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Santa S.

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Vorwort

Okay...einfach mal was zum nicht drüber nachdenken müssen. Die Idee kam von meiner Lieblingsfreundin Bianca, die der Meinung ist...wenn man sich scheiße fühlt, muss man was Lustiges zur eigenen Bespaßung schreiben. Übrigens ist sie stolze Besitzerin des in der Geschichte erwähnten Froschtischs und ich bin seit Jahren deswegen super neidisch ;) Ansonsten ist aber wie immer fast alles total ausgedacht und nur bedingt zum Nachmachen empfohlen! Halt...ich muss noch ganz schnell mein Sahnekaramellsternchen küssen *schmatz*

 

»Fuck you bitch! Verdammte Kacke! Nie macht dieses Mistdings, was es soll«, fluche ich leidenschaftlich vor mich hin, obwohl mir das ja eigentlich verboten ist. Wie so vieles mir verboten ist aber...halte ich mich dran? Nein. Never. Also... »FUCK YOU BITCH!« Das Mistdings ist übrigens mein uralter Crimper...zum Haare kreppen, you know?! Der Herrgott hat mir nämlich aus gemeiner Boshaftigkeit schütteren Scheiß auf den Schädel gepackt und damit der überhaupt auch nur ansatzweise nach Haar aussieht, muss ich stundenlang das blöde Mistdings dranhalten. Jetzt hab ich mir, weil das blöde Mistdings natürlich total im Arsch ist, zum wiederholten Mal die Haare angesengt, vernuddelt, verwurschtelt und sehe aus wie eine kleine Vollidiotin.

Das war's. Good bye, Crimper! Werde einen neuen kaufen und dann siehste, was du davon hast!

Mit halbwelligen, rosaroten kinnlangen Haaren, die ich mir zu zwei lustigen Zöpfen zusammen friemel, meinem Pink-Panther-Flatterkleidchen, zerrissenen Strümpfen und hohen Doc's mache ich mich also auf den Weg. Habe nämlich eine Mission zu erfüllen und bin eh schon im Zeitplan hinterher. Man sollte meinen, dass solch eine Aufgabe den elitären, hochnäsigen (weil beflügelt) Schätzchen da oben überlassen wird aber nein...ich muss ran. Als hätte ich nix besseres zu tun. Und die Schätzchen liegen auf der faulen Haut bzw den Flügeln und singen die ganze Zeit Halleluja. Wird echt Zeit, dass da oben mal jemand ein Machtwort spricht und die ihre verdammten Ärsche hoch kriegen.

Ein ärgerliches Grollen gibt mir zu verstehen, dass ich anscheinend mal wieder schlimme Sachen denke. Ich ignoriere es. Hauptsache, ich bekomme keinen Blitzschlag.

Auf dem Weg zum Hier-gibt-es-alles-Kaufparadies bekomme ich keinen Blitzschlag, dafür aber Stielaugen. Okay, es ist Sommer und ungefähr tausend Grad heiß aber muss diese männliche Lichtgestalt unbedingt in meinem Lieblingscafé sitzen und an einem riesigen Eisbecher mit doppelt und dreifach Sahne rumlöffeln wenn ich mir einen Crimper kaufen will?!

»Machst du das vielleicht extra?« frage ich in den blauen Himmel und ernte komische Blicke von einer stark übergewichtigen Omma, die ihren stark übergewichtigen Dackel Gassi führt. Die Lichtgestalt ist so genießerisch vertieft ins Eis, dass mir ganz anders wird. Total verzückt fährt seine Zunge so unanständig über den Harcore-Schmollmund, dass ich mir auch schon wie bekloppt die Lippen lecken will. Mh, zarte Hände hat der...das kann ich genau sehen.

Wahrscheinlich spielt er Klavier oder er ist Masseur. Jedenfalls trägt er seine schwarzen Haare trendig fransig auf und um den Schädel herum. Lange Ponysträhnen streicht er lässig aus dem Gesicht. Am Handgelenk baumelt ein zartes Silberschnürchen, das in der Sonne glitzert. Naja, dass er ein Berlin-Shirt trägt...in Berlin...okay, muss er selber wissen.

Mission und Crimper lege ich gedanklich in den Ordner 'wichtig aber nicht mehr heute' und schlendere aufreizend an der Lichtgestalt vorbei. Das heißt, ich möchte aufreizend schlendern, stelle mich aber so blöd an, dass ich ein bisschen über meine langen Schnürsenkel stolpere und ins Straucheln gerate. Verflixt, ich hätte die Kackschuhe zubinden sollen. Jedenfalls muss ich mich am Stuhl der Lichtgestalt festklammern, um nicht auf meinem Arsch zu landen und sage noch irgendwas wie »Hoppla«.

Die Lichtgestalt fängt mich charmant grinsend auf. »Ist das also deine übliche Masche?« Äh...was??

»Setz dich lieber und deine Schuhe solltest du auch zubinden«, erklärt er und löffelt weiter an seinem Eis. Ein Hauch von Karamell umweht meine Nase. Mir ist nach kaputtgehen. Hat der eine schöne Stimme. Hat der einen schönen Mund. Und überhaupt...ich hab mich grad ganz tierisch verknallt.

»Was meinst'n du mit übliche Masche?« frage ich dösig.

»Na das eben...dein Fähnchen, das du trägst, ein bisschen mit dem Hintern wackeln, ein bisschen aufreizend deine Möpse hüpfen lassen und hoppla...«

Hat der sie noch alle? Wie redet der denn mit mir?

»Ich bin gestolpert«, antworte ich fassungslos und fange an, meine 14-Loch Doc's ordentlich zu schnüren.

»Kein Wunder, dass du nicht aus dem Quark kommst und dann einer von uns ran muss. Dabei haben wir doch echt genug zu tun«, seufzt er.

»Hast du Drogen genommen? Wovon zum Teufel redest du?«

Ein lautes Donnern direkt über meinem Kopf lässt mich zusammenzucken. Hätte ich wissen müssen. Auf Teufel kann ER überhaupt nicht.

»Davon, dass dein Schützling Nacht für Nacht allein ins Bett geht, weil er sein Herzblatt noch nicht für sich gewinnen konnte. Was hast du eigentlich bis jetzt hier gemacht?«

Oha...der weiß ja eine ganze Menge. »Wer zum Teu...Geier bist du und was weißt du von meinem Schützling?«

»Ich bin einer von den elitären, hochnäsigen beflügelten Schätzchen.«

Ach du Scheiße!!!


Ein Tag wie jeder andere für Daniel. Langweilige Schulstunden, allein in den Pausen, den anderen beim Spaß haben zuschauen, nach Hause, allein essen, allein in seinem Zimmer sitzen.

Als er auf's Gymnasium kam, war alles noch in Ordnung. Ein ganz normales, etwas stilles Kind mit Freunden war er. Das änderte sich jedoch schlagartig. Nicht, dass er lauter und/oder lebhafter wurde, allerdings befanden ihn seine Freunde für komisch. Man kennt das ja...er trug die falschen Klamotten, hatte den falschen Haarschnitt, sagte die falschen Sachen (wenn er mal was sagte), bewegte sich falsch, interessierte sich für die falschen Dinge...sowas in der Art. Dazu noch ein bisschen weicher, als es für einen Jungen gestattet ist, ein wenig naiv und trottelig...plötzlich war Daniel ein 1a-Außenseiter. Das ist er noch immer und inzwischen sechzehn geworden.

Seufzend legt er seine Lieblings-CD ein und widmet sich den Hausaufgaben. Daniel ist zwar alles andere als ein Streber aber...hat er nachmittags vielleicht was anderes zu tun als Hausaufgaben zu machen? Nein, hat er nicht.

»Wow...was für ein Loser«, zischt die Lichtgestalt, die neben mir am Fenster hockt und durchs Fernglas stiert. »Klar, dass der keine Freunde hat. Seit drei Tagen glotzen wir ihm nun beim leben zu und was macht er? Schule, Hausaufgaben, Händewaschen und ab ins Bett. Das ist logischerweise nur Tarnung...niemand kann derart langweilig sein. Und du?« fragt er und dreht seinen schönen Schädel in meine Richtung. »Hast ja wohl noch nichts unternommen, oder?«

Mann, ich fühle mich ehrlich ein klitzekleines bisschen schuldig. Ich meine, ich hab total viel unternommen...bin ausgegangen, hab wilde Parties gefeiert, ein paar süße Erdenbewohner verführt...in Bezug auf Daniel war ich echt faul. Aber das muss die blöde Lichtgestalt ja nicht wissen.

»Ich«, antworte ich so hochnäsig wie es eben geht und schlage meine bestrumpften Beine übereinander, »bin bereits mit ihm in Kontakt getreten.«

»Bist ihm in die Arme gestolpert, was?« grinst er.

Arschloch!

»Ich bin seine Nachhilfelehrerin. Die gute Tante Scholastika. Was glaubst du, woher seine hervorragenden Noten kommen?«

»Phh...bin beeindruckt. Allerdings war es nicht deine Aufgabe, ein kleines Genie aus ihm zu machen.«

Ich zucke die Schultern. »Ist im Preis inbegriffen.«

»Hör mal, Tante Scholastika...ich bin nicht hier, um dir zu helfen«, erklärt er und knabbert an seinem letzten Stück Pizza, »sondern weil IHM deine Arbeitsmoral mächtig missfällt, okay. Wenn du dich nächtelang wer weiß wo und mit wer weiß wem rumtreibst, ist es klar, dass du nix auf die Reihe kriegst. Du bist hier nicht auf Urlaub.«

»Und du bist nicht hier, um dich vollzufressen«, zische ich wütend und reiße ihm das Pizzastück quasi vom Mund weg.

