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Bubblegum Trash

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Scholastika is back!

Gerade hab ich zwei liebessüchtige Herzchen aus meiner Wohnung vertrieben und versuche,

die süß schmollenden Schnuten aus meinem Kopf zu kriegen. Allerdings vermischen die

sich augenblicklich mit einer hinreißend schönen betörenden Engelvisage und sogar Bennies

Fresse geistert mir durchs Hirn.

Oh mann, ich brauche dringend Sex. Nicht, dass ich Probleme hätte, irgendwelche Typen aufzureißen, aber seit mich die Lichtgestalt verlassen hat, bin ich doch sehr wählerisch.

Und auch wenn ich, ganz unromantisch ausgedrückt, ficken will...ich mag hinterher kuscheln und das geht eben nicht mit einem, den man drei Sekunden kennt.

Scheiße, ich will jemanden zum liebhaben!! Jemanden zum Sonntag-im-Bett-verbringen- und-Süßigkeiten-essen-und-knuddeln.

Jemanden, für den man sich nicht andauernd in schlüpfrige Dessous schmeißen muss. Jemanden, der einen auch in labberigen Unterbuxen, die man von Omma zu Weihnachten bekommen hat, noch hinreißend findet.

Jemanden, der Flügel hat. Ich will meinen Engel!!

Bevor ich jedoch so richtig in Depressionen versinken kann, klingelt das Telefon auf meinem Froschtisch. Humpelnd mache ich mich auf den Weg. Humpelnd deshalb, weil mir pastellfarbene Wattebäusche zwischen den Zehen klemmen, war nämlich neben Suhlerei in Selbstmitleid dabei, meine Nägel glitzernd babyblau zu lackieren.

»Hallo?» säusele ich in den Hörer.

»Schola...ich...ich weiß nicht...oh scheiße...»

Mh, die Stimme kommt mir bekannt vor. Könnte Flo sein, den ich vor einigen Wochen inner

Disse kennengelernt habe.

»Ich hab...scheiße, das hört nicht auf zu bluten.»

Mir bleibt mal eben das Herz stehen. »Was zum Teuf...Geier hast du angestellt?» brülle ich.

Er heult. »Mein Handgelenk...ich wollte nur...scheiße, ich bin abgerutscht.»

Na super! Flo schlitzt sich in Hardcore-Situationen gerne mal die Arme auf. Ich hasse sowas.

»Bin gleich da», rufe ich, knalle den Hörer auf, flitsche die Watte von meinen Füßen, schmeiße mich in Frack und Fummel und rase los.

Als Flo die Tür öffnet, möchte ich spontan kotzen. Sein weißes T-Shirt ist blutverschmiert,

hässliche Schnitte an seinen Armen...teilweise verkrustet, aber ein paar glitzern frisch.

Sein Gesicht ist tränenüberströmt, sein Blick eine Mischung aus Angst und Wahnsinn.

Gott, der weiß, wie Drama geht. Er presst ein blutiges Taschentuch auf seinen Unterarm...zum Glück nicht die Pulsader!

Ich schlucke tapfer meinen Brechreiz runter. »Zeig mal her.» Au je, der Schnitt ist echt tief. Tiefer als Flo normalerweise zu schlitzen pflegt.

Er (der Schnitt, nicht Flo!) klafft auseinander wie ein obszön grinsendes Maul. Das hab ich mal in einem Buch gelesen und finde, es passt genau hierher. »Das muss genäht werden. Ich bring dich ins Krankenhaus.»

Flo schüttelt wild den Kopf. »Die stecken mich doch in die Klapse.»

»Daran hättest du vorher denken sollen, du Schwachkopf. Warum machst'n so'ne Scheiße?»

»Ich wollte das nicht, es war nur alles so...»

»Verschon mich mit dem Kack», unterbreche ich ihn schroff und knalle Mull über seine Arme.

Einige Zeit später sitze ich auf'm Krankenhausflur und bin fix und fertig. Flos Verletzung

wird genäht. Der Arzt ist nicht besonders einfühlsam. Wahrscheinlich hat der genug von aufgeschlitzten Gliedmaßen und Leuten, die sich mit Pillen aus dem Leben kicken wollen.

Kann ich verstehen. Trotzdem. Mir geht die Galle über und der Hutnagel hoch. Durch den Türspalt sehe ich Flo, der total verängstigt und heulend auf der Liege kauert. Wie ein kleines scheues Tierchen sieht er aus und ich will ihn sofort in den Arm nehmen und nie wieder loslassen. Ihn vor dem Bösen dieser Welt beschützen. Vor allem vor diesem Dr. Horror, der rabiat an ihm rumwerkelt.

»Hey Sie», bölke ich, »warum nehmen Sie nicht eine Stricknadel und hauen sie dem armen

Jungen in den Fittich? Wo haben Sie denn bis jetzt praktiziert? In der Hölle?»

Dr. Horror schaut mich verärgert an, raunt der Schwester etwas zu, die kurz darauf die Tür

schließt. So eine Arschgeige!

Als die Tür wieder geöffnet wird, hat Flo sich einigermaßen beruhigt und beide Arme fachmännisch verbunden.

»Der junge Mann hat gesagt, dass Sie sich um ihn kümmern. Normalerweise würde ich ihn

über Nacht in die Psychiatrie stecken. Versuchter Suizid ist schließlich eine ernste Sache.»

»Ich wollte nicht sterben», erklärt Flo matt.

»Danke, Dr. Horror. Mit Psychopharmaka kann ich ihn auch vollstopfen, da braucht er kein Bett inner Klapse.»

»Sollte ich ihn hier nochmal in diesem Zustand antreffen, werde ich ihn auch gegen seinen Willen einweisen», zischelt Dr. Tod. »Gehen Sie zu ihrem Hausarzt, damit der sich um die Fäden kümmert. Die müssen in einer Woche gezogen werden», sagt er noch an Flo gewandt und eilt davon.

Zuhause verfrachte ich Flo gleich auf die Couch, breite eine Decke über ihn und serviere ihm

heiße Schokolade.

»Schola», beginnt er weinerlich und schaut mich mit herzzerreißendem Dackelblick an, »es

tut mir leid, dass ich so viel Stress mache.» Seine großen braunen Rehaugen glitzern feucht.

»Okay, Herzchen. Was war los?»

Er zuckt bedröppelt die Schultern. Ich weiß längst, warum er so mies drauf ist. Er hat das

typische Teenager ‘ich-bin-nichts-wert-sehe-hässlich-aus-und-niemand-versteht-mich‘ Syndrom. Dazu noch total bekloppte Eltern, eine von mir diagnostizierte Essstörung UND er ist unglücklich verliebt. Dass er mit seinen fast neunzehn Jahren dieser Teenie-Kacke langsam entwachsen sein sollte, sage ich ihm mal lieber nicht, sonst rammt er sich wieder die Rasierklinge ins Fleisch. Also er liebt ein Mädchen, das eben nichts von ihm will. Äh...so lautet die offizielle Version.

Da ich aber Santa Scholastika bin, ist mir natürlich klar, dass es hier nicht um ein girl geht sondern um einen boy. Jaha, hab mir mal wieder ein schwules Herzchen angelacht, you know?!

Okay, Flo weiß auch, dass er auf boys steht, will das aber aus irgendwelchen Absurditätsgründen nicht zugeben. Um zu wissen, dass er Jungs toll findet, muss man keine Heilige sein. In seiner Miniwohnung (bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad) hängen überall Bilder von seiner Lieblingsband »Pleasure&Pain» und die hat eben einen sehr schnuckligen Sänger, der gerne mal halbnackt posiert...Netzhemd, Slip und hohe Doc's. Da schlecke ich mir sogar über die Lippen und gerate ins Schwärmen. Bei Flo könnte ich auch ins Schwärmen geraten, der ist nämlich ebenfalls supersüß. Und dazu noch sehr hilfsbedürftig. Ich frage mich, ob ER ihn in meine Arme hat stolpern lassen?!

Jedenfalls finde ich, dass Flo eigentlich kaum Grund für Depressionen hat. Er ist hübsch, freakig, nett und lustig. Leider denkt er aber, er sei die allerletzte Arschgeige. Er ist halt sehr oft mit der Welt zerfallen. Und er braucht dringend einen guten Fick. Fein fein, hab mir soeben einen neuen Auftrag erteilt.


