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Accident
Teil 4
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Inhaltsverzeichnis
13
Was geht denn jetzt ab?
Nicki wollte mich sehen und ich mußte ihm absagen. Ok, er ist enttäuscht, kann ich verstehen.
Ich vermisse ihn ebenfalls aber, hey, ich laß mich von ihm doch nicht in einen total sinn-losen Streit verwickeln. Wie kann der auf Isi eifersüchtig sein?? Darf ich meine Freundinnen etwa nicht mehr bei mir übernachten lassen, weil mein Liebster irgendeinen abstrusen Film schiebt?
Ich bin echt bis zum Schwachsinn in Dominik verliebt doch er bestimmt deshalb noch lange nicht, mit wem ich mich treffe und mit wem nicht. Und zur Krönung knallt er einfach den
Hörer auf. Ich HASSE sowas!
Dabei war die letzte Woche total schön. Ich hatte ihn endlich mal ein bißchen geknackt, ihn dazu gebracht, über den Streß mit seiner Mutter zu reden, mir zu sagen, dass er mich gern hat. Mhhhh...und er war super verschmust. Ok, das ist jetzt vielleicht ein bißchen übertrieben. Ich mußte immer noch den Anfang machen aber...er sträubte sich wenigstens nicht mehr.
Plötzlich benimmt er sich wieder wie ein Vollidiot. Ich kapier das nicht. Aber ihm hinterher zu telefonieren...nee, da hab ich auch keinen Bock drauf. Hab schließlich nichts verbrochen.
Eine halbe Stunde nach dem Streit mit Nick kommt Isi und ich sehe schon, dass sie Probleme wälzen will. Die ist nämlich nicht so gestylt wie sonst. Ihre schwarzen, schulterlangen Haare hat sie zu einem unordentlichen Zopf geflochten, sie trägt lediglich einen dezenten Lidstrich, eine schwarze Hose mit Mini darüber und ein einfaches schwarzes Shirt. Normalerweise ist sie immer aufgebrezelt...nicht wahnsinnig aber halt sehr sehr gruftig mit Silberschmuck, schwarz lackierten Fingernägeln, Lack hier, Rüschen und Spitze da und im Gesicht das volle Programm.
Ich serviere Zimtkakao und Kekse, zünde Kerzen und Räucherstäbchen an aber mir geht selber so viel im Kopf rum, dass kaum was sage.
»Was'n los?« fragt sie an einem Keks knabbernd.
»Hatte Streß mit Dominik.«
»Was? Nach...wie lange seid ihr zusammen...einer Woche?«
»Er ist angepißt, weil du heute hier schläfst«, antworte ich ehrlich.
»Na toll, hab ich jetzt eure Beziehung auf dem Gewissen?«
»Nee, das renkt sich schon wieder ein«, sage ich und hoffe, es stimmt.
»Schön. Können wir dann bitte endlich über mich sprechen?« lächelt sie matt.
»Du bist heimlich auf Lorenz scharf, mh?«
Erschrocken reißt sie ihre Augen auf. »Woher weißt du das?«
Ich zucke die Schultern. Sie läßt sich nach hinten fallen und legt den Arm über ihr Gesicht.
»Au mann...wenn Kathrin das wüßte, die würde mir die Hölle heiß machen. Ausgerechnet Lorenz. Mr. Null-Haarschnitt-Null-Haarfarbe-Skaterboy.«
»Ist doch kackegal, was er für Klamotten trägt. Immerhin hast du dich in ihn mit diesen Klamotten verknallt. Ich finde Lorenz übrigens ganz süß. Zu durchtrainiert aber er hat schöne Augen.«
»Ja«, grummelt sie, »und vögelt jede Tussi, die er kriegen kann. Oh und neuerdings will er Jungs küssen.«
Scheiße, daran hab ich gar nicht mehr gedacht.
Sie sieht mich an. »Was ist denn, wenn Lorenz schwul ist...egal, was er sagt? Ich hab den lange nicht mehr mit einem Mädchen gesehen. Du?«
»Äh...naja, keine Ahnung. Ach...der ist doch im Sil immer von Weibern umringt.«
»Aber küssen wollte er dich. Ey, der hat mich noch nicht einmal zu seiner Geburtstagsparty eingeladen. Ich glaube, der haßt mich«, jammert sie.
»Blödsinn. Alle, die dich kennen, lieben dich.«
»Alle außer Lorenz. Sag mal...kannst du nicht mal mit ihm reden? Rauskriegen, was er von mir hält und so?«
»Isi, echt...ich mag sowas überhaupt nicht. Ok, mal sehen. Versprechen kann ich dir aber nichts, klar?«
Sie nickt traurig, dann schwappt ihre Laune plötzlich um. »Ok«, lächelt sie, »laß uns ein bißchen Spaß haben. Ich muß mich ablenken, sonst werde ich irre.«
»Und was hast du vor?« frage ich beklommen.
»Aaaalso...mein Vater hat sich daran erinnert, dass ich vor sechs Monaten Geburtstag hatte und mir...diese Digitalkamera geschenkt. Und von Kathrin hab ich das hier bekommen.« Sie schwenkt etwas in der Hand, das aussieht wie eine Blutkonserve aus Emergency Room.
»Schnell, das Null Negativ. Sofort, Dr. Carter«, grinse ich.
»Kunstblut«, strahlt Isi, »Kathrin kennt aus'm Internet irgendeinen Typen, der beim Fern-sehen in der Maske oder so arbeitet. Ist das nicht geil?«
»Ok, ich soll dich also damit einschmieren und fotografieren, ja?«
»Neinneinnein«, grinst sie diabolisch, »ICH werde DICH damit einschmieren. Du bist heute das Model. Dein Zimmer ist die absolut perfekte Kulisse.«
Au je!!
»Isi...ich hab echt gar keinen Bock drauf, den ganzen Siff an mir kleben zu haben. Ich...«
»Ach, schnickischnacki«, unterbricht sie mich lachend, »stell dich nicht so an. Das wird total lustig, Chrissie.«
Ich hasse es, wenn sie mich so nennt.
»Zieh dir was Scharfes an und laß mich machen.«
Es ist überflüssig zu diskutieren, wenn Isi sich erst etwas in den Kopf gesetzt hat.
»Am Besten dieses zerrissene Netzteil und deine Lackhose.«
»Das trage ich nicht mehr, gerade weil es so zerrissen ist. Das fällt praktisch schon ausein-ander.«
»Perfekt. Sollst es ja auch gar nicht lange anbehalten. Jetzt mach.«
Ich lasse mich nicht nackt fotografieren!
Nachdem ich mich umgezogen und ein bißchen geschminkt habe träufelt sie mir Blut in die Mundwinkel.
»Isi«, protestiere ich, »so sehe ich doch aus wie der Trottel von BLUTENGEL.«
»Ja aber du spießt gottseidank keine Erdbeeren auf. Halt die Klappe jetzt... du siehst sehr dramatisch aus.«
Die ersten Bilder gehen noch. Ein bißchen vamprisch evil kucken, ein wenig an mir rumfas-sen fertig. Als wir uns die Fotos ansehen (sind Digitalkameras nicht wundervoll?!), lachen wir uns halb tot.
Langsam macht das hier tatsächlich Spaß. Isi kichert und giggelt so heftig, dass eh jedes zweite Bild total verwackelt.
»Ok«, sagt sie nach einer Weile, »jetzt mal mit Grabstein und ohne Netzhemd.«
Sie schmiert mir Gallonen von Blut auf Arme und Brust, noch etwas ins Gesicht und ich hänge mich über den Grabstein. Zwischendurch ihre Kommentare. »Ja, bleib so, das sieht gut aus. Kuck mal dramatisch. Nicht wie eine dumme Kuh...dramatisch, du lieber Himmel.«
»Was hast du eigentlich vor mit den Bildern?« frage ich und reibe mir Blut aus dem Auge.
»Die verkaufe ich für teuer Geld«, kichert sie. »An Blutengel...hahaha.«
Zombieartig schleppe ich mich auf sie zu, stöhne, keuche, hebe meine Arme, umschlinge sie und beiße ihr angedeutet in den Hals.
»Oh Gott...er will mich zu einer Untoten machen...zu einem Geschöpf der Finsternis. Helft mir...«, kreischt sie und versucht sich loszureißen.
»Rrrrrrrrrrrrrrrr...BLUT«, röchel ich heiser.
Sie angelt nach einem Kissen und knallt es mir heftig lachend vor den Kopf. Ich stelle ihr ein Bein, sie greift nach mir und wir fallen zu Boden. Zum Glück hab ich einen weichen Teppich.
Wir lachen und rangeln wie die Irren...dann ganz plötzlich drückt sie ihre Lippen auf meinen Mund. Darüber bin ich so überrascht, dass ich einen Moment gar nicht weiß, was ich tun soll und sie ausversehen zurück küsse.
»WAS GEHT DENN HIER AB?« brüllt jemand.
Erschrocken blicken wir zur Tür. Au weia...Dominik. Und er sieht wütend aus.
»Nicki...was...«
»Scheiße«, zischt Isi, rückt hastig von mir weg und schlägt sich die Hand vor den Mund.
»Scheiße scheiße scheiße«, murmelt sie. »Scheiße.«
»Christopher...oh mein Gott, du...du blutest«, kreischt er plötzlich und stürzt auf mich zu.
»Babe...was ist passiert?«
Er klingt echt besorgt und es ist das erste Mal, dass er mich Babe nennt. Mein Herz beginnt unglaublich laut zu klopfen.
»Alles ok...das ist...Kunstblut. Mir geht's gut.«
Dominik wirft einen angeekelten Blick auf Isi, dann auf mich (noch angeekelter) und macht Anstalten zu gehen, dreht sich noch einmal um und wirft mir ein kleines silbernes Teil ins Gesicht, das nur Millimeter mein Auge verfehlt. Hat der einen Knall?
»Das wollte ich dir unbedingt schenken, du Arschloch. Viel Spaß noch.« Weg ist er. Ich angel nach dem Silberteil und muß meine aufsteigenden Tränen niederkämpfen. Zwischen meinen Fingern baumelt ein Fischgrätenohrring! WOW!! Ein perfekt inszenierter Abgang.
Mein Hirn funktioniert wieder, ich kann aufspringen, mir eilig das kaputte Netzhemd überfriemeln, die Treppe runterrennen und ihn an der Tür einholen.
»Warte Nicki.«
»Laß mich los«, zischt er.
»Nein. Du kommst jetzt mit nach oben und wir klären das.«
»Was gibt's da noch zu klären? Ich hab genug gesehen«, entgegnet er bitter.
»Ja aber eben nicht alles. Mann, es ist überhaupt nichts passiert.«
»Haha...ich lach mich tot.«
»Von mir aus. Aber mach das bitte in meinem Zimmer.«
»Du kannst mich mal.«
»Nicki«, sage ich sanft, »denkst du echt, ich würde dich verarschen? Heimlich mit einem Mädchen vögeln, oder was?«
Er zuckt die Schultern.
»Bist du deshalb hier? Um mir nachzuspionieren, ja?«
»Ich wollte dir nur den blöden Ohrring geben. Dir sagen, daß ich dich vermisse und...und platze hier mitten in diese Sauerei.«
»Nicki, wir haben nur Fotos gemacht. Isi hat mich mit Blut eingeschmiert, wir haben rum-gealbert. Das ist ALLES.«
»Und die Knutscherei?«
»Sie hat mich geküßt. Ich war genauso überrascht wie du. Keine Ahnung, was das sollte. Ehrlich. Ich...ich bin froh, dass du da bist.«
»Blödsinn«, schüttelt er den Kopf und streicht sich Haarsträhnen aus dem Gesicht.
»Jetzt überleg doch mal...was hätte ich davon, dich zu verarschen? Wieso sollte ich mit dir zusammen sein und hinter deinem Rücken Isi küssen? Wenn ich in sie verknallt wäre, wär ich auch mit ihr zusammen und dir gerade nicht nachgelaufen. Du mußt mir bitte vertrauen.«
»Ich will ja aber...«, entgegnet er unglücklich.
Seufzend schiebe ich zwei Finger hinter seinen Gürtel und ziehe ihn an mich. »Nicki...ich will nur dich, alles klar?« flüstere ich. »Und das hier«, ich halte den Ohrring hoch, »ist das Schönste, was ich jemals bekommen habe.«
»Tut mir leid, dass...dass ich dich so angebrüllt habe«, murmelt er, »und dass ich so einfach hier aufgekreuzt bin und...und...«
»Schhhh«, mache ich und lege ihm den Finger auf die Lippen, »laß uns raufgehen, mh?«
Isi ist total aufgelöst als ich Hand in Hand mit Nicki ins Zimmer komme. Tränen laufen ihr über die Wange.