Er wirft mir einen finsteren Blick zu, hält sich das Fernglas vor die Augen und springt angeekelt einen Moment später auf. »Oh mein Gott...«

»Was'n?«

Aufgebracht fuchtelt er mit seinen Armen rum. »Der holt sich einen runter«, kreischt er schrill. »Am hellichten Tag.«

»Echt?« Hastig greife ich das Fernglas und stürme zum Fenster. »Wo??«

»Du willst dir das doch wohl nicht ankucken?«

»Doch. Was dagegen?« frage ich und suche nach meinem Schützling.

»Das ist ekelhaft«, bemerkt die Lichtgestalt angepisst.

»Das ist toll«, schwärme ich. »Endlich Action...oh wow...der scheint ja an was extrem Heißes zu denken, so wie der zugange ist«, giggel ich.

Daniel liegt fast in seinem monströsen Schreibtischstuhl aus schwarzem Leder. Seine Augen sind geschlossen und seine Hand bewegt sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit.

Haselnussbraune Haarsträhnen hängen ihm ins Gesicht und seine Lippen sind ein wenig geöffnet. Sieht hübsch aus...was soll ich sagen?! Mir gefällt die Show. Bin eben ein alter Spanner. Bevor Daniel jedoch fertig ist, wird mir die Sicht genommen bzw das Fernglas.

»Schluss jetzt«, brüllt die Lichtgestalt.

»Spaßbremse«, schmolle ich und strecke ihm die Zunge raus.

»Wir machen jetzt einen vernünftigen Plan. Sonst hänge ich noch bis in alle Ewigkeit hier in dieser Bruchbude rum.«

»Hey, nichts gegen meine Wohnung, ja. Hab das alles selber gemacht«, erkläre ich stolz, weil meine Altbauwohnung wirklich atemberaubend toll geworden ist. Die Küche zum Beispiel hab ich rot gestrichen und überall hängen goldene Putten und anderer Goldschnickschnack.

Mein Schlafzimmer ist altrosa mit einem riesigen Himmelbett und sehr viel Kitsch. Das Bad sieht dafür aus wie eine Lagune. Blaugrüntürkis, lustige Fische, Muscheln und Seepferdchen kleben auf den Fliesen, Efeu rankt von der Decke und aus'm Baumarkt hab ich diesen geilen blaudurchsichtigen Klodeckel mit Fischen drauf. Im Wohnzimmer steht meine heißgeliebte dunkelgrüne Ledercouch (die nach 70er-Jahre-Billigporno aussieht), ein niedriger Tisch, Fernseher und so'n Zeug. Das allerschönste in meiner Wohnung ist allerdings ein abstruser Froschtisch vom Sperrmüll. Das ist ein Holzfrosch auf vier Beinen, der mein Telefon trägt.

Ich könnte Jeanne immer noch dafür knutschen, weil sie ihn zwar entdeckt, mir aber nach langer Nerverei überlassen hat. Leute, die den Froschtisch zum ersten Mal sehen, wirken übrigens meist leicht verunsichert.

»Schön für dich«, entgegnet Die Lichtgestalt, schlendert zum Kühlschrank und kommt mit einem Topf Cookies und Cream Eis zurück.

»Ist Völlerei nicht eine Todsünde?«

»Und Faulheit?« kontert er.

»Touché.«

Er legt sich auf die Pornocouch und löffelt sein Eis. »Also, Schola, lass mal hören, was du dir für Daniel ausgedacht hast.«


Martin schlingt sich ein Handtuch um die Hüften und trocknet mit einem weiteren seine strohblonden Haare. Aus dem Duschraum folgen ihm heiße Schwaden in die Umkleide, wo er auf seinen Platz zusteuert, kurz einen Blick nach links wirft und den Kopf schüttelt. Links sitzt nämlich der Tölpel aus seiner Stufe über den sich alle lustig machen. Heute gab's auch noch Stress mit dem Sportlehrer. Daniel hatte sein Sportzeug vergessen...wie jeden Dienstag. Aus den Augenwinkeln bemerkt er Daniels verstohlenen Blick und hofft für ihn, dass er der Einzige ist. Wenn die anderen mitkriegen, dass Daniel anscheinend Spaß dran hat, auf Jungenärsche zu starren, kann er sein Testament machen...überlegt Martin, während er sich anzieht. Komisch, dass man sich hier echt alles erlauben kann...Drogen, Alkohol, Weiber, Konflikte mit der Polizei, Übergewicht, lausige Noten, Pickelvisage aber...wenn man als Typ einen anderen Typen toll findet, hat man verschissen. Und wenn man dann auch noch so weich und sensibel ist wie Daniel, hat man echt nix zu lachen.

»Ey, Schröder, wie sieht's aus? Kommst du am Samstag auf Connys Party?« Ein splitterfasernackter Junge haut ihm kräftig auf den Rücken.

»Mann, Sascha, lass den Scheiß«, zischt Martin.

»Was biste denn so angepisst?« fragt er und zieht sich an. »Wegen Lena? Vergiss die Kuh. Wenn die dich abschießt...such dir was Neues.«

»Ich hab Schluss gemacht, du Arsch. Und falls es dich interessiert, wir sind immer noch Freunde also pass auf, was du über Lena sagst.«

Der Junge zuckt die Schultern und bindet seine Schuhe zu. »Auch gut. Conny ist jedenfalls total scharf auf dich und wo du doch jetzt frei bist...«

Martin seufzt genervt. Derartiges Gefasel geht ihm auf den Geist. Wie ihm auch die Parties auf den Geist gehen und seine angeblichen Freunde, die überhaupt keine Ahnung haben, was mit ihm los ist. Einzig Lena weiß alles...fast alles. Deshalb hat er sich von ihr getrennt.

»Naja, wir sehen uns später«, ruft Sascha und verlässt die Umkleide.

»Das glaube ich kaum«, murmelt Martin, stopft sein Zeug in die Tasche und schaut zu Daniel rüber. »Haben wir noch Mathe?«

Die Wangen des Jungen bekommen eine leicht rötliche Farbe. »Äh...ja, nach der Freistunde. Warum?«

»Dann sag, mir ist schlecht geworden. Ich geh nach Hause.«

»Okay.«

In seinem Zimmer wirft sich Martin aufs Bett, angelt nach dem Telefon und wählt.

»Hey, Lena.«

»Oh...hi«, flötet es an sein Ohr. »Wieso biste nicht bei Mathe?«

»Keinen Nerv«, entgegnet er. »Hör mal, was wir gestern besprochen haben...das bleibt doch unter uns, oder? Ich meine...«

»Was denkst du denn? Dass ich eine von den blöden Tratschtussen bin? Oder dich reinreiße, weil wir Schluss gemacht haben? Ehrlich, Martin, ich bin froh, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. Hab ja schon an meinem Verstand gezweifelt...naja, und an deinem sowieso«, kichert sie. »Mach dir keinen Stress.«

»Ich kann einfach noch nicht damit umgehen und ich weiß ja auch gar nicht, ob ich...«

»Also, ich denke schon, dass du...«, unterbricht sie ihn.

Martin legt eine Hand über die Augen und seufzt. »Mann, warum ausgerechnet ich, mh?«

»Keine Ahnung. Aber wenn es so ist, ist es nunmal so. Also hör auf zu jammern und unternimm was.«

»Toller Tipp«, grummelt er.

»No risk no fun. Ran an den Speck, Martin.«

»Jaja. Pass auf, können wir uns später treffen...im ULTRA einen Kakao trinken?«

»Okay, Babe. Bin gegen acht da. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch. Und Lena...danke.«

Nachdem er aufgelegt hat, schließt er die Augen und...seufzt. Und er träumt. Träumt schon wieder von diesem einen Menschen, von dem er besser nicht träumen sollte.

Etwa zur gleichen Zeit sitze ich neben meinem Schützling und versuche ihm die englische Sprache näher zu bringen. Naja, er macht sich ganz gut. Wenn er nur nicht so nervös wäre. Aber...hey, wer wird denn bitte nicht nervös, wenn eine Schönheit meines Kalibers neben ihm sitzt?!

»Also, Herzchen...meinst du, der Aufsatz nächste Woche geht klar?«

»Glaub schon«, murmelt er leise.

Ich spiele ein bisschen mit meinem Rosenkranz, den ich um den Hals trage. »Und sonst so?«

»Äh...was denn?«

»Naja...was läuft so in der Schule und danach? Gehst du zum Beispiel noch aus? Ich meine, um diese Zeit sind doch sicher alle boys und girls in deinem Alter unterwegs.«

»Ich nicht.«

»Ja, das sehe ich. Wieso nicht? Keine Lust, oder was?«

Er schaut mich gequält an. »Allein ist halt doof. Du bist mein einziger sozialer Kontakt.«

Na, da erzählt er mir keine Neuigkeiten. Während er mir ein Glas Saft eingießt, mustere ich ihn. Süß, fällt mir spontan ein. Schlacksig ist er aber nicht dürr, hat eine niedliche Stupsnase, hübsche Knutschlippen und schmale schlanke Finger. Mann und wie der so verschämt an seinen etwas zu langen Ärmeln zuppelt möchte man ihn sofort in die Arme nehmen und bekuscheln. Mir ist das natürlich wieder mal total verboten.

»Weißt du was, Dani...wir gehen nachher ins ULTRA und du darfst mich zu einem leckeren Stracciatella Cappuccino einladen. Was hältst du davon?«

Seine Augen reißen auf. »Du...du willst mit mir ausgehen?«

»Sicher.«

»Ähem...naja, okay. Ist das auch keine Verarsche?« fragt er vorsichtig.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Weil mich jeder verarscht. Scheint momentan hip zu sein.«

Ich schlage meine Beine übereinander und klimpere mit den Wimpern. »Bin ich jeder?« Dann springe ich auf. »Ey, ich schneide dir die Haare, ja? So wie die jetzt sind, sieht's ganz schön scheiße aus, you know?!«

Er greift sich an den Schädel und kuckt bedröppelt. War wohl etwas zu direkt aber...seine angeklatschte Frisur ist nunmal zum kotzen.

