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Das Zuckerwattenhaus
Teil 1
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Informationen
- Story: Das Zuckerwattenhaus
- Autor: Chelsea
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Vorwort
Achtung Achtung! Sexuelle Handlungen zwischen zwei oder mehreren Jungs können und werden sehr wahrscheinlich im Laufe der Geschichte vorkommen. Ich denke ja nicht, daß es jemanden stört, wollte es aber mal gesagt haben. Übrigens wird auch keine Rücksicht auf schlimme ansteckende Krankheiten genommen. Weil...hier ist ja alles nur ausgedacht!!
Ich weiß ganz genau, wie mir der Mann meines Lebens begegnen wird.
Zusammenstoßen wird er mit mir. Zusammenstoßen auf offener Straße. Wir werden uns mit gesenkten Köpfen entschuldigen, uns danach in die Augen schauen und - BUMS - wissen wir beide ganz genau Bescheid. Wir spüren es.
Er wird wahnsinnig süß aussehen. Schwarze Haare, grüne Augen, ein Grübchen, weiche Knutschlippen und er wird unwahrscheinlich schöne Hände haben, eine samtige Stimme und überhaupt. Mir wird schon ganz warm, wenn ich nur an ihn denke.
Das Dumme ist nur, ich weiß nicht, WANN er mich anrempeln wird. Das macht mir schwer zu schaffen, weil ich jetzt gerade sechzehn geworden bin und alle außer mir einen Freund oder eine Freundin haben. Echt ekelhaft ist das. Egal wo man hingeht, überall sind alle zu zweit. Ich nicht. Das nervt.
Natürlich tue ich viel dafür, meinem Süßen zu begegnen. Ich laufe täglich nach der Schule durch die Straßen und lungere eben überall da rum, wo sich viele Menschen aufhalten, was mir eigentlich zuwider ist, weil ich doch lieber meine Ruhe habe. Bin nämlich eher von der stilleren, sensibleren Sorte.
Saskia sagt immer, ich sei verklemmt aber die lügt. Saskia lügt auffallend gerne, besonders ihren Freund Martin an. Ich weiß z B, daß sie sich nebenbei mit Phillip trifft, was wiederum Martin nicht weiß und auch nicht erfahren darf, weil der sonst einen gemeinen Wutanfall bekäme und Saskia zum Teufel jagen würde. Saskia will aber mit Martin zusammenbleiben, weil seine Eltern stinkreich sind und er ihr andauernd teure Klamotten, CDs und so weiter schenkt und immer alles bezahlt, wenn die irgendwohin gehen.
Ich finde Saskia irgendwie ätzend aber weil wir uns kennen, seit wir vier sind, sage ich dazu nichts.
Sie dagegen sagt allerhand, obwohl ich sie nicht darum bitte. Ich bin also verklemmt und überhaupt, wie ich schon aussehe, da dürfte ich mich doch nicht wundern, daß ich noch keine Freundin hätte. Ich muß dann immer heimlich grinsen, weil ich doch auch gar keine Freundin will.
Ach so, vielleicht sollte ich erwähnen, daß ich Konstantin heiße und sowas wie schwul bin. Ich meine, ich weiß es nicht genau aber die Tatsache, daß ich eben keine Freundin will sondern einen Freund, spricht doch sehr dafür, oder? Daß dies aber so ist, weiß niemand und ich meine auch nicht, daß es jemand wissen müßte. Also, meine Eltern vielleicht mal irgend- wann später, wenn der Mann meines Lebens mit Blumen und Konfekt vor der Tür steht, um meinen Vater um meine Hand zu bitten. Aber das hat ja noch Zeit. Meine Eltern sind eigent-lich relativ verständnisvoll, als ich mal mit Saskia, Martin und Phillip nach einer Haschtee-party im Krankenhaus gelandet bin, weil alles bergauf ging, der Schrank auf mich zukam und mir hundeelend war, kam mein Vater besorgt und brachte mir einen Pyjama und was man sonst noch so braucht. Danach, als ich wieder zuhause war, hat er mir erklärt, daß ich die Drogen lieber lassen sollte, weil ich ja nun gemerkt hätte, daß sie mir nicht bekommen und wenn es deswegen noch einmal Streß geben sollte, würde er mich umbringen.
Das mit dem Umbringen hat er aber bestimmt nicht so gemeint. Mein Vater neigt nicht zu Mord. Der kann nicht einmal eine Spinne töten, wenn die an der Wand kraucht. Er nimmt sie dann an einem Bein und befördert sie nach draußen.
Bei meiner Mutter hab ich eh Narrenfreiheit, bin nämlich das Nesthäkchen und der einzige, der noch zuhause wohnt. Meine Schwester ist längst verlobt und wohnt mit ihrem Freund zusammen, mein Bruder lebt in einer eigenartigen WG.
Was gibt's sonst noch über mich? Habe in der Schule und auch so ziemliche Probleme mit Mädchen, weil ich nämlich sowas wie echt süß bin. Jedenfalls sagen das alle, außer Saskia. Ich denke, daß ich mich nicht beschweren kann, was Aussehen betrifft. Ok, ich bin nicht gerade groß und eher schmächtig aber das kümmert mich nicht. Wer will schon so ein muskulöser Sportlertyp sein? Ich bestimmt nicht. Der Mann meines Lebens darf auf gar keinen Fall übermäßig Sport treiben oder gar ein Fitnessfreak sein. Fitnessfreaks können nämlich nicht genießen, nicht einfach so vorm Fernseher hängen und Karamelleis essen, weil die immer auf sich achten und Kalorien zählen. Besonders letzteres ist keineswegs ein Mädchenmonopol, wie ja immer angenommen wird. Der Mann meines Lebens muß jedenfalls Karamelleis lieben. Karamelleis mit Sahne und Krokantsplittern.
Äh...zurück zu mir.
Meine Haare sind kurz. Dunkelbraun mit einem rötlichen Schimmer, je nach Lichteinfall; meine Augen sind haselnußbraun - Rehaugen - die Mädels stehen drauf. Ständig werde ich auf Parties angebaggert, was mich ins Schwitzen bringt, weil meine Freunde natürlich fragen, warum ich nie eins von denen flachlege. Denke mir dann irgendwas aus, von wegen, nicht mein Typ oder zu blöd, zu kleine Titten...manchmal alles zusammen.