»Hey, Drama-Queen. Alle spitzen Gegenstände noch am selben Platz oder muss ich kontrollieren?» frage ich und jongliere mit den Einkaufstüten. Flo könnte mir übrigens ruhig mal was abnehmen. Schließlich hat er sich ja nicht die Finger abgehackt. »Willst du gleich essen oder später?»

Er hebt träge den Kopf vom Kissen. »Nie.»

Genervt knalle ich die Lebensmittel in die dafür vorgesehenen Schränke. »Herzchen, du

wirst heute essen und wenn ich's dir eigenhändig in den Schlund stopfe. Ist Pizza okay?» brülle ich aus der Küche und lausche einer Antwort, die allerdings nicht kommt. Also schiebe ich die Pizza in den Ofen und setze mich neben ihn.

»Und wenn du gleich brav alles aufgegessen hast, erzähle ich dir was ganz Tolles.»

»Was'n?»

»Ja, weißt du...wir gehen nächste Woche zu Pleasure&Pain.»

Flo reißt seine Rehaugen auf. »Was?»

»Warst wohl so beschäftigt mit Selbstverstümmelung, da ist dir total entgangen, dass die

hier spielen, mh?»

»Naja, nee, ich dachte nur nicht...also ich wollte dich nicht fragen, weil...»

»Schon gut, Herzchen...oh, na sowas, die Pizza ist fertig. Ich hoffe, du hast Hunger.»

Flo mault zwar ein wenig, macht sich dann aber doch ziemlich gierig über die Pizza her.

Möchte mal wissen, wer ihm beigebracht hat, so verkorkst über sich selbst zu denken?!

Ich meine, der ist so dünn und zierlich, dass ICH neben ihm schon Komplexe kriegen könnte

und er hält sich für zu dick. Seine enorme Fettleibigkeit ist ja auch der Grund, weshalb er

keinen Freund hat. Das heißt, offiziell will er eine Freundin aber für derartige Schwachsinnigkeiten hab ich jetzt keinen Nerv. Direkt is immer am Besten, weiß ich seit

Martin und Daniel.

»Flo...ich finde, du gehörst endlich mal anständig durchgefickt.»

Er prustet etwas grünen Tee auf mein Knie...ausversehen. »Bitte was?» hustet er.

Ich wische geduldig Tee-Spucke-Tropfen von meinem Bein. »Und bei den Pleasures laufen sicher haufenweise süße Jungs rum, die das gerne übernehmen würden.»

Flo wird blass, dann sehr rot im Wangenbereich. »Aber ich...»

»Okay, Herzchen. Lass uns das einfach abkürzen, mir wird das zu anstrengend, you know?!

Du stehst nicht auf Titten, sondern auf Schwänze.» Naja, ein kleines bisschen schöner hätte

ich es vielleicht doch formulieren können.

Ach zur Hölle...au weia, es donnert ärgerlich. Direkt über meinem Schädel. Hölle ist für IHN genauso schlimm wie Teufel. Also, zum Henker. Äh, was wollte ich noch gleich sagen? Ach ja, zum Henker mit netten Formulierungen. Flo soll endlich begreifen, dass er sich für seine sexuelle Orientierung nicht schämen muss.

»Ich...ich hätte nicht gedacht, dass es so offensichtlich ist», murmelt er mit gesenktem Kopf.

»Entschuldige aber hast du dich mal in deiner Wohnung umgesehen?» lächle ich. »Kasi in

Minirock, Kasi oben ohne, Kasi in Unterhose und Netzhemd, Kasi schmollend, Kasi grinsend...äh, soll ich fortfahren?»

Er schüttelt bedröppelt den Kopf.

»Hey, davon geht die Welt doch nicht unter.»

»Wenn mein Vater das erfährt...der reißt mir das Herz raus und isst es zum Frühstück.»

»Sowas machen nur Zigeuner und selbst das ist ein blödes Vorurteil.»

»Meine Mutter wird mich niemals wieder ansehen.»

»Hör mal, es geht nicht darum, gleich der ganzen Welt zu gestehen, dass du schwul bist. Es

geht darum, einen Schnuckel für dich zu finden, der's dir ordentlich besorgt, you know?!»

Flo starrt mich ängstlich an.

»Keine Angst, Tigerchen. Niemand zwingt dich zu irgendwas. Wir gehen einfach da hin und

haben Spaß.»


Wow! Ich bin eindeutig zu alt für kleine, abgefuckte überfüllte Clubs. Das Durchschnittsalter

liegt nämlich hier bei sechzehn. Der Club ist eigentlich ganz nett, nur das Gekreische der

Gören stört.

Pleasure&Pain ist eine lokale Punk-Gruft-Band und die haben genauso eine irre Mädelschar um sich rum wie die Backstreetboys oder Take That...als es die noch gab. Nur dass die Mädels eben alle aussehen wie kleine Gothic-Lolitas. Ich muss mir vorkommen wie eine Gothic-Oma. Jedenfalls würde ich meine minderjährigen Kinder nicht halbnackt in irgendwelche Spelunken lassen. Flo neben mir sieht atemberaubend aus. Lackhose, Doc's, enges Shirt und Silberkettengürtel.

Seine nackten Arme (die Handgelenke sind immer noch verbunden, was unglaublich dramatisch und sexy aussieht) schimmern sahnevanillig und ich bin echt versucht mit meiner Zungenspitze...aber leider leider macht er sich ja nix aus mir.

Als Pleasure endlich die Bühne betreten gehen mir die Gören extrem auf den Sack. Besonders die beiden, die vor mir rumtanzen. Das eine Mädel hat dicke schwarze Haare bis zum Fuß und ist allein aus diesem Grund schon total hassenswert. Allerdings schleudert sie mir ihre Mähne zusätzlich noch ständig ins Gesicht. Will die mich provozieren?! Genervt schubse ich sie und trete ihr ein wenig in die Hacken. Als sie sich daraufhin erbost umdreht und meinen finsteren Blick sieht, verpisst sie sich ganz fix auf die andere Seite.

Kasi, der schmucke Sänger, den alle ansabbern, trägt heute einen Minirock, Netzstrümpfe

und hohe Doc's. Seine schwarzen Zotteln sind mangamäßig auf seinem hübschen Schädel

arrangiert. Eine Kippe hängt lässig im Mundwinkel, während er sich seinen Bass umschnallt.

Flo versucht, relativ neutral zu kucken aber der macht mir nix vor. Er findet den Typen genauso geil wie alle anderen hier. Ich bin anscheinend die Einzige, die merkt, was für ein kleiner Angeber Mr. Superstar ist.

Ich meine, dieses betont arrogante Geglotze und bei jeder noch so kleinen Geste kreischen die Mädels gequält auf. Er weiß halt ganz genau, welche Knöpfe er drücken muss. Die boys versuchen alle, ihn nachzumachen, weil sie natürlich die girls rumkriegen wollen. Damit verarschen die sich aber selber, weil die girls auf billige Kopien kacken und lieber vom echten Kasi gevögelt werden wollen.

Naja, einige Jungs möchten das wohl ebenfalls. Flo ganz sicher. Und wie ich schon erwähnte...er hätte es auch bitter nötig!

Aufgrund der geifernden Meute werden wir ziemlich bald an die linke Seite der Bühne gedrängt und haben endlich unsere Ruhe.

Flo scheint eh alles egal zu sein, Hauptsache, er kann ein bisschen was von Kasi sehen. Der schlendert übrigens grad auf das Mädchen neben uns zu und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Das Mädchen hat nämlich ein Gipsbein und Krücken. Ich persönlich finde, Flo sieht viel küssenswerter aus mit seinen Verbänden.

Kasi ist ein Blödmann. Mein Herzchen kuckt bedröppelt aus der Wäsche. Die Dinge laufen mal wieder ganz und gar nicht wie ich will. Möchte mich sofort schlimm betrinken und fange

auch gleich mal damit an.

Nach knapp zwei Stunden verschwinden die Pleasures in den Backstagebereich und kommen

nicht zurück. Hastig zerre ich Flo hinter mir her.

»Was'n?» brüllt er.

