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Jan - Jan oder anders anders

Teil 1

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort:

"Jan - Jan" ist die Geschichte von Johannes, in der es um Freundschaft, Liebe und Sexualität geht. Johannes' Auseinandersetzungen mit diesen Themen sind - wie meine eigenen auch - etwas anders als üblich; manche vielleicht auch ziemlich anders. Dieses "Anderssein" zieht sich quasi als "roter Faden" durch die Geschichte; daher der Titel. Bislang habe ich über die Zeit von seinem 5. Geburtstag bis etwa zu seinem 25. geschrieben, was sich über drei Teile erstreckt. Das Ende dieser Zeit ist zugleich auch der Anfang einer langjährigen Partnerschaft mit Niklas, welche unter anderem das Thema einer Fortsetzung sein wird, die allerdings erst noch geschrieben werden muss.

Hannes

Das Jahr hieß "1972", und es war noch ziemlich jung, als es Johannes sanft in diesen Tag gleiten ließ, der von einer ganz besonderen Bedeutung durchzogen war, die Johannes nicht richtig verstanden hatte. "Geburtstag", dieses Wort ging ihm immer wieder durch den Kopf, während er im Bett lag und die Gedanken vorbeiziehen ließ; er wusste nicht, was er von diesem Tag, dem "Geburtstag", genau zu erwarten hatte, und war deswegen auch ein wenig beunruhigt. Johannes begrüßte den weißen Nebel, der dann endlich kam, um ihn in das zu hüllen, was seine Eltern "Schlafen" nannten. Als sich der Nebel allmählich lichtete, stand plötzlich vor ihm ein Junge, der wie aus dem nichts erschienen war. Johannes war irritiert, diesen Jungen vor ihm stehen zu sehen, wer war er, wo kam er so plötzlich her?

"Ich heiße Hannes, und ich teile mit dir etwas, wenn du auch etwas mit mir teilst", sagte der Junge.

Johannes war vollkommen verwirrt; seine Tante nannte ihn immer "Hannes", obwohl er "Johannes" hieß. "Hannes" klingt wie ein halber Name, dachte Johannes, vielleicht nannte ihn die Tante so, weil er ein Kind war, ein halber Mensch. Johannes wollte aber ein ganzer Mensch sein und, wie alle anderen auch, einen ganzen Namen haben.

"Ich heiße Hannes, und ich teile mit dir etwas, wenn du auch etwas mit mir teilst", sagte der Junge noch einmal.

Johannes rätselte, was der Junge von ihm wollte und warum er sich mit "Hannes" vorstellte.

"Und?", setzte der Junge mit dem halben Namen nach, "Was teilst du mit mir?"

Johannes wusste nicht, was er sagen sollte. Was meinte der Junge damit, "teilen"? Meinte er, dass er etwas in zwei Hälften teilen wollte? Und vor allen Dingen, was sollte geteilt werden, der Name etwa, "Johannes" in "Jo" und "Hannes"? Das konnte nicht gemeint sein. So angestrengt Johannes darüber auch nachdachte, er kam zu keiner Antwort.

"Was teilst du mit mir?", fragte der Junge wieder.

Nachdem er noch ein drittes Mal gefragt hatte, sagte Johannes leise in sich hinein, "Ich weiß nicht." Er war ein wenig verzweifelt darüber, so nachdrücklich befragt zu werden und keine Antwort geben zu können.

"Na gut", antwortete der Junge, "Dann weiß ich auch nicht, was ich mit dir teilen soll", und entfernte sich, ohne sich zu bewegen, indem er einfach nur immer kleiner wurde.

Kurz bevor er völlig verschwand, wiederholte er, "Ich weiß auch nicht, was ich mit dir teilen soll."

Kaum war er verschwunden, sah Johannes sich selbst neben diesem Jungen auf einer Bank sitzen. Ihm fiel erst jetzt auf, dass der Junge die gleiche Kleidung trug wie er, dass er überhaupt genauso aussah wie er selbst. Allerdings mit dem einzigen Unterschied, dass sein eigenes Gesicht klar und scharf zu sehen war, während das Gesicht des Jungen verschwommen aussah, wie von einem Nebel überdeckt. Beide sahen sie nach vorne und bewegten sich nicht; die Szene sah aus wie eine Photographie. Dann verblasste der Junge, der vorgab, "Hannes" zu heißen, bis er völlig verschwunden war und Johannes schließlich nur noch sich selbst auf der Bank sitzen sah.

Als er die Stimme seiner Mutter hörte, schrak er auf; sie hatte einen Kuchen mit 5 Kerzen in der Hand. "5 Kerzen", dachte Johannes; seine Lieblingszahl war die 7. 5 mal 7 ergibt 35, dachte er nach; zwischen der 5 und der 7 ist die 6 und 6 mal 6 ergibt 36. Johannes war sich sicher, dass sich hinter den 5 Kerzen ein Geheimnis verbarg, das er lösen würde, ein Geheimnis, das bestimmt mit diesem besonderen Tag zu tun hatte, in dem er jetzt angekommen war. 5 mal 5 ergibt 25, während 7 mal 7 49 ergibt, und zwischen 25 und 49, genau dazwischen ist die 37. Die 3 ist genau zwischen der 2 und der 4, und die 7 zwischen der 5 und der 9. 35, 36, 37 - Johannes war fasziniert; in der Tat ein ganz besonderer Tag, der "Geburtstag".

Johannes dachte über den Traum nach, den er kurz vor dem Aufwachen hatte. Über den Jungen mit dem verschwommenen Gesicht, der sagte, dass er "Hannes" hieß, und genauso aussah wie er selbst. Ist "Hannes" vielleicht sein Kindername und "Johannes" sein Erwachsenenname? Das konnte eigentlich nicht sein, denn alle, bis auf seine Tante, nannten ihn "Johannes", nicht "Hannes". Vielleicht hatte seine Tante andere Gründe, ihn "Hannes" zu nennen, vielleicht, weil sie das "Jo" nicht aussprechen konnte oder das "Jo" eine Bedeutung hatte, die sie nicht mochte. Hatte das "Jo" wirklich eine besondere Bedeutung, so wie dieser Tag heute? "Hannes" klang für Johannes verstümmelt, wie ein abgeschnittener Name. Hatte vielleicht der Junge deswegen ein verschwommenes Gesicht, weil er einen verstümmelten Namen hatte?

"Johannes wach auf; du willst doch nicht deinen Geburtstag verschlafen", unterbrach ihn seine Mutter; der Kuchen mit den 5 Kerzen stand auf Johannes' Schreibtisch. "Du hast jetzt wirklich lange geschlafen; nachher kommen ja die Kinder aus dem Kindergarten, da musst du fit sein."

Johannes erschrak; er hatte völlig vergessen, dass seine Mutter die Kinder aus dem Kindergarten zur Geburtstagsfeier eingeladen hatte. Er hatte deutlich vor Augen, wie sie ihn vor ein paar Tagen vom Kindergarten abholte. Das kann nicht ihr Ernst sein, dachte Johannes, als sie ankündigte, dass er am Sonntag Geburtstag feiern würde und dass alle Kinder dazu eingeladen wären. Wie konnte sie ihm nur so etwas antun. Seine Mutter erklärte ihm, dass es gut wäre, wenn er auch mal mit anderen Kindern spielen würde; sie schien es nicht zu akzeptieren, dass er genau das nicht mochte, weil die anderen Kinder zu grob und zu laut waren und er obendrein auch gar nicht wusste, was er mit ihnen spielen sollte.

Jetzt war er da, dieser Sonntag, der gleichzeitig auch ein Geburtstag war und nichts Gutes verhieß. 35, 36, 37 - das schien doch eher ein schlechtes Vorzeichen gewesen zu sein; er hätte gewarnt sein müssen. Johannes überlegte sich, ob es nicht besser wäre zu fliehen, bevor die Kinder kamen. Sie konnten schließlich auch gut ohne ihn spielen und feiern.

"Jetzt steh doch auf; dein Vater sitzt am Frühstückstisch und wartet auf uns", drängelte seine Mutter. Johannes war überhaupt nicht danach aufzustehen. Nach einigem Zögern gab er schließlich dem Drängen seiner Mutter nach und stieg aus dem Bett. Das mit der Flucht könnte schwierig werden, dachte er, seine Eltern würden ihn bestimmt nicht freiwillig gehen lassen. Wahrscheinlich war es besser, sich stattdessen in sein Zimmer einzuschließen, bevor die Kinder kamen. Johannes fühlte sich erleichtert, dass er zumindest in groben Zügen eine Strategie hatte, mit dem umzugehen, was ihn an diesem Tag erwarten würde.

"Ich heiße Hannes, und ich teile mit dir etwas, wenn du auch etwas mit mir teilst", ging Johannes immer wieder durch den Kopf.

Er konnte sich an den Traum bis in alle Einzelheiten erinnern, er sah und hörte ihn, wie wenn es ein Film gewesen wäre, den er zurück- und vorspulen konnte. Er sah sich diesen Jungen, der wie er selbst war und "Hannes" hieß, in Gedanken genau an, während er in die Butter fasste, als er sein Brot greifen wollte; Marmelade mochte er nicht und Wurst gab es nur zum Abendessen - deswegen aß er zum Frühstück immer Butterbrote.

"Benimm dich beim Essen", sagte seine Mutter und der Junge wiederholte, "Ich weiß auch nicht, was ich mit dir teilen soll."

So viel Johannes auch darüber nachdachte, er bekam nicht die leiseste Idee, was der Junge damit gemeint hatte. Was hätte er mit dem Jungen teilen sollen? Was hätte der Junge dann mit ihm geteilt? Was meinte er überhaupt mit "teilen"? Einen Apfel kann man in zwei Hälften teilen, dachte Johannes, ging es darum, etwas in zwei Hälften zu teilen? Das ergab alles keinen Sinn. Johannes konnte sich nicht erinnern, dass er jemals etwas geträumt hatte, was ihm hinterher so genau im Gedächtnis haften blieb. Und dann war es so ein rätselhafter Traum mit einer so unverständlichen Botschaft.

In Gedanken betrachtete er den Jungen wieder und wieder, wie er auftauchte, wie er redete und seine Fragen stellte, wie er am Ende verschwand, indem er immer blasser wurde, bis er nicht mehr zu sehen war. Schließlich betrachtete Johannes sich selbst, wie er auf der Bank saß; zuerst neben diesem Jungen, dann alleine, völlig bewegungslos. Er hatte sich vorher nie so gesehen, dachte er, nie so wie in diesem Traum; nur im Spiegel und auf Fotos hatte er sich so gesehen, aber das war ganz anders - der Traum war viel wirklicher.

Am meisten irritierte ihn, dass scheinbar auch der Junge er selbst war, die gleiche Kleidung trug wie er und genauso aussah wie er, nur eben mit unscharfem Gesicht. Johannes sah sich in sein Gesicht, das ungewöhnlich klar und scharf zu sehen war, so eigenartig überdeutlich, wie Gesichter sonst nie waren. Und er sah in das Gesicht des Jungen, der neben ihm auf der Bank saß und "Hannes" hieß; "Johannes" und "Hannes", dachte er und lauschte dem Klang, "Hannes."

"Was?", fragte seine Mutter, "Was murmelst du?"

"Ach nichts."

"Du bist heute ein bisschen verträumter als sonst, stimmt's?"

Johannes nickte. "Der Junge ist ein wenig verträumt", sagte sie manchmal zu anderen Menschen, oder auch, "Er hat eine zu lebhafte Phantasie, sonst ist er aber ganz in Ordnung." Johannes wusste nicht genau, was damit gemeint war, aber es klang nicht beunruhigend.

In Gedanken sah er sich wieder alleine auf der Bank sitzen, im Traum. Der Junge, Hannes, war verschwunden, aber dennoch irgendwie präsent, wie ein Schatten, wie ein heller Schatten, der sich gegen das Licht, in das die Szene getaucht war, kaum sichtbar abhob. Aber wenn er genau hinsah, konnte er ihn erahnen. "Hannes" klang es immer wieder in seinen Gedanken; er mochte den Klang nicht.

Am Nachmittag war es dann soweit; Johannes erstarrte förmlich, als er die Türklingel hörte. Jetzt galt es, schnell zu handeln. Er rannte zu seiner Zimmertür, um sie abzuschließen. Doch bevor er sie erreichte, öffnete sie seine Mutter von außen, um ihn zu holen. Johannes versuchte noch, seine Mutter wieder heraus zu schieben, aber er hatte keine Chance; sein Plan war gescheitert.

"Ich bin krank und muss ins Bett", sagte er noch in seiner Not, aber seine Mutter entgegnete ihm, "Jetzt stell dich nicht so an, die werden dich schon nicht beißen."

Johannes fügte sich in sein Schicksal. Als er in die Küche kam, sah er mit Erstaunen den Geburtstagskuchen mit den 5 Kerzen auf dem Küchentisch stehen. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er von seinem Schreibtisch genommen und in die Küche gebracht worden war.

"5 plus 7 ergibt 12, 5 plus 5 ergibt 10, 7 plus 7 ergibt 14; die 12 ist genau zwischen der 10 und der 14, und sie ist auch 6 plus 6", dachte Johannes; es gefiel ihm, dass Plusrechnen und Malrechnen sehr ähnlich waren, aber es dennoch ermöglichten, andere neue Zahlen zu erzeugen.

Die ersten Kinder saßen auch schon am Küchentisch; es klingelte gleich noch einmal und kurze Zeit später wieder, sodass sich die Küche füllte, bevor es Johannes richtig registrierte.

"Jetzt werden wohl die meisten hier sein; schneidest du den Kuchen auf, Johannes?", hörte er seine Mutter sagen, die ihn dann an der Schulter tippte,

"Nicht träumen; schneid mal den Kuchen auf, damit wir anfangen können."

Johannes musste nicht lange nachdenken, um sich zu entscheiden, den Kuchen in 7 Teile zu schneiden; das war eine echte Herausforderung, denn er hatte ja nur 5 Kerzen. Als Johannes fast fertig war, nicht ohne darauf stolz zu sein, dass es ihm tatsächlich gelungen war, 7 einigermaßen gleich große Stücke zu erzeugen, sagte seine Mutter, "Was tust du da schon wieder? Ihr seid 9 Kinder und wenn Papa und ich auch noch ein Stück wollen, wären das 11. Du hast viel zu wenig Stücke geschnitten; gib mal her."

Dann nahm sie das Messer und teilte jedes der 7 Stücke in der Mitte durch. Dadurch wurden es 14 und wenn 11 davon jetzt gegessen wurde, blieben 3 übrig, je eines für seine Eltern und für ihn. Johannes' Mutter war manchmal wirklich genial. Nach dem Kuchenessen forderte sie die Kinder auf, in Johannes' Zimmer zu spielen. Das lehnte Johannes aber entschieden ab, und nach kurzer Diskussion gab es die Erlaubnis, die Geburtstagsfeier im Wohnzimmer stattfinden zu lassen.

Dort bekam er von seiner Mutter ein Geschenk überreicht, "Von Papa und mir"; sein Vater war bereits geflüchtet - er ging, gleich nachdem er sein Stück Kuchen aufgegessen hatte.

Es war ein Satz Bauklötze; runde, dreieckige und viereckige. Johannes holte die Bauklötze, die er bereits hatte und fing an, zusammen mit den neuen Türme zu bauen. Er hatte inzwischen so viele, dass er richtig hohe Türme bauen konnte und dann sogar noch Bauklötze übrig waren. Mit denen baute er weitere Türme oder Mauern. Er war fasziniert davon, sich mit Bauklötzen Türme, Häuser, Mauern und Schlösser zu bauen, und stellte sich dabei vor, in diesen Bauwerken zu leben. Er mochte es nicht, dass alles schon vorgegeben war; viel lieber hätte er es gehabt, wenn er sich seine Welt erst einmal selbst zusammenbauen könnte. Dann wäre es seine Welt, und er würde sich darin zu Hause fühlen. Im Moment fühlte er sich alles andere als zu Hause.

Die Kinder lärmten und brachten alles durcheinander; es war wie im Kindergarten - und Johannes mittendrin. Aber in Gedanken war Johannes in seiner Welt, in seinen Türmen und Mauern, und bekam den Rest des Geschehens kaum mehr mit. Nachdem er das Treiben, wie es ihm vorkam, fast unendlich lange ausgehalten hatte, beschloss er, dass jetzt genug war, und ging in sein Zimmer.

Gleich danach kam allerdings seine Mutter und sagte, dass er die Kinder nicht alleine lassen könnte; schließlich war es ja sein Geburtstag. Sie sagte auch, dass es ohnehin gleich Zeit für das Abendessen wäre und die Kinder demnächst nach Hause gehen würden. Auf diese Weise ermutigt gesellte sich Johannes noch einmal zu den Kindern und verabschiedete sie sogar, als sie gingen. Er war erleichtert, dass sie endlich vorüber war, diese Geburtstagsfeier.

Der Geburtstag war ein sehr anstrengender Tag; umso mehr, weil er wie eine Naturkatastrophe über Johannes einbrach. Aber Johannes hatte das alles gut durchgestanden und war froh, dass es vorbei war und er in seinem Zimmer endlich ungestört mit seinen neuen Bauklötzen spielen konnte.

Dabei kam ihm die Idee, sich wieder unter seinem Schreibtisch eine Höhle aus Decken zu bauen. Das machte er manchmal, um dann hineinzukriechen und in der Höhle zu spielen. In der Höhle baute er mit seinen Holzbausteinen eine Mauer, die an beiden Enden jeweils von einem Turm abgeschlossen wurde, der fast bis an die Unterseite des Tisches ragte.

Er wünschte sich, einen Kran zu haben, mit dem er seine Bauwerke richtig errichten konnte, so wie es in Wirklichkeit getan wurde. Kräne faszinierten ihn über alles und, egal wo er war, fiel es ihm sofort auf, wenn neue Kräne errichtet oder alte Kräne abgebaut worden waren. Er wünschte sich auch, in einer Welt zu leben, die vollkommen leer war und die er sich ganz von vorne selbst aufbauen konnte, so wie er die Mauer mit den Türmen baute. Er würde mit einer großen Mauer und den Türmen, die dazu gehörten, beginnen, um sich und seine zerbrechliche Welt vor den Menschen zu schützen. Danach käme das Haus; ein ganz kleines, verwinkeltes Haus voller kleiner Nischen und Höhlen, in die er kriechen konnte. Das wäre dann wirklich sein Zuhause, seine Welt, ein Ort, an den er wirklich gehörte, dachte er. Johannes sah sich mit seinem Kran die Mauer bauen, in einem Viereck mit je einem richtig hohen Turm an jeder Ecke. Danach kam das Haus; er war begeistert, als er es in seinen Gedanken sah, besser hätte es nicht werden können. Er sah sich die versteckten Winkel des Hauses erforschen, in Nischen und Höhlen kriechen und darin sitzen.

