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Die Kanaille

Teil 3

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Inhaltsverzeichnis

Maxi

In ein paar Tagen ist Weihnachten. Vielleicht sollte ich meinem Freund ein ganz besonderes Geschenk bereiten: ihn heftig und hart durchficken. Darauf steht der nämlich, sagt Claude. Und natürlich nur, wenn er das tut. Ich glaube aber, Claude würde mir jeden Scheiß erzählen, um mich von Gabriel weg und in sein Bett zu kriegen. Ich meine, der will mich doch eifersüchtig machen. Oder warum stellt er Gabriel sonst als total willensschwach hin? Denn angeblich braucht er bloß mit dem Finger zu schnippen und schon liegt Gabriel auf der Matratze. Das mag vielleicht bisher so gewesen sein, aber jetzt ist er schließlich mit mir zusammen und ich habe beschlossen, meinem Freund zu vertrauen. Ob das eine gute Idee ist weiß ich nicht, immerhin hat Gabriel bereits Geheimnisse vor mir. Scheiße, aber ich auch. Sicher würde er wissen wollen, dass ich Claude kenne und er mich andauernd beflirtet. Au Mann, ich hab noch gedacht, die Schwierigkeit wäre, Gabriel zu vernaschen. War ja wohl ein totaler Irrtum. Allerdings konnte ich unmöglich damit rechnen, dass ein Claude auftauchen und mein Freund sich als wahrscheinlich kriminell entpuppen würde. Mh, komisch ist es schon, dass Gabriel sich von mir nicht vögeln lässt. Andererseits hab ich mit ihm darüber nie gesprochen. Es war immer irgendwie klar, wie es läuft. Warum eigentlich? Weil ich jünger, also zwangsläufig der Unterlegenere von uns beiden bin? Was ist das denn für’n Scheiß?! Dass es für Claude beim Sex vor allem um Macht geht ist logisch. Bei Gabriel und mir liegen die Dinge doch wohl hoffentlich anders. Und woher zum Teufel weiß Claude so genau, was er mir erzählen muss, damit ich mir tagelang bescheuerte Gedanken mache? Ist der Arsch vielleicht Hellseher oder so’n Kack?

Zu Hause wird es immer unangenehmer. Ich bin mir nicht sicher, aber ich fürchte, Robert wird sich wieder etwas Fieses ausdenken, damit ich mich von Gabriel trenne. Wahrscheinlich wird er mir in drei Monaten, wenn ich achtzehn bin, den Geldhahn zudrehen, sollte ich nicht vernünftig werden. Allerdings weiß ich nicht, ob er das so einfach darf. Na ja, damit beschäftige ich mich erst, wenn es wirklich ansteht. Fuck, möglicherweise schmeißt er mich raus. Klar, zuerst kommt der Hund weg, dann der schwule Sohn, es sei denn, er sucht sich ein nettes Mädchen in seinem Alter! Und Gabriel... der hasst es, mit Leuten zusammen zu wohnen. Der duldet niemanden länger als drei Tage in seiner Wohnung. Na prima, ich kann ja unter eine Brücke ziehen oder wie es sich für eine linke Zecke gehört ein Haus besetzen. Christine scheint ernsthaft zu versuchen, mit mir, meiner Homosexualität und Gabriel klarzukommen. Robert behauptet noch immer, sein ehemals bester Freund sei ein Schwein und hätte mich zu allem gezwungen. Deshalb streiten Mama und Papa ständig. Ist doch toll, ich hab nicht nur eine Freundschaft auf dem Gewissen, sondern bald auch noch die Ehe meiner Eltern. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich Probleme genug habe, also ist es höchste Zeit, dass ich anfange, ein bisschen aufzuräumen. Ich werde mit Gabriel über unseren gemeinsamen Bekannten sprechen. Da schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens weiß ich dann Bescheid und zweitens... Claude findet es ziemlich scharf, dass ich ihn meinem Freund verheimliche. Auch wenn er tut, als würde ihn das einen Scheiß interessieren. Mal ehrlich, Claude zu durchschauen ist meist nicht besonders schwierig. Wenn diese Sache geklärt ist, werde ich vorsichtig das Wohnthema anschneiden. Vielleicht kann Gabriel sich ja doch vorstellen, mit mir... ist wahrscheinlich Wunschdenken, aber was Besseres hab ich momentan leider nicht.

Nachdem ich mein Hundchen bei Anne abgeliefert habe mache ich mich auf den Weg zu Gabriel und hasse Robert abgrundtief. Er weiß ganz genau, dass Sid nicht gern bei fremden Leuten ist. Ich finde, er hätte mich auch anders bestrafen können. Ein unschuldiges Hundchen, das sich nicht wehren kann, in seinen Schwachsinn mit reinzuziehen ist echt das Letzte!

„Hey,“ begrüßt mich mein Freund, „waren wir verabredet?“

Ist der blöde?! „Müssen wir verabredet sein, um uns zu sehen?“

Er küsst mich flüchtig auf die Wange. „Nee, aber... äh... “

„Wenn du keine Zeit hast, kann ich auch wieder gehen. Allerdings würde ich gerne was mit dir besprechen.“

„Im Schlafzimmer?“, fragt er skeptisch.

„Na, sicher. Ich will dabei in deinem Arm liegen“, erkläre ich und werfe mich aufs Bett.

Gabriels Bettwäsche ist hell, wahrscheinlich fällt es mir deshalb sofort auf... halb unter dem Kopfkissen versteckt liegt ein schwarzes Haarband. Okay, also Gabriels Haare sind nicht besonders lang, meine ebenfalls nicht. Und irgendwelche Frauen lässt er auch nicht in sein Bett. Eigentlich komisch, dass er die Spuren seiner Fremdvögelei nicht beseitigt hat. Der ist doch sonst so aufgeräumt. Ich meine, das Teil stammt doch offensichtlich von Claude und es liegt in Gabriels Bett. Die Sache ist klar. Es war wohl sehr naiv, meinem Freund zu vertrauen.

„Also... was willst du mit mir besprechen?“

„Hat er’s dir gut besorgt?“

„Wie bitte?“

„Bist du endlich mal wieder auf deine Kosten gekommen?“

„Schmusekatze, du machst mir Angst. Wovon zum Teufel redest du?“

Ja, wovon denn wohl?! Arschgeige!

„Eigentlich bin ich hier, um dich zu fragen, was du mit Claude zu schaffen hast... ich schätze, das weiß ich jetzt“, sage ich und werfe ihm das Haarband hin.

Gabriel ist überrascht bis geschockt.

„Claude?“

„Oh, bitte, Gabriella... tu jetzt nicht, als würdest du ihn nicht kennen. Das ist peinlich.“

„Aber... wieso... äh... warum... “, stammelt er bescheuert.

„Und komm nicht auf die Idee, mich zu fragen, warum ich ihn kenne. Ich finde, du solltest mir erstmal dringend beantworten, weshalb du dich von ihm flachlegen lässt, obwohl du einen Freund hast.“

Logischerweise bin ich in Wirklichkeit gar nicht so ruhig und gelassen. Aber ich werde sicher nicht vor ihm in Tränen ausbrechen. Das mache ich später, wenn ich allein bin.

„Schmusekatze, ich…“

„Nenn mich nicht so, sonst töte ich dich!“

Gabriel schluckt schwer. „Ich hab nicht mit Claude geschlafen. Also jedenfalls nicht, seit wir zusammen sind.“

„Dann lass dir für das scheiß Haarband in deinem Bett eine gute Erklärung einfallen.“

„Woher zur Hölle kennst du Claude?“

„Wir haben uns verschiedentlich getroffen. Das ist kein Verbrechen, oder?“

Nervös streicht er sich durch die Haare. „Hör mal, Claude ist... er ist... na ja, du solltest vorsichtig sein. Er steht auf... “

„Glaubst du, ich wüsste das nicht?“, unterbreche ich ihn. „Claude hängt ständig bei Christo in der WG rum, um Jungs aufzureißen.“

„Soll das heißen... “

„Dass er es bei mir versucht hat? Ja, hat er. Andauernd. Aber im Gegensatz zu dir hab ich mich nicht von ihm rumkriegen lassen. Wieso eigentlich nicht? Wo wir doch anscheinend sowas wie eine offene Beziehung haben, Arschloch.“

„Maxi... ich... ich hab das nicht gewollt, aber Claude hat nicht locker gelassen und... “

Oh Mann, das trifft mich echt hart. Ich hatte immer noch die klitzekleine Hoffnung, dass alles doch bloß ein Missverständnis war. Oder dass er lügen würde. Er hat mich tatsächlich betrogen. Scheiße, was mache ich denn jetzt? Erstmal weg hier. Einfach nur raus. Ich kann Gabriel nicht eine Sekunde länger ertragen.


Ich hab die letzten drei Tage ununterbrochen geheult. Das ist ein neuer Rekord. Gabriel hat mich natürlich mit Anrufen bombardiert... bis ich mein Handy ausgestellt hab. Ich bin noch viel zu durcheinander, um mit ihm zu reden. Und um mir seine dämlichen Entschuldigungen anzuhören. Was kann er schon sagen, damit es nicht mehr so weh tut? Dass er mich liebt? Dass ihm die Nummer mit Claude nichts bedeutet hat? Das weiß ich alles. Das macht es nicht besser. Um das mal klarzustellen... ich habe nicht vor, mich von Gabriel zu trennen. Dann hätte Claude wahrscheinlich erreicht, was er erreichen wollte. Der ist mit Sicherheit nicht ohne irgendwelche kranken Hintergedanken mit meinem Freund ins Bett gegangen. Musste wohl mal wieder beweisen, was für ein toller, unwiderstehlicher Hecht er ist, der Arsch. Und Gabriel fällt auch noch darauf herein, verdammte Scheiße. Vielleicht wäre das nicht passiert, wenn ich ihm von Anfang an gesagt hätte, dass Claude mich ständig angemacht hat. Ich weiß nicht. Vielleicht stimmt es. Vielleicht bekommt Gabriel von Claude was er bei mir vermisst. Es war seine Entscheidung, mit Claude zu vögeln. Er hätte sich zurückhalten können. Konnte er bei mir ja schließlich auch jahrelang. Und mir erzählt der Spinner irgendwas von jung und rumprobieren und dass es nicht mehr kicken würde. Ich hab ihn ja wohl nicht bei der erstbesten Gelegenheit betrogen.

Da ich es in meinem Zimmer nicht mehr aushalte, gehe ich zu Anne. Die ist allerdings nicht da. Bloß ihre Mutter... und mein Hundchen. Das kriegt ein paar Streicheleinheiten, dann gehe ich zu Christo. Mich kotzt es an, dass ich in dieser beschissenen WG rumhängen muss, wenn ich meine Freundin sehen will. Heute ganz besonders, denn heute ist sein Zimmer ganz besonders voll mit bekifften Idioten. Ich kann nur hoffen, dass Claude nicht auftaucht, weil ich ihm dann dringend die Fresse einschlagen werde. Anne sitzt übrigens auf der siffigen Matratze und liest ein Buch, während sich Eddie bloß drei Schritte weiter den Arm abbindet.

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wie kann Anne dermaßen abgestumpft sein, dass sie nicht einmal mit der Wimper zuckt, wenn sich jemand neben ihr eine Spritze in die Vene haut?!

Ja, sind denn alle außer mir irre, oder was?

„Sag mal, kriegst du gar nichts mehr mit?“, frage ich und schubse sie an.

„Hey, Maxi... was ist denn los?“

„Sieh dich doch mal um“, zische ich verzweifelt. „Ist der Sex echt so toll?“

„Ich kann dir nicht ganz folgen“, behauptet sie.

„Eddie hat sich grad ’ne Ladung reingeknallt und du hockst daneben und liest ein lustiges Frauenbuch. Findest du das normal?“

„Ist doch nicht meine Sache, was sich irgendwer reinknallt. Und findest du es vielleicht normal, mit einem Typen zu vögeln, der dein Vater sein könnte? Hast du deinen Hund übrigens heute schon besucht? Der jault andauernd, weil er dich vermisst. Ist dir ja wohl scheißegal, oder? Hauptsache, du kannst es mit Gabriel treiben.“

Logisch, kaum sagt man was gegen ihren Freund und seine Kiffer-WG wird Anne total ekelhaft, ungerecht und will einem nur noch eins reinwürgen.

„Okay, ich verschwinde. Komm ja nicht auf die Idee, mich jemals wieder anzurufen, du blöde Schnepfe.“

Wütend stampfe ich die Treppen runter und laufe direkt Claude in die Arme. Na, supi!