»Komm einfach mit», brülle ich zurück.

Leider steht vor der Tür ein fieser Schlägertyp ohne Haare. »Hey...hier ist nur für die Band.»

»Ich bin eine Freundin von Kasi», säusele ich, obwohl das total gelogen ist. Und überhaupt... wieso benehmen sich lokale Pissnelken wie die verdammten Beatles?

»Das sind die anderen hundert Mädchen auch. Sorry aber die Jungs wollen heute ihre Ruhe haben.»

Hab ich jetzt vielleicht Lust, mich mit Glatze rumzustreiten? Sein dämliches Zwinkern kann

der sich auch sparen. Der hat wohl einen Anfall von Blödsinn. »Hör mal, Kojak, ich bin kein Groupie, das sich erstmal von der gesamten Mannschaft durchbumsen lässt...und kuck meinen Süßen nicht so gierig an, der wird dir sicher keinen blasen, um da rein zu kommen.»

»Der tötet uns», flüstert Flo mir eindringlich ins Ohr.

Da geht aber plötzlich die Tür auf und Jan, der Schlagzeuger, lugt heraus. Ich winke heftig

und als er mich sieht, grinst er breit. Jan kenne ich nämlich tatsächlich. Das heißt, ich hab

mal einen ziemlich wilden Knutsch-Abend mit ihm verbracht. Manchmal gibt es doch herrliche Zufälle, oder?!

»Schola, was machst du denn hier?»

»Wir versuchen gerade an diesem Geistesblitz vorbei zu kommen», erkläre ich und deute

auf Glatze.

»Schon okay», lächelt Jan und schwupps schlendern wir in den muffigen Raum.

Flo...

Au weia, ich wusste gar nicht, dass Schola jemanden von der Band persönlich kennt. Jedenfalls sind wir jetzt Backstage und ich fühle mich ein bisschen unwohl. Meine Begleitung

wird nämlich augenblicklich von den Jungs umringt, während ich hier stehe und nicht weiter weiß.

Ich fühle mich total verloren, schwitze ein wenig vor mich hin. Mein Blick wandert umher und erspäht eine weitere halboffene Tür. Langsam steuere ich darauf zu und...oh mein Gott! Da sitzt Kasi auf der Couch. Naja, eigentlich liegt der mehr. Wow, ist der schön. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Soll ich ihn ansprechen? Nee, der sieht aus als würde er gleich einschlafen. Besser ich störe ihn dabei nicht.

Aber ein wenig anschmachten kann ich ihn noch. So eine Gelegenheit kommt sicher nicht wieder. Mann, der ist in echt noch viel viel süßer. Wie er da hängt, mit geschlossenen Augen...unglaublich.

Als ich grad schon gehen will, höre ich ein Murmeln und drehe mich um. Kasi schaut mich tranig an.

»Hey, du...Indiejunge...komm her.»

Was? Meint der wirklich mich?? Zögernd mache ich einige unsichere Schritte. »Äh...ich wollte dich nicht stören...ich...»

»Komm her», sagt er noch einmal.

Wie ein hypnotisiertes Karnickel folge ich seiner Stimme, da packt er plötzlich meinen Arm

und zieht mich herunter. Ich bin so erschrocken, dass ich das Gleichgewicht verliere und auf

seinem Schoß lande. Wie peinlich!! Ich möchte sofort sterben.

»Hab dich», wispert er und steckt mir total unaufgefordert seine Zunge in den Mund.

Mein Hirn hat sich soeben verabschiedet. Oh der ist so warm und seine Lippen sind zuckersüß. Mann, kann der gut küssen.

Als seine Hand aber an meinem nackten Bauch friemelt, kriege ich Panik und schiebe ihn weg.

»Äh...?»

»Du bist mir da draußen schon aufgefallen», erklärt er.

»Ach ja? Und warum hast du dann diese Krückentussi geknutscht?» Scheiße, das ist mir jetzt

ausversehen rausgerutscht.

»Wollte ja lieber dich küssen», lächelt er, »aber das hätte meinen Ruf als Ladykiller total zerstört.»

»Also küsst du normalerweise keine Mädchen?» frage ich.

»Ich küsse alles, was ich schön finde und du...du bist das Schönste, was ich seit langem gesehen habe.»

Ohhhhhhh!!!! Kann mich bitte mal jemand kneifen? Ich meine, ich sitze hier mit Kasi, der

mir sagt, ich sei schön. Äh...er küsst mich schon wieder...mhhh. Mir schwinden fast die

Sinne. Seine Finger fummeln ungeschickt (ich glaub, er ist ein wenig betrunken) an meinem

Reissverschluss.

»Warte mal», japse ich, »äh...du weißt nicht einmal wie ich heiße.»

»Wenn du meinst, dass es nötig ist, kannst du's mir gerne sagen.»

»Flo.»

»Oh, okay, Flo...ich hab Lust, dich zu vögeln.»

»Hier?» rufe ich entsetzt.

Er zuckt die Schultern. »Klar, mach einfach die Tür zu.»

»Nein, ich meine...ich...ich will das nicht so.»

»Wieso zum Teufel bist du dann hier?» fragt er aggressiv, schiebt mich weg und nimmt einen

üppigen Schluck aus seiner Bierflasche.

»Ich...ich wollte, also...ich mag dich.» Und ich möchte mich erschlagen für diesen blöden Satz.

»Ich dich auch. Also...»

»Können wir nicht erstmal...reden?»

Er verdreht genervt die Augen. »Oh bitte...lass uns diesen ganzen Scheiß überspringen und einfach ein bisschen ficken, ja?»

Ich schüttele bestimmt den Kopf.

»Schade», seufzt er. »Naja, was soll's.»

Einige Minuten herrscht peinliches Schweigen. Kasi hat sich eine Zigarette angezündet und

trinkt sein Bier aus. Mir fällt nicht ein, was ich ihm sagen könnte und eigentlich ist es auch

vollkommen egal. Ich darf neben dieser Schönheit sitzen. Gott, bin ich nervös.

»Was soll'n das? Ist das Fake oder hattest du echt keinen Bock mehr?» fragt er aufeinmal

und deutet auf meine bandagierten Handgelenke.

»Ich...ich hatte nicht vor, mich umzubringen», erkläre ich mit heißen Wangen.

»Aber?»

»Ich will nicht drüber reden.»

Er zuckt die Schultern. »Grad wolltest du noch reden.»

»Ja...aber nicht darüber.»

»Okay, du willst nicht reden und du willst nicht ficken...warum bist du hier?»

»Ich hab mich in dich verliebt», blabbert es aus meinem Mund.

»Na klar», lächelt er.

»Ich meine es ernst.»

»Ach komm schon, Flo. Du kennst mich doch überhaupt nicht.»

»Dann gib mir die Chance, dich kennenzulernen.»

»Da draußen warten fünfzig Leute, die mit mir ins Bett wollen. Warum sollte ich meine Zeit ausgerechnet mit dir verschwenden, mh?» fragt er und streicht mir über die Wange.

»Ich...ich bin nicht nur scharf auf deinen süßen Hintern. Ich will dein Freund sein.»

»Du bist echt niedlich, Kleiner. Aber leider hab ich auf diesen Beziehungskack momentan

überhaupt keinen Bock. Ich will Spaß haben, sonst nichts.»

Na klar. Was hab ich denn auch gedacht? Dass sich jemand wie Kasi in mich verliebt? Wir

glücklich und für immer zusammenleben? Ich bin vielleicht ein Idiot.

»Dann...dann sollte ich vielleicht besser gehen?» frage ich vorsichtig.

»Ja, vielleicht.»

Super. Das war's also. Am liebsten würde ich heulen aber nicht vor ihm. Ein letztes bisschen Stolz ist mir noch geblieben.

»Also dann...»

»Mach's gut», entgegnet er kühl.

Sicher holt der sich gleich irgendeine Schlampe zum vögeln. Eine, die hinterher vor ihren

Freunden damit angibt. Ich hasse die ganze Welt. Warum musste Schola mich hierher schleppen?! Warum muss ich so ein Loser sein?

»Hey, Indiejunge...»

»Ja?»

»Du findest meinen Hintern echt süß?» grinst er, während ich knallrot werde.

»Ähem...naja...ja.»