Plötzlich sah er sich auf der Bank sitzen, in diesem Traum, den er letzte Nacht hatte, alleine. Der Gedanken-Johannes, der auf der Bank saß, entfernte sich immer mehr, zusammen mit der Bank, bis er kaum mehr zu erkennen war. Nachdem er schließlich völlig verschwunden war, befand sich Johannes wirklich in einer leeren, hellen Welt, die wie geschaffen war, um sich dort ein Zuhause zu bauen.

Er begann wieder, sich seinen Kran herbei zu denken, die Mauern zu bauen mit den Türmen und natürlich auch das Haus; das sollte sogar noch besser werden als beim ersten Mal. Danach erforschte er in Gedanken die Winkel und Nischen des Hauses, indem er sich in sie hinein begab und erfühlte, wie es war, in ihnen zu sein. Solche Gedanken empfand Johannes als sehr beruhigend und er mochte sie am Liebsten für immer festhalten, zumindest bis der Schlaf kam, um ihn in den nächsten Tag zu führen.

Dass er dennoch vorher aus ihnen gerissen wurde, weil er noch die Zähne putzen und seinen Schlafanzug anziehen sollte, empfand er mehr als ärgerlich. Doch kurz bevor er einschlief, hatte zum Glück noch eine Gelegenheit, sich seinen Gedanken, die ihm seine Welt zeigten, zu widmen. Er war davon überzeugt, dass er es sich nur intensiv wünschen musste, in seine Welt zu gelangen, und es würde geschehen; irgendwann. Etwas anderes konnte er sich nicht ernsthaft vorstellen; den Gedanken, für immer irgendwo leben zu müssen, wo man nicht hingehörte, empfand er als zu widersinnig, als dass er zutreffen könnte.

Die Bestrafung

Johannes ging in einen katholischen Kindergarten, der sehr streng war. Die Kinder durften nicht laut sein, mussten jeden Tag einen Mittagsschlaf halten, ob sie müde waren oder nicht, durften beim Essen nicht kleckern. Kinder, die sich nicht richtig benahmen, wurden ausgeschimpft, manchmal, wenn sie andere Kinder geärgert hatten, wurden sie bestraft. Dann mussten sie sich auf eine große Bank setzen und wurden daran mit einer Schnur festgebunden. Johannes hatte das schon öfter beobachtet und sich dabei gefragt, was wohl genau dahinter steckte, hinter der "Strafe".

Auch wenn ihn diese "Strafe" nicht beängstigte, hatte er dennoch Angst vor den Schwestern, besonders vor Schwester Anne, die besonders laut schimpfte, so laut, dass es ihm in den Ohren weh tat. Schlimmer als die Schwestern waren allerdings die anderen Kinder; sie waren laut und oft auch grob und liebten es, Johannes beim Spielen zu stören.

Besonders schlimm war Ias, ein Junge, der erst seit kurzer Zeit in der Kindergartengruppe war. Ias hieß eigentlich "Tobias", aber Johannes dachte, das "Tob" in dem Namen hätte er, weil er immer so viel toben würde, und sein eigentlicher Name sei nur "Ias". Was seinen eigenen Namen anging, "Johannes", hatte er eine ähnliche Vermutung, nämlich, dass der eigentliche Name "Hannes" sei und man aus irgendwelchen Gründen ein "Jo" davor setzte. Was dieses "Jo" aber bedeuten sollte, dazu hatte er keine Idee; er wollte es aber an seinem Namen belassen, denn "Hannes" alleine klang blöd, fand er. Ias hieß aber "Ias", denn "Tobias" klang überhaupt nicht nach einem richtigen Namen.

Ias jedenfalls war besonders grob, gröber als die anderen Kinder, und er liebte es, andere Kinder zu schubsen; Johannes hasste ihn regelrecht dafür. Johannes spielte im Kindergarten immer mit seinen Holzbauklötzen. Daraus baute er Türme, die er wieder einstürzen ließ, wenn sie fertig gebaut waren. Die besondere Herausforderung bestand darin, einen Turm so zu bauen, dass Johannes am Ende einen bestimmten Bauklotz herausschlagen musste, um den Turm komplett zum Einsturz zu bringen.

Johannes spielte dieses Spiel schon lange und hatte sich auch mit den regelmäßigen Unterbrechungen zum Essen, für den Mittagsschlaf, das gemeinsame Singen oder andere Spiele arrangiert. Er hasste zwar diese Unterbrechungen, wusste aber auch, dass es keinen Sinn machte, sich dagegen aufzulehnen.

Auch an diesem einen Morgen, an diesem Tag, der für ihn ein ganz besonderer Tag werden sollte, ging er gleich zu seinen Bauklötzen, setzte sich auf den Boden und fing an, den ersten Turm zu errichten. Am Abend zuvor war ihm eine Idee zu einer neuen Konstruktion gekommen, die es ermöglichen sollte, den Turm noch höher als bisher bauen zu können.

Er hatte den Turm schon fast fertig gebaut, da spürte er einen kräftigen Stoß von hinten und fiel nach vorne auf den Turm, der dabei zusammenstürzte. Natürlich war das wieder Ias; Johannes war wütend, zumal so etwas fast jeden Tag im Kindergarten passierte. Er unterdrückte, wie immer in solchen Situationen, seine Wut und sammelte die Bauklötze auf, um wieder von vorne mit dem Turmbau anzufangen. Als er dann wieder dabei war, einen neuen Turm zu errichten, war die Wut auch schnell wieder verflogen.

Nach einiger Zeit wurde Johannes noch einmal geschubst und riss dabei wieder den erst halbfertigen Turm um.

Er schrie laut, "Lass das!", und hörte mit Genugtuung Schwester Anne rufen, "Tobias, lass jetzt endlich den Johannes in Ruhe."

Doch es dauerte nicht lange, da schubste ihn Ias ein weiteres Mal. Diesmal konnte Johannes den Stoß abfangen und den Turm vor dem Zusammensturz bewahren; doch als Ias ihn dann gleich noch einmal schubste und er wieder auf den Turm fiel, kannte Johannes kein Halten mehr.

Eigentlich war er ein ruhiger, zurückgezogener, eher ängstlicher Junge, doch jetzt platzte er fast vor Wut; so etwas kam sehr selten vor. Aber es war jetzt das dritte Mal an diesem Tag, dass Ias ihm einen Turm zerstörte; so etwas hatte er im Kindergarten noch nie erlebt, und es war eindeutig zu viel. Johannes sprang auf und stürzte sich auf den verhassten Jungen, sodass sie zusammen auf den Boden fielen und Ias unter ihm zum Liegen kam. Johannes war außer sich und würgte Ias am Hals; der schrie wie am Spieß und gleich darauf schrie auch Schwester Anne.

Johannes erschrak und ließ den Jungen los. Er und Ias wurden dann gleich auch von Schwester Anne am Arm gepackt und sehr unsanft hochgezogen. Sie schrie die beiden an, dass sich so keine normalen Kinder benehmen, dass sie den Eltern das sagen würde und drohte ihnen, sie aus dem Kindergarten zu werfen, falls so etwas noch einmal vorkommen sollte. Dabei hielt sie die beiden so fest am Arm, dass es weh tat, fast noch mehr als ihre Stimme.

Am Ende sagte sie, "Zur Strafe kommt ihr beide auf die Bank", und Johannes erstarrte: Jetzt sollte er erfahren, was es mit der "Strafe" auf sich hatte.

Er blickte zu der Holzbank, die an der Wand stand und auf der die Kinder als Strafe sitzen mussten und festgebunden wurden. Eigentlich war sie eine Erwachsenenbank, viel zu groß für Kinder, zu groß, um mit den Beinen auf den Boden zu kommen, zu groß auch, um sich richtig anlehnen zu können. Bei dem Gedanken, an die Bank gebunden zu werden, spürte er einen Moment lang Angst aufkommen, die aber gleich auch wieder seiner Neugier wich. Er dachte daran, dass die Kinder, die auf dieser Bank sitzen mussten, manchmal weinten, was Johannes nie verstanden hatte; es war vielleicht nicht bequem, auf dieser zu großen Bank zu sitzen, aber schlimm war das bestimmt nicht. Johannes kam das mit der Strafe ziemlich merkwürdig vor.

Schließlich forderte Schwester Anne die beiden Jungen auf, sich auf die Bank zu setzen und ging dann zu einem Schrank.

Johannes und Ias kletterten auf die Bank und setzten sich nebeneinander darauf. Die Bank war so groß, dass sie sich nicht anlehnen konnten, wenn sie ihre Beine über die Kante baumeln lassen wollten. Johannes fand es nicht besonders bequem, so zu sitzen; es war aber immer noch besser, sich nicht anzulehnen, als beim Sitzen die Beine ausstrecken zu müssen, weil der Sitz zu breit war.

Als er Schwester Anne mit Seilen in der Hand kommen sah, dachte er, jetzt sollten sie also festgebunden werden. Er stellte sich vor, wie ihm ein Seil um den Bauch gebunden und anschließend an die Lehne der Bank geknotet wird.

"Mit dir fang ich an", sagte sie, als sie vor Johannes stand, und legte die Seile bis auf eines zwischen ihm und Ias auf die Bank. Als Schwester Anne sich anschickte, das Seil um Johannes' Bauch zu wickeln, hob Johannes seine Arme in die Höhe, damit sie nicht versehentlich von dem Seil eingeklemmt würden.

"Arme runter", herrschte ihn die Schwester an.

Vor Schreck nahm er sofort seine Arme wieder herunter und presste sie seitlich an seinen Körper. Er dachte, es tut bestimmt weh, wenn seine Arme zwischen dem Seil und seinen Körper eingeklemmt würden, schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Als Schwester Anne das Seil zweimal um seinen Bauch und die Arme gewickelt hatte, stellte er mit Erleichterung fest, dass es nicht weh tat. Sie zog das Seil fest und machte einen Knoten hinein; dabei rutschten Johannes die Arme nach hinten, und er berührte mit seinen Handflächen die Pobacken.

Das Seil wurde noch mehrere Male fest um seinen Bauch gewickelt und nochmals verknotet. Dann schob sie Johannes nach hinten, bis an die Lehne, sodass er seine Beine ausstrecken musste. Sie nahm ein zweites Seil und band Johannes damit an der Lehne der Bank fest; dieses Seil ging ihm einmal diagonal über die Brust, und seine Arme waren jetzt zwischen der Lehne und seinem Rücken eingeklemmt.

Johannes war immer noch ein wenig überrascht, dass es nicht weh tat, so festgebunden zu sein, dass es sich noch nicht einmal unangenehm anfühlte. Nur, dass er seine Beine ausstrecken musste, das fand er nicht schön; vielleicht war das ja die Strafe.

Schwester Anne wandte sich dann Ias zu, der gleich anfing zu weinen und zu leise zu wimmern, "Nicht festbinden."

"Das tut nicht weh", sagte Johannes und die Schwester schrie ihn an, "Auf der Bank herrscht absolutes Redeverbot, hast du verstanden?"

Johannes erschrak und sagte kein Wort mehr. Ias hörte nicht auf zu weinen, während im das Seil um Bauch und Arme gewickelt wurde. Johannes bemerkte, dass ihm die Arme dabei nicht auf den Rücken gerutscht sind, sondern an der Seite blieben.

Er versuchte, seine Arme zu den Seiten hin zu bewegen, aber es ging nicht. Er war ganz fasziniert davon, auch mit großer Anstrengung seine Arme nicht bewegen zu können. In Gedanken sah er sich mit dem Seil um Bauch und Arme gewickelt auf der Bank sitzen; er spürte, wie seine Arme zwischen seinem Rücken und der Lehne eingeklemmt waren.

Dann plötzlich spürte er ein warmes, behagliches Gefühl durch seinen Körper fluten; er war wirklich überrascht, wie angenehm diese Strafe war.

Inzwischen war Ias auch an der Lehne festgebunden und weinte immer noch still vor sich hin. Johannes fand das reichlich übertrieben; so schlimm war es wirklich nicht, hier auf der Bank zu sitzen, auf jeden Fall war es wesentlich weniger schlimm als angeschrien zu werden.

Johannes war ganz eingenommen von diesen schönen, prickelnden Gefühlsschauern, die durch seinen Körper gingen; er fühlte sich wirklich wohl mit den Armen, die fest an seinen Körper gebunden waren. Er genoss die Entspannung, die er dabei verspürte, und träumte dabei vor sich hin.

Zwischendurch fiel sein Blick auf die Hand von Ias neben ihm, die an seinen Körper festgebunden war. Ias weinte nach einiger Zeit nicht mehr und erduldete seine Strafe, ohne sich weiter etwas anmerken zu lassen. Johannes bemerkte, dass auch Ias' Hand sich von Zeit zu Zeit bewegte und vergeblich versuchte, ihre Position zu ändern. Er sah fasziniert dabei zu. Jedes Mal, wenn er versuchte, seine Arme oder Hände gegen das Seil zu bewegen, steigerten sich die Gefühlsschauer, die durch seinen Körper gingen. Johannes genoss diese unerwarteten Gefühle.

Nach einiger Zeit kam Schwester Anne wieder und band zuerst Ias und dann Johannes los. Johannes fand es schade, dass die Strafe so schnell vorüber ging; er hätte es durchaus noch länger aushalten können. Ias aber war wohl von dieser Strafe ziemlich beeindruckt; jedenfalls kam es nie wieder vor, dass er Johannes auf seinen Turm schubste.

Johannes ging wieder zu seinen Bauklötzen und sah in Gedanken sich und Ias festgebunden nebeneinander auf der Bank sitzen. Er dachte daran, wie Ias' festgebundene Hand versuchte, sich zu bewegen, wie Ias weinte, als ihm das Seil umgewickelt wurde; er fand, es war eine gute Strafe, und hoffte, bald wieder auf diese Weise bestraft zu werden. Als er am Abend im Bett lag, gingen ihm noch einmal die Bilder von der Bestrafung durch den Kopf.

Er drehte sich zur Seite und nahm seine Hände auf den Rücken, wo er sie eng an den Körper presste, um sich dann wieder auf den Rücken zu drehen, dass er auf seinen Armen lag. Nach kurzer Zeit machte sich dieses angenehme Gefühl wieder in ihm breit, einige Zeit später allerdings auch ein unangenehm taubes Gefühl in seinen Armen, auf denen er lag.

Einige Wochen später beobachtete Johannes, wie wieder eines der Kinder auf die Bank musste, und registrierte, dass auch dieser Junge festgebunden wurde, genau so wie er. Johannes beobachtete ihn immer wieder aus den Augenwinkeln, bis er seine Strafe abgesessen hatte. Er wünschte sich sehr, dass er wieder festgebunden würde, und stellte immer wieder Überlegungen an, was er tun könnte, um wieder bestraft zu werden.

Einmal wähnte er sich fast am Ziel, als er von einem Jungen angerempelt wurde und laut "Lass das" schrie. Schwester Anne herrschte die beiden gleich an,

"Wollt ihr wohl damit aufhören?" und Johannes fragte gleich in freudiger Erwartung, "Auf die Bank?"

"Wenn du unbedingt willst, musst du es nur sagen, dann kommst du wieder auf die Bank."

Johannes wusste in diesem Moment nicht, was er antworten sollte, und wandte sich nach einigem Zögern dann enttäuscht wieder seinen Bauklötzen zu. Er ärgerte sich noch einige Zeit später über diese verpasste Chance.

Die Übung mit den Armen, die er sich an seinen Rücken presste, machte er von nun an fast jeden Abend und schlief danach mit einem wohligen, entspannten Gefühl ein. Dabei dachte er meistens daran, wie er an die Bank gebunden wurde, und sah sich in Gedanken mit einem Seil, das mehrfach um Bauch und Arme gewickelt war und einem quer über die Brust. Manchmal dachte er dabei auch an den Jungen, der ihm vor einiger Zeit im Traum erschienen und in Wirklichkeit er selbst war, und sah ihn und sich nebeneinander auf einer Bank sitzen - allerdings nicht festgebunden.

Heimliche Lüste

Die Schule war noch viel schlimmer als der Kindergarten. Es fing schon damit an, dass Johannes den Einschulungstest nicht bestanden hatte und deswegen in eine Sonderschule kam. Die Lehrerin in der Sonderschule war sehr streng und schlug die Kinder mit einem Lineal auf die Hände, was ziemlich weh tat.

Nach einem Schulhalbjahr kam Johannes in die normale Schule, wo die Kinder nicht mit einem Lineal geschlagen wurden. Dafür waren dort viel mehr Kinder, vor allen Dingen auch viel mehr gemeine Kinder, die Johannes jeden Tag hänselten; sie machten sich gerne einen Spaß daraus, ihn zu verspotten, zu schubsen oder über den Schulhof zu jagen. Es nutzte auch nicht viel, dass Johannes versuchte, sich zu verstecken, um nicht in den Pausen von den anderen Kindern gehänselt zu werden. Meistens wurde er von einem Lehrer gefunden und auf den Pausenhof geschickt.

Das einzig Gute an der Schule waren die Hausaufgaben; Johannes liebte Hausaufgaben. Am Besten waren die Buchstaben, die sie malen sollten. 10 mal sollten sie jeden Buchstaben malen, und als Johannes damit anfing, konnte er nicht wieder damit aufhören, so sehr faszinierten ihn die Buchstaben. Oft fand er aber die Hausaufgaben langweilig und erfand dann eigene, viel spannendere Hausaufgaben, die er stattdessen machte.

An einem Tag, Johannes war gerade in die zweite Klasse gekommen, umklammerte ihn während der großen Pause ein Junge von hinten und presste dabei seine Arme fest an seinen Körper. Johannes spürte ein angenehmes, warmes Schauern seinen Körper durchfluten, das sich noch steigerte, als die Umklammerung immer fester wurde; es muss ein ziemlich kräftiger Junge gewesen sein, der Johannes festhielt.

Ohne darüber nachzudenken, flüsterte Johannes nach hinten, "fester", und der Junge drückte noch fester zu.

Johannes' Arme rutschten dabei nach hinten, auf den Rücken, und plötzlich sah er in Gedanken sich, als er im Kindergarten an die Bank gebunden wurde, als seine Arme nach hinten rutschten, während ihm das Seil um den Bauch gebunden wurde. Ihm fiel auch ein, wie er einige Zeit später die Chance, noch einmal bestraft zu werden, verpasst hatte.

Er flüsterte noch einmal, "fester", und der Junge drückte Johannes so fest, dass es richtig weh tat.