Ach wieso kann mich denn nicht mal ein hübscher Junge angraben? Ich meine, es kann doch nicht verkehrt sein, bevor der Mann meines Lebens mit mir zusammenstößt, die ein oder andere Erfahrung zu sammeln. Was wenn der noch gar nicht hier wohnt und erst in, sagen wir mal, zehn Jahren auftaucht? Dann bin ich eine sechundzwanzigjährige Jungfrau. Wie peinlich! Nee, da möchte ich vorher lieber schon wissen, wie blasen geht und Geschlechts-verkehr und überhaupt, ich hab noch nie einen Jungen geküßt. Aber ich nehme an, es wird nicht viel anders sein, als ein Mädchen zu küssen (nur viel viel schöner und aufregender!) und das hab ich schon öfter. Spaß gemacht hat das zwar nicht aber egal. Wollte meinen Freunden halt zeigen, daß mit mir alles in Ordnung ist, was mich ein wenig beschämt, weil das ja hieße, daß mit mir etwas nicht in Ordnung ist, nur weil ich auf Jungs stehe.
Wie unangenehm. Mom schickt mich zum Einkaufen. Da ich sie sehr gern habe, bringe ich es nicht über mich, ihr zu sagen, wie uncool das ist und trabe los. Gott...was für eine Liste. Ich meine, die ist zwar nicht lang aber es steht Klopapier drauf. KLOPAPIER und zwar nicht so eine kleine Packung, die man irgendwie in einer schönen Tasche verschwinden lassen könnte. NEIN! Eine 10-Rollen-Packung will meine Mama. Dann noch Ohrenstäbchen, Papas Schuppenshampoo und lauter Peinlichkeitsschweißausbruchslebensmittel wie stinkenden Käse mit Kümmel drin, Leberwurst, Zwiebelfleisch und dergleichen. Das Knusper-Schokomüsli hat sie nicht aufgeschrieben aber ich werde es dennoch kaufen.
Ok, der Supermarkt ist natürlich brechend voll, ich schiebe meinen Wagen zur Kasse und mache es mir eine halbe Stunde in der Schlange gemütlich. Dann endlich alles aufs Band, aufpassen, daß ich keinen roten Kopf kriege, bezahlen, alles wieder in den Wagen, alles bis aufs Klopapier in eine Tüte gestopft, Klopapier unter den Arm geklemmt und bloß machen, daß ich schnell und ungesehen nach Hause komme.
Mit gesenktem Kopf berste ich also raus und... AUA!!
Scheiße! Alles fällt mir aus der Hand, weil mich etwas beim bersten stoppt. Da mein Kopf noch gesenkt ist, sehe ich Leberwurst, Ohrenstäbchen und Käse auf dem Gehweg liegen. Papas Schuppenshampoo lugt aus der Tasche, dazu kommen noch Tomaten und diverse Süßkrampackungen, die ich gar nicht gekauft habe.
Total desorientiert sitze ich auf dem Bürgersteig, hebe mutig meinen Kopf ein kleines Stück und bin...einem Herzinfarkt nah.
Mir gegenüber rappelt sich gerade ein Typ auf. Der Typ, mit dem ich zusammengestoßen sein muß.
Moment mal...ein Typ...Zusammengestoßen?? AHHHH...der Mann meines Lebens!! DAS muß er sein. Allerdings hat der keine schwarzen Haare, das heißt, ich weiß nicht, ob der überhaupt Haare hat, weil er eine ziemlich bekloppt aussehende, graue Strickmütze trägt.
»Mann, ist mir das...«, beginne ich verschämt.
»Peinlich«, murmelt er.
»Tut mir...«
»Leid.«
Er grabscht nach Tomaten und Süßigkeiten, stopft alles in seinen Beutel zurück und streckt mir seine Hand entgegen, um mir aufzuhelfen.
»Hab dich gar nicht...«
»Gesehen«, strahlt er.
Hä? Wieso strahlt der mich an?? Und wieso vervollständigt er meine Sätze?
Ich stehe wieder und starre verlegen in der Gegend rum. Was wollte ich noch gerade, bevor ich in sein Gesicht gesehen habe? In diese wahnsinnigen blaugrauen Augen?
Er bückt sich und überreicht mir lächelnd Stinkekäse und Ohrenstäbchen.
Au weia...wie unsagbar PEINLICH!! Super rotgesichtig stopfe ich das Ekelzeug in meine Tasche.
»Danke«, murmle ich und schwitze, obwohl draußen ungefähr drei Grad Minus sind.
»War doch meine...«
»Schuld«, sage ich und schaffe ein verunglücktes Lächeln. Es muß horrorartig aussehen. Er strahlt immer noch und übergibt mir, als Gipfel der Peinlichkeit sozusagen, die Familien-packung Klopapier.
Ich will mich augenblicklich in den Boden graben, mitsamt Klopapier und Stinkekäse. Da liegt noch Schokoknuspermüsli auf dem Bürgersteig. Ich will es gerade einpacken, da hält er meine Hand fest. »Sorry...ähem...das ist meins.«
Ohgottohgott! Jetzt stehle ich ihm auch noch sein Schokoknuspermüsli!!
»Tschuldige«, sage ich und möchte am liebsten losheulen.
»Kein Problem.«
Wir stehen uns gegenüber und sehen uns an. Er hat ein sehr schönes Gesicht, fällt mir auf. Ganz glatt und weich und karamellsahnig.
Er ist noch nicht so wahnsinnig alt, vielleicht siebzehn oder achtzehn, seine Wangen sind gerötet... liegt wohl an der Kälte. Ich finde das hinreißend. Ich finde ihn hinreißend.
»Also dann«, sagt er.
»Ja«, sage ich und kann meine Füße irgendwie nicht bewegen. Ich hab, glaube ich, gerade vergessen, wie man das macht.
»Ich muß los«, lächelt er.
»Ja«, sage ich und spüre die Klopapierpackung unter meinem Arm.
»Ok«, sagt er und geht an mir vorbei, während ich immer noch überlege, wie das mit den Füßen funktioniert und ihm nachschaue.