Mhhhh...Dani benutzt Pfirsichshampoo. Oh riecht das toll. Wow und seine Haare sind echt weich. Macht Spaß darin rumzuwühlen. Mir fällt auch auf, dass Daniel sehr süße kleine Ohren hat und einen Nacken, an dem man sofort knabbern will. Jaja, darf ich nicht, also konzentriere ich mich auf den Schnitt.

Nach exakt dreiundvierzig Minuten bin ich fertig und Daniel sieht modelmäßig scharf aus. Sein haselnussbrauner Schopf strubbelt schön fransig rum, die langen Ponysträhnen hängen ihm so ins Gesicht, dass er sie zur Seite streichen muss. Sehr gut...sowas ist bei Jungs immer geil.

»Und du meinst, dass ich so Freunde bekomme?« fragt er skeptisch und zerrupft mein soeben gestaltetes Kunstwerk.

»Fass das nicht an«, kreische ich panisch, habe mich allerdings schnell wieder im Griff.

»Natürlich reicht eine neue Frisur allein nicht aus, Herzchen.« Seufzend lasse ich mich auf sein Bett fallen. »Ich weiß gar nicht, warum du's dir so schwer machst.«

»Ich? Aber die anderen sind doch...«

»Ach scheiß auf die anderen«, fauche ich. »Ehrlich, Dani, du musst in der Schule einfach mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Wenn die Idioten dich verarschen...beschimpf die zur Abwechslung aufs Übelste anstatt immer nur alles über dich ergehen zu lasssen.«

»Na klar...die verdreschen mich doch sofort.«

»Die werden so überrascht sein, dass die daran überhaupt nicht denken. Mir ist klar, dass du es körperlich mit den Spacken nicht aufnehmen kannst aber...du musst ihnen das Gefühl geben, dass du's könntest. Es geht nicht um Muskelkraft, you know?! Wer am lautesten brüllt und am besten flucht gewinnt.«

»Ich kann aber nicht laut brüllen und fluchen.«

»Klar, kannste das. Wenn dich das nächstemal einer blöde anmacht knallst du dem einfach FUCK YOU BITCH vor den Latz. Oder du sagst ihm ganz freundlich, dass er sich ins Knie ficken soll. Und dass du, wenn er dich nicht in Frieden lässt, seine blöde Visage gegen die verfickte Wand schmetterst.«

Er schüttelt seinen hübschen Kopf.

»Naja, ich ziehe mich jetzt erstmal um und hol dich dann nachher ab, okay?«

Als ich in meine Wohnung komme lümmelt die Lichtgestalt Schokoküsse essend auf der Couch.

»Und...hat er angebissen?« fragt er und leckt sich Schokolade vom Finger.

»Das hättest du bequem selbst rausfinden können, wenn du mal deinen Arsch von der Couch bewegen würdest. Und ich meine nicht nur, um zum Kühlschrank zu gehen.«

»Äh, Schola, zieh dich nicht zu gewagt an. Der soll sich schließlich in seinesgleichen verknallen und nicht den ganzen Abend sabbernd an deinem heiligen Hintern hängen.«

Du kleiner Idiot, denke ich so bei mir und grinse in mich hinein. »Keine Angst, der wird sich heute unsterblich verlieben. Dann kannst du Hokuspokus dahin fliegen, wo du hergekommen bist und ich bin endlich frei. Kann tun und lassen, was ich will.«

»Ich begreife gar nicht, warum du so versessen darauf bist, hier zu leben.«

»Ich hätte mir auch ein paar Flügel wünschen können aber dann müsste ich ja für immer und ewig sowas wie dich ertragen. Nee, da mache ich lieber hier unten meinen eigenen Kram und habe Spaß. Ihr seid doch alle die totalen Langweiler. Frohlockt und tanzt selig lächelnd ums Apfelbäumchen...sehr amüsant«, entgegne ich und gähne demonstrativ.

»Jedenfalls huren wir nicht rum.«

»Solltest du mal tun, dann wärst du vielleicht nicht so verkrampft.«

»Und du solltest dich mal ein bisschen auf das besinnen, was du einst warst.«

Mann, jetzt kommt der wieder mit diesen uralten Geschichten. »Ich war lange genug die keusche Nonne, ja?«

Er verschränkt die Arme vor der Brust. »Dein Heiligenschein beginnt langsam zu bröckeln.«

»Mein Heiligenschein hat noch nie heller gestrahlt, du Arsch«, bölke ich aufgebracht.

»Dann denkst du also, dass ER deinen neuen Lebensstil billigt?«

»Das denke ich in der Tat. Hör mal, eine Weile enthaltsam zu sein, war schließlich auch meine eigene Entscheidung. Mir wurde nichts auferlegt. Diese ganze Zölibatscheiße ist eine Erfindung der katholischen Kirche, das weißt du so gut wie ich, mein Lieber. Und was die davon haben, sieht man ja wohl. Lauter verklemmte Säcke, die kleine Jungs und Mädchen vernaschen...Priester, die Doppelleben führen...Kinder, die ohne Vater aufwachsen müssen... und wenn man überlegt, wie der Verein mit Themen wie zB Homosexualität umgeht, wird einem so übel, dass man den ganzen Dreckshaufen in die Luft jagen will. Das, was diese pseudofrommen Kirchenmänner aus ihren kranken Hirnwindungen quetschen, ist sicher nicht in SEINEM Sinn. Erinnere dich nur mal daran, was die Schweine mit Jeanne gemacht haben. Und jetzt hab ich keinen Bock mehr mit dir zu diskutieren. Muss mich nämlich ausgehfertig machen.«

Um halb neun nuckel ich nach'm Cappuccino an meinem Kiba und gehe vor Langeweile fast kaputt. Daniel ist nun wirklich keine Spaßgranate. Also der kann schon lustig sein, wenn er will, allerdings scheint er heute nicht zu wollen und ich weiß selbstverständlich ganz genau woran das liegt. Besser gesagt, an wem. Seit wir nämlich hier sind stiert er quer durch den Raum auf den Tisch am Fenster. Da sitzt Lena mit Martin.

»Was kuckst du denn immer dahin?« frage ich scheinheilig, worauf er heftig errötet. Mann, das sieht gnadenlos süß aus. »Kennst du die zwei?«

»Äh...ja...die sind in meiner Stufe.«

»Schön, dann können wir doch rübergehen und Hallo sagen.«

»Nein«, ruft er entsetzt. »Ich meine, Martin und Lena sind zusammen und wollen sicher ungestört sein. Außerdem hassen die mich.«

»Ach Schnickischnacki«, sage ich und mache eine wedelnde Handbewegung. »Du kannst dringend ein zwei Leute um dich herum gebrauchen, oder? Und wenn die gemein werden... werde ich auch gemein. Und glaub mir, das kann ich sehr gut«, grinse ich.

»Aber...was soll ich denn sagen?«

»Na...Hallo. Dann kannst du mich vorstellen, fragen, ob wir uns dazu setzen dürfen und der Rest ist ein Kinderspiel.« Ich boxe ihm leicht in die Rippen. »Komm schon, du kleiner Feigling. No risk no fun.«

Vorsichtshalber lege ich mal lieber meinen Arm um seine Schulter. Nicht dass der hier in Ohnmacht fällt oder blödsinnig über seine eigenen Füße stolpert. Wie peinlich. Vor dem Lena-Martin-Tisch bleiben wir stehen. Das Mädel sieht uns überrascht an.

»Äh...hallo«, nuschelt Daniel mit feuerroten Wangen.

»Hallo...was tust du denn hier und...was hast du mit deinen Haaren gemacht?«

»Das war ich. Hi, ich bin Scholastika.«

Lena schüttelt ihren blondgesträhnten Schopf. »Krasser Name...hab ich noch nie gehört. Ich bin übrigens Lena und das da ist Martin.«

»Dürfen wir uns setzen?« frage ich und lasse mich neben Martin nieder, der anscheinend an akutem Nicht-sprechen-können leidet. »Ich finde es nämlich grad total nett, Freunde von Dani kennenzulernen.«

Mein Schützling hat sich inzwischen einen Stuhl rangezurrt und sitzt neben Lena. »Eigentlich sind wir nicht befreundet.«

»Naja, wir kennen uns kaum«, verbessert Lena.

Daniel blickt sie überrascht an. »Wir kennen uns seit der sechsten Klasse.«

»Ja, aber nicht so wirklich richtig.«

»Richtig genug, um mich andauernd zu verarschen.«

Au weia...bloß keinen Streit anfangen, Herzchen. Das versaut meinen schönen Plan.

»Hey«, Lena hebt abwehrend die Hände, »Martin und ich haben dich immer in Ruhe gelassen, oder nicht?«

»Is ja auch egal. Alles, was ich sage ist, dass wir nicht befreundet sind.«

»Na, das lässt sich doch ändern«, lächelt Lena und stupst Martin an, der total erschrocken aus der Wäsche kuckt.

»Äh...äh, was?«

Holla...wer hat dem denn das Sprechen beigebracht? Naja, macht nix, denn Martin hat eine Schnuckelhaftigkeit an sich, dass sogar mir ganz schummrig wird. Dabei stehe ich nun wirklich nicht auf Teenager. Jedenfalls nicht sexmäßig. Äh...jedenfalls nicht sehr. Also damit man sich mal ein Bild machen kann...Martin hat sehr hübsche blaugraue Augen mit unglaublich langen dichten Wimpern und einen strohblonden Schopf. Dazu noch eine süße kleine Schmollschnute. Der sieht...ja, der sieht tatsächlich ein bisschen so aus, wie der Typ aus dem Rosenstolz-Video. Der, der sich unbedingt verlieben will, you know?!

»Ich hab grad gedacht«, beginnt Lena, »ihr könntet doch am Samstag auf Connys Party kommen...«

»Oh, ich liebe Teenagerparties«, grinse ich.