Johannes war wie betäubt von diesen wohligen Gefühlen, die ihn dabei durchströmten; er wünschte sich, der Junge würde ihn gar nicht mehr loslassen.

Mit einer plötzlichen Bewegung kickte der ihm aber die Beine zur Seite und warf ihn auf den Boden. Das war ziemlich gemein, denn Johannes konnte sich beim Fallen nicht abstützen, weil der Junge seine Arme zu spät losgelassen hatte, und schlug mit dem Gesicht auf; zum Glück passierte es auf dem Rasen. Johannes fühlte sich ziemlich benommen, als er auf dem Boden lag und aus der Ferne hörte, wie die Kinder über ihn lachten.

Er dachte den ganzen Tag über an das Gefühl, dass er spürte, als er von diesem Jungen festgehalten wurde; er war davon so eingenommen, dass er von den übrigen Geschehnissen des Tages kaum etwas mitbekam. Als er schließlich abends im Bett lag, presste er wieder seine Arme auf den Rücken und legte sich darauf. Die wohligen Gefühle, die ihn dabei durchströmten, steigerten sich, als er sich vergegenwärtigte, wie es sich anfühlte, als ihm dieser Junge die Arme an seinen Körper presste.

Er schloss die Augen und stellte sich vor, von diesem kräftigen Jungen festgehalten zu werden, so fest, dass es richtig weh tat. Schließlich tauchte in seinen Gedanken ein großer, kräftiger Junge auf, der sagte,

"Ich heiße Hannes, und ich werde dich bestrafen, weil ich gemein zu dir sein will."

Johannes konnte das Gesicht des Jungen überhaupt nicht erkennen; es war verschwommen.

"Ich heiße Hannes, und ich werde dich bestrafen, weil ich gemein zu dir sein will", sagte der Junge ohne Gesicht noch einmal.

Johannes streckte seine Arme nach unten und drückte sie fest an seinen Körper. Der Junge begann schließlich, ein endlos langes Seil um ihn zu wickeln. Das Seil drückte seine Arme, die wieder auf den Rücken gerutscht waren, fest an seinen Körper. Der Junge hörte gar nicht mehr auf zu wickeln, wickelte ihm das Seil um Bauch und Brust, sodass der seine Arme kein bisschen mehr bewegen konnte, dann auch um seine Beine, bis er vollkommen bewegungslos in einem dicken Knäuel steckte. Johannes spürte den entspannenden und zugleich erregenden Gefühlen nach, die dabei durch seinen Körper fluteten; das Beben in seinem Körper steigerte sich immens, bis er es kaum mehr aushalten konnte.

Dann ließ es plötzlich nach, und Johannes musste sich unwillkürlich zur Seite drehen und seine Arme, auf denen er noch lag, befreien. Wie leicht er sich jetzt fühlte, fast schwerelos, wie geborgen und warm.

Er bemerkte, dass es feucht zwischen seinen Beinen geworden war, und dachte zunächst, dass er, ohne es zu wollen, gepinkelt hätte. Es war aber etwas anderes; Johannes beschloss, sich darüber keine weiteren Gedanken zu machen und lieber an das Knäuel zu denken, in dem er steckte, und an den Jungen, der ihm die Arme an den Körper drückte.

Noch in der Nacht kam ihm eine Idee. Er ging leise in das Badezimmer, um seinen Bademantel zu holen und den Stoffgürtel aus den Schlaufen zu ziehen. Den wickelte er sich dann zweimal um den Bauch und knotete die Enden zusammen. Dann versuchte er, seine Arme zwischen den Gürtel und seinen Bauch zu zwängen. Das war nicht einfach, und er benötigte einige Versuche, bis der Gürtel nicht zu eng und nicht zu weit, sondern genau richtig saß, nämlich so, dass er seine Arme gerade noch vorne zwischen Gürtel und Bauch stecken konnte.

Nachdem das gelang, nahm er die Arme wieder heraus und legte sich ins Bett, unter die Bettdecke; auf keinen Fall dürften seine Eltern ihn jetzt ertappen, dachte er.

Er legte sich auf den Rücken, zwängte die Arme wieder unter den Gürtel und drehte sie nach hinten, auf den Rücken. Das war gar nicht so einfach; der Gürtel war so fest, dass dies gerade noch möglich war. So lag er eine ganze Weile und gab sich den Fluten warmer, beruhigender Gefühle hin, bis ihm die Arme weh taten. Er schob sie dann wieder nach vorne, zog sie aus der Fesselung und schlief danach auch gleich ein.

Nach ein paar Tagen wiederholte er das Experiment, wobei er sich diesmal auf den Bauch drehte, nachdem er seine Arme auf den Rücken gezwängt hatte. So schliefen seine Arme nicht mehr ein, und er konnte dieses wohlige, beruhigende Gefühl länger genießen.

In der folgenden Zeit löste diese neue Übung die alte immer mehr ab; sie erwies sich als deutlich besser und intensiver. Wenn er sich ins Bett legte, wartete er immer eine Weile, bis er den Bademantel aus dem Badezimmer holte, wobei er immer peinlich darauf achtete, dass seine Eltern es nicht bemerkten. Morgens brachte er ihn genauso heimlich wieder zurück. Als ihm dann die Idee kam, den Bademantel immer in seinem Zimmer liegen zu lassen, wurde aus diesem Experiment eine allabendliche Routine.

Nach einiger Zeit kam Johannes die Idee zu einer neuen Variante, die er versuchen konnte: Er knotete die Enden des Gürtels so zusammen, dass er bequem beide Hände in die Schlaufe stecken konnte. Dann drehte er eine Hand so um diese Schlaufe, dass sie sich zwischen seinen Handgelenken in sich verwickelte, und seine Hände gefesselt waren. Mit einer umgekehrten Drehung der Hand konnte er die Fesselung mühelos wieder lösen.

Nachdem er dies einige Male mit den Händen vorne geprobt hatte, legte er sich dazu auf den Bauch und fesselte sich seine Hände auf den Rücken. Das war mit großem Abstand das Beste, was er je erlebt hatte; er freute sich jeden Tag auf den Abend im Bett, wo er sich seinen Gürtelübungen, die er gerne auch variierte, hingeben konnte.

Manchmal, eher selten als häufig, gingen dabei die Gefühlsfluten und Erregungen so weit, dass sie sich regelrecht entluden und Johannes unglaublich entspannt, aber auch feucht zwischen Beinen hinterließen. Das war ihm ein wenig unheimlich; er weigerte sich darüber nachzudenken, als wenn es ein Verbot gegeben hätte, an das er sich strikt zu halten hatte.

Ein entscheidendes Manko dieser Fesselungen aber war, dass er sich selbst wieder daraus befreien konnte. Johannes versuchte immer wieder, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn er "richtig" gefesselt wäre, und sah dabei in Gedanken Ias, wie er versuchte, seine Hände zu bewegen.

Er sah auch in Gedanken sich selbst festgebunden auf der Bank im Kindergarten, so, wie ihn Ias gesehen haben musste. In der Schule wurden aber keine Kinder festgebunden; Johannes hätte das viel besser gefallen, als ausgeschimpft oder mit dem Lineal geschlagen zu werden - schließlich war ja Festbinden auch eine Strafe. Die Schule war aber kein guter Ort; der Kindergarten war auch kein guter Ort, aber immerhin besser als die Schule, zumindest, was die Strafen betraf.

Johannes war bereits in der vierten Klasse und kurz davor, in ein Gymnasium zu kommen, als geschah, was früher oder später hätte geschehen müssen. Als er an jenem Tag aus der Schule kam, zeigte ihm seine Mutter den Bademantelgürtel und sagte,

"Schau mal, was ich in deinem Bett gefunden habe."

Der Gürtel war zusammengeknotet, genau so, wie er es sein musste, damit sich Johannes die Hände damit fesseln konnte.

Der Schreck fuhr ihm regelrecht in die Glieder, als er den Gürtel sah. Seine Mutter gab ihrer Verwunderung darüber Ausdruck und fragte ihn, warum der Gürtel so fest zusammengeknotet war, und warum er unter seiner Bettdecke lag.

Johannes schwieg beharrlich zu diesem Vorfall; er wäre ohnehin nicht in der Lage gewesen, auch nur ein Wort herauszubringen. Er war sehr unvorsichtig geworden und konnte es gar nicht richtig fassen, dass er vergessen hatte, den Gürtel zu entknoten und an seinen richtigen Platz zu legen.

Später fielen ihm Erklärungen ein, die er hätte vorbringen können, wie dass er nur geübt hätte, einen richtigen Knoten zu knoten; aber da war es zu spät dafür. Das Beste war, den Vorfall zu ignorieren und in Zukunft genau darauf zu achten, bei den Gürtelübungen keine Spuren zu hinterlassen.

Es war eigentlich ein merkwürdiger Widerspruch: Einerseits kamen Johannes diese Übungen, die Fesselungen und die damit verbundenen Gefühle, sehr natürlich und nahe liegend vor, aber andererseits hatte er dennoch das Gefühl, dass es besser war, diese Gewohnheit zu verheimlichen.

Es war etwas von den Dingen, die in der wirklichen Welt nicht vorkamen; niemand redete darüber, nirgendwo sonst tauchte es auf als in Johannes' eigener Welt. Es gab einige Dinge, die es nur für Johannes zu geben schien und die er entsprechend auch völlig für sich behielt, beispielsweise die Bedeutungen der Zahlen. Eigenartiger Weise waren es genau die Dinge, die ihm besonders wichtig und unverzichtbar erschienen. Das hatte den Effekt, dass mit der Zeit die Kluft zwischen den Welten, zwischen Johannes' Welt und der wirklichen Welt, immer deutlicher wurde und ihn auch immer mehr beschäftigte.

Wie war es wohl für die anderen? Lebten sie auch in ihren Welten, getrennt von der wirklichen Welt, und hatten sie auch ihre Geheimnisse, die Dinge, die nur ihnen wichtig waren und niemandem sonst? Johannes hielt dies für sehr unwahrscheinlich.

Lennart Adrian

Vor anderthalb Jahren waren Johannes' Eltern umgezogen. Er kam in eine andere Schule mit anderen Kindern, die ihm nicht weniger fremd waren und die ihn auch nicht weniger hänselten als in der alten Schule. Seit einem halben Jahr war er aber auf dem Gymnasium. Obwohl ihm die Vorstellung, sich wieder an ein neues Gebäude und neue Lehrer gewöhnen zu müssen, extrem zuwider war, war er damit nicht unglücklich.

Die neue Schule hatte die Hoffnung, dass es nur besser werden könnte, nicht enttäuscht und er wurde lange nicht mehr so viel gehänselt und herumgeschubst wie vorher. Außerdem war die Klasse wesentlich kleiner und der Unterricht auch interessanter; insbesondere Englisch fand Johannes spannend und liebte es, neue englische Wörter zu erfinden. Er ließ sich dabei auch nicht dadurch entmutigen, dass seine Englischlehrerin kaum Interesse an seinen englischen Worterfindungen zeigte.

Sein Lieblingsgebiet aber, die Astronomie, vermisste er auch auf dem Gymnasium. Und das, obwohl es viel bedeutender war, als alles andere, was in der Schule vorkam.

Zum Beispiel die Frage, warum die keplerschen Gesetze sowohl für die erdähnlichen als auch für die erdunähnlichen Planeten gelten; Johannes hatte auf diese Frage nie eine plausible Antwort erhalten.

Mit dem Umzug vor anderthalb Jahren hatte sich Johannes abgefunden; am Anfang fand er ihn sogar ziemlich spannend, weil das neue Haus mitten in einer Matschlandschaft stand, in der grauer Lehm gefunden werden konnte, wenn man tief genug grub. Es dauerte auch eine Weile, bis er alle Kräne in der neuen Umgebung kannte; sie waren zwar lange nicht mehr so wichtig wie früher, hatten aber nach wie vor eine beruhigende Ausstrahlung auf Johannes.

Mittlerweile erschien ihm das neue Zuhause als ebenso gut oder schlecht wie das alte auch. Früher gab es die Bahngleise, auf die Johannes Münzen legte, die dann vergrößert wurden, wenn ein Zug darüber fuhr; jetzt gab es dafür ein dicht bewachsenes Gelände in der Nähe, das Johannes' Lieblingsplatz wurde.

Und diesen riesigen Supermarkt, voller unterschiedlichster Sachen, hell erleuchtet und sehr bunt, vom dem er sich geradezu magisch angezogen fühlte. Dort, wo er früher wohnte, gab es keinen Supermarkt und auch kein so dicht bewachsenes Gelände.

Immerhin hatte Johannes in dem neuen Haus ein richtig großes Zimmer und durfte sich sogar die Farben aussuchen, in denen es gestrichen werden sollte. Er wünschte sich die buntesten Farben, die er sich vorstellen konnte, doch seine Eltern bestanden darauf, dass es nur eine Farbe sein durfte; so wurde es grün.

Wieder einmal, wie jeden Winter zuverlässig immer um dieselbe Zeit, war Geburtstag, der elfte diesmal, 11, eine Zahl mit zwei gleichen Ziffern.

Mit sich selbst multipliziert ergibt die 11 121, die wiederum mit 11 multipliziert 1331 ergibt. So ließ sich eine ganze Reihe von Zahlen erzeugen, 11, 121, 1331, 14641, die alle etwas Besonderes darzustellen schienen.

Dann aber kam 161051, die so gar nicht in die Reihe passte. Johannes forschte nach; er stellte fest, dass eine Zahl in dieser Reihe erzeugt wurde, in dem die jeweils benachbarten Ziffern der Vorgängerzahl miteinander addiert wurden und zuletzt vorne und hinten eine 1 angehängt wurde. Das erklärte auch das Erscheinen der 161051 in der Reihe; in Wirklichkeit hieß diese Zahl 15(10)(10)51, was passte, aber 10 war eben keine Ziffer mehr.

Johannes beschloss, eine Ziffer für die 10 zu erfinden, um die Reihe fortsetzen zu können, dann eine für die 15 und die 20 und so weiter; schließlich müsste für jede Zahl eine Ziffer erfunden werden, damit die Reihe nie aufhörte, eine Reihe von besonderen Zahlen zu sein.

Als Geschenk bekam er den Spielzeugkran, den er sich vorher gewünscht hatte; der war riesig und über eine Kurbel leicht zu bedienen - er hatte alles, was einen Kran ausmachte. Johannes liebte Kräne, schon als kleines Kind; jedes Mal, wenn er entdeckte, dass irgendwo ein neuer Kran auftauchte, freute er sich darüber, und war traurig, wenn er feststellen musste, dass irgendwo wieder einer verschwand. Seit er die Idee hatte, sich den Kran zum Geburtstag zu wünschen, sehnte er diesen Tag voller Ungeduld herbei. Jetzt konnte er es kaum fassen, ihn vor sich zu sehen und Bauklötze daran zu hängen, um sie hochzukurbeln und woanders wieder herunter.

Zu seinem elften Geburtstag bekam er aber noch etwas: zwei silbern glänzende, runde Münzen. Das war Geld, das wusste er, und er erkannte sofort, dass es sich um zwei Mark handelte. Zweimal die 1, dachte er, und in seinen Gedanken taten sie sich zur 11 zusammen und begannen die Reihe zu bilden, 11, 121, 1331 und so fort. Seine Eltern erklärten ihm, dass er von nun an Taschengeld bekäme, zwei Mark jeden Monat.

Johannes wunderte sich ein wenig darüber, dass es "Taschengeld" hieß; damit war wohl gemeint, dass es in eine Tasche gesteckt werden müsste, in die Hosentasche etwa. Doch da wollte er es nicht hineinstecken, und als er sich entschied, es in einer Schachtel aufzubewahren, fragte er sich, ob es dennoch "Taschengeld" war, obwohl es in einer Schachtel lag. Er wusste zwar nicht warum, aber es erfüllte ihn mit einem gewissen Stolz, jetzt Taschengeld zu bekommen; es war eindeutig ein Zeichen der zwei Einsen und der Reihe, die sie bilden konnten.

Seine Mutter versuchte ihm zu erklären, dass es nicht zum Sammeln gedacht war, sondern dass er sich damit etwas kaufen konnte.

"Das Taschengeld ist dafür da, dass du dir etwas kaufen kannst, was du gerne möchtest; eine Tafel Schokolade vielleicht, oder auch etwas anderes. Was du möchtest eben."

Doch diese Erinnerung an diesen besonderen Geburtstag der zwei Einsen musste er aufbewahren, dachte er, das konnte er nicht einfach gegen Schokolade eintauschen.

Die nächsten Tage dachte Johannes immer wieder über sein Taschengeld nach. Nicht zuletzt, weil seine Mutter ihn immer wieder daran erinnerte und fragte, ob er denn nichts davon kaufen wollte, beispielsweise eine Tafel Schokolade.

Am Ende entschied er sich, eines der beiden Markstücke aufzubewahren und mit dem anderen etwas zu kaufen. Schokolade fand Johannes eigentlich ganz lecker, und so entschied er sich nach einigen Überlegungen, dem Vorschlag seiner Mutter zu folgen und von dem Taschengeld im Supermarkt eine Tafel seiner Lieblingsschokolade zu kaufen, Schokolade mit Haselnüssen. Dafür hatte er bereits eine der beiden Geburtstagsmünzen bestimmt. Er nahm sie aus seiner Taschengeldschachtel, steckte sie in die Hosentasche und ging zum Supermarkt, um sich dort eine Tafel Nussschokolade aus dem Regal zu nehmen. Es gefiel ihm, alleine einzukaufen, noch dazu mit seinem eigenen Geld; er war jetzt ein echter Junge, dachte er sich.

Als er an der Supermarktkasse in der Warteschlange stand, hörte er hinter sich eine Stimme, die ihm unbekannt war.

"Nussschokolade ist ja wirklich lecker; ich hab' aber eine weiße Schokolade, die schmeckt noch viel besser. Willst du sie gleich probieren, und ich darf dann von deiner etwas probieren?"

Als Johannes sich umdrehte, sah er in das Gesicht eines ihm unbekannten Jungen. Er sah seine blonden Haare, seine Gesichtszüge, Nase, Mund, die ihm eigenartig schön, unwirklich schön vorkamen, und seine blauen Augen, die ihn direkt ansahen.

Dann fiel sein Blick auf den Parka, den dieser Junge trug, olivgrün, bis oben zugeknöpft; er erstarrte, als er die Kapuze sah, mit einem braunen Fell innen.

Johannes konnte sich nicht dagegen wehren, diese Kapuze mit dem braunen Fell auf der Innenseite anzustarren. Ihn durchflutete dabei ein angenehmes, wohliges Schauern, das er in seinem ganzen Körper spürte; er war sehr irritiert.

