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Spontanes Outing
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Informationen
- Story: Spontanes Outing
- Autor: Gilbert
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 3
- Kapitel 4
- Kapitel 5
- Kapitel 6
- Kapitel 7
- Kapitel 8
- Kapitel 9
- Kapitel 10
- Kapitel 11
- Kapitel 12
- Kapitel 13
Kapitel 1
Als erstes möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin Kai, 18 Jahre jung und gehe in die zwölfte Klasse eines Gymnasiums in unserer Stadt. Dort will ich auch im nächsten Jahr mein Abi machen.
Ich bin 1,76 cm groß, schlank und habe schwarze Haare.
In der Schule bin ich eher ein Einzelgänger, aber kein Außenseiter. Ich bin nur nicht der Typ, der das ganze Wochenende auf irgendwelchen Partys rumhängt. Da bleibe ich lieber zu Hause und lerne. Das wirkt sich natürlich auch auf meine Schulnoten aus.
Eine Freundin habe ich zurzeit nicht; nicht weil nicht will, es hat sich einfach noch nicht ergeben. Und ehrlich gesagt, das stört mich auch nicht groß.
Anfang Januar bekommen wir als Hausaufgabe ein Referat für die nächsten drei Wochen. Wir sollen in Zweierteams zusammenarbeiten. Die Teams werden vom Lehrer frei bestimmt.
Ich musste mit Patrick zusammenarbeiten. Patrick ist in meinem Alter, 1,80 cm groß, schlank und hat blondgelockte Haare.
Für das Referat hatten wir drei Wochen Zeit. Da ich neben meinem Zimmer noch einen Raum hatte, den ich als Arbeitszimmer nutzte, vereinbarten wir, dass wir uns in den drei Wochen nachmittags bei mir treffen wollten. Dort wollten wir in der Zeit auch die anderen Hausaufgaben gemeinsam machen.
Wir haben in diesen drei Wochen sehr intensiv gearbeitet, so dass wir schon am Donnerstagabend fertig waren. Als Belohnung wollten wir dann am Freitag eine lange DVD-Nacht bei mir einlegen. Ich habe eine umfangreiche DVD-Sammlung.
Die Arbeit in den drei Wochen hatte sehr viel Spaß gemacht, und Patrick, zu dem ich bisher nicht sonderlich viel Kontakt hatte, war auch ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Ich hoffte insgeheim, dass wir auch weiter zusammen lernen würden.
Am Freitag kam Patrick pünktlich um 19:00 Uhr zu mir, er hatte wie besprochen etwas zu trinken mitgebracht. Ich hatte für Knabbereien gesorgt. Wir bestellten uns Pizza und ich legte den ersten Teil von Star Wars ein.
Kapitel 2
„Was hältst du davon, wenn wir unsere Jeans ausziehen und nur in Boxer auf dem Sofa sitzen?“, fragte ich Patrick, und er fand die Idee gut. „Sorry“, sagt er, „ich habe nur den Pullover an und kein Shirt drunter. Das ist mir so aber zu warm, stört es dich?“
"Nö, mach ruhig. Sind ja unter uns. "
So sitz ich in Shorts und in Shirt links und er nur in Shorts rechts auf dem Dreiersofa.
Ich dachte mir, warum er wohl keine Freundin hat, er hatte ein gleichmäßiges Gesicht und ebenfalls ein leichtes Sixpack. Alles in allem ein sehr schöner Mensch.
„Ich fand die letzten Wochen sehr schön“, sagte ich zu ihm. „Das gemeinsame Lernen und so.“
„Ja, ich fand das auch sehr angenehm", antwortete Patrick dann. Wieder schauten wir schweigend den Film.
Immer wieder erwischte ich mich dabei, ihn anzusehen, was war nur mit mir los? Ich bin doch nicht schwul, oder doch? Mit Mädchen hatte ich ja auch noch nie wirklich was gehabt. Und dieser halbnackte Junge in meinem Zimmer erregte mich durchaus. Zum Glück hatte ich mir eine Decke übergelegt.
Gegen drei Uhr war ich doch recht müde: „Weißte was, ich leg mich hin, bin hundemüde.“
„Ja, gute Idee, ich auch, wenn du weg bist, ist das Sofa doch frei.“
„Ach was", antwortete ich, „da kannste doch nicht richtig liegen, komm mit ins Bett. Wir sind doch beide erwachsen."
Ich wusste selber nicht, wieso ich diesen Satz sagte, aber ich konnte ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht erkennen. Auch aus Angst vor mir selbst versuchte ich, die Situation zu entschärfen, und sagte: „Nimm du dann am besten die Decke mit, ich habe meine ja im Bett liegen.“ Ich glaubte, eine leichte Enttäuschung in seinen Augen erkennen zu können.
Wir lagen dann in meinem breiten Bett, jeder unter seiner Decke. Obwohl ich ziemlich müde war, wollte es mir nicht gelingen einzuschlafen. Immer wieder musste ich daran denken, dass Patrick neben mir lag. Aber diese Gedanken durfte ich eigentlich nicht haben. „Kannst du auch nicht einschlafen, Kai?“, fragte mich Patrick. „Ne, irgendwie nicht.“ Ich sah zu ihm rüber und bemerkte, wie er mich fast anstarrte.
Dann bewegte er seinen Kopf zu meinem und fing an, mich zu küssen. Ich wollte und sollte mich eigentlich wehren, aber aus irgendeinem Grund öffnete ich meinen Mund, erwiderte den Kuss und sorgte dafür, dass seine Zunge in meinen Mund wandern konnte. Wir knutschten so einige Minuten. Mein Verstand gewann dann die Überhand und ich löste mich von dem Kuss.
„Was sollte das denn jetzt?“, fragte ich Ihn etwas barsch. Patrick erschreckte regelrecht über meine Tonlage und murmelte enttäuscht: „Entschuldige bitte.“ Dann stand er auf und wollte sich anziehen. „Nein, ich muss mich entschuldigen“, sagte ich, „das sollte gerade nicht so hart klingen. Bitte bleib hier, ich glaube, wir müssen mal etwas reden“. Er sah mich fragend an. „Komm bitte zurück in´s Bett.“
Er legte sich zu mir und ich legte meinen Arm um ihn und sagte erstmal nichts. Ich wollte ihn den Anfang machen lassen. Nach einigen Minuten Stille sagte er plötzlich: „Ich habe mich in dich verliebt, da ist mir das mit dem Kuss so übergekommen.“
Stille.
Ich sagte auch erstmal nichts. Ich ahnte, dass er noch mehr sagen wollte, drückte ihn quasi als Unterstützung fest an mich. „Ich dachte einfach, als du sagtest, wir können die Hosen ausziehen und mich dann auch in dein Bett eingeladen hast, dass du auch was für mich empfindest. Entschuldige bitte.“
„Patrick, jetzt höre mir bitte mal zu, du brauchst dich für nichts zu entschuldigen, ich habe den Kuss ja erwidert und ich fand das sehr schön. Ich war nur etwas überrascht. Ich hatte damit nicht gerechnet, mit dem Kuss und auch nicht mit meiner Reaktion.“ Wieder herrscht Stille im Raum.