»Komm gut nach Hause», ruft er.

Scholastika:

Scheiße, ich hab mein Herzchen aus den Augen verloren. Grad war Flo doch noch da. Alles

nur Jans Schuld, der hat mich einfach in eine Knutscherei verwickelt. Hat Spaß gemacht

aber...wie kann ich immer nur an mich denken? Mühsam wurschtel ich mich unter ihm weg

und suche den Raum ab...nee, Flo ist wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht isser nebenan? Mal sehen. Oh wow...Mister Pleasure höchstpersönlich lungert auf einer alten

abgeschmackten Couch, sieht aber momentan eher nach amp;Pain aus.

»Ey, hast du Flo gesehen?»

Kasi präsentiert mir einen verschleierten Rockstarblick »Wen?»

Mann, der ist ja zu bis zur Halskrause. »Der Junge, mit dem ich hier bin. Zierlich, dunkle

Haare...äh, mit verbundenen Handgelenken.»

Er scheint einen Moment zu überlegen. »Ja, der is grad weg.»

»Fuck. Wohin denn?»

»Keine Ahnung. Bin ich sein Kindermädchen?»

Nee, eine besoffene Arschgeige.

Er mustert mich ungeniert. »Nette Aufmachung. Wie sieht's aus? Lust zu ficken?»

Bitte was? Wenn ich nicht so viel Mitleid mit dem Arschgesicht hätte, würde ich herzlich lachen.

»Klar. Aber nicht mit dir.»

Kasi schüttelt den Kopf.

»Au mann, was ist denn heute los? Hab ich Mundgeruch, oder wie?

Erst dieser verklemmte Trottel und jetzt noch 'ne Zicke.»

Ich ahne Schreckliches.

»Sag mal, hast du Flo etwa auch so reizend nach Beischlaf gefragt?»

»Geht dich das was an?»

»Allerdings», antworte ich und bin in Gedanken schon dabei, ihm ordentlich in die arrogante

Fresse zu treten.

»Bist du vielleicht seine Freundin oder so'n Scheiß?» brummelt er.

Ich hab keine Lust mit diesem stinkbesoffenen Stück rumzublödeln, also mache ich mich

lieber auf die Suche nach meinem Herzchen.

»Hey, was is'n das für eine Art, einfach abzuhauen, mh?» frage ich vorwurfsvoll, als ich Flo

an einer Bushaltestelle aufgable.

»Sorry aber...mein Abend war nicht so lustig.»

»Hab schon gehört...hast dich mit Mr. Pleasure unterhalten, ja?»

»Ich fürchte, ich hab mich total zum Deppen gemacht», erklärt er traurig.

»Lust, bei mir zu pennen?» Nicht, dass der sich wieder was antut.

Er nickt.


Ich fürchte, es war keine gute Idee, Flo zu Pleasure&Pain zu schleppen. Ich wollte ihn aufmuntern und bin ausversehen ein bisschen Schuld, dass es ihm jetzt noch schlechter geht. Scheiße!

Die Hauptschuld trifft logischerweise Kasi und wenn ich meinen Heiligenschein mal fünf Minuten ablegen könnte, würde ich ihn 1a verfluchen. Oder ein Voodoopüppchen basteln und mit Nadeln bespicken. Der Teufel soll ihn holen, verdammt.

Kaum hab ich zuende gedacht, ist mein Wohnzimmer auf einmal voller Nebel. Es grollt und bollert, ich glaube, etwas explodiert. Ob sich mein Haus gleich in die Luft begibt und ins Land hinter dem Regenbogen fliegt?!

»Du hast mich gerufen?» donnert eine Stimme aus dem Qualm, gefolgt von schlimmem Husten.

Hastig reiße ich erstmal das Fenster auf. Würd mich nicht wundern, wenn gleich Miss Gulch mitsamt Toto im Körbchen vorbeiradelt und sich in die böse Hexe des Westens verwandelt.

Der schweflige Rauch verzieht sich...übrig bleibt ein zum Kotzen schöner Kerl, der sich theatralisch mit der Hand vorm Gesicht rumfächelt. Seine langen schwarzen Haare fließen wie schwerer Samt über zierliche Schultern.

»Musst du immer so auf die Kacke hauen?» maule ich genervt.

»Sicher, das erwartet man schließlich von mir, oder? Eine Schwefelwolke, Schleim und vielleicht noch ekliges Getier, das zu meinen Füßen kraucht. Darauf hab ich heute mal verzichtet. Wäre doch schade, um deine tolle Wohnung.»

»Was tust du hier?»

Er glotzt mich überrascht an.

»Du wolltest mich sehen.»

»Kann man hier nicht einmal seine Gedanken für sich haben, verdammt?»

Ein Blitz zuckt vom Himmel. Ich ducke mich spontan, während sich die Gestalt vor mir kaputt lacht.

»Kleine Sünden werden sofort bestraft, was?»

»Fahr zur Hölle», zische ich angepisst.

»Da komme ich doch grad her, meine Schöne», lächelt er verführerisch.

Jeremiah ist gar nicht der echte Leibhaftige. Nur sowas wie sein Stellvertreter. Des Teufels General. Ein Vize-Satan sozusagen. Die ewige Nummer zwei. Allerdings benimmt er sich immer so, als sei er der absolute Fürst der Finsternis. Ich kann ihn nicht ausstehen, diesen arroganten Penner.

»Also...wen soll ich denn nun für dich piesacken?»

»Niemanden, du Schwachkopf. Schnapp dir deinen Dreizack und verschwinde.»

Er schnalzt mit der Zunge.

»Charmant wie eh und je. Hast du was zu essen da?» fragt Jeremiah und schlendert in die Küche. »Mann, nicht ein verdammtes, frisch rausgerissenes Herz», ruft er enttäuscht. »Naja, bestellen wir halt Pizza, oder?»

Der will mich wohl verarschen!

Später am Abend hängt der Idiot immer noch wie eine Pestbeule an mir, bzw auf meiner Couch. Wohlig räkelt er sich und gähnt ausgiebig.

»Mach morgen früh nicht so viel Lärm, ja? Ich schlafe gern lange.»

»Du kannst mich am Arsch lecken.»

Ob er darauf antwortet, weiß ich nicht, ich muss zur Tür, es hat nämlich grad geklingelt.

Flo. Mal wieder sehr unglücklich.

»Hallo», nuschelt er.

Sein Hallo klingt generell so abartig gequält, als müsse er das ganze Leid der Welt auf seinen

Schultern tragen. Ich finde, der sollte sich mal ein wenig zusammen reißen. Anderen geht es schließlich viel schlechter.

Als er das Wohnzimmer betritt, blitzen Jeremiahs Augen gefährlich.

»Wer zur Hölle ist das?»

»Oh», macht Flo verlegen, »ich wusste nicht, dass du Besuch hast. Ich...ähem...ich komme vielleicht...»

»Nur vielleicht?» säuselt Jeremiah, der sich vor ihn gestellt hat.

»Äh...was?»

NEIN! Der Teufel wird mein Herzchen nicht verderben. Und schon gar nicht in meiner Wohnung, während ich daneben stehe.

»Wie du siehst, ist es grad ungünstig, Flo. Ich ruf dich an.»

»O-okay.»

»Quatsch. Er kann doch bleiben, Schola, ehrlich. Ich...mhhh...ich hatte noch keinen Nachtisch.»

»Geh doch bitte in die Küche und koch uns einen Tee. Wir haben jetzt dringend Durst, you know?!»

Flo dackelt ab, Jeremiah blickt ihm schmachtend hinterher.

»Hör mal, du Arschgesicht, lass die Finger von meinem Süßen, sonst passiert was.»

»Halt den Ball flach, Schola. Wenn es dich beruhigt...ich bin lediglich auf Urlaub hier. Um mich zu amüsieren. Was hast'n vor mit ihm?» zwinkert er dämlich.

»Komm mir in die Quere und du lernst mich kennen», zische ich.

Jeremiah streicht mir über die Wange.

»Kann‘s wie immer kaum erwarten.»

»Der Tee ist fertig.»

Na, wie schön für uns!