Dieser Junge war nicht wie die anderen Jungs; er hatte ein Gesicht, ein feines, schönes Gesicht, und er trug dieses unglaublich faszinierende Kleidungsstück mit Kapuze. Johannes fühlte sich wie in einem Traum.

"Junger Mann, du bist dran."

Jäh aus seinen Gedanken gerissen streckte er der Kassiererin die Schokolade hin und kramte aus seiner Hosentasche das Taschengeldstück, das er dann ebenfalls der Kassiererin gab.

Die nahm das Markstück und legte ihm zwei grüne und eine rotbraune Münze dafür auf die Hand; schon wieder die Einsen: 10101, 111111, 1222221, 13444431, 147888741, ...

Dann bezahlte der Junge mit dem Parka, während Johannes umständlich sein restliches Taschengeld wieder in die Hosentasche steckte, ohne dass dabei sein Blick von der Kapuze des Parkas wich.

Nachdem er bezahlt hatte, fragte er noch einmal, "Und, willst du nun von meiner weißen Schokolade probieren?"

Johannes nickte.

"Dann lass uns vor die Tür gehen."

Johannes starrte den Jungen an, der in diesem olivgrünen Parka steckte mit dieser fellbesetzten Kapuze. Er dachte sich, es muss etwas ganz besonderes damit auf sich haben, dass er ihm begegnete, diesem Jungen mit diesen feinen Gesichtszügen, den blonden Haaren und den blauen Augen, die ihn so direkt ansahen, dass der Junge ihn ansprach und seine Schokolade mit ihm teilen wollte.

"Teilen", ging Johannes durch den Kopf und in Gedanken hörte er den Jungen sagen "Ich teile mit dir etwas, wenn du auch etwas mit mir teilst"; die Schokolade.

Johannes wollte sie eigentlich mit nach Hause nehmen, um erst mal nur ein kleines Stück davon zu essen und sich den Rest aufzuheben. Und weiße Schokolade mochte er eigentlich auch nicht so gerne; aber darum ging es jetzt nicht.

Gebannt beobachtete Johannes den Jungen, wie er eine Mütze aus einer seiner Parkataschen zog; sie war rot-braun gemustert. Er zog sie sich auf und gleich danach mit einem Schwung die Kapuze darüber.

"Komm", sagte er, und sie gingen beide aus dem Supermarktgebäude.

"Hast du keine Mütze?", fragte der Junge und Johannes schüttelte den Kopf.

Draußen lag Schnee, und es war wirklich kalt, aber Johannes trug nie eine Mütze und erst recht keine Kapuze. Er hatte noch nicht einmal eine Jacke mit Kapuze, außer seine Regenjacke, die er allerdings nur dann trug, wenn es richtig regnete.

Während der Junge neben ihm lief, blickte Johannes immer wieder zur Seite, um ein Bild von diesem Jungen mit der olivgrünen Kapuze und der rot-braunen Mütze darunter zu erhaschen. Ihm war die Vorstellung, eine Mütze oder eine Kapuze auf dem Kopf zu tragen, eher unangenehm gewesen; auch wenn es richtig kalt war, hatte er nichts auf seinem Kopf. Sie liefen zusammen über den Parkplatz und blieben am Rand stehen.

"Ich heiße Len", sagte der Junge dann, "ich bin hier nur für ein paar Tage zu Besuch bei meiner Oma. Und wie heißt du?"

Johannes starrte unentwegt auf die Kapuze, die Len auf hatte, und auf die Mütze darunter; er war verwirrt von den erregenden Gefühlen, die er dabei spürte, von der Besonderheit dieses Jungen und überhaupt von dieser Begegnung. Er war sich nicht sicher, ob er vielleicht das alles nur träumte.

"Len", klang es in seinem Kopf; einen solchen Namen hatte er noch nie gehört.

"Len? Das ist ja ein komischer Name", sagte er dann, fasziniert darüber, dass dieser besondere Junge auch einen besonderen Namen hatte.

"Das ist eine Abkürzung. Ganz heiße ich Lennart Adrian."

"Lennart Adrian", klang es wiederholt in Johannes' Kopf, während sein Blick kein Stück von dieser Kapuze wich, "Lennart Adrian."

"Und du? Wie heißt du?", fragte ihn Len, und Johannes antwortete, "Johannes."

"Jan", sagte Len.

"Jan? Wieso Jan?"

Johannes verstand nicht, was der Junge damit sagen wollte.

"Jan ist eine Abkürzung für Johannes. Das habe ich gelesen."

Johannes hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, dass Namen auch Abkürzungen haben. Schon gar nicht, dass er deswegen nicht nur Johannes, sondern auch Jan hieß, so wie Lennart Adrian auch Len hieß.

"Len - Jan", klang es in Johannes' Kopf. Es klang gut.

Johannes lauschte diesem Klang in seinen Gedanken, beobachtete das Gesicht des Jungen, der diesen klingenden Namen hatte und einen Parka trug mit Kapuze auf, über einer Mütze.

"Ist was mit mir?"

Johannes sah, dass ihm Len ein Stück seiner weißen Schokolade reichte; er hatte gar nicht bemerkt, wie er sie öffnete, so sehr war er in seinen Gedanken und Träumen versunken.

"Nein", sagte er und "Danke", als er das Stück nahm und sich in den Mund schob.

"Gibst du mir jetzt auch ein Stück von deiner?"

Johannes öffnete seine Schokolade und gab Len ein Stück davon. Sie aßen zusammen die beiden Schokoladetafeln ganz auf.

Johannes erfuhr, dass Len zwölf Jahre alt war und auch auf ein Gymnasium ging. Vielleicht, dachte Johannes, gab es auf dem Gymnasium noch mehr besondere Jungs, Jungs, die einen Parka mit Kapuze hatten, und es war ihm noch gar nicht aufgefallen. Er erzählte, dass man auf seinem Gymnasium nichts über Astronomie lernen würde und fragte Len, wie das in dem Gymnasium sei, auf das er ging; doch Len wusste noch nicht einmal, was Astronomie bedeutete.

"Na, über Sterne, Planeten aus Stein und Planeten aus Gas, die vielen Monde und die Sonne. Weißt du, dass Jupiter 14 Monde hat und Saturn 10? Jupiter ist viel größer als Saturn und deswegen hat er mehr Monde; die Erde ist winzig klein und deswegen gibt es hier nur einen Mond."

Len schüttelte den Kopf.

Nachdem sie ihre Schokoladen geteilt hatten, sagte Len, dass er gehen müsste, weil seine Oma auf ihn wartete. Er sagte auch, "Du bist ein Netter, wirklich, vielleicht treffen wir uns ja noch mal."

Johannes hätte gerne gesagt, dass er ihn auch gerne wieder treffen wollte, unbedingt sogar, wusste aber nicht, wie er es sagen sollte. Er musterte noch einmal genau den Parka, der ihn so faszinierte, mit diesem Jungen darin, der die Kapuze auf hatte. "Lennart Adrian", dachte er dabei immer wieder und beobachtete den Jungen und die Kapuze noch eine Weile nachdem er sich umdreht hatte und wegging. Dann ging auch Johannes nach Hause.

"Len - Jan", klang es in seinem Kopf, und dieses Bild, Len mit dem Parka, als er sich die Kapuze über seine Mütze zog, prägte sich tief in ihm ein. Auf dem Weg nach Hause dachte er über diese unheimlichen Gefühle nach, die dieser Junge mit dem Parka in ihm auslöste.

Zu Hause legte er sein restliches Taschengeld in die Schachtel zurück und gab sich seinen Gedanken hin. Er dachte auch über Abkürzungen von Namen nach und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass vielleicht auch "Hannes" eine Abkürzung für Johannes war, so wie "Jan". "Jan" gefiel ihm allerdings wesentlich besser als "Hannes"; auch besser als "Johannes" - "Jan" war ein richtig guter Name, so gut wie "Len".

Auch nach Wochen ging Johannes diese Begegnung nicht aus dem Kopf. Er war erstaunt, wie deutlich er sich an Lens Parka erinnern konnte, an die Kapuze und vor allem auch an sein Gesicht. Es dauerte eine Weile, bis ihm auffiel, dass Len, "Lennart Adrian", ein Gesicht hatte, ein deutliches Gesicht, eines, das sich in Johannes einprägen konnte. Alle anderen Menschen hatten dagegen kein solches Gesicht, das so klar und deutlich war. Gesichter konnte sich Johannes normalerweise kaum einprägen; er empfand sie immer als undeutlich und schwer auseinander zu halten. Len aber hatte ein anderes Gesicht, ein klares und deutliches Gesicht; noch nie hatte Johannes ein Gesicht so gesehen, wie er das von Len gesehen hatte.

Er war zweifellos ein ganz besonderer Junge, nicht nur seines Gesichtes wegen, sondern auch wegen seines Parkas mit dieser faszinierenden Kapuze und natürlich auch wegen seines Namens.

"Len - Jan", was für ein besonderer Klang.

Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, Len wieder zu treffen; Johannes dachte oft daran, wie es wäre, wenn Len plötzlich wieder auftauchte, auf dem Weg zur Schule, im Supermarkt oder gar auf dem verwilderten Gelände, auf dem er sich gerne aufhielt.

Einige Wochen nach der Begegnung, als Johannes schon einige Zeit im Bett lag und - wie so oft abends - über Len nachdachte, spielte er in seinen Gedanken die Begegnung weiter. Er hörte die Türklingel und sah sich aufspringen, um die Tür zu öffnen.

"Hallo Jan, kommst du?", fragte Len, der vor der Tür stand.

Johannes sah ihn sehr deutlich: Er trug seinen Parka und hatte die Kapuze auf und seine Mütze darunter.

"Kommst du?", fragte er noch mal und Jan sagte "Ja" und zog sich seine Schuhe an.

Dann nahm er seinen Parka vom Garderobenhaken, der genau wie Lens Parka ein braunes Fell hatte, und zog ihn sich über. Nachdem er ihn zugeknöpft hatte, zog er aus der Tasche eine rot-braune Mütze, setzte sie sich auf und zog die Kapuze darüber.

Als er sich in Gedanken so sah, in dem Parka, mit Mütze und Kapuze darüber, und spürte, wie das Fell der Kapuze über die Mütze glitt, breitete sich augenblicklich dieses erregendes Gefühl in seinem Körper aus, ähnlich wie das Gefühl, das er spüren konnte, wenn er sich seine Arme auf den Rücken fixierte. In dem Moment, als Johannes, das heißt Jan, sich in Gedanken seine Kapuze übergezogen hatte, löste sich dieses Gefühl und wich einer tiefen Entspannung; das Bild verblasste.

Er war ziemlich irritiert, als er mit seinen Fingern die feuchte Stelle in seinem Bett befühlte.

Der Gedanke an den Parka, vor allem an die fellbesetzte Kapuze, lösten in ihm offenbar ähnliche Gefühle, eine ähnliche Erregung und anschließende Entspannung aus, wie wenn seine Hände gefesselt waren. Johannes fand diesen Zusammenhang ziemlich eigenartig und auch ein wenig beunruhigend; was hatte das miteinander zu tun? Ob es Len etwa auch mochte, gefesselt zu sein? Johannes war sich sehr unsicher, ob er sich das vorstellen konnte; Len festgebunden an einer Bank, das passte irgendwie gar nicht.

Johannes wünschte sich oft, er wäre ein anderer, ein Junge, der Jan heißen würde und der einen Parka hätte mit Kapuze. Abends träumte er gerne davon, wie er, Jan, einen Parka hatte, wie er ihn sich anzog und sich die Kapuze überstreifte. Er konnte sie dabei wirklich auf seinem Kopf spüren, und gab sich dann den erregenden und zugleich beruhigenden Gefühlsschauern hin, die sie ihn ihm auslöste.

Es war offensichtlich, dass sich seine Welt von der anderer Menschen viel mehr unterschied, als er sich es überhaupt vorstellen konnte. Johannes dachte sich, dass wahrscheinlich alle Menschen in unvorstellbar unterschiedlichen Welten lebten. Es war ein Wunder, dass sie sich überhaupt miteinander verständigen konnten. Manche Menschen konnten sich sehr gut verständigen, andere, zu denen Johannes gehörte, weniger.

Ob das mit dem Grad der Unterschiedlichkeit der Welten zu tun hat, in denen sie leben? Kann man diesen Grad wenigstens messen oder berechnen, wenn man sich die Unterschiedlichkeit schon nicht vorstellen kann?

Das war ein ähnlich schwieriges Problem wie das mit den erdähnlichen Planeten und den keplerschen Bewegungsgesetzen. Auch diese Gesetze berücksichtigten nicht, dass die Planeten, die sie beschrieben, sich sehr voneinander unterschieden, was Johannes als höchst unbefriedigend empfand. Alleine schon - als Beispiel - die Ringe um den Saturn sind etwas derart Besonderes, dass es Gesetze geben muss, die diesen Planeten als einen besonderen Planeten auszeichneten; genau das taten Keplers Gesetze nicht.

Johannes fragte sich, ob Len mit ihm seine Welt teilte, oder ob er auch in jener eigenartigen Welt lebte, in der auch alle anderen sich aufhielten. Len, Lennart Adrian, da war sich Johannes ganz sicher, gehörte zu seiner Welt und nicht zu der der anderen; warum sollte er sonst einen Parka haben und sich die Kapuze über die Mütze ziehen?

Warum sonst hatte dieser Junge ein Gesicht und einen Namen, der klingt, der so wunderbar, so verheißungsvoll klingt wie "Lennart Adrian"?

Johannes verbrachte die folgenden Jahre viel Zeit mit solchen Gedanken. Allmählich wurde ihm dabei auch klar, dass Len der erste und einzige Mensch war, dem er begegnet war, der einzige wirkliche Mensch, der in seinem Leben auftauchte wie ein Traum und ebenso wieder verschwand.

Diese Begegnung brachte etwas wirklich Neues in sein Leben, etwas, was seinem Leben und seiner Welt eine neue, schwer zu verstehende Bedeutung gab, eine Verheißung, die bestimmt alles andere als folgenlos bleiben würde.

Die Erinnerungen an Len verblassten mit der Zeit zunehmend und verwandelten sich in eine abstrakte Sehnsucht, die fortan die Kluft zwischen den Welten vergrößern und Johannes in seiner Einsamkeit begleiten würde. Es war eine Sehnsucht nach Begegnung und zugleich eine danach, zu dem zu werden, was er sein wollte, was er eigentlich war, Jan zu werden, Jan mit Parka und Fellkapuze. Beides schien unerreichbar und so blieben die erregenden Träume mit Parka und Kapuze, ebenso wie die nagende Sehnsucht, diesem Jungen wieder zu begegnen, Len, Jan.

Im Zeltlager

Es war noch sehr früh, als Johannes aus dem Schlaf aufschreckte; nachdem sich seine Benommenheit gelegt hatte, fiel ihm ein, dass die Schulferien begonnen hatten und er nicht früh aufstehen musste. Er blieb im Bett liegen und versuchte, sich an den Traum zu erinnern, aus dem er aufgeschreckt war.

Im Halbschlaf kamen ihm unterschiedlichste Gedanken bis er erschrak, als er sich plötzlich an diese Begebenheit im Kindergarten erinnerte und sah, wie er diesen Jungen würgte, der um sein Leben schrie. Wie hieß dieser Junge noch? Johannes fiel der Name nicht ein.

Er sah alles sehr deutlich; es war, als würde er es gerade eben erleben. Wie er und dieser Junge ausgeschimpft wurden und dann die Bestrafung auf der Bank. Wie ihm die Arme an den Körper gebunden wurden, die dabei nach hinten, auf den Rücken rutschen, wie Ias weinte, als er auch festgebunden wurde;

"Ias", das war der Name, ein merkwürdiger Name. Johannes wunderte sich über den Namen und überlegte, wieso er diesen Namen in Erinnerung hatte; hieß der Junge wirklich so?

Nach kurzer Zeit gab er sich ausgiebig dem Gefühl hin, auf der Bank festgebunden zu sitzen, neben Ias, der unverständlicher Weise darüber sehr traurig war.

Im Traum versuchte er, die Arme zu bewegen, nur ein wenig, um das Seil zu spüren, das ihm um Bauch und Arme gebunden war. Dann versuchte er, sich aus der Fesselung zu befreien und nach wenigen Versuchen war erst der eine Arm, dann gleich auch der andere frei. Seine Arme wurden lediglich durch ein Seil gehalten, das mehrmals um sie und seinen Bauch gewickelt war; es war einfach, sie frei zu bekommen.

Ias, der neben ihm saß, traute sich nicht, seine Arme zu bewegen.

Plötzlich hörte Johannes Schwester Anne schreien - sie schrie oft im Kindergarten, was er wirklich hasste, denn sie schrie immer so laut, dass ihm die Ohren weh taten.

"Du wirst gleich sehen, was du davon hast, dass du so böse bist", schrie sie, als sie vor Johannes stand, der mit freien Armen auf der Bank saß.

Sie knotete erst das Seil los, das jetzt locker um Johannes' Bauch gewickelt war und dann das, mit dem er an die Lehne der Bank gebunden war.

Dabei sagte sie kein Wort und schrie auch nicht mehr.

Sie fasste Johannes fest an den Armen und bog sie hinter seinen Rücken; Johannes verstand, dass er sie dort lassen sollte und ließ sich bereitwillig die Hände auf dem Rücken zusammenbinden. Anschließend wurde er wieder an die Lehne der Bank gebunden. Schwester Anne knotete dann Ias los, sodass Johannes alleine auf der Bank saß. Diesmal konnte er sich nicht mehr aus der Fesselung befreien; so sehr er es auch versuchte, seine Arme blieben auf dem Rücken.

Johannes beobachtete sich lange Zeit, wie er mit den Händen auf dem Rücken auf der Bank seine Strafe absaß; nach einer Weile spürte er, wie sich seine Unterhose ausbeulte und der Druck immer stärker wurde.

Der Traum löste sich langsam auf und Johannes stand auf, um zu pinkeln; der Druck war danach verschwunden, seine Gedanken an den Kindergarten auch.

Die konzentrierten sich jetzt auf diese eigenartige Begebenheit, die es kurz zuvor in der Schule gab und die sich "Sexualkunde" nannte. Er hatte den Eindruck, dass die anderen in seiner Klasse das irgendwie peinlich fanden - obwohl der Lehrer nicht müde wurde festzustellen, dass daran nichts Peinliches sei; er fand es nicht peinlich, sondern einfach nur absurd.

Johannes fand das, was der Lehrer in dem "Sexualkundeunterricht" darlegte, ganz und gar unglaubwürdig. Nicht nur, dass es dabei weder um Fesselungen noch um Kapuzen ging; stattdessen führte der Lehrer Dinge aus, die nicht nur höchst eigenartig waren, sondern auch noch ziemlich unangenehm sein mussten.

