass du mich in der Küche nicht so erschrecken sollst.“

Dabei drehte ich mich um und griff mir den Jungen und kitzelte ihn von oben nach unten durch. Er lachte und schrie, weil er so kitzelig war. Nach wenigen Augenblicken lag er keuchend am Boden. Tobi hatte ich noch gar nicht bemerkt. Er hatte sich bis an die Tür wieder zurückgezogen. Er hatte wohl Angst, er könnte ebenfalls ein Opfer meiner Kitzelattacke werden.

„Marc, aufhören, bitte, ich kann nicht mehr.“

„Versprich mir, mich nicht mehr so zu erschrecken.“

„Ja, ist gut, hi hi, aber hör auf mich zu … hi hi, kitzeln.“

Ich hatte Mitleid mit ihm und ließ es damit bewenden. Er beruhigte sich schnell wieder und ich half ihm hoch. Er umarmte mich nun zur richtigen Begrüßung.

„Hallo Luc, wie war es in der Schule? Gibt es etwas Neues von dort?“

„Nein, es war wie immer. Ich habe Tobi heute mitgebracht. Er möchte sich den Delta ansehen, er hat ihn ja noch nicht mit dem Innenraum gesehen. Ist das in Ordnung?“

„Hallo Tobi“, begrüßte ich den Jungen, ging auf ihn zu und gab ihm die Hand.

„Natürlich ist das in Ordnung. Möchtest du mit uns Essen?“

„Ähm, also wenn das keine zu großen Umstände macht, gerne, Herr Steevens.“

„Nein, das ist kein Problem. Was habt ihr jetzt noch vor? Essen dauert noch etwas. Wir wollen zusammen essen. Sabine ist gerade noch ein paar Sachen erledigen gefahren. Übrigens Luc, ich kann euch nachher mitnehmen. Ich muss eh in die Werkstatt, da ist heute Morgen ein großes Paket aus Italien gekommen. Das will ich mir ansehen.“

„Cool, was meinst du, ist das der Motor? Du brauchst uns nicht mitzunehmen, wir fahren mit dem Fahrrad, weil wir anschließend noch etwas lernen müssen. Dann kannst du länger dort bleiben.“

„Gut, wie ihr wollt. Wo wollt ihr denn lernen?“

„Ich hatte gedacht, dass wir hier bei uns lernen können, hier haben wir mehr Ruhe.“

„Sehr gut, wenn ihr Fragen habt, ich bin später auch wieder zurück, aber Mick und Lukas sind nachher auch zu Hause. Mick will mit Benny irgendetwas besprechen, wegen deiner Terrasse. Ich glaube, Benny will da noch einen Windschutz mit einer Weinranke anpflanzen.“

Luc nickte nur und schon waren die beiden in Lucs Zimmer verschwunden. Meine Essensvorbereitungen gingen gut voran. Lukas und Mick waren auch schon aus der Schule zurück und wir warteten nur noch auf die Rückkehr von Sabine.

„Papa, am Mittwoch darf ich ja schon mit dem Auto in die Schule fahren, wo hast du denn den TT hingebracht? Er steht nicht mehr unten in der Garage.“

„Ich habe ihn weggebracht, den gibt es erst am Samstag zur Feier, für euch beide.“

„Oh nee, ich wollte aber am Mittwoch zur Schule fahren. Warum hast du uns da nicht gefragt?“

„Moment mal, Mick. Soweit ich weiß, habe ich euch das Auto noch nicht übergeben. Also brauche ich euch da auch noch nicht zu fragen, wenn ich damit noch etwas machen will.“

Etwas beleidigt zog er sich für einen Moment zurück. Lukas saß, etwas peinlich berührt, nun allein am Tisch. Leif kam gerade zur Tür hinein, er hatte Mick wohl noch getroffen.

„Hallo Papa, hallo Lukas. Sagt mal, was ist denn mit Mick los. So habe ich ihn ja schon lange nicht mehr gesehen. Hattet ihr Streit?“

Ich erklärte kurz die Lage und Leif schüttelte nur den Kopf. Lukas wollte nach Mick schauen und ich hatte ja nicht gesagt, dass er nicht mit dem Auto fahren könnte. Nur eben nicht mit dem TT, weil der halt noch bei Stephan war.

Die Stimmung war etwas angespannt, als wir eine halbe Stunde später alle beim Essen am Tisch saßen.

„Papa“, fing Lukas ein Gespräch an, „das Essen ist echt lecker. Warum machst du nicht mal bei der Küchenschlacht mit? Wer so gut kochen kann, sollte das auch zeigen können.“

Die anderen mussten aufpassen, dass sie sich nicht verschluckten. Es brach allgemeines Gelächter aus. Als wir uns wieder etwas beruhigt hatten, fuhr Lukas fort.

„Warum willst du eigentlich nicht Mick den TT schon am Mittwoch geben? Ich hätte nichts dagegen, wenn er ihn schon eher benutzen kann.“

„Ach Lukas, ich habe doch gar nicht gesagt, dass Mick nicht mit dem Auto fahren darf, es ist nur so, der TT soll perfekt aufbereitet sein, und ich habe damit am Samstag etwas vor. So lange wird er noch in der Werkstatt stehen.“

Mick schaute jetzt erstaunt auf.

„Heißt das, ich kann mit einem deiner Autos fahren?“

Ich musste grinsen.

„Gut kombiniert, Mick.“

„Waaas? Du willst Mick gleich am ersten Tag mit einem deiner Raketen losfahren lassen?“

Typisch Sabine, sie hatte sofort Angst, es könnte etwas passieren. Ich hatte allerdings damit gar keine Probleme, sowohl Mick als auch Lukas hatten schon Sicherheitsfahrlehrgänge gemacht. Also sie wussten beide, dass meine Autos keine Spielzeuge waren.

„Ja, Schatz, genau das habe ich vor. Sie können beide damit umgehen. Da aber der GT noch nicht wieder aus München zurück ist, sollen sie den Spyder nehmen. Die Cobra ist mir dann doch noch etwas zu heftig für den Anfang.“

Mick bekam ein richtiges Grinsen in sein Gesicht und Lukas lachte laut auf. Leif schüttelte den Kopf und sagte nur:

„Ich hätte es mir denken können. Du bist immer noch für eine Überraschung zu haben. Du bist halt kein Spielverderber.“

Jetzt meldete sich allerdings Luc zu Wort.

„Ich finde es aber blöd. In den Spyder passen doch nur zwei Leute rein. Dann muss ich ja mit dem Rad fahren. Ich hatte gedacht, Mick würde uns alle zur Schule bringen.“

Da hatte er allerdings die Rechnung ohne seine Mutter gemacht.

„Das hättest du wohl gerne, du fährst da erst mit, wenn Mick im Verkehr Erfahrung hat. Und keine Widerrede. Widerstand ist zwecklos.“

Jetzt war ich am Rande eines Lachflashs. Das war ganz klar mein Spruch. Wie ich an ihrem Gesicht sehen konnte, hatte sie das auch nicht ganz ernst gemeint. Die Stimmung war jedenfalls wieder sehr entspannt und innerhalb kürzester Zeit löste sich die Gesellschaft wieder auf. Luc und Tobi wollten beim Aufräumen helfen und dann schon mal zur Werkstatt fahren. Sabine ging in mein Arbeitszimmer, um weitere Sachen für Samstag zu organisieren. Ich räumte also mit den beiden die Küche auf. Leif war bereits mit Hausaufgaben beschäftigt, er hatte noch Training und musste sich etwas beeilen.

Ich hatte vor einigen Tagen für mich eine Entscheidung getroffen. Ich wollte ganz offiziell wieder Motorrad fahren. Sabine hatte mir einmal gestanden, dass sie auch Lust dazu hätte, wenn sie denn die Möglichkeit gehabt hätte, ein eigenes Bike zu haben. Also die korrekte Folgerung war, ich hatte uns jeweils ein passendes Bike bestellt. Früher bin ich nur sehr sportliche Bikes gefahren, diesmal sollten es zwei Custombikes werden. Allerdings wollte ich etwas Außergewöhnliches haben. Also hatte ich mit Marcus Waltz, einen absoluten Perfektionisten, beauftragt, für mich und Sabine jeweils ein passendes Bike zu bauen. Die Bikes sollten jetzt in den nächsten Tagen fertig werden. Es war eigentlich gedacht, dass sie bereits fertig sein würden, ich wollte sie auf der Party vorstellen und mich bei Sabine bedanken für ihre Liebe. Das Bike sollte sozusagen mein Geschenk an sie werden. Marcus Walz hatte aber schon vor drei Wochen angekündigt, dass es Probleme mit der Lackierung geben würde. Vermutlich würde der Termin nicht zu halten sein.

Ich hatte in der Küche gar nicht mitbekommen, dass das Telefon sich gemeldet hatte, denn plötzlich stand Luc mit dem Telefon in der Hand neben mir und fragte:

„Marc, kennst du einen Marcus Walz? Er meint, ihr kennt euch.“

Ich hatte meinen Jungs immer gesagt, wenn jemand am Telefon wäre, den sie nicht kennen oder den ich noch nicht vorgestellt hatte, sollten sie mich immer vorher fragen, bevor sie das Gespräch weiterleiten.

„Ja, den kenne ich. Warum?“

„Er ist am Telefon und möchte dich sprechen.“

Das überraschte mich jetzt doch etwas. Aufgeregt nahm ich das Telefon.

„Hallo Marcus, was verschafft mir die Ehre. Wie geht es euch? Geht die Arbeit voran?“

„Hallo Marc, danke der Nachfrage. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Welche willst du zuerst haben?“

„Oha, die schlechte zuerst, bitte.“

„Also gut. Das Budget reicht nicht ganz aus. Es wurde doch um etwa 3000€ teurer.“

„Hmm, das ist eine Menge teurer. Warum?“

„Nun, wir habe uns entschlossen in deine Adrenaline einen stärkeren Motor zu nehmen, und zwar den aus der neuesten Serie. Der hat nun 150 PS.“

„Ah, ok. Und bei der für Sabine habt ihr aber alles so belassen?“

„Ja, da haben wir nur noch das Airride Fahrwerk eingebaut.“

„Also gut, dann sind die 3000 € in Ordnung und was ist die gute Nachricht?“

„Wir haben die beiden Bikes heute Morgen verladen und mit einer Spedition zu dir in die Schweiz auf die Reise geschickt. Die müssten also bis Samstag pünktlich angekommen sein.“

„Cool, das ist aber echt eine gute Nachricht. Vielen Dank.“

Das war aber wirklich eine tolle Nachricht. Damit wollte ich Sabine einen Traum erfüllen. Sie hatte schon ganz lange davon geträumt, ein eigenes Motorrad zu haben, aber seit der Erkrankung von Luc immer wieder darauf verzichtet.

Was ich leider nicht beachtet hatte, Luc hatte das Gespräch mitbekommen. Er schaute mich jetzt vorwurfsvoll an.

„Was hast du da wieder bestellt, Marc? Lass mich raten, wieder eine Überraschung.“

„Genau, deshalb hältst du bitte auch deinen Mund. Du weißt nichts von diesem Gespräch, ist das klar!“

„Schon gut, du würdest es mir eh nicht verraten. Das kenne ich schon. Bis Samstag ist es ja nicht mehr so lange. Ich habe Mama auch schon versprechen müssen, dir nicht zu verraten, wer alles an Gästen kommt.“

Ich wuschelte ihm durch die Haare und er verschwand mit einem fetten Grinsen wieder aus der Tür.

Einige Zeit später stand ich mit Stephan, Luc und Tobi vor einer großen Holzkiste in unserer Werkstatt. Luc sollte die Ehre haben, den Inhalt auspacken zu dürfen. Vorsichtig schraubte er mit einem Akkuschrauber die Kiste auf. Nach zehn Minuten blitzte uns ein neuer Motor mit einem bereits angeflanschten Getriebe an. Luc war ganz aufgeregt, er lief immer wieder um den Motor herum und schaute sich alles sehr genau an. Ich war auch begeistert. Es schien alles genau so zu sein, wie ich es bestellt hatte. Die genaue Leistung konnte ich allerdings erst prüfen, wenn alles eingebaut war.

„Was meinst du Stephan, wann wollen wir das einbauen?“

„Wie meinst du das? Ich war davon ausgegangen, wir machen das jetzt gleich. Ich habe mir extra Zeit genommen dafür.“

„Tja, also wenn das so ist, dann werde ich mich mal schnell umziehen und dann ran an die Arbeit.“

„Luc, tust du mir einen Gefallen?“

Er grinste mich schon an, er wusste genau, worum ich ihn bitten würde.

„Marc, lass mich raten, ich soll dich bei Mama bis heute Abend entschuldigen.“

„Also das wäre echt lieb von dir. Als Gegenleistung biete ich dir an, dich dann am Mittwoch damit in die Schule zu bringen. Einverstanden?“

„Deal, das ist doch ein guter Vorschlag.“

Ich ging mich umziehen und telefonierte anschließend mit seiner Mutter. Sabine war natürlich nicht begeistert, aber sie akzeptierte es einfach. Tobi hatte mit Stephan schon begonnen, einige Dinge für den Einbau vorzubereiten, als ich hinzukam. Luc hatte noch ein paar Getränke besorgt und so konnte es dann losgehen. Wir waren wirklich ein gutes Team mittlerweile. Stephan hatte die Leitung und wir arbeiteten nach seinen Vorgaben. Stunden später war es dann soweit. Alle Leitungen und Kabel waren angeschlossen. Stephan hatte noch einmal alles überprüft. Dann sagte er die berühmten Worte:

„Gentlemen, start your engine!“

Dabei zeigte er mir den Daumen hoch. Ich stieg in den Lancia und steckte den Schlüssel in das Schloss. Ich drehte ihn und alle Kontrolllampen leuchteten auf, die Benzinpumpen surrten und dann drückte ich auf den Startknopf. Der Anlasser drehte und mit einem lauten Brüllen erwachte der zwei Liter große Vierzylinder. Er lief sofort rund und ich war richtig glücklich. Ein kleiner Traum ging damit für mich in Erfüllung. Stephan meinte, ich sollte den Motor einen Moment im Stand laufen lassen. Nach einigen Minuten stellte ich das Aggregat wieder ab. Ein großartiges Gefühl stellte sich bei mir ein.

Lukas: Mein Schatz hat Geburtstag

Es war der Abend vor Micks Geburtstag. Alle waren in den letzten Tagen sehr unruhig und geschäftig gewesen und manchmal hatte ich das Gefühl, es herrschte Ausnahmezustand. Sabine hatte alles generalstabsmäßig geplant und organisiert. Ich hatte das Gefühl, Papa würde ebenfalls Ziel einiger Überraschungen werden, Sabine ließ sich nicht in die Karten schauen. Das Einzige, was ich mitbekommen hatte, es würden in etwa einhundert Gäste kommen. Ich hätte niemals gedacht, dass unseretwegen ein derartiger Aufwand betrieben würde. Allerdings freute ich mich auch sehr über diese Anerkennung. Ich fühlte mich in meiner neuen Familie wirklich sehr wohl. Das einzige akute Problem war, dass ich nicht sicher war, was mein Geschenk für Mick sein sollte. Ich hatte mir wochenlang Gedanken gemacht und eigentlich keine wirklich passende Lösung gefunden. Meine finanziellen Möglichkeiten waren zwar durch Marcs Unterstützung sehr solide geworden, aber ich wusste, dass Mick es auch nicht wollte, ein teures Geschenk von mir zu bekommen. Marc hatte mir von einer Situation aus der Formel 1 Zeit berichtet. Dort war Marcs Teamchef wie ein Großvater für Mick und er war dort immer in der Nähe von Jean Todt, dem damaligen Rennleiter von Marcs Team. Mick hatte mir auch Bilder aus dieser Zeit gezeigt. Ich hatte Sabine diese Bilder gezeigt und sie hatte mir zugesagt, eine Überraschung zu planen. Das löste mein Problem nun nicht wirklich. Deshalb hatte ich mich entschlossen, ihm ein T-Shirt machen zu lassen. Auf diesem Shirt war unsere ganze Familie abgebildet. Mit dem Kommentar darunter:

>>Das Dreamteam<<

Ich hoffte, es würde ihm gefallen. Es war sicherlich nur eine Kleinigkeit, aber ich wollte damit ausdrücken, wie sehr ich mich in dieser Familie wohl und ihr zugehörig fühlte.

Ich hatte dieses Geschenk nun eingepackt und bereits für die Übergabe vorbereitet. Heute Abend war Mick noch zum Training gegangen und ich konnte unsere Wohnung ein wenig vorbereiten. Ich hatte Kerzen aufgestellt und seine Torte bereits gebacken. Die Wohnung war in ein sehr gemütliches Licht getaucht. Ich wollte mit meinem Schatz um Mitternacht anstoßen und diesen besonderen Tag mit ihm allein beginnen. Der ganze Trubel würde sicher enorm werden und wir hätten nicht viel Zeit für uns allein.

Ich hatte die Torte gerade in den Kühlschrank gestellt, als es bei uns klingelte. Marc kam mich besuchen. Er hatte zwar einen Schlüssel, aber er hatte es sich so angewöhnt.

„Hallo Lukas, wie geht es dir jetzt so kurz vor deinem Geburtstag? Oder hast du noch gar nicht an deinen Tag am Samstag gedacht?“

„Hallo Papa, ganz ehrlich, im Moment bin ich noch so in den Vorbereitungen, dass ich keine Zeit hatte, mich damit zu beschäftigen.“

Papa setzte sich auf das Sofa im Wohnzimmer und ich setzte mich ihm gegenüber an unseren Couchtisch.

„Lukas, du musst auch mal an dich denken. Ich habe dich in den letzten Tagen genau beobachtet, du denkst immer nur daran, wie du Mick unterstützen kannst. Ich möchte dich daran erinnern, du hast genauso Geburtstag wie Mick. Ich möchte, dass du ab jetzt nur noch zur Schule gehst und dich nicht mehr um den Samstag kümmerst. Sabine hat alles im Griff und sie wird dafür sorgen, dass ihr einen ganz besonderen Tag erleben werdet.“

„Oh man, Papa. Ich weiß das, aber es ist schwer für mich, einfach abzuwarten. Ich will mich beteiligen an den Arbeiten.“

„Nein, Lukas, das ist ab jetzt verboten für dich. Du kümmerst dich jetzt nur noch um deinen Freund und machst dir mit ihm ein paar schöne Tage. Was hast du eigentlich heute und morgen vor, mit ihm zu machen? Ich sehe schon, du hast hier alles sehr gemütlich gemacht, das wird ihm bestimmt gefallen.“

„Ich hoffe es, ich möchte mit ihm diese Stunden gemeinsam und allein verbringen. Viel Zeit allein werden wir vermutlich bis Sonntag nicht haben, deshalb möchte ich heute Abend mit Mick hier allein verbringen und um Mitternacht anstoßen.“

„Das finde ich eine tolle Idee. Ich möchte dir sagen, ich bin sehr stolz auf euch beide. Insbesondere aber auf dich. Du hast es geschafft, wieder ein fröhlicher junger Mann zu werden. Ich hatte zu Beginn große Zweifel, ob es mir gelingen wird, dich aus deiner Trauer herauszuholen. Jetzt bin ich einfach nur stolz, dass du mein Sohn bist. Ich wünsche mir für euch beide noch viele schöne gemeinsame Jahre.“

Dann stand Papa auf und wir umarmten uns. Das war so ein tolles Gefühl.

„Papa, ich möchte aber, dass ihr alle nachher zum Anstoßen kommt. Auch Luc und Leif sollen dabei sein. Geht das? Ich meine, sie müssen ja auch in die Schule, aber ich möchte, dass wir alle zusammen anstoßen. Das dauert ja nicht so lange.“

„Natürlich können sie das. Ich denke mal, Sabine wird nichts dagegen haben. Aber du versprichst mir, dass du ab jetzt nicht mehr über die Vorbereitungen nachdenkst. Ihr sollt euch jetzt auf das, was kommt, freuen und Zeit zusammen verbringen.“

„Gut, ich versuche es. Aber ich kann nicht versprechen, ob das klappt. Mick will ja auch weiter mithelfen.“

„Das lass mal meine Sorge sein, ich habe mir da schon etwas für den Notfall ausgedacht.“

Dabei grinste Papa so eindeutig, dass mir klar wurde, er hatte sich etwas Besonderes ausgedacht. Er würde es mir hier aber niemals verraten, deshalb fragte ich auch gar nicht nach. Papa blieb noch ein paar Minuten und dann verabschiedete er sich bis Mitternacht wieder. Ich blieb allein zurück und meine Gedanken schweiften einen Moment ab. Ich musste feststellen, wie viel Glück ich damals hatte, als ich zu Mick auf das Zimmer kam. Das Schicksal hat es trotz des tödlichen Unfalls meiner Eltern gut mit mir gemeint. Allein hätte ich niemals so schnell in ein neues Leben gefunden. Ich legte mich einen Moment auf die Couch und war tatsächlich eingeschlafen.

Als ich wieder wach wurde, war es bereits kurz nach Elf und Mick war mittlerweile zurück und hatte mich schlafen lassen. Er saß mir gegenüber im Sessel und las an seinem Laptop eine Geschichte bei Nickstories. Er bemerkte, dass ich wach war.

