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Der Ball ist rund und ein Spiel dauert neunzig Minuten
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Informationen
- Story: Der Ball ist rund und ein Spiel dauert neunzig Minuten
- Autor: Chelsea
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Fan Fiction, Lovestory
Vorwort:
Hallo Sportsfreunde! Das Sommermärchen ist offensichtlich auch an mir nicht spurlos vorübergegangen, also, um es kurz zu machen: das hier ist eine Fußball-Fanfiction...oder so ähnlich. Handlung und vor allem sexuelle Orientierung tatsächlich existierender Personen sind komplett meiner Phantasie entsprungen! Ui, fast hätte ich’s vergessen...huhu, Chrissy *knutsch*
Ich wusste gleich, dass es eine total bescheuerte Abartigkeitsidee ist, meiner besten Freundin einen Gefallen zu tun. Mein lieber Schwan, ich kann meine Zeit doch nun wirklich sinnvoller vertrödeln, als irgendwelchen Kerlen bei Dehnübungen und Bälle-hin-und-her-kicken zuzuschauen. Ich lehne jegliche Form von Sport mit Bällen ab, seit ich mal einen Volleyball direkt in die Fresse bekam. Ich habe Angst vorm Ball. Meine Freundin (platonisch) lacht deswegen über mich. Immer. Nur nicht jetzt grad. Im Moment gafft sie nämlich, verzückt wie ein Teenager, den schwitzigen Kerlen beim Ringelpietz-mit-Anfassen zu. Klar, steht die auf Ballack. Sie ist ja nun auch schon Anfang dreißig und den beiden Jüngelchen Podolski und Schweinsteiger altersmäßig entwachsen. Außerdem sind das eh beides keine wahnsinnigen Schönheiten.
Nicht, dass jetzt einer auf die Idee kommt, wir würden der deutschen Nationalmannschaft bei einem öffentlichen Training zukucken. Nein, Tine hat bei irgendeinem Fuck-Gewinnspiel ein Treffen mit der Mannschaft gewonnen. Ich wurde einfach mitgeschleppt, weil sie noch jemanden mitnehmen durfte und ich wahrscheinlich ihr einziger Freund bin. Was weiß ich. Jedenfalls ist sie tierisch aufgeregt weil das Training bald vorbei ist und sie die Jungs dann endlich kennen lernt. Möglicherweise lässt sie sich ein Autogramm von Ballack direkt auf ihren Busenansatz kritzeln oder ähnlich Peinliches. Ich muss mich jetzt schon schämen! Ein Kamerateam begleitet uns auf Schritt und Tritt. Wir sollen wohl ins Fernsehen kommen. Noch ein Grund, sie zu hassen und mich zu schämen. Ich will nicht, dass Freunde und Bekannte mich mit Fußball-Deppen sehen.
Ah...ein blonder Mensch kommt auf uns zu. Ich kenne den...das ist der Trainer. Klinsmann oder wie der Knabe heißt. Er schüttelt freundlich unsere Flossen und findet es wahrscheinlich insgeheim zum Kotzen, dass wir seine Mannschaft während der WM belästigen. Anmerken lässt er sich aber nix. Seine Jungs sind duschen gegangen. Tine wäre sicher gerne mitgegangen, um Ballack den Rücken zu schrubben. Oder den Arsch. Herr Klinsmann verweist uns an seinen Ersatztrainer und verabschiedet sich eilig. Hat keinen Bock auf uns, der gute Mann.
Wir werden ins Hotel eingeladen. Ein gemütliches Pläuschchen bei...die dürfen doch bestimmt keinen Alkohol trinken, oder?! Müssen schließlich fit sein für das nächste Spiel gegen irgendwen. Ich bestelle mir aber einen Cocktail. Mit Alkohol...und Zuckerrand... und Ananasstern am Glas...und Papierschirmchen! Nüchtern halte ich das hier kaum aus. Herr Löw trinkt Wasser mit Zitrone. Wo bleiben denn die Fußballer?! Wenn die alle hier auftauchen, wird’s aber ganz schön eng. Das sind ja mindestens elf, wenn nicht noch mehr. Herr Löw faselt von der WM und dass das Ziel sei, selbige zu gewinnen. Naja, wenn man verlieren will, braucht man ja wohl gar nicht erst mitmachen. Tine tut ekelhaft interessiert.
Ahhhh...da kommen sie. Ein paar wenigstens. Tine strahlt, weil Ballack dabei ist. Podolski und Schweinsteiger auch. Die anderen kenne ich nicht. Wir werden zusammen in verschiedenen Posen gefilmt, Tine darf alle möglichen Fragen stellen, es gibt Autogramme, zwei Karten für das Endspiel und dann ist der offizielle Teil vorbei. Der Löw haut auch schon ab. Jetzt könnten wir uns ebenfalls diskret vom Acker machen. Könnten...tun wir aber nicht. Kaum ist nämlich das Filmteam abgezogen, erscheinen weitere Spieler.
„Na, Miro...hast dich wieder erfolgreich gedrückt was?“, krakeelt einer. Ich glaube, es war Podolski.
Der Angesprochene schweigt und setzt sich neben mich, weil das der einzige noch freie Platz ist.
„Und hier esst ihr dann also immer“, stellt Tine intelligent fest.
Ich bekomme vor lauter Peinlichkeit einen roten Kopf. Miro kuckt auch ein bisschen, als würde er sich fremdschämen, was mir gleich sympathisch ist.
„Ist es nicht furchtbar, so lange von der Familie getrennt zu sein?“, fragt Tine in die Runde.
Herr Ballack bejaht und labert über seine Kinder.
„Ist es nicht furchtbar, so lange keinen Sex zu kriegen?“, höre ich mich in die Runde fragen.
Au Backe...das macht der Alkohol. Bin inzwischen schon beim dritten Cocktail angelangt und die zwei davor haben bereits ziemlich reingehauen. Meine Frage scheint aber trotzdem gut angekommen zu sein, denn alle lachen. Alle, außer Miro. Vielleicht macht ihn der Sexentzug besonders fertig?!
„Mein bester Freund ist sowieso meine Hand“, kichert Poldi.
„Ich denke, dein bester Freund ist Bastian“, sagt irgendeiner.
„Aber doch nicht dafür“, hustet der und macht eine Wichsgeste.
Äh...sitze ich hier etwa grad mit der Deutschen Nationalmannschaft und die redet übers Onanieren?? Ich geh kaputt!
„Jungs...“, mahnt Herr Ballack, „wir haben eine Dame zu Gast, also bitte...“
BUAHAHAHA...Tine würde sicher gerne mehr über seine Wichsgewohnheiten erfahren.
Ich fühle mich jedenfalls langsam wohl, weil die Kerle doch alle normal und nett sind. Und weil Alkohol durch meinen Körper rauscht. Als ich nach meinem Glas greifen will passiert nur leider etwas Blödes. Ich stupse mit dem Ellenbogen Miros Getränk um und sehr viel davon landet auf seiner Hose.
„Verdammt“, zischt er.
Das erste Wort, das ich von ihm höre.
„Au, fuck...ent...schuldige“, hickse ich und wische an seinem Schenkel rum.
„Geht schon, ist ja bloß Wasser“, antwortet er und flitscht meine Hand weg.
Gott, hat der eine geile Stimme! Und seine Finger sind...weich...mhhhhh...wie Watte.
„Solltest nicht so viel trinken mh?“, lächelt er.
„Kann sein“, nicke ich und kämpfe einen aufkeimenden Schwächeanfall nieder. Ich glaube, ich hab mich soeben verliebt. In Miroslav Klose. Das ist dermaßen absurd, dass ich anfange, unkontrolliert zu giggeln.
„Mit dir kann man auch nirgendwo hingehen“, behauptet Tine sauer.
Wenn die wüsste, dass ich mich soeben in Miroslav Klose verliebt habe, würde die aber mal ganz schön ihre Fresse halten!
Der Mann meiner Träume steht auf. „Ich muss mir ‘ne andere Hose anziehen“, erklärt er.
„Ja, Miro...leg dich trocken“, lacht Poldi.
„Kommst du wieder?“, frage ich und kriege von Tine einen Stoß in die Rippen. „Was denn?“
„Wir sollten uns nicht länger aufdrängen.“
„Aber du hast doch einen ganzen Tag gewonnen.“
„Ich habe ein Treffen gewonnen. Die Filmleute sind weg und die Jungs müssen überhaupt nicht mehr mit uns rumhängen.“
Diese Kuh! Das sagt die nur, weil ihr toller Ballack die ganze Zeit von seiner Ische und den Gören redet.
„Ich will aber noch ’n Autogramm von Miro“, jammere ich. „Außerdem gehe ich pinkeln.“
„Dann beeil dich. Ich warte drei Minuten.“
Ich schwanke also davon. Aber nicht aufs Klo. Ich muss nämlich gar nicht! Unsicheren Schrittes suche ich mich durchs Hotel und habe das Glück mit Löffeln gefressen. Miro kommt den Gang runter.
„Hast du dich verlaufen?“
„Ich will ‘n Autogramm von dir“, lalle ich.
„Das hätten wir auch unten erledigen können.“
„Das schon.“ Ich greife in sein Shirt und ziehe ihn an mich. „Aber das hier nicht“, flüstere ich und küsse ihn auf den Mund.
Er schubst mich rabiat weg. „Bist du besoffen oder was?“, zischt er aggressiv.
„Ein bisschen, aber das hat damit nichts zu tun“, stelle ich klar und reibe meinen schmerzenden Arm. Miro hat mich nämlich beim Schubsen gegen die Wand gedonnert.
„Tut mir Leid“, murmelt er. „Du...wie heißt du überhaupt?“
„Daniel. Scheiße, ich glaub, mir wird schlecht.“ Ihhhhh...ein ekelhaft dringender Brechreiz kraucht mir den Hals hinauf.
„Oh man, kotz mir bloß nicht auf die Füße. Schaffst du’s in mein Zimmer?“
„Ich versuch’s“, rülpse ich.
Miro schleppt mich also in sein Zimmer, schiebt mich ins Bad, wo ich mich augenblicklich über die Kloschüssel hänge und in den Farben des Regenbogens breche. Die Cocktails waren sehr bunt! Danach geht’s mir sofort besser...ein wenig. Mir schießt ein einziger schrecklicher Gedanke durch den beduselten Schädel: Ich habe in Miroslav Kloses Toilette gereihert... während Miroslav Klose daneben stand! Ey, wie peinlich ist das denn?! Und zu allem Übel reicht mir Miroslav Klose nun ein Pfefferminz!
„Wieder in Ordnung?“, fragt er leicht besorgt.
Ich nicke und lutsche wie bekloppt an meinem Bonbon, weil der kleine Teufel Alkohol mir fröhlich zuwispert: Küss ihn, du Arsch!
Das geht doch nicht, verteidige ich mich in Gedanken, der haut mir eine rein.
Erstmal setzt er sich aber neben mich aufs Bett.
„Bist du eigentlich verheiratet?“
„Ja, wieso?“, fragt er.
„Kinder?“
„Zwei.“
„Schade.“
„Hä?“, macht er verständnislos.
Fuck, wenn Kinder im Spiel sind, wird’s ekelhaft. Eine Ehe zu ruinieren, da hätte ich keinerlei Skrupel und/oder moralische Bedenken, aber einen Familienvater zu vernaschen, das geht gar nicht!
„Entschuldige, ich hab dich grad echt nicht küssen wollen“, lüge ich.
„Nein? Und warum hast du’s dann getan?“
Oh je, wenn der mir so nah ist...und der lächelt so niedlich. „Naja, ich wollte schon, aber ich hätte dich nicht überrumpeln dürfen. Das macht man nicht.“
„Stimmt“, nickt er, „hättest mich wenigstens warnen können. Oder höflich fragen.“
„Du hättest doch nein gesagt, Miro...äh...darf ich dich Miro nennen?“
„Logisch...darfst du mich so nennen“, grinst er.
Mein Bonbon ist aufgelutscht. „Darf ich dich bitte küssen?“
Er atmet tief ein und wieder aus. „Okay.“
Wasssssss?? „Ehrlich?“
„Klar.“
„Und was ist mit deiner Frau?“
Zaghaft streicht er mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Willst du die etwa auch küssen?“
„Ich stehe auf Männer.“
„Ja, ist mir schon aufgefallen“, seufzt er.
„Wirke ich so schwul?“
„Nee“, lacht er, „aber deine Hand liegt schon die ganze Zeit auf meinem Schenkel.“
Heimatland!! Erschrocken nehme ich meine Flosse weg. Allerdings greift Miro eine Sekunde später nach meiner Hand und legt sie auf sein Bein zurück. Ein bisschen höher als eben. Fast kann ich seinen... oh mein Gott!!! Dann küsse ich ihn. Ganz richtig, mit Zunge, und mir gehen sämtliche Lichter aus. Miro ist total scheu und unsicher. Bestimmt hat der vor mir noch niemals einen Mann geküsst. Ich schalte also einen Gang runter, knabbere zärtlich an seinen Lippen, stipse vorsichtig gegen seine Zungenspitze und streichle seinen weichen Nacken.
„Miro? He, hast du den kleinen Säufer gesehen, der ist irgendwie Verschütt gega...“, Herr Ballack ist ins Zimmer gestiefelt, „oh, da ist er ja.“
Miro springt entsetzt auf. „Ähem...ja dem ging’s nicht gut, da hab ich...ähem...“
„Ich hab gekotzt“, erkläre ich blöde.