„Junger Mann“, grinst er bescheuert und versperrt mir den Weg, „wohin so eilig?“

„Verpiss dich, du Arsch.“

„Was ist denn mit dir los?“

„Du hast meinen Freund gefickt, das ist los. Und jetzt lass mich vorbei, sonst trete ich dir ins Gesicht!“

Claude grinst noch immer so schwachmatisch. „Warum bist du sauer auf mich? Dein Freund hat sich nicht unbedingt gewehrt, weißt du?“

„Soll das vielleicht deine Entschuldigung sein?“, brülle ich fassungslos. „Du hast da oben einen ganzen Stall voll mit Frischfleisch. Schön minderjährig, wie du es gern hast. Wieso Gabriel?“

„Weil er es bitter nötig und ich einfach Bock drauf hatte“, erklärt er schulterzuckend. „Sei doch froh, jetzt weißt du wenigstens, wie wichtig ihm eure kleine kitschige Romanze ist, Schmusekatze.“

Ich werd bekloppt. Er hat ihm gesagt, wie er mich nennt. Wahrscheinlich als er grad Claudes Schwanz im Hintern stecken hatte... ja, gib’s mir, mein kitschiger kleiner Freund ist bloß ’ne blöde Schmusekatze, die’s mir nicht richtig besorgen kann!

„Es tut mir Leid, Maxi“, beginnt er in diesem ruhigen Tonfall, der mir sofort auf den Sack geht, „aber Gabriel ist nicht der unschuldige Engel, für den du ihn hältst. Und ich... na ja, ich kann mich auch nicht immer zurückhalten, wenn ich dermaßen angemacht werde. Ich bin halt schwach geworden. Es ist okay, wenn du mich dafür hasst, aber die ganze Schuld auf mich nehmen werde ich nicht. Ich hab Gabriel schließlich zu nichts gezwungen, es war alles freiwillig.“

„Du klingst wie ’ne Platte, die einen Sprung hat. Echt, ey, dein Gefasel über freiwillig und was weiß ich geht mir so auf den Geist, Claude. Lass mich in Ruhe und bleib in Zukunft weg von mir. Sonst könnte es sein, dass bei deiner nächsten Party, auf der sich vierzehnjährige Jungs ganz freiwillig von alten Kerlen begrapschen lassen, die Bullen vor der Tür stehen.“

Ich kann gar nicht so schnell kucken, wie er mich rabiat gegen die Wand gedonnert hat und mit seinen Händen in Schach hält.

„Du solltest mit solchen Drohungen sehr vorsichtig sein, Schmusekatze“, zischt er. „Versuch nicht, dich mit mir anzulegen.“

„Ich hab keine Angst vor dir“, lüge ich.

„Und warum klopft dann dein Herzchen so schnell?“, lächelt er böse.

Shit!

Langsam lässt er mich los und streichelt meine Wange. „Ich will dir nicht wehtun müssen, Maxi, dazu hab ich dich viel zu gern.“ Danach schlendert er die Treppe rauf und dreht sich noch mal um. „Übrigens... solltest du tatsächlich so unvernünftig sein und zu den Bullen rennen, kannst du davon ausgehen, dass dein Freund die Zelle neben mir bekommt. Schönen Tag noch, Schmusekatze.“

Ich bin einigermaßen fertig mit der Welt und schleiche zittrig mit Puddingbeinen nach Hause. Du meine Güte, wo zum Teufel bin ich da bloß rein geraten?


Weihnachten war der totale Krampf. Christine wollte mit allen Mitteln eine harmonische Atmosphäre erzwingen, was aber leider völlig nach hinten losging. Robert war genervt von der übertriebenen Dekoration und ich war genervt, weil Christine andauernd mit mir Kekse und Knusperhäuser backen wollte. Irgendwann hat dann auch sie eingesehen, dass es blödsinnig ist, so zu tun, als wär alles in Ordnung und... na ja, da ist das Fest der Liebe halt sowas wie ausgefallen. Ich bin jede freie Minute mit Sid unterwegs gewesen, stundenlang mit ihm in der Kälte spazieren gegangen und hab schön aufgepasst, dass ich Anne nicht begegne.

Die hasse ich momentan nämlich noch. Mit Gabriel hab ich an Silvester allerdings kurz gesprochen und ihn sehr höflich gebeten, mich nicht weiter mit seinen Anrufen zu belästigen, weil ich verflucht noch mal Zeit zum Nachdenken brauche. Ich vermisse ihn wie verrückt, aber ich kann ihn einfach noch nicht sehen. Nicht nur, dass er mit Claude geschlafen hat, er ist auch noch in all seine miesen Zuhältereien verstrickt. Oder warum sollte er sonst mit ihm zusammen in den Knast wandern? Wer weiß, möglicherweise testet Gabriel die Jungs auch erstmal an, bevor sie verscherbelt werden. Vielleicht liebt er mich nicht, weil ich Maxi bin, sondern ein Siebzehnjähriger, der aussieht wie fünfzehn. Vielleicht ist er genauso wie Claude. Nee, das ist Blödsinn. Dann hätte er nicht so lange gezögert, was mit mir anzufangen. Wenn er regelmäßig irgendwelche Jungs vögeln würde, hätte er es gar nicht nötig gehabt, überhaupt was mit mir anzufangen. Gabriel liebt mich. Sehr sogar. Wenn ich auch anscheinend nicht besonders viel über ihn weiß, das weiß ich hundertpro! Und Claude kann sich ins Knie ficken mit seinen pseudo-geheimnisvollen Äußerungen und Behauptungen.

„Frohes neues Jahr“, murmelt es plötzlich leise durch den Türspalt. „Darf ich... “

„Komm schon rein“, unterbreche ich Anne.

Zerknirscht setzt sie sich zu mir aufs Bett. „Ich hab mit Christo Schluss gemacht.“

„Willst du getröstet werden?“

„Keine Ahnung.“

„Ich hab mit Gabriel sowas wie Schluss gemacht.“

Anne reißt die Augen auf. „Du? Wieso denn? Du bist seit vier Jahren scharf auf ihn und... ey, ich raff das nicht.“

Also erzähle ich ihr, was passiert ist. Allerdings lasse ich Claudes Partys weg und verschweige, dass mein Freund vermutlich kriminell ist. Eigentlich sage ich nur, dass Gabriel mich betrogen hat... mit Claude.

„Das ist ja ekelhaft“, stellt Anne fest. „Dem Claude traut man ja alles zu, aber Gabriel... was willst’n jetzt machen?“

„Ich könnte Robert fragen, ob ich meinen Hund wiederhaben darf, jetzt, wo mit Gabriel nichts mehr läuft. Was ist denn mit Christo?“

Ihr Gesicht verfinstert sich. „Ich möchte dir von meinem Silvester erzählen, ja? Also, ich bin abends zu diesem Stück Scheiße und... da war die ganze Bude voll mit Idiotenköppen. Irgendwann war das Bier alle und irgendeiner kam auf die grandiose Idee, Nachschub zu besorgen. Mein Freund, normalerweise ein fauler Sack, war sofort Feuer und Flamme, stiefelte los und zwar mit einer Schickse, die schon ewig scharf auf ihn ist. Er war um zwölf mit der Tussi an ’ner Tanke und ich konnte Äitsch-Eddie ein frohes neues Jahr wünschen. Als Christo zurückkam hatte er einen Knutschfleck am Hals, die Schickse grinste mich permanent blöde an und zur Krönung hat Christo sich dermaßen abgeschossen, dass er sich bekotzte. Da fand ich dann, dass ich so einen Freund nicht unbedingt brauche und hab mit ihm Schluss gemacht. Ich glaube allerdings, er hat das noch gar nicht mitgekriegt. Oder er hat’s vergessen, was weiß ich. Das Gute für mich ist, dass es mir nicht so schlecht geht wie dir. Ich meine, ich war verknallt in Christo und hab gerne mit ihm geschlafen, aber mehr war da nicht. Nicht sowas, wie zwischen dir und Gabriel. Tut’s ihm wenigstens Leid?“

„Wahrscheinlich,“ seufze ich, „das macht’s aber nicht besser.“

„Claude...,“ schnauft sie, „ist das ein Arsch. Geht mit deinem Freund ins Bett, weil er bei dir nicht landen konnte, oder was? Wir sollten echt den Bullen Bescheid sagen... wegen der ganzen Jungs.“

„Dann ist aber auch dein Ex dran, weil rauskommen wird, dass er Drogen vertickt. Und alles nur, weil Gabriel mich betrogen hat. Lass mal, ich hab keinen Bock, Christo ans Messer zu liefern.“ Und meinen Freund schon mal gar nicht!

„Ich eigentlich auch nicht“, gibt sie zu. „Auch wenn er ein Stück Scheiße ist.“


Mit quabbeligen Beinen stehe ich vor der Tür und drücke zittrig die Klingel.

„Ja, bitte?“, säuselt’s aus der Sprechanlage.

„Maxi. Kann ich rauf kommen?“

„Sicher“, ist die Antwort, die sich kein bisschen überrascht anhört, was mir spontan ekelhaft ist. Ich hab das Gefühl, dass es keine gute Idee ist und ich weiß nicht einmal, warum ich überhaupt hier bin. Was immer Claude gegen Gabriel in der Hand hat (und ich gehe mal davon aus, dass es was gibt), er wird die Beweise nicht offen auf dem Tisch liegen haben und mir davon erzählen schon gar nicht. Es ist also totale Zeitverschwendung, aber irgendwas muss ich tun, sonst werde ich verrückt. Natürlich wäre es bestimmt einfacher, mit Gabriel zu sprechen, allerdings bin ich so wütend, dass ich ihm vermutlich sofort an die Gurgel springen würde. Und danach würde ich sofort schwach werden und ihn küssen. Ich will aber nicht schwach werden. Noch nicht! Sonst kommt er möglicherweise auf den Gedanken, dass er immer wieder fremdgehen kann, oder sowas. In Wahrheit hab ich ihm längst verziehen, weil ich genau weiß, dass er mich liebt. Sauer bin ich, weil er sich nicht zurückhalten konnte.

Und weil Claude triumphiert.

Der Fahrstuhl ist oben, Claude sitzt scheiß-lässig auf seiner unbequemen Designercouch und schwenkt den Whisky im Glas.

„Hey“, lächelt er.

„Hallo“, murmle ich.

„Wie nett, dass du mich besuchst, Schmusekatze. Was gibt’s denn?“

„Weiß nicht.“

„Aha. Na, dann setz dich doch einfach und wir finden’s raus. Etwas zu trinken?“

„Nein, danke.“

Claude nippt an seinem Gesöff. „Ehrlich gesagt hätte ich vorerst nicht mit dir gerechnet. Unser letztes Gespräch verlief ja nicht unbedingt... freundlich.“

„Ich hab eingesehen, dass zum Fremdgehen zwei gehören. Gabriel hätte durchaus nein sagen können.“

„Ich hoffe, du bist nicht hier, um dich zu rächen. Sowas ist überhaupt nicht mein Ding. Wenn ich dich ficke, dann nur, weil wir beide scharf drauf sind und nicht, weil du es irgendwem heimzahlen willst.“

„Keine Angst, so blöd bin ich nicht.“

„Das beruhigt mich einigermaßen, Schmusekatze.“

„Würde es dir was ausmachen, mich nicht andauernd so zu nennen?“, bitte ich so ruhig, wie es mir grad möglich ist.

„Du möchtest wohl gerne wissen, was Gabriel über dich erzählt hat. Oder... was es für ein Gefühl ist, ihn zu ficken.“

„Ich weiß, was es für ein Gefühl ist, von Gabriel geliebt zu werden. Etwas, das du niemals erleben wirst.“

Er nimmt den letzten Schluck aus seinem Glas und lacht schnaufend. „Das ist echt süß. Du vergisst nur eine Kleinigkeit: es ist mir egal, ob Gabriel mich liebt oder nicht. Mal ehrlich, ich bin mir der Tatsache sehr bewusst, dass er es nicht tut. Und jetzt... hast du dein ganzes Pulver verschossen, kleiner Romantiker?“

Na toll. Hab ich nicht eben noch gesagt, dass ich nicht blöd bin?! Verdammt noch mal, man muss diesen Pisser doch mit irgendwas treffen können. Na ja, eine Sache gäb’s da wahrscheinlich. Ich glaube, wenn jemand sein Lieblingsspielzeug vor ihm hatte... DAS würde Claude echt was ausmachen. Aber Luca in diese Sache mit reinzuziehen, dafür bin ich nicht abgewichst genug. Außerdem hätte es sicher nicht den gewünschten Effekt, wenn ich derjenige wäre. Das müsste schon einer der alten Säcke sein. Da wüsste ich erstens nicht, wie ich das hinkriegen sollte, und zweitens... sowas mache ich auf gar keinen Fall. Bin ja schließlich kein skrupelloser Bastard wie Claude.