„Hallo Schatz, gut geschlafen?“

„Boah Mick, ich weiß auch nicht, irgendwie waren die letzten Tage extrem aufregend und anstrengend.“

Er lachte laut:

„Ja, willkommen im Club. Ich weiß auch manchmal nicht, ob das alles gerade wirklich passiert, oder ich nur träume. Unsere Party wird vermutlich in die Geschichte eingehen. Benny meinte, so, wie Sabine das organisiert, wäre es ein Event und keine normale Geburtstagsfeier.“

„Hast du denn eine Ahnung, wen sie alles eingeladen hat, außer unseren Freunden?“

„Nein, ich habe nur gehört, es werden wohl einige Überraschungsgäste kommen.“

Ich stand jetzt hinter Mick und umarmte ihn, streichelte ihm über die Brust. Er lehnte sich zurück und ich erklärte ihm, dass Marc uns untersagt hatte, weiterhin an den Vorbereitungen teilzunehmen. Da musste er lachen.

„Typisch Papa, aber ich fürchte, wir sollten uns daran halten, sonst macht er ernst mit seiner Ankündigung.“

„Ja, ich weiß, aber ich fühle mich komisch. Wir sind die Gastgeber und unsere eigentlichen Gäste machen die Arbeit. Das ist doch nicht richtig.“

„Willst du etwa Sabine jetzt erklären, dass es unsere Feier ist und wir das machen sollten?“

Ich lachte laut. Mick wusste genau, das wäre unmöglich und ich musste ihm Recht geben.

„Nein, aber deshalb lass uns versuchen, die Zeit noch zu genießen. Kommst du mit auf das Sofa, ich möchte mit dir gemeinsam diese letzten ruhigen Minuten genießen.“

Das ließ er sich nicht zweimal sagen und so verbrachten wir die letzten Minuten seines jugendlichen Lebens gemeinsam mit Kuscheln auf dem Sofa. Um zehn vor zwölf löste ich mich aus unserer gemütlichen Kuschelposition und ging in die Küche. Ich holte zwei Flaschen Champagner aus dem Kühlschrank, stellte die Gläser auf ein Tablett und goss etwas Orangensaft in einige Gläser. Dann öffnete ich die erste Flasche und füllte die Gläser. Mick stand hinter mir in der Tür der Küche und staunte. Dann kam Leben in unsere Wohnung. Zuerst kamen Papa und Sabine herein, gefolgt von Luc und Leif. Unsere Familie war komplett. Papa hatte ein kleines Päckchen in der Hand und auch Luc und Leif hatten jeweils ein Geschenk dabei. Ich gab jedem ein Glas und dann schauten wir auf die Uhr … zehn, neun, acht …, drei, zwei, eins und geschafft. Ich umarmte meinen Freund und küsste ihn. Es war ein tolles Gefühl, alle anderen fingen spontan an zu klatschen, und als ich mich von Mick gelöst hatte, ergriff Marc das Wort:

„Ich möchte jetzt die Gelegenheit dazu nutzen, dir, lieber Mick, alles Gute für deinen neuen Lebensabschnitt zu wünschen. Es hat sich viel in unserer Familie in den letzten Monaten getan und entwickelt. Ich bin stolz auf euch alle. Heute soll aber dein Tag sein und deshalb habe ich dir hier eine Kleinigkeit mitgebracht. Dazu bekommst du gleich im Anschluss noch etwas hinzu. Bleib bitte so wie du bist. Du kannst stolz auf dich und das sein, was du in den vergangenen achtzehn Jahren erreicht hast.“

Dann umarmte er Mick und gab ihm sein Geschenk. Sabine folgte als Nächste. Sie umarmte ihn genauso liebevoll und Mick schien das zu genießen. Selbst als Leif ihm sein Geschenk übergab, blieb Mick äußerlich sehr gelassen, erst als Luc zu ihm ging und ihm sein Geschenk überreichte und ihn umarmte, spürte ich, wie sehr er sich freute. Luc schien ihm etwas Besonderes zu bedeuten. Er öffnete nämlich das Geschenk als erstes.

Das, was nun erschien, war beeindruckend. Es kam ein Bild zum Vorschein, welches mich sehr erstaunte. Es war eine Zeichnung, sie zeigte Mick und mich in einem Porträt bis zur Brust. Es war einfach phantastisch. Sehr lebendig und detailliert. Mick war sprachlos, Luc sah ihn mit großen Augen an und wartete sichtlich auf eine Reaktion.

„Hast du ..., hast du das selbst gezeichnet?“

Mick war sichtlich ergriffen von dieser Zeichnung. Luc spürte das und antwortete:

„Ja, ich hoffe, es gefällt dir. Ich habe versucht so genau wie möglich zu sein, aber ich bin kein Künstler.“

Das war wieder der typisch schüchterne Luc, so wie ich ihn anfänglich kennengelernt hatte. Ich musste mich sehr zurücknehmen, denn das Bild war grandios. Ich war schwer beeindruckt. Auch den anderen schien es ähnlich zu gehen. Selbst Papa war sprachlos.

„Luc“, meinte Mick, „das ist ganz, ganz toll geworden. Du und kein Künstler, du machst Witze. Vielen Dank, kann ich nur sagen. Ein tolles Geschenk.“

Luc war sichtlich verlegen, aber er war auch ein wenig stolz darüber, dass Mick sich so über dieses sehr persönliche Geschenk freute.

Papa sah sich das Bild sehr genau an und schaute immer wieder zu uns und dann wieder auf das Bild. Er schüttelte mit dem Kopf.

„Also Luc, ich glaube, wir sollten uns mal darüber unterhalten, wie wir dein Talent fördern können. Ich bin schwer beeindruckt.“

Er streichelte Luc über den Kopf und selbst Sabine schien vor Stolz zwei Köpfe größer geworden zu sein. Luc freute sich sehr, er strahlte richtig. Jetzt übergab Sabine Mick ihr Geschenk. Es war eine tolle Armbanduhr. Schlicht und mit einem Lederarmband, genau wie Mick es mochte. Kein Schnickschnack, einfach schlicht. Ich fand sie auch wunderschön. Mick bedankte sich mit einem Kuss bei ihr. Luc lachte laut über diese Geste.

„Hey Mick, du küsst eine Frau, ist das nicht komisch.“

Ich musste so lachen und alle anderen fanden das genauso lustig. Jetzt kam Leif auf Mick zu und übergab ihm einen Umschlag.

„Damit du nicht aus der Form kommst, schenke ich dir das, alles Gute Mick, ich bin froh dich als Bruder zu haben.“

Er umarmte seinen großen Bruder und selbst Papa schien sich ein wenig über diese Worte zu wundern. Mick erwiderte diese Umarmung und öffnete den Umschlag. Er bekam große Augen.

„Das, … das ist nicht dein Ernst. Du machst Witze.“

Er gab mir die Karte und ich konnte dort folgendes lesen:

Lieber Mick,

Du bist für mich mehr als ein großer Bruder. Du warst immer für mich da, als Papa nicht da war. Auch wenn ich dir manchmal auf die Nerven gegangen bin, Du hast dich immer gekümmert. Dafür bin ich Dir sehr dankbar. Ich schenke Dir eine Tennisstunde am Genfer See. Die Fahrt und alles andere dazu erklärt dir Papa. Ich bin froh Dich als Bruder zu haben.

Liebe Grüße

Leif

Wow, das war toll. Damit hatte ich nicht gerechnet. Leif zeigte Mick, wie sehr er ihn bewunderte und respektierte. Papa nahm nun die Gelegenheit und erklärte uns folgendes.

„So, ich möchte das kurz erläutern. Mick, du fährst heute nach der Schule mit Lukas für drei Tage an den Genfer See und wirst dort in dem Tennis Club eine Trainingseinheit machen und anschließend an einem Nachwuchsturnier teilnehmen. Das Hotel liegt direkt an der Anlage und es ist alles vorbereitet. Ihr müsst nur dort einchecken und Spaß haben. Damit ihr dorthin kommen könnt, habe ich hier das passende Werkzeug.“

Papa hielt einen Autoschlüssel in der Hand und übergab Mick seinen R8 Spyder für diesen Trip. Das erstaunte mich doch sehr. Mick schien schwer beeindruckt, denn ausnahmsweise blieb er stumm und umarmte nur unseren Papa.

„Fahrt bitte vorsichtig, Sabine würde mich vermutlich erschlagen, wenn euch etwas passiert.“

Das lockerte die Situation schlagartig auf. Selbst Sabine musste lachen. Unsere Glückwunschaktion wurde damit beendet und wir gingen anschließend alle ins Bett. Der Wecker würde zwar ein wenig später klingeln, da wir ja mit dem Auto fahren konnten, dennoch würde es uns um sieben Uhr erwischen.

Mick: Endlich selbst fahren

Wir waren wieder allein in unserer Wohnung und mein Lukas hatte sich wirklich große Mühe gegeben, mir meinen Geburtstag zu einem tollen Erlebnis werden zu lassen. Nachdem wir beide duschen waren, zogen wir uns in unser Schlafzimmer zurück. Lukas begann mich zu massieren, das löste meine Anspannung innerhalb weniger Minuten und es wurde eine tolle gemeinsame Nacht. Lukas ließ mich immer wieder spüren, wie sehr wir uns lieb hatten. Irgendwann waren wir beide sehr erschöpft und schliefen aneinander gekuschelt ein.

Am nächsten Morgen wurde ich sehr liebevoll von Lukas geweckt, er hatte sogar den Wecker abgestellt. Wir zogen uns an und ich wollte uns einen Kaffee machen, aber er meinte nur, dass wir unten zum Frühstück erwartet würden. Also ließ ich mich von ihm nach unten führen. Er machte sich einen Spaß daraus und ich spielte mit. Ich nahm seinen Arm und wir gingen gemeinsam nach unten. Dort erwarteten uns alle anderen Familienmitglieder mit einem wirklich fürstlichen Frühstück. Alle waren gut gelaunt und es fiel mir sehr schwer vom Tisch aufzustehen, aber die Schule war nun mal nicht aufzuschieben. Immerhin hatte Papa uns für den Rest der Woche beurlaubt.

Ich nahm den Autoschlüssel und wollte mich auf den Weg in die Garage machen, als Papa uns aufhielt.

„Wartet bitte auf uns, Luc hatte ich doch versprochen, ihn zu bringen. Dann können wir gemeinsam fahren.“

So fuhren wir also hintereinander zur Schule. Papa ließ mir den Auftritt. Er hielt vor dem Parkplatz und Luc stieg dort bereits aus. So konnte ich den R8 auf dem Parkplatz abstellen und ich musste zugeben, es hatte mir Spaß gemacht, ein wenig mit dem R8 auf Show zu machen. Meine Freunde aus dem Internat warteten bereits auf mich auf dem Parkplatz. Allerdings hatten sie damit gerechnet, dass wir mit dem TT kommen würden. Auf den R8 waren sie nicht vorbereitet, entsprechend aufgeregt liefen sie um dieses Geschoss herum. Alle gratulierten mir zu meinem Geburtstag und der Tag in der Schule wurde sehr schön. Erstaunlich, dass ich mal sagen würde, ein Schultag war schön.

Eine Stunde nach dem Mittagessen saßen wir in dem R 8 und ich fuhr zum ersten Mal selbst auf einer Schweizer Autobahn ohne Fahrlehrer. Es war ein tolles Gefühl, Lukas hatte seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt und ich spürte seine Liebe. Es war so schön, jetzt konnten wir noch mehr Unabhängigkeit genießen. Ich hatte von Papa eine genaue Beschreibung bekommen, wie ich zu fahren hatte. Sicherheitshalber hatte ich auch das Navi programmiert. Die Fahrt dauerte nicht allzu lange, nach einer dreiviertel Stunde bog ich von der Autobahn ab und wir konnten den Genfer See direkt vor uns liegen sehen. Ein toller Anblick, vor allem, weil jetzt auch noch die Sonne hervorkam. Ich entschloss mich, das Verdeck zu öffnen und so genossen wir die letzten fünfzehn Kilometer in vollen Zügen. Ich hatte keinerlei Verlangen schnell fahren zu müssen. Wir genossen die Landschaft und dann sagte das Navi schon:

„In einhundert Metern links abbiegen und sie haben ihr Ziel erreicht.“

Ich bog also links ab und der dann folgende Anblick war schon beeindruckend. Ein wahrhaft schlossähnliches Gebäude lag vor uns. Ich parkte den Wagen auf dem Parkplatz direkt vor dem Eingang. Wir nahmen unsere Taschen aus dem Kofferraum und ich schloss den Wagen.

Wir wurden am Eingang zwar freundlich begrüßt, aber ich spürte doch ein wenig das Misstrauen. Zwei so junge Burschen hier anzutreffen, schien nicht alltäglich zu sein. Lukas wurde auch etwas unsicherer, aber ich ließ mich nicht beeindrucken und ging zielstrebig auf die Rezeption zu. Dort begrüßte mich ein Mann in den Fünfzigern und einem Maßanzug. Ich stellte mich kurz vor und sagte ihm, dass eine Reservierung für uns vorliegen würde. Wir bekamen unsere Chipkarten und so standen wir einige Minuten später vor unserer Zimmertür. Lukas öffnete sie und dann stockte uns der Atem. Wir blickten direkt auf den Genfer See und der Anblick war überwältigend. Lukas stand neben mir in meinem Arm liegend. Er gab mir einen Kuss und meinte:

„Schatz, ist das nicht toll. Papa hat aber auch wirklich einen tollen Geschmack, oder?“

„Ja, da hast du wohl Recht. Mal sehen, was uns hier noch so alles erwartet. Ich habe nämlich das dumme Gefühl, dass Papa uns nur loswerden wollte, damit wir nicht mitbekommen, was zu Hause los ist. So wie ich ihn kenne, wird er uns noch die eine oder andere Überraschung machen.“

Wir mussten jetzt beide lachen, denn auch Lukas hatte so eine Vorahnung.

Wir stellten unsere Taschen ab und richteten uns ein wenig in unserem Zimmer ein. Nach einer kurzen Dusche rief ich zu Hause an, um unsere Ankunft zu vermelden. Sabine nahm unser Gespräch an und sie war spürbar erleichtert, dass wir ohne Probleme angekommen waren. Ich fand ihre Sorge ein wenig übertrieben. Ich war kein leichtsinniger Raser und Papa hätte mir sonst auch nicht das Auto gegeben, wenn er Zweifel gehabt hätte. In unserem Gutschein war auch ein Tennispaket enthalten. Wir sollten hier an einem Nachwuchsturnier teilnehmen. Dafür hatte Papa uns ja auch noch eine Trainingseinheit organisiert. Die Teilnehmer des Turnieres sollten maximal achtzehn Jahre alt sein. Hier sollten aber auch richtig gute Spieler teilnehmen, die bereits in den jeweiligen Nationalkadern gespielt hatten.

Wir nahmen unsere Sporttaschen und die Schläger und verließen das Zimmer. Ich hatte Lust, mich nach der Fahrt ein wenig zu bewegen. Wir erkundigten uns an der Rezeption nach der Tennisanlage. Der Concierge erklärte uns den Weg und so liefen wir los. Nach etwa fünf Minuten Fußweg erreichten wir die Anlage. Sie lag wirklich schön in der Nähe des Sees. Auf einigen Plätzen wurde bereits gespielt und trainiert. Wir hatten uns einen Platz über das Hotel reservieren lassen und so begannen wir, uns auf dem Platz aufzuwärmen. Was nun folgte, war ein Erlebnis der besonderen Art. Nachdem wir uns aufgewärmt hatten und ein paar Bälle geschlagen hatten, kamen zwei Personen an unseren Platz. Einer der beiden sprach uns mit einem Schweizer Dialekt an, ob wir etwas dagegen hätten, wenn sie mit uns ein wenig spielen würden, da ihr Platz versehentlich doppelt vergeben worden sei. Ich schaute Lukas an, und so baten wir die beiden einfach mitzuspielen. Was mich allerdings etwas irritierte, beide waren deutlich älter als wir. Egal, jedenfalls schlugen sie sich ganz locker ein paar Bälle mit uns zu. Irgendwann allerdings wurde ich unruhig. Diese Bewegungen eines der beiden kamen mir bekannt vor. Er trug ein Cappi, so dass wir sein Gesicht nicht so wirklich erkennen konnten. Plötzlich fingen die beiden an, das Tempo deutlich zu erhöhen. Irgendwann flogen uns die Bälle dermaßen schnell um die Ohren, dass uns Hören und Sehen verging. Dann hatte ich es begriffen, wer hier mit uns auf dem Platz stand. Das Schweizer Davis Cup Team mit Roger Federer und Stan Wawrinka.

Ich war echt sprachlos. Selbst Lukas stand nun nur noch am Netz und staunte.

„Hey, Jungs, was ist los mit euch? Ich dachte, wir spielen ein wenig zusammen.“

Dabei stoppte Roger den Ball an und kam nach vorne ans Netz. Auch Stan kam zu uns. Roger hingegen grinste mich an und gab mir die Hand und sagte:

„Alles Gute zum Geburtstag Mick. Dein Papa hat mich gebeten, mit euch ein wenig zu trainieren. Also los, oder wollt ihr Wurzeln schlagen.“

Da brachen wir in lautes Gelächter aus. Ich hatte es doch geahnt, Papa wollte uns loswerden und beschäftigen. Allerdings nahm ich das nun gerne in Kauf, so ein berühmtes Trainerduo hatte man nicht jeden Tag zur Verfügung. Wir hingen uns richtig rein und nach zwei Stunden harter Arbeit war ich richtig geschafft.

„Pause“, schnaufte ich atemlos und Lukas schaute mich dankbar an. „Ich kann nicht mehr. Jetzt verstehe ich auch, wie hart es ist, als Profi auf der ATP-Tour zu spielen.“

„Ich finde, ihr seid beide gar nicht so schlecht. Also klar, für einen Profi reicht es noch nicht, aber als Freizeitspieler seid ihr beide richtig gut. Also Mick, dein Papa hat noch eine Überraschung für euch. Ich werde mit dir und Stan mit Lukas hier in der Doppelkonkurrenz starten. Dein Papa hat noch was gut bei mir, er hat mich mal bei einem Rennen eingeladen und mich auch bei einem Autokauf unterstützt. Morgen Vormittag treffen wir uns um sieben vor dem Frühstück zum Waldlauf, dann gemeinsames Frühstück und um neun geht es zum Turnier. Noch Fragen?“

Dieses Grinsen war echt krass. Da standen zwei der besten Tennisspieler der Welt mit uns auf dem Platz und taten so, als ob wir schon genauso gut waren wie sie. Beide waren aber wirklich vollkommen normal und nicht abgehoben.

Völlig erschöpft kamen wir in unserem Zimmer an. Ich zog meine Klamotten aus und sprang direkt in die Dusche. Ich hatte das Ganze noch gar nicht realisiert. Lukas hingegen schien schon einen Schritt weiter zu sein. Als ich nämlich aus der Dusche kam, telefonierte er mit Papa und war sehr aufgekratzt. Ich konnte hören, wie sich Papa am anderen Ende köstlich amüsierte. Diese Überraschung war ihm jedenfalls gelungen. Von wegen Junioren Turnier und eine kleine Trainingseinheit.

Marc: Die letzten Vorbereitungen und ein kleiner Zwischenfall

So, die Jungs waren aus dem Verkehr gezogen und so konnten wir hier die letzten Vorbereitungen machen und die ersten Gäste begrüßen, ohne dass die beiden etwas mitbekamen. Das Zelt war bereits aufgebaut und etwa zwanzig Leute waren damit beschäftigt, die Technik und die Tische und Bänke aufzubauen. Sabine hatte sich entschieden, ein kleines, zusätzliches Zelt aufzubauen. Dort sollte das Essen und alles, was damit zusammenhing, aufgebaut werden. Die Fleischerei hatte bereits begonnen, das Catering aufzubauen. Tims Leute bauten die Theken auf und bestückten die ersten Kühltruhen mit Getränken. Das Bier wurde vorgekühlt geliefert. Allerdings erst am Freitag. Die Soundanlage wurde bereits vom DJ-Team installiert. Die ersten Töne erklangen und damit wurde mir bewusst, es wurde langsam ernst.

Am Donnerstagabend gegen 22 Uhr standen Sabine und ich vor dem großen Zelt. Tim, Manuel, Benny und Marcel waren immer noch damit beschäftigt, Scheinwerfer und Kabel für die Soundanlage zu verlegen. Morgen sollten die Techniker von Santiano die kleine Bühne vervollständigen, die wir bereits aufgebaut hatten.

„Sag mal, Sabine, sollten wir nicht mal langsam Schluss machen für heute? Die Jungs haben fast ohne Pause heute gearbeitet. Morgen sollten wir um sechs Uhr abends fertig sein, damit wir dann noch gemeinsam den Grill anwerfen können. Oder was meinst du?“

„Ja, Schatz, das ist richtig. Die Freunde unserer Jungs sind wirklich toll. Aber ich habe mir das anders überlegt. Morgen um sechs bekommen wir ein Probeessen vom Caterer. Da können alle schon mal testen, was es am Samstag Leckeres gibt. Ich will, dass keiner von uns noch mehr arbeiten muss. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.“

„Nein, das ist eine tolle Idee. Übrigens, Mick und Lukas lassen alle schön grüßen. Sie sind ziemlich kaputt, aber es gefällt ihnen dort. Außerdem sind sie im Viertelfinale.“

„Naja, bei der Unterstützung auch kein Wunder. Dass du das hinbekommen hast, ist wirklich ganz toll.“

Wir lagen uns in den Armen und schauten den letzten Arbeiten zu. Ich ging dann in das große Zelt hinein und beendete die Arbeiten für heute. Ich holte alle Leute zusammen.

„So, ich möchte für heute Schluss machen. Ihr habt alle schon so viel geschafft. Ich freue mich zu sehen, was wir hier für tolle Freunde gefunden haben. Für morgen ist nur noch Kleinkram angesagt. Abends um sechs soll alles fertig sein. Ich gehe davon aus, dass Mick und Lukas dann auch zurück sein werden. Also vielen Dank für euch und morgen Abend machen wir dann ein Testessen.“

Es kam Applaus auf und die meisten machten sich auf den Heimweg, nur Tim, Manuel, Benny und Marcel kamen noch zu uns. Leif und Luc waren bereits im Bett. Sie hatten ja noch einen Tag Schule. Tim wollte dann noch etwas loswerden.