„Das tut mir Leid“, antwortet Herr Ballack und wendet sich an Miro, „hast du ihm ein Pfefferminz gegeben?“
„Äh, ja“ schüttelt er irritiert seinen süßen Schädel.
„Deine Freundin wollte nicht länger warten...“
„Tine ist nicht meine Freundin.“
„Sie ist jedenfalls weg“, setzt Herr Ballack mich in Kenntnis.
„Dann sollte ich wohl auch gehen“, sage ich hilflos.
„Aber nicht, wenn dir noch schlecht ist“, protestiert Miro, „da kann ja wer weiß was passieren.“
„Ich war schon schlimmer betrunken.“
„Jürgen will noch was mit uns besprechen, also...“, drängelt Herr Ballack, den ich sofort abgrundtief hasse.
„Ich komm gleich“, antwortet Miro.
Als der Störenfried gegangen ist, stehen wir uns verlegen gegenüber.
„Hast es ja gehört...Besprechung. Ich muss da jetzt hin.“
„Ich möchte dich wieder sehen“, sage ich bestimmt.
„Das möchte ich auch“, wispert er.
Fortuna ist anscheinend heut ganz besonders auf meiner Seite! „Wann?“
„Keine Ahnung.“ Er kritzelt was auf einen Zettel und drückt ihn mir in die Hand. „Ruf mich an, okay?“
Verträumt rühre ich in meinen Kakao. Tine faselt seit geschlagenen zwei Stunden über Ballack und mein plötzliches Verschwinden im Hotel und...ein bisschen sauer ist sie auch.
„Mann, ich musste kotzen. Das dauert halt länger als drei Minuten.“
„Du hast dich aufgeführt wie ein Vollidiot. Hast mich total in Verlegenheit gebracht und Miroslav Klose mit Wasser angeschüttet.“
Ich hab noch sehr viel mehr mit dem gemacht, Baby!! „Du hast mich mitgeschleppt, obwohl ich nicht wollte, also beschwer dich nicht.“
„Dich so zu besaufen“, zischelt sie böse.
„Wann fahren wir denn nach Berlin und...wird die Anreise auch bezahlt?“, wechsele ich das Thema.
„Hä?“
„Na, das Endspiel. Das ist doch in Berlin.“
Tine verzieht das Gesicht. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mit dir da hin gehe.“
„Mit wem sonst?“
„Saskia.“
Ihre Busenfreundin, die ich nicht ausstehen kann. Logischerweise habe ich dafür Gründe. Saskia hat nämlich was gegen Männer. Bloß weil sie andauernd verlassen wird, was ich sehr gut verstehen kann, denn Saskia ist nun mal kaum zu ertragen. Spinnt Tine, mit dieser Bitch zum Fußball zu gehen? Ich will Miro sehen, verdammt! Der kommt doch hundertpro ins Finale.
„Ist nicht dein ernst, oder?“
„Absolut.“
„Bitte, Tine...ich benehme mich auch super anständig und...“
„Keine Chance“, unterbricht sie mich.
„Du alte Kotzkuh“, blöke ich, stürme aus dem Café und lasse sie auf der Rechnung sitzen.
Am nächsten Tag steht die alte Kotzkuh bei mir auf der Matte.
„Was willst’n du hier“, frage ich müde. Hab nämlich die ganze Nacht versucht, Miro zu erreichen, aber der hatte sein Handy anscheinend abgestellt.
„Gleich kommt Deutschland-Argentinien. Und mit wem würde ich ein Fußballspiel lieber kucken als mit meinem besten Freund, der Fußball hasst“, lacht sie.
Natürlich hasse ich Fußball...aber ich liebe Miro. Also knalle ich mich mit Tine vor den Fernseher und bin irgendwie ganz aufgeregt. Ah, da marschieren sie auf den Platz, jeder ein
Gör an der Hand...sogar mein Miro. Die Hymne singt er auch mit. Ist der nicht polnischer
Abstammung? Na, egal. Sieht der GEIL aus, ich werd verrückt!! Wenn ich allein wäre, ich würd mir auf der Stelle einen runterholen.
Das Spiel ist langweilig, weil nix passiert. Außer ein Tor für Argentinien. Ich finde, Miro sollte den Ausgleich schießen. Kaum hab ich zu Ende gedacht...schießt Miro den Ausgleich. Au weia, ob ich ihn durch die Kraft meiner Gedanken beeinflussen kann?! Mal versuchen: Ich finde, Miro sollte auf einem Bein hüpfen! Nee, klappt nicht.
Tine stupst mich an. „Wieso bist du eigentlich so konzentriert? Und warum kam von dir noch nicht ein negativer Arschlochkommentar.“
„Naja, weil ich doch jetzt ein paar von den Typen kenne und denen den Sieg gönne.“
„Du wirst mir immer unheimlicher, Dani“, stellt sie fest.
„Außerdem sieht der Dings...der Klose gar nicht mal so übel aus“, erkläre ich und versuche, nicht rot zu werden.
„Findest du? Mh, nee, ich weiß nicht. Irgendwas stört mich an dem. Der sieht so...polnisch aus.“
Bevor ich mich mit ihr rumstreite, drücke ich lieber beim Elfmeterschießen die Daumen.
Lehmann hält zwei, Deutschland haut alle rein. Halbfinale!! Ich freue mich...für meinen Schatz. Der ist jetzt sicher ganz glücklich, wo er doch ein super wichtiges Tor geschossen hat.
Nachdem Tine und ich den Sieg gebührend gefeiert haben, bin ich angeschickert genug, dass ich Miro noch mal anrufe.
„Ja?“, blökt er.
„Hi, Süßer...ich bin’s.“
„Wer?“
„Daniel“, sage ich ein wenig ärgerlich, „siehst du meine Nummer nicht im Display?“
„Schon, aber deinen Namen nicht.“
„Ihr habt gewonnen...bist du glücklich?“
„Bist du betrunken?“
„Jawoll.“
„Kannst mich bloß im Suff ertragen, was?“ Im Hintergrund faseln verschiedene Leute. Klingt nach Party. „Du, ich kann grad nicht so reden. Ich ruf dich morgen an.“
Mich zu verabschieden ist überflüssig, weil er bereits aufgelegt hat. Na, super!!
Also...Miro hat natürlich nicht angerufen. Deshalb habe ich nicht lange gefackelt und bin zur Mannschafts-Residenz. Da hinein zu kommen ist praktisch unmöglich. Überall lungern Security-Leute rum. Die Fußballer sind besser bewacht als Tokio Hotel, verfluchte Scheiße!
„Ja?“, fragt mich ein Kleiderschrank im schwarzen Anzug.
„Ich möchte gerne zu Herrn Klose“, trage ich höflich mein Anliegen vor.
Der Kleiderschrank kuckt mich mitleidig an. „Jau, zu dem wollen viele. Und zu Herrn Ballack, Herrn Podolski, Herrn...“
„Wollen Sie jetzt alle Spieler aufzählen? Ich will zu Miroslav Klose. Ich bin ein...Bekannter. Er kennt mich. Ziemlich gut sogar.“
„Pass auf, Kleiner...du kommst hier nicht rein. Egal, wen du kennst.“
Ich verschränke die Arme vor der Brust und setze einen überheblichen Blick auf. „Ihnen ist schon klar, dass Sie gerade dabei sind, Ihren Job zu verlieren, oder? Also wenn Sie nicht spätestens morgen Hartz IV beantragen wollen, lassen Sie mich jetzt zu...MIRO!!“, brülle ich und rudere wild mit den Armen.
„Was machst du denn hier?“, fragt er reichlich ungehalten.
„Du hast mich nicht angerufen und...“
Er packt mich am Kragen, gibt dem Kleiderschrank ein Schon-Okay-Zeichen und zerrt mich
hinter sich her in eine ruhige Ecke.
„Daniel, du kannst nicht einfach herkommen. Was, wenn dich jemand sieht?“
„Gehen wir doch in dein Zimmer“, schlage ich vor.
„Ich hab keine Zeit. Ich...arbeite...hier!“
„Rund um die Uhr?“
Er schüttelt resigniert den Kopf. „Na schön. Aber nur fünf Minuten.“
Kaum hat er die Tür hinter uns geschlossen, dränge ich mich an ihn. Es geht nicht anders, er sieht einfach zu gut aus in seinen schlabberigen Trainingsklamotten.
„DAS geht jetzt schon mal gar nicht“, schnauft er.
Meine Hände streicheln seinen Nacken und wuseln durch seine Haare, während ich ihn küsse.
Dass er sich ein bisschen wehrt, ignoriere ich. Er wehrt sich auch nur am Anfang. Als ich meine Zunge in seinen Mund stecke, ist er sofort begeistert...das ist deutlich an der Reaktion eines gewissen Körperteils auszumachen. Herr Klose hat ‘ne ziemliche Latte! Wow, dass ich so eine Wirkung auf ihn habe...
„Du hast mir gefehlt“, flüstere ich.
„Wir kennen uns doch kaum“, mault er.
Ich zucke die Schultern, schubse ihn aufs Bett und mich gleich dazu. Und wo ich schon auf ihm liege, grapsche ich hemmungslos an ihm herum. Schiebe meine Hand unter sein Shirt und
KLOPF KLOPF. Fuck, nicht schon wieder!
Miro wurschtelt sich unter mir weg, als die Tür aufgeht. Herr Ballack! Ich fühl mich wie in ’ner Comedy-Show.
„Äh, Miro...du...“, er wirft einen Blick auf mich, „was macht der denn hier?“
Mein Herzblatt schweigt verlegen. Ich weiß auch nicht so recht, was ich sagen soll.
Herr Ballack überlegt einen Moment und deutet auf Miro, dann auf mich. „Wie ist das? Habt ihr etwa was miteinander?“
Miro wird entsetzlich blass um die Nase. „Micha, bitte sag’s niemandem. Ich...ich weiß nicht was mit mir los ist.“
„Okay, aber...ihr habt was miteinander?!“
„Naja, so irgendwie halt. Keine Ahnung“, gibt Miro zu.
„Aber du hast nie gesagt, dass du...und deine Frau? Ach du Scheiße“, faselt Ballack und lässt sich in einen Sessel plumpsen.
„Wenn das hier die Runde macht, kann ich doch einpacken. Außerdem wusste ich’s selber
nicht...so genau“, murmelt mein Schatz unglücklich.
„Mh, ich sag schon nix, keine Sorge.“
Ich stecke mir erstmal eine Zigarette an. Die beiden Herren haben anscheinend vergessen, dass noch jemand im Raum ist.
„Hier ist rauchen verboten“, erklärt Ballack.
„Doch sicher bloß für WM-Teilnehmer“, antworte ich. „Gratulation übrigens zum bestandenen Viertelfinale. Ein sehr spannendes Spiel war das. Kaum Torchancen aber coole Defensive, na und die Abwehr erst“, phantasiere ich mir zusammen.
„Miro...ist der immer noch besoffen?“
„Nee“, grinst mein Süßer „ich fürchte, das ist sein Normalzustand.“
„Sie können auch mit mir persönlich sprechen, Herr Ballack.“
„Und du musst mich nicht siezen und Herr zu mir sagen“, schüttelt er den Kopf.
„Weiß ich.“
„Gut, also...was habt ihr jetzt vor?“
„Wir wollten gerade Sex haben.“
„Nein, ich meine...äh...vergiss es“, seufzt Herr Ballack.
Miro ist übrigens beim Wörtchen Sex total rot geworden. Gott, ich liebe ihn!
Endlich steht der Ballack auf und geht zur Tür. „Tja, dann mal viel Vergnügen. Ich hoffe, du weißt, was du tust, Miro.“
Oh, das hoffe ich auch. Und ich hoffe, er tut es augenblicklich. Leider macht er keinerlei Anstalten, sondern schaut bloß bedröppelt aus der Wäsche.
„Es tut mir sehr Leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe.“
„Wirklich? Ich glaube eher, du machst dir überhaupt keine Gedanken“, entgegnet er zickig.
Das ist gemein. Ich mache mir wohl Gedanken! Das heißt, ich würde, wenn ich nicht so ekelhaft scharf auf ihn wäre.
„Tauchst einfach auf, knutschst mit mir rum, obwohl du weißt, dass ich eine Familie habe, erzählst Michael so einen Scheiß, dass wir Sex haben...hast du sie noch alle?“
Schiebt der etwa grad alles auf mich?! Wie unhöflich! „Wenn ich dir so lästig und peinlich bin...warum hast du mir dann deine Nummer gegeben? Und hast du mir nicht gesagt, dass du mich wiedersehen willst?“
Er fährt sich nervös durch die Haare. „Doch schon...aber ich kann das nicht. Daniel...das geht nicht. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.“
„Ich will mit dir nicht in aller Öffentlichkeit rumvögeln. Es muss doch niemand wissen. Okay, Herr Ballack weiß es jetzt, aber das ist nicht meine Schuld. Wieso kommt der eigentlich
ständig ungefragt in dein Zimmer? Steht wohl auf dich, was?“, frage ich eifersüchtig.
Miro schüttelt den Kopf. „Du bist irre. Aber süß“, lächelt er.
Ahhh, das ist doch schon mal ein Anfang. Ich ziehe ihn zu mir aufs Bett. „Lass uns rumknutschen.“
Das tun wir dann auch und der scheue, unsichere Miro Klose ist...leider immer noch scheu und unsicher. Ich muss ihn irgendwie sehr dirigieren beim Anfassen. Egal, seine Hände sind wunderschön weich und machen letztendlich doch alles richtig. Meine Hände wandern über seinen nackten Oberkörper, streicheln seinen niedlichen Bauch und...