Wieso sollte irgendjemand so etwas tun? Wieso sollten durch derart unsinnige und wahrscheinlich unangenehme Handlungen Kinder zustande kommen?

Am meisten erstaunte Johannes, dass er den Eindruck hatte, dass außer ihm niemand etwas anderes im Sexualkundeunterricht erwartet hatte.

Da ihm das alles zunächst höchst unglaubwürdig vorkam, befragte er andere Erwachsene, was sie von der Theorie über Sexualität hielten, die sein Lehrer in der Schule darlegte; er befragte auch andere Schüler. Sein Vater nahm seine Fragen zum Anlass, Johannes eines abends im Badezimmer aufzusuchen, um ihm nochmals zu erklären, was es mit der "Sexualität" auf sich hatte; auch er erzählte etwa das, was der Lehrer in der Schule sagte.

Was blieb, war das unbestimmte aber deutliche und fast schon vertraute Gefühl, dass in seinem Leben etwas Grundsätzliches völlig anders war, als scheinbar bei allen anderen. In seiner Welt gab es diese Dinge nicht, die im Sexualkundeunterricht besprochen wurden; überhaupt gab es da nichts Peinliches.

Johannes' Vater war Gruppenleiter bei den Pfadfindern. Johannes war dagegen nicht bei den Pfadfindern, auch wenn sein Vater es gerne gesehen hätte. Aber Johannes fand keinen Gefallen an diesen Pfadfinderaktivitäten.

Im Sommer 1979, Johannes war 12 Jahre alt, fuhr sein Vater für eine Woche mit auf ein Pfadfinderzeltlager und Johannes musste mitkommen, was ihm überhaupt nicht gefiel. Mit den Jungs in einem Zelt zu schlafen, von denen er viele nicht kannte, andere nicht mochte, diese Vorstellung alleine war für ihn das Grauen. Vor allen Dingen auch, weil er typischerweise auch immer derjenige war, der gehänselt und geärgert wurde. Er war ein zurückgezogener, ruhiger Junge, der sich viel gefallen lies und sozusagen ein dankbares Opfer für andere Jungs war. Doch mit diesem Argument, dass er doch viel mehr mit anderen Kindern spielen sollte, wurde er von seinen Eltern so sehr gedrängt mitzukommen, dass er schließlich keine andere Wahl hatte.

Gleich am ersten Tag, nachdem er sich in dem Zelt einen Platz ausgesucht hatte, lernte er Kay kennen.

Während er dabei war, seine Sachen auszupacken und den Schlafsack auszubreiten, kam ein Junge ins Zelt und baute sich vor ihm auf, der einen Kopf größer war als er.

"Das ist mein Platz", sagte er und kickte dabei Johannes' Sachen zur Seite.

Dann fing er an, Johannes zu schubsen, als er nach seinen Sachen griff, und schob ihn bis zur Zeltwand.

"Da ist dein Platz", sagte der Junge und zeigte auf den Boden.

Der Platz war sehr klein, sodass er noch nicht einmal ausreichte, den Schlafsack richtig auszubreiten. Dann ging er zu Johannes' altem Platz zurück, setzte sich dort auf den Boden und beobachtete, wie Johannes seine Sachen wieder ordnete. Ein anderer Junge flüsterte Johannes zu,

"Das ist Kay, der ist richtig widerlich."

Das fand Johannes auch und wollte am Liebsten gleich wieder abreisen; aber er wusste, dass das nicht ging.

Nachdem er seine Sachen im Zelt untergebracht hatte, erfuhr er, dass für den nächsten Tag ein Geländespiel geplant war, für das die Pfadfinder alle in Gruppen aufgeteilt werden sollten. In dem Spiel sollte es wohl darum gehen, sich im Wald zu verstecken und gegenseitig aufspüren. Die Aufteilung der Gruppen war für den Abend geplant, nachdem alle ihre Sachen in den Zelten untergebracht hatten.

Johannes war sehr erstaunt darüber, dass gleich zwei Pfadfinder auf ihn zukamen und ihn fragten, ob er nicht in ihrer Gruppe sein wollte. Hier schien er nicht derjenige zu sein, mit dem niemand in eine Mannschaft wollte; das Spiel fing an, ihn zu interessieren. Nach der Aufstellung der Gruppen kam Kay auf ihn zu und sagte,

"Dich werde ich als erstes fangen."

"Warum? Was habe ich dir getan?", fragte Johannes daraufhin, aber Kay schubste ihn einfach weg ohne etwas zu sagen.

Dann kam er noch einmal und baute sich vor Johannes auf: "Warum wehrst du dich nicht?", und schubste ihn noch einmal. Johannes rannte in das Schlafzelt.

Kurze Zeit später kam sein Vater und fragte ihn, ob Kay ihm weh getan hätte; einer der Pfadfinder hatte ihm wohl von dem Vorfall erzählt.

Johannes verneinte und sein Vater sagte, "Kay ist ein bisschen schwierig; manchmal muss er den starken Mann spielen." Aber Johannes brauchte keine Angst vor ihm zu haben,

"Komm einfach zu mir, wenn er noch einmal Schwierigkeiten macht."

Johannes war auch wieder beruhigt und dachte an das Geländespiel übermorgen, und daran, wie er es schaffen konnte, nicht von Kay gefangen zu werden. Später kam Kay zu Johannes und sagte, "Ich soll mich bei dir entschuldigen."

Johannes' Vater hatte also mit ihm gesprochen, dachte Johannes und sagte, "Ich habe aber nicht gepetzt."

"Weiß ich", sagte Kay und stieß ihn sachte mit der Faust an seiner Schulter.

"Warum willst du mich morgen fangen, was habe ich dir getan?", fragte Johannes und bekam zur Antwort,

"Das ist doch nur ein Spiel."

Er dachte noch eine Weile darüber nach, was Kay mit "nur ein Spiel" meinte.

Nach dem Frühstück war es soweit und Johannes ganz schön aufgeregt; er wusste selbst nicht warum, aber er hatte eine Ahnung, dass sich irgendetwas Besonderes dahinter verbarg, hinter diesem Geländespiel, das "nur ein Spiel" war.

Eigens für dieses Spiel bekam Johannes ein Pfadfinderhemd mit Halstuch und eine kurze Pfadfinderhose geliehen, was ihm sehr gefiel: zumindest in diesem Spiel galt er wie die anderen als Pfadfinder. Die Regeln waren einfach: Im Wald gab es Stellen, an denen man Aufgaben gestellt bekam, die musste man aufspüren und die Aufgaben lösen. Der Clou war: Man konnte Mitglieder der anderen Gruppen gefangen nehmen, und die Gefangenen durften keine Aufgaben mehr lösen, sondern wurden an der Feuerstelle gefangen gehalten.

"Wie soll das funktionieren; die Gefangenen können doch einfach wieder weglaufen?", fragte Johannes einen Pfadfinder, der neben ihm stand.

"Die werden natürlich gefesselt", sagte er und Johannes zuckte ein wenig zusammen: Auf keinen Fall darf er sich von Kay gefangen nehmen lassen.

Mit zwei Pfadfindern aus seiner Gruppe ging Johannes in den Wald. Er fragte sich, wie es denn möglich sein sollte, diese Aufgabenstellen zu finden, er wusste ja nicht einmal, wie sie aussahen. Johannes und seine Gruppe irrten eine Weile durch den Wald, bis sie eine Fahne an einem Baum hängen sahen.

Unter der Fahne lagen einige Seile und an dem Baum hing ein Zettel, auf dem stand, dass die Aufgabe darin bestand, drei bestimmte Knoten in ein Seil zu knoten und das Seil als Beweis für die bestandene Aufgabe mitzunehmen. Johannes hatte keine Ahnung von Knoten, aber er war ja in dieser Beziehung mit Fachleuten unterwegs. Die zeigten ihm auch die Knoten und Johannes steckte sein Seil in die Hosentasche. Dann irrten sie weiter durch den Wald.

Plötzlich stand Kay vor ihnen; Johannes wäre fast gestorben vor Schreck. Die beiden Pfadfinder rannten sofort davon, Johannes auch; es war aber klar, dass Kay ihm hinterher rennen und ihn auch schnell einholen würde.

Er warf sich regelrecht auf ihn; Johannes dachte, ihm würden sämtliche Knochen brechen.

Er lag auf dem Bauch und Kay kniete auf seinem Rücken, nahm seine Handgelenke, hielt sie auf dem Rücken zusammen und klemmte sie dann mit seinen Knien fest; das war ziemlich unangenehm.

"Jetzt zeige ich dir du, wofür das Halstuch gut ist", sagte er und nahm Johannes das Halstuch ab, um seine Hände damit über Kreuz zusammen zu binden.

Dann stand er auf, packte Johannes an den Armen und zog ihn hoch. Johannes versuchte, seine Hände zu bewegen und zerrte an seinen Fesseln; die saßen wirklich ganz schön fest. Kay hielt ihn fest an einem Arm und lief mit ihm so durch den Wald.

"Siehst du, ich habe doch gesagt, dass ich dich als erstes fangen werde", sagte er.

Johannes ärgerte sich darüber, dass Kay ihn wirklich gefangen hatte und das noch gleich zu Beginn des Spiels. Plötzlich blieb Kay stehen und sagte, "Jetzt werde ich dich erst mal hierhin verfrachten."

Sie standen vor einem Hochsitz für Jäger, der rundum geschlossen war, wie eine kleine Hütte auf Stelzen.

"Die Gefangenen kommen doch zur Feuerstelle."

Johannes war etwas beunruhigt; er hatte ein wenig Angst vor Kay.

"Wenn ich dich jetzt dahin bringe, dann sehen alle, dass du der erste Gefangene bist", sagte Kay, "Und das wäre doch blöde, oder?"

Das klang durchaus plausibel; Johannes wollte tatsächlich nicht der erste sein, der gefangen genommen wurde.

"Du musst daher noch ein bisschen warten, bis es soweit ist."

Kay zog die Schnur mit den drei Knoten aus Johannes' Hosentasche,

"Geh die Leiter hoch."

Johannes fragte ängstlich, "Aber du holst mich doch wieder, oder?"

"Das wirst du dann schon sehen."

Kay schob ihn die Leiter hoch, bis er oben in das Häuschen hineinfiel. Dann nahm er die Schnur mit den Knoten und band damit Johannes' Fußgelenke zusammen, "Damit du mir nicht wegläufst", und kletterte die Leiter wieder herunter.

Danach nahm er auch noch die Leiter weg, sodass wirklich keine mehr Chance bestand, da wieder herunter zu kommen. Johannes hörte, wie sich Kays Schritte entfernten.

Er lag eine Weile regungslos auf dem Boden, bis ihm schließlich seine Position unbequem wurde. Dann fing er an, seine Handgelenke und seine Beine zu bewegen, soviel es eben ging, und spürte nach kurzer Zeit ein angenehmes, warmes Gefühl durch seinen Körper strömen. Er begann, heftiger an den Fesseln zu zerren, zuletzt, indem er seinen ganzen Körper einsetzte und sich wie ein Wurm auf dem Boden wand.

Dieses angenehme, warme Strömen steigerte sich ins Unermessliche; Johannes kämpfte gegen seine Fesselung an, bis er ganz erschöpft war von den doch recht anstrengenden Bewegungen.

Das Liegen auf dem Boden war inzwischen auch richtig unbequem geworden. Die einzigen Positionen, die dabei in Frage kamen, waren auf der Seite, was allerdings nach einiger Zeit an den Schultern unangenehm wurde, oder auf dem Bauch; am Besten war es, sie von Zeit zu Zeit zu wechseln.

Nach einer Weile entschied sich Johannes zu versuchen, sich aufzurichten und an die Wand zu lehnen. Er schob sich die Wand hoch, bis er daran angelehnt sitzen konnte. Es war nicht einfach, sich an Händen und Füßen gefesselt aufzurichten und kostete einige Anstrengung. Und jedes mal, wenn er sich anstrengte, um seine Position zu verändern, steigerte sich dieses strömende, erregende Gefühl in seinem Körper. Als er endlich saß, konnte er sich wieder ganz den Gefühlen hingeben, die ihn durchströmten.

Er versuchte immer wieder, die Handgelenke zu bewegen, aber die Fesseln hielten; Kay hatte gute Arbeit geleistet - er war ja schließlich auch Pfadfinder. Auch die Fesseln an den Füßen waren fest und ließen sich kein bisschen lockern.

Mit einem Mal erinnerte sich Johannes daran, wie er im Kindergarten an eine Bank gebunden wurde. Er erinnerte sich an das angenehme Gefühl, seine Arme eng an den Körper geschnürt zu spüren. Wie damals spürte er jetzt seine Hände, wie sie hinter seinem Rücken zusammengebunden waren, und diese Gefühlsschauer, die ihn auf magische Weise erregten und zugleich beruhigten.

Er schloss die Augen und verlor sich in seinen Gedanken und in diesen wohligen, prickelnden Gefühlen, und vergewisserte sich dabei immer wieder, dass seine Hände und Füße immer noch fest zusammengebunden waren, indem er versuchte, sie zu bewegen.

Nach einer Weile wurde allerdings auch das Sitzen unbequem, auch wenn er von Zeit zu Zeit die Beine ausstreckte und nach einer Weile wieder anwinkelte.

Inzwischen hegte er Zweifel, dass Kay überhaupt wiederkommen würde, um ihn zu befreien; ihm kam die Zeit, die er auf dem Hochsitz verbrachte so lange vor, dass er dachte, das Geländespiel sei bestimmt schon längst vorbei. Vielleicht hatte ihn Kay vergessen oder, schlimmer noch, machte er sich einen Spaß daraus, ihn so lange auf dem Hochsitz gefangen zu halten, bis er es nicht mehr aushalten konnte.

Immer wieder und auch immer verzweifelter versuchte Johannes, die Fesseln zu lockern, doch er hatte dabei nicht den geringsten Erfolg; die Fesseln hielten.

Endlich hörte er, wie jemand kam; er hatte überhaupt kein Gefühl mehr dafür, wie viel Zeit vergangen war, nur dass sie ihm ewig vorkam. Gerade als er sich dazu durchgerungen hatte, um Hilfe zu rufen, hörte er, wie die Leiter an den Jägerstand gestellt wurde. Kay kletterte herauf und sagte,

"Na, bist du noch hier?"

Er kam in das Häuschen und setzte sich neben Johannes.

"Zeig mal, ob deine Fesseln noch in Ordnung sind."

Kay begutachtete die Hände auf seinem Rücken und zog dabei an den Fesseln und danach die Füße.

"Das hält noch eine Weile."

Johannes fand diese Situation ziemlich erregend; aber ihm taten aber auch bereits die Arme weh, und der Rücken auch vom Sitzen in dieser auf Dauer doch recht unbequemen Situation.

Er fand es war wirklich Zeit, dieses Fesselspiel zu beenden und sagte, "Bind mich los und bring mich zu den anderen Gefangenen."

"Erst, wenn du sagst, dass du ein Hosenscheißer bist", erwiderte Kay, doch das kam für Johannes überhaupt nicht in Frage.

Auf keinen Fall sollte sich Kay auf seine Kosten lustig machen; da biss er lieber die Zähne zusammen und hielt noch länger durch.

"Ich bin kein Hosenscheißer. Bind mich jetzt endlich los."

Kay saß schweigend neben ihm und fing nach einer Weile an, vor sich hin zu pfeifen.

"Bind mich los", wiederholte Johannes, doch er reagierte nicht.

Dann zog Kay eine Tafel Schokolade aus der Tasche, die er dabei hatte; es war Nussschokolade, Johannes' Lieblingsschokolade, und Johannes merkte plötzlich, dass er inzwischen richtig hungrig geworden war. Er hatte nur gefrühstückt und obendrein seine Provianttasche verloren, als er von Kay gefangen genommen wurde.

Während Kay die Schokolade auspackte, sagte er,

"Du kannst auch sagen, dass du ein Schwächling bist, das ist auch ok."

Johannes blieb stur und schwieg.

"Naja, wir haben ja Zeit, das Spiel ist noch lange nicht vorbei. Meine Gruppe hat zwar schon alle Aufgaben gelöst, aber die anderen brauchen noch eine Weile bis sie fertig sind."

Dann hielt ihm Kay ein Stück Schokolade vor den Mund, "Willst du?"

Er zog sie aber wieder weg, als Johannes mit dem Mund danach schnappte;

"Die ist lecker", sagte er und schob sich das Stück in den Mund.

Dann bot er Johannes noch einmal ein Stück an und zog es auch wieder weg.

"Sag erst, was du bist", sagte er und Johannes erwiderte, "Du bist wirklich widerlich."

"Na gut", sagte Kay, "wenn du nicht anders willst; dann kannst du ja hier versauern."

Er packte die Schokolade wieder ein und ging zur Leiter. Bevor er herunterkletterte warf er Johannes die angebrochene Tafel zu, "Damit du nicht verhungerst"; dann ging er.

Johannes starrte auf die Schokolade, die neben ihm auf den Boden lag. Er rollte sich wieder auf den Boden und versuchte, sie mit dem Mund auszupacken; es gelang ihm nicht.

Vor Verzweiflung kamen ihm die Tränen; wenn ihm nur etwas einfallen würde, wie er sich aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Zugleich spürte er auch einen Druck in der Hose, der allerdings hauptsächlich daher rührte, dass er pinkeln musste. Zum Glück kam Kay schon kurze Zeit später wieder.

"Und?", fragte er, "Hast du noch nicht genug?"

"Ich bin immer noch kein Hosenscheißer, lieber verhungere ich hier."

Kay nahm ihn an den Armen und zog ihn zur Wand, damit er wieder dort angelehnt sitzen konnte. Er nahm dann die Schokolade, öffnete sie und brach ein Stück ab, das er Johannes vor den Mund hielt; diesmal zog er sie nicht weg. Er gab ihm Stück für Stück die restliche Schokolade. Johannes war verwirrt darüber, wie sehr es ihn anregte, von Kay mit Schokolade gefüttert zu werden. Der Hunger, die Arme und der Rücken, die ihm weh taten, das alles verschwand unter dem prickelnden Gefühl, das sich in ihm ausbreitete.

Einzig das Gefühl, pinkeln zu müssen, wurde rasant stärker und der damit verbundene Druck unangenehmer. Nachdem er die Schokolade gegessen hatte, sagte Kay, "Dann gehen wir mal", und band Johannes die Füße los. Er steckte das Seil wieder in Johannes' Hosentasche.

"Und die Hände?", fragte Johannes,

"Du bist immer noch mein Gefangener", antwortete Kay und schob ihn zur Leiter hin.

