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Sommernachtstraum

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Vorwort

Vor kurzem erschien hier meine Kurzgeschichte »Frühlingsgefühle« - eine Art »Trailer« zu einer möglichen Fortsetzung. Da ich ja Neuland betrete in puncto Geschichten schreiben, versuche ich mich zunächst an einer Reihe Kurzgeschichten, quasi als »Probe«. Aber auch Jan und Dennis werden immer eine Rolle darin spielen - ihr werdet sie also unter verschiedenen Aspekten kennenlernen.

Hier erst einmal eine weitere Kurzgeschichte von mir. Viel Spaß beim Lesen wünscht

Chris

 

»Aufstehen, Großer...«, hörte ich es vor der Tür rufen. Wie jeden Morgen und pünktlicher als mein Wecker - meine Mum. Nach einem kurzen Blick auf das elektronische Gerät, das nie zuverlässlich funktioniert, war mir klar, dass meine Mum mich vor dem Verschlafen gerettet hatte.

Nach dem üblichen allmorgendlichen Prozedere wie waschen, anziehen, die Matte auf dem Kopf in irgendwelche geordnete Bahnen bändigen, begab ich mich nach unten in die heilige Halle meiner Mum, die Küche. Wie jeden Morgen gab es hier frische Brötchen, eine große Tasse Cappuccino und die üblichen Sorgefloskeln meiner Mum.

Heute würde der letzte Schultag vor den Sommerferien sein, bevor ich mal wieder sechs Wochen Langeweile schieben würde, weil die meisten meiner Freunde mit ihren Eltern in den Urlaub fahren würden - ohne mich. Seitdem mein Vater vor drei Jahren mit seiner neuen Flamme abgehauen ist, waren meine Mum, mein 12-jähriger Bruder Benny und ich alleine in diesem großen Haus, das meine Eltern damals gekauft hatten. Da meine Eltern nicht gerade arm waren und eine eigene Firma besaßen und auch heute noch besitzen, konnten wir in unserem Haus bleiben, während mein Vater sich »mal eben mir nix - dir nix« ein neues gebaut hatte.

Ach ja, ich bin übrigens noch 15, gehe heute zum letzten Mal in die 9. Klasse der örtlichen Realschule, heiße Christian, aber alle anderen nennen mich nur - wie soll´s auch anders sein - Chris. Ach ja, da wäre noch zu sagen, dass ich seit etwa drei Jahren weiß, dass ich mit Mädchen nichts anfangen kann, dafür aber Jungs ganz interessant finde - kurz gesagt, dass ich schwul bin. Im übrigen weiß das auch meine Mum und mein Bruder findet das auch okay, ebenso wie meine Freunde.

Jetzt war ich bereits auf dem Weg zur Schule, Gott sei Dank heute ohne schwere Schultasche, denn die Bücher hatten wir letzte Woche schon abgegeben. Heute würden wir eh nur zwei Stunden in der Schule rumsitzen, das Jahr Revue passieren lassen und zum Schluss die, für die einen schlechten und für die anderen guten, Zeugnisse bekommen. Ich bin zwar kein Streber und war es auch nie gewesen, aber mit einem Notendurchschnitt von jährlich etwa 2,4 bis 2,6 konnte ich noch recht zufrieden sein.

In der Schule passierte auch nicht viel. Neben dem üblichen Geplärre unserer Klassenlehrerin, wie chaotisch wir doch in diesem Jahr wieder waren und sie mehrere Male an den Rand eines Nervenzusammenbruchs geführt hätten, gab es nach zwei Stunden dann im Schnellformat unsere Zeugnisse, bevor wir mit einem »Schöne Ferien und lernt ausnahmsweise nicht allzu viel« entlassen wurden.

Als wir gerade aus dem Schulgebäude raus kamen, musste ich meinen bis dahin recht schnellen Gang abrupt stoppen, denn am Schultor stand er . Er, dessen Anwesenheit auf unserer Schule mir erst vor kurzem bewusst geworden war. Er, dessen Gesicht genauso unschuldig aussah wie der Rest seines Körpers. Er, der mir insgeheim schon mein Herz gestohlen hatte. Ihm würde ich mein Herz sofort schenken - wenn er es denn wollte.

Hinter mir stand plötzlich Dennis, ein Klassenkamerad aus unserem Jahrgang, der auch schwul war, aber leider vergeben an seinen besten Freund namens Jan. Früher hatten Dennis und ich recht viel Kontakt, aber der schlief leider mit der Zeit etwas ein. Aber ich weiß, dass es nicht an Jan gelegen haben kann, denn zu ihm hatte ich nach wie vor ein gutes Verhältnis, auch wenn wir uns nun kaum noch in unserer Freizeit trafen oder sahen.