„Das geht mir zu schnell“, schnauft er, als ich meine Hand in seine Hose schieben will.
Schade!!!
„Ich hab so was noch nie...mit einem...sag mal, wie alt bist du eigentlich?“
„Grad einundzwanzig geworden“, sage ich stolz und lasse meine Finger über seinen Hosenbund spazieren.
„Und...du hast wohl schon oft...“
„Naja...ja, schon sehr oft“, grinse ich. „Das soll dich aber nicht unter Druck setzen. Ich meine, wir müssen nicht gleich ficken. Ich kann dir auch bloß einen runterholen, wenn du willst.“
Miro wird doch tatsächlich schon wieder rot an den Wangen. Au weia, ist das süß!!
„Bist du immer so direkt?“
„Es ist wichtig zu sagen, was man will, weil man sonst unbefriedigt nach Hause geht.“
„Ja...das macht Sinn.“
„Nicht wahr“, nicke ich und lasse meine Hand in seiner Hose verschwinden.
Miro kommt ziemlich fix, was sehr bedauerlich ist, denn ich finde es unwahrscheinlich anregend, derartige Sachen mit ihm anzustellen. Außerdem hätte ich ihm gerne einen geblasen. Naja, dann eben beim nächsten Mal. Erstmal muss ich ihm aber jetzt beibringen, dass ich logischerweise auch noch ein bisschen mehr auf meine Kosten kommen will. Ich frage mich nur, wie ich das am besten hinkriege. Nicht, dass ich den armen Schatz wieder verschrecke. Allerdings brauche ich gar nichts sagen, weil er nämlich bereits an meiner Jeans rumfriemelt.
„Soll...also, ich würde...ui...ganz schön schwierig mit ‘nem Mann“, stellt er fest.
Ich stelle fest, dass er zwar unsicher ist, aber dennoch erstaunlich geschickt. Ehrlich, ich sehe fast Sterne und brauche einige Minuten bis ich wieder in der Welt bin.
Schweigend ziehen wir uns an. Schweigend deshalb, weil wir wissen, dass jetzt Abschied angesagt ist. Miro ist schließlich nicht auf Urlaub hier und ich hab keine Lust, noch mal von Herrn Ballack erwischt zu werden. Der geht mir eh schon auf den Senkel.
Aus der Traum vom WM-Titel! Italien hat gewonnen und meinem Süßen bleibt nur noch der dritte Platz. Da war es mir natürlich schnuppe, dass Tine mit ihrer blöden Saskia-Bitch nach Berlin gefahren ist. Wen kümmerte noch das Endspiel?! Das Schlimme ist, dass ich Miro nicht erreiche. Er geht weder ans Handy noch ruft er mich an. Ist sicher zu enttäuscht, um mit mir...au man, ich würd ihn doch so gerne trösten. Andererseits, was sollte ich ihm sagen? Ich hasse Fußball und kann überhaupt nicht nachempfinden, wie er sich jetzt wohl fühlt. Allerdings steht eine gesamte Nation hinter ihrer Mannschaft...das ist doch auch was wert, oder? Da sollen die jetzt mal nicht jaulen, sondern sich freuen, dass die so beliebt sind.
Wenn mir hundertachtzigtausendmillionenmilliarden Leute zujubeln würden...also, da würde ich aber im Himmel schweben und auf einen dämlichen Pokal kacken! Naja, bei diesem Super-Empfang in Berlin sahen die Jungs nicht wirklich traurig aus. Warum auch? Die durften schließlich zusammen mit Xavier Dingens und den Sportfreunden Stiller singen. Letztere sind mir sehr sympathisch. Muss Miro unbedingt fragen, ob die wirklich so nett und lustig sind wie in den Interviews. Das heißt...wenn ich Miro überhaupt mal wieder sehe. Der macht vermutlich grad Ferien mit seiner Frau und den Kindern während ich hier vor Sehnsucht krepiere. Fuck, bin ich etwa aus versehen Geliebte geworden?! Vielleicht war ich für Miro nichts weiter als ein schneller Wichs zwischendurch. Mal eben den Druck loswerden und nicht selber Hand anlegen müssen. Das hätte ich dann bloß gerne vorher gewusst, dann hätte ich mich darauf einstellen können. So dachte ich natürlich...dass es ihm was bedeutet hat. Und ich kann noch nicht einmal mit jemandem über meinen Liebeskummer reden, weil ja keiner wissen darf, dass ich Miro einen runtergeholt habe. Fußballer und was mit einem Kerl haben...um Himmelswillen! Das ist noch übler als Boyband-Mitglied zu sein und auf Typen zu stehen. Ein Grund mehr, Fußball zu hassen.
Aus lauter Verzweiflung bin ich ins Internet, um was über meinen Süßen zu erfahren. Wusste ja praktisch nur, dass er ein absoluter Bilderbuch-Schnuckel ist, wohl ganz gut Fußball spielt und...irre gut küssen kann. Dass seine Haare ziemlich schnuffig riechen, seine Haut auch, dass er die schönsten Waden der Welt hat und der Einzige ist, der in kurzen Hosen und Kniestrümpfen unbeschreiblich sexy aussieht. Jetzt weiß ich alles... habe aber die Hälfte schon wieder vergessen. Was interessiert mich, wie viele Tore der in soundsovielen Spielen geschossen hat?! Seinen abartigen Musikgeschmack hab ich behalten. Und dass er seine Kinder liebt. Normal, oder? Man setzt doch nicht Blagen in die Welt, um sie zu verprügeln. Okay, das kommt leider häufig vor, aber Miro ist hundertpro ein gaaaaaaaanz lieber Papa. Das bereitet mir Magenschmerzen. Er wird seine Familie niemals für mich aufgeben. Seine Karriere ebenfalls nicht. So sehr ich auch schwärme, ich mache mir nichts vor. Die Position, in der ich mich befinde, ist denkbar ungünstig, schlecht und scheiße! Ich bin nicht nur eine Geliebte, ich bin ein Fußball-Groupie. Bin wie ein Teenie, der seinen Star anschmachtet und auch noch rauskriegen will, welches Klopapier er benutzt. Diese Erkenntnis trifft mich so arg, dass ich mir total die Kante gebe. Besaufen hilft zwar nur kurzfristig aber immerhin.
Am nächsten Morgen bereue ich das zutiefst. Durch meinen Schädel rast ein kilometerlanger Güterzug und der Geschmack auf meiner pelzigen Zunge ist dermaßen widerlich, dass mir davon schlecht wird. Also Zähne putzen, mit Listerine gurgeln und Paracetamol einwerfen. Danach fühle ich mich halbwegs menschlich. Allerdings nur solange, bis ich einen Blick in den Spiegel geworfen habe. Ich sehe aus wie ein Zombie, wie frisch aus dem Grab gestiegen. Augenringe bis zum Fuß, meine schwarzen Haare stehen in sämtliche Richtungen und...oh mein Handy schellt. Yeah...Miro!!
„Hallo“, räuspere ich.
„Hey“, säuselt er.
„Wo steckst du?“
„Zuhause.“
„Und davor?“
„Urlaub“, antwortet er knapp.
„Schön. Wie geht’s deiner Frau und den Kindern?“
„Daniel...lass uns nicht ätzend werden okay?! Du wusstest, dass ich eine Familie hab...wir können uns nicht mehr sehen. Tut mir Leid.“
„Um mir das zu sagen, rufst du extra an? Eine sms zum Schluss-machen hätte doch gereicht.“
„Ich schulde dir nichts, Daniel. Wir hatten nie eine Beziehung oder so was. Wir haben bloß...“
„Ein bisschen rum gemacht“, unterbreche ich ihn, „schon klar. Meine besten Wünsche an die Gemahlin.“
Mit stark tränenden Augen drücke ich ihn weg und feuere angeekelt mein Handy durch den Raum. Das hat sich der Herr Fußball-Star ja schön ausgedacht. Serviert mich mal eben so ab nachdem er seinen Spaß hatte. Ich sollte sofort einen Interviewtermin mit der Bild-Zeitung machen. Wäre doch eine nette Schlagzeile: WM-Torschützenkönig treibt’s mit Männern!
Das weggefeuerte Handy bimmelt erneut. Miro?! Aha...will sich wohl entschuldigen.
„Was?“, melde ich mich böse.
Er atmet angestrengt. „Daniel...können wir nicht vernünftig miteinander reden?“
„Meinetwegen. Rede!“
„Ich...es war wirklich schön aber... es war eine einmalige Sache für mich. Es geht nicht anders. Wenn meine Familie nicht wäre und der Fußball... dann... vielleicht...“
„Verstehe“, sage ich traurig.
„Du... ähem... du machst doch keine Dummheiten, oder?“
„Was’n für Dummheiten?“
„Naja... es irgendwem erzählen. Den... falschen Leuten.“
Ach, daher weht der Wind! Herr Klose raspelt Süßholz, um seinen Arsch zu retten. Blöder Penner! „Ich würde gerne noch weiter plaudern aber ich muss los. Hab einen wichtigen Termin mit der BILD.“
Damit er mich nicht noch mal anruft, schalte ich das Handy aus. Natürlich verkaufe ich meine Story nicht an die Zeitung. Allerdings soll er ruhig ein bisschen Panik schieben. Ich lasse mich nicht benutzen und danach wegwerfen wie einen Lappen. Und ich schwöre bei allem, was mir heilig ist: der wird mich noch kennen lernen!
„Ahhhhh...“, kreische ich geschockt, „woher weißt du wo ich wohne?“
„Darf ich dir das drinnen erzählen?“, fragt Miro und glotzt sich nach allen Seiten um, als seien ihm mindestens hundert Paparazzi auf den Fersen.
Ich bin dermaßen überrascht, dass ich ihn tatsächlich reinlasse. Interessiert bekuckt er sich mein unaufgeräumtes Mini-Wohnzimmer. Auf dem Tisch steht noch die Flasche Bailey’s, die ich mir gestern reingekübelt habe. Jetzt hält er mich sicher für einen fiesen Säufer. Und wenn schon...schließlich hat er mich dazu gemacht! Miro stakst über einen Bücherstapel und setzt sich auf meine dunkelgrüne 70er-Jahre-Pornocouch. In der Lehne ist seit gestern übrigens ein Brandloch, aber nur ein kleines. Trotzdem ist es mir irgendwie peinlich, dass gerade Miro sieht, wie ich hause.
„Sorry, bist wohl Luxus gewöhnt, was? Den gibt’s hier nicht.“
Er schüttelt den Kopf. „Ich wohne auch nicht in einer Villa, Daniel.“
„Hast aber bestimmt ein bisschen mehr Geld auf dem Konto als ich.“
„Ist das wichtig?“
„Keine Ahnung. Sag du’s mir.“
„Deswegen bin ich nicht hier.“
„Ich weiß schon warum“, behaupte ich. Meine Güte...der sieht ja auch in normalen Klamotten (Jeans und schwarzes Shirt) geil aus. „Hattest Angst, ich erzähle allen, dass du schwul bist, was?“
„Du hast mir...das bedeutet noch lange nicht, dass ich schwul bin.“
HAHAHAHA...er kann nicht einmal aussprechen, dass ich ihm einen runtergeholt habe! Dummerweise bin ich gar nicht mehr sauer auf ihn. Im Gegenteil. Ich freue mich, dass er da ist. Hab ihn echt vermisst. Sein niedliches Lächeln, seine Stimme...
„Willst du nicht deine Jacke ausziehen?“
Er sieht mich an, als sei ich komplett übergeschnappt. „Ich trage keine...“
„Ich meinte auch eher, ob du nicht deine Klamotten ausziehen willst“, erkläre ich und grapsche ein bisschen an ihm rum.
Er schiebt meine Hände weg und steht auf. „Daniel...wir sollten...“
„Komm, ich zeig dir das Schlafzimmer!“
Mein Bett ist zwar nicht gemacht, dafür aber wenigstens einigermaßen frisch bezogen. Allerdings hätte es grad heute nicht unbedingt die Nutella-Bettwäsche sein müssen, die Tine mir zum Einzug geschenkt hat. Naja, kann man nix machen.
„Okay, also... ich gehe jetzt lieber.“
„Das glaube ich nicht“, flüstere ich und schubse ihn aufs Bett.
Der arme Miro kann mir nicht widerstehen. Leider hab ich beim Knutschen ständig Angst, dass Herr Ballack reinstürmt, was blödsinnig ist, weil der ja nun ganz bestimmt nicht weiß, wo ich wohne.
„Du stellst meine ganze Welt auf den Kopf“, wispert er traurig.
„Entschuldige“, murmle ich und küsse seinen Hals „aber ich kann nicht anders.“
Meine Hände haben sich längst unter sein Shirt geschoben und streicheln seinen Bauch. Eigentlich stehe ich überhaupt nicht auf durchtrainiert und Muskeln und so. Hab’s halt lieber ein bisschen weicher. Aber Miro...mhhh...der darf alles sein. So übermäßig muskulös ist er ja zum Glück nicht, allerdings merkt man schon, dass er sich sportlich ziemlich betätigt. Au weia... und ich mit meinem Schluffischlaffi-Körper! Ich bin zwar relativ dünn aber Muskeln hab ich deshalb noch lange nicht. Nix Waschbrettbauch! Nicht mal ansatzweise. Das scheint Miro nicht zu stören, denn er fasst an mir rum und ist offensichtlich sehr begeistert. Ich bin ebenfalls begeistert... Miro kann wahnsinnig gut anfassen!!