Martin sieht aus, als hätte er in einen Bottich mit Fischgedärmen gefasst. »Was soll der denn da?«

»Spaß haben und Leute kennenlernen?« schlägt Lena vor.

»Du weißt genauso gut wie ich, dass die ganze verdammte Schule ihn für einen Trottel hält und wenn du mich fragst...haben die recht.«

Oh no, Babe. Das war aber sehr ungezogen. Man soll doch nicht lügen. Daniel steht langsam auf und beugt sich über den Tisch zu Martin. »Fick dich ins Knie, Schröder«, zischt er.

»Äh...wie bitte?«

»Hast du was an den Ohren? Fick dich, du Arsch. Es ist mir doch scheißegal, was du über mich denkst oder was die Idioten aus der Schule sagen. Und auf eure blöden Kotzparties hab ich eh keinen Bock.« Er schüttelt den Kopf. »Fickt euch alle«, fügt er hinzu und geht.

Ich schlage gedanklich die Hände überm Kopf zusammen. Ich meine, wow...was für ein cooler Abgang...leider die völlig falsche Adresse. Verdammt, der versaut doch alles. Martin sieht ein bisschen erschrocken aus, Lena dagegen kichert sich dumm und dämlich.

»Mann, der hat's dir aber gegeben, was? Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.«

»Tja, ich werd dann auch mal. Bis Samstag, ihr zwei«, verabschiede ich mich hastig und eile meinem Schützling nach.

Der steht draußen und strahlt übers ganze Gesicht. »Na, wie war ich?«

»Toll«, brummel ich.

»Was ist denn? Ich sollte ihn doch beschimpfen.«

»Du solltest den Schulidioten zeigen, wo's langgeht und nicht deinen...äh, deine zukünftigen Freunde vergraulen, Dummkopf.«

»Hast du nicht gehört, was der Arsch gefaselt hat?«

Ich krieg langsam die Pimpernellen. »Du musstest ihm aber nicht gleich dreimal sagen, dass er sich ficken soll. Einmal hätte gelangt.«

»Phh...«, schnauft er, »ich fühl mich großartig.«

Jaja und ich darf alles wieder geradebiegen. Wie ich das anstellen soll, ist mir schleierhaft.


So, war heute mit Daniel shoppen. Klamotten für die Party. Der kann ja nicht in Jeans und Schlabberpulli da aufkreuzen. Übrigens redet er die ganze Zeit über Lena. Die zwei scheinen sich seit der Sache im ULTRA angefreundet zu haben. Ich bin etwas angepisst. Also ich gönne Daniel seine kleine Freundin, hab's halt nur nicht so gerne, wenn ein Typ in meiner Gegenwart von einem anderen Mädel schwärmt. Nicht, dass Daniel so besonders schwärmt... eigentlich erzählt er nur, wie cool sie ist und wie nett und so. Trotzdem geht's mir auf den Sack.

»Lass dich mal anschauen, Herzchen.«

Also, mann, an mir ist doch echt eine Stylistin verlorengegangen. Daniel sieht toll aus.

Schwarze bemerkenswert tief sitzende Cordhose, Chuck's, schwarzes Shirt mit Löchern an den Schultern (wie das von Brian »Sexgott« Molko im Pure Morning-Video) und dazu die neue Haarfrisur...verdammt sexy, der Kleine. Hab ihn in einen richtig süßen Indie-Jungen verwandelt. Bravo, Schola!!

»Meinst du echt, wir sollen da hin gehen?« fragt er unsicher und zupft an seinem Shirt.

»Absolut«, entgegne ich und klopfe mir immer noch auf die Schulter. Das Teil ist nämlich so kurz, dass man immer ein bisschen was von seiner Sahnehaut sieht. Mhhh...ich würd ja zu gerne mal meine Hand unter sein Shirt schieben und...

»Und jetzt kommt das i-Tüpfelchen.«

»Hä?«

Ich ziehe ihn zu mir aufs Bett und streiche ihm weiche Haarsträhnen aus dem Gesicht. Haha...sein Herz klopft plötzlich ganz schnell. Wie süß! Jedenfalls reibe ich meine Nase an seinem Hals und knabbere ein wenig an der samtigen Haut.

»Äh, Schola...was...was tust du da?«

»Knutschfleck«, murmele ich, »macht Eindruck und sieht wahnsinnig sexy aus.«

»Oh Gott...bitte nicht«, stöhnt er, doch ich bin ja bereits zugange.

Hey...ein bisschen Spaß wird mir wohl gestattet sein, oder?! Hab ja nichts weiter vor mit ihm.

Okay, Teeniepartie! Muss man nicht viele Worte drüber verlieren. Schummerbeleuchtung, Alkohol, Knabberzeug, Musik und eben lauter Teenager. Ich setze mich erstmal auf die Couch und frage mich einen kurzen Moment, warum ich mich so aufgebrezelt habe? Einen guten Fick bekomme ICH hier sicher nicht. Naja, es geht schließlich um Daniel. Der wird übrigens augenblicklich von Lena belagert. Martin hockt, so weit ich das erkennen kann, trübsinnig in einer Ecke, glotzt allerdings verstohlen zu den beiden rüber.

»Sag mal, wer bist du denn?«

Ich drehe mich um und schaue in eine relativ hübsche Teenagervisage.

»Scholastika«, säusel ich und räkel mich ein wenig.

»Cooler Name. Bist du eine Freundin von Conny? Ich meine, ich kenne eigentlich alle Freunde von Conny und...äh...du gehst nicht auf unsere Schule, oder? Ähem, ich bin übrigens Sascha.«

Scheiße, der ist zu jung, verdammt noch mal. Schade!! »Ich bin mit Daniel hier.«

»Welcher Daniel?«

»Daniel Berger«, entgegne ich und berühre mit meinem nackten Knie ganz zufällig Saschas Bein. Schola, der ist höchstens sechzehn...vergiss das bitte nicht!

Er verschluckt sich an seinem Bier und blickt sich danach hektisch um. »Was? Was will der denn hier und was hat der Trottel mit einer Traumfrau wie dir zu schaffen?«

Ah...wie schmeichelhaft. »Daniel hat mich beschützt, als mir so'n schmieriger Typ an die Wäsche wollte. Er hat ihm das Nasenbein gebrochen. Wir...wir vögeln ab und zu«, erkläre ich schulterzuckend und mahne mich, nicht gar so dick aufzutragen.

»Mit der Knalltüte?«

»Daniel ist der coolste Typ, den ich kenne«, entgegne ich, »würdest du mir bitte was zu trinken holen?« Ich hab nämlich das Gefühl, heute noch Arbeit zu kriegen und kann diese charmante Sascha-Ablenkung dabei nicht gebrauchen.

Daniel und Lena scheinen sich ausgezeichnet zu amüsieren. Die reden und lachen die ganze Zeit und ich könnte schwören, mein Herzchen versucht mit ihr zu flirten. Kerrkerrkerr...kann der bitte mal was richtig machen?!

Martin, erheblich angetrunken, torkelt auf die beiden zu und rempelt mein Herzchen an.

»Lass die Finger von meiner Freundin, du Pisser.«

Lena ist sofort erbost. »Was ist denn mit dir los? Martin, wir sind nicht mehr zusammen.«

»Und weiter? Seit wann lässt du dich von Trotteln begrapschen?«

»Und seit wann bist du Lenas Kindermädchen?« fragt Daniel mit böse funkelnden Augen.

»Halt deine Fresse. Was willst du überhaupt? Niemand...absolut niemand will dich hier also warum verschwindest du nicht?«

»Lass mich in Frieden, Schröder.«

»Sonst was?«

Daniel greift an Martins Hemdkragen. »Sonst schmettere ich deine blöde Visage gegen die verfickte Wand.«

Also er hat das schon ziemlich gut rübergebracht...Martin lacht ihn trotzdem aus.

»Netter Versuch, Arschloch«, zischt er.

Mein Plan geht total den Bach runter. Teenager sind doch echt zum kotzen. Zu allem Unglück taucht das Sascha-Babe wieder auf und lächelt mich verliebt an. Ich geh kaputt. Etwas Hilfe wär nicht schlecht aber meine Lichtgestalt frisst sich ja lieber dumm und dämlich. Ich sag's ja...immer muss man alles alleine machen.

Weil ich einen kurzen Moment abgelenkt bin (Sascha küsst meine nackte Schulter), entgeht mir, dass wohl gerade eine Prügelei im Gange ist...oder war. Daniels Nase blutet und Martin hält sich das linke Auge. Na super!!! Ein paar Gören stehen blöde glotzend rum, Lena betüttelt Daniels Nase.

»Was geht denn hier ab?« brülle ich.

»Martin verträgt keinen Alkohol«, erklärt Lena angepisst.

»Du blöde Schlampe«, faucht er.

Ich vergewissere mich erstmal, ob mein Herzchen in Ordnung ist, überlasse ihn für den Moment Lena und kümmere mich um Martin und sein Fletschauge.

»Komm, wir machen da'n bisschen Eis drauf.«

In der Küche verfrachte ich ihn auf einen Stuhl, packe ein paar Eiswürfel in ein Geschirrtuch und lege es vorsichtig an Martins Auge.

»Au...«

»Sagst du mir jetzt, was los ist?«

»Der Arsch soll sich von meiner Freundin fernhalten.«

Ich hab die Faxen langsam dicke. »Du stehst doch gar nicht auf Lena...was also kümmert's dich?«

Martins Gesicht wird bleich. »Wo...woher weißt du das?«

»Ich weiß eine ganze Menge, Schätzchen.«

»Einen Scheißdreck«, zischt er böse. »Lena ist MEINE Freundin.«

Ich setze mich auf seinen Schoß und lege meinen Arm um seine Schulter. »Ach Schätzchen... haben wir nicht in letzter Zeit gemerkt, dass Mädchen uns gar nicht wirklich scharf machen?« flüstere ich in sein Ohr. »Spuken uns beim wichsen nicht zufällig halbnackte Boys durchs Hirn, mh?«

Martin schubst mich grob von seinem Schoß und springt auf. »Das...das stimmt überhaupt nicht...das...ich bin keine Schwuchtel«, brüllt er entsetzt und läuft davon.