„Also, Marc, ich denke, wir liegen gut im Zeitplan. Es wird eine tolle Feier werden. Aber kannst du uns mal erklären, warum wir hinter der Bühne einen so großen Platz frei lassen sollten? Zwischen Bühne und Werkstatt hätte man doch noch viele Sachen aufbauen können.“

„Ich kann dir diese Frage nicht beantworten.“

Dabei schaute ich fragend zu Sabine, die wiederum ihr geheimnisvolles Lächeln aufsetzte und antwortete:

„Das, werde ich erst am Samstagnachmittag aufklären. Nur so viel schon, dort wird der Platz nicht leer bleiben. Mehr verrate ich noch nicht.“

Damit war das Thema für sie erledigt und wir verabschiedeten uns bis morgen Nachmittag.

Am Freitagmorgen hatte ich Leif und Luc pünktlich geweckt. Sie waren doch schon sehr gespannt und hatten vor Aufregung wenig geschlafen. Ich hatte mich von Sabine überreden lassen, beide in die Schule zu fahren. Auf dem Rückweg bin ich in der Werkstatt. Stephan und Thomas waren schon dort und hatten die letzten Vorbereitungen am TT gemacht. Der Wagen stand fertig in der Halle. Ich fuhr den Wagen hinter die Bühne und wir deckten ihn mit einer großen Plane ab. Ich war nur etwas irritiert darüber, dass ich den Wagen schon jetzt dorthin stellen sollte.

„Du, das ist eine Anweisung von Sabine gewesen. Sie hatte uns darum gebeten, weil auf der freien Fläche hier dann etwas anderes stehen würde und wir hier nicht mehr durchfahren können.“

Ich schaute Thomas fragend an. Das war wieder typisch Sabine, sie hatte sichtlich Spaß daran, mich weiterhin im Unklaren zu lassen. Also gut, dann musste ich eben abwarten.

Wir gingen noch einmal über das noch menschenleere Gelände und schauten uns unser Werk noch einmal in Ruhe an. Es war doch schon beeindruckend, was hier alles aufgebaut worden war. Und das nur für eine Geburtstagsfeier, aber ich wollte es genauso haben. Diesen Luxus wollte ich meinen Söhnen geben. Sie sollten spüren, dass ich sehr stolz auf sie war.

„Ach Marc, da fällt mir noch etwas ein, Karl Geiger hat sich bei uns gemeldet und gesagt, dass dein GT Ende nächster Woche fertig ist. Er schlug vor, du solltest auf dem Rückweg von deinem Trip nach Deutschland in München vorbeikommen.“

Mit leichter Verwunderung schaute ich Stephan an. Das hatte ich in dem ganzen Trubel fast vergessen. Ich war wirklich sehr froh darüber, dass ich diese beiden Jungs hier hatte. Ihre Werkstatt lief auch recht gut. Sie hatten mich auch gefragt, ob sie mal bei dem einen oder anderen Kunden erwähnen durften, dass sie mit mir hier arbeiteten. Da hatte ich nichts gegen einzuwenden. Sie waren ja auch immer für mich da, wenn ich sie mal brauchte.

Mick und Lukas würden heute im Laufe des Nachmittags zurückkommen und ich hatte noch mit Benny, Marcel, Tim und Manuel ein kleines Meeting verabredet. Das sollte heute nach der Schule stattfinden. Da mir Sabine für den heutigen Freitagnachmittag und Samstag bis zum Beginn der Feier verboten hatte, das Gelände an der Werkstatt zu betreten, wollte ich mich mit den vier Jungs zu einem Kaffee treffen.

Die Cobra brabbelte an der Ampel vor sich hin, als neben mir ein furchtbar lauter und hässlicher Subaru wrx sti auftauchte. Eigentlich ein tolles Ralleyauto, aber es dermaßen zu verunstalten war einfach nur unmöglich.

Da kam in mir jedenfalls ein wenig das Kind im Manne durch, ich gab dem Reiskocher etwa zwanzig Meter Vorsprung und dann Attacke. Einfach unfassbar, wie die Cobra nach vorne schnellte. Diese Kraft war unglaublich, der Subaru war Geschichte und ich musste grinsen. Allein dafür hatte sich die Schrauberei gelohnt.

Ich hielt vor dem Cafe und stieg aus, die Vier warteten bereits auf mich. Mir war ein wenig die Zeit davon gelaufen, also schnell hinein.

„Hallo Jungs, sorry, ich bin ein paar Minuten zu spät. Danke, dass ihr gekommen seid.“

Manuel lachte und meinte:

„Hi Marc, bei dem Programm, was ihr gerade fahrt, kein Wunder.“

Ich setzte mich zu den Jungs an den Tisch und bestellte mir einen Latte Macchiato. Die anderen hatten bereits ihren Kaffee und somit konnten wir loslegen.

„So, Jungs, ich habe euch hergebeten, weil ich mit euch über ein Thema reden möchte. Ihr habt Sabine gesagt, ihr möchtet für eure Hilfe einen Pauschalbetrag, weil ihr eine Familie in eurer Schule unterstützen wollt. Ist das richtig?“

„Ja, absolut“, begann Tim sofort zu erklären, „wir waren uns sofort alle einig. Wenn wir schon für unsere Hilfe Geld bekommen, dann bitte für diese Familie. Ich finde, du hast schon so viel für uns und unsere Freunde getan, dass wir dafür kein Geld möchten. Wir sind doch Freunde und dann wird man nicht für die Hilfe bezahlt.“

Alle anderen am Tisch nickten und stimmten ihm zu. Ich sah das natürlich anders. Ich war der Meinung, diese Arbeit geht über die normale Hilfe weit hinaus.

„Gut, ich habe euer Anliegen verstanden. Ich möchte dieses aber kategorisch ablehnen. Hier helfen so viele Leute aus den jeweiligen Schulen, da soll keiner glauben, dass ich das so akzeptiere. Ich möchte das verändern. Ihr wisst, dass mir das Geld nicht weh tut. Ich möchte daher meine Entscheidung erklären. Ihr könnt ja jetzt nicht wirklich mitfeiern, weil ihr arbeiten werdet. Von daher möchte ich den Betrag, den ihr mit Sabine ausgehandelt habt, dieser Familie spenden. Wenn ihr euch für sie einsetzt, dann ist das große Klasse. Aber ich werde das für euch übernehmen und ihr bekommt entsprechend jeder einen Betrag für eure Arbeit. Sabine hat eine Liste aller Helfer. Ich möchte in der nächsten Woche, jedem sein verdientes Geld auszahlen. Das machen wir am besten bei einem Essen für die Helfer. Wir laden also alle Helfer, wenn alles vorbei und abgebaut ist, zum Grillen ein und dann überreiche ich euch den Scheck für diese Familie und jeder bekommt auch sein Geld als Helfer. Bevor jetzt einer von euch widerspricht, Widerstand ist zwecklos. Ich habe das so entschieden, Punkt.“

In den Gesichtern der Jungs spiegelte sich Verwunderung wider. Manuel war derjenige, der sich abschließend dazu äußerte.

„Also gut, du wirst dich eh nicht auf eine andere Variante einlassen, dafür kenne ich dich mittlerweile lange genug. Ich spreche jetzt mal für alle, wir finden das nicht notwendig, aber wie freuen uns natürlich, wenn es denn so wird. Ich werde mich darum kümmern, dass alle Helfer informiert werden.“

Als das geklärt war, saßen wir noch einige Zeit zusammen in diesem Café, unterhielten uns über dieses und jenes und besprachen noch ein paar Details für den nächsten Tag. Ein klingelndes Handy unterbrach unser Gespräch. Es war natürlich meines, manchmal verfluchte ich das wirklich, aber ich meldete mich:

„Steevens“

Am anderen Ende hörte ich einen aufgeregten Lukas.

„Papa, wir haben ein Problem. Wir haben noch etwa dreißig Kilometer zu fahren, aber es gab einen Zwischenfall.“

„Einen Zwischenfall? Lukas, was ist passiert. Was ist mit Mick?“

„Also ich weiß nicht, aber es ist nicht so schlimm, der Arzt meinte, er sollte nur sicherheitshalber im Krankenhaus untersucht werden. Aber … es tut mir leid, das Auto ist ziemlich kaputt.“

Mir entgleisten alle Gesichtszüge. Was war passiert. Mick auf dem Weg in die Klinik und Lukas erzählte was von dem Auto.

„Lukas, was ist passiert und wo bist du jetzt? Das Auto ist mir jetzt egal. Ich will sofort wissen, wo du bist.“

„Ich stehe noch an der Unfallstelle und warte mit der Polizei auf den Abschleppdienst. Sie fahren uns in den nächsten Ort. Kannst du mich dort vielleicht abholen? Bitte, Papa, Mick konnte nichts dafür.“

„Jetzt beruhige dich erst einmal, natürlich hole ich dich ab. Sag den Polizisten, ich fahre sofort los. Aber sag mir noch, in welche Klinik ist Mick unterwegs.“

Er berichtete dann noch, was Mick passiert war und dass es mit einem anderen Auto eine Kollision gegeben hatte. Ich redete noch einen Moment beruhigend auf ihn ein und legte dann auf.

Was mich wunderte, Manuel hielt mir nur meinen Autoschlüssel hin und meinte:

„Hier, fahr los. Ist schon alles bezahlt, aber sag uns bitte, ist jemand verletzt?“

„Ich weiß nicht so genau, Mick ist in die Klinik gefahren worden mit dem Notarzt. Ich muss erst noch zu Hause vorbei. Bitte seid mir nicht böse, aber ich muss sofort zu den Jungs.“

„Mensch, kein Thema. Wir machen das hier schon. Und alles andere sehen wir später. Wir haben ja alles besprochen. Hoffentlich ist nicht so viel passiert.“

Ich wurde richtig nervös, stieg sofort in die Cobra und fuhr sehr zügig nach Hause. Schnell in die Garage und den S8 genommen. Mist, der war nicht da, Sabine war wohl damit unterwegs. Also gut, dann den Caddie. Ich hatte noch schnell Sabine informiert, dass es ein Problem geben würde und ich die Jungs abholen muss. Von einem Unfall erzählte ich noch nichts.

Nach etwa zwanzig Minuten, in denen mir alles Mögliche durch den Kopf ging, fuhr ich in den von Lukas beschriebenen Ort. Ich fand auch recht schnell den Autohof, wo die sichergestellten Fahrzeuge hingebracht wurden. Ich parkte vor dem Hof und meldete mich an. In diesem Moment kam Lukas herein und schaute mich ziemlich verstört an.

„Lukas, alles in Ordnung mit dir?“

Er nickte nur wortlos und ich nahm ihn in den Arm. So gingen wir beide erst einmal nach draußen.

„So, Lukas, was genau ist passiert? Du musst keine Angst haben, das bekommen wir alles wieder hin.“

Er erzählte dann, was passiert war. Sie waren mit etwa 130 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn unterwegs und plötzlich sei ihnen von hinten ein Fahrzeug aufgefahren. Danach hätten sie die Leitplanke getroffen und sich mehrfach gedreht. Mehr wusste er auch noch nicht. Der andere Autofahrer war wohl jedenfalls schwerer verletzt und noch nicht von der Polizei vernommen worden.

Lukas war immer noch sichtlich beeindruckt von dem Erlebten und ich bat ihn, mit mir den Spyder anzuschauen. Es waren ja auch noch Sachen von ihnen im Auto. Als ich dann den Hof betrat und das Auto sah, wurde mir doch etwas anders. Es war rundum beschädigt und vorne links richtig zerstört. Von daher war ich sehr froh, dass nicht mehr passiert war. Hoffte ich jedenfalls.

„Lukas, nimmst du eure Sachen aus dem Auto und dann fahren wir zu Mick in die Klinik. Hier können wir nichts mehr tun.“

Mir war klar, den Wagen konnte man als Totalschaden abschreiben, aber das war mir sowas von egal im Moment. Wichtig war, wie es Mick gehen würde. Wir fuhren also in die Klinik und Lukas versuchte unterwegs immer wieder Mick zu erreichen, vergeblich. In der Klinik begaben wir uns zur Aufnahme und erklärten der Dame, was unser Anliegen wäre. Sie telefonierte kurz und schickte uns dann in die Ambulanz. Wortlos gingen wir beide dorthin. Ich spürte wirklich so etwas wie Angst, das war mir eigentlich fremd, aber es ging hier um meinen ältesten Sohn. Das war doch etwas anderes. Wir wurden bereits von einem Pfleger erwartet, der uns auch freundlich begrüßte und sofort in ein Behandlungszimmer führte. Aufatmen. Mick saß dort mit einer verbundenen Hand, aber sonst unversehrt in einem Stuhl.

„Papa, es tut mir leid, aber ich glaube, das Auto habe ich kaputt gefahren.“

Ich wurde richtig böse.

„Es ist mir egal, was mit dem Auto ist, solange dir nichts passiert ist. Was ist mit dir?“

„Ich habe nur ein paar Prellungen und die Hand ist etwas verletzt durch Glassplitter. Der Arzt meint, ich kann wieder nach Hause.“

Ich ging auf meinen Sohn zu und nahm ihn in den Arm. Das war eine beruhigende Nachricht. Auch Lukas entspannte sich sofort. Etwas aufgeregt fragte er dennoch:

„Warum hast du dich nicht gemeldet, ich habe so oft versucht, dich anzurufen.“

„Das Handy geht nicht mehr, es muss bei dem Unfall kaputtgegangen sein.“

Ich sprach noch kurz mit dem Arzt und dann verließen wir drei gemeinsam die Klinik.

„Mick, mach dir keine Gedanken oder sogar Vorwürfe, du konntest den Unfall nicht vermeiden. Der andere ist einfach in euch hineingefahren. Es war nicht deine Schuld.“

Er nickte zwar, aber ich konnte erkennen, dass es ihm unangenehm war, meinen R8 zerstört zu haben.

„Mick, das Auto wird zu ersetzen sein. Außerdem wollte ich eh mal etwas anderes haben. Das ist doch jetzt eine gute Gelegenheit.“

Das lockerte die Situation doch schnell auf, selbst Mick musste dabei jetzt schmunzeln. Lukas lachte sogar richtig laut.

„Allerdings gibt es da noch ein ernsteres Problem, wie bringen wir Sabine das jetzt so schonend bei, dass ich nicht gleich erschossen werde.“

„Papa“, meinte Lukas und grinste mich an, „warum sagen wir ihr nicht einfach, wir hätten eine Panne gehabt und Mick hätte sich beim Versuch es zu reparieren, die Hand verletzt.“

„Das erklärst du ihr aber, ich will nicht Schuld haben, wenn das später Ärger gibt.“

Wir mussten wieder lachen, aber so wollten wir es machen.

Leider kamen wir nicht wirklich dazu, diesen Plan umzusetzen, denn mein Handy klingelte und ich konnte erkennen, dass Sabine versuchte mich zu erreichen.

„Hallo Schatz, was liegt an“, meldete ich mich.

„Wo bist du? Und wann bist du wieder hier?“

Das hörte sich nicht gut an. Was war denn da jetzt passiert?

„Ich war mit Marcel, Benny, Tim und Manuel einen Kaffee trinken und etwas besprechen. Du hattest mir ja verboten, heute und morgen noch zu helfen.“

Damit wollte ich etwas Schärfe aus der Situation nehmen. Leider gelang das nicht wirklich.

„Dann komm sofort nach Hause. Die Polizei ist hier und fragt nach dir. Es muss ein Problem mit deinem Auto geben. Sie wollen mir aber nichts sagen, weil ich ja nicht deine Frau bin.“

„Sag ihnen, ich brauche noch dreißig Minuten nach Hause, aber ich weiß bereits Bescheid. Die Jungs sitzen schon bei mir im Auto und es ist alles gut. Also rege dich nicht mehr so auf und sage den Polizisten, dass ich schon mit ihren Kollegen vor Ort gesprochen habe.“

Stille am anderen Ende. Ich konnte förmlich fühlen, wie sie jetzt überlegte. Aber entgegen meiner Befürchtungen, sie würde mir jetzt einen Vorwurf nach dem anderen um die Ohren werfen, hörte ich nur folgendes.

„Gut, also du hast die Jungs bereits eingesammelt und ihr kommt nach Hause, richtig?“

„Genau, wir brauchen noch etwa dreißig Minuten. Es ist alles in Ordnung. Bis gleich.“

„Dass alles in Ordnung ist, glaube ich zwar nicht, aber das klären wir dann hier. Schön, dass die Jungs bei dir sind. Bis gleich.“

Das hörte sich nicht ganz so schlimm an, wie ich dachte, aber das Thema war noch nicht durch. Mal sehen, wie unser Empfang gleich sein würde.

Eine halbe Stunde später fuhren wir zu Hause in die Garage. Wir kamen aber erst gar nicht dazu, in Ruhe auszusteigen. Luc kam uns entgegengelaufen und redete aufgeregt auf uns ein. Er war so aufgeregt, dass es schwer wurde, seinen Sätzen zu folgen. Leif stand ebenfalls in der Garage und schaute ziemlich besorgt auf die Hand von Mick. Ich nahm Luc dann in den Arm und wir gingen nach oben. Was mich wunderte, es duftete nach Lukas Lieblingsessen, Lasagne. Nachdem wir die Taschen der Jungs nach oben gebracht hatten und ich meine Jacke ausgezogen hatte, betrat ich als Erster unsere Küche, Sabine saß am Tisch und bereitete eine Tomatensuppe vor.

„Hallo Schatz, hast du unsere Bruchpiloten eingesammelt?“

Mit dieser Begrüßung hatte ich nicht gerechnet. Woher wusste sie, dass es einen Unfall gegeben hatte.

„Ja, ich habe alle Trümmer zusammengefegt und eingesammelt. Es ist glücklicherweise nichts Ernstes passiert, aber woher ...“

Ich kam nicht dazu, den Satz zu vollenden, denn sie übernahm das Wort.

„… ich das weiß? Der Polizist hat mir dann doch alles erzählt. Ich finde es nicht witzig, wenn du einfach losfährst, ohne mir Bescheid zu sagen.“

„Du hättest dich doch nur aufgeregt und Panik geschoben. Zugegeben, ich war auch beunruhigt, weil ich nicht wusste, was genau passiert war, aber deine Vorwürfe oder Vorhaltungen konnte ich da noch nicht gebrauchen.“

Mittlerweile waren alle Jungs ebenfalls in der Küche eingetroffen und saßen oder standen im Raum. Lukas ergriff das Wort.

„Sabine, wir konnten nichts dafür, der andere Fahrer hat uns von hinten einfach gerammt. Danach war das Auto nicht mehr zu kontrollieren für Mick. Aber es ist doch nichts passiert.“

„So, so, es ist nichts passiert“, damit zeigte sie auf Micks Hand, „und das da? Das ist wohl eine Fata Morgana oder wie? Ich bin immer noch der Meinung, dass solche Autos nicht in die Hände von Anfängern gehören.“

„Nun“, bemühte ich mich ruhig zu bleiben, „Mick ist kein Anfänger und wie Lukas schon sagte, dieser Unfall wäre mir genauso passiert, also was soll das jetzt? Es ist, bis auf ein zerstörtes Auto, nichts passiert. Die Sicherheit des R8 hat also funktioniert. Ich möchte damit dieses Thema beenden. Die Jungs haben schon genug Stress gehabt.“

Sabine schaute uns an, und Luc nahm das zum Anlass, einfach ein anderes Thema zu beginnen.

„Mama, ich habe Hunger, können wir jetzt essen?“

Das war echt gut. Ich schaute seine Mutter an, sie mich und wir brachen in lautes Gelächter aus. Die anderen sahen das nicht anders und somit wurde dieses Thema des Unfalls nicht weiter fortgeführt. Meine einzige Aufgabe war nur noch meine Versicherung zu informieren und mich um ein anderes Auto zu kümmern. Ich hatte auch schon länger mit dem Gedanken gespielt, mir wieder ein springendes Pferd in die Garage zu stellen. Ich hatte ja jetzt keinerlei Verpflichtungen mehr.

Die Lasagne war jedenfalls wieder köstlich. Nachdem die Jungs noch ein wenig von ihren Erlebnissen berichtet hatten, löste sich unsere Versammlung auf.

Lukas: Ein unfassbarer Tag

Es sollte unser Tag werden, allerdings hatte Sabine vermutlich andere Pläne, denn das, was sie alles geplant hatte, ließ erahnen, dass es auch für unseren Papa, die eine oder andere Geschichte geben würde.

Nachdem wir unseren Schreck von gestern verdaut hatten, konnten wir verhältnismäßig gut schlafen. Heute Morgen allerdings spürten Mick und ich jedoch eine ungewohnte Anspannung. Mick hatte mir gegen zehn Uhr ein gemeinsames Frühstück spendiert und wir merkten, dass bereits niemand mehr im Haus war. Ich fand lediglich eine Notiz von Papa, dass wir um ein Uhr mittags zum gemeinsamen Mittagessen bei Salvatori sein sollten.

Sabine hatte Papa, Mick und mir untersagt, vor 17 Uhr auf dem Festgelände aufzutauchen. Also blieb uns nichts anderes übrig, zu Hause noch ein paar Dinge zu machen, die in den letzten Tagen liegengeblieben waren. Allerdings hatten wir keine Ahnung, wo Papa war. Ich saß gerade an unserem Schreibtisch und bearbeitete meine Mails. Es waren doch einige Glückwünsche von Freunden und auch von Bennys Vater. Das freute mich sehr. Mick trat hinter mich und umarmte mich sehr zärtlich.