„Ich will heute mehr als nur ein bisschen rummachen“, sage ich bestimmt.
Mein armer Schatz ist dermaßen erschrocken, dass er von mir wegrückt und mich panisch anschaut. „Nein, ich... Daniel, bitte nicht...“
„Ach du Scheiße, Miro, ich hab doch nicht vor, dich zu vergewaltigen.“ Sanft streiche ich ihm über die heiße Wange. „Ich will mit dir schlafen und... ich verspreche, dass ich sofort aufhöre, wenn’s dir nicht gefällt.“
Aber es gefällt ihm natürlich. Okay, zuerst ist er etwas unentspannt... war ich auch beim ersten Mal. So vorsichtig wie bei Miro musste ich allerdings noch nie sein. Doch ich will mich nicht über den Sex mit ihm beschweren. Ich will mich lieber darüber beschweren, dass er sich noch immer nicht von seiner Frau getrennt hat, um mit mir in wilder Ehe zu leben! Das sage ich allerdings nicht laut. Warum den schönen Moment kaputt machen, oder?!
„Ich muss nach Hause.“ Miro dreht sich zu mir um und ist noch ganz rot im Gesicht. Rot und verschwitzt. „Kann ich duschen?“
„Keine Ahnung, probier’s einfach. Ist nicht so schwierig“, versuche ich witzig zu sein, obwohl mir eigentlich nicht danach ist.
Miro verschwindet für zwanzig Minuten. Scheuert sich bestimmt die Haut kaputt, damit auch ja keine verräterischen Spuren mehr von mir zu erschnüffeln sind, wenn er nachher seine Frau beglückt. Als er zurückkommt ist er bereits vollständig angezogen. Ich stehe auf und rieche an ihm herum.
„Alles okay“, erkläre ich, worauf er mich verständnislos ansieht. „Na, deine Trulla wird nix merken, wenn du mit ihr zugange bist.“
Er lässt sich schnaufend auf Bett fallen. „Ich schlafe nicht mehr mit meiner Frau... nicht, dass dich das etwas anginge.“
„Denkst du, ich bin irgendwie bescheuert? Immerhin hast du zwei Kinder. Hat die vielleicht der Klapperstorch gebracht?“
„Der verzweifelte Versuch, unsere Beziehung zu retten.“
Ich setze mich neben ihn. „Ganz schön abartig... mal eben ein Kind zu machen, wenn’s nicht mehr so super läuft.“
Miro streicht sich fahrig durch die Haare. „Mag sein. Trotzdem liebe ich meine Kinder.“
„Ja, aber... wenn es zwischen dir und deiner Trulla kriselt, das merken die Kiddies doch irgendwann.“
„Es ist nicht so, dass wir uns ständig streiten oder sowas. Wir sind... mh, gute Freunde, würde ich sagen. Wir lieben uns noch, wir sind halt nur nicht mehr verliebt, verstehst du?“
„Warum lasst ihr euch dann nicht scheiden?“
„Weil es dafür keinen Grund gibt.“
Ich hab plötzlich einen fetten Kloß im Hals. Ich meine, seine Antwort sagt doch einfach alles.
„Bis jetzt“, sagt er sehr leise.
„Was soll das heißen?“
„Keine Ahnung“, seufzt er. „Ich muss erstmal selber damit klarkommen, dass ich mich in einen Typen verknallt habe. Das passiert mir nicht so schrecklich oft.“
Mir wird ein bisschen angenehm warm. Miro... verknallt in mich... WOW!!
„Gib mir ein wenig Zeit, okay?“
Ich nicke, schlinge meine Arme um ihn und küsse seine weichen Lippen.
Seit zwei Monaten treffen wir uns regelmäßig. Naja, was bei Miro so regelmäßig heißt. Ich stehe ja bekanntlich bei ihm eher an tausendster Stelle. Fußball ist wichtiger, Kinder sind wichtiger, sogar seine Trulla scheint wichtiger zu sein. Ich halte schön meine Fresse und spiele nach seinen Regeln. Gefallen tut mir das nicht. Aber... was soll ich machen? Ich liebe den Kerl eben. Wenn er nicht bei mir ist bin ich ein Wrack. Und wenn er bei mir ist... bin ich es auch, irgendwie, aber anders. Logisch landen wir immer ziemlich schnell in der Kiste, wir haben ja meist nicht so besonders viel Zeit. Das ist es, was mich kaputt macht. Weil ich mich mit ihm so ekelhaft wohl fühle. Weil er süß ist und lustig und nicht verblödet, wie man es von Fußballern erwartet. Weil ich stundenlang mit ihm kuscheln will, was natürlich nicht drin ist, wegen „Ich muss nach Hause“. Und weil unsere Beziehung ein Geheimnis ist. Ich hab so’ ne Scheiße nie mitgemacht. Nach außen hin schön hetero tun und heimlich mit Männern schlafen. Ich hab meinen Eltern bereits mit sechzehn gesagt, dass ich auf Jungs stehe. Hat ihnen nicht unbedingt in den Kram gepasst, aber ändern konnten sie es ja nun auch nicht. Inzwischen haben sie es wohl...na, akzeptiert wäre jetzt ein bisschen zu positiv ausgedrückt. Meine Freunde wollten sie jedenfalls nie kennen lernen. Muss ich mehr sagen?!
Ich hab mich also mit Miro in eine Situation begeben, die ich total verabscheue, obwohl ich ihn verstehen kann. Nicht, was diese absurde Beziehung zu seiner Frau angeht, sondern was seine Fußballspielerei betrifft. Ich hab trotzdem keinen Schimmer, wie lange das zwischen uns noch gut geht. Ein paar Stunden in der Woche miteinander rumvögeln ist definitiv zu wenig. Heute kotzt mich das alles mal wieder besonders an, weil Miro mir grad per sms mitgeteilt hat, dass er’s nicht schafft, herzukommen. Wann wir uns sehen... weiß der Fuchs.
Bevor ich mich allein besaufe, rufe ich lieber Tine an, die sofort bereit ist, den Abend mit mir zu verbringen.
„Ach du Scheiße... du siehst aus wie Kotze“, bemerkt sie erschrocken. „Bist du krank? Dann sag’s mir lieber gleich, damit ich mich verpissen kann. Du weißt, wie schnell ich mich anstecke.“
„Ich bin aber nicht ansteckend“, maule ich.
„Dann steckt ein Kerl dahinter“, beschließt sie und nippt an ihrem Cocktail, den ich gemixt habe.
„Es ist alles in Ordnung.“
Tine zieht ihre Schuhe aus und lümmelt sich bequem auf meine Couch. „Schwachsinn. Was ist los?“
„Nichts“, versichere ich und lecke verlegen am Zuckerrand meines Cocktails.
„Der Typ ist hetero“, mutmaßt sie drauflos.
„Hör doch mal auf mit dem Kack.“
„Oder einer, der alles flachlegt, was er kriegen kann.“
„Können wir bitte über was anderes reden?“
„Nein. Ich sehe es dir an der Nasenspitze an, dass du dich aussprechen willst“, grinst sie.
„Dann ist vermutlich deine Kontaktlinse verrutscht.“
Tine kippt ihr Getränk runter. „Du hast dich seit Wochen nicht gemeldet und willst dich plötzlich wieder mit mir betrinken. Das hat doch was zu bedeuten. Kenne ich ihn?“
„Nicht wirklich.“
„Aha! Also gibt’ da jemanden.“
Manchmal hasse ich Tine. Die kann nichts einfach auf sich beruhen lassen. „Wenn du es unbedingt wissen musst... ja.“
„Und?“
„Ich kann dir nicht mehr sagen.“
„Wow, wie geheimnisvoll. Soll ich jetzt raten oder was? Okay, also... du bist verliebt und strahlst aber nicht wie die Sonne, woran könnte das liegen? Lass mich nachdenken... Moment, ich hab’s gleich... er ist... er hat...“
„Er ist verheiratet und hat zwei Kinder“, unterbreche ich sie völlig entnervt.
Ein paar Sekunden ist es still. Das heißt, ich höre mein Herz ziemlich laut klopfen.
„Das ist ein Witz. Sag mir bitte, dass du dich nicht mit so einem heuchlerischen Familienvater eingelassen hast. Daniel, was zur Hölle ist los mit dir?“
„Er liebt seine Frau nicht mehr... nicht so, wie er es sollte.“
Wir sind übrigens inzwischen in stillem Einvernehmen zu Tequila übergegangen. Tine lutscht kopfschüttelnd an ihrer Zitrone. „Lass die Finger davon, wenn Kinder im Spiel sind.“
„Dafür ist es zu spät“, murmle ich traurig.
„Du hoffst doch nicht heimlich, dass er sich trennt, oder? Das tut er nicht. Tun die nie. Ich weiß, wovon ich rede.“
Tine hatte nämlich auch mal was, mit einem verheirateten Kerl. Der hat ihr das Blaue vom Himmel versprochen und sie monatelang hingehalten, bis ihr der Kragen platzte und sie den Penner in die Wüste schickte. Aber Miro ist kein Penner, das kann man gar nicht miteinander vergleichen.
„Wo hast’ n den aufgegabelt?“
„Weiß nicht.“
„Hat sich heimlich inner Schwuchtelspelunke rumgedrückt, was? Auf der Suche nach einem hübschen, jungen Boy.“
Ich befürchte, Tine hat völlig falsche Vorstellungen. Bei Familienvater denkt sie sicher an einen Vierzigjährigen mit schütterem Haar und Oberlippenbart. Blöderweise kann ich ihr nicht sagen, dass ich mir den süßen Miroslav Klose geangelt habe. „So war es nicht und er ist grad mal achtundzwanzig.“
„Mach Schluss, bevor es zu spät ist. Die Sache hat doch keine Zukunft.“
Damit ist das Thema erstmal erledigt. Während der nächsten Runden Tequila quatschen wir über alles Mögliche. Tine erzählt ganz wichtig, dass ihr der Ballack inzwischen gestohlen bleiben kann, weil sie jetzt auf Jens Lehmann steht.
„Der ist aber auch schon vergeben, oder?“, frage ich.
„Na und? Wenigstens faselt der nicht die ganze Zeit über seine Gören wie der Ballack.“
„Also, wenn ich mir unbedingt einen aus der Nationalmannschaft aussuchen müsste, wäre der Lehmann sicher nicht meine erste Wahl. Ich meine, der ist so... unscheinbar.“
„Das sind die Schlimmsten, die schleichen sich ein und... oh man, der strahlt immer so unglaublich. Der Lehmann... also, der Lehmann ist eine ganz süße Maus“, lallt sie.
„Ich finde, Miro ist eine viel süßere Maus“, höre ich mich lallen und spüre, wie mir das Blut in den Kopf schießt.
„Nee“, widerspricht sie, „der hat diese polnische Fresse.“
Ich poliere dir deine, wenn du sie nicht hältst!! „Miro ist toll.“
„Lehmann ist toller.“
„Nein. Miro.“
Tine schüttelt wild ihre blonden Locken. „Lehmann.“
„Miro“, beharre ich.
„Prost“, hickst sie und haut den soundsovielten Tequila weg.
Als wir beide so gut wie randvoll sind, kuscheln wir uns zusammen auf meine Couch. Träge wuschelt Tine meine Haare durcheinander.
„Ich muss dir was sagen“, beginne ich.
„Natürlich musst du das, Dani.“
„Aber ich darf eigentlich nicht, weil... also, wenn das raus käme, könnte es ziemlich schlimm werden für Mi... meinen Schatz.“
„Warum?“
„Wegen... seiner Arbeit, glaube ich.“
„Was macht er denn? Er bekleidet doch wohl kein öffentliches Amt, oder?“
„Tine“, fauche ich, „stell mir nicht so schwierige Fragen, wenn ich besoffen bin.“
„Aber eine führende Position... leitet er eine Firma?“
„Er spielt Fußball.“
„Ich hab nicht nach seinen Hobbys gefragt.“
„Damit verdient er sein Geld.“
„Quatsch. Du hasst Fußballer“, regt sie sich auf. „Du kennst gar keine Fußballer.“
„Den einen schon.“
Tine hat sich aufgerappelt. „Welcher Verein?“, fragt sie triumphierend.
„Werder Bremen.“
„Ich glaub dir kein Wort. Außerdem gibt’s da keinen, der irgendwie gut aussieht.“
„Doch... Miro.“
„Du willst mir doch nicht erzählen, dass du eine Affäre mit Mirsolav...“, sie bricht ab, weil sie einen heftigen Lachanfall bekommt. „Man, beinahe wäre ich dir auf den Leim gegangen“, kichert sie. „Du und Miro Klose... buahahahahaha... wie habt ihr euch denn kennen gelernt, mh? Zufällig beim Einkaufen im Supermarkt getroffen, was?“
„Nee, bei deinem gewonnenen Tag mit der Nationalmannschaft. Als du dachtest, ich wär aufs Klo gegangen... da hab ich in Wirklichkeit mit Miro geknutscht.“
Ihr Lachen stirbt. „Du hast nicht gekotzt?“
„Doch“, nicke ich, „ aber danach hab ich mit Miro geknutscht.“
„Das ist ja ekelhaft.“
„Er hat mir vorher ein Pfefferminz gegeben. Tine, du darfst das niemandem sagen, okay?“
Sie kratzt sich ausgiebig den Schädel und scheint zu überlegen. „Wenn du jetzt so dicke mit den allen bist... kannst du nicht mal für mich ein Date mit dem Lehmann arrangieren?“
Kurze Zeit später haben uns die vielen Tequilas ausgeknockt.