„Ich würde dir gerne mal eine Frage stellen, Kai?“
„ Ja, bitte gerne.“
„Du darfst mir aber nicht böse sein.“
„Verspreche ich dir, also frag.“
„Empfindest du auch etwas für mich? Ich meine, mehr als Freundschaft?“
„Patrick, ich habe die letzten Wochen mit die sehr genossen und habe auch sehr viel an dich gedacht. Den Kuss eben mit dir fand ich auch sehr schön, und wie du jetzt in meinen Armen liegst, das gefällt mir. Ich kann sicher sagen, dass ich mehr als Freundschaft für dich empfinde.“
Patrick schaut mich erwartungsvoll an, er merkt, dass bei mir ein ABER folgen wird.
„Ich weiß aber nicht, ob das Liebe ist.“ Ich mache eine kurze Pause. „Weißt du, ich habe bis heute Abend nie darüber nachgedacht, ob ich eventuell schwul sein könnte, geschweige denn etwas mit ´nem Kerl anzufangen. Irgendwie war für mich immer klar, dass ich irgendwann mal eine Freundin haben, diese dann heiraten und mit ihr zusammen Kinder haben werde.“
Wieder eine Pause, Patrick schaut mich etwas enttäuscht an. Er hat seinen Kopf mittlerweile auf meiner Brust liegen.
„Heute Abend hat sich aber viel geändert, glaube ich. Als du eben halbnackt mit mir auf dem Sofa gesessen hast, muss ich zugeben, dass mich das doch erregt hat. Dann der Kuss, den ich sehr genossen habe. Und dass du jetzt hier bei mir in meinem Bett liegst, finde ich auch sehr schön. Ich mag dich wirklich sehr und finde es auch sehr angenehm, mit dir Zeit zu verbringen. Ich bin mir auch sicher, dass meine Gefühle für dich über die reine Freundschaft hinausgehen. Nur kann ich nicht sagen, ob das Liebe ist und ob ich bereit bin, eine schwule Beziehung zu führen.“
„Ich würde dir gerne Zeit geben, damit du deine Gefühle für mich ordnen kannst.“
„Mhhhh, ich mag dich sehr gerne und will dir nicht wehtun. Deswegen musst du dir über eines im Klaren sein, egal was heute Nacht noch passiert zwischen und beiden: Es kann sein, dass es das erste und letzte Mal gewesen ist. Könntest du damit leben?“
„Ja, Hauptsache, ich darf in deiner Nähe bleiben.“
Ich konnte nicht anders, ich musste ihn jetzt küssen. Daraus entwickelte sich eine wilde Knutscherei, die mit meinem ersten Gaysex (meinem ersten Sex überhaupt) endete. Wir schliefen dann eingekuschelt ein.
Am nächsten Morgen wachte ich als erstes auf, in meinem Arm lag Patrick. Ich überlegt, was heute Nacht passiert war: Wird hatten eine sehr schöne Nacht erlebt und meine Gefühle fuhren gerade Achterbahn. Bin ich jetzt schwul? Oder doch nicht? Aber warum hat mir das hier alles so viel Spaß gemacht? Warum fühlte ich mich so wohl, wenn Patrik jetzt in meinen Armen lag?
Ich dachte über alles intensiv nach. Dann traf ich eine Entscheidung.
Als Patrick erwachte, sah er mich mit großen Augen an. Ich gab ihm einen Kuss auf den Mund und sagte: „Danke“
"Wofür?"
"Für diese Nacht. Das war traumhaft, und jetzt neben dir aufzuwachen, wunderschön"
Patrick wirkt etwas verstört, denn er weiß noch nicht, wie er meine Worte interpretieren soll.
„Ich fand es ja auch schön, aber … was heißt das jetzt für uns?“
Kapitel 3
„Patrick, ich weiß, ich habe dir gesagt, dass ich mir erst über meine Gefühle im Klaren sein muss. Ich mag dich sehr gerne, du fehlst mir, wenn du nicht da bist, und die letzte Nacht war traumhaft. Ich war heute Morgen einige Zeit vor dir wach. Habe dein Gesicht gesehen und war glücklich. Also was ich sagen will, das kann nur Liebe sein, was ich für dich empfinde.“
Ich beuge mich zu ihm rüber und gebe ihm einen Zungenkuss. Seine Augen sind am Strahlen.
„Willst du denn wirklich mit mir zusammen sein, Kai?“, fragt Patrick.
„Ja, ich will nichts lieber im Moment.“
„Auch … naja, in der Öffentlichkeit?“
„Mhhh, ich finde, wir sollten uns nicht verstecken.“
„Das könnte aber sicher hier und da Schwierigkeiten geben.“
„Ok, da hast du sicherlich Recht, aber meine Freunde sind da, glaube ich, ziemlich cool drauf. Und deine?“
„So viele habe ich gar nicht, halt ein paar Typen, mit denen ich rumgehangen habe, weißte ja, wollte eh keiner was von mir wissen. Und ich bin nicht so der direkte Typ, der auf andere zugeht.“
„Okay, das habe ich von gestern Abend allerdings etwas anders in Erinnerung“, lachte ich.
„Ejj, das war was anderes.“
Ich gab Ihm wieder einen langen Kuss.
„Aber da ist ja noch ein ganz anderes Problem“, sagte ich. „Wie ist das mit unseren Eltern?“
Es folgte eine lange Stille.
Ich ergriff wieder das Wort: „Ich glaube, mein Vater würde das ganz cool sehen, hoffe ich zumindest, und bei dir?“
„Keine Ahnung, müssten es drauf ankommen lassen.“
„Wir können es ihnen ja gemeinsam sagen.“
„Stimmt, eine gute Idee.“
„Und wann?“
„Bei dir heute Mittag und bei mir heute Nachmittag?“
„Okay.“
Wir duschten uns, zogen uns an und gingen in die Küche, wo mein Vater schon am Frühstückstisch saß.
„Guten Morgen.“
„Guten Morgen, habt ihr gut geschlafen?“
„Ja, ganz okay, und du?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Wie kann es?“
„Es war ziemlich laut heute Nacht.“
Mir blieb der Bissen im Hals stecken, ich war mir sicher, dass er mit „laut“ nicht die Musik oder den Fernseher meinen konnte. Patrick lief rot an und versank ganz in seinem Stuhl.
Mein Vater blickte uns erwartungsvoll an.
Ich fand als erstes wieder Worte und stammelte sowas wie: „Wenn ich dir jetzt sage, dass wir ´nen Porno geschaut haben, glaubst du das sicherlich nicht. Oder?“ Da lacht mein Vater: „Nee, ganz sicher nicht. Aber nun beruhigt euch doch mal wieder. Ist doch kein Problem. Wenn ihr auf Jungs steht, dann ist das halt so. Warum nicht. War nur etwas überrascht heute Nacht.“
Ich atmete tief durch und nahm Patrick bei der Hand. Er war immer noch wie erstarrt.
„Also gut“, sagte ich dann, „wir sind schwul, wir hatten Sex heute Nacht, wir lieben uns und wollen zusammenbleiben.“
„Das dachte ich mir, zumindest bei den ersten beiden Punkten“, sagte mein Vater und grinste vor sich hin.
„Eigentlich wollten wir dir das heute Mittag ja etwas schonender beibringen. Aber dafür war es jetzt ja zu spät.“
„Kann man so sagen. Und wie werden deine Eltern reagieren, Patrick?“
Er hat bis jetzt teilnahmslos dem Gespräch zugehört. Jetzt erwacht er aus seiner Trance: „Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, ich hoffe, die nehmen das so locker wie Sie.“
„Da klappt schon. Eltern sollten Ihre Kinder nämlich lieben, wie sind.“
Kapitel 4
Am Nachmittag saßen wir bei Patricks Eltern zu Kaffee und Kuchen. Wir unterhielten uns über die Schule und das bevorstehende Abi in eineinhalb Jahren.