»Isi, was ist los?«
»Scheiße scheiße scheiße«, heult sie.
»Geht's etwas konkreter?«
»Chris...Dominik...« Sie steht auf und stürmt auf meinen Freund zu. »Es tut mir so leid. Ich wollte, ich meine, ich...es war alles meine Schuld. Christopher kann gar nichts dafür, das mußt du mir glauben.«
»Isi, wir haben das schon geklärt«, sage ich und lege meinen Arm um Nickis Schulter.
»Wirklich?« schnieft sie. »Oh...gottseidank. Chris, ich weiß echt nicht, was...ich war wohl etwas durchgedreht. Tut mir leid.«
»Schon in Ordnung.«
»Du meinst...wir sind noch Freunde?«
»Sind wir.«
»Äh...«, mischt sich Nicki ein, »ich denke, ich gehe dann mal.«
»Nee«, schnieft Isi, »wenn hier jemand geht, dann ich.«
»Blödsinn, ich bin hier reingeplatzt...es ist euer Abend.«
War...es war unser Abend. Jetzt ist Nicki da und so gern ich Isi auch habe, ich will dringend mit ihm allein sein.
»Na der ist jetzt eh im Arsch«, grinst Isi. »Ihr zwei solltet jetzt zusammen sein und euch be- kuscheln. Also, machts gut.«
»Warte...du kannst nicht mitten in der Nacht draußen rumlaufen. Wieso schläfst du nicht auf der Couch?« frage ich.
»Nee, laß mal. Ich hab Kathrins Elektroschocker dabei...mir kann gar nichts passieren.«
Bevor ich noch was sagen kann hat sie mich schon kurz umarmt und ist zur Tür raus.
»Ich wollte sie echt nicht vertreiben«, erklärt Nicki.
»Also, um ehrlich zu sein...«, lächle ich und will ihn küssen, doch er schiebt mich weg.
»Entschuldige...du blutest mich voll.«
»Scheiße«, giggel ich, ziehe das Shirt aus und reibe damit über meine Brust.
»Hey...«, er legt seine Hände auf meine Hüften und zieht mich an sich, »willst du mich schon wieder verführen?«
»Was?« frage ich unschuldig. »Ich meine, nein. Oder...vielleicht ein kleines bißchen. Doch zuerst...« Meine Finger friemeln den Silberring aus meinem Ohr und schwupps baumelt da die Fischgräte. Ich neige meinen Kopf leicht zur Seite. »Und...wie sieht das aus?«
Nicki küßt meinen Hals. »Süß«, murmelt er während seine Hände langsam meine Seiten rauf und runter streichen, was mir wahnsinnige Gänsehautschauer beschert. »An dir klebt immer noch Blut. Vielleicht solltest du erstmal duschen?«
»Ja«, grinse ich, »das kann ich jetzt gut gebrauchen.«
Als ich fertig bin liegt Nicki bereits im Bett, was mir sehr gelegen kommt. Ich schlüpfe unter die Decke und schmiege mich an ihn.
»Schläfst du?«
»Nee.«
»Mhhhh...was für ein Glück«, säusel ich und fange an seinen Nacken zu küssen. Langsam dreht er sich um. Ich nuckel eine Weile an seinen göttlichen Lippen, lasse meine über seinen Hals wandern, über seine Brust, seinen Bauch während seine Finger mit meinen Haaren spielen. Gerade will ich ihm hingebungsvoll einen blasen als er mich plötzlich wegschiebt.
»Warte«, zischt er.
»Was denn?«
»Ich...scheiße, ich kann das nicht, wenn mich die ganze Zeit dieses Ding da anstarrt«, erklärt er und deutet auf Fredericks Gummifledermaus.
»Dann mach halt die Augen zu. Was kuckst du dich überhaupt hier um wenn ich dir einen blase?«
Er antwortet nicht sondern steht auf und friemelt an der Fledermaus rum. Das sieht so bescheuert aus. Ich meine, er ist nackt, kämpft mit dem Gummiteil und sein Schwanz...naja, ich muß halt lachen.
»Findest du das lustig?« faucht er.
»Ja«, japse ich.
»Tut mir leid aber ich hab keinen Bock in einer verdammten Geisterbahn zu vögeln.«
Mann...sich so über mein Zimmer aufzuregen. Was soll'n das jetzt? Hat ihn doch bisher nicht gestört.
»Dann geh doch nach Hause«, entgegne ich etwas beleidigt.
Kaum hab ich das aber gesagt, zieht er sich tatsächlich an. Scheiße.
»Warte...«
»Was?«
»Geh...geh lieber doch nicht.«
»Was denn nun?« grummelt er.
»Komm halt wieder her, Nicki.«
Er überlegt einen Moment, schüttelt den Kopf, zieht die Hose wieder aus und legt sich unter die Decke.
»Warum hast du eigentlich so schlechte Laune?« frage ich leise.
»Wieso hast du so'n krankes Zimmer?« fragt er laut. »Echt, Christopher, da steht ein gottverdammter Grabstein. Das ist doch nicht normal. Egal wo man hinkuckt, überall lauert der Tod.«
»Ist dir schon mal aufgefallen, dass du nie etwas Nettes sagst? Ich bin krank, abartig, nicht normal...wieso gibt's du dich dann überhaupt mit mir ab?«
»Soll ich doch lieber gehen?« fragt er super beleidigt
»So hab ich das nicht gemeint und das weißt du. Also stell dich mal nicht so blöd.«
»Vielleicht bin ich ja blöd. Was willst du eigentlich?«
»Hab ich doch gesagt...etwas Nettes.«
»Ist der scheißdämliche Ohrring etwa nicht NETT?« brüllt er.
»Doch schon aber...mann, ich will keine Geschenke.«
»Schön, dann gib ihn mir zurück.«
Ich kann mir nicht helfen aber ich fange an zu glauben, dass er doch irgendwie blöd ist. Erstmal muß ich eine Zigarette rauchen um ein bißchen runterzukommen. Dominik ist sofort angepißt.
»Muß das jetzt unbedingt sein?«
»Allerdings«, nicke ich.
»Das brennt in den Augen«, brummelt er.
»Entschuldige vielmals«, sage ich übertrieben und drücke die Kippe aus. »Ist jetzt alles zu deiner Zufriedenheit?«
»Deinen ironischen Tonfall kannst du dir sparen.«
»Ich sag dir mal was...WIR können uns etwas sparen. Nämlich diesen ganzen Scheiß hier.«
»Was...was soll denn das heißen?«
»Dass ich keine Lust habe mit dir zu streiten.«
»Und jetzt?«
»Weiß ich doch nicht.«
Ich finde wirklich, er kann jetzt auch mal was tun. Immer muß ich alles in die Hand nehmen, um ihn rumwuseln, ihn bekuscheln. Hallo...ich will, dass er sich einmal um mich bemüht.
Ist das zuviel verlangt??
14
Na das ist ja mal wieder super gelaufen. Christopher fängt aus heiterem Himmel an zu streiten und schweigt. Dabei hätte ich viel mehr Grund sauer zu sein. Mein Freund läßt sich von einem Mädchen zu frivolen Pornokunstblutfotos hinreißen, sich knutschen und ist beleidigt, wenn ich seine Art zu wohnen kritisiere. Und überhaupt, was soll denn das heißen, ich würde ihm nie was Nettes sagen?! Mann, wie oft mußte ich mir den Kack von Marco anhören. Da hab ich ja gar keinen Bock drauf. Renne mir die Hacken ab, um diesen verfickten Fischgrätenohrring aufzutun und er sagt, er will keine Geschenke. Schön, wird auch niemals wieder eins bekommen. Und wenn der nicht bald den Mund aufmacht gehe ich sofort nach Hause. Diesen Schweigeterror mache ich nicht mit. Habe mir nach Marco geschworen, dass ich mich nicht nochmal so behandeln lasse. Was ist denn das für eine Art...einfach nichts mehr sagen?!
Christopher tut so, als sei ich nicht da und raucht eine Zigarette. Das wir mir jetzt aber echt zu blöd. Ich stehe auf und ziehe mich an.
»Ich gehe nach Hause.«
Er sieht zu mir auf. »Das wundert mich irgendwie überhaupt nicht.«
Toll...kann der mich bitte aufhalten? Sagen, dass alles wieder in Ordnung ist?! Ich will mich doch auch nicht streiten aber lieber bin ich allein als neben ihm und er ist sauer und ignoriert mich.
»Also...also bis dann.«
Er zuckt nur die Schultern und schaut in die andere Richtung. Mir ist zum Kotzen schlecht.
Ich hasse ihn!
Das war jetzt aber wirklich das allerallerletzte Mal, dass ich mich so dermaßen auf jemanden eingelassen habe. Auf dem Nachhauseweg schwöre ich feierlich, mich nie niemals wieder zu verlieben. Ich hätte es besser wissen müssen. Typen sind einfach alle irgendwie krank und gestört und ich lasse jetzt lieber die Finger davon. Und zwar alle...auch den kaputten. HAHA.
Zwei Tage ohne Christopher. Es geht mir gut. Es geht mir gut. Es geht mir hervorragend, einfach ganz phantastisch. Dass er mich aber so mirnichtsdirnichts abgeschrieben hat, geht mir auf den Geist. Ich meine, soooo großartig kann seine Liebe ja dann doch nicht gewesen sein, wenn er sich nicht mal meldet. Mir doch egal. Ich werde ihm sicher nicht nachlaufen. Ich nicht! Mit dem bin ich fertig. Bin ich froh, endlich mal nicht ständig an einen Kacktypen denken und mich verzehren zu müssen.
Am Nachmittag, ich hab gerade meine Klavierstunde beendet, erlebe ich eine riesige Überraschung. Ich bekomme Besuch und zwar von...einen Tusch bitte...Ivana.
»Hi, darf ich rein?« fragt sie scheu.
»Sicher«, antworte ich kühl.
Sie setzt sich auf Anneliese und starrt die nächsten zehn Minuten schweigend auf ihre Hände.
»Möchtest du vielleicht Kekse oder so?«
Endlich schaut sie auf. »Nein, danke.«
Gott, die macht mich irre. »Vani, was willst du?«
Sie blickt wieder auf ihre Hände. »Wie...wie kannst du mich noch so nennen, nachdem ich so gemein war?«
»Alte Gewohnheiten gibt man eben nicht auf.«
Plötzlich steht sie auf und schlingt ihre Arme um mich. »Es tut mir leid«, schluchzt sie.
»Nick...gott, du fehlst mir. Können wir nicht einfach unseren blöden Streit vergessen?«
»Äh...ich bin aber immer noch schwul und du warst diejenige, die weggegangen ist.«
»Ich weiß«, schnieft sie. »Ich...ich war so verletzt...ich hatte gedacht, dass du und ich...wieso hast du mir das denn nicht früher gesagt? Ich meine, wir haben uns immer alles gesagt und plötzlich hast du so ein Geheimnis vor mir. Das hat weh getan. Mehr als die Tatsache, dass aus uns nichts wird, verstehst du? Auf einmal...auf einmal warst du mir total fremd. Ich hatte das Gefühl, dich überhaupt nicht mehr zu kennen.«
»Ich wußte einfach nicht, wie ich's dir sagen sollte. Ich hatte Angst, du würdest mich hassen oder sowas. Dich vor mir ekeln.«
»Und wenn ich mich nicht in dich verliebt hätte...hättest du mir jemals gesagt, dass du auf Jungs stehst? Dominik, wir waren Freunde, verdammt. Du...du hast mich ausgeschlossen.«
»Vani, das wollte ich nicht. Ich mußte doch selber erstmal damit klarkommen. Was glaubst du, was hier los ist, seitdem Mom alles weiß?«
»Erzähl's mir, mh?«
Wir verkriechen uns ins Bett, trinken Kakao und reden. Und heulen. Und halten uns fest. Es tut gut, dass mein Sonnenschein wieder da ist.
Leider begeht sie ausversehen einen schweren Fehler und fragt mich nach meinem Liebes-leben.
Es geht mir gut. Es geht mir gut. Es geht mir phantastisch ohne Christopher. Ich rattere die komplette Geschichte runter und hoffe, sie beläßt es dabei, was sie aber natürlich nicht tut.
»Nick, also du bist manchmal ein absoluter Vollidiot. Triffst endlich mal einen netten Jungen und versiebst das.«
»Wieso ich? Der hat doch angefangen«, brummel ich.
