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Osterstory
Osterchallenge 2007
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Informationen
- Story: Osterstory
- Autor: Cheer
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Challenge
OsterChallenge 2007
Dies ist ein Beitrag zur OsterChallenge 2007
Manchmal wünschte ich, es würde die Matrix wirklich geben. Dann könnte ich wenigstens die Hoffnung haben, dass eines Tages jemand mit einer roten Pille vor mir stehen würde.
Ich würde die Pille nehmen, sie schlucken und dem Überbringer kräftig in die Fresse hauen, um ihn dann zu fragen, wo er die verdammten letzten Jahre gewesen sei.
Diese letzte Pille würde ich nehmen und dann müsste ich endlich nie wieder eine schlucken, nie wieder meinen Arm desinfizieren lassen bevor mir wieder irgendeine Spritze gesetzt wird, die mir irgendwie helfen soll, genauso wie die endlose Reihen von Operationen, die alles nur noch schlimmer gemacht haben.
Aber naja, laut Matrix machen Schmerzen ja glücklich, oder gehören zumindest zum Leben dazu. Das weiß ich mittlerweile auch, ich wünschte nur ich könnte wieder in meinem ganzen Körper Schmerzen fühlen, echte Schmerzen, nicht nur diese Phantomschmerzen, die ab und zu meine Beine übernehmen, gegen die ich dann eine Pille schlucken kann.
Gute Schmerzen, so wie das Brennen, das ich im ganzen Körper fühlen konnte als ich mit Steffen eng zusammengekuschelt vor dem Kamin saß und wir uns mit einer Tasse heißer Schokolade wieder auftauten, nachdem wir’s ne halbe Stunde im Schnee getrieben hatten. Mann war das kalt, wir haben dann abgebrochen, sind reingegangen und haben gekuschelt. Aber wenn ich zurückdenke fühlt es sich an als hätte ich den schönsten Orgasmus meines Lebens gehabt.
Ich schüttete mir eine handvoll Wasser ins Gesicht und fuhr mir dann durch meine kurzen schwarzen Haare. Meine blauen Augen, mit dichten schwarzen Wimpern umrandet, in denen noch Wassertropfen hingen blickten mich an. Ich trocknete mein Gesicht und rieb mir die Wangen, damit sie nicht ganz so blass aussahen. Ich mochte meine milchig weiße Haut, aber in einem Krankenhaus ließ sie mich…krank aussehen. Nachdem mein kaputter Wecker es versäumt hatte mir den Anfang des Tages anzukündigen, war ich später als sonst mit meinem Badezimmer-Ritual fertig. Eigentlich war es aber sowieso egal, wann ich aufstand und ob ich aufstand, deshalb ließ ich mich wieder auf mein Bett plumpsen.
Die Tür des Krankenhauszimmers ging auf und der verboten knuffige Pfleger kam rein.
„Zeit, dich zu quälen“ zwinkerte er mich an.
„Können sie dir nicht mal frei geben?“
„Pfleger mit Familie haben an Ostern Vorrang und jetzt raus aus dem Bett, es geht an die frische Luft“
„Großartig“ Ich hievte mich mit einem Augenrollen in den Rollstuhl, schwarz, mit blau metallic und lila metallic Tribal Design (hey ich bin schwul, kein Zweck das zu leugnen). Irre cool das Teil.
So machten Noah (der niedliche Pfleger) und ich uns auf den Weg nach draußen. Ich hätte den Weg auch alleine geschafft, aber er bestand darauf, mich zu begleiten; heute war er wirklich besonders anhänglich, hätte nur noch gefehlt, dass er für mich den Rollstuhl schieben will.
Der Park war voller Patienten, es war ein schöner Tag und die Sonne wurde von den kleinen blonden Härchen auf Noahs Armen reflektiert und das weiße T-Shirt, das seine breiten Schultern bedeckte, blendete mich. Ich blickte hinunter auf seine Schuhe, diese hässlichen Pantoffeln, er musste zwar weiße Schuhe tragen aber
„Hätten’s Turnschuhe nicht auch getan?“ führte ich meinen Gedanken laut zu Ende.
„Huh?“ kam von schräg oben links
„Die Schuhe! Wie kann man nur so hässliche Schlappen tragen, ich mein, schon klar, dass du weiß tragen musst und so, aber wie viele weiße Turnschuhe gibt es bitte, hätten’s n Paar davon nicht auch getan?“
„Ok. Ehm, warum sind dir meine Schuhe so wichtig?“
„Sie runden dein Erscheinungsbild ab! Kleidung ist ein Teil deiner Kommunikation, deine Schuhe gehören dazu! Hast du jemals erlebt, dass meine Schuhe nicht zu meinem Outfit passen? Nein, hast du nicht! Dabei sind meine noch nichtmal zu was gut…“ dann ging mir leider die Puste aus, weil ich mich einige Stufen hochquälen musste, die zum Pavillon im Krankenhauspark führten. Noah wusste, dass ich ausrasten würde, wenn er versuchen würde, mir zu helfen; ich hasste es Hilfe annehmen zu müssen. Wer kommt eigentlich darauf, Stufen in einen Krankenhauspark zu bauen? Hier kann man doch echt mal mit Rollstuhlfahrern rechnen. Reine Schikane.