„Du hast was?“, fragt Miro entsetzlich böse, ungläubig, erschrocken, völlig aus dem Häuschen.
Dass der von einem Moment auf den anderen seinen Zustand ändern kann, beeindruckt mich irgendwie. Vor ein paar Sekunden schwebte er nämlich noch auf der Ich-wurde-gevögelt-wie-noch-nie-Wolke und jetzt... dabei hab ich ihm bloß gebeichtet, dass ich Tine im besoffenen Kopp von uns erzählt habe.
„Mach dir nicht ins Hemd. Tine ist absolut verschwiegen.“
„Du hast wohl den Arsch auf“, blökt er.
Erstens ist sein Spruch in dieser Situation fast lustig und zweitens... ich wusste gar nicht, dass Miro schreien kann.
„Hältst du das für eine Art Spiel? Du weißt, was passiert, wenn...“
„Herr Ballack könnte es genauso ausplaudern“, gebe ich zu bedenken.
„Wir müssen vorsichtig sein und... du solltest aufhören zu trinken.“
„Okay, Papa.“
„Ich meine das ernst.“
„Ich auch und jetzt geh duschen, damit deine Trulla nichts merkt.“
Au, das hat gesessen. Miro verschwindet beleidigt. Verdammt, ich wollte gar nicht mit ihm streiten.
Eine Weile später steht er angezogen in der Tür. „Ich muss nach Hause. Wir sehen uns.“
„Warte, Miro...“ Ich strecke meine Hand aus und ganz langsam kommt er zu mir. „Geh noch nicht, bitte.“
„Okay“, wispert er und nimmt mich in die Arme.
Ich mag total gerne mit Miro kuscheln, weil er inzwischen genauso verschmust ist wie ich. Bloß dass wir für so was ja meist keine Zeit haben. Aber heute bestehe ich drauf! Außerdem braucht Miro unbedingt in der Beziehung noch ein bisschen praktische Erfahrung. Letzte Woche hat er mir ganz traurig gestanden, dass er sich nicht mehr dran erinnern kann, wann er das letzte Mal mit jemandem richtig ausgiebig gekuschelt hat. Gleiches gilt übrigens für Sex... bis auf das eine Mal, bei dem seine beiden Gören entstanden sind. Kein Wunder, dass der sich so ins Fußballspielen stürzt. Mein armer kleiner Schatz! Er muss doch total unglücklich gewesen sein.
„Ich hab versucht, nicht drüber nachzudenken“, antwortet er, als ich ihn danach frage. „Es gab halt andere Sachen, die wichtiger waren.“
„Das Leben besteht doch nicht nur aus neunzig Minuten hinter einem Ball her zu rennen.“
Seine Hand schiebt sich zaghaft in meine. „Das wird mir jetzt auch so langsam klar.“
„Warum hörst du dann nicht einfach auf?“
Er sieht mich an als sei ich schwer geistesgestört. „Das ist mein Beruf.“
„Kannst du nichts anderes?“
„Ich will nichts anderes.“
„Das begreife ich nicht. Wirklich, ich hab mir deinetwegen sogar Bundesliga und so reingezogen. Ich begreif’s nicht. Wie kannst du dich zum Beispiel bei einem Deutschlandspiel mit dem Ballack freuen, wenn er zwei Tage vorher noch bei nem anderen Spiel dein Gegner war? Warum verliert dein Verein andauernd und was zum Teufel soll dieses eklige Rotzen? Hast du mal drüber nachgedacht, wie das aussieht? Da wird einem schlecht von, Miro.“
„Ich hab dich kotzen sehen, war auch nicht grad der schönste Moment meines Lebens.“
Aua, das hatte ich irgendwie verdrängt. Trotzdem. Ich hab einmal gekotzt, weil ich die Cocktails nicht vertragen hatte, die rotzen aber ständig und sind dabei nüchtern! Und mit dem Ballack freut er sich tatsächlich auffallend oft. Möchte wissen, was da hinterher beim gemeinsamen Duschen abgeht. Seifen sich gegenseitig schön den Rücken ein, was? Uahhh, da wird mir doch gleich mal übel.
„Griffelt der Ballack eigentlich auch so an dir rum, wenn ihr kein Tor geschossen habt?“
Miro verdreht die Augen. „Hör mit deiner verdammten Eifersucht auf, ja? Ich hab nichts mit Michael.“
Wie vertraulich der den Michael nennt... ekelhaft! Über mich redet der sicher nicht in diesem Schnuckelton bei seinen Fußball-Kollegen.
„Das findest du wohl sehr schade.“
„Du bist wohl nicht ganz dicht“, antwortet er.
Wahrscheinlich nicht. Weil ich eben so schrecklich verliebt bin.
Ich hab mich entsetzlich mit Miro gestritten. Jetzt hat er Schluss gemacht. Ich würde nicht genügend auf ihn und seine Probleme eingehen, meint er. Okay, aber was ist denn mit mir? Kann ich vielleicht was dafür, dass er so selten bei mir ist, und ich mich darüber aufregen muss, wenn er dann mal da ist?! Dabei hab ich ihm noch gesagt, dass ich jetzt besser verstehe, wie schlimm es gewesen sein muss, die WM zu verlieren. Hab mir nämlich den Sommermärchen-Film reingezogen. Naja, vielleicht hätte ich nicht unbedingt erwähnen brauchen, dass mir Borowski und Hildebrand aufgefallen sind. Aber die sind nunmal extrem süß, was soll ich machen?! Hab ja schließlich nicht gesagt, dass ich die vögeln will, oder so was. Miro war sofort total eifersüchtig und hat mich angebrüllt... und zwar auf Polnisch. Daraufhin erinnerte ich ihn daran, dass er ja wohl jede Nacht mit seiner Trulla verbringt und Gott weiß was mit ihr treiben könnte. Ja, da sagte er, wir sollten die Sache zwischen uns besser beenden und ging. Das Blöde ist, ich kann nicht sauer auf ihn sein. Dafür vermisse ich ihn viel zu sehr. Ehrlich, ich bin dermaßen fertig mit der Welt, dass ich nicht einmal Lust habe, mich zu besaufen. Verliebt sein macht doch eigentlich null Spaß. Wenn man es genau betrachtet, ist man vielleicht insgesamt zu fünfunddreißig Prozent glücklich. Die restlichen fünfundsechzig streitet man sich, vermisst seinen Liebsten und darf nicht über die Beziehung sprechen. Was soll der Kack?! Ich will sofort einen normalen Freund! Und wo soll ich den hernehmen? Mich kotzen leider alle Typen an, weil die nicht Miro sind.
Zwei Wochen später steht ein reichlich bedröppelter Miroslav Klose vor meiner Tür. Ich lasse mir die Freude darüber mal lieber nicht gleich anmerken. Vielleicht hat er bloß was vergessen oder wieder Angst, dass ich an die Öffentlichkeit gehe.
„Ja?“, frage ich gelangweilt, als stünde da ein Zeuge Jehovas, der mir den Wachturm verkaufen will.
„Ich muss mit dir reden“, fiepst Miro leiser als eine verdammte Maus.
Geil, dazwischen gibt’s irgendwie nichts. Entweder er ist total schüchtern oder er blökt mir polnische Unverschämtheiten ins Gesicht, die ich nicht verstehe.
„Wie bitte?“
„Lässt du mich rein?“
Ja, aber auch nur, weil er diesmal etwas lauter gesprochen hat. Schade, dass er diesen schwarzen Kuschelpulli trägt... der steht ihm viel zu gut. Sofort hab ich das Bedürfnis, mich an ihn zu schmiegen.
„Wolltest du was Bestimmtes?“
Miro nickt und setzt sich auf die Couch.
„Ich hab mit meiner Frau gesprochen.“
„Ja, und? Worüber? Den nächsten Urlaub mit den Kinderchen?“
Seine Augen glitzern. „Über uns.“
Jetzt falle ich aber fast vom Stängel. „Äh...?!“
„Es war uns immer klar, dass das passieren könnte... also, dass sich einer von uns neu verliebt. Und, naja, das ist mir ja nun passiert. Ich hatte ja auch ein bisschen Zeit nachzudenken.“, behauptet er.
„Und da bist du zu welchem Ergebnis gekommen?“
„Dass ich mit dir zusammen sein will“, antwortet er und traut sich kaum, mich anzusehen.
Mein Hirn weiß grad gar nicht, wie es die Informationen verarbeiten soll. Erst macht er Schluss, dann will er mit mir zusammen sein und erzählt das seiner Trulla? Der hat aus mir sicher eine Daniela gemacht.
„Sie weiß, dass du keine Frau bist“, lächelt Miro. „Das hast du doch überlegt, oder?“
„Was sagt sie denn dazu?“
„Sie ist geschockt und versteht es natürlich nicht, aber sie wird uns keine Steine in den Weg legen. Wir wollen alles in Ruhe regeln... schon wegen der Jungs.“
„Du weißt doch gar nicht, ob ich dich zurück haben will“, gebe ich zu bedenken.
„Ich... hab gehofft, wenn ich dir zeige, was... mir die Beziehung zu dir bedeutet...“
Es geht nicht anders. Ich muss mich auf seinen Schoß setzen und ihn küssen!
„Aber zu irgendwelchen öffentlichen Veranstaltungen gehst du weiterhin mit deiner Trulla oder allein, mh?“
„So weit hab ich noch nicht geplant. Willst du unbedingt ins Fernsehen?“
„Das wäre bestimmt ein noch größerer Skandal als die Schlampe vom Kahn. Wir müssen nicht gleich der ganzen Welt mitteilen, dass wir ein Paar sind. Überhaupt finde ich, wir sollten jetzt dringend aufhören zu reden und... ins Bett gehen.“
„Also nimmst du mich...“
„Und wie“, grinse ich.
„... zurück?“
„Auch das.“
Mhhh... Miro ist echt ausgehungert. Der kann gar nicht genug kriegen. Und jedes mal, wenn ich denke, dass ich genug hab, säuselt er mir was auf Polnisch ins Ohr und ich gehe ab wie bekloppt. Keine Ahnung, was er da sagt, aber es klingt unglaublich dreckig und geil.
Mir ist ein bisschen unwohl... okay, mir ist SEHR unwohl. Ich muss gleich mit der kompletten Nationalmannschaft samt weiblichem Anhang essen. Das machen die wohl in unregelmäßigen Abständen... nach dem Motto: soundsoviele Freunde müsst ihr sein! Und man kann ja nur Freunde sein, wenn man sich auch privat mal trifft. Außerdem war vorgestern das letzte EM-Quali-Spiel vor der Winterpause und... naja, das muss gefeiert werden, oder so ähnlich. Wobei es gar keinen Grund zu ausgelassener Partystimmung gibt, weil die gespielt haben wie ein Haufen Luschen. Warum allerdings nur auf dem armen Hilde rumgehackt wird, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls denken logischerweise alle, dass Miro mit seiner Trulla zum Essen erscheint. Das tut er aber nicht. Er wird mit mir erscheinen. Ich finde es toll, dass seine Frau von uns weiß und nun alles geklärt ist, deswegen gleich so offiziell bei den Fußballkumpanen rumzuhängen, wäre meiner Meinung nach noch nicht unbedingt nötig gewesen. Miro meint allerdings: wenn schon, dann auch richtig! Des Weiteren meint Miro, dass ich es mit dem Alkohol bitte nicht übertreiben soll. Ich sag’s ja... der hält mich für einen Säufer.
Mir ist nicht nur meinetwegen mulmig. Vor allem mache ich mir Sorgen, dass Miro Probleme bekommt. Machen wir uns nichts vor... beim Fußball darf man alles sein, außer homosexuell. Da hat selbst der toleranteste, gescheiteste Spieler plötzlich panische Angst um seinen Arsch. Immerhin knuddelt man sich auf dem Platz. Und man geht hinterher gemeinsam duschen. Na, da wird doch der kleine Schwuli bestimmt auf dumme Gedanken kommen und seine Kameraden bespringen. Miro sagt, er kenne seine Fußballkollegen, allerdings ist Miro momentan alles andere als zurechnungsfähig. Kann ich verstehen. Nachdem ich mir selber eingestanden hatte, schwul zu sein, war ich so euphorisiert, dass ich’s der gesamten Welt mitteilen wollte. Bei Miro ist das noch eine Ecke schlimmer, weil er höllisch verliebt ist... zum Glück aber total pressescheu, also wird die Öffentlichkeit wahrscheinlich erst in ungefähr zwanzig Jahren herausfinden, dass Miro auf Typen steht. Ist schon ganz gut, wenn man nicht so gerne im Rampenlicht steht wie der Kahn mit Frau und Freundin. Oder diese Ische von dem einen Fußballer, die sich einen anderen Fußballer angelte und mit den Kindern nach Amerika will.
Um nicht gleich blöde aufzufallen, hab ich den schwarzen Anzug von der Hochzeit meiner Schwester angezogen. Geht ja nicht, dass ich mich total abgerissen präsentiere. Bin mal auf die Fresse vom Ballack gespannt... buahahahaha... der rechnet sicher nicht mit mir. Noch einmal tief durchatmen, ein kleiner, aufmunternder Kuss von Miro, dann begeben wir uns ins Hotel, wo das Essen stattfinden soll. Ein paar Herren und Damen sind schon da. Miro sieht nicht mehr so überzeugt aus, er lächelt unsicher und lässt meine Hand los, um sie an seiner Hose abzuwischen.