Irgendwann fasste Patrick seinen Mut zusammen und sagte: „Mama, Papa, ich, nein wir müssen euch was sagen.“
„Ja, dann schieße mal los, Sohn.“
„Also ihr habt ja sicherlich gemerkt, dass ich noch keine Freundin hatte?“
„Ja.“
„Das ist nämlich so, ich, also ich finde nichts an Mädchen, ich bin schwul.“
Seine Mutter schaute seinen Vater an und grinste: „Siehst du, ich hatte Recht, eine Mutter kennt ihre Kinder halt.“
Nun ist es Patrick, der seine Eltern etwas ratlos anschaute: „Äh, wie, du hattest Recht?“
Worauf seine Mutter nur leicht grinsend antwortete: „Weißt du, mein Junge, eine Mutter weiß viel besser über die Gefühle ihrer Kinder Bescheid, als ihr Männer manchmal glauben wollt.“ Patrick wusste anscheinend immer noch nicht, wie er jetzt reagieren sollte, also fuhr seine Mutter fort: „Also dein Vater und ich haben uns auch schon mal darüber unterhalten, weil ich so einen Verdacht hatte. Du brauchst jetzt auch keine Angst haben oder so.“
„Du bist unser Sohn, Patrick, und das bleibst du auch. Egal wenn du liebst“, ergänzte sein Vater. Jetzt war es Patrick, der seine Eltern umarmte: „Ich habe euch beide auch lieb, aber ich möchte, dass ihr wisst, dass Kai hier mein Freund ist.“ Den Rest des Nachmittags verbrachten wir dann bei Kaffee und Kuchen und Patricks Eltern hatten allerhand Fragen, um mich besser kennenzulernen.
Natürlich wollten sie auch meinen Vater kennenlernen und sprachen daher für kommenden Samstag eine Einladung zum Essen aus.
Da wir an diesem Tag einen Vater-Sohn-Abend geplant hatten, nahm ich die Einladung für uns beide an. Natürlich in der berechtigten Hoffnung, dass mein Vater einverstanden ist.
An dem Abend saßen wir bei Patrick auf seinem Zimmer, es war typisch für einen 18-jährigen eingerichtet, ein Bett, ein Schreibtisch, ein Sofa mit Tisch und ein Kleiderschrank, farblich war es auch sehr geschmackvoll.
Wir setzten uns auf sein Sofa und ließen den Tag einfach nochmal Revue passieren, nicht ohne uns zwischendurch mit Küssen zu verwöhnen.
„Meinst du, dein Dad nimmt die Einladung an?“, fragte mich Patrick.
„Ich glaube schon, er freut sich eigentlich immer, wenn er neue Leute kennenlernen kann. Manchmal ist das echt schon nervig.“
„Wieso?“
„Naja, er geht halt gerne auf Leute zu und kann eigentlich mit jedem ein Gespräch beginnen, und naja, einmal, wenn wir zusammen unterwegs sind und er wieder mit wildfremden Leuten irgendwelche Gespräche führt, kann das schon mal nerven.“
„Verstehe, aber sonst versteht ihr euch?“
„Oh ja, er ist der beste Vater, den man sich vorstellen kann.“
„Das ist doch schön.“
„Aber deine Eltern scheinen ja auch ganz in Ordnung zu sein“, setzte ich das Gespräch fort.
„Ja, ich habe keinen Grund, mich zu beklagen.“
„Hast du eigentlich noch Geschwister?“
„Ja, eine Schwester, die zwei Jahre älter ist als ich. Sie studiert Mediendesign und lebt mit ihrem Freund zusammen“, erklärte mir mein Schatz. Es folgte eine etwas längere Knutscherei.
Irgendwann nahm Patrick das Gespräch mit einer neuen Frage auf: „Ich würde dich gerne mal was Persönliches fragen, lebst du eigentlich mit deinem Vater alleine?“
Ich überlegte kurz und antwortete dann: „Ja, schon seit zwölf Jahren, meine Mutter meinte damals, ihr Leben verwirklichen zu müssen; ich glaube, sie lebt jetzt irgendwo in Thailand. Ich weiß aber auch nicht, was sie genau macht. Ist mir aber, ehrlich gesagt, ziemlich egal.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Muss es aber nicht, mein Dad und ich haben uns ziemlich gut arrangiert und das funktioniert alles ganz toll, auch mit Haushalt und allem.“
Nach der nächsten Knutschrunde bemerkte ich, dass es doch so langsam Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Ich schlenderte durch die Gassen unserer Stadt und dachte über den Tag nach.
Was war heute alles passiert? Ich hatte zum ersten Mal geküsst, aber einen Jungen und kein Mädchen, und ganz wichtig: Es hatte mir gut gefallen.
Ich dachte mir: Schön, jetzt eine Beziehung zu haben; dass dies mit Patrick war, störte mich auf gar keinen Fall, im Gegenteil.
Ich wusste, mit dem süßesten Jungen unserer Stadt zusammen zu sein.
Kapitel 5
Als die Schule am Montag wieder anfing, hielten wir uns doch noch etwas zurück. Ich wollte meinem besten Freund Levin die ganze Geschichte unbedingt persönlich erzählen.
Nur war er das ganze Wochenende auf einem Familientreffen und ich hatte auch vor Montagmorgen keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.
Wie jeden Morgen trafen wir uns pünktlich zum Unterricht in unserer Klasse. Levin kam, setzte sich auf seinen Platz zu mir und grinste mich an: „Na alles fit?“
„Klar, wieso fragste so komisch?“
Levin musterte mich von oben bis unten, er kannte mich doch besser, als ich dachte.
Wir kennen uns ja auch schließlich seit dem Kindergarten. Von Anfang an waren wir beste Freunde. Wir hatten nie irgendwelche Geheimnisse voreinander. Wir waren wie Brüder, und, ganz ehrlich, da war auch nie mehr.
Ich meine, bis zum letzten Wochenende war mir ja auch gar nicht klar gewesen, dass ich durchaus Gefallen am selben Geschlecht entwickeln könnte.
Aber auch wenn es anders gewesen wäre, mit Levin, das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Obwohl er sicherlich nicht unattraktiv ist, blonde mittellange Haare, sportliche Figur, Sixpack; ein absoluter Mädchenschwarm halt. Und das weiß er auch auszunutzen. (Nur mal so im Vertrauen.)
„Komm schon, Junge, ich kenne dich fast mein ganzes Leben und dir kann ich ansehen, dass irgendwas passiert ist dieses Wochenende“, riss er mich aus meinen Träumen.
Diesmal bin ich es, der ein Grinsen draufhatte: „Ja, mein Freund, da ist was passiert. Aber nicht hier, nach der Schule im Nest, ja?“
„Okay, wie du meinst.“
Dann kam auch schon unser Mathelehrer Herr Schneider, einer der wenigen vernünftigen Pauker auf unserer Penne und zufällig auch noch ein sehr guter Freund meines Vaters.
Kapitel 6
Ja, unser Nest.
Kurz hinter der Stadtgrenze gab es ein kleines Waldstück. Als Kinder waren wir immer dort zum Spielen und Toben, was Jungs halt so machen. Irgendwann endeckten wir eine versteckte Lichtung im Unterholz.
Hier trafen wir uns seitdem immer, um irgendwelche Geheimnisse auszutauschen beziehungsweise einfach mal unsere Ruhe zu haben.