Nach einigen Metern bleibt er stehen, schaut in den Himmel, schüttelt den Kopf und kommt zurück. Er stellt seinen Beutel auf den Boden, greift in seine Tasche, dann nach meiner Hand.
Das Kloppapier fällt herunter. Nervös klickt er die Mine eines Kugelschreibers heraus und kritzelt zittrig etwas in meine Handfläche, zwinkert mir nochmal zu, nimmt seinen Beutel und geht endgültig.
Ich habe inzwischen meinen eigenen Namen vergessen, glotze blöde auf meine Hand und raffe erst gar nicht, was das für Zahlen sind.
WOW...so langsam dämmert's. Das muß seine Telefonnummer sein!! Ich fasse es nicht! Der Typ ist längst irgendwo abgebogen und aus meinem Blickfeld verschwunden, ich stehe immer noch da, komme wieder zu mir, hebe das verfickte Klopapier auf und schwebe nach Hause.
In meinem Zimmer schreibe ich feinsäuberlich dreimal die Zahlen ab, kontrolliere sie mindestens zehnmal mit den Zahlen in meiner Hand und überlege, was zu tun ist.
Wann soll ich ihn anrufen? Heute noch? Nee, dann denkt er, ich hätte es nötig. In ein paar Tagen? Nee, das signalisiert wenig Interesse. Morgen? Ja, das ist gut.
Moment mal...ist der überhaupt...schwul? Ich meine, keine Ahnung, nur weil er mir seine Nummer gegeben hat...das heißt ja nichts. Vielleicht hat er eine Freundin oder eine Schwester, die einen Freund sucht und das ist ihre Nummer? Oder der hat mir absichtlich eine falsche gegeben, weil er ein Arschloch ist, der immer Typen verarscht, die mit Klo-papier bewaffnet aus einem Supermarkt stürmen.
Gott...ich hätte schrecklich gerne seine Haare gesehen. Die müssen einfach schwarz sein. Mann und wie schön der ist. Was für ein Wahnsinnslächeln...und die Augen...und die Nase... und die roten Wangen... Mir wird komisch, weil ich begreife, daß ich den Mann meines Lebens getroffen habe.
Mit schweißnassen Fingern, Magenbollern, Schwächeanfällen und allem drum und dran sitze ich vorm Telefon, die drei Zettel mit seiner Telefonnummer in meiner Hand. Ich wähle die Nummer, es tutet und ich lege sofort wieder auf. Es ist also schon mal eine wirkliche Telefonnummer.
Ok, nur Mut. Das muß ich jetzt bringen. Ich wähle noch einmal, es tutet, ich knalle den Hörer auf.
Scheiße, ich bin ein verfluchter Angsthase.
Also los. Ich atme tief ein, wieder aus, hebe den Hörer, tippe die Nummer und warte... eine Frauenstimme meldet sich.
Ach du Kacke! Siedendheiß fällt mir ein, daß ich gar nicht seinen Namen kenne! Nach wem soll ich denn bitteschön fragen? Panikartig fällt der Hörer auf die Gabel zurück.
Scheiße scheiße scheiße! Was nun? Ich kann ja schlecht sagen »Hallo, wohnt bei Ihnen der Mann meines Lebens? Er hat keine Haare aber dafür blaugraue Augen, ist wunderschön und hat gestern Tomaten und Schokoknuspermüsli gekauft«.
Die arme Frau denkt doch, ein Irrer ruft sie an.
Ich könnte solange anrufen, bis ER ans Telefon geht. Aber was, wenn der grundsätzlich nich ans Telefon geht oder der ist jetzt nicht zuhause, kommt erst in drei Stunden wieder?! Ich kann doch nicht drei Stunden lang im Zwei-Minuten-Takt anrufen und wieder auflegen. Lieber Gott...hilf mir!
Ich beschließe, es nochmals zu probieren. Wieder eine Frauenstimme, ich lege auf. Noch einmal, wieder sie, wieder lege ich auf.
Das ganze passiert ungefähr noch sechs oder sieben Mal.
Mir ist schon ganz schlecht, weil ich die Frau so drangsaliere und nehme mir vor, es mit dem nächsten Versuch gut sein zu lassen.
Ich wähle, ich warte, ich höre ein SEHR unfreundliches »Ja, verdammt.«
Ups, das ist nicht sie sondern eine männliche Stimme. Ich muß kurz überlegen, was ich sagen soll.
»Hallo...ey, ist da der, der hier zwanzig Mal anruft und wieder auflegt? Wenn du dich nicht sofort meldest, schwöre ich dir, komme ich durch den Scheißhörer und schlage dir die ver-dammte Fresse ein.«
Das ist definitiv SEINE Stimme. Das höre ich an den kleinen Kieksern, die sie macht. »Hallo«, sage ich schnell.
Er schnauft. »WER ist da?«
»Ich. Ich meine, du...du hast mir deine Nummer gegeben...gestern...vorm Supermarkt.« Schweigen. Mir will das Herz stehenbleiben.
»Oh...oh...entschuldige. Aber hier ruft dauernd eine Arschgeige an und legt wieder auf. Ganz schön nervig. Tut mir leid.«
Daß ich diese Arschgeige bin, verschweige ich mal lieber.
»Mh...verstehe.«
»Hi...schön, daß du anrufst«, kiekst er.
Ohgott...er findet es schön, daß ich anrufe?! WOW!!
»Ich...ich hätte nicht gedacht, daß die Nummer stimmt«, sage ich ehrlich.
»Wieso? Meinst du, ich bin so ein Arschloch, das falsche Nummern rausgibt?«
»Nein...äh...sicher nicht. Ich meinte, ich hätte nicht gedacht, daß du dich an mich erinnerst.«
»Ach so, weil ich jedem Typen, mit dem ich zusammenstoße meine Nummer in die Hand schreibe, ja?«
»Nein...natürlich nicht.«
Scheiße, wie komme ich denn da wieder raus?
»Ich wollte nur sagen, daß...ich meine, ich...mh...«
»Daß bestimmt niemand meine Nummer haben will und du der einzige bist, der mich jemals angerufen hat?«
Verflucht, der versteht ja alles falsch!