„Hallo Schatz, bist du immer noch fleißig? Was meinst du, sollen wir nicht langsam mal Schluss machen mit arbeiten. Du hast heute Geburtstag.“

„Was stellst du dir denn vor? Helfen dürfen wir ja nicht und unser Auto ist auch noch nicht da. Da bleibt ja nicht mehr viel.“

Mick hielt mir einen Schlüssel vor die Nase. Ich schaute verwundert, weil ich damit gar nichts anfangen konnte. Dazu gab er mir einen Umschlag, den ich öffnen sollte. Ich zog eine Karte heraus und las dort ein paar Zeilen.

Mein lieber Sohn,

heute ist Dein Tag, an dem Du das Jugendalter verlässt und offiziell in den Status des Erwachsenen wechselst. Ich möchte Dir und Mick bis zur großen Feier heute Abend einen schönen Tag wünschen und schlage vor, ihr nutzt das schöne Wetter, um ein bisschen Sonne zu tanken. Ich habe Mick den Schlüssel für den Cadillac gegeben, damit Du heute auch etwas Spaß vor der großen Feier hast. Ich bin leider schon mit etwas anderem beschäftigt und wir sehen uns dann nachher zum Mittagessen. Ich vertraue auch weiterhin darauf, dass ihr mit den Autos angemessen umgeht. Der Unfall gestern soll euch nicht zu lange im Kopf bleiben.

Bis später und viel Spaß

Papa

Wow, damit hatte ich nicht gerechnet. Es breitete sich ein sehr starkes Gefühl in meiner Brust aus. Mick stand die ganze Zeit noch hinter mir und hatte seine Arme um mich gelegt und streichelte mir meine Brust damit. Es war ein großartiges Gefühl. Ich konnte einen Moment nichts sagen. Das Gefühl war sehr stark. Mick hingegen spürte das und löste mich aus meiner Starre.

„Komm, Schatz, du sollst heute Spaß haben, hat Papa gesagt. Lass uns aufbrechen und dem Caddie die Sonne zeigen. Ich weiß auch schon, wo wir hinfahren werden.“

Ich konnte mich nicht dagegen wehren und so gingen wir beide in die Garage im Keller. Mick gab mir die Schlüssel und meinte:

„So, du fährst heute. Ich habe noch genug von gestern. Außerdem ist es ja dein Geburtstag heute. Ich bin heute dein Navi und sage dir, wo du lang fahren musst.“

Dabei grinste er mich so frech an, dass ich wusste, er hatte sich etwas ausgedacht. Wir hatten noch zwei Stunden Zeit, bis wir uns mit den anderen treffen würden. Ich stieg in den Straßenkreuzer ein und steuerte vorsichtig aus der Garage, im Hof öffnete ich das Verdeck und die Sonne erwärmte sofort den Innenraum. Ein herrliches Gefühl. Wir glitten mit dem brabbelnden Achtzylinder über Straße und Mick gab mir nur Anweisungen, wo ich lang fahren sollte. Nach etwa einer halben Stunde bogen wir auf einen wunderschön in der Sonne gelegenen Parkplatz ab. Es war der Parkplatz einer Minigolfanlage. Ich liebte es, Minigolf zu spielen, leider teilte Mick diese Liebe nicht mit mir. Heute hatte sich Mick „geopfert“. Er wollte mir die Freude machen, mit mir eine Partie zu spielen. Es wurde einfach ein toller Vormittag. Erst als Mick mich daran erinnerte, dass wir ja um dreizehn Uhr bei Salvatori sein sollten, wurde mir bewusst, was für ein Tag heute ist.

Marc: Das Fest möge beginnen

Meine Jungs hatte ich versorgt und so konnte ich mich um die Ankunft von Bennys Vater kümmern. Er hatte sich kurzfristig entschieden, doch herzukommen, als es klar wurde, dass er beruflich nicht unterwegs sein würde. Ich hatte jetzt doch tatsächlich ein Fahrzeugproblem. Sabine hatte die S8 Limousine und Mick und Lukas waren mit dem Caddie unterwegs. Der R8 war ein kaltverformter Blechhaufen und der GT stand immer noch in München. Also was blieb übrig, die Cobra oder der Delta, ich entschied mich für den Delta, der hatte immerhin ein Dach und einen Kofferraum. Ich kletterte also hinter das Lenkrad, durch den Überrollkäfig konnte man nicht von einsteigen sprechen. Der Motor startete und ich ließ ihn einige Momente warmlaufen, bevor ich vom Hof fuhr. Nach wenigen Kilometern hatte auch das Öl eine passende Temperatur, damit konnte ich nun auch mal etwas Gas geben und Spaß haben. Was für eine Geräuschkulisse, der Turbo zischte bei jedem Gas wegnehmen und ich genoss es einfach, dieses Spielzeug zu bewegen. Ich fuhr zum Bahnhof, um Bennys Vater dort abzuholen. Benny wusste noch gar nicht, dass sein Vater kommen würde. Das war alles so kurzfristig gewesen und Benny war sehr mit den Vorbereitungen beschäftigt.

Der Zug kam sogar einigermaßen pünktlich und so standen wir eine kurze Zeit später wieder vor dem Lancia. Ich nahm die Reisetasche und legte sie in den Kofferraum.

„Herr Dankers, Sie können schon einsteigen, aber seien Sie vorsichtig, es ist etwas eng durch den Käfig.“

„Kein Problem, noch klappt das ganz gut, aber ist das auf Dauer nicht etwas unbequem im Alltag?“

„Sicher, ich bewege das Auto auch eigentlich nicht im Alltag, aber es ist sonst kein anderes mehr da.“

Herr Dankers schaute etwas erstaunt, als ich ebenfalls eingestiegen war, erklärte ich ihm die Geschichte und er war sichtlich betroffen, als er von dem Unfall der Jungs hörte. Nachdem ich mit ihm in seinem Quartier sein Gepäck abgestellt hatte, wollte er natürlich seinen Sohn treffen. Ich hatte nun das Problem, dass ich zur Werkstatt fahren musste, aber es ja eigentlich nicht sollte. Deshalb rief ich Sabine kurz an, um ihr die Lage zu erklären. Sie war natürlich einverstanden und so machten wir uns auf den Weg.

Ich stellte den Lancia so ab, dass er nicht im Weg stand und wir machten uns auf den Weg. Das Gelände sah mittlerweile eher aus, wie bei einem großen Rock Event, denn nach einer Geburtstagsfeier. Bennys Vater war ebenfalls sichtlich beeindruckt. Das meiste hatte ich ja schon gesehen, allerdings wunderte ich mich nun doch, denn an der gestern noch freien Stelle, stand nun ein großer roter Sattelzug aus Italien. Mit einem schwarzen springenden Pferd auf der Seite. Was sollte denn das, bitte schön? Ich blieb einen Moment davor stehen und konnte erkennen, dass sogar eine Rampe aufgebaut war, um auf die Bühne zu kommen.

Es dauerte nicht lange und wir kamen an den Thekenbereich, dort standen Benny und Marcel und machten die letzten Vorbereitungen. Sie hatten uns noch gar nicht bemerkt. Bennys Vater hingegen, ging direkt auf die beiden Jungs zu. Erst als er direkt hinter ihnen stand, bemerkte Benny, wer sich ihnen dort genähert hatte.

„Papa“, rief Benny völlig überrascht aus, „wie kommst du denn hier her? Das ist ja cool.“

Sie umarmten sich und auch Marcel würde von Herrn Dankers genauso herzlich begrüßt. Das war schon ein tolles Bild. Ich sah mich nun einmal komplett um, wenn ich schon mal da war, konnte ich das auch nutzen. Allerdings hatte ich nicht mehr viel Zeit und musste zum Essen mit den Jungs zu Salvatori aufbrechen. Ich besprach mich noch kurz mit Sabine, ob alles in Ordnung war und dann machte ich mich auch schon wieder auf den Weg.

Benny: Eine tolle Überraschung mit Nebenwirkungen

Marcel und ich waren schon den ganzen Vormittag damit beschäftigt, alle Theken mit Getränken zu bestücken und überall waren unsere Freunde mit irgendwelchen Vorbereitungen beschäftigt. Es war einfach gigantisch, was sich Sabine hier ausgedacht hatte. Es war aber auch so, dass sich Marc das finanziell leisten konnte. Geld war sicherlich genug vorhanden. Aber ich hatte ja auch schon mitbekommen, dass hier heute Abend nicht nur Mick und Lukas ihr Geschenk bekommen würden. Marc sollte auch eine große Überraschung bekommen. Was genau, wusste ich nicht, aber unsere Stimmung wurde immer gespannter. Plötzlich hörte ich eine mir sehr bekannte Stimme und ich schaute meinem Vater ins Gesicht. Das war doch wirklich eine ganz tolle Überraschung für mich. Seine Begrüßung fiel für Marcel genauso herzlich wie für mich aus. Das war für mich immer noch eine besondere Situation.

Marc war schon wieder verschwunden, er hatte sich mit Mick und Lukas verabredet und wir wollten hier ja auch in Ruhe weiterarbeiten. Wir kamen wirklich gut voran und somit hatten wir auch irgendwann von Sabine das Signal bekommen, alle gemeinsam zum Essenszelt zu kommen. Dort hatte der Fleischer für alle Helfer genug Essen vorbereitet. Es schmeckte wirklich gut. Sogar mein Vater hatte mit angefasst weiter aufzubauen und zu helfen, wo er konnte.

Plötzlich stand Sabine vorne und bat um Aufmerksamkeit.

„So, Leute, erst einmal vielen Dank für die tolle Unterstützung bis hierher. Es ist nun alles vorbereitet und wir sollten uns noch ein wenig ausruhen, bevor es heute ab fünf Uhr dann richtig los geht. Ich möchte alle Helfer bitten, um fünf Uhr wieder hier zu sein. Bis dahin wünsche ich allen eine gute Pause und bis nachher dann.“

Ich schaute zur Uhr und wir hatten also noch etwa zwei Stunden Zeit, mit meinem Papa irgendwohin zu gehen. Sabine nahm uns mit und setzte uns in Papas Quartier ab. Ich berichtete ihm von den Ereignissen hier und auch Marcel erzählte, wie es bei ihm zu Hause war. So hatten wir uns viel zu erzählen und die Zeit verging wie im Fluge. Leider gab es auch ein weniger schönes Thema, meine Mutter hatte gegen das letzte Urteil Revision eingelegt und es würde in absehbarer Zeit zu einem weiteren Prozess kommen. Mein Vater versuchte, mich zu beruhigen, aber allein bei dem Gedanken, erneut mit ihr in einem Raum sein zu müssen, löste bei mir Panikattacken aus. Am liebsten wäre ich davon gelaufen. Vor einigen Wochen wäre ich das vermutlich auch, aber heute ließ ich mich von Marcel beruhigen. Irgendwann kam er auf eine Idee, die mir einfach unangenehm war. Er rief bei Marc an.

„Steevens“, meldete er sich.

„Hallo Marc, entschuldige bitte, dass ich dich störe, aber wir haben hier ein Problem.“

„Hallo Marcel, ist schon in Ordnung, was gibt es denn?“

„Nun, Bennys Vater hat Benny erklärt, dass er gegen seine Mutter erneut aussagen muss. Sie hat Widerspruch gegen das letzte Urteil eingelegt. Jetzt ist Benny total aufgeregt und hat Panik. Kannst du vielleicht mit ihm reden? Wir bekommen das hier nicht so wirklich auf die Reihe.“

„Scheiße, musste das denn ausgerechnet heute sein, hätte er damit nicht bis morgen warten können. Wo seid ihr grade?“

„Bei Bennys Vater. Und ihm ist das auch aufgefallen, aber da war es zu spät. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass es Benny derart aufwühlen würde.“

„Ist Benny noch da oder ist er abgehauen?“

„Nein, er sitzt noch neben mir, aber er fühlt sich total beschissen und hat Panik.“

„Alles klar, ich komme. Aber sag ihm schon mal, er muss nicht in Gegenwart seiner Mutter aussagen. Ich bin in zehn Minuten bei euch.“

„Oh man, Marc, es tut mir echt leid, dass du jetzt wieder zusätzlichen Stress hast.“

„Quatsch, du hast genau das Richtige in der Situation gemacht. Aber sei doch froh, dass Benny noch neben dir sitzt. Vor ein paar Wochen noch wären wir jetzt auf der Suche nach ihm. Also bis gleich.“

Dann legte er auf und tatsächlich war er zehn Minuten später bei uns. Benny war das richtig peinlich, aber Marc ließ erst gar keine Diskussion aufkommen, nahm sich Benny und verließ die Ferienwohnung. Ich blieb mit Bennys Vater allein zurück.

Marc: Ein Zwischenfall und die tollste Party überhaupt

Es war wie verhext, irgendetwas musste uns immer dazwischenkommen. Diesmal war es Bennys Vater. Ich sprang in den Delta und fuhr schnellstmöglich zu Marcel. Das Auto war glücklicherweise sehr wendig und so konnte ich zügig durch den Verkehr kommen. Bennys Vater stand bereits in der Tür und da bekam ich einen Schrecken. Benny wird doch nicht doch noch abgehauen sein?

Zügigen Schrittes kam ich auf Herrn Dankers zu.

„Was ist passiert? Ist Benny doch abgehauen?“

Er schaute verwundert und dann machte es bei ihm Klick.

„Was? Nein, er sitzt mit Marcel in der Küche. Ich wollte nur etwas frische Luft schnappen und mich beruhigen.“

„Gott sei Dank, ich hatte schon befürchtet, dass er es nicht mehr ausgehalten hat.“

Ich ging an ihm vorbei und kam in die Küche. Dort standen die beiden vor dem Fenster, Marcel hatte Benny ganz fest in den Arm genommen und redete ruhig auf ihn ein.

„Hallo, ihr zwei.“

Sie drehten sich um und Benny war es erkennbar unangenehm, mich wieder mit dieser Sache zu belästigen. Er wollte es mir erklären.

„Hallo Marc, es tut mir leid …“

Weiter kam er nicht, denn ich würgte ihn direkt ab.

„Kein Wort mehr. Alles genau richtig jetzt. Marcel hat alles richtig gemacht. Deinem Vater sollte man mal in den Allerwertesten treten, das hätte doch auch bis morgen warten können.“

Ich hatte leider nicht bemerkt, dass Herr Dankers mittlerweile wieder hereingekommen war und hinter mir stand.

„Sie haben ja Recht, Herr Steevens, aber das ist mir erst aufgefallen, als es bereits zu spät war. Es tut mir wirklich leid.“

Ich drehte mich überrascht um. Das führte zu einem leichten Gelächter von Marcel und auch Benny. Ein gutes Zeichen, wie ich fand.

„So, so, das ist schön, die Herrschaften können wieder lachen, aber jetzt erzählt doch mal, was ist der Sachstand.“

Herr Dankers erzählte von dem neuen Prozess und Benny schilderte mir von seinen Ängsten, dass er erneut aussagen müsste und sich wieder mit seiner Mutter auseinandersetzen sollte, wo er doch gerade begonnen hatte, dieses Kapitel abschließen zu können. Bei seinen Erzählungen konnte ich spüren, wie sehr es ihn wieder aufwühlte. Marcel musste ihn mehrfach beruhigen.

„So, genug jetzt. Benny, ich brauche dazu nichts weiter zu hören. Lass gut sein. Eines kann ich dir ganz klar versprechen. Du musst nie wieder in Gegenwart deiner Mutter aussagen, solange du noch nicht volljährig bist. Da gibt es ein Gesetz, das dich davor schützt. Außerdem werde ich mich bemühen, dass es gar nicht erst für dich notwendig sein wird, überhaupt vor Gericht zu erscheinen. Also alles unter Kontrolle, ich werde das sofort mit deinem Vater regeln. Unser Anwalt wird dich dort auch wieder vertreten und das abwenden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich an der Faktenlage irgendetwas geändert hat. Von daher, macht ihr euch jetzt auch wieder an den schönen Dingen zu schaffen. Und Benny schau mich bitte mal an.“

Er sah mir jetzt direkt in die Augen. Ich konnte ein wenig Erleichterung spüren.

„Heute soll hier eine große Feier stattfinden und ich wünsche mir, dass du mit uns feierst. Aber wenn du merkst, dass es dir zu viel wird, bitte sag Bescheid und dann geht ihr beide nach Hause. Ist das angekommen?“

Marcel musste jetzt einfach grinsen.

„Ja, Chef!“

Wir brachen alle in ein richtig lautes Gelächter aus. Ich sagte nur trocken.

„Nein, der Chef ist gerade nicht da, die macht nämlich die letzten Sachen noch fertig.“

Damit war hier alles geklärt und ich konnte beruhigt wieder nach Hause fahren. Meine Jungs waren bereits dort und ich erklärte ihnen noch den Sachverhalt, dann ließ ich mir noch ein heißes Bad ein. Ich wollte vor der großen Feier mich noch ein wenig entspannen.

Die große Feier beginnt.

Meine großen Jungs standen am Eingangsbereich und empfingen die Gäste, ich blieb einen Moment bei ihnen stehen und wurde auch immer wieder in kurze Gespräche verwickelt. Im Hintergrund hatte die DJ-Truppe bereits begonnen, gute Musik zu spielen und innerhalb kurzer Zeit waren schon recht viele Gäste eingetroffen und die Stimmung wurde immer lebendiger.

Mittlerweile war ich bei Sabine angelangt und begrüßte sie nun auch endlich richtig mit einem Kuss. Sie erklärte mir den weiteren Verlauf und dass gegen halb acht dann der erste Höhepunkt mit der Autoübergabe beginnen sollte. Geplant war das so, dass ich den TT auf die Bühne fahren sollte und gleichzeitig die Jungs von Santiano mit auf dem Auto sitzen sollten und mit einem Song ihren Auftritt einleiteten. Ich erfuhr, dass alles vorbereitet war und auch die Band sich bereits auf der Anfahrt befand. Im Zelt war bereits richtig gute Stimmung und ich hatte wirklich Mühe, mich durch die Leute zu bewegen. Ich wurde immer wieder aufgehalten und musste einige Gespräche führen.

Gegen sieben Uhr holte mich Sabine ab, um hinter die Bühne zu kommen. Dort warteten tatsächlich die Jungs von Santiano und waren mindestens genauso gespannt wie ich. Wir kamen sehr schnell in ein lockeres Gespräch und ich erklärte ihnen, wie wir den Beginn geplant hatten. Sie fanden unsere Idee ziemlich klasse, denn der Sänger Pete Sage war sofort Feuer und Flamme, als er hörte, sie würden in einem Auto, von mir gefahren, auf die Bühne fahren. Er schlug vor, mit dem Lieblingssong von Lukas zu beginnen. Damit würde die Aufmerksamkeit aller sicher automatisch auf die Bühne gelenkt werden. Wir hatten noch einen Moment Zeit und so kam es, dass wir uns noch über Autos unterhielten und ich nicht mitbekam, dass sich Tom mit seiner Familie zu uns gesellte.

„Hallo Marc, schön das wir uns wieder sehen. Ich habe diesmal meine ganze Familie mitgebracht.“

„Tom, das ist richtig klasse.“

Ich stellte ihn, seine Frau und natürlich Mika den Santiano-Leuten vor und so ergab sich ein lebhaftes Gespräch über Autos und Motorsport. Jetzt wurde es aber auch ernst, der Auftritt sollte beginnen. Ich bat Tom und seine Familie vor die Bühne zu gehen. Sabine stand schon auf der Bühne und hatte das Mikro in der Hand. Sie bat nun beide Jungs auf die Bühne, um die Gäste offiziell zu begrüßen. Kurze Zeit später standen die drei auf der Bühne, Lukas hatte die Feier dann offiziell eröffnet und jetzt kam der große Moment. Sabine bat noch einmal um Aufmerksamkeit, die Bühne wurde abgedunkelt und Disco Nebel waberte über den Boden.

„So, Lukas. Du darfst dir zu Beginn ein Lied wünschen. Mit welchem Song möchtest du die Party starten lassen?“

Hinter einem Vorhang nahmen die Musiker der Band bereits ihre Plätze ein und waren startklar. Lukas überlegte einen Moment und dann kam, Gott sei Dank, der erhoffte Wunsch.

„Also, da Mick und ich einen recht unterschiedlichen Musikgeschmack haben, kann es nur ein Lied sein. Ich hoffe, es wird euch auch gefallen. Es heißt „Gott muss ein Seemann sein“ und ist von der Gruppe Santiano.“

Es brach Jubel aus und die Leute wollten schon auf die Tanzfläche gehen, als plötzlich alles dunkel wurde, die Melodie begann und der Nebel die gesamte Bühne einnahm. Der Vorhang fiel und ich fuhr mit den beiden Sängern im TT auf die Bühne. Dann begann ein unglaubliches Szenario. Bevor Mick und Lukas überhaupt begriffen hatten, was jetzt passierte, hatte Pete sich die beiden geschnappt und sang mit ihnen gemeinsam das Lied. Die Leute tobten und sangen fast alle mit. Einfach unglaublich. Als das Ende des Liedes kam, standen beide Jungs völlig konsterniert auf der Bühne. Pete übernahm die Regie und sprach.

„Hallo und moin zusammen. Ich glaube, lieber Lukas und lieber Mick, diese Überraschung ist geglückt. Bevor wir noch gemeinsam einige Songs spielen werden, ist hier noch jemand, der etwas loswerden möchte.“

Er drehte sich um und zeigte auf mich. Ich stieg nun aus dem TT aus und ging auf meine Jungs zu. Die Gäste waren alle richtig gespannt und ruhig. Ich nahm mir das Mikro.