Also sind wir nach der Schule an diesem Montag zusammen in unser Nest gegangen.
Ich muss dazu sagen, dass ich Patrick von meinem Vorhaben erzählt hatte. Auch dass ich bei diesem Gespräch mit Levin allein sein wollte beziehungsweise musste.
Nicht dass irgendjemand Patrick in diesem Teil der Geschichte vermisst.
Im Nest setzten wir uns hin, öffneten jeder unsere Cola, die wir mitgebracht hatten, und Levin sah mich jetzt erwartungsvoll an: „Also raus mit der Sprache, was ist los mit dir?“
„Naja, das ist jetzt nicht ganz so einfach für mich, aber ich hoffe, dass du mich irgendwie verstehen kannst.“
„Jetzt hör aber mal auf, wir sind Freunde, seit wir denken können, ich würde dich immer verstehen.“
„Also gut, machen wir es kurz und schmerzlos, ich bin kein Single mehr.“ Levin schaute etwas irritiert zu mir rüber: „Und das war jetzt so schwer; wer ist denn die Glückliche?“
„Ja, also das ist es ja, es ist keine Sie, es ist Patrick.“
Das war, glaube ich, das erste Mal, dass ich erlebte, dass Levin keine Worte fand. Er starrte mich mit offenem Mund an. Irgendwann fand er dann seine Worte wieder. Ich hatte mich nicht getraut, irgendetwas zu sagen.
„Also willst du mir jetzt sagen, dass du schwul geworden bist?“
„Ja, so in etwa, nur ich nehme mal an, dass ich das schon immer war, nur hatte ich das bisher noch nicht gemerkt.“
Ich versuchte, irgendwie sein Gesicht zu deuten, nur das fiel mir gerade absolut nicht leicht.
„Jetzt sag da mal was dazu, Alter.“ So langsame wurde ich sauer, aber Levin schien seine Sprache doch wiedergefunden zu haben: „Sorry, aber …“ Ich fürchtete jetzt die schlimmste Reaktion, aber da täuschte ich mich. Levin fing dabei an zu grinsen: „Was soll ich dazu sagen, vermutet hatte ich sowas ja öfter schon.“
„Wie, was, warum das den jetzt?“
„Na komm, du hättest tausende Freundinnen haben können, aber immer wieder hast du Rückzieher gemacht, wenn es ernster wurde. Ich habe echt bei ein paar Mädels gedacht, wenn er auf die nicht anspringt dann muss er schwul sein.“
Mir fielen tausend Steine vom Herzen: „Also hast du da nichts dagegen und wir sind weiter beste Freunde?“
„Manchmal bist du ein echter Trottel“, schaute Levin mich fassungslos an, „natürlich sind wir weiter beste Freunde, du weißt doch, was wir uns mit 14 geschworen haben?“
„Ja, nie würde uns ein Mädchen entzweien“, erinnerte ich mich.
„Genau, und da das sich bei dir ja etwas geändert hat, gilt dieses Versprechen nun auch für Jungs.“
Wir schlugen ein und umarmten uns. Ja, das war wahre Freundschaft. Nun erzählte ich Levin, wie Patrick und ich zusammengekommen waren und Levin freute sich auch darauf, Patrick näher kennenzulernen.
Kapitel 7
Später am Abend saßen Levin und ich dann bei mir im Zimmer, als es an der Tür läutete. Meine Mutter ließ den erwarteten Besuch herein, und so konnte ich endlich meinen Freund meinem besten Freund vorstellen. Klar, sie gingen auf eine Schule, aber Levin hatte bisher, genau wie ich bis zu besagter Woche, eigentlich keinen Kontakt zu Patrick gehabt.
Wie dem auch sei, die beiden verstanden sich auf Anhieb, und ich kann nicht verleugnen, dass ich ziemlich froh darüber war. Während unseres Gespräches stellte Levin plötzlich eine Frage, die Patrick und ich bisher erfolgreich verdrängt hatten: „So Jungs, und wie habt ihr zwei Turteltauben euch das jetzt weiter vorgestellt?“ Wir schauten ihn an und wussten erstmal nicht genau, was er meinte. „Also bisher wissen eure Eltern und ich über euch beide Bescheid, wie wollt ihr das in der Schule jetzt machen?“
Wir unterhielten uns den Rest des Abends über alle möglichen Dinge, bis Levin dann auch nach Hause musste. Patrick schlief natürlich bei mir. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, wir haben wirklich nur geschlafen und gekuschelt.
Am Samstagabend um 18 Uhr machte ich mich dann mit meinem Vater auf zu Patricks Eltern. Standesgemäß hatten wir natürlich Blumen für die Dame des Hauses und einen guten Tropfen für den Hausherrn dabei.
Nach einem kurzen Beschnuppern begannen wir sofort eine angeregte Unterhaltung. Patrick und ich sahen uns dabei ziemlich erleichtert an: Unsere Eltern mochten sich.
Dann folgte auch schon der Höhepunkt des Abends, Patricks Mutter bat uns zu Tisch. Und ich kann euch sagen, was dann kam, war wirklich der Höhepunkt.
Das Kochen hatten mein Vater und ich uns in unserem Männerhaushalt zwar so leidlich beigebracht. Aber das war doch nichts gegen das Essen, das eine echte Hausfrau auf den Tisch bringt.
Als Vorspeise gab es einen leckeren Salat, gefolgt von einem genialen Hauptgang. Es gab Rouladen mit Rotkohl und Knödeln. Zum krönenden Abschluss ließen wir uns noch ein Tiramisu schmecken.
So vergingen die nächsten Wochen ziemlich ereignislos.
Patrick und ich verzichteten in der Schule jedoch aufs Händchenhalten und andere Zärtlichkeiten. Wir wollten uns zwar öffentlich outen, doch fehlte uns immer wieder der Mut.
Kapitel 8
Eines Morgens war es aber irgendwie anders in der Schule. Wir wurden schon am Morgen irgendwie komisch beäugt.
In der ersten Pause nahm ich mir Levin zu Seite und frage: „Sag mal, Alter, hast du ´ne Ahnung was hier heute los ist? Patrick und ich werden von allen Seiten komisch angesehen, die Mädchen tuscheln und kichern, wenn wir bei denen vorbei gehen.“
„Ich wollte dir das die ganze Zeit schon sagen. Laura aus der Parallelklasse hat euch wohl gestern Abend in der Stadt gesehen, als ihr euch einen Kuss gegeben habt. Sorry, aber ich glaube, ihr seid aufgeflogen.“
Laura! Das war hart. Vor einigen Wochen hatte sie sich richtig an mich rangemacht, aber sie hat von mir einen Korb nach dem anderen bekommen.
Das war dann eine Situation, die sie so ganz und gar nicht gewohnt war. Sie ist eine Person, die nur mit dem Finger zu schnippen braucht, und die Kerle stehen Schlange bei Ihr.
Diese Eigenschaft weiß sie auch sehr gut auszunutzen. Allerdings ist sie auch genauso oberflächlich. Eine reiche verwöhnte Bitch halt.
Zurückweisung kann sie allerdings auch nicht gut ertragen, und dann war mir auch klar, dass sie die Neuigkeiten sofort brühwarm weitertratschen muss.
„Da kannst du doch nichts für, Levin, sie will sich an mir rächen, und ich habe ihr dafür die Möglichkeit gegeben.“
„Und was willste jetzt machen?“
„Kein Ahnung, Alter, aber erstmal mit Patrick sprechen. Wir müssen Kriegsrat halten. Wir haben doch jetzt zwei Freistunden, wir sollten uns im Nest zusammensetzen.“
Da kam Patrick auch schon auf uns zu, er machte ein relativ verstörtes Gesicht.