„Das ist nicht dein ernst, Miro“, faucht jemand.
„Hallo, Michael... du kennst Daniel noch?“
Herr Ballack mustert mich. „Wie könnte ich den kleinen Säufer vergessen. Hast du den Verstand verloren, ihn mitzubringen? Wo ist deine Frau?“
Die beiden liefern sich ein gezischeltes Wortgefecht. Ich breche zusammen... da vorne steht der Borowski und sieht unglaublich gut aus!
„Na, wenn du meinst“, faselt Ballack angepisst, „aber ich hab dich gewarnt. Glaub bloß nicht, dass alle so positiv reagieren wie ich.“
„Sie führen sich auf, als wäre Miro mit einem Serienkiller zusammen, Herr Ballack. Das würde ich nicht unbedingt positiv nennen“, mische ich mich ungefragt ein.
„Hör mal, ich hab nichts gegen dich, okay? Auch wenn du mich immer noch siezt, aber das ist egal. Ich denke einfach, dass es kein günstiger Zeitpunkt ist, sich zu outen. Aber wenn du das wirklich durchziehen willst, Miro... meine verdammte Unterstützung hast du.“
Mh, vielleicht ist der Ballack doch nicht so’n Arsch?!
„Danke, Micha“, murmelt mein Schatz und klopft seinem Kollegen auf den Rücken.
Eine Sekunde später kuschelt sich eine Frau an Ballacks Seite... ich nehme an, es handelt sich hierbei um seine Frau. Andernfalls gäbe es heute noch einen weiteren Skandal.
„’Nabend, Miro“, lächelt sie und verrenkt sich den Hals. „Bist du allein hier?“
Wir hatten abgemacht, dass wir erstmal nix sagen. Also keine große Ankündigung oder so was. Nur wenn jemand fragt, wollten wir mit der Wahrheit rausrücken. Ich schätze, das ist jetzt so eine Situation.
„Ich bin mit Daniel hier“, erklärt Miro leise.
„Aha?“ Sie schüttelt irritiert meine Hand, während Herr Ballack ihr etwas ins Ohr wispert. Frau Ballack lässt schwuppdiwupp meine Flosse los. „Ach du lieber Himmel... haha... na so was... hihi“, kichert sie verlegen. „Ja, also... na, Geschmack hast du, dass muss man dir lassen.“
Ich könnte jetzt dringend Alkohol vertragen!! Leider kommen noch andere Spieler angedackelt. Leider ist der Borowski nicht dabei. Der starrt nur andauernd bescheuert zu uns rüber. Es wäre doch sehr schade, wenn ausgerechnet er was gegen mich, also gegen Schwule, hätte. Borowski ist allerdings nicht der einzige, der glotzt. Eigentlich glotzen alle. Mir ist grad so wie in dem berühmten Traum, wo man inmitten einer Menschenmenge steht und plötzlich merkt, dass man vollkommen nackig ist...besonders unten rum.
„Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob das eine so gute Idee war“, flüstert mein süßer Stürmer bedröppelt.
„Jetzt ist es eh zu spät. Jetzt starren sie alle.“
Während die mitgebrachten Frauen und Freundinnen sich dezent im Hintergrund aufhalten, steht die halbe Mannschaft um uns herum. Übrigens ist nun auch Borowski dabei, der mir mit seinem Blick fast ein Loch in die Eingeweide brennt. Ich kippe meinen Sekt runter und rülpse aus Versehen. Super, das macht gleich einen tollen Eindruck! Borowski verzieht das Gesicht... zu einem Grinsen!
„Tim“, sagt er und reicht mir die Hand.
„Daniel“, antworte ich.
„Die Attraktion des Abends“, lächelt er, dass mir ganz flau wird. Kann der schön lachen... mein lieber Schwan.
Inzwischen sind Podolski und Schweinsteiger in den Fußballerpulk gebollert.
„Stimmt das, Miro? Bist du neuerdings ’n Schwulibert?“, prollt Poldi.
Wenn der nicht größer und kräftiger wäre als ich, würde ich ihn sofort krankenhausreif schlagen...altes Kirmesgesicht!
Bevor Miro antworten kann, ergreift jemand anders das Wort. Und zwar der Trainer höchstpersönlich.
„Solche Ausdrücke will ich von niemandem hören, verstanden?! Wenn Miro sich entschließt, mit einem Mann zusammen zu sein, dann ist das seine Sache. Was ihr in euren Betten treibt, ist mir herzlich egal, solange ihr auf dem Platz euer Bestes gebt und das tut Miro immer. Vielleicht nicht unbedingt vorgestern, aber da war er nicht allein, das muss ich wohl keinem von euch erzählen. Wenn einer Probleme mit’m Miro hat, werden wir die ausdiskutieren. Und wenn einer meint, er müsste ihm das Leben schwer machen, ist der schneller draußen, als er schauen kann. Wir haben während der WM gezeigt, dass wir ein Team sind, das zusammen hält. Und damit hören wir nicht auf, nur weil die WM vorbei ist. Hab ich mich klar ausgedrückt? Ansprache beendet. Guten Appetit.“
WOW!!! Ich bin dermaßen gerührt, dass ich fast anfange zu heulen. Miro ebenfalls. Zaghaft schiebt er seine Hand in meine.
Poldi labert polnisch mit Miro, Tim lächelt mich noch immer an.
„Willst du was trinken?“
„Auf jeden Fall“, grinse ich dankbar, gebe meinem Süßen ein Zeichen und verschwinde mit Tim an die Bar.
„Finde ich echt cool, was ihr gemacht habt“, behauptet er und stupst seine Bierflasche gegen meine. „Hätte zwar von Miro niemals erwartet, dass er... naja, aber ist echt okay. Stimmt schon, was Jogi sagt, es sollte keine Rolle spielen.“
„Das tut es aber, oder?“
„Klar. Leider.“
Leider? Na, sieh mal an!
„Äh, nimm nichts Falsches an“, erklärt Tim. „Ich kann mich auch als heterosexueller Mann mit Schwulen verstehen und es scheiße finden, dass nicht alle so denken.“
Stimmt. Und ich sollte ihn nicht so anhimmeln, schließlich bin ich vergeben.
„Und welche von den Damen gehört dir?“
„Keine. Lena, meine Frau, hatte heute... ähem... andere Verpflichtungen.“
Ach du Scheiße, der ist auch verheiratet? Ist das eine Fußballer-Krankheit, oder was?
„Wieso zum Arsch heiratet ihr alle so schnell? Kaum, dass ihr krauchen könnt, hängt ihr schon auf’m Standesamt. Wie alt bist’n du?“
„Sechsundzwanzig. Und ich habe geheiratet, weil ich verliebt war... bin. Lena ist meine absolute Traumfrau.“
Wie schön für ihn, mir wird gleich schlecht.
Tjaaaaa, jetzt wäre doch eigentlich das dicke, fette Happy End fällig. Miros Trulla weiß Bescheid, seine Fußballer wissen Bescheid, die Presse interessiert sich einen Scheiß für sein Privatleben, seine Kinder kriegen noch nicht so genau mit, dass Papa öfters bei mir übernachtet, wir sind verliebt, streiten kaum noch... alles wunderbar. Bis auf die Tatsache, dass mir Tim nicht mehr aus dem Kopf geht. Was zur Hölle stimmt nicht mit mir? Kann ich es insgeheim nicht ertragen, glücklich zu sein und suche mir deshalb Schwierigkeiten? Nein, es ist alles Tims Schuld. Weil der so verflixt niedlich ist. Hahaha... er hat mir erzählt, dass die den mit den langen Haaren Lutscher nennen. Geiler Spitzname, muss ich mir unbedingt merken!! Überhaupt hat er mir erstmal zu jedem Spieler den passenden Namen gesagt. Ich hab aber fast alle schon wieder vergessen oder durcheinander gebracht, besonders die Vornamen...Lukas Schweinsteiger, Arne Frings, Friedrich Ballack... nee, der heißt ja Michael... Friedrich Kahn?? Was weiß ich. Der Kahn war auch sowieso nicht da. Der Lehmann war ein bisschen verschnupft, also erkältet, da hab ich den mal lieber nicht wegen eines Dates mit Tine angehauen. Außerdem ist der verheiratet und hat sogar schon DREI Kinder. Und der wohnt ja nicht einmal in Deutschland. Da kann für Tine doch nix bei rumkommen. Es wäre bestimmt für alle Beteiligten besser, wenn ich nicht so scharf auf den Tim wäre. Ich sollte nicht mit Miro im Bett liegen und an einen anderen Kerl denken. Das macht man einfach nicht! Wenn Miro das wüsste, würde er wahrscheinlich sofort zu seiner Trulla zurückgehen. Ich will ihn aber behalten, denn ich liebe ihn. Miro liebt mich auch, trotzdem ist er traurig. Er vermisst seine Kinder. Ist ziemlich anstrengend für ihn, neben seinen fußballerischen Verpflichtungen und Freund genügend Zeit zu finden. Da fühle ich mich gleich noch mehr als Arschloch. Während Miro jongliert, um alles irgendwie unter einen Hut zu kriegen, träume ich insgeheim vom süßen Tim. Der hat mir übrigens beim Essen seine Handynummer gegeben und ich hab ihn schon zweimal angerufen, was Miro natürlich nicht weiß. Beziehungsweise, ich hab es ihm nicht gesagt, aber Tim vielleicht. Immerhin spielen die nicht bloß für Deutschland, sondern auch noch im selben Verein. Wieso ich den Tim überhaupt angerufen habe?! Tja, gute Frage. Einfach so, weil er lustig ist und man gut mit ihm quatschen kann... sicher nicht. Ich gebe zu: wir haben ein bisschen geflirtet. Obwohl er ja behauptet, hetero zu sein. Möglicherweise lügt er. Oder er weiß es selber noch nicht, dass er auf Kerle steht. Miro hatte das schließlich auch jahrelang ignoriert. Fußballer nehmen die Verleugnung ihrer sexuellen Orientierung ja quasi schon mit der Muttermilch ein. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weswegen die alle verheiratet sind. Damit gar nicht erst der Verdacht aufkommen kann. Also, wenn der Tim wirklich homo oder bi ist... dann muss ich ihm doch helfen. Natürlich nicht sexuell helfen, aber ich muss ihn doch unterstützen. Nur aus diesem Grund habe ich mich für morgen mit ihm verabredet. Naja, und auch, weil ich keine Lust hab, allein rumzuhängen. Miro ist nämlich morgen bei seiner Family.
Ahhhh...Tim trägt Jeans, schwarzes T-Shirt und was mit langen Ärmeln drunter. Naja, was hab ich denn auch gedacht? Dass er in kurzen Hosen und Kniestrümpfen kommt?! So will ich nur einen sehen und das ist mein süßer Stürmer! Der hat keine Ahnung, dass ich mich mit... äh, auf welcher Position spielt’n der Tim? Ich kenne zwei. Stürmer (wegen Miro) und Torwart (weil offensichtlich). Ist ja eigentlich auch egal. Ich meine, das hat mich gar nicht zu interessieren.
„Hi, Daniel“, strahlt der Tim.
„Hi, Tim“, strahle ich zurück.
Was zum Arsch mache ich hier eigentlich?!
Wir haben uns mal lieber in einem Club getroffen. Und zwar in einem, wo Musik gespielt wird, die ich toll finde, weil eben die Möglichkeit sehr gering ist, dass Tim sofort erkannt wird. Deathrocker interessieren sich nie, niemals, für Fußball... es sei denn sie sind mit einem zusammen.
„Schauerlich“, grinst er. „Erinnert mich irgendwie ein bisschen an Halloween-Party.“
„Ähem... du hast Miro doch nicht gesagt, dass wir... Kontakt haben, oder?“, frage ich vorsichtig.
„Hätte ich?“
„Keine Ahnung. Ich meine, es ist kein Geheimnis oder so, aber... ich weiß auch nicht.“
„Glaubst du, er könnte eifersüchtig werden?“
„Auf eine Hete? Nie im Leben.“
„Miro war jahrelang ’ne Hete.“
Allerdings.
Wir sind inzwischen übrigens ins Café gegangen. Das ist im unteren Bereich des Clubs und da ist die Musik nicht so ätzend laut. Außerdem scheinen die schwarzen Gestalten dem Tim nicht ganz geheuer zu sein. Hier ist es ziemlich leer, weil ja alle oben tanzen. Während Tim mir Gegenüber sitzt, fallen mir seine schönen Hände auf, und der silberne Ring, den er am Finger trägt, ist ebenfalls sehr hübsch. Dass das höchstwahrscheinlich sein Ehering ist, interessiert mich einen Dreck. Ich habe das starke Bedürfnis... aber das lasse ich besser. Scheiße, was liegt seine Flosse aber auch so in greifbarer Nähe auf dem Tisch. Ich fühle mich sehr provoziert... und kann nicht an mich halten. Meine Hand fährt langsam aus, die Finger krabbeln über den Bierdeckel, bis sie hauchzart Tims Fingerspitzen berühren. Er hat das Kinn in die eine Hand gestützt und lächelt süß.
„Versuchst du grad, mit mir Händchen zu halten, Dani?“
„Nein“, entgegne ich entrüstet.
„Sieht aber so aus“, behauptet er und schiebt seine Finger ein Stückchen näher.
Und der will hetero sein?! Dass ich nicht lache!!
„Hübscher Ring“, murmele ich und streichele mit meinem Daumen darüber.