„Aha, dann ist es also auch ein Teil deiner Kommunikation, dass du sogar auf dem Operationstisch gegelte Haare hast und selbst wenn du im Bett liegst aussiehst als wärst du auf dem Weg in die Disco?“ fragte er neckisch.
„Ich kann auch aufhörn mich zu rasiern, das Zimmer zufurzen und mich weigern, zum Pinkeln aufzustehen.“ Aber dann würde ich nie im Leben wieder einen Mann abbekommen und wenn man im Rollstuhl saß war das eh schon schwer genug. Hölle, auch ohne Rollstuhl ist es für viele fast unmöglich. Ich weiß, dass ich eines Tages laufen werde, darüber mache ich mir keine Sorgen, auch die Ärzte bestätigen das, aber es ärgerte mich, dass ich die besten Jahre meines Lebens im Rollstuhl vergeuden musste. Ich sollte in Diskos die Nacht durchtanzen und meine Jugend genießen. Außerdem machten viele Menschen sich schon ohnehin nicht die Mühe auf mein Niveau runterzuschauen, aber wenn sie es taten, sollten sie keinen abstoßenden Trottel sehen. Noah war einer der wenigen, die hinsahen.
Seit dem Unfall waren es schon fast zehn Jahre her und Noah hatte mich für fast sechs davon während meiner häufigen Klinikaufenthalte betreut und mich so ziemlich gut kennen gelernt. Er hatte mit mir zusammen meine ersten Schritte nach der OP gemacht und mich aus Depressionen gepeitscht, nachdem ich einige Rückschläge hatte.
Und jetzt zwang er mich aus meinem dunklen Zimmer in die kühle und erfrischende Frühlingsluft.
Wir kamen an einer abgelegenen Ecke des Parks an.
„Und ich dürfte dann das Bett wechseln, nein danke, mach ich auch ohne dich schon genug. So, da sind wir und jetzt fang an zu suchen!“
„Suchen? Alles klar bei dir?“
„Ich hab dir n Paar Eier versteckt, es ist Ostern!“
„Eier, hu?“ Ich biss mir auf die Zunge und grinste, um nicht zu verraten welche Eier ich gern suchen würde, nicht dass ich lange bräuchte, um sie zu finden. Das brachte mir einen Klaps auf den Hinterkopf ein.
„Ja, ein paar kulturelle Rituale könnten deiner barbarischen Seele nicht schaden!“
„Hast du dich nicht grad beschwert, dass ich zu gepflegt wär?“
„Ich sprach über die Seele.“ … „Außerdem hab ich mich nicht beschwert.“ Wisperte er leise und blickte auf seine fürchterlichen Pantoffeln.
„Also,“ fing er wieder an „ich hab zehn Sachen versteckt, sie sind hier ganz in der Nähe, nicht aus diesem Teil des Parks raus, du musst sie finden und mehr Tipps geb ich nicht!“
„Danke, ich glaub ich weiß schon wie Ostern funktioniert“ und schon flitzte ich durch den Teil des Parks. Der Penner wusste genau wie sehr ich so was liebte. Ganz schnell fand ich die ersten Paar Sachen, er hatte wirklich Eier gefärbt und so hatte ich bald: drei Eier, eins blau, eins grün und eins rot, einen Osterhasen aus weißer Schokolade, einen Beutel mit Krokant Eiern, ein Fußkettchen in den Farben meines Rollstuhls und ein Taschenmesser mit Playboybunnymotiv. Hmmm, wo war bloß der Rest?
Langsam wurde es anstrengend über den Rasen zu rollen. Vor einigen Jahren wäre ich keine zwei Zentimeter auf Rasen vorangekommen. Ich war von Natur aus eher schmal gebaut, doch durch das harte Training, zu dem mich mein Rollstuhl zwang, waren meine Schultern breiter geworden. An Noah würde ich nie rankommen, aber in einer Badehose konnte ich mich mit meinem Oberkörper doch sehen lassen. Bis ich wieder laufen konnte aber leider nur für die Patienten und Therapeuten der Reha Klinik.