„Möchtest du sonst noch irgendwas?“, fragt er. „Ich hab nämlich noch zu tun.“

„Wann ist’n deine nächste Party?“

„Warum interessiert dich das? Dir hat die letzte doch schon nicht gefallen.“

„Vielleicht ändere ich meine Meinung.“

„Du weißt, dass Gabriel dran ist, wenn du mich verpfeifst.“

„Vielleicht ist mir das scheißegal“, entgegne ich. „Du hast mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nichts dergleichen unternehmen sollte. Ich hab immer noch einen blauen Fleck am Rücken.“

„Nächsten Samstag. Aber sei vorsichtig. Einige Herren brennen darauf, dich kennen zu lernen und nur ansehen ist nicht gut fürs Geschäft.“

Ist mir doch kackegal, worauf die Herren brennen. Aber möglicherweise ist Claude gesprächiger, wenn er auf Koks ist, da hält er sich nämlich für den absolut Größten. Also... noch mehr als sonst. Und wenn nicht, ist er hoffentlich so beschäftigt, dass ich ein bisschen unauffällig rumschnüffeln kann.


Obwohl ich das alles bereits kenne schockt es mich doch wieder. Welcher normale Siebzehnjährige treibt sich schon auf solchen Partys herum?! Diesmal ist es sogar noch eine Ecke schlimmer. Heute bemerke ich, dass mich einige Kerle echt gierig anstarren. Kein Wunder, wenn Claude mir vorher so einen Kack erzählt. Die Schummermusik im Hintergrund gibt mir fast den Rest. Läuft vielleicht auch irgendwo noch’n Porno?

„Schön, dich zu sehen, Schmusekatze“, lächelt Claude, der sich unbemerkt angeschlichen hat. „Entschuldige... du magst es ja nicht, wenn ich dich so nenne. Wie auch immer, warum machst du dich nicht ein bisschen locker?“

„Ich fühl mich locker genug.“

„Ich meinte auch eher, dass du dich freimachen sollst. Ausziehen... obenrum, du verstehst?“

„Eigentlich nicht.“

Er legt seinen Arm um meine Schulter. „Sieh mal, meine Gäste bezahlen dafür, dass sie was zu sehen kriegen und du bist schließlich hergekommen, obwohl ich dich gewarnt hatte.“

„Also entweder ich zieh mich aus oder ich kann mich verpissen?“

„Jeder gute Club hat heutzutage einen Dresscode“, erklärt er schulterzuckend.

Umständlich ziehe ich mein Shirt aus und starre ihn finster an.

„Braver Junge“, wispert Claude und streicht mit dem Zeigefinger über meine Brust. „Amüsier dich.“

Das tun neben mir bereits zwei Jungs mit halb runtergelassenen Hosen, während ein Kerl hechelnd zuschaut. Ich glaube, das hier ist die blödeste Idee, die ich jemals hatte. Ich hab gar nichts dagegen, wenn in meiner Gegenwart geknutscht wird und so, aber die zwei treiben es gleich und das geht mir doch zu weit. Als einer dann auch noch beginnt, an mir rumzufriemeln, suche ich mir lieber einen anderen Platz. Das ist nicht einfach, denn irgendwie wird überall rumgemacht. Scheiße, das ist keine Party, sondern eine verdammte Orgie! Beim letzten Mal sind die wenigstens noch zum Ficken in ein anderes Zimmer gegangen.

„Möchtest du etwas mit mir trinken?“, fragt ein George-Clooney-Verschnitt, der überhaupt nicht aussieht, als hätte er es nötig, Jungs zu kaufen.

Normalerweise würde ich ihm sagen, dass er mich kreuzweise kann, aber Claude schaut zu uns rüber.

„Gerne“, lächle ich horrorartig.

George dagegen lächelt glücklich und reicht mir ein Glas Jack Daniel’s. Ich hasse so hartes Zeug, kippe es allerdings tapfer runter.

„Du bist wirklich hübsch“, behauptet er.

„Danke. Du auch.“

„Und süß“, lacht er. „Also... hast du Lust auf eine Party zu zweit? Nur du und ich?“

„Wie bitte?“

„Na ja, dieses öffentliche Rumgemache ist nicht so meins. Ich hab’s ganz gerne etwas... privater.“

Irgendwas stimmt mit meinen Ohren nicht. Ich höre George wie durch Watte. Und wo wir schon dabei sind... mir ist ein kleines bisschen komisch. Liegt bestimmt an der miefigen Luft hier drin.

„Äh... ähem, kannst du mir mal ’ne Cola besorgen?“ Cola ist nämlich gut bei einen schwachen Kreislauf.

„Bin gleich wieder da“, verspricht George.

Mit seltsam quabbeligen Beinen stakse ich durch den Raum und weiß nicht wirklich, wohin ich gehe. Oder warum. Mir ist offensichtlich zum Kotzen schlecht. Hätte den verdammten Whisky nicht auf nüchternem Magen trinken sollen. Mh, ich muss mich hinsetzen, vor meinen Augen tanzen bereits kleine Punkte. Ich glaube, George ist wieder da und tätschelt an mir rum. Könnte aber auch jeder andere Kerl sein. Stehe grad total neben mir. In meinem Kopf schwirrt und schwummert es. Hinlegen, für einen kleinen Moment, das ist gut. Aber dann hämmert auf einmal „Happiness“ aus den Boxen. Das ist geil, ich muss dazu immer tanzen, obwohl ich bekanntlich Electro nicht besonders mag. Ich greife mir also den nächstbesten Typen und hopse mit ihm durch die Gegend. Das strengt zwar unglaublich an, aber ich kann nicht aufhören. Der Typ sieht wahrscheinlich ganz schnucklig aus, denn ich grapsche an ihm rum... bis mich jemand von ihm wegzieht.

„Jetzt gehörst du mir“, grinst Claude und lässt aufreizend seine Hände über meinen verschwitzten Oberkörper gleiten.

„Du gehörst mir“, stelle ich richtig und küsse ihn aggressiv.

Wir stolpern ins Schlafzimmer und landen auf seinem Bett. Claudes Hand macht sich an meiner Hose zu schaffen.

„Schmusekatze“, flüstert es an meinem Ohr.

Gabriel

„Hier stinkt’s wie in einem Pumakäfig“, faucht Fabi und reißt alle Fenster auf. „Wie lange hast du nicht mehr gelüftet, verdammte Scheiße? Deine Wohnung sieht aus als hätte eine Bombe eingeschlagen, von deiner Person ganz zu schweigen.“

„Geh weg“, murmle ich schwächlich und rolle mich auf der Couch zusammen.

„Von wegen.“ Unbarmherzig entreißt sie mir die Kuscheldecke.

„Steh jetzt endlich auf, Gabriel, ich warne dich!“

Mühsam rapple ich mich hoch und kratze mich unmotiviert am Schädel.

„Du trägst einen Pyjama“, stellt sie betroffen fest. „Du trägst niemals Pyjamas. Was zur Hölle ist los mir dir?“

„Ich hab Liebeskummer und will leiden“, brülle ich.

„Aha.“

„Maxi hat Schluss gemacht.“

Sie setzt sich neben mich. „Also immer noch der Kleine, mh?“

„Was dagegen?“, zische ich.

„Schon, aber das interessiert dich ja eh nicht. Was ist denn passiert? Hat er einen Gleichaltrigen gefunden?“

„Nein, Arschloch. Ich hab mit Claude geschlafen und Maxi hat’s rausgekriegt.“

„Dann ist es deine eigene Schuld.“

Wenn ich grad einen Hammer zur Hand hätte, würde ich Fabi damit erschlagen. Ganz sicher!

„Sag mir doch einfach etwas, das ich noch nicht weiß.“

„Claude... dieser Penner. Ich hab dir immer gesagt...“

„Fabi“, unterbreche ich sie warnend.

„Ich verstehe es trotzdem nicht. Deine Freundschaft mit Robert und Christine ist dir egal, meine Meinung ist dir sogar scheißegal... alles nur, weil du nicht von diesem Teenie lassen kannst und dann gehst du fremd? Entschuldige, aber das bestätigt doch bloß wieder die Theorie, dass Männer treulose Arschgeigen sind, die nur mit dem Schwanz denken. Dabei war ich wirklich schon fast geneigt, dir den Schwachsinn von wegen Liebe abzukaufen.“

„Ich liebe Maxi und du hast nicht die geringste Ahnung, worum es geht.“

Sie zuckt die Schultern. „Na, worum denn? Du konntest deine Triebe nicht unter Kontrolle halten und musst deshalb jetzt einen Pyjama tragen. Zieh dir was an, du siehst albern in dem Teil aus.“

Ich sag’s ja... sie hat keine Ahnung, was wirklich abgeht. Natürlich hab ich mit Claude geschlafen. Aber doch nur, weil ich Maxi liebe. Das macht eigentlich gar keinen Sinn... wenn man die ganzen Umstände nicht kennt. Und wenn man sie kennt... ergibt es vermutlich noch weniger Sinn. Ich weiß nicht. Ich wollte doch einfach nur weg von Claude, da schien mir ein letztes Mal Sex mit ihm zu haben die perfekte Lösung. Immerhin hat er versprochen, mich danach in Ruhe zu lassen. Ich weiß leider nicht, was für ein beschissenes Spiel er in Wirklichkeit treibt. Nehmen wir mal an, Maxi hat ihm von mir erzählt... dann wusste Claude, dass wir zusammen sind, als er mich quasi zum Sex genötigt hat. Ja, das ist doch ekelhaft! Gott, und ich Blödian erzähle ihm auch noch völlig bescheuert, dass Maxi meine kleine Schmusekatze ist und ich noch niemals so verliebt war. Ich schätze, Claude hat sich innerlich den Arsch abgelacht. Die gute Nachricht ist, dass ich nach dem letzten Auftrag aus seinen Geschäften raus bin. Die schlechte ist... der Grund, weswegen ich überhaupt auf das leicht verdiente Geld verzichten will, hat sich von mir getrennt. Na ja, so gut wie. Das Leben ist doch manchmal eine echte Lachnummer!

Mit einer Sache hatte Fabi Recht. Ich hätte mich niemals auf Claude einlassen dürfen. Ich meine, am Anfang wusste ich vielleicht noch nicht, was für eine fiese Bazille der Kerl ist, aber ich bin doch schnell dahintergestiegen. Ich dachte, ich kenne ihn. Hab mir eingebildet, dass ich ihn ganz genau einschätzen kann. Wie hätte ich denn ahnen sollen, dass plötzlich ich derjenige bin, mit dem er seine Spielchen treibt? Und alles nur, weil Maxi ihn hat abblitzen lassen?! Eigentlich logisch. Zu Claude sagt man halt nicht nein. Es muss dem arroganten Scheißer ungemein quer runtergegangen sein, als er erfahren hat, dass ich einen Siebzehnjährigen ficke, den er nicht haben kann. Ich werde ihm zu gegebener Zeit die Fresse polieren, soviel ist mal sicher. Und mein Geld, das er mir noch schuldet, werde ich mir auch holen. Dann werde ich Maxi alles erzählen und hoffen, dass er mir verzeiht. Er muss einfach.


Leck mich am Arsch! Ich möchte mal wissen, welches irrsinnige Pferd mich getreten hat?! Was kann schon dabei rauskommen, wenn Claude mich zu einem netten Abend einlädt? Eine schwule Bumsparty. Eine Kinderfickerparty. Möglicherweise denkt Claude, bloß weil ich Maxi liebe, würden mich halbnackte Teenageboys anmachen. Tun sie nicht. Hab doch keinen an der Waffel. Ich will nur mein Geld, dann bin ich weg. Erstmal muss ich aber die Annäherungsversuche eines Jungen abwehren, der sich zutraulich an mich schmiegt und einen bemerkenswert glasigen Blick drauf hat.

„Hau ab, Kleiner“, fordere ich ihn freundlich auf und tätschele ihm kurz die heiße Wange. Der Junge trollt sich zum Glück. Mal ehrlich, ich wusste immer, was Claude mit den Jungs auf seinen Partys macht und es war mir vollkommen egal. Was sagt das über mich aus, hä? Ich wäre wahrscheinlich auch einer, der hinterher betroffen ist, wenn ein Kind von seinen Alkoholiker-Eltern zu Tode gefoltert wurde, aber die monatelangen Schreie und so weiter ignoriert hat. Geht einen schließlich nichts an, oder? Von einer Sache zu wissen oder hautnah zu erleben ist schon ein Unterschied. Ich fühle mich grad ziemlich... scheiße. Natürlich machen die Jungs alles freiwillig. Claudes Lieblingsspruch. Leider ist das nur die halbe Wahrheit. Mit der ganzen möchte man lieber nicht konfrontiert werden. Wo steckt überhaupt der Penner? Hat sich wahrscheinlich in sein Arbeitszimmer, sprich ins Schlafgemach, zurückgezogen, um anzutesten, wen er bis jetzt noch nicht hatte. Vor der Schlafzimmertür lungert Claudes Spießgeselle, der für ihn immer die Drecksarbeiten erledigt. Geldeintreiben, Leute vermöbeln und so weiter. Traut man dem Typen gar nicht zu. Der sieht nämlich total harmlos und freundlich aus, noch dazu wie George Clooney. Wenn ich nicht genau wüsste, dass er ein fieser Leute-Bedroher und Schläger ist, könnte der mir jedenfalls glatt gefallen.