Johannes hatte Angst, gefesselt die Leiter herunter zu fallen und sträubte sich zuerst dagegen, von Kay zum Ausgang bugsiert zu werden. Kay setzte ihn an das Loch, ging voran und hob ihn Stück für Stück herunter, indem er ihn dabei gut festhielt.

Unten angekommen packte Kay Johannes wieder mit festem Griff an einem Arm und sagte, "Gehen wir."

"Ich muss pinkeln", sagte Johannes und Kay blieb mit ihm an einem Baum stehen.

Als ihm Kay die Hose öffnete, die gleich bis zu seinen Füßen herunterrutschte, bemerkte Johannes, dass seine Unterhose unübersehbar ausgebeult war.

"Das ist bloß, weil ich pinkeln muss", sagte er, während Kay ihm die Unterhose ein Stück nach unten zog.

Er blieb neben ihm stehen, was es nicht einfach machte zu pinkeln; dabei fiel Johannes auf, dass Kay unentwegt auf sein steifes Glied blickte. Auch wenn der Druck groß war, so konnte er unmöglich pinkeln.

"Das geht nicht, wenn du zuschaust", sagte er schließlich und Kay entfernte sich ein paar Schritte,

"Du wirst mir ja schon nicht weglaufen."

Johannes kam die Zeit, ewig vor, die er da stand, die Hände auf dem Rücken, und wartete, bis er endlich pinkeln konnte; die Hose bekam zum Glück nur ein paar Tropfen ab.

Zu seiner Überraschung hielt sich Kay mit Kommentaren zurück, wartete geduldig und kam erst wieder, als Johannes "fertig" rief. Er zog ihm die Unterhose hoch und dann die Hose, die er wieder zuknöpfte.

Johannes dachte darüber nach, dass er es richtig spannend fand, von Kay gefüttert, aus- oder angezogen zu werden, während er gefesselt war. Kay hielt ihn nun nicht mehr am Arm, als sie weitergingen.

Nach einer Weile sagte er, er hätte Respekt davor, dass Johannes nicht nachgegeben hatte.

"Du bist in Ordnung", sagte er und Johannes fragte sich, ob das ein Test war, herauszufinden, ob er wirklich ein "Hosenscheißer" oder ein "Schwächling" war; wenn, dann hatte er den Test offenbar bestanden.

"Ich bin kein Hosenscheißer", sagte Johannes, um es sich noch einmal bestätigen zu lassen.

Kay lachte und sagte, "Das bist du wirklich nicht." Johannes war verwirrt über Kays Reaktion; konnte es sein, dass er wirklich auch nett sein konnte, wie sein Vater sagte?

Als sie an der Feuerstelle ankamen saßen dort schon drei weitere Gefangene auf einer Bank, allen waren die Hände mit ihren Halstüchern auf den Rücken gebunden. Kay setzte Johannes zu den dreien auf die Bank.

"Bist du auch gefangen worden?", hörte Johannes plötzlich seinen Vater sagen.

Er wusste nicht, dass er seinen Vater an der Feuerstelle antreffen würde. Er hatte offenbar die Aufgabe, die Gefangenen zu bewachen. Johannes war es ein wenig unangenehm, dass er gefesselt zu seinem Vater gebracht wurde.

"Dafür, dass er kein Pfadfinder ist, hat er sich gut geschlagen. Aber am Ende hatte er keine Chance", sagte Kay;

das war sehr fair, wenn auch ziemlich übertrieben. Johannes war ganz froh darüber, dass es verborgen blieb, dass Kay ihn gleich zu Beginn des Spiels gefangen hatte. Das Ausharren auf dem Hochsitz hatte also doch noch etwas Gutes.

Kay fragte dann seinen Vater, "Soll ich ihm die Fesseln abnehmen?"

Johannes fühlte sich erleichtert bei der Aussicht, endlich die Fesseln loszuwerden und seine Arme wieder bewegen zu können; schließlich war er schon einige Zeit gefesselt gewesen. Mit Erstaunen hörte er aber seinen Vater sagen,

"Die können ruhig dranbleiben, bis das Spiel zu Ende ist, wie bei den anderen auch."

Bis das Spiel zu Ende war, saß Johannes mit den anderen Gefangenen auf der Bank. Nach und nach kamen immer mehr Gefangene dazu, die sich bis zum Ende des Geländespiels auf eine Bank setzen mussten, alle bis auf zwei mit gefesselten Händen.

Während Johannes auf der Bank saß, wandelte sich das sonst angenehme, beruhigende Strömen zunehmend in eine unangenehme und fast schon unheimliche Erregung. Je stärker er an seinen Fesseln zerrte, umso stärker wurde diese Spannung in seinem Körper, bis er sich anfühlte, als würde er gleich explodieren. Dennoch konnte er nicht anders, als immer wieder zu versuchen, seine Hände auf dem Rücken zu bewegen.

Als Johannes dann noch sah, dass deutlich zu erkennen war, wie der Druck seine Hose ausgebeulte, den er in ihr spürte, wurde er panisch. Die Vorstellung, dass es die anderen Pfadfinder oder gar sein Vater auch sehen konnten, war mehr als unbehaglich. Er versuchte, ganz ruhig zu werden, sich nicht mehr gegen die Fesseln zu wehren und - vor allen Dingen - sich nichts anmerken zu lassen.

Schließlich hatte sich der Platz an der Feuerstelle gefüllt und das Spiel ging endlich auf sein Ende zu. Johannes war inzwischen ziemlich erschöpft und bekam von dem Ende des Ganzen kaum mehr etwas mit. Zur Auszählung der Punkte kam jeder Gefangene zu der Gruppe, die ihn gefangen genommen hatte; Johannes also zu Kays Gruppe. Nachdem die Punkte notiert waren, kam Kay zu ihm, sagte,

"Los, dreh dich um", und band ihm die Hände los.

"War doch nicht so schlimm, oder?"

Johannes rieb sich die Handgelenke. Er ging dann schnurstracks in das Schlafzelt und legte sich auf seinen Schlafsack, um in seinen Gedanken zu versinken. Gedanken vor allen Dingen an diese wohligen Gefühle und diese Erregung, denen er sich auf dem Jägerhochsitz hingegeben hatte, daran, wie es sich anfühlte, als Kay ihm die Hände zusammenband und als er sie wieder auseinander knotete.

Er träumte von den Jungs auf den Gefangenenbänken, fast alle mit auf den Rücken gebundenen Händen, und fragte sich, ob sie auch dieses angenehme Strömen gespürt hatten, oder dieses unheimliche, erregende Gefühl, ob sie auch eine ausgebeulte Hose hatten? Er hatte gar nicht daran gedacht, nachzusehen. Johannes lag den restlichen Tag auf dem Schlafsack, verpasste sogar das Abendessen und schlief irgendwann ein.

Am nächsten Tag erfuhr er, dass er in seine Gruppe derjenige war, der am wenigsten Aufgaben gelöst hatte. Aber das war in Ordnung; er war ja schließlich auch kein Pfadfinder.

Am nächsten Tag sah Johannes Kay den ganzen Tag nicht; aber irgendwie musste er die ganze Zeit an diesen großen und starken Jungen denken. Vor allen Dingen auch daran, wie er ihn mit Schokolade fütterte, als er gefesselt war, was ihn ziemlich fasziniert hatte. Es fiel ihm nicht leicht, sich selbst gegenüber zuzugeben, dass es ihm wirklich gefallen hatte; er war einigermaßen verunsichert, festzustellen, dass er sich nach dieser Begebenheit regelrecht nach Kay sehnte.

Am späten Nachmittag half Johannes mit, das Abendessen vorzubereiten und saß mit ein paar Pfadfindern an einem Tisch, um Brot, Käse und Wurst zu schneiden und auf verschiedene Teller zu legen. Plötzlich wurde er von hinten an den Armen gepackt, und seine Arme nach hinten, auf seinen Rücken gezogen. Das konnte nur Kay sein, dachte er und befürchtete wieder Opfer seiner derben Späße zu werden. Mit einer schnellen Bewegung griff Kay seine Daumen und hielt sie hinter seinem Rücken mit einer Hand fest zusammen.

"Gefangen", rief er.

Johannes verzog das Gesicht; so fest wie Kay die Daumen zusammenhielt, tat es ziemlich weh.

"Sag, dass du ein Hosenscheißer bist", sagte er dann, aber einer der anderen Jungs griff gleich ein und sagte,

"Lass ihn los, Kay, du tust ihm ja weh."

Kay ließ seine Daumen los und sagte, "War doch nur Spaß."

Er fragte Johannes, "Ich habe dir doch nicht weh getan, oder?"

Johannes schwieg. Kay setzte sich neben ihn, sagte, "Ist ganz schön mutig, der Kleine", und fing an zu erzählen, wie schwierig es war, Johannes zu fangen und wie heftig er sich gewehrt hätte. Johannes fühlte sich geschmeichelt, auch wenn das alles nicht stimmte, was Kay erzählte.

Nach einer Weile klopfte er Johannes auf die Schulter und sagte, "Das wäre ein guter Pfadfinder", und lachte dabei. Dann stand er auf und ging wieder.

"Du hast dich wirklich gewehrt?", fragte einer der Pfadfinder, die mit das Abendessen vorbereiteten, "Gegen Kay? Da hat doch keiner von uns eine Chance."

"Naja, ein bisschen schon", sagte Johannes, "Aber am Ende hatte es doch nichts genutzt."

Ein anderer Pfadfinder erzählte dann, wie er auf einem früheren Zeltlager von Kay an einen Baum gebunden wurde und dort stundenlang stehen musste, irgendwo mitten im Wald. Kay war offenbar dafür berüchtigt, besonders schonungslos mit seinen Gefangenen umzugehen.

Johannes war ein wenig erstaunt darüber, dass es ihm bei den Pfadfindern eine gewisse Anerkennung verschafft hatte, von ihm gefangen worden zu sein, vor allem weil es sich herumsprach, dass er sich gegen ihn gewehrt hatte. Kay war auch die folgenden Tage nicht mehr ganz so grob zu ihm, auch wenn er das mit seinen Späßen nicht lassen konnte. Wenn er in seiner Nähe war, fühlte sich Johannes wirklich gut, umso mehr, als er glaubte, dass Kay ihm mehr Aufmerksamkeit widmete als anderen Jungs. Er mochte ihn, diesen starken Jungen, der ihn gefesselt und mit Schokolade gefüttert hatte.

Am Tag vor der Abreise gab es einen Wettbewerb in "pfadfinderischen Disziplinen". Jeder Pfadfinder sollte etwas vorführen, entweder alleine oder zusammen mit ein oder zwei anderen. Als beim Frühstück erörtert wurde, wer was vorführen würde, tauchte die Frage auf, was denn Johannes vorführen sollte; er war ja nicht geübt in diesen Pfadfinderdingen und hatte nichts zum Vorführen.

Kay sagte, dass er für seine Vorführung noch einen "Assistenten" brauchte und dass Johannes dafür genau der Richtige war. Johannes hatte keine Idee, was Kay vorführen wollte und worin er assistieren sollte, war aber froh, dass das Problem seine Vorführung damit gelöst war. Er bekam wieder das Pfadfinderhemd, die passende kurze Hose und ein Halstuch für diesen Anlass geliehen. Er fragte einen Pfadfinder, ob er wusste, was denn Kay vorführen wollte, und erhielt als Antwort,

"Na Knoten; Kay ist unser Experte für Knoten."

Nach dem Mittagessen wurden Bänke rund um eine Bühne herum aufgestellt, die mit Seilen auf dem Boden angedeutet wurde, und die Vorführungen begannen: Kompasslesen, Landkarten vermessen, Pfadfindersprüche aufsagen. Johannes war ziemlich aufgeregt wegen des bevorstehenden Auftritts und konnte sich daher kaum auf die Vorführungen konzentrieren. Kay hatte ihm zwar gesagt, es sei ganz einfach, er müsse nur machen, was er ihm dann sagen würde; dennoch war ihm das Ganze nicht ganz geheuer.

Dann kamen sie dran; Kay ging mit einem Bündel Seile in der Hand in den Bühnenbereich und rief Johannes zu sich. Er referierte über die verschiedenen Knoten, die es gab, und erzählte, wie wichtig es war, die richtigen Knoten zu verwenden. Dann sagte er,

"Ich zeige euch jetzt, wie es gemacht wird", und zu Johannes, "Streck deine Arme aus und halte sie zusammen."

Johannes gehorchte und Kay band ihm ein Seil um die Handgelenke, das er mit einem einfachen Knoten zusammenknotete. Das Seil saß sehr fest. Nach und nach kamen die Zuschauer, begutachteten Johannes' Handgelenke und äußerten sich anerkennend; die Vorführung war wohl überzeugend. Kay band ihm dann die Hände wieder los und fuhr fort zu erzählen, dass man zum Fesseln auch andere Knoten verwenden könnte. Er demonstrierte jeden dieser Knoten an Johannes' Handgelenken, und Johannes streckte ihm dabei jedes Mal unaufgefordert die Hände entgegen, um sie sich zusammenbinden und dann begutachten zu lassen.

Johannes war erleichtert, dass seine Aufgabe am Ende doch sehr einfach war; er fand es eigentlich ziemlich spannend, Kays Assistent zu sein. Dass die Fesselungen dann noch begutachtet wurden und die Jungs seine Hände nahmen, um genau zu studieren, wie sie zusammengebunden waren, fand er reichlich prickelnd.

Schließlich kündigte Kay seine letzte Demonstration an und Johannes streckte ihm wieder seine Hände entgegen.

"Diesmal auf dem Rücken", sagte Kay und erklärte dem Publikum, dass er zeigen wird, wie man die Hände richtig über Kreuz fesselt.

Johannes musste sich mit dem Rücken zum Publikum stellen und seine Hände auf den Rücken nehmen, die ihm Kay dann über Kreuz zusammenband. Nachdem diese Fesselung begutachtet wurde, sagte Kay "Das war's" und setzte sich wieder.

Johannes stand dann alleine in dem Bühnenbereich mit den Händen auf den Rücken und fragte, "Und meine Hände?" Erst als der nächste Junge kam, um zu demonstrieren, wie man nur mit trockenem Gras und zwei Stücken Holz Feuer machen konnte, sagte einer der Betreuer, "Kay, ich glaube du kannst deinen Assistenten wieder losbinden."

Nachdem Kay ihm die Hände wieder losgebunden hatte, setzte Johannes sich wieder auf seinen Platz, neben Kay. Gebannt schaute er auf die Striemen, die die Vorführung an seinen Handgelenken hinterlassen hatte. Plötzlich bemerkte er, dass Kay auf seine Hose schaute und dabei grinste; es fiel ihm erst jetzt auf, dass sie deutlich sichtbar ausgebeult war.

Am Abend gab es noch ein Abschlussfeuer. Johannes saß neben Kay und war fast schon ein bisschen traurig, dass die Woche schon vorbei war. Das Zeltlager war nun doch in einer unerwarteten Weise spannend gewesen und vor allen Dingen hatte Johannes das Gefühl, von den Pfadfindern akzeptiert zu werden. Johannes setzte sich abseits der anderen Jungs ans Feuer und sinnierte vor sich hin, während er die Flammen beobachtete. Dann setzte sich Kay neben ihn und Johannes dachte darüber nach, dass er Kay jetzt eigentlich richtig gerne mochte, während er ihn am Anfang wirklich widerlich fand.

Plötzlich flüsterte Kay ihm ins Ohr, "Du hast vorhin einen Ständer gehabt."

Johannes erschrak und war sprachlos.

"Ich habe es genau gesehen, als ich dich losgebunden hatte."

Zweifellos war damit die ausgebeulte Hose gemeint; Johannes schwieg betreten.

"Ist doch kein Problem", setzte Kay fort, "Manche mögen es halt, gefesselt zu sein."

Johannes dachte darüber nach, ob er es wirklich mochte, gefesselt zu sein. War es vielleicht ganz normal, diese Gefühlsschauer zu erleben, wenn man gefesselt war? Johannes hatte aber das Gefühl, dass es eher nicht normal war; genau genommen hatte er das Gefühl, dass es überhaupt nicht normal war. Er fühlte sich auf äußerst unangenehme Weise ertappt und dachte beunruhigt darüber nach, wer denn wohl sonst noch seine ausgebeulte Hose bemerkt haben konnte.

"Ich habe keinen Ständer gehabt", sagte Johannes dann etwas hilflos.

"Das glaube ich dir nicht; ich habe es doch gesehen; und beim Geländespiel auch."

"Da musste ich pinkeln."

Kay grinste ihn an; Johannes suchte verzweifelt nach Erklärungen, aber es fiel ihm nichts Überzeugendes mehr ein. Ihm schossen die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf, die ihm völlig durcheinander gerieten. Nach einer Pause flüsterte Kay ihm ins Ohr,

"Es macht dich an, wenn du gefesselt bist, stimmt's?"

"Nein, wirklich nicht."

Johannes wäre am liebsten im Boden versunken.

"Wetten?", sagte Kay, "Dann nimm doch mal deine Hände auf den Rücken."

Johannes zögerte und dachte daran, einfach aufzustehen und wegzulaufen; doch das würde nichts daran ändern, dass Kay ihn durchschaut hatte.

"Also stimmt es doch", sagte Kay und grinste immer noch, "Sonst würdest du dich jetzt trauen, die Hände auf den Rücken zu legen."

Das Spiel schien ihm zu gefallen. Johannes nahm dann die Hände hinter seinen Rücken und legte die Handgelenke über Kreuz zusammen. Sogleich spürte er einen Druck in seiner Hose und versuchte, sich ganz darauf zu konzentrieren, ihn nicht stärker werden zu lassen. Kay hielt dann seine Handgelenke mit einem festen Griff zusammen und der Druck wurde umgehend stärker.

"Siehst du, es stimmt doch."

Johannes schaute zwischen seine Beine und sah, dass die Hose wieder deutlich ausgebeult war. Kay ließ ihn los und flüsterte ihm zu,

"Ich werde es auch niemanden verraten."

Johannes war ziemlich verwirrt und beunruhigt über dieses Geheimnis, das er jetzt mit Kay teilte. Er setzte sich nach einer Weile zu den anderen Pfadfindern und hielt sich den Abend über von Kay fern.

Am nächsten Morgen wurde alles gepackt, die Zelte abgebaut und gegen Mittag kamen schon die ersten Eltern, ihre Kinder abzuholen. Johannes würde ganz am Ende mit seinem Vater nach Hause fahren. Am Nachmittag kam Kay zu ihm und sagte ihm, dass er jetzt abgeholt würde und sich von ihm verabschieden wollte.

"War schön mit dir; vielleicht bist du ja das nächste Mal auch dabei."