„Hm-hm.“
Okay, das, was wir hier treiben, ist... nicht in Ordnung. Warum zum Teufel erlaubt der mir so was?? Unsere Finger haben sich längst ein bisschen ineinander verschlungen. Das ist doch scheiße. Ich liebe Miro, verdammt noch mal!!
„Ich gehe aufs Klo... wenn du mir sagst, wie ich dahin komme.“
„Geradeaus und dann links“, antworte ich irritiert.
Tim verschwindet. Ich bin von einem fiesen Dämon besessen und folge ihm nach zwei Minuten.
Er (Tim, nicht der fiese Dämon!) trocknet sich grad die Hände ab, da dränge ich ihn an die Wand.
„Was soll das werden?“
Ja, wenn ich das wüsste!
„Hör mal, ich stehe nicht auf Typen, aber selbst wenn... du bist mit Miro zusammen und ich muss noch ’ne ganze Zeit mit ihm Fußball spielen. Außerdem hab ich eine Frau“, erklärt er, als sei es ihm eben grad erst wieder eingefallen.
Gott, was bin ich für ein Drecksack?! „Gib es erst zu.“
Er sieht mich erstaunt an. „Was denn?“
„Dass du mich...“
„Okay“, seufzt er, „lässt du mich dann los?“
Ich finde, er könnte mir sehr leicht entkommen, schließlich ist er ungefähr einen Kopf größer als ich und sicher viel viel stärker.
„Du gefällst mir. Ist es das, was du hören willst?“
Mein Hirn hat sich günstigerweise grad verabschiedet. Der fiese Dämon hat es einfach ausgeknipst oder so. Ich will Tim loslassen und gehen, bin auch schon fast auf dem richtigen Weg, aber leider drehe ich mich dann doch wieder um, schlinge meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Tim... küsst mich zurück. Und wie!! Meine Finger streichen gierig über seinen Körper und krallen sich in sein Shirt. Seine Finger wuseln durch meine Haare. Jedenfalls bis wir und erschrocken gegenseitig wegschubsen.
„Fuck“, stammeln wir synchron.
„Das ist nicht passiert“, murmelt Tim. „Das ist verdammte Scheiße nicht passiert.“
Ist es aber doch. Sein Kuss brennt auf meinen Lippen und ich bin völlig scharf auf ihn... au weia!
„Ich schwör dir, wenn Miro nicht wäre...ich würd dich nach Strich und Faden durchficken“, japse ich und küsse ihn erneut. Irgendwann funktioniert mein Hirn wieder. Der fiese Dämon hat sich verpisst. Genau das mache ich auch.
„Was ist denn los?“, fragt Miro sanft und verteilt kleine Küsse auf meiner nackten Schulter.
Wie soll ich ihm das bitteschön erklären?! Wie soll ich ihm erklären, dass ich Tim vor mir sehe, wenn wir zugange sind, und Angst haben muss, dass ich beim Abspritzen aus Versehen Tims Namen blöke?
„Bist du sauer, weil ich gestern nicht bei dir war?“
Oh Gott, er ist so ahnungslos. So unglaublich süß und... ich kotze mich total an.
„Nein, is okay.“
„Aber irgendwas stimmt doch nicht. Daniel, was...“
„Du hast mir gefehlt“, murmle ich und schmiege mich in seine Arme.
„Du mir auch“, lächelt er und hält mich ganz fest.
Ich muss mit Tine sprechen. Fragen, was sie von allem hält, und was ich tun soll. Ist ohnehin ewig her, dass wir gequatscht haben. Und Alkohol getrunken. Ich brauche ein Stückchen Normalität. Es war einfach alles viel zu aufregend für eine arme, kleine Schwuppe. Gestern noch allein und heute mit einem Weltklasse-Fußballer liiert, der sich von seiner Trulla getrennt und vor der kompletten Mannschaft geoutet hat. Kein Wunder, dass ich durchdrehe und kalte Füße bekomme, oder? Das mit Miro ist jetzt irgendwie so... naja, ich fühle mich, als müsste ich bald heiraten, if you know what I mean!
Einen Tag später ist Miro mal wieder abwesend und deshalb ein günstiger Zeitpunkt für mein Besäufnis mit Tine.
„Ich dachte, es läuft alles so toll, warum siehst du dann schon wieder aus wie Kotze?“, begrüßt sie mich skeptisch. „Kann er sich doch nicht von seiner Frau trennen? Will er dich lieber als heimlichen Bumsfreund halten?“
„Nein“, grummele ich und kippe den ersten Tequila runter.
„Aber du hast mich sicher nicht aus Spaß eingeladen.“
„Brauche ich einen Grund, um den Abend mit meiner besten Freundin zu verbringen?“
„Vergiss es“, lacht sie, „ich kenne dich zu gut, mein Süßer.“
„Ich... ich weiß nicht, ob...“
„Du Miro wirklich liebst, mh?“, unterbricht sie mich.
„Nee. Also, doch. Ich meine, ja, ich liebe ihn. Natürlich liebe ich ihn. Es ist nur... sag mal, als du mit deinen Typen zusammen warst, hast du da manchmal... äh... an andere Kerle gedacht?“
Tine sieht mich an und haut ihren Tequila weg. „Eigentlich nicht“, erklärt sie an ihrer Zitrone nuckelnd. „Warum?“
„Nur so.“
„Blödsinn. Raus mit der Sprache!“
„Aber es kann doch sein, dass man sich in jemanden verliebt und trotzdem noch andere Leute... ähem... naja, anziehend findet, oder?“
„Klartext, bitte“, schnauft sie drohend.
„Ich denke beim Sex an einen anderen Kerl.“
„An wen denn?“
Ich fürchte, wenn ich ihr das sage, wird sie auf der Stelle den Verstand verlieren. Oder es für einen Witz halten. „Tim.“
„Welcher Tim?“
„Borowski“, antworte ich leise.
Tines Gesichtsausdruck zu beschreiben ist unmöglich. Dafür gibt es keine Worte, die schon erfunden sind. „Willst du mich verarschen? Willst du jetzt die ganze Nationalelf durchmachen? Oder doch nur Bremen? Und wenn schon Fußballer, wieso zum Teufel nicht JENS LEHMANN?“
„Weil der verheiratet ist“, entgegne ich blöde.
„Ja und? Seit wann ist das für dich ein Hindernis?“
„Ernsthaft, Tine... was ist los mit mir? Ich liebe Miro und hab mit Tim geknutscht.“
„Ach, auch das noch. Ich dachte, du hättest bloß von ihm phantasiert. Der Borowski steht auf Schwänze?! Mein lieber Schwan... wenn du dich ein bisschen anstrengst, kommen da vielleicht noch ein paar verkappte Homos mehr zum Vorschein.“
„Können wir bitte beim Thema bleiben? Danke.“
„Okay, also wenn du nach ein paar Wochen schon fremdknutschst, ist das kein sehr gutes Zeichen. Ich meine, natürlich darf man andere Kerle attraktiv finden und so weiter, aber das passiert doch eigentlich recht selten in der akuten Verliebtheits-Phase. Normalerweise hat man da nur Augen für seinen Angebeteten. Das heißt: irgendwas stimmt mit deinen Gefühlen für Miro nicht.“
Die ist doch besoffen. Ich liebe Miro!
„Du solltest überlegen, wer dir wichtiger ist... langfristig gesehen. Bist du nur scharf auf den Borowski, weil er halt ’n Schnuckel ist, oder könntest du dir vorstellen, mit ihm zusammen zu sein? Und wenn ja, würdest du Miro vermissen? Beziehungsweise... wen würdest du mehr vermissen? Wen möchtest du dringender in deiner Nähe haben?“
Das sind sehr gute Fragen. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, Antworten zu finden.
Jetzt will ich mich nur noch abschädeln!
„Ist der Borowski nicht auch verheiratet?“
Ich nicke unglücklich.
„Mein lieber Herr Gesangverein...“, seufzt Tine.
Mein Süßer ist ausgeschieden. Hat gegen Barcelona verloren, die kleine Maus. Naja, wenn ich schon als totaler Laie erkannt hab, wie schlecht die gespielt haben... das will schon was heißen. Miro ist ziemlich bedröppelt und hat sich ein bisschen zurückgezogen. Das kommt mir sehr gelegen, weil ich ja eh nachdenken wollte. Außerdem muss ich unbedingt mit Tim sprechen. Die Knutscherei und mein Abgang danach... das kann nicht so im Raum stehen bleiben. Deshalb habe ich ihn gebeten herzukommen. Er klang am Telefon nicht sonderlich begeistert. Mir ist ein wenig übel, weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Weil ich keine Ahnung habe, was ich verflucht noch mal überhaupt für wen empfinde. Als er dann endlich da ist und auf meiner Couch sitzt, weiß ich auf alle Fälle schon mal, dass ich ihn noch immer scharf finde.
„Und?“, fragt er. „Du wolltest mit mir reden?“
„Es tut mir Leid, dass ich dich geküsst habe“, sage ich und hab ein blödes Déjà vu. Hab ich mich nicht bei Miro ebenfalls entschuldigt und es gar nicht ernst gemeint?!
„Wir sollten das vergessen. Es war ein Fehler.“
„Finde ich auch“, bestätige ich und bin dabei, ihn in Gedanken ganz langsam auszuziehen.
„Ich will mich echt nicht in eure Beziehung drängen. Hab keinen Bock auf den Stress, verstehst du? Ich weiß sowieso schon nicht, wie ich mich Miro gegenüber verhalten soll.“
Na toll, frag mich mal! „Also tun wir so, als wäre das nicht passiert und...“
„Hören auf, uns heimlich zu treffen“, nickt er. „Es ist ja nicht so, dass ich mich in dich verliebt hab, Dani. Ich bin bloß scharf auf dich, nichts weiter.“
Meine Rede!
„Du bist nicht der Erste und du wirst auch wahrscheinlich nicht der Letzte sein.“
„Bitte?“
Er streicht sich lässig durch die Haare. „Naja... es kommt halt manchmal vor, dass ich Lust auf Typen habe. Aber in einen verlieben könnte ich mich nicht. Das geht nur bei Frauen. Keine Ahnung, warum, aber es ist so. Wenn wir beide solo wären, könnten wir ins Bett gehen und Spaß haben. Leider steht das nicht zur Debatte.“
Mir ist klar, dass es mich nicht dermaßen heiß machen sollte, wenn er von ins Bett gehen faselt... oh man, ich würd am liebsten über ihn herfallen. Mit Tim über Sex zu reden ist fast noch geiler als die Vorstellung, es tatsächlich mit ihm zu tun. Ich halt’s im Kopf nicht aus!!
„Warst...“, fuck, meine Kehle ist vielleicht trocken, „warst du denn schon mal mit einem Typen im Bett?“
„Sicher.“
Ah... hallo, fieser Dämon. Auch mal wieder da?! Und du möchtest jetzt gerne die Kontrolle über meinen Körper an dich reißen, was? Ausgestattet mit Schlafzimmerblick und verführerischem Lächeln setze ich mich langsam auf seinen Schoß. Tim ist etwas... irritiert. Das gibt sich allerdings schnell, als ich ihn wild küsse und meine Hände unter sein Shirt schiebe. Die ersten Kleidungsstücke fliegen zu Boden. Seine Nippel sind unwahrscheinlich hart, ich muss ein bisschen daran nuckeln, während ich seine Hose öffne. Der hat vielleicht ’ne Latte, ich geh kaputt! Wir knutschen eine Weile, fassen an uns rum, bis ich es kaum noch aushalte. Doch plötzlich...
„Ich kann das nicht“, röchele ich und rücke von ihm weg. Vor meinen Augen erschien nämlich gerade Miro und der sah alles andere als erfreut aus. „Tut mir Leid... es geht einfach nicht.“
„Fällt dir ziemlich früh ein“, stöhnt Tim.
„Bist du jetzt sauer?“
„Nein“, schnauft er gequält, „bloß höllisch geil.“
Ich weiß genau, was er meint. Mein Herz rast und mein gesamter Unterleib steht praktisch in Flammen.
„Vielleicht... ich könnte rausgehen, damit du... naja...“, stottere ich dämlich und mache eine noch dämlichere Wichsgeste.
Er rappelt sich auf. „Nee, lass mal. Eine kalte Dusche tut’s auch. Darf ich?“
„Klar.“
Nachdem wir beide wieder einigermaßen zivilisiert nebeneinander sitzen, ist es reichlich unentspannt.
„Ich sollte besser gehen“, überlegt Tim, „bevor du noch mal versuchst, über mich herzufallen.“
„Ich finde das nicht lustig.“
„Ich eigentlich auch nicht“, grinst er, wird allerdings sofort wieder ernst. „Entschuldige. Wirst du Miro erzählen, dass wir...“
„Nein“, kreische ich entsetzt. „Wirst du denn deiner Frau was sagen?“
„Nee, lieber nicht. Es ist ja irgendwie zu nichts gekommen. Ich will jedenfalls keinen Ärger deswegen haben.“
Ich vielleicht?!