„Ich will zu Claude.“

„Der ist beschäftigt.“

„Dann hätte er mich nicht herbestellen sollen“, entgegne ich. „Also lass mich vorbei. Da drin gibt’s sicher nichts, was ich nicht schon mal gesehen hätte.“

Er öffnet die Tür und schiebt mich ins dämmrige Zimmer. Claude ist gerade dabei, seine Hose zuzuknöpfen. Auf dem Bett liegt der arme Junge, mit dem er fertig ist. Claude hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihm die schwarze Jeans auszuziehen, sie hängt in den Kniekehlen und jeder, der reinkommt, kann seinen nackten Arsch begutachten. Scheint ihm nichts auszumachen, denn er rührt sich kein bisschen.

„Sorry, wollte dein Schäferstündchen nicht unterbrechen“, lüge ich.

Claude zuckt die Schultern und steckt sich eine Zigarette an. „Wir sind fertig. Du kannst ihn mitnehmen, wenn du willst.“

Im ersten Moment hab ich keine Ahnung, was er meint. Das ändert sich, als ich mir den Jungen aus Versehen etwas genauer anschaue. Mir wird heiß und kalt und schlecht. Ich hab das Gefühl, in Ohnmacht zu fallen, nachdem ich mich bekotzt habe. Hastig stürze ich aufs Bett zu, drehe meine bewusstlose Schmusekatze um, decke sie zu und schlage ihr leicht mit der Hand ins Gesicht.

„Was hast du mit ihm gemacht, du Schwein?“, brülle ich panisch und suche nach einem Puls.

„Wonach sieht’s denn aus?“, antwortet Claude gelassen.

Maxis Zustand kann nicht lebensbedrohlich sein, sonst würde der Wichser nicht so ruhig bleiben. Trotzdem. Ich bin kurz vorm Nervenzusammenbruch.

„Wach auf, Maxi... komm schon“, murmle ich immer wieder und streichele seine Wange.

Seine Lider flattern, seine Lippen bewegen sich leicht und Gott sei Dank schlägt er träge die Augen auf.

„Ga... briel... “

„Alles okay, ich bring dich nach Hause. Kannst du aufstehen?“

„Mein Kopf... was... was ist denn... “, wispert er matt und sinkt ins Kissen zurück.

„Ich lasse euch zwei Turteltäubchen dann alleine. Hab ja schließlich noch andere Gäste“, faselt Claude, was das Fass zum Überlaufen bringt.

Blitzschnell hab ich ihn gepackt, als er raus gehen will, gegen die Wand gedrückt und meine Hand an seiner Kehle.

„Was hast du mit ihm gemacht, Claude? Ich werde das nicht noch mal fragen.“

„Nichts, was er nicht auch gewollt hätte“, zischt er und versucht, sich aus meinem Griff zu befreien. „Deine Schmusekatze hat mich doch angebettelt, sie zu fi... “, weiter kommt er nicht, weil meine Faust in seiner verdammten Visage landet.

„Fass ihn noch einmal an und ich bringe dich um!“

Claude taumelt leicht, schnieft und wischt sich Blut von der Nase. „Ich wusste gar nicht, dass du einen so ausgeprägten Beschützerinstinkt hast. Nein, wie niedlich, bin echt beeindruckt.“

Ich kümmere mich nicht um das miese Stück Dreck, sondern um Maxi. Er schafft es mit meiner Hilfe aufzustehen und sich anzuziehen. Eigentlich würde ich ihn ins Krankenhaus bringen, aber als wir draußen sind, geht es ihm schon besser, also nehme ihn mit zu mir. Verfrachte ihn ins Bett, flöße ihm Wasser ein und halte ihn die ganze Nacht in meinen Armen.

Am nächsten Morgen bin ich müde wie Hulle und brauche erstmal einen starken Kaffee. Hab die letzte Nacht kein Auge zugemacht. Musste immer nachschauen, ob Maxi noch atmet und/oder ob sich sein Zustand verschlimmert. Der Kleine hat gepennt wie ein Stein, ein bisschen gezittert und irgendwann ist er ins Bad, um sich zu übergeben. Das war’s... jedenfalls was das Körperliche anbelangt. Es ist nämlich leider so, dass Maxi sich an nichts erinnern kann. Also, er weiß schon, dass er auf der Party getanzt und mit Claude geknutscht hat. Aber was danach kam... ich will mir das gar nicht vorstellen. Welche verdammte Droge die ihm eingetrichtert haben auch nicht. Schade, dass ich bei Claude nicht noch sehr viel fester zugeschlagen habe.

„Hey, Schmusekatze... wie geht’s dir?“, frage ich als Maxi in die Küche geschlurft kommt.

Er setzt sich und nippt finster an seinem Kakao.

„Ich hab keine verdammte Ahnung, ob Claude mich gefickt hat… und wer vielleicht noch alles. Was glaubst du, wie’s mir geht?“

„Hab ich dich nicht gebeten, vorsichtig zu sein? Was hattest du überhaupt auf dieser scheiß Party zu suchen?“

„Sehr einfühlsam, Gabriella, vielen Dank.“

Wirklich, Gabriel... alle Achtung! „Ich... ich kann mir nicht vorstellen, dass... ich meine... du müsstest doch irgendwas... hast du Schmerzen, oder so?“

Maxi lächelt horrorartig. „Vielleicht war er ja vorsichtig.“

Verdammt, ich würd ihm so gerne helfen, aber mir fällt leider grad nichts ein.

„Ich gehe nach Hause“, erklärt er plötzlich.

„Bist du sicher? Du kannst auch noch bleiben.“

Er steht auf und lehnt sich müde gegen den Türrahmen. „Wozu, Gabriel?“

„Warte... was meinst du damit?“

„Du bist doch an allem Schuld“, keift er. „Du willst wissen, wieso ich bei ihm war? Um herauszufinden, was er gegen dich in der Hand hat, was du für Geschäfte mit ihm machst. Deinetwegen ist das alles passiert. Sag’s mir Gabriel... bist du an seinen Zuhältereien beteiligt?“

Der steht wohl immer noch unter Drogen. „Nein. Bist du irre? Ich meine, ich wusste von seinen Partys, aber denkst du echt, ich würde da mitmischen?“

„Was sonst?“

Tja, jetzt ist wohl der Zeitpunkt gekommen, ihm alles zu sagen. Oder jedenfalls das Meiste.

„Okay, pass auf... Claude hat jede Menge Schweinereien auf Lager. Erpressung, Geldwäsche, illegales Glücksspiel, Prostitution, Drogen verticken. Lauter unschöne Sachen, für die man ihn mehrere Jahre verknacken könnte, und... na ja, ich kenne jemanden bei der Polizei, der mir hin und wieder ein paar Tips gegeben hat, verstehst du? Wenn irgendwelche Aktionen anstanden oder man ihm auf die Schliche zu kommen drohte. Claude ist zwar verrückt, aber nicht so, dass er den Bullen irgendwas davon erzählt, denn dann kämen seine ganzen fiesen Machenschaften raus.“

„Ich kenne dich überhaupt nicht, Gabriel“, schüttelt er traurig den Kopf.

„Du weißt, dass ich dich liebe.“

„Ich weiß überhaupt nichts mehr... das ist ja mein Problem. Und wo wir schon mal dabei sind... wieso warst du auf der Party?“

Na, super! Wenn ich ihm jetzt sage, dass es bloß um Geld ging, haut er mir sicher eine rein. Da ist’s dann auch egal, dass Claude das alles eingefädelt hat, weil er ein kranker Bastard ist.

„Vergiss es. Interessiert mich nicht mehr. Ich will nur noch nach Hause und dich und den ganzen Dreck vergessen.“

„Also... war’s das jetzt mit uns?“, frage ich und muss mich wahnsinnig zusammenreißen, um nicht loszuheulen.

„Sieht ganz so aus“, antwortet er kalt und geht.

Maxi

In meinem Kopf herrscht ein totales Durcheinander. So sehr ich auch versuche, mich an den verdammten Abend zu erinnern... ab einem gewissen Punkt wird es duster. Filmriss vom Allerfeinsten. Und mein Exfreund dealt mit Polizei-Informationen. Sollte mich das in irgendeiner Form beruhigen? Wie lange kriegt man wohl für... das ist doch Bestechung, oder? Das ist mit Sicherheit strafbar. Warum zum Arsch hat sich Claude die Informationen nicht selber besorgt? Na ja, ich schätze, wenn Gabriel schon einen Bullen kennt, der bereit ist auszupacken, hat er halt seine Chance auf ein bisschen Kohle ergriffen. Ist ja sehr viel angenehmer, als jeden Tag acht Stunden arbeiten zu gehen. Im Moment ist mir das alles sehr egal. Das Gefühl, dass jemand was mit mir gemacht hat, und ich nicht weiß, was... das ist wirklich übel. Möchte mal wissen, was die mir für Drogen eingeflößt haben. Viellecht hab ich mich ficken lassen und fand das ganz toll. Oder ich hab’s nicht mitgekriegt. Vielleicht hat Claude noch andere Kerle über mich drüber gelassen. Der Gedanke ist dermaßen ekelhaft, dass ich schon fast einen Waschzwang entwickelt habe. Ehrlich, ich schrubbe mir die Haut kaputt und trotzdem wird’s nicht besser. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Gabriel mich nicht da rausgeholt hätte. Ich glaube, er hat Claude ins Gesicht geschlagen. Bin mir allerdings nicht hundertprozentig sicher, weil ich noch ziemlich beduselt war. Das Allerschlimmste an dem ganzen Scheiß ist, dass ich so naiv war zu glauben, ich könne Claude irgendwie einschätzen. Ich hätte ihm alles zugetraut, aber so eine Nummer eben nicht. Niemals. Ich hab gedacht, er würde mich nicht einfach bloß als einen von seinen Jungs sehen, sondern... keine Ahnung, als eine Art Freund. Offensichtlich ein schwerer Fehler. Genauso ein Fehler war es, Gabriel die Schuld zu geben. Ich war einfach zu blöde und hab den Denkzettel dafür gekriegt.

Gestern kam Robert dann noch an, um mit mir zu sprechen... ohne Vorwürfe, ohne Ausraster und in aller Ruhe. Es endete damit, dass er sich bei Gabriel für sein Kinderficker-Gefasel entschuldigen wollte. Mit der Beziehung einverstanden ist er immer noch nicht, weil ich halt viel zu jung bin, Gabriel zu alt für mich... blablabla... aber er wird sich nicht mehr einmischen. Er hat eingesehen, dass ich seinen Schutz nicht will und jetzt soll ich meine Fehler eben machen. So nach dem Motto: wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du auf dem Arsch gelandet bist... und das wirst du ganz sicher! Möglicherweise denkt er auch bloß, dass der Reiz weg ist, wenn er mir Gabriel nicht mehr verbietet. Eltern haben anscheinend manchmal so komische Einfälle. Aber das hat bei mir schon nicht geklappt, als Robert und Christine rausgefunden haben, dass ich rauche. Na ja, wenigstens darf mein Hundchen wieder hier einziehen. Geil, oder? Jetzt, wo ich mich quasi von Gabriel getrennt habe, macht Robert keinen Stress mehr. Ich könnte kotzen!

Als ich Sid bei Anne abhole, strahlt sie mich an.

„Was für eine Sonne ist denn bei dir aufgegangen?“, frage ich leicht angewidert.

„Lass uns eine Runde mit dem Hund gehen“, schlägt sie vor.

Wir laufen also durch die nahe gelegenen Felder, werfen Stöckchen, die Sid aber wie immer nicht zurückbringt. Er ist sehr wählerisch, was Spielen und Spielzeug angeht. Eigentlich mag er nur sein Quietschetier und einen total ausgelutschten Tennisball.

„Und... was ist der Grund für dein dämliches Grinsen?“

„Ich hab mit Dusty geschlafen.“

„Anne, das ist wie vom Regen in die Traufe kommen, ist dir schon klar, ja?“

Sie verdreht die Augen. „Mann, ich bin doch nicht mit ihm zusammen, oder so. Aber Rache ist nun mal das Beste, was es gibt. Echt, da geht nix drüber“, trällert sie.

„Ich verstehe nur Bahnhof.“

„Na ja, Christo, das alte Stück Scheiße, war doch ständig auf jeden Typen eifersüchtig. Sogar auf dich, was ja nun wirklich völliger Schwachsinn ist. Und ich hab’s mit dem einzigen Kerl gemacht, an den das Stück Scheiße nicht einmal im Traum gedacht hätte. Oh, du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er uns erwischt hat. Unbezahlbar.“

„Du bist mit einem Typen ins Bett gegangen, nur um dich an deinem Ex zu rächen, der dir doch eigentlich vollkommen egal ist?“

Anne überlegt kurz. „Sagen wir zu fünfzig Prozent. Hat schon auch Spaß gemacht mit Dusty.