„Sagt mal, wisst ihr, was hier heute los ist?“
„Ja“, antwortete ich, nach einem kurzen Blickwechsel mit Levin. „Komm, mit wir gehen zusammen in´s Nest.“
Dort angekommen, berichteten wir Patrick von den großen Neuigkeiten, und erstmal gab es ein großes Schweigen.
„Scheiße“, fing Patrick jetzt wieder die Unterhaltung an. „Dann ist unser Geheimnis ja raus. Was meint ihr, ob es jetzt Feindseligkeiten geben wird?“
„Glaube ich nicht“, fing mein bester Freund den Faden auf. „Dann wäre heute auch schon was passiert. Okay, ihr zwei seid jetzt das Obergesprächsthema an der Penne, aber das beruhigt sich genauso schnell wieder.“
„Du magst Recht haben“, antwortete ich. „Vor allem jetzt, wo das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sollten wir das Beste draus machen“
„Also meinst du, wir sollten jetzt ganz offen damit umgehen?“, fragte Patrick vorsichtig. „Dann hätte ich da mal eine Idee: Auf dem Pausenhof sind doch immer die verschiedensten Pärchen am Knutschen und am Händchenhalten. Kein Mensch stört sich daran. Ich finde, wir sollten das Gleiche auch machen.“
„Mmmh“, grübelte ich, „du könntest Recht haben, dann würde das Gerede am schnellsten aufhören.“
Gesagt, getan, der Entschluss war gefasst, und wir gingen zurück zur Schule. Wir kamen gerade pünktlich zur Pause an, stellten uns mitten auf den Schulhof und fingen eine wilde Knutscherei an.
Wir konnten ja nicht ahnen, was wir damit für ein Fass aufmachen würden.
Kapitel 9
Die Pause war zu Ende und wir gingen wieder in den Klassenraum. Dabei ging ein bestätigendes Raunen durch den Raum und einige Mädchen gratulierten uns sogar. Es war wirklich so: unsere ganze Klasse stand hinter uns. Wir freuten uns sehr darüber, als dann unser Klassenlehrerin Frau Meier in den Raum trat.
Sie machte ein ernstes Gesicht und sagte nur: „Kai und Patrick, ihr sollt zum Direktor kommen“, und schob nach einer kleinen Pause noch ein energisches „SOFORT“ hinterher.
Da wir uns keiner Schuld bewusst waren, klopften wir dann auch erwartungsvoll an.
„Herein“
Wir betraten das Büro. Unser Direx, Herr Schubert (knappe 60 Jahre, Halbglatze, Hornbrille und das Ganze in einem grauen Anzug), saß an seinem Schreibtisch und schien irgendwelche Unterlagen durchzugehen. Ohne aufzublicken sagte er: „Setzen“
Wir setzten uns wie befohlen. Dann sah er auf, schaute uns beiden in die Augen und sagte: „Ihr wisst schon, dass dies ein anständige Schule ist?“
„Natürlich“, erwiderte ich. „Wir würden doch nie das Gegenteil behaupten.“
„Und warum macht ihr dann solche Schweinereinen auf dem Schulhof?“
Ich konnte kaum fassen, was er da gesagt hatte, wobei wir genau wussten, was er meinte.
Als ich meine Worte wiedergefunden hatte, Patrick saß leichenblass auf seinen Stuhl, erwiderte ich: „Wir sind uns keiner Schuld bewusst und es wäre nett, wenn Sie uns das Ganze besser erklären könnten.“
„Ihr könnt euch vorstellen, dass ich aus Gründen des Anstandes nicht dulden kann, dass sich zwei männliche Schüler auf diesem Gelände in aller Öffentlichkeit küssen. Ich mag gar nicht dran denken, was Ihr sonst noch so alles treibt“, antwortete unser Anstaltsleiter daraufhin.
„Herr Schubert, bei allem Respekt, wir lieben uns und sind ein Paar. Aber das ist unsere Privatsache und ich glaube nicht, dass wir das hier mit Ihnen diskutieren müssen, geschweige, dass wir uns dafür rechtfertigen müssen.“
Ich wusste gar nicht, woher ich den Mut für diesen Satz gefunden hatte, aber er war jetzt nun mal gesagt. Mein Schatz war wohl immer noch nicht wieder Herr seiner Sinne, er starrte abwechselnd mich und den Direktor an.
Jedenfalls lief unser Schulleiter jetzt rot an, konnte sich aber doch noch beherrschen und sagte dann im ruhigen Ton: „Also, meine Herren, nun mal Klartext: Ich finde die Situation ziemlich verfahren und glaube nicht, dass wir heute auf einen Nenner kommen.“
„Das sehen wir jetzt gerade durchaus ähnlich wie Sie, Herr Schubert. Was passiert denn jetzt weiter?“, wollte ich immer noch ziemlich gereizt von ihm wissen.
„Sie gehen jetzt nach Hause und kommen morgen mit Ihren Eltern wieder, und dann wird nach einem Ausweg im Interesse dieser Anstalt gesucht. Sie können sich ja heute Abend mal mit Ihren Eltern besprechen“, forderte uns Herr Schubert auf.
„Sie suspendieren uns also jetzt vom Unterricht?“, fragte ich fassungslos.
„Nein, ich beurlaube Sie, damit Sie mal intensiv über Ihre perversen Gedankengänge nachdenken können. Morgen können wir das Gespräch dann auch weiterführen“, hatte unser Direx doch glatt die Dreistigkeit, darauf zu antworten.
Wortlos verließen wir das Büro und gingen direkt zu unserem Klassenzimmer.
„Ah, da sind Sie beiden ja endlich wieder“, giftete Frau Meier. „Sie brauchen nicht zu glauben, dass ich für Leute wie Sie irgendetwas wiederholen werde.“
„Ach, wissen Sie, Frau Meier, wir sind nur hier, um unsere Taschen zu holen. Herr Schubert war der Meinung, dass wir besser nach Hause gehen. Wir sind ihm wohl zu pervers für diese Anstalt.“
„Recht hat er“, antwortete sie ziemlich schnippisch. „Also nehmen Sie Ihre Taschen und machen Sie, dass Sie hier wegkommen.“
Wir wollten den Klassenraum dann auch gerade verlassen, ich hatte für heute einfach keine Kraft und auch keine Lust mehr zum Streiten. Da meldete sich eine ganz andere Stimme: „Einen Moment bitte mal!“
Die Stimme kannte ich zu genau, das war mein Freund Levin: „Verstehe ich das gerade richtig, die beiden werden von der Schule geschmissen, nur weil sie sich als schwul outen?“
„Ich glaube nicht, das mit Ihnen diskutieren zu müssen“, erwiderte die Meier nur.
„Oh, das vielleicht nicht, aber ich glaube, ich spreche hier für einen Großteil der Klasse, und ich finde dieses Vorgehen eine Unverschämtheit“, versuchte mein Freund für mich zu kämpfen.
„Wie gesagt, wir diskutieren hier mit Schülern keine Disziplinarmaßnahmen.“
„Ich will auch gar nicht diskutieren, ich finde, wenn die beiden raus müssen, gehen wir anderen auch mit raus. Dann werden die schon sehen, was die davon haben.“
Und ja, unsere Mitschüler standen wirklich zu uns. Denn nach seinem Aufruf stand wirklich die ganze Klasse geschlossen auf und wollte mit uns den Raum verlassen.