Johannes' Vater bekam diesen Abschied mit und bemerkte, "Ihr habt euch wohl angefreundet in der Zeit hier."

"Ist wirklich ein netter, der Johannes", sagte Kay daraufhin zu seinem Vater und ging.

Johannes war überwältigt von der Trauer, die er verspürte, weil dieses Zeltlager jetzt zu Ende war, und kämpfte sogar mit den Tränen. Er ließ sich aber nichts anmerken.

Der Beginn einer Freundschaft

Zuhause wurden Johannes und sein Vater von seiner Mutter mit einem bereits fertig gekochten Essen empfangen. Sein Vater erzählte, dass er das Zeltlager sehr schön fand, dass die Jungs alle völlig nett waren und bei allem mitgeholfen hatten.

"Johannes hat sogar einen neuen Freund gefunden", sagte er dann zu Johannes' Verwunderung.

Er war sich überhaupt nicht sicher, ob Kay wirklich ein Freund war; eigentlich wusste er gar nicht, was ein Freund sein sollte. Kay faszinierte ihn schon, das stimmte, vor allen Dingen, weil er mit ihm ein ziemlich heikles Geheimnis teilte. Auf der anderen Seite war er ihm auch ein wenig unheimlich, weil er deutlich größer und stärker war und vor allem seiner derben Späße wegen.

"Tatsächlich, wen denn?", fragte seine Mutter und er antwortete,

"Ich glaube, Papa meint Kay."

"Kay, wirklich?", fragte seine Mutter und erklärte,

"Der Junge hat es auch nicht immer einfach gehabt."

Johannes wurde neugierig, "Wieso?"

"Du musst diese Geschichte jetzt nicht dem Jungen erzählen", unterbrach sein Vater, doch Johannes bestand darauf.

Nach kurzem Zögern erzählte seine Mutter, dass Kays Vater vor etwas mehr als zwei Jahren gestorben sei, bei einem Autounfall.

"Seine Mutter hat den Tod ihres Mannes nicht so richtig verkraftet und hat das dann an dem Jungen ausgelassen; das war nicht schön. Sie war halt völlig überfordert mit der Situation, alleine mit dem Jungen, der auch noch immer aggressiver geworden ist."

Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort, dass "das mit Kay" nach einem halben Jahr herausgekommen war und Kay zu seiner Großmutter kam, bei der er immer noch lebte. Seine Mutter kam in eine psychiatrische Klinik.

Johannes hatte das Gefühl, dass ihm seine Mutter etwas verschwieg und fragte, was denn "das mit Kay" war.

Sein Vater sagte dann, "Sie hat ihn jeden Tag in sein Zimmer gesperrt und manchmal wohl auch festgebunden, weil sie anders nicht mit ihm zurechtkam. Deshalb ist er wahrscheinlich auch so aggressiv geworden. In der Schule haben sie dann halt gemerkt, dass da etwas nicht stimmt und das Jugendamt eingeschaltet. Als das herauskam, ist seine Mutter zusammengebrochen und in die Psychiatrie gekommen."

Er fügte noch hinzu, dass er es nicht in Ordnung fand, was Kays Mutter getan hatte, auch wenn sie in einer schwierige Situation und Kay kein einfacher Junge war.

In Johannes' Gedanken tauchte wieder die Situation auf, als er mit diesem anderen Jungen auf der Bank bestraft wurde. Er sah sich und jenen Jungen nebeneinander auf der Bank sitzen, jeder ein Seil um den Bauch und die Arme gewickelt. Er sah sich selbst und den Jungen "von außen" und konnte auch sich selbst genau dabei beobachten, wie er festgebunden, mit ausgestreckten Beinen, auf dieser Bank saß und versuchte die Arme zu bewegen.

Dann hatten Kay und er tatsächlich etwas Gemeinsames? Johannes war fasziniert von diesem Gedanken; er versuchte, es sich vorzustellen, festgebunden in seinem Zimmer zu sitzen. Er überlegte sich, wie Kay wohl festgebunden wurde und ob seine Hände dabei auch festgebunden waren.

Vielleicht war das ja ein gemeinsames Geheimnis: Johannes mochte es, festgebunden zu werden, und Kay mochte es, andere Jungs festzubinden. Vielleicht, weil er selbst schon oft genug festgebunden wurde, anders als Johannes, der bis zum Zeltlager erst ein einziges Mal in diesen Genuss kam. Seine Eltern würden ihn nie festbinden, dachte er, als er im Bett lag, schade eigentlich. Es musste ja nicht oft sein, ab und zu würde durchaus schon reichen.

Bevor er einschlief, dachte Johannes über Freundschaften nach; warum er keine Freunde hatte und ob Kay jetzt wirklich sein Freund war. Andere Kinder interessierten ihn nicht, im Gegenteil, sie störten ihn, waren laut und grob, sodass er sich lieber von ihnen fernhielt. Daher hatte er auch nie das Bedürfnis verspürt, Freunde zu haben.

Ganz selten kam es aber vor, dass ihn doch ein Kind interessierte, um genau zu sein, zwei Mal: Len und Kay. Len hatte er nur ein einziges Mal gesehen, im Supermarkt, aber er hatte sehr oft an ihn gedacht und sich immer wieder gewünscht, ihn wieder zu treffen. Mit beiden hatte es etwas Besonderes auf sich: mit beiden teilte er - irgendwie - ein Geheimnis, etwas, was niemand sonst wusste.

Johannes war sehr fasziniert von der Vorstellung, dass es solche "besonderen" Jungs gibt, mit denen er etwas teilte, was er mit sonst niemandem teilen konnte; Dinge wie die Faszination, die Lens Parka mit Fellkapuze auf ihn ausübte, oder die unbeschreiblichen Gefühle, die sich einstellten, wenn er gefesselt war. Diese Vorstellung hatte etwas Beruhigendes für ihn - er war scheinbar doch nicht alleine.

Während er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er die Möglichkeit, dass es auch "besondere" Mädchen gäbe, überhaupt nicht in Betracht zog. Es schien ein reines Jungsspiel zu sein.

Johannes freute sich unbändig, als er erfuhr, dass er auch zum Herbstzeltlager mitfahren durfte. Der Leiter der Pfadfindergruppe wollte es anfangs nicht, weil er der Meinung war, Johannes sollte entweder bei den Pfadfindern eintreten oder eben auch nicht mit zum Zeltlager fahren. Bei den Pfadfindern einzutreten kam überhaupt nicht in Frage; da hätte er an den regelmäßigen Gruppentreffen teilnehmen und Lieder singen müssen; so etwas war für ihn indiskutabel. Am Ende gab der Leiter der Gruppe nach und ließ Johannes ausnahmsweise mitfahren.

Am Abend, bevor es losging, hatte er bereits seine Sachen gepackt. Er hatte diesmal ganz besonders darauf geachtet, dass er auch alles dabei hatte, was er brauchen würde, denn diesmal war er auf sich alleine gestellt. Sein Vater konnte nicht mitkommen, weil er sich am Fuß verletzt hatte und für eine Operation ins Krankenhaus musste.

Johannes war ein wenig mulmig zumute; immerhin hatte seine Mutter extra den Leiter der Gruppe angerufen, um ihm das Versprechen abzuringen, auf Johannes besonders zu achten. Johannes war es ein wenig unangenehm, vor allen Dingen, weil sie erzählte, dass er sich gerne von anderen Kindern ärgern ließ und sich nicht wehren konnte.

Am nächsten Morgen brachte ihn seine Mutter zum Treffpunkt. Kay war auch schon da und kam gleich auf die beiden zu,

"Toll, dass es geklappt hat und du auch mitkommen darfst."

"Ich habe gehört, dass ihr euch das letzte Mal gut verstanden habt", sagte Johannes' Mutter; Johannes hasste es, dass sich seine Mutter immer in seine Belange einmischen musste.

"Ja", sagte Kay, "Er ist echt nett, der kleine Johannes. Ein bisschen schüchtern, aber wirklich nett."

Dann fügte er mit einem Grinsen hinzu, "Ein guter Pfadfinder ist er auch."

Zum Glück verzichtete Johannes' Mutter darauf, Kay auch noch aufzufordern, auf ihn aufzupassen. Stattdessen ging sie zum Gruppenleiter; Johannes blieb bei Kay stehen und beobachtete aus der Ferne, wie sie mit ihm redete.

Endlich ging es los und nach zweistündiger Fahrt war der Platz erreicht, an dem das Zeltlager entstehen sollte. Alle halfen mit, die Zelte aufzubauen, nur Johannes nicht; er wusste nicht, wie die Zelte aufgebaut wurden, und wurde auch nicht aufgefordert mitzuhelfen. Er fand es blöde, einfach so herumzustehen, und seine Laune sank rapide.

Als er dann noch im aufgebauten Schlafzelt keinen Platz mehr bekam, nahm er seine Sachen und beschloss, wieder zurückzufahren. Doch der Gruppenleiter dachte nicht daran, ihn wieder zurückzufahren; er ging mit Johannes zum Schlafzelt und rief die Pfadfinder zusammen.

Er sagte, es sei mit den Pfadfinderprinzipien nicht vereinbar, Johannes keinen Platz im Zelt zu lassen. Einer der Pfadfinder erwiderte, dass Johannes auch beim Aufbauen nicht geholfen hatte und daher auch keinen Platz verdient hatte; andere Pfadfinder unterstützten ihn. Der Gruppenleiter ließ diese Ansicht allerdings nicht gelten und forderte die Pfadfinder auf, Johannes umgehend einen Platz im Zelt freizumachen.

Dann tauchte Kay auf und sagte, dass Johannes auch bei ihm im Zelt schlafen könnte. Kay hatte dieses Mal ein eigenes Zelt, weil er beim letzten Mal die anderen Pfadfinder zu viel geärgert hatte und einige sich weigerten, mit Kay in einem Zelt zu schlafen. Johannes war froh über diese Lösung und nahm sogleich seine Sachen, um sie in Kays Zelt zu tragen.

"Die sind doch alle blöd", sagte Kay, als Johannes seine Sachen auspackte.

Johannes fragte ihn, wieso er denn bei den Pfadfindern sei, wenn er sie blöde fand.

"Die fahren oft weg", antwortete Kay, "und meine Großmutter braucht manchmal Urlaub von mir."

Er grinste, als er das sagte. Johannes' Laune war beim Abendessen wieder besser geworden; insgeheim zweifelte er dennoch daran, dass er die Zeit gut überstehen würde. Dann dachte er aber auch daran, dass es beim letzten Mal am Ende doch sehr spannend und schön war, vor allen Dingen wegen dem Geländespiel, das sicherlich wieder auf dem Programm stand.

Als Johannes nach dem Abendessen zum Zelt zurückging, waren alle seine Sachen verschwunden; auch Kay war verschwunden. Johannes stand wie angewurzelt vor dem Zelt und kämpfte mit seinen Tränen.

Dann hörte er Kays Stimme, "Ein echter Pfadfinder wird doch wohl nicht heulen."

Sie kam aus einem nahegelegenen Gebüsch, aus dem Kay lachend hervorkam. Er gab dann Hinweise, wo Johannes seine Sachen finden konnte und amüsierte sich scheinbar sehr gut dabei, ihm zuzusehen, wie er seine Sachen aus den umliegenden Büschen fischte.

Johannes verbrachte den restlichen Abend im Zelt und nahm sich vor, mit Kay kein Wort mehr zu reden. Solche Späße fand er überhaupt nicht lustig. Ihm kam der Gedanke, dass seine Mutter ihn vielleicht deswegen festgebunden hatte, weil er ständig solche üblen Streiche spielte.

Er stellte sich Kay vor, wie er auf einer Bank saß, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Er dachte, dass Kays Mutter ihm wahrscheinlich die Hände auf den Rücken gebunden hatte. Aber vielleicht hatte sie sie ihm nur einfach zusammengebunden oder gar nicht; vielleicht hatte sie ihn nur mit einem Seil um den Bauch an eine Bank oder einen Stuhl gebunden.

Als Kay ins Zelt kam, schlief Johannes schon; als Johannes am nächsten Morgen aufwachte, war Kay schon eine Weile wach.

Johannes redete mit Kay kein Wort, wie er es sich vorgenommen hatte, und Kay schwieg auch, als sie morgens wach im Zelt lagen.

Dann sagte Kay, "Weißt du was? Du bist wirklich ein Spielverderber. Nur weil ich mir einen Spaß erlaubt habe, spielst du jetzt den Beleidigten; findest du das nicht übertrieben?"

Johannes beachtete ihn nicht.

Nach einer Weile sagte Kay, "Dann reden wir halt nicht mehr miteinander; ich sage jetzt auch nichts mehr";

Johannes schwieg beharrlich. Er war sehr aufgewühlt und fing schließlich an, seine Sachen in die Taschen zu räumen, nur um sich mit irgendetwas zu beschäftigen.

Plötzlich packte ihn Kay an den Handgelenken, zog ihn zu sich und sagte,

"Wenn das so ist, dann geh halt zu den anderen. Vielleicht haben sie dir ja noch einen Platz freigehalten."

"Nein, nicht zu den anderen", sagte Johannes, das wollte er nun wirklich nicht.

Es gefiel ihm, wie Kay ihn an den Handgelenken festhielt.

"Ich will schon hier bei dir bleiben. Es ist nur, ich fand das gar nicht lustig gestern Abend. Ich will nicht, dass du dich ständig über mich lustig machst."

"OK."

Kay ließ ihn los, "ich gebe mir Mühe, ehrlich. Aber du gibst dir auch Mühe und nimmst nicht immer alles gleich so ernst, einverstanden?"

Johannes war einverstanden; er war erleichtert und froh, dass sich die Situation endlich gelöst hatte.

Seit diesem Morgen verstand er sich deutlich besser mit Kay, der sich mit seinen Späßen sehr zurückhielt. Kay war sehr fürsorglich, verteidigte ihn, wenn die anderen zu grob zu ihm wurden, und zeigte ihm vieles, was Pfadfinder können mussten. Johannes empfand ihn jetzt wirklich wie einen Freund und fand, dass es sich unerwartet gut anfühlte, einen Freund zu haben.

Er erlebte allerdings an diesem Tag auch eine Enttäuschung, denn er musste erfahren, dass es diesmal kein Geländespiel geben würde. Das wäre für ihn das Spannendste auf dem Zeltlager gewesen, vor allen Dingen die Aussicht, dabei wieder gefesselt zu werden. Die Enttäuschung war aber auch schnell wieder vergessen; er lernte viele interessante Dinge und die Pfadfinder unternahmen jeden Tag so viel, dass er vor Erschöpfung kaum dazu kam, sich darüber Gedanken zu machen, dass das eigentlich Interessante ausfiel.

Vor allen Dingen war Kay meistens sehr nett zu ihm, und Johannes fand es abends immer sehr angenehm, zu ihm ins Zelt zu kriechen.

An einem Tag waren die Pfadfinder nach dem Mittagessen in heller Aufregung. Ihre ganzen Sachen waren in ihrem Zelt vertauscht und durcheinander gebracht worden; sie würden den ganzen Nachmittag damit verbringen müssen, um alles wieder auseinander zu sortieren.

Es gab auch gleich einen Verdächtigen, der seine Tat zuerst leugnete, aber dann doch zugeben musste, weil er dabei beobachtet wurde. Johannes sah zuerst aus der Ferne zu und näherte sich dann dem Pulk der Pfadfinder vor dem großen Schlafzelt, in deren Mitte der Täter festgehalten wurde.

"Der wird jetzt bestimmt gepflockt", sagte einer der Pfadfinder zu Johannes.

"Gepflockt?"

"Ja, kennst du das nicht? Das ist die übliche Strafe für solchen Unsinn." Das hörte sich ja recht spannend an, dachte Johannes, auch wenn er sich nichts darunter vorstellen konnte.

Er beobachtete, wie sich die Pfadfinder im Kreis aufstellten und ein lange Zeltheringe in den Boden schlugen. Der überführte Täter wurde währenddessen gleich von mehreren Pfadfindern an den Armen festgehalten und versuchte vergeblich, sich frei zu winden. Als die Heringe im Boden steckten, wurde er auf den Boden gedrückt und von vier Pfadfindern zugleich an Händen und Füßen daran festgebunden, sodass er ausgestreckt wie ein X auf dem Boden liegen musste.

Er zerrte an seinen Fesseln, hatte aber offensichtlich keine Chance freizukommen. Schließlich wurde er unter großem Gejohle mit Erde und Laub eingeschmiert und so liegen gelassen, während die Pfadfinder nach und nach anfingen, ihre Sachen wieder zusammenzusuchen.

Johannes blieb stehen und beobachtete gebannt den Jungen, der nicht aufhörte, gegen seine Fesseln anzukämpfen. Was für eine spannende Strafe; das Wort "gepflockt" ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Einzig auf das Einschmieren mit Laub und Erde hätte man verzichten können, dachte Johannes, das stellte er sich wirklich unangenehm vor.

"Das kommt davon, wenn man Unsinn im Kopf hat", hörte er plötzlich Kays Stimme; er hatte gar nicht bemerkt, dass Kay neben ihm stand.

"Wenn du die anderen genügend ärgerst, binden sie dich vielleicht auch an den Heringen fest", sagte Kay und lachte.

Johannes befürchtete, dass Kay ihn wieder damit aufziehen könnte, dass es ihm gefiel gefesselt zu werden, und ging weg. Er sah aus der Ferne immer wieder nach dem festgebundenen Pfadfinder und beobachtete auch, wie er wieder losgebunden wurde.

Als er abends zusammen mit Kay im Zelt war, fragte ihn Kay, "Das hat dir gefallen, die Strafaktion heute, stimmt's?"

"Wieso?", fragte Johannes zurück, "Wie kommst du darauf?"

"Du hast es schon mal zugegeben, dass dir sowas gefällt, beim letzten Zeltlager."

Dem konnte Johannes nichts mehr entgegensetzen; er schwieg.

"Wahrscheinlich hätte es dir noch viel mehr gefallen, wenn du so bestraft worden wärst", hakte Kay nach.

Johannes schaute ihn an; worauf wollte er hinaus? Ging es darum, dass er sich über ihn lustig machen wollte?

"Das geht dich nichts an, und außerdem habe ich gar nichts zugegeben", versuchte er abzuwiegeln.

Die Situation war sehr schwierig; einerseits fand er es spannend, dass Kay sein Geheimnis kannte, andererseits befürchtete er, dass er ihn vor den anderen Pfadfindern bloß stellen würde.

"Mir kannst du das ruhig sagen", sagte dann Kay, "Schließlich sind wir befreundet und da gehört es dazu, ehrlich zu sein."