»Der hat doch angefangen«, äfft sie mich nach, »der hat meine Förmchen geklaut. Wir sind hier nicht mehr im Kindergarten. Brichst du dir vielleicht irgendwas ab, wenn du deinem Schnuckel zeigst, dass du ihn gern hast?«
Es geht mir gut. Es geht mir gut. Es geht mir phantastisch ohne Christopher. Wieso muß die kommen und mir das kaputt machen?
»Ich will nicht mehr darüber reden. Die Sache ist gelaufen. Fertig.«
Ivana zuckt die Schultern. »Ok, wie du meinst.«
Was soll'n das jetzt?
Scheiße, ich hab den ganzen Schokoladenkuchen aufgegessen und jetzt total fiese Magen-schmerzen. Melitta bringt mir Kamillentee.
»Du siehst aus wie Kotze«, bemerkt sie in ihrer charmanten Art. »Wieso ißt du so viel, daß dir schlecht wird?«
»Wieso gehst du mir auf den Sack?«
»Deine Laune ist das Letzte. Ich dachte, du hast dich mit Ivana versöhnt. Was'n los?«
Hab ich jetzt Bock, meiner Schwester zu erklären, dass ich schon wieder unglücklich verliebt bin? Nebenbei...es geht mir gut ohne Christopher!!
»Nix. Nur Magenschmerzen.«
Sie schnaubt spöttisch. »Vielleicht solltest du mal die Schokomarke wechseln. Wie wärs mit Lindt?«
Autsch! »Würdest du jetzt bitte gehen?«
Sie denkt aber gar nicht daran, sondern legt ihren Arm um meine Schulter, kuschelt ihr Gesicht an meinen Hals. »Warum sagst du ihm nicht einfach, dass es dir leid tut, Nick?«
»Weil es verdammt noch eins nicht meine fucking Schuld war, ok? Du weißt überhaupt nicht, was abgelaufen ist.«
»Spielt es eine Rolle, wessen Schuld es war? Geh einfach hin.«
»Ich will aber nicht. Es geht mir gut ohne Christopher«, maule ich.
»Ja...offensichtlich. Und es ist ja eigentlich auch viel besser so.«
»Wieso das denn?«
»Wenn du nichts mehr mit Jungs hast, bekommt Mom keine Migräneanfälle mehr«, antwortet sie und geht.
Aufstehen, Frühstück, Schule, Mittagessen, Klavier, Abendessen. Zwei Wochen, jeden Tag dasselbe. Es geht mir nicht gut. Ich vermisse Christopher. Wie ein appes Bein oder einen appen Arm. Mir fehlt sein süßes Lächeln, seine Haare, die ihm ständig ins Gesicht strubbeln, seine Küsse...oh, kann der küssen! Jetzt wird mir auch klar, warum der immer so versessen aufs Kuscheln war. Das hat der alles extra gemacht, damit es jetzt so richtig schön weh tut.
Hätte ich mir doch denken können. Hab ich doch und mich trotzdem darauf eingelassen. Ok, nun bin ich an dem Punkt, wo man sich überlegen sollte, ob man seinen verfluchten Stolz, seine Befürchtungen über Bord wirft oder eben nicht. Aber wenn ich zu ihm gehe und er will mich gar nicht zurück haben?! Schließlich ist er ein Bilderbuchschnuckel, der sich wahrscheinlich vor Angeboten kaum retten kann. Ich dagegen bin ein blöder, schwachmatischer Psycho. Er wohnt in einer Geisterbahn. Ich hasse sein Zimmer. Er steht auf den Gruftkram. Ich nur ein bißchen. Er ist unordentlich und trägt Miniröcke. Aber er macht super leckeren Zimtkakao. Und er riecht so gut und seine Haut ist samtweich und wenn ich in seine Augen schaue, ertrinke ich in einem Kristallmeer.
Mein Herz geht kaputt, wenn ich nicht bei ihm bin.
Die dritte Woche ohne Christopher geht zuende. Mich kotzt alles an. Lorenz will mit mir nicht über ihn sprechen. Klar nicht...der will ihn vermutlich selber vögeln. Mit Ivana mag über all das irgendwie nicht reden, weil ich ein schlechtes Gewissen habe. Immerhin hat sie doch noch ein wenig mit ihrer Verliebtheit zu kämpfen. Schlägt sich allerdings einigermaßen tapfer. Wenigstens hatte ich meinen kleinen persönlichen Triumpf als ich Marco eine mail geschrieben habe. Er hat sich nämlich endlich mal für manche Sachen entschuldigt. Hab ihm geantwortet, dass er sich das sonstwohin stecken kann und sein versiffter Schwanz nach verschimmeltem Fisch riecht. Danach kam von ihm nichts mehr. Wollte ihn eigentlich erstmal zappeln lassen, ihn heiß machen und dann abservieren doch das war mir zu anstrengend. Hatte keine Lust, meine Zeit mit ihm zu vertrödeln. Marco ist mir scheißegal.
Jetzt und für immer!
Keks und Krümel machen mir per e-mail die Hölle heiß, weil ich mich mit Christopher so blöd anstelle. Ich soll den bloß nicht einfach so gehen lassen und über meinen Arschlochschatten springen. Die haben leicht schreiben. Draußen ist es kalt, nass und ungemütlich. Eine fiese Brühe suppt unaufhörlich vom
Himmel.
Ich hab mal wieder Depressionen.
15
Ich geh kaputt!! Weil ich mich nicht entscheiden kann, ob ich nun sauer sein soll auf Nick oder ihn einfach nur schrecklich vermissen?! Letzteres ist nicht so arg schlimm, wenn ich erstes hinkriege, was mir leider wenig gelingt. Dummerweise muß ich momentan auch ganz oft in total blöden Situationen anfangen zu heulen. Scheiße, ich will ständig in Tränen aus-brechen. Mein Hals tut weh, so groß ist der Knoten, der da drin sitzt. Isi und Kathrin sind süß. Wollen mich ablenken, betütteln mich, doch das hilft nur mäßig. Lorenz sagt, dass ich den ersten Schritt machen muß, weil Nick eine verdammte Lusche ist. Ich würde ja aber... mann, ich kann den doch nicht immer und immer wieder in irgendwelche Richtungen schubsen.
Wenn ihm unsere Beziehung wichtig ist, muß doch mal was von ihm kommen, oder sehe ich das falsch? Das hat nichts mit Stolz zu tun. Ich würde mich vor ihm in den Staub werfen. Finde aber, ich hab genug getan, ihm zu zeigen, dass ich ihn gern habe. Auch finde ich, dass unser Streit sein drei Wochen langes Schweigen in keinster Weise rechtfertigt.
Ich bin müde. Und ich bin es leid. Gott...aber er fehlt mir so. Blöde Knalltüte. Mir ist echt schleierhaft, weshalb ich mich andauernd in Psychos verliebe. Isi sagt, dass ihr das auch immer so geht. Meiner Meinung nach hat sie es aber mit Lorenz gut getroffen. Abgesehen davon, dass er ein Aufreißer ist, der auch gerne Jungs küßt (obwohl NICHT schwul) ist der echt nett. Nick kann auch nett sein, wenn er will. Leider will der bei mir selten...nett sein. Ich frage mich, wieso der überhaupt mit mir zusammen sein wollte?! Vermutlich wollte er gar nicht und ich hab ihn mal wieder zu irgendwas gedrängt. Wenn ich ihn jetzt anrufe, sagt der vielleicht, dass ich abhauen soll...in meiner Geisterbahn verrotten. Ich hab ehrlich Angst und...ich muß schon wieder heulen.
Hab irgendwie zu gar nichts mehr Lust. Schule geht mir auf den Sack, Kathrin und Isi sind super anstrengend, Lorenz ist keine große Hilfe und mehr Freunde hab ich nicht. Gestern hab ich ausversehen Frederick beim Knutschen erwischt. Puh...wenn ich das Mom erzähle. Dass mein kleiner Bruder hier unter ihrem Dach Mädchen verführt, wo er doch eigentlich Mathe lernen sollte. Ich möchte auch verführen...allerdings kein Mädchen sondern Dominik. Oder von ihm verführt werden. Das ist besser. Da weiß ich dann wenigstens, dass er's aus freien Stücken tut.
Soll ich ihn nun anrufen oder nicht? Lorenz sagt Ja, Isi und Kathrin Nein. Isi kann ich aber nach dem Kuß nicht mehr so ganz vertrauen. Sie hat zwar Stein und Bein geschworen, dass sie nicht in mich verknallt ist doch wer glaubt schon einer Irren, die einen mit Blut vollschmiert und dann plötzlich knutscht?! Sie wird sich ja etwas dabei gedacht haben. Andererseits ist sie so verrückt und verdreht, dass es wohl tatsächlich nichts zu bedeuten hatte.
Scheiße, ich kann mich nicht auch noch mit verliebten oder nicht verliebten Mädchen be-fassen.
Zur Hölle...ich rufe ihn jetzt an!
Der Hörer in meiner Hand wiegt ungefähr eine Tonne. Ich neige plötzlich zu Ganzkörper-Schweißabsonderung.
»Ja?« säuselt's in mein Ohr.
»Hallo.«
Schweigen.
»Ich bin's...Christopher.«
Schweigen. Mein Herz bleibt stehen. Dann »Was gibt's?«
Ich glaub ja nicht, dass er so cool ist. Seine Stimme zittert ein wenig. Vielleicht ist mir aber auch nur Schweiß ins Ohr gelaufen.
»Wir...wir sollten reden. Meinst du nicht?«
»Ich höre.« Wieder so cool. Wieder so zittrig.
»Nicht am Telefon. Kannst du herkommen?«
Schweigen. Ich geh kaputt.
»Wann?«
»Gleich?«
»Morgen.«
Auch in Ordnung. »Gegen Abend, ja?«
»Alles klar. Sonst noch was?«
Mann, ist das ein Fickfrosch. »Nee. Bis morgen also.«
»Ja, bis dann. Äh...danke für den Anruf.«
Klick. Aufgelegt.
Danke für den Anruf?? Was'n das für ein Spruch? Ihre Stimme wurde gezählt...danke für den Anruf. Ich könnte kotzen. Naja, immerhin kommt er morgen. Traut sich in mein ver-hasstes Zimmer. Au weia, bin ich nervös. Worüber will ich eigentlich mit ihm reden? Grad hab ich's noch gewußt. Ok, bis morgen ist ja noch Zeit, mir was zu überlegen. Irgendwas, wo keine Gefahr besteht, dass er sofort wieder schmollend abhaut.
Kacke. Verdammt, verfluchte Mistkacke! Gegen Abend, hab ich gesagt, soll er kommen. Bin ich scheiße? Wann ist denn bitteschön gegen Abend? Wenn's draußen dunkel ist? Das ist es bereits aber die Uhr sagt halb sechs. Das ist später Nachmittag...oder schon früher Abend? Bei mir wäre gegen Abend so um acht. Was ist bei Nick gegen Abend? Ich mach mir total ins Hemd. Wenn er jetzt auch nicht weiß, wann er kommen soll?! Ups...es klingelt. Und ich bin noch gar nicht richtig angezogen. Laufe noch in schwarzer Schlabberjogginghose und weißem T-Shirt rum. Egal. Ich muß aufmachen, sonst geht er wieder weg.
Schon als ich den Türöffner betätige und zwei kichernde Mädchenstimmen höre wird mir übel. Das ist sicher NICHT Dominik.
»Hi, Chrissie«, bölkt Kathrin die Stufen hinauf.
Sie stampft mitsamt Busenfreundin Isi in mein Zimmer, wo die beiden es sich gemütlich machen.
»Hier, das mußt du dir unbedingt anhören«, strahlt Isi, eine CD schwenkend. »Da sind ganz lustige und schöne Sachen drauf.«
Die beiden stecken giggelnd ihre Köpfe zusammen. »Lesbian vampires from outer space...« Mich interessieren lesbische Vampire momentan herzlich wenig. Die sollen sich verpissen.
Kathrin, Isi UND die Vampire!
»Ich...ich hab gar keine Zeit. Gleich kommt...«
Isi hat die CD bereits eingelegt, springt zwischen den Titeln hin und her. Zwischendurch brüllt sie »Hier...das ist geil. Hör mal. Dresden Dolls. Die haben eine ganz schöne Website.« Ich bringe es nicht über mich, die zwei rauszuschmeißen. Bin anscheinend zu gut erzogen.