Mein Herzchen ist leider ziemlich einfach gestrickt...wie alle Männer. Fällt auf alles rein, was Jeremiah macht oder sagt. Ein kleines Kompliment bezüglich seiner hübschen Visage und er strahlt wie ein Volltrottel. Dazu noch Jeremiahs Finger, die ihm manchmal Haare aus dem Gesicht streichen oder beiläufig sein Knie berühren, und Flo ist total hinüber. Wenn das so weiter geht, verscherbelt mein Herzchen seine Unschuld heute nacht noch an den Teufel.

»Ach Flo, das hätte ich beinahe vergessen...ich hab von Jan Kasis Handynummer.»

»Wer is'n das? Dein Freund, mh?» fragt der teuflische Döskopp.

Ich ignoriere diese geballte Ladung Blödheit und drücke dem sehr verdutzen Flo den Zahlenzettel in die Flosse.

»Was soll ich denn damit?»

»Auswendig lernen und danach aufessen», stöhne ich mit den Nerven völlig runter, »wenn du anständig verdaut hast...könntest du ihn anrufen. Oder eine sms schicken, wozu ich dir eher raten würde. Da kannst du wenigstens vorher überlegen, was du ihm mitteilen willst.»

»Aber...Kasi möchte mich doch gar nicht kennenlernen. Das hat er sehr deutlich gesagt.»

»Kein Grund, es nicht zu versuchen, meine ich.»

»Wer zur Hölle ist denn dieser Knasi?» mischt Jeremiah sich ein.

»KASI», brüllen Flo und ich gleichzeitig. »Und in meiner Wohnung wird nicht geflucht, du

Arsch, kapiert?» füge ich hinzu.

Jeremiah macht ein beleidigtes Gesicht. Dann lächelt er plötzlich unheimlich.

»Flo, du gehst jetzt besser und denkst über den Anruf nach.»

»Sag mal, hast du morgen schon was vor?» krakeelt der Teufel (Flo ist grad im Flur, um seine Jacke anzuziehen).

»Ja, hat er. Er trifft sich mit seinem zukünftigen Freund», fauche ich böse.

»Ähem...nee», murmelt mein ahnungsloses Herzchen.

»Lass uns doch ausgehen, mh?»

»Du und...ich?»

Jeremiah nickt fröhlich.

»Okay. Meinetwegen.»

»Bis dann und...träum süß.»


Ja, spinn ich denn? Flo hat sich tatsächlich mit meinem Gast aus der Hölle getroffen. Mehr noch. Der Drecksack hat Flo aufs Übelste beflirtet und gewonnen. Beinahe. Ins Bett hat er ihn nicht gekriegt. Noch nicht. Eine heftige Knutscherei war es. Das hat Flo mir total überdreht und mit Herzchenaugen erzählt. Kasi ist anscheinend vergessen. Flo redet nur noch von Jeremiahs süßen Lippen. Seinen weichen Haaren. Und wie toll er aussieht. Woher ich so eine Lichtgestalt kenne, wollte er wissen. Lichtgestalt...phhhh...schön wär's.

Mal abgesehen davon, dass Jeremiah mein Herzchen nur rumkriegen will, um mir eins auszuwischen und ich ihm diesen Triumph ums Verrecken nicht gönne, kann ich es natürlich nicht zulassen, dass Flo sich...Gott bewahre!...ernsthaft verliebt. Er ist nicht so stark, dass er damit zurecht kommt, spätestens nach dem ersten oder zweiten Fick abserviert zu werden. Jeremiah neigt schon von Natur aus nicht dazu, romantische Gefühle für jemanden zu entwickeln. Die Sache ist also auf jeden Fall total zum Scheitern verurteilt und ich sollte mich vielleicht mal mit Kasi unterhalten. Ihm bei der ganzen Verlieberei auf die Sprünge helfen, you know?! Mir scheint nämlich, dass der eher zur etwas beschränkteren Fraktion gehört.

Als sich seine Wohnungstür öffnet (was nebenbei tierisch lange dauert...musste minutenlang Sturm klingeln), bin ich überrascht bis nervlich am Ende.

»Hey Schwesterherz!»

Kacke, ich hab ein Déjà vu. »Benedikt, du gehst mir langsam auf die Eier. Und wenn du für deinen halbnackten Auftritt keine befriedigende Erklärung liefern kannst, trete ich dir in den Magen.»

»Oh weia...schon wieder jemand, den du haben willst?»

»Sehe ich aus, als hätte ich es nötig, mich von Möchtegern-Rockstars durchbumsen zu lassen?»

»Naja», grinst er, »Kasi macht das gar nicht mal so schlecht.»

Kaum spricht man vom Blödkopp, steht er auch schon neben einem. Bzw neben meinem Bruder.

»Verflucht, nicht einmal zu Hause hat meine seine Ruhe. Warte...» Er verschwindet kurz, kommt nach einigen Sekunden zurück und fragt nach meinem Namen.

»Scholastika», antworte ich vor Schreck.

Kasi kritzelt was, dann drückt er mir sein Foto in die Hand. Total belämmert weiß ich sekundenlang gar nicht, was überhaupt los ist. Hat der mir etwa gerade ein Autogramm gegeben?? Ist der lebensmüde?!

»Das ist meine Schwester», giggelt Benedikt.

Kasi ist anscheinend zu blöd, um irgendwas zu begreifen und kratzt sich lieber erstmal am Kopf.

»Wir sprechen uns noch», fauche ich und stampfe die Treppen runter.

Benedikt hinterher.

»Warte.»

»Was?»

»Warum bist du denn so angepisst, wenn du nicht auf Kasi abfährst?»

»Weil ich den Schwachmaten schon für jemanden reserviert habe, klar?! Es wäre also schön, wenn du dir deine Orgasmen woanders holst.»

»Okay, Schwesterchen. Ich meine, das muss einem doch schließlich gesagt werden. Hat ja kein Schild am Hals, der Kasi.»

»Hab ich soeben getan. Ein schönes Leben noch.»

Nach Hause kann ich nicht sofort gehen. Bin viel zu wütend. Also kaufe ich ein paar neue Klamotten, genehmige mir einen Schokozimtshake, hacke gedanklich ein paar Schädel ab

und fühle mich keinen Deut besser. Jetzt hilft eigentlich nur noch ein Entspannungsbad (Milch&Honig mit einem Schuss Vanille). Also Tüten geschnappt und ab in meine Behausung.

Dort angekommen irritiert es mich nicht einmal mehr, dass ein scheues Herzchen gerade

dabei ist, hingebungsvoll einen höllischen Schwanz zu lutschen. Auf meiner dunkelgrünen Ledercouch. Mir doch egal. Sollen die alle am besten machen, was sie wollen.

»Schmeckt's?» frage ich an den Türrahmen gelehnt.

Jeremiahs Schwanz entschlüpft Flos Mund. »Fuck», murmelt er und wischt sich über die Lippen.

»Ich schätze, das hat er als nächstes geplant», antworte ich.

»Du störst», wagt Jeremiah zu sagen und stopft sein mickriges Geschlechtsteil in die Hose.

»Tut mir leid, dass ich mich in meiner Wohnung aufhalte. Wieso macht ihr euren Schweinkram nicht auf einem runtergekommenen Bahnhofsklo?»

»Ich hab's ganz gerne bequem», erklärt Jeremiah.

»Okay», schnaufe ich, »mein Tag war scheiße, ich nehme jetzt ein Bad und wenn ich fertig bin, solltet ihr euch verpisst haben.»

Kaum liege ich in der Wanne, klopft es und gleichdarauf betritt ein sehr schüchterner Flo

den Raum.

»Schola...mir ist das alles total...äh...es tut mir wirklich leid. Gott, wie peinlich.»

Ob ich ihn bitte, zu mir ins Wasser...? Beiläufig schiebe ich ein wenig Schaum zur Seite, damit mein einer Busen frei ist, hebe mein Bein ein bisschen und streiche erotisch mit den Fingern darüber.

»Oh mann, Jeremiah ist so toll und...naja, wir waren halt...»

Ich lasse mein Bein sinken und bedecke meinen Busen.

»So geil, dass ihr es auf meiner Couch treiben wolltet?» unterbreche ich ihn schrill.

»Und was ist mit deiner großen Liebe? Ich werde es dir sagen. Die heult sich die Augen aus dem Kopf. Deinetwegen!»