„So, ihr zwei. Ich habe hier zwei Schlüssel für euch und möchte dieses Geschenk nun endlich an euch übergeben.“

Dabei zeigte ich auf den TT und umarmte meine Jungs. Die Leute klatschten und jubelten. Mick und Lukas setzten sich hinein und fuhren eine kleine Runde auf der Bühne. Sie parkten dann das Auto hinter der Bühne und Santiano brannten ein Feuerwerk der Stimmung ab. Es war grandios. Immer wieder holten sie einen der Jungs auf die Bühne zum Mitsingen. Einfach toll. Dann wurde es plötzlich ganz still, Pete hatte alle zum Schweigen aufgerufen und alle waren ganz still. Pete erklärte den nächsten und letzten Song, den sie spielen wollten. Es handelte sich um ein Stück aus dem letzten Album und hieß „Drum and Guns“. Das war ein Schlagzeug betontes Stück und jetzt hatte Pete echt den Schalk im Nacken.

„Leute, mir wurde erzählt, dass unter euch jemand ist, der ebenfalls sehr gut Schlagzeug spielen kann. Mick hatte mir gesagt, dass er sich wünschen würde, diese Person würde dieses letzte Stück mit uns spielen. Also bitte ich nun Benny Dankers auf die Bühne.“

Das war selbst mir nicht bekannt gewesen. Es dauerte einen Moment, bis Benny völlig konsterniert auf die Bühne geschoben wurde. Der Drummer der Band nahm ihn an die Hand und erklärte ihm kurz die Drums. Es war mittlerweile ein zweites Schlagzeug aufgebaut worden und so ging es dann los. Benny war richtig gut und die Jungs mussten noch zwei Zugaben spielen. Dann war der erste Höhepunkt der Feier vorbei. Meine Jungs hatten beide ein gigantisches Grinsen im Gesicht und waren noch einige Minuten mit den Santiano-Leuten hinter der Bühne. Leider konnten sie nicht mehr lange bleiben, denn sie hatten noch eine Fahrt zum nächsten Konzertort, aber es war ein tolles Geschenk für meine Jungs.

Jetzt war ich mit meiner Überraschung für Sabine dran. Ich wollte jetzt die beiden Motorräder von Marcus Walz vorstellen. Die Rampe war ja noch vorhanden und somit war alles recht einfach. Ich ging hinter die Bühne und holte ihr Bike aus der Werkstatt, mein Bike sollte Stephan mit auf die Bühne fahren. Ich bat Mick das Mikro zu übernehmen. Er stellte sich mit Lukas gemeinsam auf die Bühne und ergriff das Wort.

„Liebe Gäste und liebe Freunde, bis jetzt waren wir diejenigen, die Geschenke bekamen und überrascht wurden. Es wird Zeit, dass diejenige, die das hier alles organisiert hat, auch mal erwähnt wird. Sabine, kommst du bitte mal zu uns auf die Bühne.“

Sie war richtig erstaunt und ich konnte von meiner Position ihre Unsicherheit erkennen. Mick machte das richtig gut. Mick wusste ja auch nicht, was ich geplant hatte. Wir starteten die Motoren und mit einem lauten Brabbeln fuhren wir die beiden Motorräder, die ohne Zweifel Kunstwerke waren, auf die Bühne. Erst jetzt hatten alle begriffen, was das zu bedeuten hatte. Sabine wollte es gar nicht glauben, als sie mich auf dem Bike erkannte.

Ich stieg von der Maschine und ging auf die drei zu. Ich nahm sie in die Arme und nahm mir von Mick das Mikro.

„Ich finde, es ist an der Zeit, auch mal an dich zu denken. Du hast in den letzten Monaten so viel für uns getan und mir auch in schweren Stunden immer den Rücken frei gehalten. Ich habe gemerkt, wie gut das tut, wieder eine richtige Familie zu sein. Ich habe mir erlaubt, uns beiden ein Geschenk zu machen. Ich möchte mit dir gemeinsam in die Zukunft cruisen.“

Mittlerweile war unsere Familie komplett auf der Bühne und ich küsste Sabine auf der Bühne. Die Menge tobte und klatschte. Luc schien vor Freude zu platzen und auch meine Jungs waren sehr überrascht über diese Aktion. Sabine war einfach überwältigt und sprachlos. Und das sollte doch etwas heißen. Wenige Minuten später war ich mit ihr auf der Tanzfläche und jetzt wurde richtig gefeiert. Ich hatte Sabine schon lange nicht mehr so glücklich gesehen. Es war ihr Traum, wieder ein eigenes Motorrad zu fahren. Ich spürte immer mehr, wie sehr ich diese Frau liebte. Es war schwer für mich, nach all den Jahren des Alleinseins, sich wieder einer anderen Person hingeben zu können. Aber ich wollte es versuchen, und Sabine schien mir die Zeit dafür geben zu wollen.

Santiano war schon eine Stunde vorbei, aber immer noch waren alle ganz verzückt von diesem Auftritt. Die Stimmung im Zelt kochte mittlerweile. Ich versuchte mich gerade zur Theke vorzuarbeiten, als ich von jemandem aufgehalten wurde. Er sprach mich direkt an und bedankte sich für den Santiano Auftritt. Ich war etwas irritiert, weil ich dieses Gesicht nicht sofort zuordnen konnte, er stellte sich mir vor und dann machte es Klick, es war Joachim, einer meiner früheren Ferrari Mechaniker. Er lebte jetzt in Berlin und arbeitete dort als Landschaftsgärtner. Wieso er jetzt allerdings hier auf meiner Feier war, konnte ich nicht zuordnen. Da hörte ich Geräusche, die ich schon ganz lange nicht mehr wahrgenommen hatte. Ein ohrenbetäubendes Kreischen. Alle Augen richteten sich schlagartig auf die Bühne, die vollkommen dunkel war. Immer wieder brüllte ein Rennmotor auf. Ich war vollkommen irritiert. Was passierte hier nun? Jo grinste mich an und plötzlich stand Mick neben mir und tippte mir auf die Schulter und zeigte mir, ich sollte mich umdrehen. Ich erschrak. Vor mir stand niemand geringeres als der amtierende Präsident der FIA und mein damaliger Teamchef in der Formel 1, Jean Todt.

Er umarmte mich und das war das Zeichen, die Bühne wurde von einem Scheinwerfer erhellt und ein rotes Formel 1 Auto rollte auf die Bühne, gefahren von Tom. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Neben dem Auto ging ein stämmiger Mann mit Brille. Es war tatsächlich Ross Brawn, unser damaliger Chefingenieur, der das Auto entwickelt hatte. Es war wahrhaftig mein letzter Weltmeisterwagen, der da auf die Bühne gefahren war. Der Motor erstarb und nun wurde ich von Mick mit Jean zusammen auf die Bühne geschoben. Ich wusste noch gar nicht, was hier passierte. Ich war zwar einiges gewohnt, aber das hier war schon richtig strange. Mick nahm sich das Mikro. Er musste mehrmals um Ruhe bitten.

„So, liebe Gäste und liebe Freunde. Eigentlich ist diese Feier ja immer noch als unsere Geburtstagsparty gedacht, aber Lukas und ich waren der Meinung, es wäre auch eine gute Gelegenheit, unserem Papa einen Lebenswunsch zu erfüllen. Ich möchte dazu jemanden zu mir bitten, der das jetzt erklären kann.“

Er drehte sich dabei zu dem Rennwagen und bat Ross Brawn zu ihm nach vorne zu kommen. Das Gespräch fand ab jetzt in Englisch statt. Ich möchte es der Einfachheit halber direkt in Deutsch wiedergeben.

„Hallo Ross, ich denke, näher vorstellen muss ich dich nicht mehr. Würdest du bitte kurz unseren Gästen diese Geschichte erklären.“

„Gerne, aber zuvor möchte ich Jean zu uns auf die Bühne bitten und deinen Vater sollten wir auch hinzunehmen.“

Ich stand derweil bereits vor der Bühne, weil ich natürlich keine Sekunde dieser Ereignisse verpassen wollte. Also nahm ich mit Jean zusammen die drei Stufen auf die Bühne. Tom hatte bereits den Wagen verlassen und stand ebenfalls bei uns. Jetzt begann Ross zu erklären.

„Also die Geschichte ist im letzten Jahr von Marcs Formel 1 Karriere entstanden. Dort hatte er mal in einer lustigen Runde gesagt, wenn er mal irgendwann keine Rennen mehr fahren würde, wollte er sein letztes Meisterauto für seine Sammlung haben. Da es ab jetzt besser wäre, wenn Jean nun den Rest erklären würde, übergebe ich mal das Mikro an Jean.“

Mir schwante schon eine ganz heftige Geschichte.

„Also die Sache war dann so, als Marc sich entschieden hatte, seine Formel 1 Karriere zu beenden und keine Rennen mehr zu fahren, war eigentlich klar, dass wir von Ferrari ihm seinen letzten Weltmeisterwagen schenken würden. Aus rechtlichen Gründen ging das aber nicht sofort. Leider hatte sich Marc dann entschieden, doch wieder Rennen zu fahren. Also war dieses Projekt hinfällig geworden. Ich hatte früher, als Mick und Leif noch sehr klein waren, oft beide Jungs bei mir. Sie nannten mich immer Opa Jean an der Rennstrecke.“

Jetzt musste ich auch laut lachen, die Menge begann zu klatschen und es dauerte einige Momente, bis wieder Ruhe einkehrte.

„Nun hatte sich aber durch den tragischen Unfall in Le Mans, bei dem ich wirklich in großer Sorge war, ob Marc das gut überstehen würde, entschieden, dass Marc kein Weltmeister mehr werden würde und er sich dann auch seinen Kindern zuliebe vom aktiven Rennsport zurückzog. Das gab uns nun wieder die Gelegenheit, uns für seine Erfolge mit uns bei ihm doch noch bedanken zu können. Ich nahm also zum achtzehnten Geburtstag von Mick Kontakt mit ihm auf und erklärte ihm unseren Plan. Dabei entstand dann diese Aktion. Also Marc, dieses hast du deinem ältesten Sohn zu verdanken. Hiermit übergeben wir nun den F2004 offiziell an dich, Marc. Es ist ein Geschenk der Scuderia an dich und deine Familie. Wir würden uns sehr darüber freuen, wenn du uns mit diesem Auto bei den Ferrari Days 2015 in Monza besuchen würdest.“

Ich stand jetzt völlig sprachlos auf der Bühne, Mick gab mir nun das Mikro und flüsterte mir etwas ins Ohr.

„Papa, ich hoffe, du freust dich über diese Überraschung. Wir haben es schon von Anfang an gewusst. Es tut mir leid.“

Ich nahm ihn liebevoll in den Arm und nahm also das Mikro.

„So, also gut. Diese Überraschung ist euch wirklich gelungen. Ich bin sehr glücklich, solche Freunde zu haben, die sich auch noch nach Jahren an Wünsche anderer erinnern. Ich hatte das längst ad acta gelegt. Es stimmt, es war mein Traum, mein erstes und letztes Meisterauto zu besitzen. Jetzt werde ich versuchen, ob das erste Auto auch noch zu haben ist und ob es überhaupt noch existiert. Ich bin wirklich sehr bewegt. Ich habe mit Ross und Jean wirklich zwei besondere Freunde gefunden, was in der Formel 1 Szene sehr selten ist. Vielen Dank für diese tolle Überraschung.“

Was ich noch nicht bemerkt hatte, Lukas hatte in der Zeit meiner Rede, sich mit Sabine, Leif und Luc auch an die Bühne gestellt. Mick nahm wieder das Mikro.

„Leute, ich möchte jetzt noch unseren Rest der Familie auf die Bühne bitten, denn diese Leute sind dafür verantwortlich, dass wir hier heute überhaupt feiern können.“

Dann kam Lukas mit meiner Familie auf die Bühne. Luc lief auf mich zu und umarmte mich. Sabine gab mir einen Kuss und es fühlte sich großartig an. Wir machten noch einige Bilder mit allen am F 2004 und dann wurde es aber auch wieder Zeit, mit der eigentlichen Feier weiter zu machen. Der DJ begann wieder Musik zu machen und die Bühne wurde wieder freigeräumt. Der F2004 blieb allerdings auf der Bühne. Was mich erstaunte, niemand der Gäste hatte sich dem Wagen während der ganzen Feier, ohne zu fragen, genähert.

Es wurde ein unvergesslicher Abend. Später gab es noch einige lustige Spielchen auf der Bühne, so dass es für alle klar wurde. Sabine und ich waren nun ein festes Paar und wir waren wieder eine richtige Familie. Überall bekam ich gute Wünsche und auch meinen Kindern wurde immer wieder gratuliert. Alle freuten sich für uns. Einfach eine grandiose Feier. Erst gegen fünf Uhr morgens waren die letzten Gäste gegangen. Ich bin erst um sechs Uhr ins Bett gekommen. Meine Jungs hatten auch alle durchgehalten und es gab keine Alkoholleichen. Mick und Lukas hatten sehr angemessen getrunken. Ich hatte keinen Grund zu klagen. Diese Feier würde sicherlich noch sehr lange im Gedächtnis bleiben.

Der nächste Tag fiel mehr oder weniger aus, wir schliefen alle sehr lange und ruhten uns aus. Erst in den Tagen danach wurde alles wieder zurückgebaut und ich hatte noch den Termin in München. Ich fuhr mit Luc nach München, um meinen jetzt perfekten GT abzuholen. Für Luc war das wieder ein besonderes Erlebnis. Er war wie immer sehr anhänglich und ich konnte spüren, wie sehr er sich wieder einen Vater gewünscht hatte. Glücklicherweise hatten wir einen Feiertag in dieser Woche, so konnten wir das ohne einen Schultag zu opfern erledigen. Am kommenden Wochenende stand dann der große Familienausflug zu Lukas Eltern an. Das würde sicherlich noch einmal viel Kraft kosten, denn einfach würde es sicher nicht werden für den Jungen.

Mick: Eine Fahrt in die Vergangenheit macht den Weg in die Zukunft frei

Wir saßen in einem unglaublichen Chevy Van und Papa erklärte uns das Fahrzeug. Wir konnten ja jetzt auch fahren und insofern, wollte Papa, dass wir uns abwechselten auf der Fahrt nach Deutschland zum Grab von Lukas Eltern. Ich hatte hinter dem Steuer Platz genommen und mein Schatz stand hinter dem Sitz, während Papa uns alles genau erklärte.

„Papa“, meinte Lukas, „meinst du, dass Sabine keine Angst hat, wenn Mick und ich dieses Raumschiff steuern?“

„Unsinn, ihr habt bereits bewiesen, dass ihr Auto fahren könnt. Der Unfall war nicht eure Schuld, und wenn sie Probleme damit hat, dann zeigt ihr, dass das absolut unnötig ist. Ihr könnt das.“

„Hast du eigentlich schon von der Versicherung etwas gehört? Wird dir der R8 ersetzt werden?“

„Ja, Mick, er wird ersetzt. Allerdings habe ich noch keine genaue Wertbezifferung erhalten. Aber ich habe mich entschieden, wodurch der R8 ersetzt wird“

Ich sah Papa nun erwartungsvoll an, was würde er sich jetzt in die Garage stellen.

„Nein, Mick, noch verrate ich es nicht, aber es wird wieder ein Spyder werden. Ein schöner Spyder.“

Dabei grinste er wieder typisch, damit war klar, er würde es uns erst sagen, wenn das Auto da war. Plötzlich ging die hintere Seitentür auf und Luc sprang hinein.

„Ach, hier seid ihr. Ich habe euch schon überall gesucht. Mama fragt, ob wir in einer halben Stunde zusammen essen können. Sie hat dann alles fertig.“

„Ja, sag ihr, das ist in Ordnung. Bis dahin sind wir fertig. Freust du dich auch auf diese Reise?“

Luc schien ein wenig unsicher zu sein. Er wollte jetzt nicht zu viel sagen, weil Lukas ja auch dabei war.

„Eigentlich schon, aber ich weiß nicht, ob es angemessen ist, dass ich mich freue, mit euch zu verreisen. Für Lukas wird das ja nicht so schön sein, oder?“

Lukas drehte sich um und schaute dem Kleinen in die Augen. Ich hatte ein wenig Angst, er hätte das vielleicht falsch verstanden. Aber er nahm Luc einfach in die Arme und meinte.

„Danke dir für deine Rücksicht, aber ich freue mich auch. Ich möchte schließlich meinen Eltern zeigen, dass ich trotzdem wieder lachen kann und es mir gut geht. Ganz besonders wenn ihr mich alle begleitet. Für mich ist das überhaupt nicht selbstverständlich. Ich bin sehr glücklich darüber.“

Jetzt war doch deutlich spürbar, wie emotional das für meinen Schatz war. Ich stand aus dem Sitz auf und legte ihm meine Arme um die Schulter. Das tat ihm spürbar gut. Luc sprang wieder aus dem Auto und lief ins Haus zurück, um Sabine zu informieren.

„Papa, ich finde, Luc ist ein toller Junge. Er hat es ja auch nicht einfach gehabt in den letzten Jahren. Es ist schön zu sehen, wir sehr er dich auch mag.“

„Ach, Lukas, du hast schon Recht, er ist ein wirklich toller Junge und ich möchte darauf bestehen, dass er euch genauso mag, wie er mich mag. Er ist ein fester Teil unserer Familie geworden. Und das freut mich sehr.“

Wir ließen uns noch alle Bedienungselemente des Luxus Vans erklären und dann meinte Papa nach einem schnellen Blick auf die Uhr.

„Jungs, lasst uns reingehen. Sabine ist immer sauer, wenn wir nicht pünktlich zum Essen erscheinen. Nach dem Essen machen wir dann eine Probefahrt.“

Ich musste schmunzeln, aber er hatte absolut Recht. Sabine konnte richtig böse werden, wenn wir uns nicht an Absprachen hielten.

Wenige Minuten später saßen wir alle bei Papa in der Küche und machten uns über Sabines leckere Kartoffelrösti und Rahmgeschnetzeltes her. Luc hatte zum Essen einen tollen Salat beigesteuert.

„Sag mal Marc, wann wollen wir denn morgen losfahren? Luc hat ja noch Schule.“

„Wir haben eigentlich alle Schule“, unterbrach Lukas Sabines Frage.

„Warum nur, eigentlich Schule?“

„Weil ich alle für einen Tag beurlaubt habe“, schoss Papa dazwischen.

„War ja irgendwie klar, warum werde ich neuerdings eigentlich nicht mehr gefragt, wenn es sich um meinen Sohn handelt?“

„Weil du eh dagegen gewesen wärst. Ich will aber, dass alle mitkommen. Wir gehören als Familie zusammen und ich habe Lukas versprochen, dass die ganze Familie mitkommen wird.“

„Also gut, ich gebe mich geschlagen. Wann fahren wir also morgen los?“

„Um sechs Uhr früh soll es losgehen. Ich hoffe, die Jungs sind dann auch schon richtig wach, denn sonst muss ich wieder alles allein fahren.“

Dabei schmunzelte Papa und Sabine spielte die Beleidigte, weil Papa sie mal wieder als Fahrerin nicht eingeplant hatte. Es war aber nicht ernst gemeint, denn Sabine war eine gute Fahrerin und Papa machte sich einen Spaß daraus.

Der Abend sollte für Lukas und mich ein gemütlicher TV-Abend werden. Wir wollten uns mit Benny und Marcel treffen und einen Star Trek Abend machen. Wir wollten das bei uns machen. Tim wusste es noch nicht, ob er es zeitlich schaffen würde, weil er in der nächsten Woche eine wichtige Klausur schreiben musste.

Marc: Ein Wochenende mit Folgen

Es herrschte eine gewisse Anspannung beim früh-morgendlichen Frühstück. Mick und Lukas hatten bereits eine Reisetasche in den Wagen gebracht und Sabine hatte mich beim Vorbereiten des Frühstücks unterstützt. Komischerweise waren alle außer Luc schon am Tisch. Das er als letzter kam, war schon sehr außergewöhnlich. Er machte auch nicht den allerbesten Eindruck. Sabine schien sich aber nicht weiter darum zu kümmern. Ich hatte es auch schnell wieder vergessen, denn das Thema war heute ganz klar die Fahrt nach Deutschland in Lukas` Vergangenheit. Leif fragte Lukas Löcher in den Bauch, irgendwann wurde es mir zu bunt.

„Leif, nun lass deinen Bruder doch mal in Ruhe frühstücken. Merkst du gar nicht, dass es langsam nervt.“

Leif spürte meinen Ärger und nahm sich augenblicklich zurück. Luc war schon die ganze Zeit sehr still. Irgendetwas schien bei ihm anders zu sein. Jedenfalls räumten wir noch gemeinsam die Küche auf und dann ging es los. Leif und Luc wollten hinten in der letzten Reihe sitzen und dort noch etwas schlafen. Sabine und Lukas saßen hinter Mick und mir. Ich wollte, dass Mick den ersten Teil fährt. Hier kannte er sich noch am besten aus, außerdem sollte er Erfahrungen sammeln. Ob Lukas später fahren würde, sollte er selbst entscheiden. Ich wollte ihn da nicht drängen, allerdings würde ich es gut finden, denn dann würde er nicht ständig an diese sicher nicht einfache Situation denken müssen.

Mick fuhr wirklich richtig gut und selbst Sabine schien sich sicher zu fühlen, denn sie war recht schnell wieder eingeschlafen. Es herrschte Ruhe im Wagen. Nur Lukas und ich waren wach, während Mick fuhr. Wir kamen an die deutsche Grenze und Mick war schon zwei Stunden ganz hervorragend gefahren. Allerdings bat er jetzt um Ablösung. Die deutsche Autobahn war Mick nicht ganz geheuer und er fühlte sich auch etwas müde. Sabine war mittlerweile wieder wach und so übernahm sie das Steuer. Wir hatten noch eine ganz schöne Strecke vor uns.

