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Der Mörder und der Grafensohn - Gelöst von der Moral

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Es regnet. Die Tropfen trommeln gegen die Fensterscheibe. In so einer Nacht ist sie gestorben. Wurde erschossen. Mein Blick bleibt an dem Wald hängen. Dieser Ort ist verflucht. So viel Unheil ist dort geschehen. Der Teufel höchstpersönlich muss dort wohnen. Es ist die Hölle.

„Wo bist du wieder mit deinen Gedanken, Ludwig? Du solltest ins Bett gehen.“ Er...Wie konnte ich ihn nur hier reinlassen? Mitleid? Nein, auch wenn er zitternd auf dem Balkon stand, ich hätte ihm nicht Einlass gewähren dürfen. Nicht nach dem, was er getan hat. Ich sollte ihn verabscheuen. Ihn hassen. Tue ich das nicht? Ja, vielleicht. Doch da ist noch mehr. Viel mehr. Wenn ich ihn ansehe, dann ist da so eine Macht, der ich mich nicht entziehen kann. Der Reiz des Verbotenen? Meine Verlobte weiß nichts davon. Zum Glück. Auch mein Vater hat keine Ahnung. Wie würde er reagieren? Wahrscheinlich würde er mich verstoßen. Ja, das würde er tun.

„Ich kann nicht einschlafen.“, entgegne ich fast lautlos. In der Fensterscheibe kann ich erkennen, dass er auf mich zukommt. Ich habe Angst vor ihm, doch ich sehne mich nach seinen Berührungen. Niemand verursacht solche Gefühle bei mir. Wie dumm und verdorben ich doch bin. In einer Grafenfamilie sollte so etwas niemals vorkommen. Auch ich selbst hätte niemals erwartet, dass ich etwas für einen Mann empfingen könnte. Doch so ist es nun einmal. Und es ist wunderbar.

Er tritt nah hinter mich. Ich spüre seinen kalten Atem. Er scheint noch immer zu frieren. Ja, er zittert. „Dir ist kalt.“

„Ja.“, antwortet er knapp. Es scheint ihm aber nichts auszumachen. Wie sollte es auch? Jemand, der einen Menschen umbringen kann, der ist im Herzen so kalt, dass er so etwas nicht mehr spürt. „Mir ist immer kalt...“ Welch Melancholie in seiner Stimme liegt. Ich kann kaum mehr klar denken. Ich drehe mich zu ihm um. Seine Augen. Sie sind wunderschön. „Kannst du mich wärmen?“

Ich würde alles für ihn tun. Egal, was er verlangt. Nicht zuletzt, weil Mutter es so will. Als sie dort am Boden lag, da hat sie gesagt: „Egal was er verlangt, gib es ihm. Auch wenn es deine Liebe oder dein Leben sein sollte.“ Ich wusste zuerst nicht, was sie meinte, doch mit der Zeit habe ich begriffen. Niemand sonst kann mich glücklich machen.

„Ja...ich tu alles, was du willst...“, flüstere ich wie in Trance. Das alles ist wie ein Traum. Ein Alptraum? Ich stehe hier vor einem Mörder...Und doch sehe ich nicht die Gefahr.

Er kommt meinem Gesicht näher. Ich drehe meinen Kopf weg. Ich zweifle. Was tue ich hier eigentlich? Das ist unsittlich, gegen jede Moral! Und doch...ich will es erleben, mit allem spüren, was ich habe. Für diese eine Nacht.

„Hab keine Angst...“ Dann hebt er meinen Kopf an und ich spüre seine kalten Lippen auf meinen. Wie wunderbar sich das anfühlt. Wir sehr es doch brennt.

Ich hasse ihn. Ich liebe ihn.

Ich verfluche ihn. Ich vergöttere ihn.

Er ist alles, was mir Angst macht. Er ist alles, was ich habe.

Er ist mein Leben.

Er ist der Mörder meiner Mutter.

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