»Bitte?»

»Ich hab heute Kasi besucht...du weißt doch noch, wer Kasi ist, ja? Gut. Er fühlt sich nämlich wie Rattenkotze, weil er dich nach dem Konzert so schäbbig behandelt hat.»

Flo reißt seine hübschen Augen auf.

»Ehrlich?»

»Na klar. Ich meine, das muss man doch verstehen. Da steht dieser wunderschöne Junge... damit bist du gemeint...vor ihm, er verknallt sich Hals über Kopf und weiß nicht, wie er es anstellen soll, weil er total verwirrt ist und dieses Gefühl ihn zu Tode ängstigt.»

»Kasi sah aber nicht verängstigt aus, sondern sauer, weil ich nicht mit ihm ficken wollte», erklärt Flo skeptisch.

Genervt döppe ich meine Quietscheente unter Wasser. »Wie würde es dir denn gehen, wenn du Rockstar wärst, sich jeder gleich für dich auf den Rücken legt und der, den du wirklich haben willst, macht dich so nervös, dass du kaum klar denken kannst? Logisch, dass Kasi erstmal versucht, seine Machonummer durchzuziehen. Ist schließlich ein Stück Sicherheit für ihn. Der weiß doch gar nicht wie es ist, verliebt zu sein. Ich finde, du solltest ihm da ein bisschen helfen und dich nicht in eine Schlampe verwandeln, die am hellichten Tag an fremden Schwänzen nuckelt. Wenn du gleich für den erstbesten Kerl das Maul aufreißt, ist deine Liebe zu Kasi jedenfalls einen Dreck wert. Vielleicht hätte ich ihm sagen sollen, dass

er viel zu gut für dich ist. Dass er seine Tränen für jemanden vergießen soll, der es verdient.»

Uiuiui...das war wohl etwas zu heftig. Flo schluckt, schluchzt und heult sich einen dranlang.

Leider kann ich ihn nicht tröstend in die Arme nehmen, weil ich ja nackt in der Wanne sitze.

»Heyheyhey...noch ist es nicht zu spät, Tigerchen.»

»Was soll ich denn jetzt tun?» schnuffelt er.

»Ihn anrufen, dich verabreden und sehen, was passiert. Ach und Flo...sag ihm nicht, dass wir über ihn gesprochen haben. Gib ihm einfach das Gefühl, dich rumgekriegt zu haben. Alles andere würde Kasi nur verschrecken, verunsichern und dann geht alles den Bach runter.»

»Was zur Hölle treibt ihr da drin?» bölkt Jeremiah und platzt ungefragt herein.

Hastig räkel ich mich sexy im Schaum, lasse meinen Busen erneut aufblitzen und setze einen gekonnt verführerischen Schlafzimmerblick auf.

»Das kannst du dir sparen, Süße», lächelt Jeremiah amüsiert. »Der Kleine ist so schwul wie jemand nur sein kann. Also warum verziehst du dich nicht einfach und überlässt uns deine Wanne, mh?»

»Fick dich doch selber, du Arsch», fauche ich und schleudere ihm mein Quietscheentchen an den Höllenschädel.

»Wenn ich könnte, glaub mir, Schola, ich würd's tun», entgegnet er und wirft arrogant seine Haare zurück.

Der arme Flo murmelt eine schnelle Entschuldigung und sucht das Weite.

»Oh je, wir haben den Kleinen erschreckt», schüttelt Jeremiah den Kopf.

»Sieht aus, als wärst du doch nicht so toll wie du denkst.»

»Na, du ja wohl auch nicht», zuckt er die Schultern, setzt sich auf den Rand der Badewanne

und lässt mein gelbes Entchen schwimmen.

»Verpiss dich. Ich will mich anziehen.»

Seine Hand spielt träge mit dem Schaum, gefährlich nah an meinem nackten Bein. »Es gibt nicht besonders viel, das ich von dir heute noch nicht gesehen hab...warum also jetzt so genant?»

Ich krieg die Beulenpest!

»Meine Wohnung, mein Bad, meine Wanne, mein... Quietscheentchen», zische ich und flitsche es ihm aus der Hand. »Scher dich weg.»

»Muss ganz schön frustrierend sein, wenn deine kümmerlichen weiblichen Reize so ins Leere laufen, was? Flo hatte grad nicht mal den Hauch einer Latte. Aber als er mir einen geblasen hat...also ich kann dir sagen...»

»Ich kann dir sagen, dass er sich im Augenblick nicht einmal mehr an dich erinnert, du Möchtegern-Satan. Muss ganz schön frustrierend sein, immer nur die zweite Geige zu spielen, was?»

»Wenigstens komme ich hin und wieder mal zum Zug.»

»Dann fahr damit doch gleich in die Hölle zurück», lächle ich horrorartig.

»Ich weiß was besseres», grinst Jeremiah und zieht seine Schuhe aus. Danach sein Shirt.

»Was soll'n das werden, wenn's fertig ist?» frage ich betont gelangweilt, schiele aber dennoch

auf seinen entzückenden Oberkörper.

Er strippt sich nackig und steigt langsam zu mir in die Wanne. Was soll's...wollte ja eh raus. Dummerweise ist Jeremiah, Teufel oder nicht, hinreißend schön. Besonders so mit nix an aber Schaum um sich rum. Deshalb bleibe ich erstmal wo ich bin und genieße den Anblick.

»Du erwartest jetzt aber nicht von mir, dass ich nach der Seife suche und ausversehen an deinen Schwanz lange, oder?»

»Auf gar keinen Fall. Ich vertraue darauf, dass du den auch ohne abgedroschene Entschuldigung findest.»

Ich griffel ein bisschen unter Wasser an ihm rum. Jeremiah stöhnt wohlig. Scheiße, der sieht wirklich gut aus. Aber eine Klassefrau wie mich kriegt man nicht so schnell. »Was ist», schnurre ich nach einer Weile, »bist du soweit?»

Seine Hände grapschen gierig nach meinem Busen. »Mhhhhh...ja, verdammt», zischelt er eilig.

»Schön.» Ich hieve mich aus dem Wasser. »Dann besorg dir den Rest doch einfach selbst, du kleiner Aushilfsteufel. Mir ist jetzt nicht danach.» In meinen flauschigen Bademantel gekuschelt, spaziere ich fröhlich aus'm Badezimmer. Die Flüche, die mich begleiten, möchte ich hier nicht wiedergeben.


Zwei Wochen später ist mal wieder alles im Arsch. Da kümmert man sich mal eine Sekunde

um seine eigenen Angelegenheiten, schon läuft alles aus dem Ruder. Als ich Flo sagte, er

solle sich rumkriegen lassen...hab ich da vielleicht gemeint, dass er sofort mit Kasi in die Kiste springen soll? Nein, hab ich eben nicht. Männern muss man immer alles total erklären, weil die von Natur aus etwas einfacher im Kopf sind. Besonders verliebte Tigerchen.

Eines sitzt mir grad gegenüber und flennt sich bis zur Besinnungslosigkeit. Okay, Flo hat also mit Kasi geschlafen und nun ist der Ofen aus. Er meldet sich nicht mehr und reagiert auch nicht auf Flos Anrufe.

»Das ist alles nur deine Schuld», schluchzt er böse. »Wenn du mir nicht erzählt hättest, wie

verliebt er in mich ist...wie kommst du darauf, mir so einen Kack einzureden? Ins Bett wollte er mit mir, sonst nichts.»

»Kann ich was dafür, dass du dich so bereitwillig flachlegen lässt?»

»Du hast mich doch hingeschickt», bölkt er. »Jetzt bin ich eine weitere Kerbe an seinem Bettpfosten und...»

»Kasi ist verrückt nach dir. Er braucht halt nur ein wenig Zeit, um sich das einzugestehen.

Ich meine, du stellst sein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf. Er hat doch nur Angst.»

Flo schüttelt den Kopf.

»Ich glaube, du spinnst. Nur weil du irgendwie romantisch veranlagt bist und Amor spielen willst, gehe ich kaputt.»

Interessante These! Ich bin aber nicht Amor, sondern Santa Scholastika und kriege immer, was ich will. Im Zweifelsfall prügel ich Kasi einfach Verstand in seinen versoffenen Schädel.