Während ich mich zu Tode schwitze höre ich ihn laut lachen. »Das war ein Scherz...sorry. Sag mal, bist du irgendwie nervös?«
»Ja, kann man wohl sagen.«
»Schön, das ist die gerechte Strafe.«
»Strafe? Wofür denn?«
»Na, daß du mich so lange hast warten lassen und ich hier gerade mit einem breiten Grinsen sitze, weil du dich doch noch gemeldet hast.«
Ach du Kacke...flirtet der etwa mit mir??
»Hey...bist du noch dran?«
»Hm-hm«, mache ich.
»Schön...da fällt mir ein...wie heißt du überhaupt?«
Einfache Frage...die kann sogar ich ohne Schwierigkeiten beantworten. »Konstantin.«
»Oh...ok, Konstantin...magst du dich mit mir treffen...einen Kakao trinken oder sowas?«
»Äh...sicher.«
»Mh, du hast zwar nicht gefragt aber ich sage dir trotzdem, daß ich Danilo heiße. Ist viel-leicht interessant für dich zu wissen.«
»Entschuldige...hab ich ganz vergessen...äh...tut mir leid.«
»Wann hast du denn mal Zeit?«
Scheiße, nicht zu früh aber auch nicht zu lange warten lassen. »Vielleicht...übermorgen?« frage ich zaghaft.
»Mh...ist ja ...nee, das dauert mir zu lange«, antwortet er bestimmt.
»Ok, morgen.«
»Klingt schon besser. Wo und wann?«
»Äh...sagen wir gegen fünf im Lux?«
»Lux...wo ist denn das? Ich wohne noch nicht so lange hier.«
Ich erkläre es ihm so gut ich kann.
»Ja...werde ich schon finden. Ok, alles klar.«
Was jetzt? Verabschieden? Ich will noch nicht auflegen. Ich will lieber noch seine Stimme hören.
»Ok«, sage ich.
»Du...ich muß Schluß machen, hab noch lauter Kram zu erledigen«, seufzt er.
»Ja...verstehe. Also dann...«
»Dann bis morgen.«
»Ja, bis morgen.«
...
»Konstantin?«
»Hm?«
»Du mußt jetzt auflegen.«
»Wieso?«
»Naja, weil ich, wie gesagt, noch zu tun habe und immer nicht als erster auflegen kann.«
Ohhh...ich liebe Danilo.
»Gut, dann lege ich jetzt auf.«
»Ok, bis dann also.«
»Ja, bis dann.«
...
»Konstantin?«
»Ja?«
»Würdest du jetzt bitte auflegen?«
»Klar...bis morgen. Tschüß.«
Ich schaffe es, den Hörer auf die Gabel zu legen.
Mann schwirrt mir der Kopf.
Mann hat der eine Gänsehautheiserkieksstimme.
Mann ist der süß.
Mann ich weiß gar nicht, was ich morgen anziehen soll.
Gott...bitte laß ihn Haare haben und bitte laß es schwarze Haare sein. Danilo hat schon keine grünen Augen und an ein Grübchen erinnere ich mich auch nicht. Schwarze Haare müssen aber sein!
Schön, ich habe mich eben zum fünften Mal umgezogen. Irgendwie sah alles total scheiße aus. Jetzt habe ich mich für eine schwarze Cordhose entschieden, dazu das lila Shirt mit dem silbernen Stern. Nicht, weil das so wahnsinnig gut aussieht, sondern, weil ich keine Zeit mehr habe. Bin eh schon total in Panik, weil ich aller Voraussicht nach zu spät kommen werde. Dabei hasse ich Unpünktlichkeit wie die Pest. Saskia zum Beispiel...die kommt grundsätzlich zu jedem Treffen zwanzig Minuten zu spät und entschuldigt sich dann noch nicht mal. Das ist doch echt ekelhaft unhöflich. Bin ja nun wirklich kein gute-Manieren- Fanatiker aber so zu spät kommen, das macht man einfach nicht. Aber Saskia ist eh eine blöde Kotzkuh.
Hauptsache, Danilo geht nicht sofort wieder weg, wenn er mich nicht gleich sieht. Ich schnappe mir Schal und Mantel, werfe mir meinen schwarzen Rucksack über die Schulter und mache mich auf den Weg.
Super...es regnet.
Mißmutig haste ich durch die Straßen.
Super...es schneit.
Ich laufe schneller.
Super...es hagelt.
Ich hasse Winter!!
Egal...weiter...bin schon eine Viertelstunde zu spät.
Als ich an der letzten roten Ampel nervös von einem Fuß auf den anderen trete, brettert ein Kackangeberschlitten an mir vorbei...durch eine riesengroße Pfütze...und ich sehe aus wie durch den Gulli gezogen.
Heimatland! Ist das hier »Versteckte Kamera«??
Nochmal umziehen geht nicht also beiße ich die Zähne zusammen, schlucke meine Wut herunter und gehe mit nassen Klamotten weiter.
Ahhh...da vorne ist das Lux. Ich kann es durch den Hagelsturmschauer erkennen.
Die Leute kucken etwas belustigt, als ich die Tür aufstoße und hineingehe. Ich möchte allen Handgranaten in die Schlünde stopfen.
Mein Blick wandert durch das ganze Café...wo ist er?? So gelassen wie möglich schlendere ich durch die Tischreihen und...aha, da sitzt er und liest. Er sieht aus wie aus'm Ei gepellt.
Schwarzes Shirt und schwarze Cordhose...ganz ordentlich und ganz trocken. Hoffentlich ist er das überhaupt, ohne Strickmütze sieht der ganz anders aus.
»Äh...hallo«, sage ich, als ich vor seinem Tisch stehe.
Danilo blickt auf und...prustet los.
»Du hättest mir sagen sollen, daß du vorher noch schwimmen gehst«, kichert er.
»Sehr lustig«, bemerke ich, ziehe meinen nassen Mantel aus und setze mich.
Er winkt dem Kellner zu und bestellt heiße Zitrone.
»Wegen der zu befürchtenden Erkältung«, erklärt er.