„Willst du n Tipp?“
„Nein!“
„Sicher?“
„Lass das, ich kann das allein!“
„Ich weiß, aber vielleicht willst du dir ja mal helfen lassen?“
„Warum sollte ich, ich kann’s doch allein, aber vielleicht solltest du dir mal helfen lassen“
„Was? Womit?“
„Mit deinem Helferkomplex? Vom Psychiater?“
„Hey! Das is ne ganz dreiste Lüge!“
Und in dem Moment fand ich den Beutel mit Schoko Eiern gefüllt mit Eierlikör. Lecker!
„Geil. Ich liebe die Dinger. Du bist ein Gott Noah! Danke!“
„Gott? Gefällt mir! Wie wär’s mit Sexgott?“
„Den Titel musst du dir noch verdienen! So Oster-Bunny zwei Sachen fehlen noch“
„Ich weiß wo! Ich weiß wo!“ Kam im Singsang von ihm. Böser Blick von unten.
„Musst du nicht bald wieder hoch?“
„Nee, ich hab Pause, noch zwei Stunden“ Grumpiges Grunzen meinerseits.
„Aber ich hab uns Frühstück mitgebracht“ sagte er und holte zwei kleine Trinkpäckchen Orangensaft und vier Brötchen aus seiner Umhängetasche.
„Die Eier ham wir ja schon“
In dem Moment fand ich ein viertes Ei in gelb versteckt in einem Bett aus Narzissen.
„Nummer Neun, fehlt nur noch eins“
Er setzte sich ins Gras vor meinen Stuhl und lehnte sich an meine Beine. Er ging so natürlich mit mir um, manchmal saß er sogar auf meinem Schoß. Er behandelte mich einen Menschen, nicht wie viele andere wie ein zerbrechliches Wesen, und wenn er manchmal mit mir umging wie mit einem zerbrechlichen Wesen, dann weil jeder Mensch manchmal zerbrechlich ist. Auch er konnte so sein und dann kam er zu mir. Wenn es ihm schlecht ging, schonte er mich nicht, wie andere es vielleicht getan hätten, und er musste es auch nicht, ich kann zwar nicht laufen, aber ich bin stark genug für mich und andere zu sorgen.
Aber in diesem Moment wünschte ich nur, ich könnte seinen Rücken an meinen Beinen spüren, doch stattdessen fuhr ich ihm sanft durch die blonden Haare.
Er lächelte zu mir hoch und reichte mir ein Brötchen.
„Danke“ sagte ich leise und reichte ihm das grüne Ei.
So saßen wir schweigend beieinander und knusperten an unseren Brötchen mit Ei rum.
„Eins fehlt noch“ sagte ich nach einer Weile.
„Ich weiß“ sagte er, und ich wusste, dass er lächelte. Er drehte sich um und stützte seine Arme auf meine Knie. Er kuschelte seinen Kopf in meinen Schoß und ich fuhr ihm weiter durch seine Haare, manchmal brauchte er einfach seine Streicheleinheiten.
Er ergriff meine Hände und schaute mich von unten an.
„Hmm, Alex?“
„?...“
„Das zehnte Teil…“
„…ist gar nicht hier im Park?“
„Doch! Aber nicht zwischen den Blumenbeeten“ fügte er hinzu, biss sich auf die Unterlippe und griff in seine rechte Hosentasche.
„Aber ich weiß nicht, ob ichs dir geben soll“
Er zog zwei kleine Silberkettchen aus der Tasche. Eigentlich recht kitschig, aber diese waren sehr schön und offensichtlich ein Paar, zusammen ein schlichter Kreis, in der Mitte mit Ecken und Kanten gebrochen und beide graviert mit dem Zeichen des männlichen Geschlechts.
„Wow, ich bin sprachlos“
„So kenn ich dich sonst nur unter Narkose“
Ich ignorierte seinen Kommentar und nahm eine der Ketten, die er mir hinhielt und hängte sie ihm um den Hals.
„Sind die nicht eigentlich für Paare?“
„Also…ähm…deshalb wusst ich nicht ob ich’s dir geben soll und… ob du’s dann auch mögen würdest und so…“ stammelte er immer noch vor mir kniend vor sich hin.
„Noah, komm mal zu mir hoch.“
Fragend blickte er zu mir auf, kroch aber langsam zu mir hoch und setzte sich auf meinen Schoß. Ich kraulte wieder seine Haare und seinen Nacken und drehte langsam seinen Kopf zu mir.
Ruckartig zogen wir unsere Köpfe zueinander und unsere Lippen pressten sich aufeinander, nur um sich zu öffnen und unseren drängenden Zungen Platz zu machen, die sich warm und feucht zwischen uns vereinten. Seine Hände umfassten meinen Kopf und meine Schulter und zogen mich noch stärker zu ihm, während seine Zunge noch tiefer in meinen Mund drang.
Yes! Das ist das beste Ostern ever!
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