Dennis meinte dann plötzlich »Hey, der is´ süß, nicht? Sprich ihn doch einfach mal an«, und grinste mich dann auf eine Art an, die ich bis dahin von ihm nicht kannte... es war kein fieses oder böses Grinsen, sondern ein liebes und ehrliches. Aber ihn ansprechen? Unmöglich... nicht heute, nicht morgen. Niemals. Oder doch?

Denn in genau dem Moment drehte sich dieser süße Junge zu mir um und grinste mich an. Es war ein ehrliches, süßes, liebes Grinsen, das beinahe über beide Ohren ging. Ich blieb stehen, worauf wiederum Dennis mir in den Rücken knallte, weil er - wie immer - nicht nach vorne sah, sondern sich mit einem seiner Freunde unterhielt.

Als ich nach vorne sah, kam er in meine Richtung. Ja genau, ER kam auf mich zu. Es waren nur noch wenige Meter und ich glaubte, immer mehr seinen Atem spüren zu können. Natürlich war es eine Sinnestäuschung, aber in meinem jugendlichen Leichtsinn darf man doch wohl mal etwas rumspinnen, oder?

Als er ungefähr 30 Zentimeter vor mir stand, blieb mir fast der Atem stehen. Und in diesem Moment des zeitweiligen Atemstillstandes hörte ich eine der bis dahin süßesten Stimmen, die ich je gehört hatte.

»Hi, ich hab´ die letzten Tage gemerkt, dass du mich beobachtet hast.«

»Mist«, dachte ich. Woher weiß er das? In der Tat, ich hatte ihn schon seit ein paar Wochen bemerkt. Bemerkt ist falsch - regelrecht studiert hab´ ich ihn. Seine Gesten, sein Gesicht, seinen Körper... alles. Nun war kein Ausweg mehr zu finden. Und ehrlich gesagt - ich wollte es auch nicht.

»Ja, ehm... ja, habe ich«, stotterte ich mir einen zurecht und muss dabei knallrot geworden sein, denn irgendwie fing er noch viel süßer an zu grinsen.

»Hey - brauchst doch nicht so nervös zu werden. Kann es sein, dass du mich süß findest?«, brachte er dann recht trocken heraus, ohne aber einmal einen seiner Mundwinkel in Richtung Erde zu ziehen. Im Gegenteil, sie schienen mir immer mehr nach oben zu wandern.

»Ehm, ja, ich finde dich süß. Aber woher weißt du, dass ich dich immer beobachtet habe?«, fragte ich dann ziemlich nervös.

»Naja, weil's mir irgendwie nicht anders geht. Was machst du heute? Ich hätte Lust in der Stadt irgendwo zu shoppen und danach ein Eis zu essen. Hast du auch Lust?«, fragte er mich. Und diesmal war er es, der leicht nervös wurde.

Hatte ich richtig gehört? Er wollte mit mir etwas unternehmen?

»Ja, klar hab´ ich Lust... ich muss nur eben mein Zeugnis nach Hause bringen. Komm doch einfach mit«, bot ich ihm an.

«Okay, ich habe ja Zeit.«

Also gingen wir in Richtung Elternhaus. Zu Hause angekommen, bat ich ihn herein, schnappte mir aus der Küche zwei Gläser und eine Flasche Cola und wir gingen danach hinauf in mein Zimmer. Er schaute sich um und setzte sich danach auf mein Bett und schien irgendwie nervös. Ich beobachtete ihn schon eine ganze Weile, bevor ich wahrnahm, dass er mich ebenfalls beobachtete.

»Was ist? Hab ich gekleckert oder was ist los?«, fragte ich ihn etwas erschrocken.

»Nein, aber ich habe mir jetzt die Frechheit herausgenommen, dich einmal aus der Nähe ganz direkt zu beobachten. Außerdem tust du das doch schließlich auch?«, konterte er. Womit er natürlich Recht hatte.

Von da ab ließen wir nur noch unsere Blicke sprechen. Jeder für sich sprach Bände, und jeder versuchte, aus den Blicken des anderen zu lesen. Plötzlich erhob er sich vom Bett und auch ich stand auf, bis wir dicht voreinander standen. Unsere Köpfe näherten sich in einer ewigen Zeitlupengeschwindigkeit, und schließlich berührten sich unsere Lippen.

Und in diesem Augenblick verschmolzen wir miteinander, unsere Küsse wurden fordernder, die Zungen versuchten sich einen Weg freizumachen. Schließlich legten wir uns auf mein Bett, und jeder fing allmählich an, den Körper des anderen zu ertasten und zu streicheln, doch plötzlich wurde es hell und eine laute Stimme rief:

»Aufstehen, Großer, du hast fast verschlafen...« - und mein schönster Traum war abrupt zum Ende gekommen.


Träume sind was Schönes - nur leider sind sie schnell zu Ende und die Realität hat uns wieder. Aber lebe Deine Träume - und vielleicht werden sie doch wahr. Wer weiß?

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