Oh...wie aufmerksam und fürsorglich! Ich liebe ihn, obwohl er KEINE schwarzen Haare hat, wie ich feststellen muß. Seine Haare sind...mh...mehrfarbig. Mittelblond mit schokobraun vermischt...ganz natürlich aussehende Strähnchen. Die Frisur...kurz aber nicht zu kurz, mit einem langen Pony, den er andauernd zur Seite streicht. So ein Trendhaarschnitt wie »Tocotronic«... »Hamburger-Schule«-Look. Sehen nett aus, seine Haare...sind aber verdammt noch mal NICHT schwarz.
Inzwischen steht meine Zitrone vor mir. Um das peinliche Schweigen zu unterbrechen, will ich fragen, was er da liest, greife über den Tisch nach dem Buch und...stoße dabei das Glas um.
»Au...Scheiße«, rufe ich und kriege einen roten Kopf. Die Zitrone tränkt das Buch. Hektisch wische ich rum, während er...lacht. Er kriegt sich kaum ein, legt eine Serviette auf die feuchte Seite und bringt es außer Reichweite.
Ich sitze da, halte meine Hände unterm Tisch und wage nicht, mich in irgendeiner Form zu bewegen.
»Wow...bist du immer so hektisch?« grinst er.
»Tut mir leid...«
Mir ist nach heulen. Heulen und nie wieder aufhören.
Der Kellner bringt eine neue Zitrone, ich rühre sie nicht an. Wer weiß, was passiert, wenn ich es tue...
»Ich...ich bezahle dir das Buch«, sage ich leise.
»Blödsinn. Mach dir doch keinen Streß...es ist nur ein Buch, das ich schon dreimal gelesen habe.«
»Ich bin so ein Trampel.«
»Hör schon auf und trink deine Zitrone.«
Ich traue mich nicht, meine Hände unterm Tisch hervorzuholen.
Danilo nimmt das Glas und hält es mir vor die Nase. »Komm schon«, grinst er und zwinkert, »einen Schluck für Danilo, mh?«
Meine eine Hand bewegt sich zum Glas, greift danach und spürt weiche Finger, die es nicht loslassen, als ich es an meine Lippen setze und...mir prompt den Mund verbrenne.
»Au...verflixt«, zische ich.
Danilo stellt das Glas auf den Tisch, schlägt die Beine übereinander, lehnt sich zurück und rührt bedächtig in seinem Kakao.
Gott...warum starrt der denn so? Ich werde schon wieder rot, oder bin es immer noch. Schwer zu sagen.
»Und...schon etwas ruhiger geworden?«
»Geht so«, nuschle ich.
»Erzählst du mir, was passiert ist? Ich meine, wieso bist du so spät und überhaupt...ich weiß gar nichts von dir.«
»Bin durch den Regen gelaufen dann durch Schnee, dann durch Hagel, dann hat mich ein Auto erwischt...also nur das Wasser, das hochspritzte. Tut mir leid, daß ich nicht pünktlich war.«
»Naja«, lächelt er, »unter den Umständen will ich dir mal verzeihen. Und was machst du sonst so, wenn du nicht gerade für Chaos sorgst?«
»Zur Schule gehen, Parties, Freunde, feiern...«
»Aha.«
Scheiße, jetzt hält er mich für oberflächlich.
»Meist bin ich aber zuhause und lese...«
Scheiße, jetzt hält er mich für einen Stubenhocker. Gott...ich mache alles falsch. »Was machst du denn so?« frage ich mutig und ohne mich zu verhaspeln.
»Mh...bin gerade mit dem Abi fertig und...öh...überlege, was ich studieren soll.«
»Abi fertig? Wie alt bist du denn?«
»Neunzehn...schockiert?«
»Nee...ich hab nur angenommen...ich meine...«
Verflucht, der ist drei Jahre älter als ich. Das mag vielleicht in zehn Jahren keine Rolle mehr spielen aber wenn man selber gerade eben erst sechzehn geworden ist, sind drei Jahre fast unüberwindlich. Der hatte bestimmt schon viele Typen oder Tussen. Augenblicklich fühle ich mich wie ein dummes Kind.
»Ich hoffe, du bist schon sechzehn«, sagt er.
»Hm-hm.«
»Gut, dann muß ich mir keine Gedanken machen... wegen Verführung Minderjähriger«, grinst er.
Ok, das war ein Scherz...er meinte das nicht so. Der will mich sicher nicht...verführen. »Hast«, ich lecke mir über die Lippen, weil sie furchtbar trocken sind, »hast du ein...eine Freundin?«
Danilo lacht schnaufend, was sich super niedlich anhört. »Nee...du?«
»Nee.«
Er mustert mich skeptisch. »Sag mal...was glaubst du eigentlich, warum ich dir meine Nummer gegeben habe?«
»Keine Ahnung.«
Er scheint einen Moment zu überlegen. »Laß uns gehen.«
Ich muß kotzen! Ich hab's verpatzt! Scheiße!!
Nachdem er bezahlt hat, stehen wir draußen. Glücklicherweise regnet es nicht mehr. Dennoch ist mir schweinekalt, weil meine Klamotten ja immer noch ziemlich feucht sind.
»Ok«, beginne ich weinerlich, »ich muß in die Richtung. Bis...bis dann mal.«
Danilo sieht mich einfach nur an, ich drehe mich um, mache einige Schritte und spüre seinen Arm auf meiner Schulter.
»Ich hatte eigentlich gedacht, wir gehen zu mir. Oder hast du keine Zeit mehr?«
Uiuiui...
»Naja...doch...schon...ich dachte nur, daß...«
Seufzend greift er nach meiner Hand und zieht mich einfach mit sich.
Den ganzen Weg über läßt er meine Hand nicht los und ich gehe nicht, ich schwebe. Immer wieder muß ich ihn anstarren. Der ist anbetungswürdig. Soooo hübsch in seinem knielangen schwarzen Mantel und dem Schal. Diesem süßen rot-weiß-hellblau-dunkelblau-geringelten Nickischal.
Dahinschmelzen könnte ich - wenn es nicht so saukalt wär.