Eine Stunde Faselei über Gothic-Foren, tolle Musik, Parties usw. Mein Magen schmerzt, mein Kopf ebenfalls. Sind die vielleicht anstrengend. Verstohlen glotze ich auf die Uhr. Jetzt könnte er bald mal kommen und die beiden gehen. Die sehen allerdings so aus, als wollten sie niemals wieder weg. Haben sich in meine Bettdecke gekuschelt und sind sich offensichtlich selbst genug. Ist das hier eine Jugendherberge oder was?!
Eine halbe Stunde später klingelt es erneut. Ich erschrecke mich so sehr, dass ich mir beim aufspringen den Kopf am Bücherregal stoße.
Dominik schleicht die Treppe rauf. Sieht ziemlich mitgenommen aus. Trotzdem will ich ihn sofort küssen und bespringen.
»Hallo«, sagt er leise ohne mich anzusehen.
»Hi«, sage ich ebenso leise.
Dann sitzen wir zu viert bei Kerzenschein in meinem Zimmer. Schweigen. Sehr peinlich. Die CD läuft noch immer. Und ich trage noch meine Schlabberklamotten. SUPER!!
Isi stupst Kathrin an. »Mh, wir gehen dann mal, oder?«
»Ja, wieso nicht«, antworte ich scharf.
»Ok, ja, bis dann.«
Weg sind sie. Endlich!
Nervös reibe ich meinen Schädel.
»Hast du Läuse?« fragt Nick unterdrückt kichernd.
»Was? Nee, hab mir gerade den Kopf angehauen.«
»Oh...schlimm?«
»Nee. Geht schon.«
»Du...du wolltest mit mir reden.«
Ach ja. Fällt mir auch wieder ein. Allerdings, jetzt, wo er da ist, hab ich nur Brei im Kopf. Und überhaupt...der sieht so wunderschön aus. Ganz weich und samtig. Seine Haare fallen ihm ins Gesicht und immer reibt er seine Ärmel zwischen den Händen. Oh...seine langen schlanken Finger! An seinem schwarzen Shirt pappt ein MUSE-Button. Schön sieht das aus. Er ist total hübsch angezogen. Schwarze Cordhose, silberner Gürtel, blauweiße Ringelsocken und ein schwarzes Halstuch. Ich möchte gar nicht mit ihm reden, denn dann streiten wir uns wieder. Ich will ihn einfach nur festhalten. Seine Wärme spüren, sein Herz schlagen hören.
Mann, ich bin so unglaublich verliebt in diesen Idioten...ich könnte aus der Haut fahren.
»Wieso hast'n nicht mal angerufen?«
Umgotteswillen! Ganz falscher Anfang. Jetzt wird er gleich böse.
»Warum hätte ich?«
Sturkopf, blöder!
»Du hast es ja auch nicht für nötig gehalten«, fügt er hinzu.
Ok, ich BIN wütend aber...ich schlucke das hinunter. »Ich hatte ein bißchen Angst, weißt du.«
Endlich sieht er mich mal an. »Wovor denn?«
»Davor, dass du wieder austickst, zum Beispiel. Davor, dass du wieder alles, aber auch alles, falsch verstehst. Davor, dass du lieber auf stur schaltest, als mit mir zu reden. Davor, dass du...du mich nicht mehr sehen willst. Sowas in der Art.«
»Ich dachte, du willst mich nicht mehr sehen. Deshalb hab ich nicht angerufen. Außerdem war der Streit deine Schuld.«
Sein letzter Satz gibt mir so ziemlich den Rest. Also bitte...ich schlucke immer noch tapfer an meiner Wut. Hoffentlich erwartet der jetzt keine Entschuldigung. Dann muß ich aber sofort einen hysterischen Lachanfall bekommen.
»Nick, es geht verdammt noch mal nicht um den Streit, den wir vor drei Wochen hatten.«
»Sondern?«
»Um dein Verhalten allgemein?« schlage ich vorsichtig vor. Mann, vielleicht sollten wir unsere Beziehung wirklich nur auf Sex beschränken. Mit ihm reden geht ja gar nicht. »Ich verstehe absolut nicht, was du eigentlich von mir willst.«
»Ja, das Gefühl hab ich auch. Du hörst mir ja anscheinend noch nicht mal richtig zu.«
»Ich...ich bin froh, dass du mich angerufen hast«, murmelt er und wird ein bißchen rot.
Der Typ ist noch schlimmer als ein Psycho. »Aha...warum?« Der soll endlich sein ver- fluchtes Maul aufmachen. Was kann denn so schwierig daran sein, mir zu sagen, dass er mich gern hat? Es sei denn, er hat mich NICHT gern aber dann soll er sich verpissen und aufhören, mich so zu verwirren.
»Du...du hast mir gefehlt.«
Na, das ist doch wenigstens schon mal ein Anfang. Wenn er mir jetzt noch erklärt, wieso er sich andauernd wie ein Arschloch verhält, liebe ich ihn bis in alle Ewigkeit.
»Können wir...«, er blickt mich erwartungsvoll an, »können wir den blöden Streit nicht ein-fach vergessen?«
Schade, ich hatte schon gedacht, er sei vielleicht doch ein halbwegs normaler Mensch.
»Du meinst, wir geben uns die Hand und verzeihen einander?« frage ich ironisch.
»Toll. Wenn du mich verarschen willst, kann ich auch wieder gehen.«
»Wer hier wen verarscht ist wohl die Frage.«
Nick schnauft ärgerlich und steht auf. Vorsichtshalber stelle ich mich mal vor die Tür, versperre ihm den Fluchtweg.
»Bleib gefälligst hier, du Idiot. Renn nicht immer weg. Rede mit mir!«
Er beißt sich auf die Lippe, preßt seine Fingernägel in die Handballen. Ich schmelze augenblicklich dahin. Oh mann, ist der süß. Ich befürchte, wenn ich nicht bald meine Lippen auf seine drücke, muß ich sterben. Hab ja schon Schluckbeschwerden vor lauter Sehnsucht, ihm nah zu sein. Ich greife also nach seinen Händen, entkrampfe seine Finger und sehe ihn an.
»Wenn...wenn du nicht reden willst....dann küß mich wenigstens, ja?«
Ein leises wimmerndes Geräusch dringt aus seinem Mund, bevor ihn meine Lippen berühren.
Nicki küssen ist...unglaublich! So weich. Zuckersüß. Himmlisch.
Verträumt öffnet er seine Augen. »Ich...es tut mir leid aber...ich kann das nicht, Christopher. Es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.«
W A S??? Ich hab mich verhört. Oder er hat sich versprochen. Oder beides.
»Es geht nicht«, setzt er noch eins drauf, schiebt mich zur Seite und...geht.
Er geht einfach. Geht einfach. Geht.
Ich hab nicht die Kraft, ihm nachzulaufen. Ich hab grad einen Nervenzusammenbruch. Rutsche filmreif an der Wand runter, vergrabe mein Gesicht in den Händen und heule.
»Und dann ist er gegangen«, schließe ich meinen Bericht.
Lorenz starrt mich mit offenem Mund an. »Ach du Scheiße. Und jetzt?«
»Nix und jetzt. Ich bin durch mit Dominik. Endgültig. Ich denke, er hat recht. Es ist besser so. Ich meine, eigentlich haben wir immer nur gestritten. Wir...wir passen einfach nicht zu-sammen. Was hilft es, sich was vorzumachen? Lieber jetzt als noch mehr Drama.«
»Stimmt«, nickt Lorenz, »ich finde auch, du bist ohne ihn besser dran. Der Typ hat doch einen Knall.«
»Ich dachte, er ist dein Freund.«
»Deswegen darf ich das ja auch über ihn sagen. Nick ist ein totales Arschloch. Eine absolute Niete. Ein verd...«
»Hey...es reicht jetzt«, unterbreche ich ihn ärgerlich.
Lorenz grinst. Ich will ihm ins Gesicht schlagen.
»Ich hab nicht gesagt, dass mir unsere Trennung überhaupt nichts ausmacht. Ich sage nur, dass es besser ist, weil es eben nicht klappt mit uns, ok. Weh tut es trotzdem. Also hör auf, so schlecht über ihn zu sprechen. So weit, dass ich ihn hasse, bin ich noch nicht.«
»Das wär auch total überflüssig, weil er sich selbst schon genug hassen wird.«
»Hä?«
Lorenz seufzt theatralisch. »Mann, Nick IST verliebt in dich aber weil er ein kleiner feiger Bastard ist, macht er Schluß. Um sich nicht die Finger zu verbrennen, wie man so schön sagt. Er hat Angst, nochmal so verletzt zu werden wie...naja, ich kann dir sagen, er hatte mit Beziehungen bis jetzt kein sehr glückliches Händchen.«
»Was zur Hölle kann ich dafür? Ich hab ihm gesagt, dass ich mit ihm zusammensein will. Dieser ganze Psychoscheiß ist doch zum Kotzen. Als ob ich keine Angst hätte, dass mir weh getan wird. Jeder hat Angst davor, oder? Er will nichts riskieren...schön, sein Problem.«
»Wenigstens eines habt ihr gemeinsam. Ihr seid beide blöde Sturköpfe«, lächelt er, »ihr solltet euch prima verstehen...eigentlich.«
»Ich will nicht mehr darüber reden. Ich will mich ein bißchen schlecht fühlen, dann will ich ihn hassen und dann soll er mir egal sein. Und schließlich finde ich einen süßen, netten, lieben Superschnuckel, der mich genauso anbetet wie ich ihn.«
»Amen.«
»Wie sieht's eigentlich bei dir aus?«
»Bei mir?« fragt er verwirrt. »Wieso? Hast du mich spontan zu deinem Superschnuckel er-koren?«
»Nein. Aber vielleicht jemand, den wir kennen.«
»Mh...interessant. Männlich oder weiblich?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Eigentlich nicht. Ich ficke alles, was ich kriegen kann«, grinst er. »Also, wer ist es?«
»Sperr deine Augen auf. Es ist nicht besonders schwer, das herauszufinden.«
»Ach komm schon, Chrissie...nur einen ganz kleinen Tipp, mh?«
»Ich muß los.«
»Mann, du bist so eine Arschgeige«, entgegnet er.
»Hey, Vorsicht, ja. Vor ein paar Wochen hast du mich noch angebettelt, dich zu küssen.«
»Ja...aber weißt du was? So umgehauen hat es mich nicht, als du es tatsächlich getan hast.«
»Danke. Mich auch nicht. Mach's gut, Lorenz.«
Als ich nach Hause komme, hab ich spontan schlechte Laune. Mein kleiner Bruder Frederick verabschiedet sich gerade zungentechnisch von seiner Freundin. Ich will kotzen. Wieso hat der immer so ein Glück mit seinen Mädchen?
»Hey...Mom kommt gleich hier rauf.«
Frederick verdreht die Augen. »Guter Witz.« Und dann an seine Knutschpartnerin gewandt, »Meine Mutter kommt hier niemals rauf.«
»Bis jetzt wußte sie auch noch nichts von deinen Pornos unterm Bett«, erkläre ich lächelnd. Anstatt rot zu werden wie ich es würde, kichert er nur. »Wenn du ihr was gesagt hättest, wär ich schon längst tot und...um mich in Verlegenheit zu bringen, mußt du dir schon was besseres einfallen lassen.«
Erwähnte ich, dass ich meinen Bruder irgendwie hasse? Angeekelt gehe ich in mein Zimmer und werfe mich deprimiert aufs Bett. Die kleine Nervensäge braucht nicht lange, um mir zu folgen.
»Was'n los mit dir?«
»Gar nichts. Geh und knutsch deine Ische.«
»Mann, Chrissie, die ist weg. Was bist'n so mies gelaunt? Konntest du heute bei keinem hübschen Jungen landen, oder was?«
»Verpiß dich, Frederick.«
»Wieso kommt Nickinick eigentlich nicht mehr? Hat er endlich gemerkt, dass du ein Arsch-loch bist?«
Wenn ich jetzt eine Knarre hätte...!! Dummerweise muß ich anfangen zu flennen. Scheiße... und das vor meinem kleinen Bruder.
»Ach du Kacke. Was ist denn jetzt kaputt?« fragt er relativ besorgt. »Hey...ich hab doch nur einen Scherz gemacht.«
»Deine Scherze tun in letzter Zeit verdammt weh.«
»Also stimmt etwas nicht mit Nickinick?«
»Du merkst auch alles«, entgegne ich schluchzend. »Er hat Schluß gemacht und jetzt ver-schwinde.«
»Warum denn?«
»Weil ich alleine heulen will.«
Frederick schlägt mir leicht gegen den Kopf. »Warum hat er Schluß gemacht?«
»Was weiß ich. Weil er blöd ist oder so.«
Wie komme ich eigentlich dazu, mit meinem Bruder darüber zu reden? Mann, ich muß echt verzweifelt sein.