So, jetzt ist aber mal schön alles den Bach runter gegangen! Ich konnte natürlich meine Klappe nicht halten. Wie auch, wenn Miro mir andauernd sagt, dass er mich lieb hat und glücklich mit mir ist. Ich wollte einfach nicht, dass so ein Geheimnis zwischen uns steht. Miro hatte kein Verständnis dafür, dass ich mit einem Kerl rum gemacht habe, in den ich nicht verliebt bin. Er konnte nicht begreifen, warum ich mit ihm zusammen bin, obwohl ich einen anderen Mann sexuell anziehender finde. Finde ich zwar gar nicht, aber auch das ist bei Miro nicht angekommen. Naja, klingt auch reichlich blöde... ich liebe dich, du machst mich scharf, aber der Tim ist halt auch irgendwie geil... ich hätte mir sicher in die Fresse gehauen. Miro tat das nicht, er ging. Logischerweise erst nachdem er mir gesagt hat, was er alles meinetwegen riskiert und aufgegeben hat und dass ich ihm das Herz gebrochen habe. Ich könnte mich nicht mieser fühlen! Nicht, das jemand denkt, das wär schon alles gewesen. Nein nein, wenn man ich ist, geht immer noch was. Tim und Miro haben gestritten... und das ist noch höflich ausgedrückt. Der kleine Miro wäre dem großen Tim fast an die Gurgel gesprungen. Bei dem Gerangel ist sogar ein blaues Auge entstanden. Deshalb ist Tim jetzt sauer auf mich und wünscht keinerlei Kontakt mehr. Also noch mal zum mitschreiben: Freund weg, alle hassen mich, sind sauer auf einander, bald ist Weihnachten... ich freue mir ein zusätzliches Loch in den Arsch!! Das Dumme an der Sache ist, naja, dass es meine Schuld ist. Wenn ich nicht so mitteilsam gewesen wäre... nee, das ist ja bescheuert. Wenn ich nicht mit Tim rumgemacht hätte... das ist der richtige Ansatz! Bringt mich leider nicht weiter. Es ist nun mal geschehen, ich kann’s nicht rückgängig machen und die Tatsache, dass der abgedroschene Spruch „Man weiß erst dann, was man liebt, wenn man’s verloren hat“ volle Kanne stimmt, finde ich ziemlich zum Kotzen. „Hinterher ist man immer schlauer“ ist auch selten dämlich. Was zur Hölle soll man damit anfangen, hä? Helfen einem solche Schlaumeiersprüche vielleicht, seine Beziehung zu Miro zu kitten? Eben! Die ganze Zeit schon liege ich auf meinem Bett und schnuffele wie irre mit seinem schwarzen Kuschelpullover. Das ist alles, was mir bleibt. Ein Stück Stoff mit seinem Geruch. Wenn ich den erfolgreich weggeschnüffelt habe, nehme ich mir die anderen Klamotten vor, die noch von ihm hier rum liegen. Bis ich damit durch bin, hab ich hoffentlich schon den Löffel abgegeben.
Irgendeine lebensmüde Arschgeige steht vor meiner Tür, klingelt Sturm und hindert mich so am Sterben. Wer immer es auch ist... der traut sich was, mich beim Dahinsiechen zu stören. Ich werde mit bloßen Händen sein Herz herausreißen und es zum Frühstück verspeisen... oder sagen wir zum Abendbrot. Bereit für einen Amoklauf stampfe ich zur Tür. Na, fein! Es ist mein Ex. Und ich hab tagelang weder geduscht, noch mich anderweitig frisch gemacht. Es gibt einen Gott und... er scheint mich nicht zu mögen!
„Ich will nur meine Sachen abholen“, erklärt Miro.
Wie ich ihm erklären soll, warum die alle in meinem Bett liegen, ist mir schleierhaft. Naja, wahrscheinlich wird er eh nicht danach fragen.
„Toll, du hast sie schon für mich rausgelegt“, zischelt er. „Konntest es wohl gar nicht
erwarten, dass ich endlich komplett aus deinem Leben verschwinde und du mit dem Borowski...“
„Halt den Rand!“
„Bitte was?“, fragt er entgeistert.
„Sieh mich doch mal an“, fauche ich und zerre an meinem Schlabberoutfit, „ich bin ein verdammtes Wrack, seit du weg bist. Ich kann nicht mehr schlafen, nicht mehr essen und Hygiene ist mir auch vollkommen egal.“
Er starrt mich fassungslos an. „Soll ich dich jetzt bemitleiden?“
„Nein. Du sollst mir verzeihen. Ich hab einen schrecklichen Fehler gemacht und es tut mir Leid. Du liebst mich, sonst hättest du nicht versucht, Tim die Fresse zu polieren. Ich liebe dich auch, sonst hätte ich mit Tim geschlafen, als ich die Gelegenheit hatte. Miro, du fehlst mir in jeder Sekunde. ICH HALTE ES NICHT AUS OHNE DICH!“, brülle ich verzweifelt.
„Das hättest du dir früher überlegen sollen. Ist das Liebe, wenn du erst mit einem anderen Kerl ins Bett gehen musst, um Gewissheit zu haben?“
Ich gebe es ungern zu, aber der Punkt geht zweifelsfrei an ihn. Die Sache mit Tim ist nicht schönzureden.
„Und wer sagt mir, dass das nicht wieder vorkommt, Daniel?“
Super, der gibt mir ja nicht einmal die kleinste Chance.
„Mit dem nächsten verheirateten Kerl, denn anscheinend hast du ein Faible dafür. Hast du uns deshalb ausgesucht? Mich und Tim?“ Er schüttelt den Kopf. „Du tust einfach, was du willst, nimmst dir, was du willst, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist dir vollkommen egal, ob du anderen Leuten wehtust, Hauptsache, du hast deinen Spaß.“
Wow! „So denkst du also über mich, mh?“, antworte ich leise und kämpfe die aufsteigenden Tränen nieder. „Kein Wunder, dass du mich abgeschossen hast. Ich meine, wer will mit einem ekelhaften Menschen wie mir schon zusammen sein. Aber weißt du, vielleicht hat Tim auch nicht eine Sekunde an seine Frau gedacht, als er mir an die Hose gegangen ist. Und du... du hast dich sehr gerne von mir ficken lassen, stimmt’s?!“
„Wenn dir nichts mehr einfällt, wirst du ordinär“, lächelt er behämmert.
„Du kannst deinen Heiligenschein ruhig ausknipsen, Klose. Ich bin wenigstens ehrlich. Ich hab nicht geheiratet und ein paar Kinder gemacht, obwohl ich meine Frau nicht liebe. Und es ist auch nicht meine Schuld, dass Tim offensichtlich schon Monate nach seiner Hochzeit bereit ist, seine Ische mit einem Kerl zu betrügen. Euer verlogenes Hetero-Image geht mir dermaßen auf die Eier. Ich hab dich verletzt, das weiß ich und das tut mir verdammt Leid. Aber die ganze Zeit als niemand von uns wissen durfte und du kaum Zeit für mich hattest war auch kein Zuckerschlecken. Hast du dich vielleicht da mal gefragt, wie es mir geht? Nein, du hattest bloß Angst um deine Karriere. Ich finde, wir sind quitt.“
„Ich sollte jetzt gehen.“
„Klar, was sonst? Wenn es unangenehm wird, haust du ab. Aber heute nicht, Miro. Wir werden das jetzt klären und danach werden wir zusammen schlafen.“
„Bist du irre?“, fragt er vorsichtig.
„Irre in dich verliebt“, antworte ich.
Seufzend lässt er sich auf die Couch fallen und rauft sich ein bisschen die Haare. „Micha hat mich gewarnt, was mit dir anzufangen. Der Kleine macht nur Ärger, hat er gesagt, dem bist du nicht mal ansatzweise gewachsen.“
„Herr Ballack soll seine Meinung für sich behalten, sonst tunke ich seinen Schädel in einen Bottich mit Schleim.“
„Was denn für’n Schleim?“
„Schleim halt. Ist doch egal“, fauche ich gereizt.
Miro greift schüchtern nach meiner Hand. „Ich lieb dich, Dani“, säuselt er mit seiner leisen Mausestimme. Dann küsst er mich so süß, dass ich augenblicklich dahin schmelze. Danach küsst er mich so leidenschaftlich, dass... ähem... wir drängeln ins Schlafzimmer, stolpern ins Bett und sind die nächsten Stunden mit Sexualität beschäftigt. Davor habe ich logischerweise ein wenig Angst, weil ich nicht weiß, was mir dabei durch den Kopf gehen wird. Oder besser gesagt, wer! Nach sehr viel knutschen, ausziehen und anfassen, will Miro sich schon in eine günstige Position begeben, wovon ich ihn allerdings abhalte. Ich finde, heute darf er mal ran.
„Heute darfst du mal ran“, grinse ich und er wird über und über rot, als er begreift, was ich meine.
„Dani...ich...äh...“, stammelt er niedlich.
„Ich will dich in mir“, wispere ich so verführerisch wie ich kann.
Miro ist echt... erregt. Wir sollten besser anfangen, sonst ist der schon fertig, bevor... äh, ja.
WOW!!
Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, das war der absolut geilste Sex, den ich jemals hatte. Ich bin immer noch völlig entrückt, obwohl es bereits eine ganze Weile vorbei ist. Miro lächelt verträumt... unschuldig. Der kleine Schleicher macht mir nichts mehr vor. Nicht nach dieser Nummer! Er hat natürlich zu Beginn wieder die schüchterne, unsichere Maus gespielt, mir jedoch die ganze Zeit polnische Schweinereien ins Ohr gestöhnt, dass ich abging wie Hulle. Eigentlich schade, dass er dabei nie etwas sagt, das ich auch verstehe. Jedenfalls hab ich nicht eine einzige verfluchte Sekunde an den Penner Borowski gedacht.
Hallelujah!
Miro und Tim haben sich wieder vertragen. Mit mir will Herr Borowski weiterhin nichts zu schaffen haben. Kann man wohl nichts machen. Mein Schatz ist Herbstmeister (was immer das bedeuten mag), wird ständig in Fernseh-Shows eingeladen, kriegt Preise (wegen der tollen WM) und hat jetzt endlich Ferien, also viel Zeit für mich. Naja, mehr Zeit als sonst jedenfalls.
Seine Kinder sind immer noch wichtiger, was ich leider total verstehe. Jetzt versucht er mir schon seit ’ner halben Stunde beizubringen, dass er Weihnachten mit seinen Gören verbringt. Ich sollte ihn endlich erlösen, sonst fängt er noch an zu heulen.
„Miro, es ist in Ordnung, wirklich. Ich bin Weihnachten eh mit Tine zusammen.“
„Feierst du nicht mit deiner Familie... deinen Eltern?“
„Da müsste ich schon kurz vor ’ner Alkoholvergiftung sein, um das auszuhalten. Meine Schwester wird ihre verzogenen Blagen und ihren langweiligen Ehemann anschleppen, meine Mutter wird mit rot verquollenen Augen vorm Tannebaum sitzen, weil sie sich heimlich in der Küche beim Kartoffelsalat-machen kaputt geflennt und gefragt hat, warum ausgerechnet ihr Sohn ein Schwuler sein muss. Mein Vater wird beknackte Schwulenwitze erzählen und zum Schluss werden wir alle so tun, als wäre ich hetero. Ich werde mich dieses Jahr mal selber beschenken und mir diesen Albtraum schenken. Tine und ich gehen schnuckelig essen und danach...“
„Betrinkt ihr euch, mh?“
„So ist der Plan“, bestätige ich.
„Ich hab ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich dich allein lasse.“
„Das musst du nicht. Ich bin schon groß, deine Kinder nicht. Du gehörst Weihnachten da hin. Ich fände es erbärmlich, wenn du bei mir wärst.“
Miro zieht mich in seine Arme und lächelt glücklich. Ich glaube, ich sollte ihm jetzt sagen, was ich mir zu Weihnachten wünsche.
„Und was wünschst du dir zu Weihnachten?“
Erstmal kommt mir ein bisschen Spucke in die falsche Röhre. Es ist nämlich gar nicht einfach... au mann, der wird mich für irre halten. „Das Wichtigste von meinem Wunschzettel hab ich schon.“
„Was denn?“
„Einen süßen, kleinen Stürmer zum lieb haben“, antworte ich und will mich sofort in die Luft jagen. Dass man immer so einen Scheiß reden muss, wenn man verliebt ist. „Und das andere ist ein wenig peinlich.“
„Seit wann ist dir etwas peinlich?“, grinst er amüsiert. „Ist ja was ganz Neues.“
„Ich...“, meine Hand streicht über seinen Bauch, „oh man, ich stehe total auf deine Fußball-Klamotten“
Miro kuckt irgendwie irritiert.
„Dein Deutschland-Trikot... oder wenn du diese schwarzen Werder-Klamotten trägst... das sieht... das sieht einfach sexy aus. Und geil. Und dann würd ich dich am liebsten direkt nach’m Spiel flachlegen, wenn du noch dreckig bist und verschwitzt und ein bisschen lädiert...“, wispere ich ihm ins Ohr und bin vermutlich der Einzige hier, den das anmacht.
„Wow, das hat mir auch noch keiner gesagt“, schüttelt er den Kopf. „Ach so... du möchtest... dass ich beim Sex... oh, du meine Güte“, giggelt er. „Ich hoffe, ich muss nicht vorher die Nationalhymne singen.“
Okay, die Stimmung ist im Eimer. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn er so albern ist.
„Entschuldige“, murmelt er, „ich hatte doch keine Ahnung, dass es dir gefällt... aber, mein Gott, andere stehen halt auf Füße oder Lack und Leder oder Bärte...“
„Miro?“
„Ja?“
„Halt die Klappe.“
Er beugt sich über mich, drückt meine Handgelenke auf die Matratze und grinst gefährlich.
„Ich will dich ficken, Dani.“
Was ist denn mit dem los? Oh... wow... wenn er das sagt, klingt es noch tausendmal unanständiger. Und er ist nicht einmal rot geworden!
E N D E
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