Vor einem rosaroten, stuckverzierten Jugendstil-Haus bleibt er stehen, kramt in der Tasche und schließt die Tür auf. Ich liebe diese Häuser, die sehen immer so nach Zuckerwatte aus. Ich liebe Danilo dafür, daß er in so einem Haus wohnt. Nicht auszudenken, wenn der Mann meines Lebens in einem grauen Einheitskasten hausen täte.
»Du wohnst in einem Zuckerwattehaus«, entwischt es mir und ich beiße mir sofort auf die Lippe aber Danilo strahlt mich nickend an.
»Ist das nicht sagenhaft? Ich wollte schon als Kind immer in so einem Haus wohnen.«
»Ich auch«, seufze ich und blicke zu dem verzierten Balkon hoch.
»Komm schon«, fordert er, also folge ich ihm, steige die sechs Treppen hinauf und warte schnaufend, bis er die Wohnungstür geöffnet hat. Beim reingehen verheddert sich mein einer Ärmel mit der Türklinke, was zur Folge hat, daß ich zurückpralle und mir den Kopf stoße.
»Au...«
Danilo, der schon in der Wohnung ist, kommt zurück und hilft mir, mich zu befreien, dann schließt er die Tür.
»Alles ok?« fragt er besorgt und legt eine Hand an meinen Kopf.
»Ja...geht schon...scheißblöde Tür...«
»Was poltert denn da so?«
Ein Mädchen erscheint im Flur. Verdammt hübsch. Kleine, kaum vorhandene Figur, kurze honigblonde Strubbelfrisur, makelloses Modelgesicht.
»Konstantin hat sich den Kopf gestoßen«, erklärt Danilo.
»Oh...schlimm?«
Gott ist das peinlich!
Seine Hand vergräbt sich in mein Haar und wuselt es durcheinander. »Ich glaube nicht, oder?«
»Nein«, antworte ich verlegen und werde rot.
»Maria...das ist Konstantin. Konstantin...Maria.«
»Hi...nett, dich kennenzulernen«, lächelt sie.
»Ha...hallo.«
»Ich hab Lasagne gemacht...wollt ihr was mitessen?«
Danilo sieht mich an. »Wollen wir?«
Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was dabei alles geschehen könnte.
»Mh...weiß nicht.«
»Also ja«, stellt Maria fest.
Wir gehen in die geräumige Küche, in der mir als erstes ein riesiger Kühlschrank auffällt. So einer, den man in amerikanischen Filmen immer sieht. Und wie es sich gehört pappen da auch jede Menge lustige Magneten und Zettel dran. Danach fällt mir auf, daß die Küche zweifarbig gestrichen ist. Zwei Wände rosa, zwei hellblau. Überall kleben Engelbildchen, hängen Puttenköpfe und bunte Heiligenbilder in Goldrahmen...kitschig bis zum Erbrechen aber ich bin entzückt. Nichts dagegen, hier in Zukunft mit Danilo zu leben.
Maria deckt den Tisch und hievt jedem einen riesigen Berg auf den Teller. Das heißt, nicht auf ihren, da ist nur eine kleine Portion drauf. Sie ist also eine von den schlimmen Kalorien-zählerinnen. Hab ich mir bei ihrer Figur schon gedacht.
»Maria«, lacht Danilo, »wer zum Teufel soll das alles essen?«
Sie zuckt nur die Schultern und setzt sich ebenfalls.
Die ersten Bissen gehen ganz leicht und ohne Katastrophe aber dann fängt das Elend an. Ich beiße mir versehentlich auf die Zunge, kann das aber noch ganz gut überspielen. Doch dann landet die Lasagne auf meiner Gabel nicht in meinem Mund, wo sie hin sollte, sondern auf meinem Shirt.
Was stimmt nicht mit mir? Ich bin sonst nicht so ein ungeschickter, trampeliger Vollidiot. »Verdammt«, zische ich und fische die Nudel-Käse-Hackfleischstücke von meiner Brust. Maria und Danilo grinsen sich an, ich will nach Hause in mein Bett und die nächsten hundert Jahre nicht mehr aufstehen.
Nach dem Essen verziehen wir uns in Danilos Zimmer...WOW!! Die Farbzusammenstellung treibt mir fast Tränen in die Augen. Knallorange Wände, tiefblauer Teppich. GEIL!! Daß der nicht wahnsinnig wird, wenn er morgens die Augen aufmacht.
Ich sitze auf seinem Bett und wische immer noch an dem Lasagnefleck.
»Konstantin?«
»Ja?« frage ich und blicke auf.
»Würdest du damit jetzt bitte aufhören und dich einfach entspannen?«
»Entschuldige, ich...«
»Und hör auf, dich andauernd zu entschuldigen«, unterbricht er mich. »Wirklich, es ist doch alles in Ordnung.«
Meine Hose ist vom Regen noch immer klamm, heimlich befühle ich die Bettdecke unter meinem Hintern und merke, daß die nicht mehr trocken ist. Kann ich bitte sterben?!
»Ich...ich mache dein Bett ganz naß.«
Danilo blickt mich entgeistert an. »Au Scheiße...willst du von mir was Trockenes zum Anziehen haben?«
»Nee, ich...vielleicht sollte ich einfach gehen...bevor noch mehr Katastrophen passieren.«
»Gott«, seufzte er, »du bist echt ein schwerer Fall.«
»Tut mir...«, ich beiße mir auf die Lippe, weil ich mich schon wieder entschuldigen wollte.
Danilo rückt näher. »Und du bist das Süßeste, was mir seit langem begegnet ist.«
»Ich?« frage ich ungläubig.
»Klar... oder ist hier sonst noch jemand?« Seine Hand wuselt durch meine Haare. »Was macht der Kopf?«
»Okay«, sage ich.
»Konstantin?«
»Hm?«
»Magst du mich küssen?«
»Äh...jetzt?«
»Nein, nächsten Dienstag...ich wollte nur schonmal fragen«, grinst er.
Sein Gesicht kommt näher, seine Lippen streifen meine, mir wird ganz warm, meine Nase kribbelt, ich...scheiße...ich muß niesen.