»Davon ist auszugehen«, sagt er nachdenklich. »Ich meine, du bist der absolut tollste Mensch auf der ganzen Welt.«
»Wie bitte?«
»Ehrlich, Chrissie...wenn ich groß bin, will ich so werden wie du«, grinst er und wirft mir ein Kissen ins Gesicht.
»Deine Aufmunterungsversuche sind so schlecht wie dein Geschmack bei Mädchen.«
»Ey...Saskia ist süß, ja.«
»Klar, wenn man blind ist.«
»DU kannst da doch gar nicht mitreden. Seit wann weißt du denn was von Mädchen?«
»Und du? Gerade mal vierzehn. Phhh.«
»Noch genau drei Monate«, erklärt er stolz.
»Als ich in deinem Alter war...«
»Warst du noch Jungfrau und ich wette, das biste immer noch.«
Ich schnaufe verächtlich und bereue zutiefst, dass ich nicht wenigstens einmal mit Nick ge-schlafen habe. Oder mit wem anders.
»Frederick, kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Klar. Was?«
»Verpiß dich endlich.«
»Ok. Aber wenn du mich brauchst...«
»Danke.«
Ach du Scheiße! Invasion der Kleinkinder. Frederick hat seine Freunde eingeladen. Überall laufen picklige Teenies rum, kichern und hören Beknacktenmusik. Ich könnte kotzen. Wenn auch nur eines der Bälger wagt, mein Zimmer zu betreten, wenn auch nur ausversehen, werde ich zum Amokläufer. Hey, ich mag meinen Bruder, ok? Aber ich bin übel gelaunt und er amüsiert sich. Ist das vielleicht fair?
Mann, jetzt klingeln die kleinen Scheißer auch noch bei mir. Ich schlag die tot. Mit Horror-miene öffne ich die Tür.
»Hi, Chrissie.«
Au weia! Kathrin und Isi schlendern die Treppe rauf. Im Schlepptau...Lorenz. Ich will allein sein und in Selbstmitleid baden. Hallo? Geht doch bitte weg!
»Was wollt ihr denn?«
»Mensch...da freut sich ja einer«, murmelt Isi und macht sich auf meinem Bett breit.
»Was'n nebenan los? Kindergeburtstag, oder wie?« grinst Lorenz.
»Frederick und seine Freunde«, antworte ich genervt.
»Und wieso bist du nicht eingeladen?«
»Haha.«
»Also, was machen wir heute noch?« Kathrin blickt erwartungsvoll in die Runde.
»Ins Sil?«
»Von mir aus«, antworte ich gähnend, »aber ohne mich. Ich hab Liebeskummer.«
»Laß dich nicht so hängen. Im Sil gibt's massenhaft schöne Jungs.«
»Schöne, willige Jungs«, fügt Isi hinzu.
»Dann laßt euch nicht aufhalten.«
»Vielleicht ist Dominik da.«
»Und wenn schon. Mit dem...«
»Ist er durch«, vervollständigt Lorenz.
»Ach deshalb wolltest du unbedingt mitkommen. Hoffst wohl, er läßt dich jetzt endlich mal ran, was?« kichert Kathrin.
»Und was, wenn ich ihn schon hatte?« lächelt er.
Ey...raffen die noch irgendwas? Die sollen GEHEN!
Isi sieht grad so aus, wie ich mich fühle. Die ist immer noch bis über beide Ohren in Lorenz verschossen. Und er ist immer noch zu blöd, das zu bemerken.
»Du und Chrissie...HAHA...guter Witz.« Kathrin lacht sich halb tot. »Mal ehrlich, Lorenz, dich will niemand haben.«
»Wohl«, schmollt er und stupst mich an. »Chrissie, sag's ihr.«
Kacke! Isi kuckt mich erschrocken an. Ich zucke hilflos die Schultern und schüttel kaum merklich den Kopf.
»Komm schon, spuck's endlich aus. Ich piß mich vor lauter Aufregung ja schon ein«, fordert Lorenz.
»Mann, Junge, das hat er nur aus Mitleid gesagt«, schnauft Kathrin.
»Ach ja? Vielleicht hat er dich gemeint, mh?« säuselt er, schaut sie an und leckt sich auf-reizend die Lippen.
»Sicher. Seit wann gebe ich mich mit Losern ab?«
»Dann kann es nur noch Isi sein«, vermutet er, »mehr Mädchen kennt Chrissie nämlich nicht. Oder ist es doch ein hübscher, zierlicher Schnuckelboy, hä?«
»Fick dich.«
»Fickt euch alle«, brüllt Isi und stampft zur Tür. »Ich gehe jetzt ins Sil. Will irgendwer mit-kommen? Nein? Auch gut. Man sieht sich.«
»Was ist denn mit der los?« fragt Kathrin überrascht.
Ich laufe erstmal Isi nach und hole sie zum Glück an der Haustür ein.
»Hey...ich hab ihm nichts gesagt. Ehrlich. Nur versucht...«
»Danke«, sagt sie kalt.
»Nur versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass da möglicherweise jemand ist.«
»Hey, Isi. Warte, ich komme mit.« Kathrin rennt die Treppe runter. »Wie kannst du mich mit dem allein lassen?«
Als die zwei weg sind, beschließe ich, Lorenz zu killen. Der liegt auf meinem Bett.
»Das sind bestimmt die Hormone«, erklärt er. »Bei Mädchen ist immer alles hormonell be-dingt.«
»Gott, du bist so ein Idiot. Wie hältst du dich eigentlich selber aus?«
»Was denn? War doch nur Spaß. Hey...Kathrin und Isi lieben mich. Alle tun das.«
Ich hab irgendwie keine Lust mehr, mit ihm zu reden. Nach zehn Minuten Schweigen steht er auf.
»Ich gehe mal Frederick Hallo sagen und ein bißchen aufpassen, dass die es nicht zu wild treiben da drüben.«
»Frederick wir sich vor Freude einnässen«, zische ich.
»Bin gleich wieder da.«
Von mir aus kann der sich in Luft auflösen. Au mann, was für ein Scheißabend. Lorenz ist echt die Härte. Ich mag ihn wirklich gerne aber manchmal...wenn das nicht so ein Depp wär, könnte er schon längst mit Isi zusammen sein. Der rafft es bestimmt erst, wenn es zu spät ist und ich darf mir dann seine Heulerei anhören. Übrigens könnte der mal langsam zurück kommen. Was treibt der so lange bei einer Horde Vierzehnjähriger? Wahrscheinlich fühlt er sich gerade wie ein Star, weil die ganzen kleinen Mädchen ihn anschmachten. Oder der ist nach Hause gegangen. Naja, ich werd mal nachschauen.
In Fredericks Zimmer herrscht Schummerbeleuchtung, leise Musik, schlechte Luft und Gefasel. Chipstüten liegen auf dem Boden, Colaflaschen...der übliche Partykram eben. Von Lorenz keine Spur. Von meinem Bruder, so weit ich das überblicke, auch nicht.
»Wo ist Frederick?« frage ich in die Teenierunde und ernte allgemeines Schulterzucken.
Der ist sicher kurz aufs Klo gegangen. Aus'm Bad kommt mir Saskia entgegen.
»Hast du Frederick gesehen?«
»Nee...wieso?«
»Wollte ihn nur was fragen«, antworte ich.
Ok, es gibt nur noch eine Möglichkeit und nur noch ein Zimmer. Ich öffne die Tür, da trifft mich fast der Schlag.
Auf der Couch liegt mein kleiner Bruder und KNUTSCHT mit Lorenz als gäb's kein morgen. Haben alle außer mir nur Scheiße im Hirn?
Hastig stürme ich auf die beiden zu und reiße an Lorenz' Schulter. »DU GOTTVER-DAMMTES ARSCHLOCH!«
»Fuck...was...ui, Chrissie«, murmelt Lorenz.
Unter ihm rappelt sich Frederick hoch. Knallrot im Gesicht mit zerwühltem Haar und Lippen, als hätte er an einem Auspuff genuckelt.
»Das da ist mein fucking vierzehnjähriger Bruder, dem du gerade deine Zunge in den Hals steckst.«
»Reg dich ab«, stöhnt Frederick, offensichtlich sehr genervt, dass er unterbrochen wurde.
»Genau. Es ist überhaupt nichts passiert«, fügt mein ehemals bester Freund hinzu.
»Noch nicht«, kichert mein ehemaliger Bruder.
»Raus«, brülle ich Lorenz ins Gesicht. »Mach dass du wegkommst und laß dich bloß nicht wieder blicken.«
»Christopher, worüber regst du dich so auf?« fragt Frederick unschuldig. »Meine Güte, wir haben nur ein bißchen geknutscht. Seit wann bist du denn so verklemmt?«
»Du«, sage ich eisig und deute in seine Richtung, »verpiß dich in dein Zimmer. Und bete zu Gott, dass ich Mom und Paps nichts erzähle. Und du«, zu Lorenz gewandt, »laß dir eine ver-dammt gute Erklärung einfallen, bevor ich dich töte.«
»Chrissie, ehrlich...ich hab nichts weiter vorgehabt. Denkst du, ich bin bescheuert, mich mit deinem kleinen Bruder einzulassen?«
»Genau das denke ich, nachdem ich das hier gesehen habe. Seid ihr eigentlich total ver-blödet? Ich fasse es nicht. Frederick, ich sag das nicht nochmal...VERSCHWINDE.«
Ein bißchen bedröppelt steht Frederick in der Gegend rum und wirft Lorenz einen SEHR eigenartigen Blick zu, bevor er geht.
»Ok...was um Himmels Willen geht in deinem abartigen Schädel vor?«
»Wieso ist es abartig, einen Jungen zu küssen?«
Mann, ich muß erstmal nach Luft schnappen. »Wir reden hier von meinem Bruder, ja. Und er ist verflucht nochmal VIERZEHN. Und er steht auf Mädchen. Und überhaupt, wenn du ihn noch einmal anfaßt, prügel ich die Scheiße aus dir raus.«
»Komm wieder runter. Ich hab ihn schließlich nicht vergewaltigt oder sowas. Er...er wußte genau, was er wollte.«
»Na dann ist ja alles in Ordnung«, schnaube ich. »Wie weit wär das denn gegangen, wenn ich euch nicht unterbrochen hätte, hä?«
»Es wär gar nichts weiter gegangen.«
»Fick dich, Lorenz. Ich kann mich noch gut erinnern, was du mir angeboten hast. Und mit Nick hast du dasselbe abgezogen. Du bist so eine Schlampe. Aber ich sag dir was, von meinem Bruder wirst du dich in Zukunft fernhalten. Der kommt nicht zu deinen Trophäen.«
»Hast du was mit den Ohren? ER WOLLTE DAS. Und außerdem, ich...ich mag ihn. Sehr.«
»Du gehst jetzt wohl besser«, sage ich kalt.
16
I will never fall in love again stay forever on my own
Ich vermisse Christopher bis zum Schwachsinn. Vielleicht hätte ich es doch versuchen sollen? Aber als er mich geküßt hat...ich hab einfach Panik bekommen. Und jetzt? Ich denke, es ist einfacher, Sehnsucht nach ihm zu haben. Nee, nicht einfacher. Sicherer. Lieber aus der Entfernung anschmachten. Da kann einem wenigstens nichts Schlimmes passieren.
»Hey, Knallkopp.« Vani steckt ihren Schädel durch die Tür. »Darf ich reinkommen?«
»Klar.«
Sie wirft sich neben mich aufs Bett. »Und...was macht der Liebeskummer?«
»Hält sich in Grenzen.«
»Ach ja?«
»Ja. Eigentlich fühle ich mich relativ wohl. Es war eine gute Entscheidung, mich von ihm zu trennen.«
Komisch, oder? Ich bringe es nicht fertig, seinen Namen laut auszusprechen. Wenn ich das tue, bin ich sofort verloren.
Vani seufzt. »Du machst einen Fehler, Nick. Nur weil man Angst hat, darf man nicht aufhören, sich zu verlieben. Mann, du bist so abgedroschen.«
»Und wenn schon. Es ist ok für mich.«
»Und wieso liegst du dann hier rum und hast total verheulte Augen? Schnapp ihn dir, bevor es zu spät ist.« Sie schlägt sich gegen die Stirn und schüttelt den Kopf. »Oh mann, ich kann nicht glauben, dass ich versuche, dich mit Christopher zusammen zu bringen. Ich meine, ich sollte mich freuen, dass Schluß ist. So hab ich wenigstens wieder den Hauch einer Chance.«
»Nur weil ich ihn nicht will heißt das nicht, dass ich jetzt auf Mädchen stehe.«
»Ich weiß«, antwortet sie zerknirscht. »Was soll ich machen? Es tut eben immer noch ein bißchen weh. Allerdings hab ich das halbwegs unter Kontrolle und heule nicht mehr jede Nacht. Oder stopfe mich mit Süßkram voll.«
»Können wir bitte das Thema wechseln?«
»Ok. Wie wäre es mit ausgehen am Wochenende?«
»Wenn es unbedingt sein muß«, seufze ich.