Au weia...ich war auch schon mal besser!

Im Wohnzimmer kümmert sich Lena immer noch Mutter Theresa-like um Daniel. Ist mir kackegal, mir reicht's nämlich für heute. Ich verabschiede mich von den beiden, was mein Herzchen kaum mitbekommt, weil der vermutlich längst im Himmel schwebt. Gestern noch ein totaler Loser und heute hat er Martin aufs Auge gehauen und ein hübsches Mädel an seiner Seite.

Nach diesem ganzen Stress bräuchte ich jedenfalls dringend etwas Entspannung, sprich... einen guten Fick! Wollte es eh immer schon mal mit 'nem Engel treiben, also schmeiße ich mich neben ihn auf die Couch und becirce ihn. Fassungslos muss ich aber feststellen, dass er nicht darauf anspringt, was ich echt nicht begreife, weil ich wirklich toll bin. Ich meine, ich habe Topmodelmaße, bin überirdisch schön und jeder...ich wiederhole jeder...würde sich Arme und Beine ausreissen, um mich vögeln zu dürfen.

»Du hast eine viel zu hohe Meinung von dir«, erklärt die Lichtgestalt und schiebt den Träger meines Kleidchens rauf. »Ich bin nicht hier um mich von einer drittklassigen Heiligen verführen zu lassen also sei so nett und pack deine Möpse wieder ein, ja?«

»Impotenter Drecksack«, fauche ich, stopfe meinen ERSTKLASSIGEN Superbusen ins Kleid und poltere gefrustet in mein Schlafzimmer.


Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich mich bei Martin so bollerig benommen habe. Normalerweise bin ich einfühlsamer aber...mann, das dauert mir eben alles viel zu lange. Irgendwann ist die Schonfrist abgelaufen und meine Geduld am Ende.

»Na, Herzchen...was macht die Nase?«

Daniel grabscht sich vorsichtig an den Zinken. »Fühlt sich an, als hätte ich eine Kartoffel im Gesicht.«

»Sieht auch so aus. Wie bist du bloß auf die Idee gekommen, dich mit Martin zu prügeln? Hast du ausversehen Rambo-Pillen geschluckt, oder was?«

»Er hat doch angefangen«, verteidigt er sich.

Dafür bekommt er von mir erstmal einen Schlag gegen den Hinterkopf. »Blödmann. Wir sind hier nicht im Kindergarten.«

»Aber es stimmt doch. Ich hab mich nur mit Lena unterhalten und plötzlich beschimpft der mich und brüllt, ich soll seine Freundin nicht anmachen.«

»Hast du sie denn angemacht?« will ich wissen.

»Nein.«

»Warum nicht? Die ist doch süß, oder?«

»Weiß ich nicht.«

»Na, du wirst sie dir doch wohl angesehen haben.«

»Ja, hab ich.«

Och komm schon, Herzchen. Gib's endlich zu. »Und?«

»Ja, sie ist ganz süß«, antwortet er genervt.

»Aber?« frage ich genauso genervt.

»Sag mal, Schola, was willst du eigentlich?«

Ich seufze theatralisch. »Dass du dich mit Martin verträgst.«

»Hast du den Verstand verloren?« fragt er fassungslos.

»Hör mal, du musst das doch verstehen. Gerade eben frisch von seinem Babe getrennt und sieht, wie es mit dir flirtet. Da wärst du an seiner Stelle auch ausgeflippt.«

Daniel schüttelt den Kopf. Mh, kann ich verstehen. Ich meine, warum soll er sich mit jemandem anfreunden, der ihm in die Fresse haut?! Mann, denk nach, Schola, dir muss etwas einfallen!!

»Ich...äh...bin übrigens noch mit Lena verabredet, also wenn du bitte...äh...«

WAS?? Wirft der mich raus? Ich geh kaputt. Mein Herzchen leidet offensichtlich an einem Hauch von Grössenwahn. Da macht der einmal das Maul auf und meint, dass er jetzt der absolute King ist, oder wie sehe ich das? Junge, du bist noch lange nicht soweit, dass dir deine Schulkumpanen freundlich auf den Rücken klopfen, wenn sie dich sehen. Es sei denn, sie wollen dir einen Idiotenzettel drankleben. Und Lena...was hat die mit meinem Herzchen vor? Jahrelang hält sie ihn für einen Trottel und plötzlich verabredet sie sich mit ihm?

Mädchen sind doch echt einfach gestrickt. Kaum prügelt sich ein Boy und sagt »Fick dich«, schon sabbern die dem hinterher.

»Soso, du triffst dich also mit Lena...was habt ihr denn vor?«

»Keine Ahnung«, antwortet Daniel sichtlich nervös.

»Knutschen, was?« grinse ich und boxe ihm leicht in die Rippen.

»Nein«, kreischt er und wird rot, »ich meine...äh...«

Herzchen, ICH weiß genau, was du meinst. Komm schon, versuch's...es ist ganz einfach!

»Also wir haben irgendwie gemerkt, dass wir total viele Gemeinsamkeiten haben und...äh, naja, wir wollen einfach nur so rumhängen.«

»Mein liebes Herzchen, Jungs hängen mit Mädchen niemals einfach nur so rum. Jungs wollen Mädchen flachlegen.«

Er verdreht die Augen. »Ich kenne Lena seit ein paar Tagen.«

»Irrtum. Ihr kennt euch seit der sechsten Klasse. Außerdem ist das total belanglos. Jungs sind dauergeil und...du bist doch wohl ein Junge, mh?«

»Ich möchte so eine Unterhaltung nicht führen, Schola.«

Okay, ich komme hier nicht weiter. Und ich bin hier unerwünscht, also verschwinde ich lieber und statte Martin einen Besuch ab.

Oha, der ist nicht gerade besonders erfreut. Aber hübsch sieht er aus mit seinem gelbgrünvioletten Farbspektakel am Auge.

»Hi, ich wollte mich nur noch mal überzeugen, dass es dir gut geht«, lächle ich.

»Es geht mir gut. Auf Wiedersehen.«

Ich lege meinen Arm um seine Schulter. »Lass uns reden, mh, was hältst du davon?«

»Gar nichts«, brummelt er.

»Hör mal, es tut mir leid, dass ich so direkt war. Ist halt meine Art.«

»Du denkst, dass ich eine Schwuchtel bin.«

»Zuerst einmal ist Schwuchtel kein sehr nettes Wort. Und weiter...was ist denn so schlimm an der Tatsache, dass du auf Jungs stehst?«

»Die Tatsache, dass ich NICHT auf Jungs stehe, du mir das aber andauernd unterstellst?« schlägt er vor.

»Pass auf, Tigerchen...wir sind hier total unter uns, du kannst also offen sprechen. Warum hat es dich so auf die Palme gebracht, als du Daniel und Lena zusammen gesehen hast? Du hast schließlich mit ihr Schluss gemacht.«

»Na und? Deshalb muss sie sich noch lange nicht mit diesem Penner abgeben.«

Ja haben denn alle außer mir den Blödsinn?

»Was geht dich das eigentlich alles an? Wieso rede ich überhaupt mit dir? Ich kenne dich kaum.« Er schüttelt verwirrt seinen hübschen Kopf. »Stört es dich denn nicht, wenn dein Freund...«

Ich kriege einen Lachanfall. Etwas hysterisch aber...mann, noch komplizierter ist wohl kaum möglich.

»Daniel ist mein Nachhilfeschüler und sowas wie ein kleiner Bruder für mich.«

»Ach ja?« fragt er und seine Augen blitzen angriffslustig. Das heißt, nur das eine blitzt. Das lädierte glänzt fettig. Der muss Salbe oder sowas draufgeschmiert haben, was aber eigentlich nichts zur Sache tut. »Und woher hat der dann den Knutschfleck?«

Okay, ich krieg mich langsam vor lachen nicht mehr ein. Gott, ist der süß.

»Der ist dir aufgefallen, ja? Hast dir mein Herzchen in dem Schummerlicht aber genau angesehen«, grinse ich. »Naja, okay, das Teil stammt in der Tat von mir aber das war nur Spaß. Daniel ist zwar niedlich aber ein bisschen zu jung für mich, you know?! Übrigens...ich weiß nicht, ob du's bemerkt hast aber du bist grad total eifersüchtig.«

Martin wird sehr rot an den Wangen. »So'n Quatsch.«

»Ich wette, DU hättest ihm gerne diesen verdammten Knutschfleck verpasst. An seinem weichen Hals genuckelt. Mit deinen Fingern durch sei...«

»Würdest du jetzt bitte gehen«, unterbricht er mich matt.

»Martin, ich weiß längst, dass du in Daniel verliebt bist. Herzchen, das ist völlig okay.«

Er lässt sich auf die Couch fallen. »Na super. Mein Leben ist vorbei.« Ohne Vorwarnung fängt er plötzlich an zu zittern und bricht in Tränen aus. Ohhhh...ich liebe verheulte Jungengesichter. Aber auch das tut nichts zur Sache. Ich ziehe ihn in meine Arme und wiege ihn eine Weile.

»Ich...ich will das nicht aber...ich hab immer diese...ich meine...verdammt...jetzt hasst er mich...und alle anderen werden mich hassen...und...und ich hasse mich und...scheiße...wieso muss der so toll sein? Ich hab ja versucht, ihn nicht toll zu finden...aber wenn ich ihn sehe... wenn ich an ihn denke...immerzu denke ich an ihn...«, heult er.

»Weißt du...Daniel würde sich unheimlich gerne mit dir vertragen, weiß aber nicht, wie er das anstellen soll. Ich glaub, er hat ein bisschen Angst davor.«

Ungläubig sieht er mich an. »Ehrlich?« schnieft er.