Naja, da ich heute nichts weiter vorhabe, kann ich's auch gleich tun. Verfrachte Flo mit einer Tasse Zimtkakao ins Bett und mache mich auf den Weg zu Mr. Pleasure.

Kasi verdreht die Augen. »Du schon wieder?»

»Genug der Höflichkeiten.» Ich schubse ihn in die Wohnung und knalle die Tür zu. »Also?»

»Äh...also was?» fragt er.

Mann, ich muss mich wirklich zwingen, ruhig zu bleiben. »Jetzt erklärst du mir bitte, warum du dem nettesten, süßesten Jungen des Universums, der übrigens aus mir unerfindlichen Gründen unglaublich in dich verschossen ist, so verdammt weh tust. Ich meine, was ist los

mit dir? Bist du echt so blöd, dass du nicht begreifen kannst, was für einen Schatz dir der da oben in die Arme gelegt hat, du Spatzenhirn?»

»Wer da oben?»

Ich dreh gleich durch!

»Der Herrgott. Wirst schon von ihm gehört haben.»

»Okay», sagt Kasi langsam, »ich gehe jetzt zum Telefon und rufe die Jungs von der Klapse

an, denn du bist offensichtlich nicht ganz gesund. Hörst du zufällig auch Stimmen?»

»Ja, aber damit hast du nichts zu schaffen. Hier geht es um Flo.»

»Der ist genauso irre wie du», schnaubt er. »Terrorisiert mich seit Tagen mit seinen

Anrufen. Dabei hab ich ihm von Anfang an gesagt, dass ich keinen Bock auf Beziehung habe.»

»Wieso eigentlich nicht?»

»Warum zum Teufel sollte ich mit einer Verrückten wie dir darüber sprechen? Was hast du mit der ganzen Sache zu tun?»

»Ich mag es nicht besonders, wenn man in meiner Gegenwart flucht...aber das nur nebenbei.

Willst du mir echt weismachen, dass dich Rumgeficke mit namenlosen Dummchen mehr erfüllt als Flo eine Nacht lang im Arm zu halten? Wenn du mal dein total bescheuertes Sex-und-Drogen-und-Rock'n'Roll-Getue ablegen könntest, würdest du erkennen, dass es da einen

Jungen gibt, der dich verzweifelt liebt. Bringt es dich vielleicht um, ihm zu zeigen, dass du ihn genauso verzweifelt zurückliebst?»

»Es ist ja ganz nett, dass du für deinen Freund anscheinend ein neues Zuhause suchst aber... ich bin nicht interessiert, okay?! Und jetzt, verpiss dich.»

Ehe ich noch einen Mucks sagen kann, hat Kasi mich vor die Tür gesetzt. MICH. Rausgeschmissen. Ich bin einen sehr kurzen Moment geneigt, Jeremiah zu rufen, entscheide

mich jedoch dagegen, weil ich Jeremiah hasse und er sowieso auf der anderen Seite steht.

Ich kann unmöglich gemeinsame Sache mit dem Teufel machen.


»Er hat mich angerufen», strahlt Flo und hüpft wie ein Gummiball durch mein Wohnzimmer.

»Er hat mich angerufen und zu seinem Konzert eingeladen. Ohhhh...ist das toll.»

Ich bin skeptisch und glaube nicht, dass wir schon beim Happy End sind. Besser ich gehe mit

und passe auf, dass Flo nichts geschieht. Aufbrezeln könnte nicht schaden. Vielleicht finde ich ja einen gutaussehenden Typen über achtzehn.

Blauweiße Ringelstrümpfe, blaues Kleidchen, Doc's und meine rosa Haare kunstvoll auf den Schädel getürmt, garniert mit einer unechten Blume. Das dürfte reichen. Flo sieht aus, als wolle er dringend aufgerissen werden. Seine Schnallenhose sitzt unanständig tief auf seinen Hüften, sein Shirt ist so eng, dass ich mich frage, wie er da wohl reingekommen ist. Mjamm!! Sicher trägt der heute keine Unterwäsche. Da zeichnet sich ganz deutlich...ich geh kaputt. Warum ist sowas immer so total unerreichbar für ein Mädchen?!

»Flo...ich stehe auf der Gästeliste», krakeelt er dem Typen an der Kasse ins Gesicht.

Der Typ nickt und wirft einen Blick auf mich. Anscheinend stehe ich nicht drauf. Fünfzehn

Euro kostet mich der Spaß, meine gute Laune ist soeben verflogen. Deshalb hänge ich mich erstmal an die Theke und kippe ein paar Tequila runter.

»Hey, Babydoll», säuselt's an meinem Ohr, »wer is'n dein Freund, mh?»

»Benedikt...Flo. Flo...Benedikt», erkläre ich und lutsche die Zitronenscheibe aus.

Flos Garderobe hat den gewünschten Effekt. Mein schwachsinniger Bruder fängt sofort an, mit ihm zu flirten. Mein Herzchen macht keinen besonders erfreuten Eindruck, kann sich

aber leider auch nicht gescheit wehren, als Benedikt an ihm rumfummelt und ihn auf den Mund küsst. Was die beiden nicht mitkriegen ist, dass Kasi im Dunkeln neben der Bühne steht und ALLES mitkriegt. Er ist leider verschwunden, bevor ich Flo auf seine Anwesenheit aufmerksam machen kann. Dann erscheint urplötzlich Jeremiah, Pleasure&Pain betreten die Bühne und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Benedikt klebt wie Kaugummi an Flo. Oder auch wie eine Biene, wenn Flo sich mit Honig eingeschmiert hätte (wenn er das tatsächlich hätte, würde ich an ihm rumlecken anstatt an der blöden Zitrone). Kasi und Jeremiah werfen sich Herzchenblick zu. Flo bemerkt das und flirtet daraufhin heftiger mit Benedikt. Ja, bin ich denn im Kindergarten?!

Kasi stimmt das letzte Lied an.

Guten Menschen wachsen Flügel, nur ich bin ein schwarzes Schaf

Doch vorbei ist meine Trauer, denn er spricht zu mir im Schlaf

Ich verlass den Pfad der Tugend, treff jetzt meine eigne Wahl

Lass mich nicht von euch vertrösten, eure Welt ist mir egal

Jeder steht sich selbst am nächsten und was kostet schon Moral

Logischerweise ist Kasi dabei dicht an den Bühnenrand gekrochen und streichelt an Jeremiah rum.

Tanz mit dem Teufel...durch die Nacht...

Junge, du hast ja keine Ahnung!

Wenn im Winter Engel frieren, ist die Hölle kuschlig warm

Lass mich deine Feuer spüren, Teufelsmacht hat ihren Charme

Jeremiah ist total hin und weg. Schließlich ist er Fachmann in Sachen Hölle und überhaupt. Mitten im Refrain hopst er auf die Bühne und gibt er Kasi einen extrem langen Zungenkuss. Die Mädels kreischen wie bekloppt. Flo dagegen ist kreidebleich geworden.

Ach du Scheiße!!

»Das ist nur Show», versuche ich die Situation zu retten. Zu spät. Flos Herz ist gebrochen.

Zerschmettert, als Kasi Jeremiah mit hinter die Bühne nimmt.

Entschuldigung...ich muss die zwei jetzt dringend killen! Und danach sofort meinen Bruder.

Am Besten ich vernichte die ganze Welt!

Da ich aber kein Todesengel bin, sondern eine Heilige, beschließe ich, dass es besser ist, wenn ich mich erstmal um mein Herzchen kümmere. Leider ist es nirgendwo mehr zu entdecken. Nach einer Weile hab ich aber wenigstens Benedikt gefunden.

»Wo ist Flo?»

»Keine Ahnung. Der ist einfach weggerannt. Was ist denn los?»

»Du», ich piekse ihm meinen Finger in die Rippen, »gehst jetzt los und tötest diesen verdammten, in der Hölle gezeugten, Kübel purer Bosheit. Ich muss Flo suchen.»

Eine ganz schlimme Ahnung kraucht mir durchs Gebein und das durch-die-Leute-kämpfen

dauert viel zu lange. Draußen ist er jedenfalls nicht. Ich mache mich auf den Weg zu seiner Wohnung. Glücklicherweise treffe ich ihn unterwegs.