Das war der Zeitpunkt, wo ich eingreifen musste: „Hört mal zu, Leute, vielen Dank, dass ihr hinter uns steht, und dir, Levin, vielen Dank für deine Worte. Aber das Letzte, was wir wollen, ist, dass ihr wegen uns Ärger und Schwierigkeiten bekommt.“
„Egal“ - „Wir sind auf eurer Seite“ - „Wir sind eine Gemeinschaft“ und ähnlich Rufe erklangen aus dem Rund. Am Ende konnte ich meine Mitschüler doch überzeugen, weiterhin am Unterricht teilzunehmen.
Patrick und ich gingen zu mir nach Hause. Patrick bestellte seine Eltern auch dorthin mit dem Hinweis, dass wir Ihnen etwas Wichtiges zu sagen hätten.
Kapitel 10
Eltern sind schon ein erstaunliches Phänomen. Denn als Patrick und ich bei mir zu Hause ankamen, waren seine Eltern in der Tat auch schon da.
Zusammen warteten sie in unserem Wohnzimmer bei einer Tasse Kaffee auf uns, um unsere wichtigen Neuigkeiten zu hören.
Als wir beide das Wohnzimmer betraten, schauten uns sechs Augen erwartungsvoll an.
„Jetzt erzählt schon, was los ist, und warum seid ihr jetzt schon von der Schule zurück?“, fragte mein Vater noch.
„Lasst uns doch erstmal ankommen, und so eine schöne Tasse Kaffee könnten wir jetzt auch gebrauchen“, antwortete ich nur. „Dann werden wir euch in Ruhe erzählen, welche Hölle wir beide heute durchmachen mussten.“
Seufzend holte mein Vater uns zwei Tassen und schenkte uns von dem schwarzen Heißgetränk ein.
Insgeheim machte es uns sogar Spaß, die drei noch etwas zappeln zu lassen.
Patrick hatte dann doch wohl etwas Mitleid mit ihnen und fing mit unserer Geschichte des heutigen Tages an.
Wir berichteten dann alles möglichst detailgenau, was heute passiert war.
Vom komischen Verhalten der Mitschüler, der Erkenntnis, von Laura geoutet worden zu sein, unserem Kriegsrat mit Levin, dem Kuss auf dem Pausenhof, dem Gespräch mit dem Direx, der Reaktion von Frau Meier und zu guter Letzt auch von der Reaktion unserer Klassenkameraden.
Selten hatten wir Kinnladen so langsam, aber stetig immer weiter nach unten fallen sehen, wie es bei unserem Bericht bei den Eltern der Fall war.
Was darauf folgte, war erstmal ein fassungsloses Schweigen.
Patricks Mutter war es dann, die endlich wieder Worte fand: „Das ist doch nicht normal, so etwas. Ist das überhaupt rechtens, ich meine, dass er euch dafür beurlaubt hat?“
„Ich glaube nicht“, reagiere mein Vater. „Nach meinem Rechtsempfinden ist das ganz klare Diskriminierung. Ich glaube, an eurer Schule sind einige Lehrkräfte in der Zeit vor 50 Jahren stehen geblieben.“
„Das sehe ich genauso“, mischte sich jetzt Patricks Vater ein. „Also, wir haben einen guten Familienanwalt, wir könnten die beiden in den Unterricht wieder einklagen.“
„Ich glaube, so hart brauchen wir nicht anfangen. Wir sollten erst das Gespräch morgen abwarten, um dann weitere Maßnahmen zu ergreifen“, kommentierte mein Vater gewohnt sachlich die Situation.
Am nächsten Morgen saßen wir zu fünft im Büro des Direktors. Er kam mit einer sehr betrübten Miene rein, sah unsere Eltern an und fragte tatsächlich: „Schön, dass Sie sich Zeit für diese unangenehme Sache nehmen konnten. Ich hoffe, Sie konnten den ersten Schock einigermaßen verdauen heute Nacht?“
„Davon kann gar keine Rede sein, Herr Schubert“, antwortete mein Vater. „Wir sind immer noch fassungslos über das, was gestern hier an Ihrer Anstalt passiert ist. Ich hätte nicht gedacht, dass heutzutage so etwas passieren könnte.“
Mein Vater redete ruhig um das Thema herum und ging scheinbar auf unseren Direx ein. Da ich ihn kannte, wusste ich aber, dass er innerlich nicht so ruhig war.
„Da machen Sie sich mal keine Sorgen“, sah sich unser Direktor schon auf der Siegesstraße. „Ich habe Ihnen hier schon mal ein paar Adressen herausgesucht, das sind spezielle Internate, die Ihren Söhnen helfen werden.“
„Verehrter Herr Schubert, ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden, wir sind schockiert über Ihr Verhalten gestern und über die Beurlaubung“, erwiderte mein Vater.
„Also unterstützen Sie das Verhalten Ihrer Söhne auch noch?“, fragte unser rot angelaufener Direx.
„Absolut“, erklärte Patricks Vater nun. „Erstmal leben wir im Jahr 2019 und nicht irgendwo in den 50ern oder 60ern des letzten Jahrhunderts, zweitens sind die beiden volljährig und wissen schon, was sie tun, und drittens haben sie keineswegs ein Verbrechen begangen, sondern sich lediglich geküsst.“
„Wir sind der Meinung, dass Ihr Verhalten so gegen einige Gesetze verstößt, und wir überlegen eine Klage anzustreben, dass unsere Söhne wieder am Unterricht teilnehmen können“, erklärte nun Patricks Vater.
„Wenn das so ist, haben Sie es nicht anders gewollt. Heute Nachmittag wird eine Lehrerkonferenz stattfinden, in der es ausschließlich um Ihre Söhne geht. Wir werden darüber beraten, die beiden von der Schule zu verweisen. Mehr gibt es zu dem Thema nicht zu sagen. Darf ich Sie jetzt bitten zu gehen? Ich habe noch einen Termin“, erklärte uns der Direx dann.
Unsere Eltern waren wohl zu stolz dazu, noch etwas zu sagen, daher standen wir auf und verließen dieses Büro.
Kapitel 11
Jetzt war mal wieder Kriegsrat angesagt, dieses Mal bei uns im Wohnzimmer. Da zu Hause natürlich niemand für ein Mittagessen gesorgt hatte, hatten wir schnell ein paar Pizzen mitgebracht. Dazu tranken wir Herren jetzt mal ein Bier und vorweg gab es von meinem Vater auch einen Korn. Er war der Meinung, dass wir das jetzt gebrauchen konnten.
Wir sollten also der Schule verwiesen werden. Wir waren alle überzeugt, dass wir in einem Rechtsstreit alle Möglichkeiten hatten, dagegen zu gewinnen.
Nur stellte sich die Frage, ob das gut für uns wäre, da Patrick und ich unseren Lehrkörper kannten, dieser war eher sehr altmodisch oder aus Angst vor beruflichen Problemen unserem Direx hörig. Okay, es gab Ausnahmen, wie Martin Schneider, einen engen Freund meines Vaters, aber der Großteil war sicher auf der Seite des Direktors. Es könnte durchaus sein, dass wir im Falle einer erfolgreichen Klage Repressalien zu fürchten hätten. Die Lehrer sitzen durchaus immer am längeren Hebel.