Und damit hat sich das Kapitel Kiffer und Kiffer-WG für mich absolut erledigt. Ich werde mir jetzt einen netten, spießigen Jungen suchen, der nicht raucht, nicht trinkt, keine Drogen nimmt und in der Schule immer gute Noten schreibt.“

„Der ist dir doch nach spätestens zwei Tagen zu langweilig“, lache ich.

„Man wird sehen“, zuckt sie die Schultern. „Aber zu dir. Was ist los?“

„Nichts. Was soll denn sein?“

„Dein Vater ist wieder halbwegs bei Verstand und du ziehst eine Fresse, als würde die Welt untergehen. Irgendwas stimmt doch nicht. Ärger mit Gabriel?“

Eigentlich hab ich keine Lust zu reden, aber ich erzähle ihr dann doch alles. Also, fast alles. Gabriels Bestechung lasse ich weg. Die Tatsache, dass Claude ein verdammter Zuhälter ist ebenfalls. Anne ist... geschockt. Wie angewurzelt bleibt sie stehen und umarmt mich, dass ich kaum noch Luft kriege. Dann lässt sie mich los und glotzt mich finster an.

„Maxi, du musst den Scheißkerl anzeigen. Ich meine, das ist doch Vergewaltigung. Das kannst du nicht auf sich beruhen lassen. Der Typ gehört aus dem Verkehr gezogen. Wenn ich eine Waffe hätte, würde ich den eigenhändig abknallen, ohne mit der Wimper zu zucken. Wie... äh... wie geht’s dir denn jetzt?“

„Na ja, ein berauschendes Gefühl ist es nicht gerade. Ehrlich gesagt, weiß ich momentan gar nicht mehr, wo oben und unten ist.“

„Und was sagt Gabriel?“

„Er hat Claude aufs Maul gehauen.“

„Eine gute Tat. Gabriel ist mir sehr sympathisch. Wirst du zur Polizei gehen, Maxi?“

Ich pfeife Sid zurück und lege ihm die Leine an. „Ich ziehe es in Erwägung.“

Anne umarmt mich noch mal und schnieft leicht. „Es tut mir so Leid. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag’s mir, okay?“

„Ich glaube, da kann mir niemand helfen. Wie auch?“

„Vielleicht möchtest du mit zu mir nach Hause kommen und dich einfach nur kaputt heulen.“

„Dadurch werde ich mich auch nicht besser an den Abend erinnern“, schüttele ich den Kopf.

„Dann geh wenigstens zu Gabriel... und heul dich bei ihm aus. Es ist doch nicht gut, wenn du hier den Unbeteiligten spielst.“

„Ja, Mama“, grinse ich.

„Die Mama haut dir gleich in die Fresse“, zischt sie. „Ich mach mir doch bloß Sorgen um dich. Maxi, du kannst nicht immer mit allem allein fertig werden. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt zu demonstrieren, wie erwachsen du bist. Niemand wird dich für kindisch halten, wenn du zeigst, dass es dir schlecht geht... besonders Gabriel nicht.“

„Gabriel kannst du vergessen“, rutscht es mir aus Versehen heraus.

„Wie bitte?“

„Wir haben uns getrennt.“

„Oh mein Gott“, stöhnt sie, „das wird ja langsam zum Running-Gag.“

„Eben“, seufze ich und lasse mich auf einer Bank nieder. „Wir waren öfter getrennt als zusammen. Was sagt das über unsere Beziehung aus, mh? Ich dachte, ich kenne Gabriel, aber ich hab ein paar Seiten an ihm entdeckt, die... na ja, ich hab keine Ahnung, was ich grad fühle.“

„Dann sag ich’s dir: du liebst ihn... seit immer und für immer.“

„Daran hab ich auch nie gezweifelt. Aber manchmal macht Liebe halt doch nicht blind und blöd. Auch wenn ich’s mir im Moment echt wünschen würde.“


Hab mich mal schlau gemacht... für den Fall, dass ich bei der Polizei über Claude auspacken und er Gabriel mit reinziehen würde. Bestechung wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. In minder schweren Fällen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass es Bestechung ist, wenn man einem Polizisten für Informationen Geld bezahlt. Wobei der korrupte Bulle sicher noch mehr am Arsch wäre als Gabriel. Okay, das scheidet also schon aus. Ich will nicht, dass mein Exfreund ins Gefängnis kommt. Ich will auch nicht, dass er mein Exfreund ist. Ich vermisse ihn wie Sau. Natürlich hat mich sein geheimes, kriminelles Leben geschockt, aber die Sehnsucht nach ihm ist wesentlich schlimmer. Deshalb besuche ich ihn, drei Wochen nachdem ich ihm gesagt habe, dass es aus ist.

„Maxi... hey“, lächelt er überrascht.

Wieso um alles in der Welt trägt er einen Pyjama?! Nachmittags um vier?

„Wieso trägst du einen Pyjama?“

„Das fragt Fabi auch andauernd“, murmelt er. „Was soll’n der Kack? Ich kann doch wohl tragen, was ich will, verdammte Scheiße. Hab grad heiße Milch mit Honig gemacht. Auch eine?“

Oh Mann, der ist soooo süß!!

„Bist du krank?“, frage ich amüsiert und setze mich neben ihn auf die Couch.

„Nein“, antwortet er und legt sorgfältig eine Decke über seine Beine.

„Alter Oppafuzzi“, grinse ich.

„Und wenn schon. Weshalb bist du hergekommen?“

„Ich wollte dich fragen, ob du mich noch liebst.“

„Frag doch... “

Ich wurschtele ich mich auf seinen Schoß und schlinge meine Arme um ihn. „Liebst du mich noch?“

„... nicht so blöde Sachen“, flüstert er und küsst mich.

Leider bleibt es nicht beim Küssen, was mir normalerweise sehr Recht wäre, allerdings...

„Ich kann das nicht“, erkläre ich und nehme seine Hand aus meiner Hose. „Ich möchte... aber... es geht nicht.“ Allein bei dem Gedanken an Sex wird mir übel.

„Ist okay“, antwortet er und hält mich fest.

„Du, Gabriella“, beginne ich nach einer Weile, „was ist, wenn wir nie wieder... ich meine... “

„Lass dir Zeit, Schmusekatze“, unterbricht er mich. „Ich kann warten... egal, wie lange es dauert.“

Das ist ja wirklich nett von ihm, aber mir geht es auf den Geist. Also, nicht dass er mir Zeit lässt, sondern dass Claude dafür gesorgt hat, dass ich nicht mit meinem Freund schlafen kann.

„Dein Vater hat mich angerufen.“

„Wow... das ging ja schnell.“

„Ich nehme an, er hat mit dir gesprochen?“

Ich nicke.

„Dann weißt du ja, dass er sich zwar entschuldigt hat, ansonsten aber nichts mehr mit mir zu tun haben will. Nebenbei, so ganz sollten wir ihm seine Wandlung nicht glauben.“

„Hä?“

„Na ja, er war nicht unbedingt so deutlich, aber eigentlich hat er mich schon so’n bisschen vor die Wahl gestellt. Er kann nicht mit mir befreundet sein, wenn ich dich weiterhin ficke.“

„Dann ist doch alles prima“, entgegne ich finster, „denn momentan fickst du mich ja nicht.“

Seine Hand wuselt durch meine Haare. „Mach dir keinen Stress, Maxi. Mir reicht es, dass du bei mir bist.“

Fragt sich nur, wie lange ihm das reicht.

„Übrigens... ich werde zur Polizei gehen.“

„Was?“, kreische ich geschockt.

„Irgendjemand muss diesem Kerl das Handwerk legen.“

„Der haut dich doch mit in die Pfanne.“

„Und wenn schon. Claude ist zu weit gegangen. Und zwar in dem Augenblick, als er dich angefasst hat. Denkst du wirklich, ich würde ihn dafür mit einer blutigen Nase davon kommen lassen?“

„Ich hab aber keine Lust, dich im Knast zu besuchen, Gabriella.“

„Claude hat so viele kriminelle Sachen am Laufen... da bin ich doch uninteressant. Außerdem wirkt sich die Tatsache, dass ich den Bullen einen Typen, der minderjährige Jungs zur Prostitution anhält, quasi auf dem Silberteller präsentiere, sicher positiv aus. Ich hatte mal was mit einem Anwalt, den werde ich vorher kontaktieren. Damit ich nicht total unwissend zu den Bullen stolpere. Wie auch immer... Claude ist fällig.“

Keine Ahnung, ob das tatsächlich alles so easy für Gabriel ablaufen wird.


Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen verdammten Fahrstuhl jemals wieder betreten würde. Claude sicher auch nicht, denn er klang durch die Sprechanlage ziemlich erstaunt. Mir ist übel bis zur Halskrause, aber ich muss das tun, weil mich diese Ungewissheit langsam auffrisst.

„N’abend, Maximilian“, säuselt Claude.

„Hallo“, begrüße ich ihn knapp. Schließlich ist das hier kein Freundschaftsbesuch.

„Was verschafft mir die Ehre?“

„Gabriel will zur Polizei.“

„Hat er endlich eingesehen, dass es der Zeitungsjob nicht bringt? Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass... “

„Hör mit dem Scheiß auf“, unterbreche ich sein blödes Gelaber. „Du bist am Arsch, wenn er erzählt, was du treibst. Besonders wenn ich einige Sachen bestätigen kann.“

„Der blufft doch. Wenn er das tun würde, wäre er genauso dran.“

„Ach ja? Komischerweise ist ihm das ganz egal... Hauptsache, du bist aus dem Verkehr gezogen. Er war sogar schon bei einem Anwalt.“

Claudes selbstsicherer Blick bleibt unverändert. „Und du kommst her, um mich zu warnen. Warum?“

„Ich will wissen, was auf der Party passiert ist.“

„Würdest du mir denn glauben? Ich könnte dir doch alles Mögliche erzählen.“

„Die Wahrheit würde mir reichen.“

Claude mixt einen Drink, nimmt einen Schluck und setzt sich auf die Couch. „Könnte aber ziemlich unangenehm für dich ausgehen. Soll ich nicht doch lieber lügen, damit du dich besser fühlen kannst?“

„Ich hab gewusst, dass es ein Fehler war“, zische ich und will schon gehen.

„Nicht so schnell, Schmusekatze“, sagt er ruhig und kommt langsam auf mich zu. Seine Finger steicheln meine Wange. „Erinnerst du dich noch dran, was ich dir gesagt habe? Dass ich dich nur ficken würde, wenn wir beide scharf drauf sind? Du warst völlig weggetreten, Maxi, und sowas hab ich nicht nötig, okay?“

„Aber... wieso das alles?“

„Ich überlasse es dir, eine Antwort darauf zu finden. Du weißt, was du wissen wolltest, also verschwinde.“

Der Typ ist echt geisteskrank, trotzdem glaube ich ihm. Was hab ich auch für eine andere Wahl?!

Gabriel

Wunderbar! Gute Jobs liegen irgendwie nicht grad auf der Straße. Jetzt, wo Claudes Kohle wegfällt, muss ich mir wohl was Neues suchen. Was Legales. Das, was ich für die blöden Artikel kriege, reicht ja hinten und vorne nicht. Mit Claude bin ich allerdings noch lange nicht fertig. Er hat den falschen Jungen angefasst und dafür wird er bezahlen. Was mit mir danach geschieht... keine Ahnung, ist mir momentan auch herzlich egal. Claude hat so viel Dreck am Stecken, dass es für mich hoffentlich einigermaßen glimpflich abläuft. Hä? Wieso klingelt es denn? Maxi hat doch einen Schlüssel. Als ich die Tür öffne, bin ich in Mordlaune.

„Gabriel, mein Freund!“

„Was zum Arsch willst du hier?“, frage ich fassungslos. Der Kerl hat echt Nerven!

„Halt deine Fäuste im Zaum, ich will nur mit dir reden.“

„Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten.“

„Komisch... dabei redest du neuerdings doch so gerne.“

Hat der einen an der Waffel? Oder wieder zu viel gekokst?

„Du solltest dir das mit den Bullen noch mal überlegen.“

Wieso weiß der Penner davon? Das kann er nur von Maxi haben. Ich geh kaputt.

„Hast wohl Angst, dass es dir an den Kragen geht.“

„Eigentlich nicht“, schüttelt er den Kopf, „eigentlich mache ich mir viel mehr Sorgen um dich.“

„Brauchst du nicht, Claude. Ich hab mich längst mit einem Anwalt beraten. Ich hab nicht wirklich was zu befürchten“, phantasiere ich mir zusammen.