»Du kannst dich schließlich nicht ewig hier verkriechen.«
Ich kann es zumindest versuchen. Und ich kann versuchen, meine Gefühle abzuschalten.
Ich weiß, dass das geht. Bei Marco hat es auch funktioniert.
»Wie geht's eigentlich Lorenz?« fragt Vani plötzlich und wird ein bißchen rot.
Was hat das denn zu bedeuten? Ich meine, das hat doch was zu bedeuten. Au weia...hoffentlich hat sie nicht ihn auserkoren, um über mich hinweg zu kommen. Lorenz ist ein Weiberheld und wird ihr sicher das Herz brechen. Außerdem steht der auf Melitta und außerdem will der Jungs küssen.
»Gut, glaube ich. Wieso?«
»Nur so. Frag ihn doch, ob er am Samstag mitkommt. Zu zweit ausgehen bringt's irgendwie nicht, oder?«
»Nee, ja, kann ihn mal fragen.«
Scheiße...Lorenz ist meine einzige Verbindung zu Chris...zu IHM. »Vielleicht kommt Melitta auch.«
Vani verzieht kaum merklich das Gesicht. »Ja, vielleicht.«
Alles klar. Die will sich Lorenz schnappen.
Samstagabend...Partytime. Ich will kotzen. Hab gar keinen Bock auf Leute sehen und smalltalken. Mir ist das momentan irgendwie zuviel. Ich will lieber meine Ruhe. Leider läßt man mir die nicht.
Melitta trifft sich mit einem neuen Typen, was Vani natürlich sehr freut. Besonders, weil Lorenz kommt.
Im Sil spielen heute CINEMA STRANGE und ich hab so ein ganz ganz unangenehmes Gefühl im Magen. So eine Übelkeit. So einen Brechreiz. So, als würde noch was sehr Fieses passieren.
»Hey«, Vani stubst mich an, »du hast gesagt, du kommst mit der Trennung klar. Dann mach sofort ein freundliches Gesicht.«
Ich grinse horrorartig.
»Da ist Lorenz«, brüllt sie hastig und wedelt auch schon mit dem Arm.
»Hi«, begrüßt er uns, stellt seine vier (?!) Flaschen Bier ab und setzt sich an den Tisch.
Komisch, der ist sonst gesprächiger. Am Telefon, als ich gefragt hab, ob er mitkommt, war der auch schon so eigenartig.
Vani versucht sogleich Lorenz charmant zu beflirten, was der entweder nicht merkt oder es ist ihm egal. Er geht nämlich absolut nicht darauf ein. Dabei sieht Ivana heute wirklich wunderhübsch aus. Lorenz kippt schweigend sein Bier runter.
Das Sil ist rappelvoll. Die Vorband interessiert mich einen Scheiß und auf CINEMA STRANGE kann ich mich auch irgendwie nicht freuen. Obwohl ich die eigentlich ziemlich geil finde. Ich weiß, dass ER die auch mag. Ob ER hier ist? Verdammt, natürlich. Sowas läßt der sich doch nicht entgehen. Merkwürdig, daß Lorenz nicht mit ihm, Kathrin und Isi da ist.
»Da...da ist Frederick«, sage ich dümmlich und total überrascht. DEN hab ich hier ehrlich noch nie gesehen.
Lorenz' Kopf schnellt nach oben. »Wo?«
»Na da. Der ist grad reingekommen.«
»Scheiße...ist Chrissie auch da?«
»Mir doch egal«, antworte ich und hoffe, es stimmt.
»Wer ist Frederick?« fragt Vani.
»Sein Bruder.«
»Ich wußte gar nicht, dass du Geschwister hast, Lorenz.«
»Nicht sein Bruder...Christophers Bruder«, erkläre ich matt. »Was macht der hier?«
»Hey, der ist aber süß«, grinst Vani.
Ja, finde ich auch. Ist mir gar nicht aufgefallen. Aber heute...meine Güte. Schwarze Cordhose, schwarzes Shirt, Silbergürtel und verstrubbelter Blondschopf. Elegant-lässig lehnt er an der Theke. Der ist genauso zierlich wie...Christopher. Ich hab doch wieder Liebeskummer.
Lorenz sagt immer noch nichts, ist allerdings ein bißchen rot an den Wangen, was wohl vom Alkohol kommt. Er sieht reichlich deprimiert aus. Müde, traurig...eben so, wie ich mich fühle. Also da stimmt doch was nicht. Ich bemerke nämlich, wie er andauernd verstohlen in Richtung Theke glotzt.
Ich glotze nebenbei auf den Eingang...Christopher taucht bestimmt noch auf. Dann verpiß ich mich aber ganz schnell.
Endlich kommen CINEMA STRANGE und alles stürmt zur Bühne. Keiner von uns dreien will mitstürmen. Ich verrenke mir immer noch den Hals und...au weia. Kathrin und Isi. Christopher...ja, ich sehe ihn jetzt durch einen Pulk von schwarzen Gestalten. Mein Herz bleibt mal eben stehen. Er unterhält sich mit einem Typen, was allerdings sicher nichts zu bedeuten hat.
»Hallo.« Frederick hat es geschafft, sich zu uns durchzukämpfen.
Lorenz wirft seine Bierflasche um. »Hey.« Seine Augen glänzen ganz merkwürdig, er schluckt angestrengt und scheint sehr nervös zu sein.
»Wollt ihr nicht nach vorne gehen?« fragt Frederick, ohne Lorenz aus den Augen zu lassen.
»Hab keinen Bock, deinem Bruder in die Arme zu laufen«, nuschelt Lorenz.
»Der soll sich selber ficken.«
»Kann mir mal einer erklären, was los ist?« frage ich. Anscheinend will das keiner. Die beiden kucken sich nur dackelig an.
Moment mal...ich kenne solche Blicke. Nein, das glaub ich nicht. Das kann ich mir nicht vorstellen. Nie im Leben.
»Viel Spaß noch«, wünscht Frederick zickig und verschwindet wieder in der Masse.
»Ich gehe auch mal nach vorne«, erklärt Lorenz hastig und verschwindet ebenfalls.
Ey...hier sind doch alle schwachsinnig. Was zur Hölle kümmert mich das? Mich kümmert der Typ, der gerade an Christopher rumfummelt, ihm was ins Ohr sagt. Das sieht so aus... Kacke, Christopher hat sich ja schnell getröstet. Klar, der Typ ist sein neuer Freund. Mir ist nach heulen und sterben. Dummerweise ist das auch noch meine eigene verfluchte Schuld. Ich wollte ihn nicht und er sucht sich halt einen anderen Typen. Kann ich ihm das verübeln?
Nur, dass es so fix geht, hätte ich nicht gedacht. Die zwei scheinen sich prächtig zu amüsieren. Ich kann mir das nicht geben.
»Vani...laß uns abhauen, ja?«
»Wieso?«
»Weil da vorne Christopher mit seinem neuen Freund steht.«
»Ich hab dir gesagt, du machst einen Fehler«, seufzt sie. »Wo ist denn Lorenz abgeblieben?«
Das interessiert mich einen verdammten Scheiß. Der Typ küßt Christopher auf den Mund. Mir ist, als hätte jemand mein Herz mit einem Löffel rausgerissen.
Als wir uns zum Ausgang durchrempeln wollen, hält mich plötzlich jemand fest. Ja, selbstverständlich ist es mein Exfreund. Mir bleibt heute nichts erspart. Der Typ hat einen Arm um seine Schulter gelegt. Ich glaub, ich muß kotzen.
»Wo ist Lorenz?« fragt Christopher.
»Woher soll ich das wissen?« brülle ich und schüttel aggressiv seine Hand von meinem Arm.
»Hast du meinen Bruder gesehen?«
Hat der den Irrsinn? Steht da mit seinem Arschlochfreund und fragt mich so eine Scheiße?!
»Nein«, kreische ich.
»Verdammt«, zischt er, glotzt sich um und rennt weg.
Willkommen in der Klapsmühle! Ich hab zum Glück noch Verstand genug, um nach Hause zu gehen.
Niemals wieder werde ich diese Wohnung verlassen. Vani ist gefrustet nach Hause gefahren, obwohl ich ihr angeboten habe, bei mir zu übernachten. Ich bin froh, dass sie das Angebot nicht angenommen hat. Mir schwirrt der Kopf. Christopher hat einen Freund und der bin nicht ich. Das war's. Es ist endgültig aus und vorbei und zuende. Wenn ich mir vorstelle, was die jetzt miteinander treiben...mein Herz rast, ich kann kaum atmen, ein fetter Kloß sitzt mir in der Kehle. Ich ganz allein hab's verpatzt. Ich hoffe nur, der Typ macht ihn glücklich. Er hat es verdient. Christopher verdient nur das Beste!
Ahhh...wie selbstlos von mir, oder? Mir dreht sich der Magen um. Als ich gerade ins Bett gehen will, klingelt mein Handy. Das Display sagt Lorenz.
»Was gibt's?«
»Ähem, hi, ich...ich stehe grad vor deiner Haustür. Kann ich raufkommen?«
Meine Mutter wird mich wahrscheinlich kastrieren, wenn sie das mitkriegt. Jungs bei mir... mitten in der Nacht. Um Himmels Willen!
»Lorenz...ey, meine Mutter...nee, lieber nicht.«
»Es ist wichtig. Bitte!«
Hörte ich ihn eben etwa schluchzen?? »Also meinetwegen. Aber klingel nicht. Ich mach dir so auf. Und sei bloß leise.«
»Okay.«
Ein paar Minuten später haben wir uns unbemerkt in mein Zimmer geschlichen. Lorenz sitzt auf meinem Bett...wie ein Häufchen Elend. Seine Lippe blutet ein bißchen.
»Was ist passiert?«
»Dein Exfreund ist mir passiert.«
»Pssst...nicht so laut. Wenn meine Mutter dich hier findet...die killt uns beide. Und was hat Christopher mit deiner Lippe zu tun? Zu fest reingebissen, oder was?« versuche ich zu scherzen, obwohl mir gar nicht danach ist.
»Zu fest draufgeschlagen«, verbessert er bitter.
»Und seit wann schlägt der dich? Haste seinen neuen Freund gefragt, ob er dich küssen will?«
»Nee, seinen kleinen Bruder. Und ich hab nicht nur gefragt. Ich meine, ich mußte ihn ver-dammt noch mal nicht erst fragen.«
Au weia! Mir war doch gleich so, als die sich im Sil angeschmachtet haben.
»Christopher hält mich allerdings für den großen bösen Wolf, der Frederick auffressen will.«
»Dass der überhaupt noch was mitkriegt. Ich meine, der ist doch total beschäftigt mit seinem neuen Freund.«
»Fuck neuer Freund. Es geht hier um mich, Nick, ok? Wenn du zu feige bist, ihm zu sagen, dass du ihn liebst, ist das deine Sache. Mann, ich hab's echt satt, euch ständig sagen zu müssen, wie der andere tickt. Ich spiele nicht mehr Amor für euch Vollidioten. Kriegt das gefälligst selbst auf die Reihe.«
Ich bin so überrascht, dass ich erstmal gar nichts sagen kann. »Ok, dann erzähl, was los ist.«
Lorenz fährt sich angestrengt schnaufend durch die Haare. »Verknallt hab ich mich. In Frederick. Lustig, hä?«
»Ist...ist der nicht noch ein bißchen...äh...klein?«
»Jaja und ich bin ein alter Sack, oder was? Meine Güte, Frederick wird fünfzehn. Was soll die Scheiße mit dem Alter? Ich bin verschossen, was soll ich dagegen machen?«
»Und er?«
»Das ist überhaupt das Geilste. Der ist jetzt auch noch sauer auf mich. Ich hab mich seinetwegen mit meinem besten Freund geprügelt und er ist sauer, weil er denkt, dass ich...ach, Fuck, ich hab keine verdammte Ahnung, was er denkt. Er meint, dass es Christopher nichts angeht und ich sage, dass ich keinen Streß mit ihm will also denkt Frederick, dass Chrissie mir wichtiger ist.«
»Und...du bist echt verliebt?« frage ich vorsichtig. »Ich dachte, du stehst doch mehr auf Mädchen.«
»Hab ich auch gedacht. Besonders nachdem ich euch geküßt habe. Echt, das war nur Spaß, nichts weiter. Aber Frederick...au mann. Ich krieg schon Herzklopfen und rote Ohren, wenn ich an ihn denke.«
Arme Ivana!