Leider lebten wir in einer Kleinstadt, das nächste Gymnasium war schon sehr weit weg, und es stellte sich nicht nur die Frage des Schulweges, sondern auch, ob wir dort mitten im Schuljahr noch unterkommen könnten.
Am späten Nachmittag klingelte es, und dann kam auch unser Lehrer Martin Scheider hinzu. Er berichtet davon, dass die die Lehrerkonferenz das vom Direktor gewünschte Ergebnis hatte.
Patrick und ich standen eineinhalb Jahre vor unserem Abi erstmal ohne Schule da.
Martin und zwei, drei andere Kollegen hätten wie Löwen gekämpft, aber die meisten Lehrer folgten dem Direktor.
Martin war ebenfalls der Meinung, dass wir bei dem Lehrerkollegium keine großen Chancen mehr hätten, selbst wenn wir den Schulverweis auf dem Klageweg sicherlich ad acta legen könnten.
Martin versicherte uns dazu auch, dass er in den nächsten Wochen im Ministerium um seine Versetzung an eine andere Schule bitten würde.
Das war sicherlich eine gute Entscheidung, aber die konnte uns im Moment auch nicht weiterhelfen.
Aber Martin hatte da durchaus einen Vorschlag: „Schubert hat euch doch vorgeschlagen, die beiden auf ein Internat zu schicken?“
„Ja, schon, das soll aber so eine Art Umerziehungsanstalt sein“, erwiderte mein Vater. „Den Vorschlag konnten wir ja nicht wirklich ernst nehmen.“
„Nein, so meinte ich das auch nicht“, beruhigte uns Martin sofort. „Es ist so, dass ein Studienkollege von mir ein Internat leitet. Ich weiß von ihm, dass es an seiner Schule durchaus das ein oder andere schwule Paar gibt.“
Jetzt waren Patrick und ich sofort Feuer und Flamme: „Wie jetzt, du meinst, da könnten wir gemeinsam leben und unser Abi machen?“
„Ja“, bestätigte uns Martin Schneider. „Ich habe auch schon mit meinem Kollegen gesprochen, im neuen Jahr hätte er noch Möglichkeiten, euch aufzunehmen. Ihr müsstet aber zum Ende dieses Schuljahres einen Leistungstest ablegen. Damit will er prüfen, ob ihr das Schuljahr eventuell wiederholen müsst. Ihr verliert ja jetzt ein halbes Jahr.“
Unsere Eltern fanden die Idee jetzt auch nicht schlecht und versprachen uns, dass wir uns die Schule mal ansehen könnten.
„Dad, das wäre super, wenn das klappt“, freute ich mich. „Patrick und ich können uns ja im nächsten halben Jahr ein Job suchen, um bei der Finanzierung zu helfen.“
„Moment mal“, mischte sich Patricks Vater nun ein. „Ihr zwei werdet euch gefälligst auf den Hosenboden setzen, damit ihr den aktuellen Stoff lernen könnt. Denkt an die Aufnahmeprüfung. Ich kann da nur von meinem Teil sprechen, aber das wäre wohl kein Problem mit der Finanzierung.“ Die bestätigte auch mein Vater. Er bestand aber darauf, auch gegen unsere alte Schule beziehungsweise den Direktor vorgehen zu wollen. Welche Schritte dazu notwendig wären, wollte er mit Levins Vater besprechen, der ist schon länger der Anwalt unserer Familie.
Eine Woche später waren wir nun auf den Weg in das Internat. Mein Vater hatte für die zweistündige Fahrt extra einen Bulli gemietet, damit wir alle fünf auch bequem sitzen konnten.
Kapitel 12
Auf dem Weg zum Internat ließ ich für mich die letzte Woche noch einmal Revue passieren. Was war da nicht alles passiert nach unserem Schulverweis.
Patrick und ich hielten uns jetzt erstmal die meiste Zeit bei mir zu Hause auf. Am ersten Nachmittag kam natürlich Levin zu Besuch. Er wollte und sollte uns alles erzählen, was heute in der Penne passiert war.
Also, unser Verweis hatte ziemlich schnell die Runde gemacht. In einer Schule ist es wie in einem Büro oder etwas Ähnlichem. Der Flurfunk funktioniert immer. Levin erklärte uns, dass die Empörung besonders in unserer Stufe, aber auch sonst in der Schule sehr groß war. Klar gab es auch eine gewisse Anzahl an Unterbelichteten, von denen Sprüche wie „geschieht Ihnen recht, den Schwuchteln“ oder Ähnliches zu hören gewesen war. Doch laut Levin war das die eindeutige Minderheit und diese wurde vom Rest ziemlich schnell mundtot gemacht.
In unserer Stufe gab es eine rege Diskussion, ob es nicht sinnvoll wäre, jetzt in den Streik zu treten. Hier war wohl vor allem Levin einer der Wortführer gewesen. Er sagte auch am Nachmittag noch einmal zu uns: „Was sollten die Pauker denn machen, wenn wir nicht mehr mitmachen? Uns alle mit Sechsen bombardieren? Na und! Es ist ja auch nicht im Sinne der Schule, wenn der ganze Jahrgang durchs Abi rasselt.“
Naja, dieser Vorschlag fand natürlich keine Mehrheit, was Patrick und ich auch sehr gut verstehen konnten. Levin war ganz wie sein Vater, der Rechtsanwalt, einen Streit bis zum bitteren Ende zu führen. Aber für die meisten stand mit dem Abi sehr viel auf dem Spiel. Besonders für die Mitschüler, die eventuell noch auf der Kippe stehen. Obwohl das Abi noch eineinhalb Jahre hin ist.
Schließlich hatte man sich darauf geeinigt, heute erstmal die Meier zu bestreiken. Und wirklich, der gesamt Kurs hatte im Unterricht auf den Plätzen gesessen und jegliche Mitarbeit verweigert. Unsere Klassenleiterin wäre fast an die Decke gegangen. Dieses Verhalten sollte sich dann laut dem dazugerufenen Direx auch auf die mündliche Note auswirken.
Levin meinte aber, und da waren sich alle einig, eine Sechs im Mündlichen wäre auszuhalten.
Patrick und ich baten Levin, noch keine weiteren Aktionen planen, wir wollten nicht, dass unsere Mitschüler eventuell wegen uns noch Ärger mit den Eltern bekamen.
Nach Levins Bericht gingen wir den Stoff des heutigen Tages durch, damit Patrick und ich auch in dieser Hinsicht auf dem Laufenden blieben. Bevor er dann am Abend nach Hause ging, versprach Levin uns, dass wir das jetzt jeden Tag so handhaben würden. Aber nicht, ohne uns noch die Hausaufgaben des heutigen Tages mitzugeben.
Am nächsten Tag hatte mein Vater einen Termin beim Schuldezernenten der Landesschulbehörde. Mein Vater wollte diesen Termin alleine abwickeln. Patrick und ich sollten uns lieber um unsere Studien kümmern.
Nach seiner Heimkehr berichtete er uns allerdings, dass der Termin eher durchwachsen gelaufen war. Es hatte sich dabei wohl herausgestellt, dass der Behördenmensch mit unserem Direx per Du ist. Das war dann auch wohl der Grund, dass mein Vater der Ansicht war, dass trotz des Versprechens, sich umgehend um den Fall zu kümmern, die dazugehörigen Akten wohl länger als nötig auf seinem Schreibtisch verweilen würden.
Dies bestärkte unsere Eltern, die sich auch an diesem Abend wieder bei uns im Wohnzimmer trafen, in dem Beschluss, jetzt anwaltlich gegen die Schule vorzugehen.