»Ich sollte dir das ja eigentlich gar nicht sagen aber...er mag dich. Ich denke, wenn du den ersten Schritt machen würdest...«

Martin schüttelt wild den Kopf. »Das...das kann ich nicht. Niemals.«

»Klar. Du gehst einfach hin und entschuldigst dich.«

»Nein, ich kann nicht mit ihm sprechen. Mein Kopf ist total leer, wenn er vor mir steht und mich ansieht.«

»Dann wirst du dich eben zusammenreißen. So schwer ist das nicht. Immerhin konntest du ihm sehr eindrucksvoll sagen, dass er ein Pisser ist und so weiter.«

Er schüttelt abermals den Kopf. »Ich will ihn einfach nur vergessen.«

Na klar...ihn jeden Tag in der Schule vor der Nase zu haben wird die Sache logischerweise vereinfachen!


Die Lichtgestalt hat sich schon wieder über meine Vorräte hergemacht. So ein verfluchter Gierschlund. Wenn der nicht so unglaublich schön wär, hätte ich ihm schon längst in seinen himmlischen Arsch getreten.

»Also«, beginnt er kauend, »mir ist zu Ohren gekommen, dass Daniel sich mit einem Mädchen trifft.«

»Und?« frage ich angeekelt.

»Gute Arbeit. Über die Prügelei will ich mal kein Wort verlieren.«

»Is mir doch scheißegal.«

»Warum bist du schlecht gelaunt? Läuft doch alles so, wie wir uns das vorgestellt haben. Jetzt können sich die zwei endlich verlieben.«

Sein Gefasel geht mir total auf den Sack. Der hat ja wohl von nichts eine Ahnung. Außerdem habe ich schlimme Sexualfrustration. Wieso kann der Blödmann mich nicht einfach ficken?

Ach so...weil es grad klingelt. Mann, will ich jetzt vielleicht Besuch haben?? Supergenervt reiße ich die Tür auf.

»Hi, Süße!«

Elendig lange Beine in schwarzen Netzstrümpfen, schwarzer Mini, hohe Doc's und ein bemerkenswert enges Oberteil. Honigblonder Pagenkopf und ein betörend schönes Gesicht.

»Jeanne...was tust du denn hier?« brülle ich, schlinge meine Arme um sie und küsse sie kurz auf den Mund.

»War grad in der Gegend«, grinst sie.

Jeanne kommt alle paar Monate mal vorbei, bleibt für drei, vier Tage und danach brauche ich meist eine Woche, um mich zu erholen. Jeanne ist ein absolutes Party-Tier! Noch viel viel schlimmer als ich.

Sie schlendert ins Wohnzimmer und stößt einen Schrei aus. »WOW...Schola...wer ist denn der Engel auf deiner Couch?«

»Oh nein, die Jungfrau höchstpersönlich«, murmelt die Lichtgestalt.

Haha...wenn der wüsste!

»ER hat ihn hergeschickt«, erkläre ich, worauf Jeanne heftig kichert.

»Bist IHM wohl mal wieder zu langsam, was? Aber wieso setzt ER dir dann um alles in der Welt so eine Fickschnitte vor die Nase? Ich meine, da is doch Ablenkung vorprogrammiert.« Haha...wenn die wüsste!

»Vergiss es...sein einziges Laster ist, mir die Haare vom Kopf zu fressen«, entgegne ich.

»Na bei deinen dünnen Flusen würde ich glatt verhungern«, antwortet die Lichtgestalt scheißfreundlich.

Okay, ich hab mich dran gewöhnt, dass ich nicht mit üppigen Goldlocken gesegnet bin wie das Christkind aber mich darauf anzusprechen ist ein schwerer Fehler.

»Du impotentes Arschgesicht!«

Die Lichtgestalt lächelt. »Deine Beschimpfungen sind nicht sehr originell. Lass dir mal was neues einfallen.«

»Schwanzloser...SEELENLOSER Bastard!«

»Oh, das war gemein, Schola«, bemerkt Jeanne.

Das findet die Lichtgestalt anscheinend auch, denn sie springt auf und wenig später knallt die Wohnungstür zu.

Jeanne legt ihren Arm um mich. »Au weia...dich hat's ja ganz schön erwischt, was? Dann setze ich gleich noch eins drauf...dein Bruder hat nach dir gefragt.«

»Benedikt? Was hast'n du mit dem Jammerlappen zu schaffen?«

»Wir haben uns verschiedentlich getroffen. Ich soll dich grüßen.«

»Der soll sich ficken«, erwidere ich finster.

Jeanne wird ein bisschen rot. Ich halt's nicht aus. »Oh nein...sag bloß, du hast...«

»Nur einmal«, antwortet sie hastig.

»Wieso? Ich dachte, du stehst nicht auf Männer.«

Sie streicht mir lächelnd Haare hinters Ohr. »Er ist dein Zwillingsbruder...außerdem sollte man nichts ablehnen, was man nicht versucht hat.«

»Und? Konnte er dich bekehren?«

»Nicht wirklich«, flüstert sie und drückt ihren kleinen Schmollmund auf meine Lippen. Ihre Hände wandern unter mein Shirt über meinen Busen und stellen da ziemlich nette

Sachen an. »Nicht, wenn ich dich haben kann«, haucht sie und ist drauf und dran, mich gleich hier auf der Couch zu vernaschen, entscheidet sich dann allerdings doch dagegen.

»Lass uns ausgehen und Spaß haben. Mal nicht an Arbeit und unwillige Engel denken.«

»Ich bin nicht in Stimmung.«

Jeanne strahlt. »Aber wenn ich dir sage, dass VANI auf Tour ist und heute abend spielt...hey, die nicht zu sehen ist Sünde.«

Da hat sie verdammt recht. VANI ist nämlich toll. Ein echtes Elektro-Prinzessinnen-Babe. Superlustige Bühnenausstattung (Bügelbrett, Teetassen, Pantomimekeyboard) und sie hat eine sagenhafte Stimme.

»Okay, überredet«, grinse ich.


Daniel steht ziemlich fassungslos in der Tür. »Was willst du denn hier?«

Sein Gegenüber starrt nervös auf ein zerknittertes Stück Papier, stopft es eilig in seine Hosentasche, holt tief Luft und sieht ihn an. »Hallo. Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen...dafür, dass ich dir auf die Nase gehauen habe und mich in Dinge eingemischt habe, die mich überhaupt nichts angehen. Ich hab mit Lena Schluss gemacht, also kann sie tun und lassen, was sie will. Es tut mir alles sehr leid und ich hoffe, du verzeihst mir.«

Daniel schüttelt den Kopf. »Hast du dir das etwa aufgeschrieben?«

Martins Wangen verfärben sich. »Äh...ja, so irgendwie. Ich dachte...also, ich wollte nichts Wichtiges vergessen und...«

»Dich wie ein totaler Vollidiot benehmen?« vervollständigt Daniel amüsiert, worauf Martin bedröppelt die Schultern hängen lässt.

»Ich...ich hab's aber wirklich so gemeint. Es tut mir leid.«

»Okay. Und nun sind wir Freunde, oder wie?«

Das Gesicht des Jungen hellt sich ein wenig auf. »Das fänd ich schön.«

»Also bitte ich dich jetzt in mein Zimmer und wir hocken uns vor den Computer, glotzen irgendwelche Filme und reden über Parties und Weiber und so?«

»Ähem...naja...«

Daniels Augen verengen sich. »Sag mal, für wie blöd hältst du mich eigentlich? Wer von den Wichsern hat sich das ausgedacht, mh? Stehen die irgendwo und lachen sich den Arsch ab?«

»Was...was meinst du?« fragt Martin unsicher.

»Ist Lenas Interesse auch nur vorgetäuscht?«

»Keine Ahnung. Ich hab seit der Party nicht mit ihr gesprochen. Hab mich nicht getraut, weil ich nicht weiß, wie sauer sie noch auf mich ist.«

»Hör mal Schröder...ich hab's satt, mich wie einen Trottel behandeln zu lassen. Ab jetzt ist Schluss damit. Sag das den anderen und verpiss dich«, zischt Daniel wütend.

»Aber ich wollte...ich meine...«, stottert Martin hilflos und Daniel bemerkt plötzlich, dass die Augen des Jungen feucht glänzen. »Entschuldige...ich...es war wohl...ich gehe besser.«

Daniel ist hin und her gerissen. »Warte«, ruft er sanft, »komm halt rein.«

»Willst du was trinken?«

Martin schüttelt den Kopf und reibt nervös die Ärmel seines Shirts zwischen den Händen. Daniel hat keine Ahnung, was er sagen oder tun soll, also setzt er sich einfach aufs Bett und blickt Martin an. Dabei fällt ihm auf, wie weich Martins Lippen aussehen und wie gerne er ihm diese verflixten Ponysträhnen aus den Augen streichen würde. Er erinnert sich an seine Wichsfantasie und schaut verschämt zu Boden. Ihm ist unerträglich heiß, in seinem Kopf beginnt es eigenartig zu sirren und eigentlich ist ihm Martins Nähe unheimlich. Seine Unsicherheit verwirrt ihn. Es scheint ihm weniger gefährlich, wenn Martin ihn wie einen Idioten behandelt. Es ist leichter, wenn er diesen süßen Jungen einfach nur hassen kann. In bestimmten Situationen an einen Jungen, an Martin, zu denken ist schon schrecklich aber ihn jetzt in seinem Zimmer zu haben...das ist fast zu viel.

»Dani...«

Sein Kopf schnellt nach oben. »Ja?«

Martin wippt unsicher vor und zurück, dann macht er einige schnelle Schritte und geht vor Daniel in die Hocke. »Ich find dich süß«, sprudelt er hervor und küsst ihn kurz auf die Wange. Bevor der überraschte Daniel noch etwas sagen kann, springt Martin auf und läuft davon.