Leif und Luc hatten mich gefragt, ob ich ihnen nicht Doppelkopf beibringen könnte. Dafür brauchten wir noch einen vierten Mitspieler und Lukas kam zu uns hinzu. Wir drehten die Sitze so, dass wir alle an dem kleinen Tisch sitzen konnten. Innerhalb von wenigen Minuten hatte ich ihnen die Grundregeln erklärt und wir spielten einige Partien. Es machte richtig Spaß und ich freute mich sehr, dass meine Jungs noch Spaß an richtigen Spielen und nicht nur am PC oder mit der Playstation zockten. Nach einer Stunde weiterer Fahrt und guter Musik mussten wir tanken. Sabine steuerte eine Tankstelle an und wir spielten einfach weiter. So bekamen wir gar nicht mit, dass wir schon einige Zeit wieder unterwegs waren, als Leif meinte, wir könnten mal eine größere Rast machen. Ich schaute auf die Uhr und es würde gut zu einer Mittagspause passen. Ich sprach kurz mit Sabine und bat Mick ein Restaurant zu suchen. Das machte er über das Navi und so kam es, dass wir bald an einem großen Tisch bei einem Griechen saßen.

Meine Familie war bester Laune, lediglich Luc machte einen schlappen Eindruck. Irgendwie kam mir das langsam komisch vor. Bei einer günstigen Gelegenheit strich ich ihm über den Kopf, dabei kam mir der Junge richtig heiß vor. Ich wollte jetzt aber keine Panik auslösen, denn mir war klar, bekam Sabine das mit, wäre direkt Alarmstimmung gewesen. Also sagte ich nichts. Wir bekamen unsere Getränke und Luc hatte auch beim Essen noch richtig Appetit. Also bislang alles gut. Leider war es in Deutschland immer noch sehr schwer, unerkannt zu bleiben. Wir wurden deshalb nach dem Essen förmlich überrannt mit Autogrammwünschen. Ich bat meine Familie schon mal nach draußen zu gehen und wollte noch einige Autogramme schreiben. Als ich zum Auto kam, drückte mir Sabine die Schlüssel in die Hand und meinte, sie wollte jetzt mal ein Verdauungsschläfchen machen. Ich musste lachen. Also gut, dann nahm Lukas jetzt neben mir Platz und ich fuhr weiter. Wir hatten es auch nicht mehr so weit bis zum reservierten Hotel. Mick telefonierte zwischendurch mit Benny und unsere Stimmung war wirklich erstaunlich gut. Sogar Lukas war noch recht entspannt. Eine weitere Stunde später fragte ich dann:

„Sag mal Lukas, möchtest du nicht das letzte Stück fahren bis zum Hotel? Du kennst dich doch hier am besten aus.“

„Aber nur bis zum Hotel. Das finde ich auch so noch, nur ich weiß nicht, ob ich dann weiterfahren kann.“

„Klar, das sehen wir ja dann.“

Ich steuerte an einen Platz, wo ich problemlos halten konnte und wir tauschten die Plätze. Luc lag bei Sabine im Arm und schlief. Leif und Mick hatten sich ihren Laptop genommen und ich konnte erkennen, dass Mick eine Geschichte auf Nickstories las. Lukas fuhr los und so hatte ich keine Gelegenheit mehr, mich mit Mick zu beschäftigen. Der Stadtverkehr wurde immer dichter und ich spürte, dass Lukas sich doch sehr konzentrieren musste. Der Van war ja erheblich größer, als der TT. Ich ließ ihn aber einfach fahren, schaute aber immer mit auf den Verkehr. Plötzlich hatte er einen Moment nicht auf die Abfahrt geachtet und wir waren vorbei gefahren.

„Lukas, du musst umdrehen. Wir hätten eben rechts abbiegen müssen.“

„Mist, ich habe auf den Verkehr achten müssen. Tut mir leid.“

„Ist doch kein Problem. Fahr da vorne mal links ab. Dann drehen wir dort.“

Er machte es wirklich gut. Allerdings konnte ich auch seinen Unmut fühlen. Es ärgerte ihn, dass er einen Moment nicht auf alles geachtet hatte. Nach wenigen Minuten waren wir wieder auf dem richtigen Weg.

„Hey, Lukas, das ist doch auch meine Schuld. Ich hätte es dir auch früher sagen können. Also, ist doch gar nicht schlimm. Außerdem sind wir schon fast da.“

„Ja, Papa, aber Mick hat keinen Fehler gemacht, als er gefahren ist.“

„Na und? Wo ist da jetzt das Problem? Meinst du, mir passiert das nicht auch?“

„Wie? Du machst auch mal Fehler beim Fahren?“

„Ja sicher, ich bin doch keine Maschine.“

Das lockerte seine Verkrampfung spürbar auf. So stellte er wenige Minuten später den Van vor einem wunderschönen Hotel ab. Ich nutzte die Gelegenheit, mir einen kleinen Spaß zu erlauben.

„Meine Damen und Herren, wir haben unser Ziel erreicht. Bitte stellen sie die Lehnen gerade und schnallen sie sich ab. The Eagle has landed.“

Das führte zu sofortigen Lachanfällen aller. Wir verließen unser Luxusgefährt und Luc kam zu mir und kuschelte sich ganz eng an mich. Er machte einen müden Eindruck.

Unsere Truppe bewegte sich geschlossen in Richtung Rezeption. Dort wurden wir auf unsere Zimmer verteilt und so kam es, dass ich mit Sabine wenige Minuten später allein in einem wunderschönen Doppelzimmer war.

Am Fenster stehend sagte ich zu ihr:

„Es ist schon komisch, vor einem Jahr war ich nur auf mich fixiert und darauf bedacht, mein nächstes Rennen zu gewinnen. Warum musste ich erst in Le Mans den Unfall haben, um zu begreifen, wie wichtig mir meine Kinder sind?“

Sie lächelte nur und umarmte mich.

„Weil du noch nicht so weit warst. Es ist doch viel wichtiger, dass du heute bereit bist, für deine Familie da zu sein. Deine Kinder sind glücklicherweise auch so ganz tolle Menschen geworden und du hast ihnen bewiesen, wie sehr du sie vermisst hast. Sie spüren, dass du begriffen hast, damals einen Fehler gemacht zu haben. Auch weil du zugeben kannst, wenn du mal etwas nicht so gut entschieden hast. Das ist auch für mich so faszinierend. Du hast niemals versucht, einen Fehler von dir schön zu reden, wenn du denn überhaupt mal einen gemacht hast. Das war auch damals das Faszinierende für mich, als du Luc begegnet bist. Du hast keine Fragen gestellt, du hast nur gesehen, dass er Hilfe braucht und hast geholfen. Immer wieder nutzt du deine Popularität, um anderen zu helfen. Weißt du, Luc hat mal gesagt, Mama, warum kann Marc nicht mein Papa sein? Das ist doch das schönste, was ein Kind empfinden kann.“

Sprachlos gab ich ihr einen Kuss. Ich wusste, sie hatte Recht, aber es war nicht einfach für mich, immer so zu handeln.

„Sag mal Schatz, was denkst du, wann sollten wir zu Lukas Eltern fahren? Sollen wir das heute noch machen oder erst morgen?“

„Ich denke, Lukas sollte das entscheiden. Wenn er heute noch auf den Friedhof möchte, sollten wir das machen. Wenn ich Mick richtig verstanden habe, möchte Lukas auch zu dem Haus seiner Eltern fahren.“

„Oha, also will er wirklich seine Vergangenheit aufwühlen? Sollen wir das wirklich machen?“

Ich war mir nicht sicher, ob das so gut wäre, aber andererseits, wenn er das wollte, sollte es so sein.

Es klopfte an der Tür.

„Herein“, sagte Sabine.

Leif kam herein, er machte ein etwas besorgtes Gesicht.

„Hallo Leif, wie ist euer Zimmer? Alles in Ordnung?“

Ich konnte sofort spüren, irgendetwas machte ihm Sorgen.

„Ja, das Zimmer ist wirklich toll, aber ich mache mir um Luc Sorgen. Er hat sich direkt aufs Bett gelegt und ist sofort eingeschlafen. Er war total erschöpft.“

Sabine wollte sofort zu ihrem Sohn, ich hielt sie auf.

„Sabine, lass ihn erst einmal schlafen. Es ist mir heute Morgen schon aufgefallen, dass er nicht so fit war. Wir können immer noch etwas machen, wenn er aufgewacht ist. Leif, danke für deine Aufmerksamkeit. Sag uns bitte Bescheid, sollte etwas Ungewöhnliches sein.“

„Klar, Papa, aber was machen wir jetzt, wir können ihn doch nicht hier allein lassen.“

„Natürlich nicht, wenn ihr mit Lukas schon mal durch den Ort gehen wollt, dann macht das doch. Ich werde dann mit Sabine hier bleiben.“

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Lukas ohne dich auch nur einen Schritt aus diesem Hotel machen wird. Mick meinte eben schon, dass Lukas völlig aufgewühlt ist.“

Ich hatte es befürchtet, aber Luc würde ich jetzt niemals allein lassen. Also beschloss ich erst mal, dass wir ihn schlafen ließen. Vielleicht erholte er sich dadurch ja. Ich ging zu den großen Jungs und bat Leif bei Luc zu bleiben. Sabine begleitete ihn.

„Hallo ihr beiden, habt ihr die Fahrt gut überstanden?“

„Hallo Papa, komm doch herein. Ja, ich bin etwas müde, aber sonst ist alles gut.“

Lukas stand am Fenster und schaute in den Garten und in Richtung seines Heimatortes. Ich ging zu ihm und stellte mich wortlos neben ihn. Sein Gesicht schien Bände zu sprechen. Was ging jetzt wohl in seinem Kopf vor? Mick hingegen war dabei, die Tasche auszupacken. Ich wollte Lukas nicht bedrängen und ließ ihn noch einen Moment allein am Fenster. Mick schaute mich etwas besorgt an, ich gab ihm ein Zeichen, dass es für mich in Ordnung war.

„Mick, Lukas, ich würde es gut finden, wenn ihr beide in einer Gärtnerei mal schauen fahrt, ob ihr für Lukas Eltern etwas Passendes findet. Es soll doch auch ein Zeichen sein, weshalb wir hier sind. Oder was meint ihr dazu?“

Lukas drehte sich um und sah mir in die Augen. Seine Gefühle schienen ihn zu überrollen. Er nickte nur noch. Sprechen schien ihm in diesem Moment nicht mehr möglich. Ich nahm ihn in den Arm und gab Mick den Autoschlüssel und schickte beide auf die Suche.

Eine halbe Stunde später war ich mit Sabine bei Leif und Luc im Zimmer, Luc war aufgewacht und es ging ihm deutlich besser. Also beschlossen wir, sobald die beiden Großen wieder da waren, uns auf den Weg in Lukas Vergangenheit zu machen.

Ein kräftiges Brabbeln eines großen Achtzylinders kündigte die Rückkehr der beiden Jungs an. Kurze Zeit später standen wir sechs am Kofferraum des Vans.

„Papa, wir haben einige schöne Sachen gefunden. Die Gärtnerei liefert die Sachen umgehend und wir können uns auf den Weg machen. Wie geht es dir Luc? Hast du dich etwas erholt?“

„Ja, Mick, danke. Ich glaube schon. Ich weiß nicht, warum ich heute so schlapp bin.“

Ich beobachtete Luc genau, er war immer noch blass und ich hatte kein gutes Gefühl. Auch Sabine schien meine Gedanken zu erkennen, wir sagten aber nichts weiter dazu und machten uns auf den Weg. Sabine fuhr und Lukas lotste sie durch einige Straßen, bis wir vor einem Reihenhaus stehen blieben. Lukas schien für einen Moment abwesend. Mick hielt seine Hand und dann meinte Lukas.

„Das ist mein Elternhaus. Hier bin ich aufgewachsen.“

Wir standen gemeinsam vor dem Haus und schauten uns um. Lukas führte uns in der Straße herum und zeigte uns, wo seine damaligen Freunde gewohnt haben. Mick hatte dann eine richtig gute Idee.

„Sag mal Schatz, warum schauen wir nicht einfach mal, ob dein bester Freund von damals nicht noch hier wohnt. Du hast doch mal erzählt, du würdest gerade ihn als Freund vermissen.“

„Meinst du, wir können da einfach so hingehen. Ich weiß doch gar nicht, wer da jetzt wohnt.“

„Das können wir nur herausfinden, indem wir dort hingehen und nachschauen.“

Typisch Luc, immer direkt und einfach. Wir mussten lachen und so machten wir uns alle auf den Weg zu dem Haus von Lukas damaligen Freund. Es lag nur wenige hundert Meter entfernt und so hatten wir das schnell erreicht und Lukas und Mick standen vor der Haustür. Lukas klingelte und eine Frau in meinem Alter öffnete die Tür. Sie schaute einen Moment verwundert, dann entspannten sich ihre Züge und sie lachte. Ungläubig fragte sie.

„Lukas? Bist du es wirklich? Meine Güte, du hast dich kaum verändert. Wie kommst du denn hierher?“

Lukas war sehr aufgeregt, aber er fing sich recht schnell.

„Hallo Frau Palm. Ich bin mit meinem Freund und meiner neuen Familie hier.“

Dabei zeigte er auf uns und dann sahen wir einen jungen Mann die Treppe herunterkommen. Er kam zu uns an die Tür, schaute einen Moment ungläubig, dann ging er auf Lukas zu.

„Lukas? Bist du es wirklich? Mensch, das ist ja geil. Wie kommst du denn hierher?“

Er umarmte Lukas sehr herzlich und das tat Lukas richtig gut. Frau Palm bat uns herein und so saßen wir bald in deren Wohnzimmer und Max und Lukas erzählten von ihren früheren Erlebnissen. Wir hatten kaum Gelegenheit irgendwas dazwischen zu sagen, bis Frau Palm irgendwann die beiden unterbrach:

„So, ihr beiden Plaudertaschen, ich möchte jetzt aber mal wissen, wer denn von deiner neuen Familie wer ist. Schließlich möchte ich wissen, wo du jetzt lebst und wer alles dazugehört.“

Wir schauten alle erheitert in die Runde und Lukas schien das ein wenig peinlich zu sein. Sofort stellte er uns alle der Reihe nach vor, und zum Schluss dann Mick. Max schaute nur kurz zu Mick und dann sagte er:

„Lukas, erzähl mir kein Märchen. Mick ist nicht nur dein Bruder. Ich habe eben schon gemerkt, dass ihr eine besondere Verbindung habt.“

Frau Palm musste lachen und auch ich konnte mich nicht mehr zurückhalten.

Lukas schaute Max an und dann kam eine Reaktion, die vor wenigen Monaten unvorstellbar gewesen wäre, er nahm seinen Mick einfach in die Arme und küsste ihn. Damit waren alle Fragen beantwortet. Max nahm es locker mit einem Spruch.

„Hey Lukas, ich habe es damals schon geahnt. Aber ich finde es toll, dass du nun offen sein kannst. Einfach toll, auch das deine Familie das anscheinend sehr locker sieht.“

„Ja, Max, ich habe eine tolle Familie. Ich möchte dich etwas fragen. Kommst du mit mir auf den Friedhof? Ich würde mich freuen, wenn du uns begleitest.“

Max staunte, damit hatte er nicht gerechnet. Ich merkte auch, Max musste für Lukas früher ein ganz besonderer Freund gewesen sein.

„Wenn du möchtest, komme ich mit. Aber ich möchte, dass du heute Abend mit deinem Freund zu uns kommst. Ich möchte dir so viel erzählen. Oder fahrt ihr gleich wieder zurück?“

Lukas schaute mich fragend an. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.

„Also Max“, antwortete ich daher, „wir fahren erst Sonntag zurück. Ich finde deine Idee sehr gut. Wir haben damit keine Probleme, wenn die beiden heute Abend bei euch sind. Aber ich glaube, wir sollten uns jetzt erst einmal auf den Weg zum Friedhof machen.“

So machten sich dann sieben Menschen auf den Weg zum örtlichen Friedhof. Erst, als wir vor dem Eingangstor standen, wurde es still. Lukas ging mit Mick im Arm voraus. Ich blieb mit Sabine, Leif und Luc etwas zurück und ließ die drei großen Jungs vorausgehen. Wir standen dann vor einem Doppelgrab, auf dem ein schlichtes Kreuz stand. Ich konnte die Daten lesen und mir wurde jetzt bewusst, wie schwer das für Lukas sein würde. Die Gärtnerei hatte wirklich Wort gehalten und es lag eine wunderschöne Schale mit Blumen und einer Schärpe auf dem Grab. Mick hielt seinen Freund ganz fest und auch Max machte einen Schritt zurück. Lukas begann mit sehr schwerer Stimme jeden Einzelnen von uns zu sich zu bitten. Jeder von uns ging dann nach vorne und wurde von Lukas vorgestellt. Eine komische Situation, aber für Lukas war das ein ganz wichtiger Moment. Ein Kapitel konnte abgeschlossen werden und das neue war bereits in vollem Gange. Ich hatte wirklich einen Moment mit den Tränen zu kämpfen, es war sehr emotional. Für uns alle. Aber ich fand es sehr wichtig, dass wir alle hier waren. Ich gab meiner Familie ein Zeichen, die drei noch einen Moment allein zu lassen. Mick hielt seinen Freund fest und streichelte ihm immer wieder über den Rücken. Selbst Max hakte sich bei Lukas ein. Ein tolles Bild. Ich hätte es am liebsten fotografiert. Das ließ ich aber in Anbetracht der Situation sein.

Vor dem Tor des Friedhofes warteten wir auf die drei, als mir auffiel, dass Luc zu zittern begann. Es schien ihm sehr kalt zu sein. Ich schaute zu Sabine und sie hatte richtige Panik im Gesicht. Ich berührte Lucs Stirn und fühlte, dass er Fieber hatte.

„Schatz, du fährst sofort mit ihm ins Hotel zurück. Wir kommen dann schon irgendwie nach.“

Luc wollte noch protestieren, aber er war schon zu schwach, um einen ernsthaften Versuch zu unternehmen. Ich wollte nicht, dass Luc jetzt noch den Weg zum Auto machte. Deshalb entschied ich mich, selbst zum Auto zu laufen und das Auto herzuholen. Eine Viertelstunde später hatte ich den Friedhof erreicht und sah, dass Luc in eine Jacke von Leif eingewickelt war und die anderen sich um ihn kümmerten. Wir verluden ihn ins Auto und dann kam eine überraschende Ansage von Lukas.

„Papa, ich denke, es ist besser, wenn ihr allein ins Hotel fahrt. Kümmert euch um Luc, wir bleiben bei Max, bis du uns dann später abholst.“

Ich schaute zu Max, der mir zunickte und so fuhr ich mit Leif, Sabine und Luc schnellstmöglich ins Hotel zurück. Dort stellte sich eine Temperatur von 39,7 Grad heraus. Das war enorm hoch. Sabine war fast panisch. Ich musste jetzt ruhig bleiben und entschied mich, aufgrund der Vorgeschichte, sofort einen Rettungswagen zu rufen. Innerhalb von einer weiteren Viertelstunde waren Sabine und Luc mit dem Rettungswagen auf dem Weg in die Klinik. Leif stand konsterniert neben mir.

„Papa, was ist, wenn Luc wieder Leukämie hat? Das darf nicht sein. Ich will das nicht.“

Mir kamen starke Gefühle hoch. Leif hatte Recht. Die Symptome waren eindeutig. Es half aber nichts, mehr konnten wir jetzt nicht tun. Ich schwieg und mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf, da meldete sich mein Handy. Mick!

„Hallo Mick, was gibt es?“

„Papa, was ist mit Luc? Wie geht es ihm?“

„Wir haben ihn in die Klinik bringen lassen. Sabine ist bei ihm. Wir müssen nun abwarten, was die Untersuchungen bringen.“

Es herrschte Stille am anderen Ende.

„Papa, Lukas macht sich große Sorgen und ich weiß nicht, wie lange ich ihn hier halten kann. Sollen wir zurückkommen?“

„Nein, ich denke, es wäre für alle besser, wenn ihr noch bei Max bleiben könnt. Ich fahre mit Leif gleich ins Krankenhaus. Dann rufe ich euch an. Ok?“

„Gut, ich werde es an Lukas so weitergeben. Papa, wie ernst ist es?“

„Ich weiß es nicht, er hat hohes Fieber. Ich hoffe, es ist kein Rückfall. Alles andere bekommen wir hin.“

„Wieso alles andere? Wir bekommen auch das hin. Ich werde mich nicht damit abfinden aufzugeben.“

Ich erschrak. So hatte ich das natürlich nicht gemeint. Schnell gab ich Mick Recht und wir verabredeten, später zu telefonieren. Ich nahm nun Lucs Tasche und fuhr mit Leif in die Klinik. Leif war angespannt und ich war auch nicht mehr die Ruhe selbst. Was wäre denn, wenn die Leukämie zurückgekommen wäre? Ein Gedanke, der sogar Übelkeit bei mir auslöste. Wie musste es da Sabine erst gehen?

In der Klinik ging ich zur Anmeldung und wurde dort freundlich empfangen.