„Du lügst doch“, lächelt er. „Du kannst nicht lügen, konntest du noch nie.“

„Glaubst du wirklich, dass ein paar Polizei-Informationen schlimmer bestraft werden, als kleine Jungs zu verkaufen, pädophile Kerle zu erpressen... “

„Wir beide wissen ganz genau, dass es ein bisschen mehr war, als Polizei-Informationen, Gabriel“, unterbricht er mich. „Aber egal. Ich hab kein Interesse daran, dir irgendwelche Schwierigkeiten zu machen. Ein Vorschlag: du vergisst die Bullen und ich verschwinde aus deinem Leben. So eine richtig schöne ich-scheiß-dich-nicht-an-du-scheißt-mich-nicht-an-Vereinbarung“, imitiert er George Clooney.

„Dann fang doch am besten gleich damit an und verschwinde.“

„Freundlich wie eh und je. Du bietest mir wohl nicht noch einen Kaffee an, bevor ich gehe, nein? Okay, vergiss es.“

„Was ist mit Maxi?“

„Was soll mit ihm sein?“

Ich starre ihn genervt an.

„Okay, er war bei mir. Was weiter?“

„Und?“

„Ich hab ihm gesagt, was er hören wollte“, zwinkert er und geht.

Dass man von dem Arschgesicht keine vernünftige Antwort erwarten kann, war ja irgendwie klar. Dennoch glaube ich nicht, dass er Maxi tatsächlich gegen seinen Willen angerührt hat. Das passt irgendwie nicht. Dass er die ganze Sache inszeniert hat, alles so aussehen lassen wollte... das passt. Ich weiß nicht wieso. Bei Claude geht im Hirn einiges drunter und drüber. Da steigt ein normaler Mensch kaum durch. Vermutlich hat ihn die Situation, ja sogar mein Schlag auf die Nase, total gekickt.

Ehrlich gesagt bin ich ziemlich erleichtert, dass ich jetzt doch nicht zu den Bullen muss. Es ist vermutlich alles andere als moralisch astrein, mein Wissen über Claude für mich zu behalten und quasi dazu beizutragen, dass er einfach so weitermachen kann, aber das ist mir nun mal leider scheißegal. Ich will bloß mit Maxi in Frieden zusammen sein. Macht mich das zu einem schlechten Menschen? Fabi würde sagen: ja, das tut es! Ich gebe nichts mehr drauf, was andere Leute sagen. Wenn es danach ginge, dürfte ich Maxi weder lieben noch sexuell begehren.


„Du willst mich fertig machen, oder?“, wispert Fabi. „Das ist deine Rache, weil ich nicht mit deiner Beziehung einverstanden bin, gib’s zu!“

„Ich kann mir meine Termine nicht aussuchen“, wispere ich schnell zurück, bevor der Chor anfängt, ein weiteres Lied zu schmettern.

„Die Don Kosaken, Gabriel! Du schleppst mich zu den verdammten Don Kosaken“, schüttelt sie verzweifelt den Kopf. „Warum nimmst du von jetzt an nicht deinen Freund zu sowas mit?“

„Bist du verrückt? Der fällt tot um.“

„Ich auch, wenn ich noch ein einziges Mal die beschissenen Abendglocken hören muss.“

„Das ist Kultur, Fabi.“

„Das ist abartig.“

Da muss ich ihr Recht geben. Die russischen Herren singen zwar hervorragend, aber leider dermaßen laut, dass einem davon schlecht wird. In meinen Ohren klingelt es bereits mittelstark.

„Wieso kriegst du nie die coolen Sachen wie Vernissagen von hippen Künstlern, abgefahrene Installationen oder ein Konzert von Paul McCartney?“

„Seit wann stehst du denn auf Paul McCartney?“

„Immer schon“, behauptet sie. „alles ist besser als dieses russische Gejaller. Wir hätten uns in der Pause verpissen sollen. Glaub bloß nicht, dass ich mir auch noch die Zugaben reinziehe.“

Darauf hab ich auch keine große Lust, deswegen machen wir uns in einem günstigen Augenblick diskret vom Acker.

„Cocktails?“, frage ich.

„Heute nicht. Meine Ohren brauchen jetzt absolute Stille.“

Umso besser. Bin eh mit Maxi verabredet.

Der liegt in eine Decke gekuschelt auf meinem Bett und heult. Ein animiertes Horrormädchen mit Zahnspange hopst über den Bildschirm und schüttelt rabiat einen kleinen Clownfisch im Beutel.

„Hey, Schmusekatze. Fische sind Freunde, mh?“

Hastig stoppt er den Film, als hätte ich ihn beim Porno kucken überrascht, und reibt sich die Augen. „Ich hab nicht geheult.“

„Nee, is klar.“

„Wie war’s bei den Donauspacken?“

„Laut“, seufze ich und lege mich neben ihn.

„Haben Sie nicht einen Artikel zu schreiben, junger Mann?“

„Willst du mich loswerden?“

Die Frage ist durchaus ernst gemeint. Seit der Sache mit Claude geht Maxi ziemlich auf Abstand. Ich hab bis zum Erbrechen versucht, mit ihm darüber zu reden, aber er hat immer abgeblockt. Als ich vorsichtig erwähnte, dass eine Therapie vielleicht nicht schaden könne, da wäre er mir beinahe an die Gurgel gesprungen, hat mich angebrüllt, er hätte keine Schraube locker und so weiter. Danach ist er gegangen und erst nach zwei Tagen wiedergekommen.

Jedenfalls hab ich Claude dann lieber nicht mehr erwähnt. Ich könnte kotzen. Der Typ ist zwar weg, aber irgendwie steht er noch immer zwischen uns und ich weiß verdammt noch mal nicht, was ich dagegen machen soll. Also setze ich mich einstweilen an den Computer und schreibe brav meinen Artikel. Da kann ich mich wenigstens ablenken. Grad als ich fertig bin kommt Maxi herein, wurschtelt sich auf meinen Schoß und küsst mich heftig. Das hatten wir in den vergangenen Wochen schon ein paar Mal und es endete relativ... unschön.

„Schmusekatze, hör auf. Du musst mir nichts beweisen, okay?“

„Was soll’n das jetzt?“, fragt er angepisst. „Du wartest doch die ganze Zeit darauf, oder?“

„Du sollst das nicht tun, nur weil du denkst, ich erwarte es von dir.“

„Aber irgendwann muss es doch wieder normal zwischen uns werden“, entgegnet er.

„Das wird es aber nicht durch Sex auf Biegen und Brechen.“

„Warum bin ich überhaupt noch hier?“, brüllt er und steht auf. „Seit Wochen läuft nichts mehr und auch wenn du auf verständnisvoll machst... glaubst du, ich wüsste nicht, dass du dir heimlich einen runterholst? Das ist doch für’n Arsch, Gabriel, das kann man machen, wenn man Single ist. Wie lange soll das denn noch funktionieren?“

„So lange wie wir es beide wollen“, lächele ich. „Wenn ich nur auf Sex aus wäre, würde ich durch die Clubs ziehen und mir irgendwelche Kerle aufreißen. Wie oft muss ich dir das noch erklären, mh? Ich lieb dich, Maxi, und natürlich möchte ich mit dir schlafen, aber noch viel mehr möchte ich, dass du dich verdammt noch mal entspannst und aufhörst, dich unter Druck zu setzen.“

Unglücklich starrt er auf den Boden und knibbelt an seinen Fingern.

„Komm her“, sage ich leise, strecke meine Hand nach ihm aus und ziehe ihn an mich. Eine Weile halte ich ihn fest, streichele seinen Nacken und nehme mir vor, nur noch zu onanieren, wenn ich allein in der Wohnung bin. Kein Wunder, dass er denkt, ich wäre sexuell total gefrustet. Das mag vielleicht sogar ein bisschen so sein, aber ich würde doch nie von ihm verlangen... wenn es bei ihm momentan halt nicht geht. Mann, Claude hat wirklich ganze Arbeit geleistet. Allein dafür könnte ich ihm sehr gut noch mal auf die Fresse hauen.

„Ich geh ins Bett“, erklärt Maxi und verschwindet ins Schlafzimmer.

Mir bleibt nur die Hoffnung, dass ich mich wenigstens ein bisschen an ihn kuscheln darf.


Seit zwei Wochen arbeite ich in einem Sexshop! Klingt schmuddelig, oder? Ist es nicht. Das Teil ist ein relativ großes Erotik-Fachgeschäft, mit echten Palmen als Deko und in der Mitte, also gegenüber der Kasse (wo ich mich aufhalte), steht ein kleiner Springbrunnen, auf dem dezent verschiedene Pornoartikel drapiert wurden. Wären die Schaufensterpuppen in Lack, Leder und knapper Unterwäsche nicht, würde man kaum wissen, was einen erwartet, wenn man den Shop betritt. Na ja, vielleicht doch. Gleich am Seiteneingang befinden sich nämlich die... Kabinen! Ich würde da schon aus Prinzip nicht in Stimmung kommen, aber das muss ich ja auch nicht. Ich muss bloß verkaufen und Heten-Porno-DVD’s verleihen. Heutzutage ist es wohl nicht mehr verwerflich oder peinlich einen Sexshop aufzusuchen und sich nach Herzenslust mit Spielzeug, Magazinen, unanständigen Büchern und weiß der Fuchs was einzudecken. Die Leute jedenfalls sehen ganz und gar nicht verschämt und/oder verklemmt aus. Die Verklemmten schleichen sofort in die Kabinen. Die andere Kundschaft besteht zu fünfzig Prozent aus Frauen, die meist im Rudel auftauchen und rosa Sexspielzeug kaufen. Der Glitzerschmetterling ist ein absoluter Renner. Puschelhandschellen gehen ebenfalls gut weg. Analbohrer und Riesendildos sind eher was für Hartgesottene. Und die Hüte in Penisform sind was für Bekloppte. Zum Glück musste ich sowas noch nicht verkaufen. Ich würde mich sehr wahrscheinlich zu Tode schämen.

Maxi ist letzte Woche achtzehn geworden. Sein Geburtstag ist ziemlich unspektakulär über die Bühne gegangen, denn er hatte keinen Bock auf Party und feiern. Weder mit mir, noch mit Anne und zu Hause schon mal gar nicht. Da hab ich halt auf romantisch gemacht, ihm was gekocht und... meine Güte, ich war mir selber unheimlich. Ich hab noch nie für einen Typen gekocht! Aber Maxi ist schließlich kein Typ, sondern meine Schmusekatze. Trotzdem kam ich mir reichlich bescheuert vor. Maxi war auch etwas überfordert. Er hat sich zwar gefreut, sparte allerdings den Abend über nicht an dämlichen Bemerkungen. Außerdem schmeckte das Essen irgendwie fad, dabei hatte ich mich so angestrengt. Maxi ist was Besseres gewöhnt und konnte sicher schon im Alter von sechs Jahren ein Drei-Gänge-Menu zaubern, denn Mama hat’s ihm halt früh beigebracht. Wahrscheinlich in der Hoffnung, der Junge würde später mal ihr Restaurant übernehmen. Ich glaube aber, Maxi will studieren. Vielleicht etwas, das mit Musik zu tun hat. Könnte ich mir bei ihm gut vorstellen. Jedenfalls sehe ich ihn nicht als Chefkoch hochkompliziert zusammengebraute Sößchen abschmecken. Gestern rief Katharina an und war ganz aufgebracht. Ihr schwuler Sohn ist anscheinend schwer verliebt... in ein Mädchen! Darüber bin ich sehr froh, weil mir so das Gespräch mit Sebastian erspart bleibt. Das peinliche Aufklärungsblabla überlasse ich gerne seinem Vater. Ich stelle es mir lustig vor, wie Hannes mit hochrotem Kopf um den heißen Brei redet und Basti ganz cool erklärt, dass er bereits weiß, wo die Babys herkommen und wie man Kondome benutzt.

Übrigens studiere ich grad Wohnungsangebote. Hab mich nämlich entschieden, das Wagnis einzugehen.

„Willst du umziehen?“, fragt Maxi und wirft einen skeptischen Blick auf die Zeitung.

„Allerdings“, nicke ich.

„Wieso?“

„Na ja, ich finde, wir brauchen schon was Größeres, oder? Und so besonders hundgerecht ist’s hier auch nicht.“

Er reißt überrascht die Augen auf. „Du willst mit mir... “

„Zusammenziehen. Du, ich und dein Hundchen, jawoll.“

„Aber du magst es doch gar nicht, mit Leuten zusammen zu wohnen. Und Sid kannst du eh nicht ausstehen. Außerdem hast du kaum Geld, wie willst’n dir das leisten?“

Schade, ich hatte eigentlich gedacht, er wäre von der Idee etwas begeisterter. Er hat mir mal erzählt, dass er immer davon geträumt hat, mit mir zusammen zu leben. Na ja, jetzt wohl nicht mehr.

„War bloß ein Gedanke“, antworte ich, werfe die Zeitung weg, gehe ins Schlafzimmer und setze mich enttäuscht auf mein Bett.