Danilo schüttelt den Kopf, steht auf und kramt herum. »Hier, zieh das an. Ich mach dir in-zwischen einen Tee.«
Da liegen Hose und Shirt auf dem Bett neben mir. Ich müßte nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren doch irgendwie kommt mir das plötzlich total anstrengend vor. Mir ist so warm und ein bißchen schwindlig...ein bißchen mehr, mir ist heiß, ich schwitze...Gott...fühle ich mich schlapp. Langsam kippe ich zur Seite und bleibe, keine Ahnung, wie lange, so liegen.
Irgendwann streicht mir etwas über die Haare. Es ist Danilo, der ein ziemlich besorgtes Gesicht macht.
»Hey«, flüstert er, »alles ok?«
»Schlafen«, nuschel ich, »mir...ich...mir geht's nicht gut. Ich gehe nach Hause«, sage ich, will aufstehen aber das klappt nicht. Mir ist zu schwummrig.
»Alles klar, Maria fährt dich.« D as tut sie dann auch, das heißt, ich nehme es an, weil ich im Auto nicht wirklich viel mit-bekomme.
Vielleicht sollte ich erwähnen, daß ich dazu neige, immer SEHR krank zu sein, wenn ich mal krank bin. Also eine einfache Erkältung, mit der andere draußen rumlaufen und wer weiß was treiben, streckt mich für mindesten zwei Wochen nieder.
Jedenfalls liege ich irgendwann sicher in meinem Bett. Mom stürmt hektisch ins Zimmer, stopft mir ein Fieberthermometer in den Rachen, bringt mir Zitrone mit Honig, legt mir kühle Kompressen auf den Schädel, flößt mir irgendwelche Grippemittel ein.
Ich leide, stöhne, schlafe, döse, schwitze, friere, will meine Zitrone nicht trinken, muß aber. Mein Shirt wird angehoben, etwas Glitschiges wird auf meiner Brust verrieben, auf meinem Rücken auch, ich werde wieder zugedeckt, schlafe, döse, schwitze, friere, trinke meine Zitrone. Die brennt fürchterlich im Rachen, ich will protestieren, bekomme aber nur ein klägliches Krächzen heraus. Ich spüre akute Kehlkopfbedrängnis, ein Güterzug rast durch meinen Schädel, das grelle Sonnenlicht bringt mich fast um.
Keinen Schimmer, wieviele Tage und Nächte das so geht, hab jegliches Zeitgefühl verloren.
Irgendwann fühle ich mich etwas besser.
Und da öffnet sich plötzlich die Tür und...Danilo betritt mein Zimmer.
»Na du sterbender Schwan«, begrüßt er mich lächelnd.
Ahhh...sieht der gut aus. Mh, und der riecht so frisch, als er sich an mein Bett setzt.
»Hi«, krächze ich und muß etwas husten.
»Immer noch so schlimm krank?«
»Geht so.«
»Deine Mutter hat gesagt, daß du die Zitrone trinken sollst. Ach ja und ich soll dir sagen, daß sie den Krankenschwesternjob für ein paar Stunden unterbrechen muß, weil sie etwas zu erledigen hat. Hab ihr gesagt, daß ich den Job so lange übernehme also...trink!«
»Ich hätte nicht gedacht, dich nochmal wiederzusehen.«
Danilo seufzt. »Du denkst zu viel.«
Er wartet, bis ich die Hälfte der Zitrone intus habe, dann kickt er lässig seine Schuhe von den Füßen (ohgott...er trägt rotweiße Ringelsocken...SÜSS!!) und zieht seinen schwarzen Strick- pulli aus. Ein schwarzes Shirt kommt zum Vorschein, die Visage des rosaroten Panthers grinst mich an.
Ich liebe Pink Panther und ich liebe Danilo und...huch, der schlüpft zu mir unter die Decke! Oh nein! Ich hab mich seit Tagen nicht gewaschen, hab in meine Bettdecke geschwitzt, meine Haare sind fettig. Ich bin eine einzige Ekelbombe...und er riecht so sauber, süß und frisch. Verschämt rücke ich von ihm weg an die Wand. Mein Bett ist so groß, daß nun eine deutliche Lücke zwischen uns klafft. Das heißt, eigentlich liegt in dieser Lücke meine Der- Kleine-Eisbär-Wärmflasche, die ich augenblicklich und sehr rotgesichtig und verschämt hinter mir verschwinden lasse.
Danilo rutscht näher und zieht mich an seine Brust, streicht mir sanft fettig-verschwitzte, verschmockte Haarsträhnen aus der Stirn.
»Nicht«, sage ich kläglich, »ich bin doch total...«
»Schüchtern?« fragt er grinsend.
»Nee...eklig und stinkig.«
Er schnüffelt an mir rum, was mir so unangenehm ist, daß ich sofort sterben will.
»Du riechst nach Eukalyptus«, stellt er fest, wobei seine Lippen meinen Hals berühren.
»Wow...du riechst wie ein Koalabär...oh...das ist sooo süß, Konstantin.«
Mir fällt ein, daß Mom mich mit dieser Erkältungspaste eingeschmiert hat.
Langsam beginne ich mich zu entspannen, fühle ich mich wohl in Danilos Armen.
Trotzdem, was will so ein hübscher, perfekter Mensch mit einem Katastrophenbolzen wie mir?
»Ich hab mir echt Sorgen gemacht und...ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen.«
»Wieso?«
»Naja, du bist nur krank geworden, weil wir verabredet waren. Hätte ich dir eher trockene Klamotten gegeben...«
»Ach...ich bin andauernd krank. Hab mich inzwischen daran gewöhnt.«
»Konstantin?«
»Ja?«
Danilo stützt sich auf den einen Arm, streicht lässig seinen Pony zur Seite. »Ich weiß, daß jetzt bestimmt kein so günstiger Moment ist aber...ich halt's echt nicht mehr aus, ich meine, ich warte schon seit Tagen darauf, daß ich...daß ich dich endlich küssen kann. Unser erster Versuch ist ja etwas...äh...daneben gegangen.«
Ich werde rot, weil die Erinnerung zurück kommt. »Hab ich... dich etwa angeniest?«
Er lacht. »Ja, ein bißchen aber das macht nichts. Hab schon Schlimmeres erlebt. Mir hat Maria mal beim lachen Kakao auf den Kopf gespuckt...dabei hatte ich meine Haare gerade frisch gewaschen.«
Oh...ich will ihn küssen aber...ich trau mich nicht. Ich hab noch nie einen so schönen Jungen geküßt. Ich hab überhaupt noch nie einen Jungen geküßt.