Wow...ich bin total fertig. Die drei Tage mit Jeanne haben mich echt ausgepowert, waren aber wahnsinnig lustig. Ich glaube, sie war ein bisschen enttäuscht, weil ich mich von ihr nicht hab vernaschen lassen. Normalerweise gerne, ich finde Jeanne toll und Sex mit ihr ist immer ziemlich gut...aber es ging einfach nicht. Und an allem ist dieser blöde, verfressene, sture, bezaubernd schöne Engel-Döskopp schuld. Dabei verliebe ich mich eigentlich gar nicht. Ich meine, ich begeistere mich für Männer (manchmal auch Frauen) und schlafe gerne mit ihnen aber verlieben? Nee. Eher nicht. Jetzt gehe ich am Stock, weil die Lichtgestalt seit vier Tagen verschwunden ist und ich keine Ahnung habe, ob ich sie jemals wieder sehe.

Die Wohnung kommt mir plötzlich so leer vor, ohne meinen Engel. Oh mein süßer Engel. Wie gerne hätte ich ihn wenigstens einmal geküsst. Diese kleinen blassroten Lippen. Meine Güte...jetzt hänge ich hier und schnüffle wie bekloppt an dem Kissen, auf dem die Lichtgestalt andauernd lag. Zutiefst mit der Welt und zerfallen hole ich sämtliche Süßkramvorräte aus'm Schrank und meine Anti-Depressions-Videokollektion unterm Bett hervor. Blondinen bevorzugt, Breakfastclub, Susan verzweifelt gesucht, Wonderboys usw. Super...jetzt kann ich mich nicht entscheiden, was ich mir nun ankucken soll. Ich könnte kotzen. Während ich mir selber wahnsinnig leid tue, dreht sich ein Schlüssel in irgendeinem Schlüsselloch und kurz darauf grinst mich die Engelvisage an. Mein Herz bleibt stehen.

»Hey, was'n hier los? Party mit dir allein, oder was?« Er durchwühlt aufmerksam die Videos und strahlt. Dann legt er eine Kassette ein und stubst mich an. »Rutsch mal'n Stück.«

Na klar. Jetzt darf ich mir DOGMA zusammen mit einem Engel ansehen. Ich halts nich aus!

Mein Hirn hat sich verabschiedet. Ich kann mich nur in die eine Ecke der Couch verkriechen und ihm nur supernervös Rumkugeln anbieten. Naja und Loki und Bartleby kann ich natürlich auch noch toll finden.

In der Mitte des Films hab ich meine Sprache wiedergefunden. »Wieso bist du eigentlich zurückgekommen?«

Die Lichtgestalt räkelt sich aufreizend und präsentiert mir ein Stück nackte Haut plus niedlichen Bauchnabel. »Hatte Hunger. Außerdem ist deine Arbeit noch nicht erledigt. Und jetzt halt die Klappe, ich will den Film sehen.«

Ich will zuerst ihn kaputt schlagen und dann mich selber. Man könnte meinen...zusammen fernsehen, hey, da kommt man sich doch auf jeden Fall näher, da muss man doch einfach kuscheln. Pah, vergesst es. Der Engel-Arsch denkt nämlich gar nicht daran und ich traue mich nicht. Dabei würde ich soooo gerne...mit ihm kuscheln. Der sieht nämlich wahnsinnig weich aus. Weich und wunderschön und einfach nur zum verlieben. Das ist logischerweise seine Masche. Ich meine, er ist nunmal ein Engel und die müssen schön sein. Und ich falle auch noch drauf rein. Ist doch echt zum totlachen!


Ach herrje...Daniel sieht so aus, wie ich mich fühle. Zerknittert mit Augenringen bis zum Fuß.

»Hey, was ist denn los?«

»Wenn ich das wüsste«, murmelt er, schlurft in sein Zimmer und lässt sich aufs Bett fallen.

Ich schmeiße mich neben ihn. »Also?«

»Und was ist mit dir? Du siehst aus, als hättest du stundenlang geheult.«

»Allergie«, erkläre ich. »Außerdem geht's nicht um mich.«

»Martin war hier.«

»Aha?«

»Ja...der hat sich entschuldigt und...naja, er hat sich entschuldigt.«

»Ist doch gut.«

Mit einem Ruck setzt er sich auf. »Schola...er hat gesagt, dass er mich süß findet.«

Was? Hat der den Verstand verloren? Wie kann der sowas machen, wenn ich nicht dabei bin? Naja, was soll's...Hauptsache, es ist endlich raus.

»Und?«

»Dann hat er mich geküsst...hier.« Daniel streicht verträumt über seine Wange. Oh ist das goldig. Mensch, das ging ja ganz schön fix. Hätte ich Martin gar nicht zugetraut.

»Und dann ist er abgehauen. Einfach so. Schola...was mache ich denn jetzt?«

»Na, ihm sagen, dass du ihn auch gern hast«, antworte ich und schlage ihm leicht gegen den Hinterkopf.

»Woher weißt du...ich meine...du kannst das gar nicht wissen. Niemand weiß das.«

»Ist doch unwichtig«, unterbreche ich ihn. »Sag ihm, was du fühlst.«

»Das kann ich nicht. Ich...ich bin viel zu verwirrt. Wieso macht der sowas aufeinmal? Die ganze Zeit bin ich für ihn der Trottel und...und außerdem war er mit Lena zusammen. Das ist doch sicher alles nur ein Witz. Aber er war ganz nervös und ich glaube, er hat gezittert. Ich weiß nicht...«, seufzt er. »Ich muss nachdenken. Ich muss...keine Ahnung. Das war ein blöder Scherz, nichts weiter.«

»Und wenn nicht? Ich meine, überleg doch mal, was er riskiert. Du könntest es überall rumerzählen und dich über ihn lustig machen.«

»Oder er erzählt rum, dass ich eine Schwuchtel bin.«

Dass Jungs immer mit diesem schrecklichen Wort hantieren müssen. »Naja, sieh's doch mal so...du hast nicht wirklich was zu verlieren. Dich halten eh schon alle für einen Blödkopp. Und sollte das ein Witz sein, biste eben ein schwuler Blödkopp. Jedenfalls schlage ich dir dringend vor, du findest raus, ob Martin es ernst mit dir meint. Oder hast du ihn vielleicht gar nicht gern genug?«

»Keine Ahnung.«

Ich lege ihm meinen Zeigefinger unters Kinn. »Das ist doch gelogen, Daniel, mh?«

»Warum kann der nicht einfach weiterhin das Arschloch sein, von dem ich nur träume? Jetzt ist alles so kompliziert.«

»Naja...jetzt musst du mal was machen, anstatt dich immer nur zu verkriechen und den anderen zuzuschauen. Hey, überleg mal, was für aufregende Dinge passieren könnten, wenn du dich traust. Carpe diem, Herzchen. Schnapp dir deinen Schnuckel.«

Als ich nach Hause komme, trifft mich der Schlag. Das heißt...nicht sofort. Zuerst höre ich nur so merkwürdige Geräusche. Ich schleiche lauschend durch die Wohnung und bin mir sicher, dass die Geräusche aus meinem Schlafzimmer kommen. Eigenartig. Vorsichtig spähe ich durch den offenen Türspalt...

Lasst mich das mal völlig klar stellen. Ich weiß ganz genau, wann ich es mit schwulem Sex zu tun habe und das, was direkt vor meiner Nase abläuft, ist hardcore schwuler Sex!! Und ich rede jetzt nicht über ein wenig fummeln unter der Bettdecke...mein Engel lässt sich gerade total heftig durchficken. Normalerweise könnte ich das ganz nett finden aber...mir ist irgendwie nach kaputtgehen. Wie kann der sowas in MEINEM Bett machen? Ohne mich??

Mein Herz ist total gebrochen.

»Hoffentlich wechselt ihr hinterher wenigstens das Laken«, sage ich sehr deutlich. Zwei verschwitzte rote Visagen blicken mich erschrocken an. Nee, erschrocken ist nur die Engelfresse. Die andere...

»Hi, Schwesterchen«, grinst mein blöder Zwillingsbruder Benedikt.

Okay, jetzt trifft mich endlich der Schlag!! Und ich werde fuchsteufelswild.

»Sag mal, hast du den Irrsinn? Wie kannst du in MEINEM Bett mit MEINEM Engel vögeln, hä??« kreische ich.

»Entschuldige, ich wusste nicht, dass er dir gehört.«

»Du...du Penner. Was willst du überhaupt hier?«

»Eigentlich sehen, wie's dir so geht. Hab dich nämlich vermisst und als du nicht da warst... äh...naja«, erklärt Benedikt und deutet auf die Lichtgestalt, die sich blödsinnigerweise unter der Bettdecke versteckt.

»Ihr verschwindet sofort aus meinem Schlafzimmer. Am besten auch sofort aus meinem Leben.«

»Schola, sei doch nicht so ungemütlich«, entgegnet Benedikt lässig.

Ich gehe in Gedanken meine Besteckschublade durch und suche nach einem großen Messer.

»Ihr...ihr gottverdammten ARSCHFICKER!!« bölke ich und stürme ins Wohnzimmer.

Okay, das schlimme Wort tut mir leid. Ich bin nur so wütend und...ich hasse Benedikt. So eine Pissnelke. Der hat mir bis heute nicht verziehen, dass er mal eine Nacht nicht in seinem Kloster übernachten konnte, sondern bei mir bleiben musste. Das sagt doch wohl alles, oder?

Nur mit Boxershorts bekleidet setzt Benedikt sich neben mich. »Ich hatte mir unser Wiedersehen echt anders vorgestellt«, mault er. »Dachte, du freust dich.«

Der ist so dreist...mir verschlägt's doch glatt die Sprache.