„Du solltest dir lieber erstmal einen richtigen Job suchen, bevor du Umzugspläne machst“, ruft er.

Ich warte gespannt darauf, ob er mir vielleicht noch sagt, dass ich ein Loser bin oder sowas. Und was heißt hier überhaupt richtiger Job? Vor ein paar Tagen fand er meine Arbeit noch cool. Überhaupt, Maxi ist in letzter Zeit unheimlich gereizt. Immer muss man aufpassen, was man sagt, weil es sein kann, dass er total ausflippt. Ich verstehe durchaus, dass er die Geschichte mit Claude nicht mal eben so locker wegsteckt, finde aber, ich habe ein derartiges Verhalten nicht verdient. Schließlich hatte ich ihn gewarnt. Wenn er genug Arschloch gespielt hat, kommt er zu mir und entschuldigt sich... so wie jetzt auch.

„Tut mir Leid, Gabriella“, säuselt er und schlängelt sich in meine Arme. „Ich find’s ja toll, dass du mit mir zusammen wohnen willst, aber... Robert hat sich doch grad erst wieder eingekriegt und ich gehe noch zur Schule, da ist es besser, wenn ich erstmal zu Hause bleibe. Jedenfalls bis ich mein Abi hab.“

„Kein Problem, Schmusekatze.“

„Bist du jetzt sauer?“

„Nee.“

„Aber du umarmst mich gar nicht richtig“, murmelt er und legt meine Hände auf seine Hüften.

„Du bist in letzter Zeit ein bisschen anstrengend“, sage ich ehrlich.

„Weiß ich“, entgegnet er. „Das kotzt mich total an.“

„Ich lieb dich trotzdem.“

„Ganz bestimmt?“

„Ganz bestimmt“, lächele ich und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

„Ich hätte mich schon längst von mir getrennt“, behauptet er. „Mal ehrlich, ich benehme mich ekelhaft und dafür kriegst du nicht mal Sex von mir.“

„Lass uns doch einfach nicht schon wieder darüber diskutieren, okay?“, schlage ich vor und schiebe ihn von meinem Schoß.

„Jetzt bist du doch sauer.“

„Allerdings. Aber nicht, weil wir keinen Sex haben, sondern weil mir das Thema auf den Sack geht.“

„Entschuldige, dass ich dich nerve. Soll ich vielleicht lieber verschwinden?“, zickt er.

„Wenn du vorhast, gleich wieder einen unangebrachten Wutanfall zu kriegen, dann wäre es vielleicht besser, ja“, seufze ich müde.

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was in mir vorgeht“, brüllt er plötzlich los.

„Stimmt. Ich bin ein unsensibles Arschloch und hab nicht das kleinste bisschen Verständnis für dich“, antworte ich ruhig.

„Hör auf, in diesem beschissenen Ton mit mir zu reden, Gabriel. Ich bin nicht schwachsinnig.“

„Nicht? Du machst aber gerade den Eindruck. Warum willst du unbedingt mit mir streiten?“

„Warum lässt du dich nur von Claude ficken?“, schreit er.

Was ist denn jetzt kaputt? Irgendwie komme ich nicht mehr mit. Ich meine... muss ich das verstehen?!

„Maxi, was ist los?“

„Ich hasse diesen Penner.“

„Ja, aber was ist los?“

„Ich...“, er springt auf, stampft durchs Zimmer und rauft sich die Haare, „ich bin so... scheiß eifersüchtig“, zischt er angestrengt.

„Weil?“

„Weil er etwas hatte, das ich nie...“

Stopp mal! Geht es hier jetzt darum, wer mich ficken darf und wer nicht? Ach du Scheiße!!

„Dabei warst du nicht einmal verliebt in ihn.“

Tatsächlich. Ich halt’s nicht aus. „Maximilian, das ist mit Abstand das Dämlichste, was ich je von dir gehört habe. Mein Arsch ist doch keine Trophäe. Wie hast’n dir das gedacht, mh? Derjenige, der den größten Schwanz hat, darf ihn bei mir reinstecken, oder was?“

„Du musst das nicht ins Lächerliche ziehen. Ich fühle mich schon schlecht genug.“

„Ich möchte wirklich verstehen, was bei dir abläuft, denn anscheinend denkst du in eine sehr eigenartige Richtung. Und, sei mir nicht böse, es ist in der Tat lächerlich, dass wir ernsthaft darüber streiten, wer wen fickt. Du hättest mir doch einfach sagen können, was du möchtest.“

Maxi lächelt gequält. „Klar, ich hab die Sicherheit ja schließlich mit Löffeln gefressen.“

„Als du mich rumgekriegt hast aber schon, oder?“

„Das war nur äußerlich. Innerlich hab ich vor Angst gezittert.“

„Ich glaub dir jedes Wort“, lüge ich und ziehe ihn in meine Arme.

„Es ist nicht nur Claude“, beginnt er, „ich hasse jeden Kerl, mit dem du zusammen warst, den du geküsst hast... das ist bescheuert, ich weiß, aber allein der Gedanke, dass du vor mir schon in tausend andere Typen verliebt warst, kotzt mich dermaßen an.“

„So viele waren das aber nicht, Schmusekatze. Und Claude kannst du sowieso völlig rauslassen. Er hat mich gevögelt, das hatte nichts mit Liebe zu tun. Nicht mal ansatzweise.

Es war geil, mehr nicht.“

„Danke, jetzt geht’s mir gleich besser“, grummelt er.

„Willst du, dass ich lüge? Maxi, ich bin sechzehn Jahre älter als du und hatte logischerweise vor dir auch schon ein paar Beziehungen. Ich kann dir leider nicht sagen, dass du meine erste Liebe bist. Alles, was ich dir sagen kann ist, dass ich dich jetzt liebe.“

Seine Augen schimmern feucht. „Ich hab immer nur an dich gedacht. Für mich gab’s nie wen anders. Und wenn du irgendeinen Kel angeschleppt hast, war ich wochenlang krank, was du überhaupt nicht gemerkt hast. Du hast nie was gemerkt.“

„Soll ich mich schuldig fühlen?“

„Ja, verdammt“, brüllt er, beruhigt sich aber sofort wieder. „Nein. Mir leuchtet schon ein, dass du was Besseres zu tun hattest, als auf einen Dreizehnjährigen abzufahren.“

„Da hätten wir dann aber auch ein wirkliches Problem gehabt... und Robert hätte mich tatsächlich abgeknallt. Maxi, es tut mir Leid, dass du meinetwegen so traurig gewesen bist, aber wie hätte ich das wissen sollen? Du hast doch nie mit mir darüber gesprochen.“

„Warum auch? Du hättest mir eh nur gesagt, dass es nicht geht. Oder dass es bloß eine Schwärmerei ist. Halt den ganzen Mist, den man verknallten Teenagern erzählt. Ich wollte das nicht hören, Gabriel, ich wollte dich haben.“

„Du hast mich jetzt, Schmusekatze.“

„Nicht so wie Claude dich hatte.“

„Maximilian“, antworte ich und reibe mir entnervt die Schläfen, „ich hab keine Ahnung, was sich in deinem Kopf abspielt. Wenn es dir so wichtig ist, mich zu ficken, okay. Aber bitte verabschiede dich von dem Gedanken, das sei eine Art Liebesbeweis. Es ist verdammt noch mal nur Sex.“

„Was ist denn deiner Meinung nach ein Liebesbeweis?“, fragt er interessiert.

„Du weißt genau, dass ich seit zwei Jahren hinter dir her bin... ich hätte dich leicht ins Bett kriegen können. Ich glaube allerdings nicht, dass du dafür schon bereit gewesen wärst. Auch wenn du noch so erwachsen getan hast. Also hab ich mein Verlangen, meine Sehnsüchte, beiseite geschoben, um dich zu schützen.“

Maxi sieht mich an und... lacht sich kaputt.

„Gabriella, du hast nichts mit mir angefangen, weil du dich nicht getraut hast. Du hattest Angst vor den möglichen Konsequenzen. Und du hattest Panik vor deinen eigenen Gedanken. Das sind die einzigen Gründe, die dich davon abgehalten haben, mir an die Wäsche zu gehen. Du hattest ’ne Latte... jedes Mal, wenn ich mich an dich gekuschelt hab. Wenn ich es ernsthaft drauf angelegt hätte, wärst du sicher schwach geworden. Sorry, aber du bist nicht so tugendhaft wie du es gerne wärst.“

Es ist ekelhaft, von einer kleinen Rotzgöre dermaßen durchschaut zu werden.

„Okay, ich bin ein moralisch verkommener Feigling. Zufrieden?“

„Weißt du, was für mich ein Liebesbeweis ist?“

„Dass ich Claude auf die Nase gehauen hab?“

„Abgesehen davon“, grinst er. „Dass du mit mir zusammenziehen willst. Auch wenn ich das momentan noch nicht möchte, ist mir klar, dass du mich unglaublich gern haben musst, wenn du bereit bist, eine Wohnung mit mir zu teilen.“

„Und mit deinem Hund.“

„Und mit meinem Hund“, nickt er.

Eine Weile liegen wir schweigend nebeneinander. Maxis Finger schieben sich plötzlich unter mein Shirt. Ganz langsam gleiten seine Fingerspitzen über meine Haut und öffnen schließlich

die Knöpfe meiner Jeans, während er mich küsst. Ein weiterer Versuch, der wahrscheinlich wieder in einer Katastrophe enden wird. Allerdings ist Maxis Kuss überhaupt nicht aggressiv oder angestrengt. Im Gegenteil. Er knutscht so süß und sexy, dass sich die dringende Hoffnung in mir breitmacht, es könne diesmal klappen. Dennoch ist es sicher besser, mich ein wenig zu beherrschen, was leider total schwierig ist, weil ich ehrlich gesagt dermaßen scharf bin, dass ich ihn zerfleischen könnte. Wochenlanger Sexentzug geht eben nicht spurlos an einem vorüber. Es dauert nicht wirklich lange. Wir sind beide viel zu überreizt, viel zu gierig. Ich sag’s ja: es ist schwer, sich zurückzuhalten, wenn man einfach nur abgehen will.

„Schmusekatze... alles okay?“, frage ich, weil Maxi danach einfach nur an die Decke starrt.

„Ich bin froh, dass wir endlich wieder Sex haben.“

Klar, genauso sieht er auch aus. Verdammt, ich war doch zu heftig. Er schmiegt sich in meine Arme und schnieft ein bisschen.

„Du hast mir gefehlt, Gabriel.“

„Du hast mir auch gefehlt, Schmusekatze.“

Maxi beginnt zu zittern. „Es... es ist... ich kann... nicht... “, brabbelt er und heult gleich darauf wie ein Schlosshund. Ich halte ihn fest und flüstere ihm beruhigend ins Ohr. Da hat sich die letzten Wochen sicher einiges in ihm zusammengebraut. Ganz gut, dass er das alles Mal raus lässt. Nach einigen Minuten wird das Schluchzen weniger.

„Tut mir Leid“, murmelt er.

„Das muss es nicht.“

„Ich liebe Sex mit dir und... hab wohl einfach nicht erwartet, dass wir wie die Tiere übereinander herfallen würden.“

Fuck, ich würd mich jetzt gerne über den Haufen schießen!

Nach fünfminütigem Schweigen sieht Maxi mich ernst an. „Meinst du, Claude hat mir die Wahrheit gesagt? Dass er mich nicht angerührt hat?“

„Auf jeden Fall“, antworte ich ehrlich.

„Wie kannst du so sicher sein? Ich meine, der Typ hat doch echt überhaupt kein Gewissen.“

„Nee, aber Claude würde niemanden vögeln, der ihm danach nicht sagen könnte, wie geil er gewesen ist.“

„Also was wollte er mit der Aktion bezwecken?“

„Hast du das immer noch nicht verstanden?“, frage ich überrascht. „Er ist angepisst, weil er dich nicht haben kann.“

„Das... das kann doch unmöglich der Grund sein“, erklärt Maxi verstört. „So toll bin ich nicht. Außerdem, er hat zwar mit mir geflirtet, aber nie einen wirklichen Versuch gestartet.“

„Er wollte wahrscheinlich, dass du das tust. Aber weil du nicht auf seine Flirterei angesprungen bist, hat er rot gesehen. Claude hasst es, wenn irgendwas nicht so läuft, wie er es geplant hat. Und als er einsehen musste, dass du mich trotzdem noch liebst, obwohl ich dich mit ihm betrogen habe, ist ihm wohl völlig der Hutnagel hochgegangen.“

„Welcher Hutnagel?“

„Nicht so wichtig, Schmusekatze.“

„Du weißt, dass ich beim nächsten Fremdgehen weg bin, oder?“, fragt er und stupst mir in die Seite.