„Herr Steevens, was führt sie zu uns? Ich freue mich sie hier begrüßen zu dürfen.“

„Entschuldigen sie bitte, aber mir ist gerade gar nicht nach small talk. Ich möchte wissen, wo ein Lucien Maergener behandelt wird. Er wurde mit seiner Mutter vor kurzem hier eingeliefert.“

Die Dame stutzte, spürte aber sofort, dass mir nicht nach Scherzen zumute war und ich wohl einen ernsten Grund hatte. Sie tippte in ihren Computer die Daten ein und schickte uns in die Kinderklinik. Zügigen Schrittes machten wir uns auf den Weg. Um die Station betreten zu können, mussten wir uns anmelden. Anschließend begleitete uns ein Pfleger in das Zimmer, in dem Luc mittlerweile lag. Sabine saß an seinem Bett und war ziemlich aufgelöst. Sie hatte geweint und als sie uns hereinkommen sah, umarmte sie mich und weinte. Sie war mit den Nerven ziemlich am Ende. Luc schlief. Ich versuchte mit ihr zu sprechen.

„Sabine, du musst dich beruhigen. Hat der Arzt schon etwas gesagt?“

Leif setzte sich auf Lucs Bettkante und blieb bei ihm, während ich mit Sabine das Zimmer verließ.

„Marc, ich habe einfach Angst. Es sind die gleichen Symptome wie bei der Leukämie, er hat fast 40 Grad Fieber und ist nur müde und schläft. Der Arzt hat ihn untersucht und Blut abgenommen. Jetzt müssen wir abwarten. Er hat eine Infusion bekommen und soll viel schlafen.“

„Puh, so ein Mist. Ich hoffe, es ist keine Leukämie. Vielleicht ist es auch nur ein grippaler Infekt. Was können wir jetzt machen? Nur warten?“

Ich nahm sie ganz fest in den Arm und sie nickte nur. Ich fühlte mich so schlecht. Nichts tun war überhaupt nicht mein Ding.

„Schatz, Luc braucht uns jetzt mit klarem Kopf. Wir müssen nun einmal abwarten, was bei der Untersuchung herauskommt. So lange bleibst du hier. Ich werde auch bleiben. Die Jungs fahren zurück. Sie müssen wieder in die Schule. Wir können bleiben. Was meinst du?“

Mit großen Augen schaute sie mich an und meinte.

„Du würdest hier bleiben, was ist, wenn sich das herumspricht und die Presse das mitbekommt? Und können wir die Jungs allein fahren lassen?“

„Ja, und auf jeden Fall ja.“

„Wie meinst du das?“

„Ja, ich bleibe und ja die Jungs können allein fahren. Die Presse ist mir sowas von egal. Es geht um meinen Sohn, ich werde bleiben.“

Das hatte gewirkt. Sabine war fast wie ausgewechselt. Sie merkte, sie war nicht mehr allein. Auch Luc zählte jetzt zu meiner Familie. Ich würde kämpfen, bis zuletzt.

„Pass auf, Schatz. Wir machen Folgendes. Du gehst wieder zu Luc, ich fahre zu den Jungs und schicke sie nach Hause. Ich organisiere hier alles Weitere und komme dann wieder her. Sobald hier etwas passiert, meldest du dich, ok?“

„Gut, wenn du meinst. Marc, ich bin froh, dass du bei uns bist.“

Ich musste sie jetzt einfach küssen und streichelte ihren Kopf. Gemeinsam gingen wir hinein. Leif saß unverändert noch an Lucs Bett. Ich gab Luc einen Kuss und verließ mit Leif die Klinik. Vom Auto aus rief ich Mick an. Ich klärte den Sachverhalt mit ihm und eine halbe Stunde später waren wir vier wieder im Hotel.

„So, Jungs, folgendes. Ihr fahrt zurück, damit ihr weiter zur Schule gehen könnt. Ich werde mit Sabine hier bleiben, bis geklärt ist, wie es weitergeht. Ich lasse mir vom Hotel einen Mietwagen besorgen und alles Weitere regele ich dann von hier. Eure Aufgabe ist es, sich um Leif zu kümmern, bis wir wieder da sind. Bekommt ihr das hin?“

„Papa, ich habe das immer schon gemacht und natürlich bekommen wir das hin. Aber du meinst wirklich, wir sollen nach Hause fahren? Ich würde gerne bei Luc bleiben.“

„Ja, Mick, es ist besser so. Ihr könnt hier nichts für ihn tun. Wenn er zu Hause ist, dann werdet ihr gebraucht. Da braucht er dann Unterstützung, egal was hier herauskommt. Wir kämpfen, dass er wieder gesund wird.“

Leif tat dann etwas ganz tolles. Er streckte seine Hand aus und sagte:

„Alle für Luc, wir schaffen das.“

Ich fand das sehr besonders. Wir legten alle eine Hand auf seine und wiederholten gemeinsam:

„Alle für Luc, wir schaffen das.“

Ich war sehr stolz auf meine Jungs. Sie packten ihre Sachen und verabschiedeten sich von mir und fuhren Richtung Heimat. Sie sollten anrufen, sobald sie zu Hause waren.

Ich ließ mir vom Hotel einen Mietwagen besorgen und machte mich umgehend wieder auf den Weg in die Klinik. Meine Gedanken schwirrten ziemlich konfus durch den Kopf. Was würde passieren, wenn es wirklich ein Rückfall wäre? Dann würde eine schwere und anstrengende Phase beginnen, aber ich war fest entschlossen, alles für den Jungen zu tun. Im Krankenhaus angekommen, kümmerte ich mich in erster Linie um Sabine. Luc schlief die meiste Zeit und so entschlossen wir uns, ein wenig spazieren zu gehen.

„Marc, es ist so schön, dass ich nicht mehr allein bin. Ob ich das nochmal allein schaffen würde, weiß ich nicht. Zu zweit schaffen wir das und Luc ist ein Kämpfer. Er wird nicht aufgeben.“

„Schatz, wir sind nicht zu zweit, wir sind zu fünft. Unsere Jungs werden genauso alles für Luc tun, wie wir. Verlass dich drauf. Wir schaffen das.“

Ich legte meinen Arm um sie und ließ sie einfach weinen. Sie war so fertig, dass ich schon Sorge hatte, ich müsste sie vielleicht auch behandeln lassen. Aber sie fing sich relativ schnell wieder und somit berichtete sie mir den Stand der Dinge. Das Fieber war konstant bei knapp 40 Grad und sein Kreislauf war stabil. Allerdings verlor er durch das Fieber viel Flüssigkeit. Deshalb bekam er eine Dauerinfusion. Die Ergebnisse aus dem Labor würden noch bis morgen oder Montag dauern. Vermutlich bis Montag. Das Warten und nichts tun können, machte mir am meisten zu schaffen. Es half alles nichts, wir mussten jetzt das Beste draus machen und liefen durch den kleinen Park des Krankenhauses.

Es wurde langsam frisch draußen und wir beschlossen, wieder hineinzugehen. Auf dem Weg zu Lucs Zimmer begegnete uns der diensthabende Arzt. Erstaunlicherweise nahm er sich wirklich viel Zeit für uns und er erklärte uns, dass sie sich entschlossen hätten, die Blutproben nicht im Schnellverfahren zu testen, sondern erst am Montag durch das Labor. Er wollte eine Fehldiagnose absolut ausschließen, weil eben bereits einmal eine Leukämie vorhanden war. Das bedeutete, wir mussten bis Montag warten. Sabine fragte den Arzt, ob sie bei Luc bleiben könnte, oder ob sie zurück ins Hotel müsste. Sie durfte bleiben. Das war für Luc sicher eine Entlastung, ich musste also gleich nochmal ins Hotel und für Sabine die Sachen holen. Bevor ich das tat, schauten wir bei Luc vorbei. Wir betraten das Zimmer und in diesem Moment wachte er für einen kurzen Moment auf. Er war sehr unruhig und ich setzte mich auf sein Bett und hielt ihm die Hand. Er wurde sofort ruhiger und ganz leise hörte ich seine Stimme.

„Papa …“

Das war zu viel für mich, mir lief eine Träne über die Wange. Darauf war ich nicht vorbereitet. Es traf mich wie ein Faustschlag, er hatte mich Papa genannt. Ob er das bewusst tat, oder nur im Fieberwahn, keine Ahnung. Einerseits tat es sehr weh, aber andererseits war es auch ein tolles Gefühl.

„Sabine, traust du dir zu, ins Hotel zu fahren? Ich bleibe dann hier. Du musst auch mal was anderes sehen.“

„Du würdest hier bleiben? Ich glaube, Luc würde sich sehr freuen, wenn er es mitbekäme.“

Sie gab mir einen Kuss und verließ das Zimmer. Ich streichelte dem Jungen die Wangen und legte ihm kühlende Kompressen auf die Stirn und an die Waden.

Mick: Wie wird es weitergehen?

Die Fahrt nach Hause wurde für uns eine ziemlich schweigsame Angelegenheit. Lukas und ich wechselten uns beim Fahren ab und Leif schien gedanklich bei Luc im Krankenhaus zu sein. Jedenfalls sprachen wir kaum miteinander. Eigentlich war auch alles gesagt. Sollte das Schicksal erneut zugeschlagen haben, dann würden wir es so nehmen müssen. Plötzlich meinte Leif:

„Sollte Luc erneut Leukämie haben, warum spenden wir ihm dann nicht unser Knochenmark. Dann wird er wieder gesund.“

Lukas und ich schauten uns traurig an. Lukas gab ihm eine möglichst schonende Antwort.

„Leif, eigentlich eine gute Idee, aber es muss ein passendes Knochenmark sein. Es wird nicht viele Menschen geben, die dafür in Frage kommen. Ich will mich aber noch nicht damit abfinden, ich glaube immer noch, es ist eine Grippe und keine Leukämie.“

„Heißt das, wir können eigentlich nichts für ihn tun?“

„Doch, Leif, wir können immer für ihn da sein und mit ihm kämpfen. Egal was passiert, ich gebe nicht auf.“

„Mick, wir sind doch jetzt volljährig. Wenn wir schon für Luc nicht viel tun können, wir können für andere Leukämiekranke etwas tun, indem wir uns registrieren lassen.“

Ich fand diesen Vorschlag eine grandiose Idee. Allerdings wollte ich das mit Papa und Sabine besprechen. Unsere Fahrt neigte sich dem Ende zu und ich muss zugeben, das Gefühl nicht vollständig zurückzukommen, war schrecklich. Wie würde es Luc jetzt gehen? Wie ging es Papa und Sabine?

Zu Hause lief alles nach Schema `F` ab, keiner hatte Lust irgendetwas Lustiges machen zu wollen, aber unser Leben musste auch weitergehen. Ich begann einfach, mich ganz normal auf die Schule vorzubereiten und meine Tasche zu packen. Der Sonntag bestand im Wesentlichen aus den Telefonaten mit Papa und Sabine. Die Informationen waren nicht sehr beruhigend. Luc hatte weiterhin hohes Fieber und reagierte nicht auf die Medikamente. Papa versuchte uns gegenüber relativ ruhig zu sein, aber ich konnte dennoch merken, wie angespannt und betrübt er war. Am morgigen Montag sollten die genauen Laborergebnisse kommen. Danach würde es Gewissheit geben.

Wir drei fuhren am Montagmorgen nach einer sehr unruhigen Nacht gemeinsam in die Schule. Ich wollte nicht mit dem Auto fahren, weil ich Angst hatte, nicht konzentriert genug zu sein, deshalb nahmen wir alle das Fahrrad. So kamen wir zumindest wach in der Schule an. Lukas saß während des Unterrichtes neben mir wie immer, allerdings war uns beiden klar, dass heute ein entscheidender Tag für die Zukunft unserer Familie sein würde.

Marc: Montagmorgen - Es wird ernst

Ich hatte die Nacht im Hotel verbracht, während Sabine bei Luc geblieben war. Wir hatten vereinbart, sobald sich der Arzt melden würde, wollte sie mich anrufen. Es war kurz nach acht, ich saß am Frühstückstisch und meine Gedanken waren bei Luc im Krankenhaus. Was ich besonders gut fand, dass das Hotel mich nach außen hin total abgeschirmt hatte. Es ging keine Information nach draußen, dass ich noch in diesem Hotel war. Also hatten wir unsere Ruhe vor der Presse. Der Concierge war wirklich ein toller Mensch. Er hatte sofort gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war, und bemühte sich sehr herzlich um uns. Ich konnte mich mit ihm gut unterhalten und hatte das Gefühl von ehrlichem Interesse und Anteilnahme. Das war sehr schön, denn ich fühlte mich in diesem Moment sehr einsam. Mitten in unser Gespräch kam ein Anruf.

„Steevens“

„Guten Morgen Schatz, ich habe eine Bitte. Könntest du schon herkommen. Luc ist sehr unruhig und spricht immer wieder im Schlaf.“

„Hallo Sabine, geht es ihm schlechter? Oder was hat das zu bedeuten?“

„Nein, nein, alles unverändert, aber ich möchte dich bei mir haben. Und ich glaube, Luc vermisst dich. Er ruft immer wieder nach seinem Papa.“

Das traf mich sehr hart. Meine Gefühle überrollten mich gerade. Ich konnte mich nur mit Mühe beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen. Ich konnte nur noch zwei Worte sagen.

„Ich komme.“

Ich ließ alles stehen und liegen und fuhr sofort ins Krankenhaus. An der Anmeldung vorbei war ich schnell auf der Station. Ich meldete mich an und betrat das Zimmer. Es war kurz nach neun mittlerweile. Sabine saß an seinem Bett und ich begrüßte sie mit einem Kuss. Sie berichtete mir von den Ereignissen aus der Nacht und Luc wurde wieder sehr unruhig. Ich konnte es deutlich hören, wie er immer wieder „Papa“ flüsterte. Ich setzte mich auf sein Bett und nahm seine Hand, sprach zu ihm und tatsächlich wurde er ruhiger. Er entspannte sich sehr schnell und schlief wieder tief und fest. Ich ließ seine Hand nicht los. Ein unglaubliches Gefühl durchströmte mich. Ich wusste, jetzt war ich nur als Mensch gefragt. Hoffentlich würde ich an dieser Aufgabe nicht scheitern.

Ich erfuhr noch, dass die Temperatur immer noch knapp unter 40 Grad war. Das wurde langsam wirklich gefährlich, denn Lucs Organismus war noch immer geschwächt. Warum wirkten die Medikamente nicht? Es betrat eine Schwester das Zimmer und begrüßte uns mit einem guten Morgen. Sie erzählte uns, dass der Doktor angerufen hätte und in einer Viertelstunde hier sein würde. Dann wollte er uns erzählen, wie es weiter gehen würde.

Meine Anspannung stieg immer weiter, Sabine blieb äußerlich sehr ruhig und versuchte, auch mir das Gefühl von Sicherheit zu geben. Erstaunlich, wie sie das schaffte. Gut, sie hatte mit dieser Situation Erfahrung, aber was musste in ihr vorgehen. Es klopfte und die Tür öffnete sich. Ein junger Arzt betrat das Zimmer und begrüßte uns sehr freundlich. Er überprüfte die Temperatur und den Blutdruck, dann nickte er und drehte sich zu uns um.

„Herr Steevens, Frau Maergener, sollen wir das Gespräch über die Ergebnisse hier machen oder im Besprechungszimmer?“

Sabine war sehr schnell in ihrer Entscheidung.

„Auf jeden Fall hier. Luc soll es spüren, dass wir bei ihm sind, egal was passieren wird.“

„Gut“, sagte der Arzt, „ich habe es nicht anders erwartet. Erst einmal meinen Respekt, dass sie beide sich so um den Jungen kümmern. Es wird ihm viel Kraft geben.“

Pause.

Ich konnte meinen Herzschlag hören, so eine Anspannung lag in der Luft. Die Pause war nur Sekunden, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor.

„Also, setzen wir uns einmal.“

Wir setzten uns an Lucs Bett und ich hielt weiterhin seine Hand. Sabine schaute den Arzt ganz genau an.

„Die Ergebnisse sind eindeutig. Ich kann sie beruhigen. Es ist definitiv keine Leukämie. Aber …“

Weiter kam er erst einmal nicht, Sabine fiel mir um den Hals und da konnte ich auch nicht mehr anders, es liefen mir ein paar Tränen der Freude.

Der Arzt lächelte und ließ uns einen Moment, um uns wieder zu sammeln.

„Ihr Sohn hat eine virale Grippe und das Problem ist, dass wir noch nicht wissen, warum die Medikamente nicht wirken und das Fieber senken.“

Mir kam dabei ein spontaner Gedanke, allerdings war ich medizinischer Laie.

„Hören Sie, Lucs Körper hat durch die Chemotherapie und die ganzen anderen Medikamente vielleicht eine Resistenz gegen dieses Medikament entwickelt. Vielleicht sollten wir ein Präparat nehmen mit einem anderen Wirkstoff.“

Der Arzt schaute mich an, stutzte und begann in seinen Unterlagen zu schauen. Er überlegte einen Moment und dann sagte er.

„Eigentlich hätte diese Idee von mir kommen müssen, ich finde sie sehr gut. Es gibt ein anderes Medikament, das können wir aber nicht sofort einsetzen, wir müssen erst einen Tag das andere absetzen. Es kann sonst eine Wechselwirkung eintreten. Ich werde das aber sofort veranlassen, dann könnten wir ab morgen mit dem anderen Wirkstoff beginnen. Wenn Sie einverstanden sind.“

Wir atmeten erleichtert auf und gaben sofort unsere Zustimmung, obwohl ich eigentlich gar nichts zu entscheiden hatte. Zum Abschluss des Gespräches fragte der Arzt uns noch, ob wir gegen Grippe geimpft seien. Und warum Luc nicht geimpft wurde.

Sabine erklärte sofort, dass wir beide geimpft seien und Luc halt noch nicht geimpft werden durfte, aufgrund seiner Leukämieerkrankung. Damit sollte noch ein Jahr gewartet werden.

Als der Arzt sich bis zum nächsten Tag verabschiedet hatte, fielen wir uns in die Arme. Es dauerte einige Minuten, bis ich mich wieder gefangen hatte. Ich sah zur Uhr und wollte am liebsten sofort bei Mick anrufen, aber sie waren noch im Unterricht. Ich musste noch eine halbe Stunde bis zur Großen Pause warten. Diese Zeit nutzten wir, um einmal in den kleinen Park hinter der Klinik zu gehen. Die frische Luft tat uns beiden sehr gut.

Sabine fand als Erste zurück in die Realität.

„Marc, danke für alles. Ich weiß nicht, ob ich das noch mal allein durchgehalten hätte.“

„Natürlich hättest du das, es ist dein Sohn. Du hättest alles für ihn gemacht. Aber ich bin sehr froh und glücklich, dass es jetzt viel besser aussieht, hoffentlich klappt das mit dem anderen Medikament.“

Sie schmiegte sich ganz eng an mich und so blieben wir noch einige Minuten in der klaren frischen Luft stehen. Ein gutes Gefühl, solche Dinge nicht mehr allein tragen zu müssen, denn das wurde mir jetzt ganz bewusst. Sabine würde mich genauso begleiten, wenn es einen von meinen Jungs treffen würde.

Irgendwann fiel mir wieder ein, dass ich genau diese Jungs jetzt noch anrufen musste, um ihnen die neue Lage zu erklären. Sabine wollte wieder hochgehen und ich telefonierte mit Mick.

„Hallo Mick, wie geht es euch?“

„Papa, schön, dass du dich meldest. Gut wäre, glaube ich, gelogen. Leif hat kaum etwas gegessen und auch sehr schlecht geschlafen. Er hat bei uns geschlafen. Er wollte nicht allein sein. Lukas und ich versuchen so normal zu bleiben, wie es geht. Es ist aber nicht leicht.“

„Ich verstehe das und ich bin wirklich stolz auf euch. Ihr habt nicht eine Sekunde gemeckert und ich finde es richtig toll, dass ich weiß, ihr steht hinter uns. So, jetzt aber zu dem wirklich wichtigen Thema. Wir haben gerade mit dem Arzt gesprochen. Die Ergebnisse sind da und sie sind eindeutig. Es ist keine Leukämie, es ist eine schwere virale Grippe. Er reagiert nicht auf die Medikamente.“

Stille am anderen Ende der Leitung. Ich konnte deutlich hören, wie Mick erleichtert ausatmete.

„Papa, das ist die beste Nachricht, die wir seit langem bekommen haben. Wie geht es jetzt weiter?“

„Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht. Es sollen jetzt Tests mit einem anderen Wirkstoff gemacht werden, aber da müssen wir noch einen Tag warten, damit es nicht zu einer Wechselwirkung kommen kann. Aber ich denke, die schlimmste Zeit ist überstanden. Sie wissen jetzt, was sie tun müssen und das ist gut.“

„Ihr werdet sicher noch ein paar Tage dort bleiben, oder? Wir müssen hier einiges organisieren, aber das klappt schon. Leif macht mir die größten Sorgen. Er redet kaum und isst sehr wenig. Ich hoffe, dass er mit dieser Nachricht wieder besser drauf sein wird. Ich soll euch übrigens von allen anderen grüßen und ausrichten, dass wir alle hinter euch stehen.“

Es tat mir einfach gut, mit Mick zu sprechen. Meine Last war nur noch halb so groß. Leif würde sich sicher stabilisieren, wenn er diese Nachricht bekommen würde. Hoffentlich!

„Mick, wir bleiben so lange hier, wie es nötig ist. Lass uns morgen Abend noch mal telefonieren, ich denke, dass wir dann schon mehr wissen. Wenn es mit Leif nicht besser wird, dann ruf mich bitte noch einmal an. Dann versuche ich mit ihm zu reden, aber ich glaube, er wird es jetzt besser hinbekommen.“

„Ist gut, Papa. Wir werden dann erst einmal hier einkaufen und die üblichen Dinge machen. Ich glaube, es ist auch für Lukas das Beste, wenn wir versuchen, so alltäglich weiter zu machen, wie es geht.“

„Das ist sicher ein guter Weg. Ich habe Vertrauen in euch. Ihr schafft das schon. Außerdem habe ich mein Handy immer dabei. Ruft mich an, wann immer ihr möchtet. Ich melde mich dann spätestens morgen Abend bei euch.“

„Alles klar und Papa, bitte richte Luc unsere besten Wünsche aus. Wir vermissen ihn. Sag ihm das bitte.“

Bei diesem letzten Satz spürte ich die Gefühle von Mick. Er hatte zu kämpfen, nicht die Fassung zu verlieren. Das tat mir auch weh. In den wenigen Monaten war Luc ihnen ein Bruder geworden. Es wurde hier ganz deutlich.