Es ging uns aber vornehmlich nicht mehr um die Rückkehr an die Schule.
Patrick und mir gefiel die Idee, zusammen auf einem Internat zu leben und sich dabei auch etwas vom Elternhaus abzunabeln.
Natürlich würde es uns schwerfallen, unsere Freunde hier zurückzulassen. Vor allem, wie sie sich für uns eingesetzt hatten.
Aber mit WhatsApp, Skype und anderen modernen Kommunikationsmöglichkeiten war ja dafür gesorgt, dass der Kontakt nicht abreißen würde.
Es war uns auch niemand über unsere Absicht böse oder so. Es gab bei einem abendlichen Treffen jedenfalls keine negativen Stimmen dazu.
Dann hatten wir mit unseren Vätern einen Termin bei Levins Vater. Er konnte die Reaktion unserer Schulleitung ebenfalls nicht nachvollziehen und nahm das Mandat mit Freuden an.
Er war auch der Meinung, dass das ganze Vorgehen der Schule rechtlich auf sehr wackeligen Beinen stehe. Das wollte er erstmal mit einem Brief an die Schulleitung und die Schulbehörde deutlich machen und dann erstmal die Reaktion abwarten.
Im zweiten Schritt würde es dann zu einer Klage kommen. Unser Rechtsbeistand war sich ziemlich sicher, dass am Ende des Verfahrens einige Personen nicht mehr auf ihrem Posten bleiben würden.
Nach diesem Gespräch blickten wir schon etwas optimistischer in die Zukunft, so dass wir erwartungsvoll dem Vorstellungstermin im Internat entgegenfieberten.
Kapitel 13
Als wir beim Internat ankamen, mussten wir schon staunen. Am Ende einer Kleinstadt stand auf einem Berg ein imposantes Gebäude. Hinter einer Mauer konnte man den Eingang und die daran angrenzende Eingangshalle sehen. Von dort gingen diverse Gänge ab, nach der Beschilderung zu urteilen gab es zwei Trakte, die zu den einzelnen Zimmern führten, ein Trakt zu den Fachräumen, ein Trakt zu den Klassenräumen und ein weiterer zum Verwaltungsbereich.
Zu erwähnen wäre hier noch, dass mir in der Eingangshalle tatsächlich zwei Jungs aufgefallen waren, die sich geküsst haben.
Den Verwaltungsbereich steuerten wir auch direkt an, klopften am Büro des Direktors und nach einem freundlichen Herein betraten wir das Büro. Das war in hellen Farben gestrichen und ebenfalls mit neuen Büromöbeln ausgestattet. Alles in allem ein sehr freundlicher Eindruck.
Dem gleichzusetzten war auch der Mann, der sofort nach unserem Eintreten um seinen Schreibtisch herumkam und uns alle freundlich mit einem Handschlag begrüßte.
Obwohl er unsere Geschichte ja schon im Groben kannte, bat er uns jetzt, ausführlich unsere Vita zu erzählen, was wir auch taten, ohne etwas besonders auszuschmücken oder irgendetwas wegzulassen.
Er war ziemlich entsetzt über das Verhalten unserer bisherigen Schule und versicherte uns, dass ein solches Verhalten an seiner Schule definitiv nicht vorkommen würde.
Es folgte daraufhin eine Besichtigung des Gebäudes und des Geländes. Dabei beeindruckte uns vor allem das Außengelände mit einem großen Park, einem Fußballfeld, einem Basketballplatz sowie vielen Sitzmöglichkeiten zum Entspannen und Lernen.
Die Formalitäten waren dann sehr schnell erledigt, und Patrick und ich durften uns dann ab dem neuen Schuljahr als Schüler dieses Internates fühlen. Das Einzige, was noch nicht klar war, war die Jahrgangsstufe, in die wir kamen. Dafür sollten wir in den Sommerferien einen Leistungstest absolvieren. Wir versprachen, mit Hilfe unserer Freunde den Stoff der nächsten Monate ausführlich zu pauken.
Die nächsten vier Monate hatten wir einen klar strukturierten Tagesablauf. Der Unterschied zum Schülerleben war nur, dass wir am Nachmittag „Unterricht“ hatten und die Vormittage zum selbstständigen Lernen nutzen konnten.
Denn jeden Tag nach der Schule stand Levin bei mir vor der Haustür, um mit uns den Stoff des Tages durchzugehen. Er sah es für sich als einfache Möglichkeit, den Stoff noch einmal zu verinnerlichen, und wir waren davon dann die Nutznießer. Sogar die Hausaufgaben konnten wir dabei an den Vormittagen erledigen.
Am besten fand ich dabei, dass Levin uns sogar eine Abschrift der einzelnen Klausuren vorlegte, die wir dann auch durchführen mussten.
An unserer ehemaligen Schule hat sich in der Zeit auch so einiges getan. Levins Vater hatte wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt. Er hat sich mit einem Schreiben direkt an das zuständige Kultusministerium gewandt. Dort stieß der Fall auf offene Ohren, da sich unser neuer Kultusminister selbst erst kürzlich als schwul geoutet hat. Naja, was soll ich sagen, der ehrenwerte Direktor wurde in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, genauso wie seine Kollegin Frau Meier.
Als neuer Schulleiter wurde dann unser Freund Martin Schneider eingesetzt. Patrick und ich haben dann auch ernsthaft darüber nachgedacht, den Internatsplan fallen zu lassen, um wieder an die alte Schule zu wechseln.
Aber auch auf Anraten von Herrn Schneider, der der Meinung war, dass uns das Internat in unserer Entwicklung sehr gut tun würde, hielten wir an dem Plan fest. Mitte Juli brachten uns unsere Eltern dann zu unserer neuen Schule beziehungsweise unserem neuen Zuhause.
Nach einem kurzen Gespräch im Büro des Direktors brachte er uns zu unserem neuen Zimmer, das wir noch mit einem dritten Schüler teilen mussten. Dies war zwar ein kleiner Wermutstropfen, aber immerhin hatten wir dann hoffentlich jemanden, der uns hier genau alles zeigen beziehungsweise auch einige Feinheiten erklären konnte, die man nicht vom Direktor mitgeteilt bekam.
Ach ja, ich möchte noch erwähnen, dass wir den anstehenden Leistungstest mit Bravour bestanden und somit kein Jahr wiederholen mussten.
Die ersten Wochen waren ganz dem Einleben gewidmet, der reguläre Unterricht fing ja erst später an. Wir lernten unsere Mitschüler kennen freundeten uns ebenfalls schon mit einigen an. Positiv war auf alle Fälle, dass wir unsere Beziehung hier ganz öffentlich leben konnten. Da hatten wir in dieser Form nicht mit gerechnet.
Mit welchen Irrungen und Wirrungen unser Alltag im Internat dann weitergeht, schreibe ich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.
Das ist mein Erstlingswerk. Kann sein, dass der eine oder andere es schon kennt, da ich die Geschichte schon mal in einem leider nicht mehr existierenden Portal veröffentlicht habe.
Nur den Schluss musste ich hier etwas abändern, da ich da ursprünglich einen Querverweis auf eine andere Geschichte mit eingebunden hatte, was hier allerdings keinen Sinn gemacht hätte.
Erwähnen möchte ich, dass die Geschichte in keiner Weise autobiografisch ist.
Alles entspricht meiner Fantasie.
Mir hat das Schreiben auf alle Fälle sehr viel Freude bereitet.
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