»Babe, alles okay?» frage ich besorgt.

Er blinzelt mich mit verheulten Augen an. Dann stolpert er in meine Arme.

* * *

Flo hat die Sache mit Kasi eindeutig zu locker weggesteckt. Wir sind in seine Wohnung gegangen, wo er heulend alle Kasi-Bilder von den Wänden gerissen hat. Danach hat er nur noch geflucht. Einen Tag später war Kasi aus seinem Gedächtnis gestrichen. Ich glaube ihm das nicht eine Sekunde.

Benedikt hat Kasi und Jeremiah hinter der Bühne bei eindeutig sexuellen Handlungen erwischt und beiden die Fresse poliert. Naja, jedenfalls Kasi. Jeremiah bekam daraufhin einen seiner gefürchteten Wutanfälle und ging auf meinen armen Bruder los. Zu guter Letzt sind die beiden dann im Bett gelandet. Bennie sagt, ich soll doch froh darüber sein, dass er den Teufel für mich aus dem Weg geräumt hat. Wie, das sei ja wohl zweitrangig. Ich hab das dringende Gefühl, alle außer mir sind wahnsinnig. Und eine Stimme sagt mir, dass ich Flo besuchen sollte. Sofort!

Auch nach Dauerklingelei macht er nicht auf. Ich weiß aber, dass er da ist. Das hat mir nämlich auch die Stimme gesagt. Leider nicht, wie ich diese verdammte Tür aufkriegen soll.

Ich hab jetzt echt Panik und bete kurz. Ich flehe förmlich. Es donnert grollend und wie durch Zauberhand öffnet sich die Tür. Drei Schritte durch den Flur...oh mein Gott! Flo liegt regungslos auf der Couch und überall ist Blut. Ruhig bleiben, Schola! Ich befühle seinen Hals...ein schwacher Puls. Ist schonmal ein gutes Zeichen. Der Krankenwagen ist schnell gerufen, braucht allerdings eine Ewigkeit. Ich drücke inzwischen wie bekloppt irgendwelche Stofftücher auf Flos zerschlitzte Pulsadern.

Als er endlich abtransportiert wird, sehe ich aus wie einem Horrorfilm entsprungen und bin dermaßen am Ende, dass ich Benedikt brauche, der mit mir ins Krankenhaus fährt.

»Das ist alles meine Schuld», heule ich in Bennies Shirt. »Dabei wollte ich doch nur...»

»Ich weiß, Kleines», flüstert er. »Da ist übrigens jemand, der dich besser trösten kann.»

Schlapp rappel ich mich aus Benedikts Armen und kriege beinahe eine Herzattacke. Auf dem

Krankenhausflur steht strahlend schön...meine Lichtgestalt!

Der Engel kommt auf mich zu, zieht mich sanft vom Stuhl hoch und hält mich ganz fest umschlungen. Eine Weile genieße ich seine Wärme. Seinen Geruch. Seine Lippen, die mein Haar berühren. Dann löse ich mich von ihm.

»Du bist gekommen, um ihn mitzunehmen, oder?»

Der Engel lächelt. Sein Mund berührt meinen. Ein unglaubliches Gefühl von Glück durchströmt mich.

»Was macht'n der hier?» frage ich ungehalten.

»Ich hab Kasi angerufen und ihm gesagt, was passiert ist», erklärt Benedikt.

Der kleine Rockstar sieht aus wie Gekotztes. Total bleich mit Augenringen bis zum Fuß.

Nervös blickt er umher.

»Was...wie geht es Flo?»

»FLO IST TOT», brülle ich mit Tränen im Gesicht.

Kasi starrt mich an, dann schüttelt er den Kopf.

»Nein...das...das kann nicht sein. Ich hab...er kann doch nicht...ohne zu wissen...NEIN!» brabbelt er.

»Flo liegt da drin», ich deute auf eine Tür, »wenn du dich von ihm verabschieden willst.»

»Ich...kann nicht», heult Kasi.

»Jetzt geh da rein und sieh, was du ihm angetan hast», herrsche ich und schubse ihn ins Zimmer.

»Du bist grausam, Schola», lächelt der Engel und legt seinen Arm um meine Schulter.

»Ach was. Das wird ihn schon nicht umbringen.»

»Lass uns trotzdem lieber auch reingehen. Für alle Fälle.»

Flos Gesicht ist ungefähr so weiß wie die Bettdecke. Seine Handgelenke sind dick bandagiert.

Seine Augen geschlossen. Seit Laura Palmer ist er jedenfalls die schönste Leiche.

Kasi stolpert zögerlich zum Bett und legt seinen Kopf auf Flos Brust. »Es tut mir so leid», schluchzt er kaum hörbar.

»Wie...wie kannst du einfach weggehen? Ich lieb dich doch...»

Eine schlaffe Hand macht sich auf den Weg, streicht behutsam durch Kasis Haare. Er hebt den Kopf und sieht in Flos müde lächelndes Gesicht.

»Hättest du mir das nicht eher sagen können, du Idiot?» wispert Flo.

Ungläubig tastet Kasi an ihm herum, dann legt er sich vorsichtig neben ihn. Mein Herzchen schmiegt sich erschöpft in seine Arme und der Engel stupst mich an.

»Ich denke, wir werden hier nicht mehr gebraucht.»

Seufzend wische ich mir ein paar Tränchen von den Wangen und schließe leise die Tür.


»Na, das ist doch wieder mal alles gut ausgegangen», sagt Bennie, als sei das sein Verdienst,

lehnt sich entspannt zurück und küsst meinen Hals. Die Lichtgestalt auf der anderen Seite tut

dasselbe.

»War aber ganz schön knapp», bemerke ich, während meine Finger langsam über die nackte

Engelbrust gleiten. »Und überhaupt, wenn du nicht aufgetaucht wärst...du hast deinen Spaß und ich hab die ganze Arbeit.»

Bennies Hand kraucht über meinen Busen. »Willst du mir sagen, das eben hätte dir keinen Spaß gemacht, Schwesterchen, mh?»

»Phhh...Angeber.»

Er küsst mich auf den Mund. Dann küsst er den Engel. Danach küsse ich den Engel. Den Rest der Nacht verbringen wir ineinander verschlungen in einem Reich sinnlicher...okay, wir

vögeln uns dumm und dämlich, you know?!


Flo geht es inzwischen besser, was zweifellos an Kasis rührender Pflege liegt. Er bemüht sich wirklich ganz doll um mein Herzchen. Warum müssen erst immer schreckliche Sachen passieren, bevor die Menschen begreifen, was gut und richtig ist? Naja, wenn es anders wäre, gäbe es schließlich für eine Heilige nichts mehr zu tun.

Ich liebe wirklich alle meine Tigerchen aber wenn ich Flo sehe, der mit Kasi schmust...wow, das gibt mir jedesmal einen kleinen Stich. Mitten ins Herz. Trotzdem wünsche ich mir nicht... okay, manchmal schon. Aber nur ganz heimlich. Was soll ich sagen? Auch Santa Scholastika ist gegen romantische Gefühle, Sehnsucht und Liebeskummer nicht immun, you know?! Flo ist halt was ganz Besonderes.

Benedikt ist weg. Mein Engel noch da. Nicht nur in der Hölle hat man Anspruch auf Urlaub.

Ich genieße die Zeit mit der bezaubernden Lichtgestalt, schließlich muss er in drei Wochen wieder zurück.

Jeremiah ist übrigens immer noch total angepisst. Wegen der Badewannenaktion und...wegen

allem. Er hat mir übelste Rache geschworen. Von mir aus. Ich bin bereit. Für einen neuen Kampf. Und für einen weiteren Sieg.

Halleluja!

Nachwort

Muss hier an dieser Stelle gestehen...Kasis »Tanz mit dem Teufel» Lied hab ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern von Melotron geborgt. Man möchte sich ja nicht mit fremden Texten schmücken. Ansonsten ist aber alles meinem Hirn entsprungen und wenn nicht, hab ich hoffentlich so geschickt geklaut, dass es nicht auffällt ;)

Weiterhin unterwegs im Kampf gegen das Böse...

Chelsea, Freundin der Geister

PS: Kekse für das Krümelmonster!

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