„Es wird keins geben. Weder mit Claude noch mit sonst wem.“

„Solche Versprechen taugen nichts. Man kann doch nicht im Voraus sagen, wie man in einer bestimmten Situation reagieren wird.“

„Du musst mir eben vertrauen, was logischerweise in Anbetracht der Tatsache, dass ich schon mal verkackt habe, ziemlich viel verlangt ist.“

„Sehr richtig“, nickt er.


Vielleicht sollte ich einen Roman über Maxi, mich und Claude schreiben. Aber wer würde mir das glauben? Außerdem verabschiede ich mich eh gerade von der Idee, als Schriftsteller reich und berühmt zu werden. Ich kann eben keine guten Geschichten erzählen. Ich kann nur über Ivan Rebroff und die fucking Don Kosaken schreiben. Das lesen wenigstens die Leute, die sich für den Scheiß interessieren. Was hat man von einem Buch, das keiner kaufen will?! Was hat man von einem Buch, das man noch gar nicht geschrieben hat, weil das Talent fehlt?!

Hallelujah! Der Kerl, der seit fast einer Stunde die Magazine inspiziert, hat endlich was gefunden. Aha, er steht auf dicke Möpse. Also... auf richtig dicke. Ich fühle mich beim vorsichtigen Kucken auf das Titelbild schon fast erschlagen. Na ja, wenn’s ihm Freude macht.

Das ist das Lustige an meinem Job: Ich weiß über die sexuellen Vorlieben völlig fremder Menschen Bescheid! Meine Kollegin Susanne, die mich eingestellt hat und gleichzeitig eine Freundin von Fabi ist (weshalb ich den Job überhaupt bekommen habe), und ich überlegen immer schon wenn jemand reinkommt, was der oder die wohl kaufen wird. Aber manchmal... da wüsste ich lieber nicht so genau, worauf Leute abfahren.

„Entschuldigung, können Sie mir helfen?“

Ach du Heimatland!

„Ich suche etwas... Nettes. Für meinen Freund.“

„Aha“, sage ich blöde.

„Ja, der hat’s die letzte Zeit nicht leicht gehabt mit mir und jetzt will ich ihm was schenken, weil ich ihn liebe. Oh Mann, ich bin echt total verrückt nach ihm... wenn Sie verstehen, was ich meine.“

„Ich denke schon.“

Maxi blinzelt verschwörerisch. „Sie müssen wissen... es läuft bei uns grad nicht so toll und vielleicht kann ich unser Liebesleben ein wenig ankurbeln mit... was kostet’n das hier?“ Er hält mir irgendein abstruses Sexspielzeug unter die Nase. „Und wie zum Geier benutzt man das Ding?“ Aufmerksam studiert er die Gebrauchsanleitung. „Hey, das ist ja genau, was ich suche. Spaß für zwei. Das nehme ich.“

„Maxi, bitte“, seufze ich augenverdrehend.

„Da steht, ich spüre sofort die klemmende Wirkung. Und wenn ich die Analperlen eingeführt habe, soll ich dich penetrieren, beziehungsweise meine Partnerin, aber das wärst in dem Fall ja du. Während ich dich also mit meinem super erigierten Pe... “

„Maximilian!“

„Das steht da so“, erklärt er unschuldig. „Wo war ich? Ach ja, super erigierter Pe... “

Total entnervt reiße ich ihm das Teil aus der Hand uns lasse es unter der Theke verschwinden.

„... nis.“

„Ich schlage vor, du penetrierst deinen Freund ohne irgendwelchen Schnickschnack.“

„Das würde ihm gefallen?“

„Absolut.“

Er beugt sich vor und berührt mit seinen Lippen fast meinen Mund. „Krieg ich trotzdem ein Tütchen Weingummischwänze, obwohl ich nichts gekauft habe?“

„Ja, und wenn du nicht augenblicklich verschwindest, leg ich noch eine Kopfnuss drauf.“

„Ich mag lieber einen Kuss haben“, lächelt er süß und küsst mich kurz auf den Mund. „Bis nachher, Gabriella.“

Wie ich das aushalten soll ist mir schleierhaft. Meine Jeans ist im Schrittbereich gefährlich eng geworden. Zum Glück sieht das niemand, weil ich hinter der Theke stehe. Okay, ich stelle mir trotzdem vorsichtshalber die dicken Bombenmöpse von eben vor... das bringt mich wieder runter. Auf alle Fälle werde ich Maxi zukünftig verbieten, diesen Schuppen zu betreten, wenn ich hier arbeite.

Nach zwei Stunden Im-fünf-Minuten-Takt-auf-die-Uhr-schauen, kurz vor Ladenschluss, kommt natürlich noch jemand reingelatscht. Der kann sich gleich wieder verpissen. Ich will nach Hause. Oh Gott, das ist doch bitte nur eine Halluzination.

„Gabriel, mein Freund!“

Nein, es ist Claude. Hatten wir nicht beschlossen, uns aus dem Weg zu gehen? Der ist ja wie die Pest am Arsch!

„Was zur Hölle tust du hier?“, fragt er dämlich grinsend.

„Wonach sieht’s denn aus?“

„Bist du etwa der Neue, den Susi eingestellt hat? Das ist ja wirklich... zu komisch“, faselt er und lacht sich kaputt.

Ich fürchte Schreckliches. Wenn Claude auftaucht, wird’s immer übel.

„Da hast du dich so angestrengt, um von mir wegzukommen... “

„Willst du was Bestimmtes? Wir machen jetzt zu, also beeil dich.“

„Du hast tatsächlich keine Ahnung, was?“ Er gibt mir ein Zeichen, näher zu kommen und beugt sich über die Theke. „Gabriel, der Laden gehört mir.“

Es kann sich hierbei nur um einen Witz handeln. Ich meine, das ist doch einfach unmöglich. Ich kündige... sobald ich einen neuen Job gefunden habe!

„Beziehungsweise fünfzig Prozent“, labert er weiter, „also mach dich locker. Ich schmeiße dich schon nicht raus. Ich bin überhaupt praktisch nie hier. Und wenn, tu ich so, als würde ich dich nicht kennen, falls dir das irgendwie angenehmer ist.“

„Wir machen trotzdem jetzt zu.“

„Jaja, mach nur“, erlaubt er mir gnädig und wedelt arrogant mit seiner Hand Richtung Tür, „ich hab noch was Geschäftliches mit Susi zu besprechen.“

Ich sag’s ja: mein Leben ist eine einzige Lachnummer! Und wie zum Henker soll ich Maxi beibringen, dass ich für Claude arbeite... schon wieder??

Mir ist echt mulmig als ich die Haustür aufschließe. Ich hab mal überlegt, wie ich an Maxis Stelle reagieren würde und... na ja, ich hab mich nicht unbedingt gefreut. Besser ich sag’s ihm gleich. Oh Mann, ich hasse das!

„Hey, Gabriella“, strahlt er.

Nee, seine gute Laune will ich ihm jetzt noch nicht verderben. Ich warte lieber einen günstigen Zeitpunkt ab. Nur... ob der jemals kommen wird? Bloß nicht drüber nachdenken.

„Was’n los?“

Ich fange an, leicht zu schwitzen. „Wieso? Was soll denn sein?“, versuche ich neutral zu klingen.

„Wo bleibt mein Begrüßungskuss?“

Okay, das krieg ich hin.

„Nee“, schüttelt er den Kopf und umarmt mich. „Der war viel zu kurz. Ich will einen richtigen Kuss. Oder bist du immer noch angepisst, weil ich dich im Shop so in Verlegenheit gebracht hab?“

„Was meinst du?“, stelle ich mich blöd.

Maxi grinst böse. „Mir ist dein Zustand nicht entgangen. Hab dich ganz schön heiß gemacht, mh?“

„Ist das dein Plan gewesen?“

„Zum Teil. Eigentlich wollte ich dich in so’ner Wichskabine vernaschen, aber dann hab ich überlegt, dass es zu Hause doch gemütlicher ist“, erklärt er, nimmt meine Hand und geht mit mir ins Schlafzimmer. Dort angekommen dauert es nicht lange bis wir knutschend auf dem Bett liegen und unsere Klamotten im Zimmer verstreut sind. Es ist nicht schwer zu erraten, was Maxi mit mir vorhat, auch wenn er etwas nervös ist.

„Sieht ganz so aus, als würdest du doch noch dein erstes Mal mit mir bekommen, was?“, lächele ich.

Maxi beißt sich auf die Lippe. „Shit. Ich sag dir, Gabriel, in meiner Phantasie war das alles leichter.“

„Ach ja?“

„Ja, da hast du nicht mit mir geredet“, lacht er. „Das irritiert mich jetzt total.“

Ich helfe ihm, indem ich ihn küsse, mich langsam umdrehe und... na ja, er weiß dann doch, was zu tun ist. Oder besser ausgedrückt: wie es zu tun ist. Claude war ja immer sehr ruppig und das war durchaus in Ordnung und gewollt. Aber mit Maxi kommt halt noch eine unglaublich süße, schmusige Komponente hinzu und das macht es so verdammt perfekt. Er hat genau die richtige Mischung drauf... ich könnte mich stundenlang, tagelang, von ihm vögeln lassen. Leider sind wir jetzt allerdings für den Moment fertig. Maxi lächelt entrückt. Ich wahrscheinlich auch.

„Meine Güte, ich dachte schon, du beißt mir ein Stück Fleisch aus meinem Nacken.“

Maxi kuschelt sich behaglich an mich. „Tja... in jeder Schmusekatze steckt eben auch ein kleines Raubtier“, säuselt er und streichelt sanft über meine etwas wunde Haut.

„Hab ich kein Problem mit.“

„Also hat’s dir gefallen?“, fragt er unsicher.

„Schmusekatze, du hast mich grad in den absoluten Sexhimmel katapultiert.“

„Blödmann“, zischt er und kneift mir kurz in die Seite, „ich hab das ernst gemeint.“

„Ich auch.“

„Mir reicht es schon, wenn ich besser war als Claude.“

Irgendwie war klar, dass er den wieder ins Spiel bringen würde.

„Möchtest du, dass ich dir eine Urkunde ausstelle, die du bei ihm vorlegen kannst?“

„Würdest du das tun?“, giggelt er.

„Alles“, seufze ich, „um dich glücklich zu machen.“

„Lass mal, ich bin froh, dass dieser Bastard aus unserem Leben verschwunden ist.“

Au je!! Jetzt kann ich doch unmöglich mit der Wahrheit rausrücken. Verflucht, ich wollte keine Geheimnisse mehr vor Maxi haben. Immerhin haben die uns den ganzen Kack erst eingebrockt. Andererseits suche ich mir eh einen neuen Job und der Laden gehört Claude bloß zur Hälfte. Und wenn Maxi etwas rauskriegen sollte, kann ich immer noch behaupten, ich hätte davon nichts gewusst. Es wäre doch total ungünstig, es ihm zu sagen, wo zwischen uns grad alles wieder so langsam in Ordnung kommt, oder?! Nein! Wenn ich eins gelernt habe, dann ehrlich zu sein, auch wenn es möglicherweise ungemütlich wird.

„Das stimmt so nicht ganz.“

„Was?“

„Der Sexshop gehört Claude... zu fünfzig Prozent.“

Maxi blickt mich fassungslos an. „Das ist ein Witz, oder?“

„Leider nicht.“

„Hast du das gewusst?“

„Ich hab’s heute erst erfahren, sonst hätte ich doch nie da angefangen.“

„Es ist anscheinend unmöglich, den verdammten Typen loszuwerden“, zischt er.

„Wenn du möchtest, kündige ich sofort.“

„Nein, aber danke, dass du’s angeboten hast.“

„Du bist nicht sauer?“, frage ich vorsichtig.

„Na ja, begeistert bin ich nicht, aber immerhin hast du’s mir erzählt und nicht für dich behalten. Claude wird es nicht mehr schaffen, unsere Beziehung zu stören, selbst wenn er sich morgen als dein neuer Nachbar vorstellen würde.“

„Na darauf kann ich nun wirklich gut verzichten. Schlimm genug, dass er sowas wie mein Arbeitgeber ist.“

„Das ist doch eine Situation, die du gewohnt bist“, zuckt er die Schultern.

„Deswegen muss es mir jetzt noch lange nicht gefallen. Also hör auf, mich an meine Fehler zu erinnern“, entgegne ich wütend.

„Lass uns nicht streiten“, seufzt er, „nicht wegen Claude. Hatten wir seinetwegen nicht genügend Stress?“

„Ja, wird Zeit, dass wir uns wieder um den ganz normalen Wahnsinn kümmern, den sich irgendwelche Leute ausdenken, die unsere Gefühle nicht begreifen wollen.“

„Die sollen sich alle ins Knie ficken“, flüstert Maxi an meinem Ohrläppchen knabbernd. „Ich liebe dich und du liebst mich. Dafür müssen wir uns weder rechtfertigen noch entschuldigen. Und die Zustimmung von wem auch immer brauchen wir schon gar nicht.“

Da hat er verdammt noch mal Recht!

E N D E

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