»Schnapp dir deinen Freund und verpiss dich.«

»Warum bist du denn so sauer?«

HAHA...wo soll ich denn da anfangen? Erstmal hat der sich meine große Liebe geangelt, die für ihn natürlich nichts weiter als eine gute Nummer ist. Zweitens hat der mir wirklich Jahrhundertelang diese Kloster-Übernachtungsgeschichte vorgeworfen. Und drittens wird Benedikt verehrt bis zum Schwachsinn, während ich in der Versenkung verschwunden bin. Klar, bin ja auch nur eine Frau. Zum Kotzen ist das. Auf der ganzen Welt wimmelt es von Benediktinern und wo zum Arsch sind die Scholastikerinnen??

»Schola«, sagt er sanft, »ich möchte mich wirklich mit dir vertragen. Du fehlst mir.«

Ich schiebe seinen Arm, der sich um meine Schulter geschlängelt hat, weg. »Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du deinen Schwanz in den Engelhintern gesteckt hast. Und jetzt geh mir aus den Augen.«

»Hey, ich konnte doch nicht wissen, dass er...dass du...läuft da was zwischen euch?«

Haha...guter Witz! »Glaubst du echt, ich würde sowas mit dir besprechen? Mann, ich kenne dich überhaupt nicht und ich ziehe es vor, es dabei zu belassen. Also, welchen Teil von Verschwinde Aus Meinem Leben hast du nicht verstanden?«

»Du machst es einem wirklich schwer, dich lieb zu haben, Schwesterchen«, seufzt er und ich bin echt kurz vorm Amoklauf. »Okay, darf ich mich wenigstens noch anziehen?«

»Du hast fünf Minuten.«

Er steht auf und dreht sich noch einmal zu mir um. »Wo ist deine Gastfreundschaft geblieben, mh? Und was ist mit Nächstenliebe?«

»Wenn du Liebe willst...fick deinen gottverdammten Engel«, entgegne ich. »Und jetzt...mach dich vom Acker.«

»Ich weiß aber nicht, wo ich hin soll«, entgegnet er zerknirscht.

»Setz dich auf seinen Rücken und fliegt in den Himmel.«

»Kann...kann ich nicht wenigstens ein oder zwei Nächte...Schola, komm schon, ich bin schließlich dein Bruder.«

Mir ist eh schon alles egal. »Mach doch was du willst«, zische ich.


Okay, Liebeskummer hin oder her...ich muss meine Arbeit hier erledigen, sonst hab ich nie meine Ruhe.

»Hi, Herzchen.«

Daniel strahlt und zwar ungefähr so wie ein hardcore geschmückter Christbaum.

»Was ist denn mit dir los?« frage ich leicht angeekelt. Ich hasse es, fröhliche Leute zu sehen, wenn's mir selber so schlecht geht.

»Oh Gott, Schola...du wirst nicht glauben, was passiert ist. Es...oh wow...ich bin...« weiter kommt er nicht, weil er unterbrochen wird. Und zwar von - ich halt's nicht aus - Martin. Der erscheint plötzlich hinter ihm, schlingt seine Arme um Daniels Brust und strahlt genauso irre. Sicher hatten die Pilze zum Frühstück. Äh...moment mal...ist mir vielleicht irgendwas entgangen, als ich mir die Augen aus dem Kopf geheult habe, weil mein Engel lieber mit meinem bekloppten Bruder kuschelt anstatt mit mir?

»Soso...bei euch ist wohl die große Liebe ausgebrochen, ja?«

Martin und Daniel nicken heftig. Wie schön. Mission erfüllt, ich wünsche den beiden ein nettes Leben. Leider muss ich mir aber vorher noch ihre Lovestory reinziehen. Und ihr Geknutsche. Und ihre Anfasserei. Und ihr Kichern. Und ihr verliebtes Getue. Und ich? Ich will Bomben werfen.

Ja, die zwei sind wirklich extrem süß...so mit verstrubbelten Haaren (weil die sich ja ständig gegenseitig drin rum wuseln), geröteten Wangen, Herzchenaugen, Händchenhalten und Küsschen Küsschen...ich kann's mir nur momentan nicht geben. Kriege einfach das Bild von Benedikt, der die Lichtgestalt vögelt, nicht aus'm Schädel. Außerdem komme ich mir langsam total verarscht vor. Ich meine, wieso um alles in der Welt entpuppen sich alle als schwul? Wieso steht mein Engel auf Schwänze und warum hab ich verdammt noch mal keinen?? Nicht, dass ich wirklich versessen drauf bin, Kerl zu sein, aber wenn ich so die Lichtgestalt für mich gewinnen könnte...

Die beiden Boys hier sind sich grad selbst genug und finden es anscheinend nicht weiter unhöflich, mir ihr pubertäres Bravo-Petting zu präsentieren. Martin liegt halb auf Daniel, dessen Hand an Martins Bauch friemelt. Ich kann in aller Deutlichkeit die Zungen der beiden sehen, bevor sie sich küssen.

»Ich will einen Knutschfleck«, flüstert Daniel so laut, dass ich's nicht überhören kann. »Magst du mir einen machen?«

Martin kichert verschämt und nuckelt sogleich heftig an Daniels Hals.

Ich fühle mich sehr einsam und gehe unbemerkt nach Hause. Auf dem Weg dahin latsche ich ausversehen in einen Kaugummi. Meine Laune ist echt unten. Zum Glück war's keine Hundekacke.

Benedikt fläzt auf der Couch. Vom Engel keine Spur.

»Hey, Schwesterchen...was machst'n für'n Gesicht?«

Ich muss echt total verzweifelt sein, weil ich mich nämlich auf seinen Schoß setze und schmollend meine Arme um ihn schlinge. »Ach Bennie...alles ist so schrecklich.«

Er küsst zärtlich meine Stirn. »Was denn alles?«

»Ich weiß auch nicht. Alle um mich herum sind verliebt und glücklich.«

»Meinst du deine beiden Boys?« fragt er zwinkernd. »Das ist es doch, was du wolltest...wenn auch nicht, was du solltest. Der Engel war ganz schön angepisst.«

»Die zwei sind aber füreinander geschaffen. Die finden sich doch seit Monaten schon toll. Warum soll ich Dani Lena aufdrängen, wenn er Jungs lieber mag?«

»Ich finde, du hast das ganz richtig gemacht, Süße.«

»Das sagst du doch nur, damit ich dich weiter hier wohnen lasse«, entgegne ich beleidigt.

»Gar nicht. Aber wenn du nichts dagegen hast...«, grinst er.

»Keiner liebt mich«, schniefe ich und kuschel mich tiefer in Benedikts Arme. Mhhh...der riecht nach meiner Vanille-Bodylotion.

»Ich liebe dich.«

»Du zählst nicht. Wir sind schließlich verwandt. Ich meine, was stimmt nicht mit mir? Wieso will mich niemand?«

»Ich will dich«, flüstert er und knabbert an meinem Ohr.

Äh?

Seine Hand, die eben noch sehr unschuldig auf meinem Knie lag, setzt sich in Bewegung; streicht über meinen Schenkel und schiebt mein blassblaues Flatterkleidchen rauf.

ÄH???

»Bennie...du bist mein Bruder.«

»Na und?« wispert er und küsst meinen Hals.

»Ehrlich...das wär so, als würde ich mich selber vögeln.« Wir sind Zwillinge, you know?!

»Komm her, Engel«, sagt er plötzlich mit einer unwiderstehlichen Fick-mich-Stimme.

Ich muss mich zu Tode erschrecken und meinen Schädel in Richtung Tür drehen. Au weia... da steht die Lichtgestalt, die uns mit offenem Mund anstiert. Sicher schmeißt er sich gleich in sein Kettenhemd, zieht sein Schwert und hackt uns beiden die Rübe ab. Unbegreiflicherweise schlendert er aber lächelnd auf die Couch zu und setzt sich neben uns. Äh...ich bin etwas irritiert.

»Ich hab euch wohl gestört?«

Auf Benedikts Gesicht erscheint ein wirklich sehr dreckiges Grinsen. Er legt meinem Engel seinen Zeigefinger unters Kinn. »Sei lieb...dann darfst du mitmachen.«

ICH GEH KAPUTT!! Langsam nähert sich die Engelschnute Benedikts Lippen und...argh... die küssen sich. Oh wow, sieht das scharf aus. Mir wird augenblicklich sehr heiß. Besonders als weiche Engelfinger sanft über meinen nackten Schenkel streichen, Bennies eine Hand die Jeans der Lichtgestalt öffnet und hineingleitet, seine andere Hand sich in mein Haar vergräbt und...wir aufeinmal zu dritt knutschen. Und das ist nur der Anfang.

Au mann...dafür kommen wir alle drei in die Hölle!!!


Zwei Monate später bin ich nicht in der Hölle sondern immer noch in Berlin. Mein Engel ist weg. Wir hatten eine wundervolle, leider viel zu kurze, Affaire. Ehrlich gesagt sind wir unsterblich ineinander verliebt aber wie's nunmal so ist, darf es für einen Engel und eine Heilige kein Happy End geben. Sicher hockt der Süße grad auf seiner Wolke und vermisst mich. Ich vermisse ihn auch. Ganz ganz doll.

Benedikt treibt sich irgendwo in der Weltgeschichte rum aber wir wollen in Kontakt bleiben.

Für Daniel läuft es in der Schule schon ein wenig besser...schließlich ist er jetzt mit Lena befreundet. Er und Martin sind bis zum Schwachsinn verliebt, was natürlich geheim bleiben muss. Man darf eben heutzutage alles sein...nur schwul immer noch nicht wirklich. Besonders als Teenager nicht. Da können noch so viele Homo-Herren durchs Fernsehen geistern und demonstrieren, wie toll das ist. Naja, zum Glück haben die zwei ja eine kleine heilige Fee, die ihnen ab und zu ihre Wohnung für ausgedehnte Kuschelorgien zur Verfügung stellt.

Und ich? Ich streife durch die Stadt und suche mir zwei neue Herzchen...und einen ordentlichen Crimper!

AMEN

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