„Das werde ich machen, versprochen. Also bis morgen.“

Ich legte das Handy weg und ging wieder zu Sabine und Luc.

Mick: Eine gute Nachricht ist die halbe Miete

Nachdem ich das Gespräch mit Papa beendet hatte, stellte ich fest, dass die Pause bereits einige Minuten zu Ende war. Ich lief also so schnell es ging wieder in den Unterricht. Ich klopfte an der Tür und betrat unseren Klassenraum. Der Physiklehrer hatte gerade begonnen, uns die Kernfusion zu erklären.

„Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, aber ich hatte ein ganz wichtiges Gespräch mit meinem Vater.“

„Guten Morgen Mick“, sagte der Lehrer. „Es ist in Ordnung. Lukas hatte mir schon berichtet.“

Ich setzte mich schnell auf meinen Platz und Lukas starrte mich erwartungsvoll an. Ich konnte ja jetzt keine Erklärungen abgeben, aber er erkannte in meinen Augen, dass es gute Nachrichten waren. Er gab mir spontan einen Kuss auf die Wange. Die Stunde verlief dann recht unspektakulär. Beim Klingeln konnte sich Lukas aber nicht mehr halten. Er stürmte auf mich ein und wollte sofort alles wissen.

„Beruhige dich, Schatz. Papa hat gesagt, es ist keine Leukämie. Es ist eine schwere virale Grippe und Luc reagiert nicht auf das Medikament ...“

Weiter kam ich nicht, denn Lukas war mir um den Hals gefallen. Er war sowas von erleichtert. Und sein erster Gedanke war:

„Wir müssen Leif sofort informieren. Lass uns zu ihm gehen. Er wird auf uns warten.“

„Ok, lass uns gehen.“

Nach zwei Minuten standen wir bei Leif vor der Klasse und ich ging hinein. Leif bemerkte mich sofort und kam auf mich zu.

„Los Mick, sag schon, was hat Papa gesagt?“

Seine Anspannung musste enorm gewesen sein, denn er konnte kaum ruhig stehen bleiben.

„Es ist keine Leukämie ...“

Er jubelte und Tränen der Freude liefen über seine Wangen. Es war ihm anscheinend egal, dass wir mitten in der Klasse standen und seine Klasse uns zusehen konnte. Es war eine komische Situation, denn ich bemerkte, dass alles um uns herum plötzlich still wurde. Leif löste sich von mir und ich sah in eine Menge fragender Gesichter. Leif erklärte es ihnen und sie teilten seine Freude mit ihm. Eine schöne Geste, wie ich fand. Ich verabschiedete mich von Leif mit der Bitte, Tobi zu informieren. Er war Lucs bester Freund und sicher auch in Sorge. Ich schrieb noch Benny eine Nachricht über die neuesten Entwicklungen und dann musste ich auch schon wieder in meinen Unterricht.

Am Nachmittag erhielt ich einen Anruf von Tim. Er erkundigte sich nach der Entwicklung und bat mich, am Abend mal vorbeizukommen, weil Nico sich große Sorgen um Luc machen würde. Den hatte ich doch völlig vergessen. Verdammt, Nico war schon damals sehr um Luc besorgt. Wie konnte ich das vergessen, ihn nicht mit einzubeziehen. Ich versprach Tim, vorbeizukommen.

Leif war zu Tobi gefahren und ich wollte zu Tim aufbrechen, als Lukas vom Training kam.

„Hey, wo willst du denn hin? Ich dachte, wir würden heute Abend mal wieder zusammen Essen kochen?“

„Ich muss erst bei Tim vorbei. Mir ist vollkommen entgangen, Nico auch zu informieren. Tim hatte vorhin angerufen und mich gebeten, doch mal vorbeizukommen.“

„Kannst du noch eine Minute warten, ich würde gerne mitkommen.“

Also wartete ich einen Moment und so fuhren wir beide zu Tim. Lukas fuhr und mir gingen einige Gedanken durch den Kopf. Was für eine tolle Familie wir hatten und auch unsere Freunde waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Ich fühlte mich wirklich gut. Auch wenn ich Luc, Sabine und Papa gerade ein wenig vermisste.

Wir hatten bei Tim geklingelt und seine Mutter öffnete uns die Tür. Sie freute sich, uns mal wieder zu sehen. Allerdings schien sie auch ein wenig besorgt zu sein. Tim kam ebenfalls hinzu und er erklärte uns, dass Nico und Tommy sich wunderten, warum Luc nicht zur Schule komme. Sie seien in großer Sorge.

„Tim“, sagte ich, „kannst du die beiden mal holen. Ich denke, wir sollten ihnen etwas erklären.“

Tims Mutter war schneller und ging zu den beiden. Wenige Minuten später saßen wir alle im Wohnzimmer und alle schauten auf uns, was wir ihnen zu erklären hatten.

„Nico, zuerst muss ich mich bei dir und Tommy entschuldigen. In der Aufregung habe ich es versäumt, auch euch sofort zu informieren. Luc ist leider krank geworden und hat sehr hohes Fieber bekommen. Wir mussten ihn in Deutschland in ein Krankenhaus bringen. Dort ist er immer noch und Papa und seine Mutter sind bei ihm geblieben. Es bestand der erneute Verdacht einer Leukämie.“

Als ich das gesagt hatte, war ein betretendes Schweigen eingetreten. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Keiner traute sich etwas zu sagen.

„Aber ich kann heute sagen, es ist keine Leukämie, es ist eine schwere virale Grippe. Papa und Sabine werden noch einige Tage dort bleiben und wir hoffen, dass es jetzt bald mit dem Fieber wieder runter gehen wird. Noch einmal, es tut mir echt leid, dass ich euch vergessen hatte.“

Nachdem sich die Anspannung gelöst hatte und sich alle wieder etwas beruhigt hatten, sagte Nico zu uns.

„Mick, danke, dass du zu uns gekommen bist. Ich war wirklich besorgt. Und ich kann verstehen, dass es bei euch viel Trubel gab, deshalb lass uns hoffen, dass alle bald wieder zu Hause sind und dann können wir sie besuchen.“

„Danke, Nico. Ich freue mich, dass du nicht so sauer auf mich bist. Es war wirklich keine Absicht.“

Tim meldete sich nun.

„Mick, lass gut sein. Ich glaube, jeder kann sich vorstellen, was bei euch gerade passiert. Danke, dass ihr beide sofort hergekommen seid. Lasst uns jetzt aber zum Essen gehen. Mama hat für uns was Leckeres gekocht.“

Marc: Mittwoch - eine Entscheidung

Gestern wurde das neue Medikament eingesetzt und wir warteten auf eine Reaktion von Luc. Hoffentlich würde es den gewünschten Erfolg bringen. Er hatte jetzt schon einige Tage durchgehend hohes Fieber und der behandelnde Arzt hatte uns informiert, sollte heute das Fieber nicht messbar sinken, würden sie den Jungen in ein künstliches Koma legen, damit die Organe weniger belastet werden.

Sabine und ich waren voller Anspannung, als die Chefarztvisite begann. Der Doktor nahm sich viel Zeit für uns und er erklärte uns, dass die anderen Werte sich deutlich verbessert hatten, auch das Fieber war ein wenig gesunken. Das Medikament wirkte! Leider bekamen wir auch eine weniger gute Nachricht. Seine Blutwerte waren doch noch kritisch. Der Arzt würde eine Transfusion vorschlagen, allerdings würde er gerne eine direkte Spende bevorzugen, weil der Organismus dadurch nicht so sehr belastet würde. Es kamen dafür nur drei Personen in Frage. Sabine, weil sie als Mutter die gleiche Blutgruppe hatte, außerdem Mick und ich. Wir hatten zufälligerweise ebenfalls die gleiche Blutgruppe. Für mich war sofort klar, dass ich das machen würde.

Am Nachmittag wurde alles dafür vorbereitet und innerhalb einer halben Stunde, war für mich alles erledigt. Es gab keinerlei Probleme und am Abend wurde die Infusion für Luc vorbereitet. Auch hier gab es glücklicherweise keine Schwierigkeiten und somit mussten wir nur noch die Nacht abwarten und hofften, dass am nächsten Morgen die Situation sich deutlich verbesserte.

Am nächsten Morgen bekam ich bereits um sechs Uhr einen Anruf von Sabine. Sie weckte mich damit zwar, aber was sie mir dort sagte, war es allemal wert. Das Fieber war in der Nacht deutlich zurückgegangen und Luc hatte sich stabilisiert. Er war sogar in der Nacht einmal richtig wach gewesen. Ich sprang förmlich aus dem Bett und fuhr auf direktem Wege ohne Frühstück in die Klinik.

„Hallo Schatz, bist du geflogen? Oder wie kommst du so schnell hier her?“

Diese Begrüßung auf dem Flur ließ erahnen, dass sich einiges getan hatte. Denn so locker hatte ich Sabine in den letzten Tagen nicht erlebt.

„Na, wenn du mich schon so früh aus dem Bett klingelst, muss ich ja sofort los.“

Wir umarmten uns und sie gab mir einen Kuss. Sie erklärte mir, dass das Fieber auf 38,9 gefallen war und ich jetzt zu ihm gehen sollte. Ich öffnete die Tür und war völlig verblüfft. Luc saß wach in seinem Bett und aß sogar ein leichtes Frühstück.

„Hallo Luc, hast du dich gedopt? Oder warum kannst du so schnell wieder zu Kräften kommen?“

Er schaute mich an, strahlte und seine Antwort war schon ganz der alte Luc.

„Nein, Marc, aber dein Blut hat so viel Energie, das ist wie Super plus für deine Autos.“

Ich ging zu ihm, er nahm mich in die Arme und es war einfach nur schön, den Jungen wieder so lebendig zu sehen. Er war noch blass und sicher noch geschwächt, aber er war über den Berg. Sabine war mittlerweile auch hereingekommen, als Luc plötzlich etwas sagen wollte.

„Mama, ich möchte Marc jetzt fragen, ist das ok?“

Ich schaute seine Mutter an, die ihr geheimnisvolles Lächeln aufsetzte und nickte.

„Marc, Mama hat mir gesagt, dass du die ganze Zeit hier warst und mich unterstützt hast. Sie hat mir auch gesagt, dass ich im Fiebertraum nach meinem Papa gerufen habe und du dann einfach meine Hand gehalten hast. Daraufhin soll ich gleich wieder ruhig geworden sein. Stimmt das?“

Ich war peinlich berührt, was sollte ich ihm dazu sagen?

„Ja, Luc, das ist schon richtig, aber ich fand das selbstverständlich und …“

Luc unterbrach mich.

„Warum darf ich eigentlich nicht wie Lukas auch Papa zu dir sagen?“

Ich bekam feuchte Augen bei dieser Frage.

„Weil ich möchte, dass du entscheidest, wie du das machen möchtest. Lukas hat mich gefragt, ob er Papa sagen darf. Es würde mich sehr stolz machen, wenn du das auch möchtest, aber lass dir Zeit.“

„Nein Papa, ich möchte dir sagen, dass du viel mehr für mich bist, als nur der Vater von Mick und Leif. Ich fühle mich sicher und wohl bei dir. Wir sollen als Familie zusammengehören, dann will ich, dass du mein Papa bist.“

Dabei hatte er ein Leuchten in die Augen bekommen, dass ich ihn nur noch wortlos umarmen konnte. Es war sehr berührend für mich.

Am Freitag sollte Luc nach Hause entlassen werden können. Das hieß jedoch, er sollte zu Hause weiter behandelt werden. Aber wir mussten nicht mehr in Deutschland bleiben. Ich hatte schon unsere Rückreise organisiert. Wir würden zu dritt mit dem Zug nach München fahren, dort würde ich aussteigen und meinen GT bei Karl Geiger endlich abholen und Sabine und Luc würden mit dem Zug weiterfahren. Meine Jungs würden sie am Bahnhof abholen. Das Problem, welches ich nun hatte, war, dass Luc nicht einsehen wollte, dass es besser für ihn war, mit dem Zug zu fahren und nicht mit mir im Auto. Ich entschied mich dann irgendwann ein Machtwort zu sprechen.

„Luc, ich will nicht mehr mit dir darüber diskutieren. Du fährst mit deiner Mutter im Zug nach Hause. Keine Widerrede mehr. Widerstand ist zwecklos.“

Das half, er akzeptierte es ohne weitere Diskussion. So wurde es dann auch gemacht. Wir bedankten uns noch einmal bei den Ärzten und Pflegern für die sehr gute Behandlung und dann gingen wir auf die Reise in die Heimat. In München stieg ich aus dem Zug und konnte ruhigen Gewissens die beiden allein weiterfahren lassen. Luc hatte sich wirklich toll entwickelt und es gab keinerlei Probleme mehr. Sein Fieber war nur noch gering und ich war mir sicher, nach einer weiteren Woche zu Hause würde er wieder ganz der Alte sein.

Ich telefonierte noch kurz mit Mick und Lukas, gab ihnen die Zeiten durch, wann Sabine ankommen würde und Leif wollte auch noch unbedingt mit mir sprechen. Er erzählte mir von seiner Angst, und dass er sich wünschte, Luc würde sehr schnell wieder gesund. Ich gab ihm ein Versprechen, Luc würde bald wieder der Alte sein und er solle sich keine Sorgen machen. Anschließend verließ ich den Bahnhof und nahm mir ein Taxi in die Zamdorfer Straße. Der Taxifahrer erkannte mich leider sofort und ich musste ihm zum Schluss ein Autogramm geben. Als ich bei Geiger Cars durch die Tür ging, kam mir Frau Geiger schon entgegen und begrüßte mich sehr herzlich. Ich bekam einen schönen heißen Kaffee und wir hatten noch eine nette Unterhaltung. Karl war noch unterwegs und ich wurde gebeten, einen Moment zu warten, weil die Übergabe Chefsache sein sollte.

Plötzlich kam Leben in die Eingangshalle, Karl kam aus der Werkstatt von einer Probefahrt und kam direkt zu mir.

„Hallo Marc, hast du eine gute Anfahrt gehabt? Wie geht es denn deinen Jungs? Ich bin etwas enttäuscht, ich hatte erwartet, dass du den Lucien wieder dabei hast.“

„Ja, Karl, Anfahrt war ohne Probleme, allerdings hatten wir einige sehr stressige Tage. Lucien war schwer erkrankt, wir hatten alle Angst, dass die Leukämie zurückgekehrt ist. Meine Jungs sind schon wieder nach Hause gefahren und Lucs Mutter ist jetzt mit dem Zug mit ihm auf dem Weg nach Hause.“

Karl war sichtlich betroffen.

„Mensch, Marc, und was ist mit dem Jungen? Wird er wieder gesund? Das ist ja echt heftig.“

„Ja, ich bin davon überzeugt, es war eine virale Grippe und eine Medikamentenproblematik. Jetzt sieht es so aus, dass ich den GT in Ruhe mitnehmen kann. Luc wollte eigentlich auch unbedingt dabei sein, aber ich habe ein Machtwort sprechen müssen. Er soll sich zu Hause ausruhen und im Zug ist das doch deutlich entspannter.“

„Ja, und hat er sich stark gewehrt?“

Ich musste lachen.

„Nein, als ich dann klar gesagt hatte, wie es gehen wird, war Ruhe.“

„Weißt du was, du wirst ja in Zukunft häufiger hierher kommen. Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn er mal ein Praktikum machen muss, oder in den Ferien arbeiten möchte, sag mir Bescheid, wir würden ihn dann so lange bei uns aufnehmen. Ich mag ihn nämlich.“

„Toll, Karl, das werde ich ihm ausrichten. Danke dafür. Was meinst du, ist der GT gut geworden?“

„Das wirst du gleich erfahren. Wir machen nämlich jetzt eine Probefahrt. Ich bin sehr gespannt, wie es dir gefällt.“

Wir gingen in die Auslieferungshalle. Dort standen alle Fahrzeuge, die an die Kunden neu übergeben wurden. Also stand auch mein GT dort. Was für ein Anblick. Die Lackierung war grandios geworden. Das Auto sah perfekt aus. Karl öffnete alle Türen und Hauben und erklärte mir ungefähr eine halbe Stunde, was sie alles geändert hatten und jetzt besser sein würde. Irgendwann wurde ich unruhig, er merkte das auch sofort.

„Na Marc, es reicht langsam, oder? Du willst jetzt fahren, stimmts?“

„Ja, Karl, du hast mich jetzt so neugierig gemacht, jetzt soll es auch endlich krachen.“

„Gut, dann mal los. Schlüssel steckt. Einsteigen und ab geht’s.“

Ich stieg mit Karl in meinen umgebauten GT und drückte den Startknopf. Der Motor brüllte kurz auf und lief dann ruhig im Leerlauf. Ich konnte auf den ersten Blick keinen Unterschied feststellen. Also ersten Gang rein und langsam aus der Halle rollen. Wir schlichen im Verkehr umher. Es dauerte einige Minuten, bis wir uns aus dem Stadtverkehr heraus gequält hatten, aber dann hatte auch der Motor seine Betriebstemperatur und ich konnte mal so richtig angasen. Als ich das Pedal ganz durchgedrückt hatte, kam ein Gewitter in meinem Rücken zum Leben. Ein gewaltiges Donnergrollen und der Wagen schoss nach vorne. Was für eine brutale Kraft. Einfach unglaublich, was Karl mit seinen Jungs daraus gemacht hatte. Ich wusste, es war eine gute Entscheidung und ich bekam ein echtes Grinsen in mein Gesicht.

Eine Stunde später, nach einem tollen Essen in München mit Karl, war ich auf der Autobahn in Richtung Heimat. Je näher ich meinem Zuhause kam, desto besser wurde meine Laune. Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf. Was war alles im letzten Jahr passiert? Mein Leben hatte sich komplett auf den Kopf gestellt, aber war ich damit glücklich? Ja, auf jeden Fall! Ich wolle keine Minute mehr auf meine Familie verzichten. Ich hielt kurz vor meinem Ziel an einem Blumenladen, kaufte einen riesigen Blumenstrauß für Sabine und bog wenige Minuten später in unsere Hofeinfahrt. Der Motor erstarb und ich blieb noch für ein paar Momente sitzen. Ich war froh, dass alles so glimpflich abgelaufen war. Was mir noch bewusst geworden war, ich musste auch für Luc eine Lösung haben, was meine Sorgerechtsfrage betraf. Ich öffnete die Tür und was passierte in diesem Moment? Die Haustür öffnete sich und ein wieder lachender Luc lief mir entgegen. Ich hatte ja noch den Blumenstrauß in der Hand, er stoppte erst direkt vor mir und sagte dann:

„Willkommen zu Hause, Papa.“

Ich übergab Sabine meine Blumen und konnte dann Luc umarmen. Alle meine Kinder waren auch herausgekommen und so standen wir gemeinsam vor unserem Haus und waren wirklich alle froh, dass diese Geschichte so gut zu Ende gegangen war. Mal sehen, was uns die Zukunft noch bringen würde.

Das könnte in einer anderen Geschichte erzählt werden. Vielleicht.

Ende der Geschichte um die Familie Steevens.

Nachwort

Epilog:

Was mir zu dieser Geschichte noch wichtig ist, zu erwähnen. Es sind viel mehr Dinge aufgetaucht, die autobiographisch sind, als ich jemals einbringen wollte. Wer mich kennt, wird wissen, was alles von mir ist.

Außerdem habe ich ein wenig Angst vor der kommenden Zeit, nicht mehr über die Familie Steevens weiter zu schreiben. Sie ist mir ans Herz gewachsen. Ich wollte aber diese Geschichte beenden, bevor die Leser sagen, jetzt wird es langweilig.

Ich habe viele Reaktionen von den Lesern erhalten, die mir ein positives Feedback gegeben haben, über meine Art des Schreibens. Dafür möchte ich mich in aller Form bedanken und hoffe, ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen gehabt, wie ich beim Schreiben. Ich habe es so geschrieben, wie ich es gefühlt habe.

Vielleicht schaffe ich es, noch einmal eine Geschichte zu schreiben. Ich hätte mir vor einem Jahr nicht vorstellen können, dass es so viele Leute gibt, denen es gefallen würde.

Zum Schluss möchte ich einigen Personen hier ganz besonders danken:

MoNo: der Mann, der meine Geschichten vorher korrigiert hat und viel Zeit für mich geopfert hat. Außerdem hat er mir immer einen guten Rat gegeben. Vielen Dank dafür, Mo! Ich hoffe, wir bleiben in Kontakt. Du warst eine große Hilfe für mich!

Benny: Derjenige, der überhaupt dafür verantwortlich ist, dass ich bei Nickstories gelandet und bis heute geblieben bin. Benny, vielen Dank für deine Hilfe in allen Fragen und Problemen, auch außerhalb dieser Geschichte. Ich möchte sagen, dass wir Freunde geworden sind.

Joachim aus Berlin: Wir haben uns über diese Geschichte kennengelernt und immer ausgetauscht. Er ist ebenso Autor hier bei Nickstories, und er hat mich immer an seinen Geschichten vorab teilhaben lassen. Wir haben uns gegenseitig mit Ideen ausgeholfen. Vielen Dank und auch mit Dir möchte ich weiterhin in Kontakt bleiben.

Allen Lesern und NiStlern vielen Dank für alles!

Bis zur nächsten Geschichte

Grisu

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