»Nee«, sage ich, »du steckst dich nur bei mir an und...« weiter komme ich nicht, weil ich seine Lippen auf meinem Mund spüre. Gott sind die weich und süß und warm und feucht und...ahhh...seine Zungenspitze tastet vorsichtig nach meiner, stipst sie an und...WOW... kleine Feuerwerke entzünden sich überall in meinem Körper! Nach drei Sekunden bin ich süchtig und hänge wie ein Junkie an seinem Mund.
Wir küssen, knutschen, saugen, knabbern, nuckeln bis wir kaum noch Luft kriegen. Mir ist schwindlig, was sicher nicht an der Grippe liegt.
»Konstantin...wir müssen aufhören.«
Scheiße...es gefällt ihm nicht wie ich küsse!
»Wie...wieso denn?«
Seine Lippen berühren mein Ohr. »Weil ICH sonst nicht aufhören kann und dies hier ist weder der passende Ort noch die passende Situation dafür.«
Ach du Schreck! Mein Schwanz ist...au weia, hoffentlich merkt er das nicht. Ich rücke vor-sichtshalber von ihm weg.
Danilos Hand legt sich auf meinen Bauch. »Dabei kann ich, seit ich dich gesehen habe, an gar nichts anderes mehr denken.«
Seine Hand setzt sich in Bewegung, wandert ein Stückchen runter. Mein Schwanz wird... ach nee, ist er ja schon. Hä?? Hat Danilo nicht gerade noch behauptet, das sei hier nicht der passende Ort? Außerdem geht mir das eindeutig zu weit.
Hey, was denn? Ich bin erst sechzehn und noch Jungfrau, da werd ich ja wohl ein bißchen Panik vorm Ersten Mal haben dürfen, oder? Also halte ich seine Hand fest, das heißt, ich schiebe sie eigentlich weg.
»Entschuldige«, sagt er zerknirscht, »es ist nur...du bist so wahnsinnig süß und ich...ent-schuldige.«
»Meine Mutter kann jeden Augenblick mit einer heißen Zitrone reinkommen«, erkläre ich und versuche zu grinsen.
»Oh...das hatte ich ganz vergessen.« Plötzlich lächelt er schmutzig. »Deine Mutter ist gar nicht da. Aber ich hab schon kapiert. Ich meine, wir haben ja Zeit, richtig? Ich denke, Schwester Danilo sollte sich einstweilen verabschieden...«
Er zieht seinen Pullover an, danach die Schuhe. Ich fühl mich scheiße.
»Bist du...sauer?« frage ich weinerlich, doch er schüttelt den Kopf.
»Blödsinn.« Er wuselt durch meine Haare. »Es ist alles in Ordnung. Wir telefonieren, ja?«
»Ok...wann?«
»Nachher«, sagt er, küßt mich auf den Mund, zieht seine Jacke an, zwinkert mir nochmal zu und geht.
Ich will mich gerade schon entspannt räkeln und vom schönen Danilo träumen, da wird die Türe aufgerissen und eine Elefantenhorde bollert herein.
»Hey, Alter...alles klar?«
Oh Gott! In meinem Zimmer stehen Martin, Phillip und Saskia. Das heißt, die stehen nicht mehr...Martin sitzt auf meinem Schreibtischstuhl, Phillip läßt sich schnaufend auf mein Bett fallen und trinkt die letzte Hälfte meiner Zitrone und Saskia...die sieht irgendwie verwirrt aus.
»Wer war das gerade eben?« faucht sie.
»Vielen Dank, mir geht es schon besser«, erkläre ich wütend. Mann die sollen sich verpissen.
»Jaja, übertreib mal nicht so. Du bist doch immer kurz vorm Abkratzen, wenn du eine leichte Erkältung hast, also...wer war denn der Typ?«
»Welcher Typ?«
»Der, der uns die Tür aufgemacht hat? So Haare bis hier...hübsches Gesicht...«
Scheiße, die meint natürlich meinen Danilo.
»Das war ein Bekannter.«
»Seit wann hast'n du Bekannte, von denen ich nichts weiß?« fragt sie mißtrauisch.
»Haben wir nicht alle unsere kleinen Geheimnisse?« lächle ich, worauf sie mich ankuckt, als hätte sie in eine tote Ratte gebissen.
Ehrlich, ich finde es total kackig, daß sie Martin so verarscht...mit seinem angeblich besten Freund. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Ich meine, Martin tut mir leid aber...eigentlich ist er mir vollkommen egal. Soll der doch selber draufkommen...besonders schwierig wäre das sicher nicht. Ich glaube manchmal, der will das gar nicht merken.
Nach einer horrorartigen Stunde Teeniegefasel, was in der Schule läuft, wann die nächste Party steigt, welche Drogen gerade angesagt sind, wer mit wem vögeln will oder auch nicht...bin ich endlich wieder allein. Allerdings nicht lange, weil Mom reinkommt und fragt, wie es mir geht.
»Besser...ich will nur schlafen.«
Sie reicht mir das Fieberthermometer und wartet geduldig. »Ich wußte gar nicht, daß du so nette Freunde hast.«
»Mh?« mache ich.
»Dieser Danilo...sehr höflicher, junger Mann.«
»Hm-hm.«
»Hat der vielleicht noch eine Schwester?«
»Mh?«
»Naja...ich meine ja nur, du bist langsam alt genug für eine Freundin und ich will nicht, daß mein Sohn sich in sowas wie Saskia verguckt.«
Mom kann Saskia nicht ausstehen, was ich ihr nicht übel nehme. Trotzdem, die soll sich gefälligst aus meinem Privatleben raushalten.
Um sie auf andere Gedanken zu bringen, präsentiere ich ihr das Thermometer, was sie kritisch beäugt. »Kein Fieber mehr. Nächste Woche kannst du wieder zur Schule. Schlaf gut, Schätzchen.«
Ja, aber erst, wenn ich Danilo angerufen habe...
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