»Und wie ist es zu der Prügelei gekommen?«
»Chrissie hat uns knutschend auf'm Klo erwischt. Der ist total ausgetickt. Noch schlimmer als beim ersten Mal.«
»Beim ersten Mal?«
»Ja, da lagen wir auf seiner Couch«, erklärt Lorenz.
»Oh...«, sage ich dümmlich, weil ich das alles immer noch nicht so ganz richtig begreife. Ich meine, Lorenz und Frederick, das ist wirklich unglaublich. Wenn das mein Bruder wär... ich würde vermutlich auch Amok laufen. Immerhin weiß ich, was für ein Aufreißer Lorenz ist. Christopher weiß das ebenfalls. Klar, daß der nicht vor Freude tanzt.
»Und was willst du jetzt machen?«
Lorenz verzieht das Gesicht. »Wenn ich das wüßte, müßte ich mich nicht bei dir ausheulen, du Blödmann. Wieso ist Chrissie nur so angepißt?«
»Mh...vielleicht weil er weiß, dass du andauernd durch die Gegend vögelst?« schlage ich vor.
»Vielleicht ist das auch alles deine Schuld.«
»Hä, was hab ich damit zu tun?«
»Wenn du nicht mit ihm Schluß gemacht hättest, wenn du nicht wie ein Psychoarschloch verhalten hättest, wäre er nicht so mies drauf. So mies, dass er Leute zusammenschlägt.«
»Das ist aber jetzt sehr an den Haaren herbeigezogen, findest du nicht? Außerdem hat der doch schon einen neuen...«
»Freund«, unterbricht er mich aggressiv, »jaja, hab's gesehen. Na und? Du wolltest ihn schließlich nicht. Also hör auf rumzujaulen. Scheiße, ich gehe nach Hause. Tu mir einen Gefallen...ruf mich die nächsten hundert Jahre nicht an«, zischt er und stürmt davon. Alle außer mir haben den Verstand verloren!!
Weil ich nicht schlafen kann, greife ich zum Telefon und rufe Krümel an. Ich muß einfach mal mit einem normalen Menschen reden.
Es dauert ziemlich lange, bis er sich, sehr außer Atem und ein wenig genervt, meldet.
»Hallo?« japst er.
Selbst das klingt bei Krümel geil und unanständig.
»Hi.«
»Nick? Mann, es ist tausend Uhr.«
»Ja...störe ich?«
»Mhh...also eigentlich...hab mit Keks grad Versöhnung gefeiert.«
»Oh, habt ihr euch gestritten?«
»Nee, wieso?« fragt er verwirrt.
Die zwei sind echt nicht auszuhalten. Versöhnung feiern heißt bei denen vögeln, vögeln, vögeln. Gott...die sind so süß!
»Hier geht alles den Bach runter«, fange ich an zu jammern.
Ein Schmatzen dringt an mein Ohr, dann höre ich Keks' Stimme. »Nick, du rufst grad extrem ungünstig an.«
»Tut mir leid.«
»Ja, egal. Was ist los?«
Wir telefonieren den Rest der Nacht und danach weiß ich, was ich zu tun habe.
17
Ich wußte gleich, dass es eine Schnapsidee ist. Wenn Isi und Kathrin mich verkuppeln wollen, kann nur Kacke dabei rauskommen. Dabei ist Florian echt süß und nett aber eben kein rehäugiger Nicki. Letzterer war natürlich auch im Sil, hat mich mit Florian gesehen und denkt jetzt sicher wer weiß was. Ich glaube kaum, dass ich bei Nick noch eine Chance habe. Der war so aggressiv, als ich nach Lorenz gefragt habe, meine Güte. Blödarsch...er hat doch Schluß gemacht. Naja, momentan hab ich eh mehr mit Lorenz und Frederick zu tun. Mir kam es reichlich komisch vor, dass mein kleiner Bruder plötzlich so scharf drauf war, CINEMA STRANGE zu sehen. War er gar nicht. Er wollte Lorenz sehen. Und nicht nur das.
Aufs Klo wollte er mit ihm. Aufs Klo und knutschen und ihm vermutlich noch schnell einen blasen...wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre. Au mann, hab ich Lorenz echt ins Gesicht geschlagen? Mir kommt das alles wie ein Alptraum vor. Ich hab Lorenz sehr gern, der soll nur die Finger von meinem vierzehnjährigen Bruder lassen.
Frederick hasst mich neuerdings. Weil ich seinem Liebsten die Visage poliert habe. Er redet nicht mehr mit mir, ignoriert mich total. Isi ist ebenfalls angepißt, weil ich ihr nicht sofort gesagt habe, was zwischen Lorenz und Frederick abgeht. Florian ist sauer, weil ich ihn nicht gleich heiraten wollte.
Entschuldigung aber mein Leben ist mir momentan eindeutig zu anstrengend.
Da ich geradezu ekelhaft harmoniesüchtig bin und überhaupt nicht damit klarkomme, wenn jemand sauer auf mich ist, besuche ich erstmal meinen Bruder. Der zieht eine Supervisage als er mich in der Tür stehen sieht.
»Verpiß dich, Christopher. Ich meine es ernst. Laß...mich...in...Ruhe!«
»Ich würd gerne mit dir reden.«
»Hast du mich nicht verstanden? Fick dich.«
Das tue ich nicht, sondern setze mich zu ihm aufs Bett. Frederick ist fuchsteufelswild. »Ich will nicht mit dir reden. Ich will dich nicht sehen. Hau ab!«
»Es...es tut mir leid«, sage ich leise.
»Das kannst du dir in deinen dämlichen Arsch stecken. Wichser.«
»Ok, wenn du mich genug beschimpft hast...kannst du mir dann verdammt noch mal sagen, was eigentlich abgeht?«
Frederick sieht aus, als wollte er mich jeden Moment fürchterlich zusammenschlagen. »Was geht dich das an? Sage ich dir vielleicht, wen du vögeln darfst und wen nicht?«
»Oh...seid ihr etwa schon so weit, ja? Lorenz hat nicht lange gebraucht, dich rumzukriegen.«
»Ich mache, was ich will. Du bist doch nur angepißt, weil Nickinick sich verabschiedet hat. Weil ich mit jemandem zusammen bin und du nicht. Mann, Christopher, wenn du wüßtest, wie armselig du bist.«
Au...das tut echt weh. »Es geht nicht um Nick. Es geht um dich und Lorenz.«
»Raffst du das nicht? Was ich mit Lorenz mache, geht dich nichts an. Wie oft muß ich das noch sagen?«
»Seit wann stehst du überhaupt auf Jungs?« frage ich relativ freundlich und verständnisvoll. Frederick verzieht genervt das Gesicht. »Oh bitte...ich hab dich auch nicht mit solchen Kack-fragen genervt, als du uns eröffnet hast, dass du Jungs ficken willst. Aber wenn du es unbe-dingt wissen mußt...es ist Lorenz, ok. Ich hab eben Lust, ihn zu küssen. So einfach ist das. Was zum Teufel stört dich daran?«
»Die Tatsache, dass du erst vierzehn bist, zum Beispiel. Die Tatsache, dass Lorenz durch die Gegend poppt, ohne sich Gedanken zu machen. Ich will doch nur nicht, dass...dass er dir wehtut.«
»Ach so, deshalb hast du ihm aufs Maul gehauen, ja? Hör auf, großer Bruder zu spielen, der mich beschützen muß. So eine Scheiße gab's zwischen uns nie. Warum bringst du nicht erstmal DEIN Leben in Ordnung anstatt dich in meines einzumischen?«
»Kannst du überhaupt nicht verstehen, dass ich mir Sorgen um dich mache?«
»Ja...RAUS!«
Na, das hat ja prima geklappt.
Hab Florian noch mal gesagt, daß ich ihn zwar mag aber mehr nicht. Jedenfalls noch nicht. Ich meine, hey, ich hab mich gerade erst von Nick getrennt. Da kann ich mich doch nicht schon in die nächste Beziehung stürzen. Florian hat das wohl eingesehen, war allerdings reichlich bedröppelt. Ich meine, scheiße, der ist ganz schön verknallt in mich. Was soll ich denn machen? Nur mit ihm zusammen sein, weil ich Nicki nicht haben kann? Als Ersatz?
Nicki kann niemand ersetzen und ich will mich nicht ständig schuldig fühlen, wenn ich Florian küsse und dabei an Dominik denke. Ich möchte mein Rehauge zurück haben! Ganz egal, wie gestört der ist. Aber wenn ich mir ein bißchen Zeit lasse und mich bemühe, ver- liebe ich mich vielleicht doch noch in Florian. Wäre vermutlich das Beste für alle Beteiligten.
Ich überlege, Lorenz anzurufen, weiß aber nicht, was ich sagen soll. Fredericks Frage, wes-halb es mich so stört, geistert mir durch den Schädel. Es tut mir leid für Isi aber deshalb hab ich ihm nicht auf die Lippe gehauen. Also warum? Keine Ahnung, bin halt einfach ausge-tickt. Florian, der mich andauernd begrapschte, Nicki, der das gesehen hat und dann noch Lorenz...tut mir leid aber das war einfach zu viel. Bin eben auch nur ein Mensch.
Au weia, komm schon, Christopher...was ist das denn für eine lahme Entschuldigung? Ich sag's ja nicht gern doch vermutlich hat Frederick recht. Solange ich über ihn nachdenke, muß ich mich nicht um meinen Scheiß kümmern. Ach wie klar ich mal wieder alles sehe... nur weiterhelfen tut's mir nicht.
Regen prasselt wie bekloppt gegen die Scheibe, ich bin deprimiert und will mich am liebsten auflösen. Das geht nicht, weil es soeben klingelte. Scheiße, kann man hier niemals seine Ruhe haben? Das ist bestimmt Isi, die mir die Hölle heiß machen will oder Lorenz, der mich erst umbringt und dann meinen kleinen Bruder durchbumst.
Jemand schlurft die Treppe hinauf...oh schön! Es ist Florian. Den kann ich jetzt echt gut ge-brauchen.
»Hallo«, sage ich.
»Ähem...hi...ich wollte, also, mh, ich dachte...du hast zwar gesagt, dass du...scheiße, ich wollte dich einfach nur sehen.«
»Ja...na, dann komm mal rein«, entgegne ich gelangweilt, habe allerdings sofort ein sehr schlechtes Gewissen. Erwähnte ich, dass Florian süß und lieb und nett ist?! »Willst du was trinken oder so?«
Er schüttelt nervös den Kopf, schaut sich etwas beklommen um. »Äh...schönes Zimmer.«
»Hm-hm.«
Also gesprächig ist der auch nicht. Noch weniger als Nick. Da! Schon wieder wuselt der Idiot durch meinen Schädel. Ich halt's nicht aus.
»Alles in Ordnung bei dir?« fragt Florian zittrig.
Ich möchte mich kaputtlachen. »Abgesehen davon, dass ich meinen besten Freund ver-droschen habe, weil der meinen kleinen Bruder vögelt; meine beste Freundin am Stock geht, weil sie dummerweise in meinen besten Freund verknallt ist, der aber lieber meinen kleinen Bruder vögelt; mich alle hassen...ja, abgesehen davon ist alles in Ordnung.«
»Entschuldige...das war eine blöde Frage. Tut mir leid.«
»Schon ok, du kannst ja nichts dafür.«
»Übrigens, ich hasse dich nicht«, entgegnet er ganz leise und wird rot.
Ich setze mich neben ihn und streiche ihm über die Wange. »Du bist süß.« Seine Augen glänzen. »Ja?«
Um ihm zu zeigen, dass ich meine, was ich sage, küsse ich ihn ein bißchen. Das ist ganz schön aber nicht so wahnsinnig himmlisch und zum in Ohnmacht fallen atemberaubend wie Nicki küssen. Was soll's...man kann nicht alles haben.
Florian zieht mich in seine Arme, seine Lippen wandern über meinen Hals, seine Hände wuseln durch mein Haar. Er ist ganz warm und weich. Ich kann spüren wie schnell sein Herz klopft. Und ich kann hören wie es schon wieder an der fucking Tür klingelt.
»Sorry.« Ich wurschtel mich aus seiner Umarmung und öffne.
Ach du Scheiße! NICK!!! Kann ich bitte kurz und schmerzlos sterben?!
Au weia...wie der lächelt. Hä? Was will der hier? Warum strahlt der mich so an??
»Ich muß dringend mit dir reden, Christopher«, ruft er mir fröhlich entgegen.
Schön für ihn. Hat der Drogen genommen?
Als er mein Zimmer betritt, hört er auf zu lächeln. Er sieht nämlich den süßen Florian auf meinem Bett liegen. Das heißt, als Nick erscheint, springt Florian erschrocken auf. Bin ich in einer Seifenoper gelandet? Mir ist irgendwie so.
»Oh...ich wußte nicht, dass...oh...«, kommt es bedröppelt aus Nicks Mund.
Ich kann sagen, dass ich die Situation hier nicht wirklich im Griff habe. Halloho...was soll ich jetzt tun?
»Entschuldige aber was hast du erwartet?« frage ich Dominik ärgerlicher als es meine Ab-sicht war.
Florian setzt sich unkomfortabel aufs Bett und stiert auf den Boden. Nick sieht wahnsinnig traurig aus. Ich bete inständig, dass mich jemand abknallt.
»Ich...ich weiß auch nicht«, erklärt Nick mit hängenden Schultern. »Tut mir leid«, fügt er noch hinzu und macht, dass er wegkommt.
Ein paar Minuten verstreichen. Ein paar Minuten, in denen mein Leben an mir vorbei zieht. Ok, nicht mein ganzes Leben. Nur die Momente mit Nick. Danach renne ich ihm wie be-kloppt hinterher.
Draußen ist es stockdunkel. Es regnet heftig, was mir schnuppe ist. Ich jage Nicki nach, da-bei weiß ich ja nicht einmal, in welche Richtung er gegangen ist. Egal, ich muß ihn finden. Schon nach wenigen Metern bin ich durchnäßt...spielt keine Rolle. Ich renne und hole ihn zum Glück ein. Er dreht sich um, als ich an seine Schulter fasse. Sein Gesicht ist feucht. Sicher liegt das nicht nur am Regen. Er schluchzt nämlich. Das könnte allerdings mit der Kälte zusammenhängen. Ich friere mir längst den Arsch ab.
»Hey...«
»Ich hätte nicht...«, beginnt er, schüttelt den Kopf und schluchzt erneut herzzerreißend. »Ich wollte doch alles in Ordnung....ich wollte, dass du und ich...tut mir leid.«
Arschloch! Muß der mir sowas antun? So dramatisch und wunderschön im Regen stehen? Zitternd, nass bis auf die Knochen und heulen? Müssen ihm seine dämlichen Zimthaare so ins Gesicht hängen? Da kann ich mich doch gar nicht dagegen wehren. Da muß ich ihm doch mit meinen regennassen Ärmeln die regennassen Strähnen aus den Augen streichen, oder?! Sein Gesicht in meine Hände nehmen und ihn ganz sanft auf die zitternden Lippen küssen.
»Du...du frierst ja«, flüstert er und schlingt seine Arme um mich.
Jetzt, genau jetzt, könnte die Welt untergehen...es wär mir kackegal. Mein Rehauge hält mich fest. Mein Nicki.
»Ich glaub, wir gehen besser mal zurück«, sage ich nach einer Weile.
Mein Zimmer ist leer. Florian weg. Scheiße...dem hab ich wahrscheinlich das Herz gebrochen. Ich fühle mich zum Kotzen und bin gleichzeitig wahnsinnig glücklich. Wieso muß eigentlich immer jemand leiden?
Und wieso stehen wir uns gegenüber und sagen nichts? Mein Hirn hat sich schon wieder komplett verabschiedet. Allerdings bin ich noch in der Lage, ihm ein paar von meinen Klamotten zu geben und mir selbst ebenfalls etwas Trockenes anzuziehen.
Schließlich sitzen wir auf meinem Bett, wo Nicki mir mit einem Handtuch zärtlich die Haare trocknet. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schütteln die letzten Regentropfen von ihren Flügeln und flattern aufgeregt hin und her. Trotzdem will ich mich mal lieber nicht zu früh freuen. Und überhaupt...natürlich liebe ich ihn aber das ist nicht er Punkt. Ich wünschte ja, ich könnte einfach nur genießen, dass er hier bei mir ist, doch das geht nicht. Ich will Be-ziehung, kein Drama ohne Ende. Ein Kuß im Regen läßt mich nicht sämtliche Realität ver-gessen.
»Ich...ich hatte wirklich nicht die Absicht, dich zu stören«, beginnt Nick, »Dich und....«
»Ist jetzt auch egal«, unterbreche ich ihn. »Du bist hier, Florian nicht.«
»Seid ihr zusammen?«
»Nenn mir einen Grund, warum dich das noch etwas angehen sollte.«
»Ich hab dich gern.«
»Ich dich auch und weiter?«
»Es tut mir leid, dass ich so ein Arschloch war, Christopher.«
Ich glaub, ich hör nicht richtig. Dominik entschuldigt sich? »Vielleicht kannst du mir jetzt endlich mal erklären, was eigentlich mit dir los ist.«
Nick starrt bedröppelt auf seine Finger, die verkrampft in seinem Schoß liegen. »Ich...ich hatte Angst davor, dir so nah zu sein. Weil ich nicht nochmal verletzt werden will.«
»Das hat Lorenz mir schon gesagt. Erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß.«
Das tut er. Und wie. Er hört gar nicht mehr auf.
Wow...die Sache mit Marco klingt wirklich sehr übel. Da hätte jeder einen Schaden be-kommen. Gott, was für eine miese kleine Arschgeige. Ich hab sofort Lust, ihm die Fresse zu polieren. Sowas kann ich seit der Sache mit Lorenz gut...HAHA.
Die Sven-Geschichte klingt genauso traurig. Nicki muß echt verknallt gewesen sein und der Döskopp schießt ihn für eine Ätztussi ab.
Ok, ich kann Nickis Verhalten jetzt einigermaßen verstehen, weiß aber immer noch nicht, was aus UNS werden soll?!
Ich weiß irgendwie gar nichts mehr. Nur, dass mich der Abend total geschafft hat, ich müde und ausgelaugt bin. Dominik redet noch immer, meine Augen wollen zufallen. Ist ganz schön schwer, wach zu bleiben. Besonders wenn's draußen regnet und man selbst unter einer warmen Bettdecke liegt.
Das monotone Geräusch der Regentropfen, die gegen die Fensterscheibe prasseln, höre ich nur noch entfernt. Ich...ich...
Ich öffne meine Augen. Nicki liegt neben mir und sieht mich an. Lächelnd kuschel ich mich in seinen Arm. »Mhhh...ich liebe es, mit dir aufzuwachen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass ich dich wiederhabe«, seufze ich und will ihn küssen.
»Ähem...«
»Was ist denn?«
»So weit waren wir noch nicht. Du...du bist eingeschlafen, bevor...«
»Oh«, entgegne ich verschämt und rücke etwas von ihm weg, »ich dachte...äh...wo sind wir denn stehengeblieben?«
»Keine Ahnung. Ich hab dir, glaube ich, gesagt, dass ich wahnsinnig in dich verliebt bin und mit dir zusammen sein möchte. Obwohl ich natürlich weiß, dass du wahrscheinlich die Nase voll von mir hast, weil ich ein verfluchter Scheißkerl bin, der so etwas Wundervolles wie dich gar nicht verdient und ich leider erst jetzt begriffen habe, daß du das absolut Unglaublichste, Tollste, Beste und Einzigartigste bist, das mir jemals passiert ist und dass ich keine Minute mehr ohne dich leben will.«
Mein Herz bollert so laut, ich hab Probleme, Nickis leise Stimme zu hören. Gut, dass ich liege, meine Knie sind so weich, ich würd sofort umfallen. Mein gesamter Körper kribbelt. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen. Wahrscheinlich werde ich mit einem lauten Knall explodieren, wenn er mich berührt.
»Scheiße«, röchel ich, »scheiße...du machst mir eine Liebeserklärung und ich schlafe ein?«
»Ja«, grinst er, »ich fand das auch etwas...äh...unhöflich.« Dann sieht er mich nervös an.
»Denkst du, du kannst es nochmal mit mir versuchen?«
Anstatt ihm zu antworten, wurschtel ich unterm Kopfkissen den Fischgrätenohrring hervor und friemel ihn in mein Ohr. Nicki strahlt mich an.
»Kein Wort mehr über mein Zimmer. Kein überstürztes Abhauen nach'm Sex. Kein blödes Streiten um irgendeine Kacke. Und fasel mich bloß nie wieder voll, dass du zu dick bist.«
Ich überlege kurz. »Und natürlich keine Eifersuchtsszenen, wenn Isi bei mir pennt.« Das hätte ich mir eigentlich sparen können, weil Isi mich bekanntlich hasst. »Und...selbstverständlich bleibt die Fledermaus hängen«, füge ich hinzu und deute auf das Gummitier.
»O-okay«, murmelt er. »Darf...darf ich dich jetzt küssen?«
Oh, mir wird ganz warm. »Wenn du willst«, entgegne ich achselzuckend.
Er beugt sich über mich und berührt mit seinen süßen Lippen ganz leicht meinen Mund. Ich fackel nicht lange, teile mit meiner Zunge seine Lippen und umschlinge ihn mit Armen und Beinen. Mann, ich liebe diesen Knallkopp einfach!
18
Everything about you is so easy to love...
Das Zimträucherstäbchen glimmt vor sich hin, die Lichterkette leuchtet dezent, draußen hat es gerade eben zu schneien begonnen und ich liege hier unter einer flauschigen Decke in Christophers Armen. Kann das Leben schöner sein? Der hübscheste Junge der Welt liebt mich. Liebt mich mit all meinen Beknacktheiten...und von denen hab ich ja einige. Auf einmal fühle ich mich total leicht, berauscht und ich muß andauernd grinsen. Mein Herz spielt verrückt, wenn ich nur an Christopher denke. An sein süßes Lächeln, seine weichen Lippen. Mir ist ganz zittrig, immer wenn wir zusammen sind. Und das Beste daran ist...das Gefühl ist TOLL!!
Sicher hab ich ab und zu noch den ein oder anderen Einbruch aber ich versuche einfach Vertrauen zu haben und mich zu entspannen. Ich will echt, dass es mit ihm funktioniert, also rede ich zur Abwechslung mal mit ihm über meine Unsicherheiten.
Überhaupt haben wir nächtelang einfach nur gequatscht. Naja und zwischendurch gekuschelt wie verrückt.
Ich hab viel von Mom erzählt. Die hat nämlich jetzt Dauermigräne, weil ich einen Freund habe und macht mir das Leben ziemlich zur Hölle. Oma hat ihr zwar gehörig die Meinung gesagt, leider jedoch ohne Erfolg. Wäre anscheinend zu viel Happy End gewesen, wenn Mom Christopher in die Arme geschlossen hätte. Das hat Oma dann übernommen, die ist ganz hingerissen von ihm. Aber...hey, wer ist das nicht?!
Christophers Verhältnis zu Frederick hat sich wieder normalisiert. Der kleine Teufel hat Lorenz nach drei Wochen Super-Verknalltheit das Herz gebrochen, als er im SIL erst mit einem Jungen knutschte und schließlich mit Saskia. Ich glaube, der hat's noch nicht so mit Treue. Armer Lorenz. Und wer darf ihn jetzt trösten? Wir natürlich. Bei Isi und Ivana ist der unten durch. Er sagt, er leidet existentiell...was immer das auch heißen mag...und will sowie-so erstmal allein bleiben.
»Mhhh...« Christopher schmiegt sich näher an mich. »Was ist los? Braut sich da schon wieder irgendwas zusammen?« fragt er und tippt mir kurz an die Stirn.
»Kein bißchen«, entgegne ich.
»Gut. Es besteht nämlich auch überhaupt gar kein Grund. Ich liebe dich, Nicki.«
Sofort überkommt mich ein Schwächeanfall. Zum Glück liege ich bereits. »Ich...ich liebe dich auch«, antworte ich leise. »Gott...ich liebe dich auch«, sage ich laut und strahle ihn an.
»Hoffentlich vergißt du das nicht gleich wieder.«
»Blödmann«, schmolle ich beleidigt, doch er knufft mir in die Seite, kuschelt sich in meinen Arm zurück und küßt mich zärtlich.
Mit einem Auge schiele ich nach der Gummifledermaus. Mann, das Teil ist aber auch ätzend...
E N D E
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