Johannes zögerte; Kay hatte Recht, dachte er, zu einer Freundschaft gehört auch, dass man Geheimnisse miteinander teilte.

"Also gut", sagte er schließlich, "Ich gebe es zu. Dafür zeigst du mir ein paar Knoten, ja? Das mit den Knoten finde ich interessant; das will ich auch lernen, verschiedene Knoten zu können, wie die Pfadfinder."

"Gut, dann zeige ich dir mal was", sagte Kay und erzählte, dass es das erste sei, was man lernen musste, Schlingen zu knoten. Er holte eine Schnur aus seinem Rucksack, mit der er verschiedene Arten von Schlingen vorführte; Johannes fiel auf, dass er dabei unentwegt grinste. Nachdem Johannes sie alle nachgeknotet hatte, was ihm nicht schwer fiel, sagte Kay,

"Jetzt zeige ich dir mal, wozu das gut ist. Streck deine Hände aus."

Johannes streckte ihm seine Hände entgegen und hielt sie dabei so, dass sich die Handballen berührten. Kay streifte das Seil darüber, und mit einer einzigen Handbewegung wickelte er ein Ende zwischen den Händen um die Schlinge und zog das Ganze zusammen. Johannes zerrte an den Fesseln, die vollkommen fest saßen; er war fasziniert.

Er fragte sich, ob Kays Mutter ihm die Hände wohl auch so zusammengebunden hatte. Eigentlich war es nur gerecht, wenn er auch etwas von Kays Geheimnissen erfahren würde, dachte er sich, war aber auch unsicher, wie er danach fragen sollte. Seine Eltern taten so geheimnisvoll, als sie ihm das mit seiner Mutter erzählten, und vielleicht durfte er es gar nicht wissen. Kay hatte von sich aus nie über so etwas geredet; nicht einmal, dass er bei seiner Großmutter lebte, hatte er erzählt.

"Stimmt das", setzte Johannes an und kam dabei ins Stocken; dass seine Hände zusammengebunden waren, machte ihn noch unsicherer.

"Stimmt was?", fragte Kay.

"Dass du bei deiner Großmutter bist, weil deine Mutter dich eingesperrt und festgebunden hat?"

Kay schwieg. Johannes wurde sehr unwohl, mit gefesselten Händen Kays Reaktion abwarten zu müssen.

"Woher weißt du das?"

"Meine Eltern haben es mir erzählt."

"Hast du keine andere Frage?", erwiderte Kay und sagte dann aber, "Na gut, das stimmt. Zufrieden?"

Johannes schaute ihn schweigend an; natürlich war er mit dieser Antwort nicht zufrieden. Kay fragte dann, ob seine Eltern ihm auch erzählt hatten, dass sein Vater gestorben war, und erzählte, dass seine Mutter nach dem Tod seines Vaters sie immer komischer geworden war und er sich oft mit ihr gestritten hatte. Er gab auch zu, dass er viel Unsinn im Kopf gehabt hatte, und seine Mutter ihn auch deswegen eingesperrt und manchmal auch festgebunden hatte.

"Bis das Jugendamt gekommen ist", ergänzte Johannes.

"Ja", sagte Kay und lachte, "Das war richtig dramatisch. Wir hatten uns wieder einmal gestritten und dabei hatte sie mir aus Versehen ein Veilchen gehauen."

"Ein Veilchen?"

"Ein blaues Auge; als die Klassenlehrerin das sah, war sie richtig schockiert. Am Nachmittag hatte ich mich mit meiner Mutter weitergestritten, als ich von der Schule zurückkam, richtig heftig. Ich hatte dann angefangen, Geschirr zu zerschlagen und sie hatte mich nicht nur in mein Zimmer gesperrt, sondern auch an den Stuhl gebunden. Sie war sehr kräftig; am Ende hatte ich nie eine Chance, mich durchzusetzen. Plötzlich klingelte es und meine Klassenlehrerin stand mit einem vom Jugendamt vor der Tür. Meine Mutter wollte sie nicht in die Wohnung lassen, aber die Lehrerin hatte gedroht, die Polizei zu rufen. Dann haben sie mich in meinem Zimmer gefunden, an den Stuhl gefesselt und mit einem Veilchen. Meine Mutter ist dann völlig ausgerastet und dann hatten sie doch die Polizei gerufen; das war's. Festgebunden hatte sie mich nur manchmal, nicht oft; aber sie hat mich fast jeden Tag in mein Zimmer gesperrt. Das war nicht schön, und ich bin ganz froh, dass ich bei meiner Großmutter bin, die ist wirklich in Ordnung."

Johannes zögerte eine Weile bis er schließlich fragte, wie ihn denn seine Mutter festgebunden hatte.

"Jetzt bist du aber ganz schön neugierig. Aber wenn du es genau wissen willst: Sie hatte mir die Hände auf den Rücken gebunden, mich dann an dem Stuhl festgemacht und erst wieder befreit, wenn ich mich beruhigt hatte. Bist du jetzt zufrieden?"

Johannes nickte. Johannes hatte sich nie so heftig mit seinen Eltern gestritten; sie hatten ihn nie eingesperrt oder gar geschlagen und leider auch nicht festgebunden. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass seine Eltern so etwas tun würden.

"Bindest du mich wieder los?"

Johannes fand, er war jetzt lange genug gefesselt.

Kay grinste, "Der Knotenunterricht ist noch nicht vorbei; du musst dich selbst befreien."

Johannes musterte seine Hände, die er Kay hinstreckte. Das Seil lief einmal um jedes Handgelenk und seine Enden hingen von dem Knoten zwischen seinen Handgelenken herunter. Er zerrte noch mal kräftig daran, aber die Fesselung lockerte sich kein bisschen.

"Geht nicht."

"Dann musst du halt so schlafen."

Johannes zerrte weiter an dem Seil, ohne seine Hände freizubekommen.

"Es ist ganz einfach", sagte Kay, "Denk mal ein bisschen nach, dann kommst du auch drauf."

"Das ist zu fest; ich komme nicht frei."

Johannes war bereits ein bisschen verzweifelt; gefesselt zu schlafen war doch zu viel des Guten.

"Pass' auf", sagte Kay und zog mit einem kräftigen Ruck an einem der Seilenden, das von Johannes' Händen herunterhing. Zu Johannes' größtem Erstaunen löste sich der Knoten dabei und seine Hände waren frei.

"Siehst du?"

Es war wie ein Zaubertrick. Johannes bestand darauf, dass Kay ihm den Trick noch einmal genau zeigte und befreite sich diesmal selbst, indem er das Seilende in den Mund nahm und daran zog bis der Knoten sich löste.

Johannes konnte lange Zeit nicht einschlafen. Ihm gingen die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf, als er neben Kay lag, der schon schlief. Kays Mutter hatte ihm die Hände also auf den Rücken gebunden; sich Kay gefesselt vorzustellen, fand er reichlich anregend.

Er dachte darüber nach, dass Kay jetzt nicht nur ein Geheimnis von ihm kannte, sondern er auch eines von Kay. Er fragte sich, ob Kay und er jetzt wirklich Freunde waren; sie verstanden sich sehr gut und schliefen sogar nebeneinander in einem Zelt. Johannes fand es schön, einen Freund zu haben, vor allem einen, mit dem er ein so prekäres Geheimnis teilen konnte.

Er träumte davon, dass er erwischt wurde, wie er die Sachen der Pfadfinder durcheinander brachte, und die Pfadfinder beschlossen, ihn zur Strafe an die Zeltheringe zu binden. Wie Kay dann so fest seine Hände und Füße an die Heringe band, dass er sich überhaupt nicht mehr bewegen konnte und vollkommen wehrlos die Strafprozedur erdulden musste. Im Traum kam immer wieder Kay zu ihm, um zu überprüfen, ob die Fesseln noch fest genug saßen.

Ihm kam dabei in den Sinn, wie er im Kindergarten als Strafe an eine Bank gebunden wurde, und dachte über diese Merkwürdigkeit nach, dass etwas, was ihn derart anregte und faszinierte, in Wirklichkeit eine Strafe war. Ob es dem Jungen, der heute zur Strafe gepflockt wurde, gefallen hatte, auf diese Weise bestraft zu werden? Mit diesen Gedanken schlief Johannes schließlich ein.

Bis zum Ende des Zeltlagers zeigte ihm Kay jeden Abend weitere neue Knoten. Er durfte sie an Kay ausprobieren und erwies sich dabei als guter Schüler.

Allerdings konnte es Kay auch nicht lassen, seine Scherze mit Johannes zu treiben; am Schlimmsten war das mit dem Küchendienst. Johannes hatte an einem Tag Küchendienst mit Kay und zwei anderen Pfadfindern zusammen; dazu gehörte auch, morgens das Frühstück zu richten. Er verließ sich darauf, dass Kay ihn morgens wecken würde, aber das tat er nicht. Johannes hatte verschlafen und wachte erst auf, alle bereits am Frühstücken waren. Das war ihm sehr unangenehm, umso mehr, weil Kay dazu noch reichlich blöde Bemerkungen machte und Johannes zur Strafe alleine den Tisch abräumen musste.

Als währenddessen Kay vor anderen Pfadfindern behauptete, er wäre mit Absicht zu spät gekommen, weil er es mochte, bestraft zu werden, beschloss Johannes seine Freundschaft mit ihm wieder zu kündigen. Kay verstand es aber, das Ganze wieder einzurenken, und beim abendlichen Knotenunterricht war Johannes auch wieder froh, Kay als Freund zu haben.

Zu schnell kam dann der Tag, an dem alles abgebaut wurde und die Pfadfinder wieder zurückfuhren. Johannes war traurig, als das Zeltlager zu Ende ging; er konnte sich vor allen Dingen gar nicht mehr vorstellen, nicht neben Kay im Zelt zu schlafen.

Im Nachhinein fand Johannes das Zeltlager auch diesmal wieder schön, obwohl es damit anfing, dass die Pfadfinder, oder zumindest einige von ihnen, ihn nicht in ihrem Zelt schlafen lassen wollten. Der Junge, der sich am meisten dafür eingesetzt hatte, Johannes aus dem Schlafzelt zu verbannen, hatte sich danach beim ihm dafür entschuldigt, und die Pfadfinder hatten ihn, wie beim ersten Lager auch, kaum spüren lassen, dass er kein Pfadfinder war. Letztendlich war es ja eine gute Lösung, bei Kay im Zelt zu schlafen, fand Johannes.

Als sie zurückkamen, wartete seine Mutter schon, um ihn abzuholen.

"Er hat's überlebt", sagte Kay zur ihr.

"Ja?", fragte sie Johannes, "Ist alles gut gelaufen?"

Als Kay darauf antwortete, "Manchmal war er ein bisschen wild, da mussten wir ihn festbinden, aber sonst war er ganz brav", wäre Johannes am Liebsten im Boden versunken.

Seine Mutter sah ihn erst erstaunt an, dann lachte sie aber. Johannes konnte Kays Witze beim besten Willen nicht lustig finden; aber er fand sie lange nicht mehr so schlimm wie zu Anfang. Als er sich von ihm verabschiedete, sagte Kay, dass er sich freut, "einen neuen Freund" gefunden zu haben und versprach, bald anzurufen. Johannes war regelrecht glücklich, das zu hören; Kay war der erste Freund, den er überhaupt hatte, und bislang war es wirklich spannend und schön, einen Freund zu haben.

Fesselnde Begegnungen

Am übernächsten Samstag klopfte Johannes' Mutter an seiner Zimmertür und sagte, Kay wäre am Telefon. Kay lud ihn ein, am Nachmittag zu sich zu kommen; er wohnte in einem Nachbardorf und Johannes ließ sich genau den Weg dorthin erklären.

Johannes staunte, als er mit dem Rad den Ort erreichte, wo Kay wohnte; es war ein richtiger Bauerhof. Er fand zuerst keine Klingel und ging nach einigem Zögern in den Innenhof, der von mehreren Gebäuden umringt war.

"Hier geht's 'rein",

hörte er Kays Stimme, und nach kurzem Suchen fand Johannes den richtigen Eingang, der ihn gleich in eine Küche führte. Dort waren Kay und seine Großmutter, die Johannes gleich ein Stück selbstgebackenen Kuchen anbot. Ein richtiger Bauernhof; er war wirklich beeindruckt. Nachdem sie Kuchen gegessen hatten, führte ihn Kay über den Hof und zeigte ihm, was es dort alles gab. Am spannendsten fand Johannes den Trecker, mit dem Kay und er eine Runde fuhren.

Schließlich führte ihn Kay zu einer Treppe, die im Boden eingelassen war und vor einer alten Holztür endete, die mit einem Vorhängeschloss verschlossen war.

"Das ist die Grotte", sagte er und schloss die Tür auf.

Innen war es stockfinster, und Johannes zögerte, mit Kay hinein zu gehen. Er folgte Kay auch nur ein paar Schritte und ging gleich wieder hinaus; soweit er es erkennen konnte, sah es hinter der Tür aus wie in einem Gewölbekeller.

Kay zeigte ihm noch weitere Teile des Hofs, von dem Johannes wirklich fasziniert war: So viele versteckte Orte, Geräteschuppen, Heuboden, die Grotte und vor allem auch der Trecker.

"Ich hole eine Kerze, dann gehen wir noch mal in die Grotte, ja?", sagte Kay auf einmal, "Die musst du richtig gesehen haben."

Als Kay wiederkam und Johannes zu der Tür im Boden führte, wartete Johannes, bis er die Kerze angezündet hatte, bevor er ihm folgte. Johannes sah sich genau um; es war ein lang gezogener Raum, aus Ziegelsteinen gemauert und mit einer halbrunden Gewölbedecke. Die war in der Mitte mit Holzpfeilern abgestützt, von denen Querstangen bis zur Wand abgingen, die so niedrig waren, dass auch Johannes aufpassen musste, sich nicht den Kopf daran zu stoßen, obwohl er deutlich kleiner war als Kay. An den Wänden waren leere Kisten gestapelt. Kay erklärte, dass hier früher Gemüse und Obst gelagert wurde, weil es im Sommer immer kühl blieb.

"Es ist eigentlich ein riesiger Kühlschrank."

Am anderen Ende des unterirdischen Gewölberaums sah Johannes einen Durchgang, der ins Dunkel führte. Kay ging dort hinein und Johannes folgte ihm dicht; er fand diese "Grotte" ziemlich unheimlich. Der zweite Gewölberaum, in den sie kamen, sah ähnlich aus wie der erste. Auch hier gab es die Pfeiler mit den niedrigen Querstreben und Kisten, die überall herumstanden. Johannes bemerkte, dass die Kisten mit Spinnweben überdeckt waren.

Kay ging zu einer Holztür, die am Ende des Raumes zu erkennen war und Johannes folgte ihm dicht; die Tür hatte kein Schloss und auf ihr stand, eingeritzt mit großen Buchstaben "KAY".

"Das hier ist mein Reich", sagte Kay;

"Kay" mit "y" - das fand Johannes sehr spannend.

Er hätte "Kai" mit "i" geschrieben; mit "y" bekam der Name aber gleich eine ganz andere Bedeutung: Es war eindeutig ein besonderer Name, denn "y" war für Johannes ein ganz besonderer Buchstabe, und er kannte keinen Namen, der ein "y" enthielt - bis jetzt.

Er folgte Kay durch die Tür in einen weiteren Raum, der ähnlich aussah wie die beiden vorderen. Allerdings war er anders eingerichtet: Es standen keine alten Kisten herum und es sah überhaupt sehr aufgeräumt aus. Auf dem Boden lag ein Teppich, auf dem ein kleiner Tisch und drei Stühle standen. Dann sah Johannes ein Regal mit Heften, Werkzeugen und mehreren Schachteln. Auf dem Tisch standen mehrere Kerzen, die Kay anzündete. Johannes war sprachlos, als er sich umsah; er beneidete Kay darum, an einem so versteckten Platz ein eigenes Zimmer zu haben.

"Gefällt es dir?", fragte Kay und Johannes nickte,

"Du bist der einzige außer mir, der diesen Raum gesehen hat."

Er war davon sehr angetan, dass Kay ihm sein geheimes Versteck anvertraute.

Johannes fand es richtig gut, auf einem Bauernhof zu leben, mit den vielen Sachen, die überall herumstanden und den Schuppen voller spannender Ecken und Winkel, die auf ihre Erkundung warteten. Und natürlich der Grotte, die das Beste an allem war, neben dem Trecker.

Nachdem er ihm den Bauernhof gezeigt hatte, schlug Kay vor, in den Wald zu gehen, wo er Johannes seine Lieblingsplätze zeigen würde. Der Wald grenzte direkt an den Bauernhof und war riesig; man konnte sich gut darin verlaufen. Im Wald erklärte Kay, was er dort alles sehen und an Spuren ablesen konnte, Plätze auf denen Rehe übernachtet hatten, Fuchsbauten und Fußabdrücke von Vögeln, Hasen und anderen Tieren. Besonders beeindruckte Johannes ein riesiger Ameisenhaufen, auf dem es von großen Waldameisen nur so wimmelte.

"Das ist wie eine Großstadt, nur mit Ameisen statt mit Menschen", bemerkte Kay.

Plötzlich blieb Kay stehen und sagte, "Schau dich genau um; siehst du was?"

Johannes sah sich genau um, aber sah nichts Ungewöhnliches. Neben ihnen war ein dichtes Gebüsch und ansonsten nur Wald zu sehen, in dem nichts Außergewöhnliches auffiel.

"Dann komm mal mit; du wirst staunen", sagte Kay und zwängte sich ins Gebüsch, "Aber du musst aufpassen, wo du hintrittst."

Johannes erkannte, dass das Gebüsch über einer Mulde wuchs und es darin recht steil nach unten ging. Als Kay dann ein paar Zweige beiseite schob, war ein Eingang in eine Höhle zu sehen, der schräg nach unten führte. Kay zwängte sich hindurch und Johannes folgte ihm, bis sie in einer richtigen Höhle standen.

"Da muss mal ein Haus gewesen sein, und das hier ist der Keller, der noch übrig geblieben ist."

Nachdem Kay es erklärt hatte, erkannte Johannes auch, dass die Wände der Höhle aus Ziegelsteinen gemauert waren; er war begeistert. Kay erzählte, dass außer ihm keiner die Höhle kennen würde und dass Johannes auf keinen Fall jemanden etwas darüber verraten dürfte. Sie krochen wieder hinaus und liefen weiter durch den Wald, während Kay erklärte, wie die Sträucher und Bäume hießen, die hier wuchsen. Er zeigte Johannes noch weitere spannende Plätze, einen halb umgestürzten Jägerhochsitz, der an einem Baum lehnte, einen hohlen Baum, den man von innen erklettern konnte.

Nach einiger Zeit kam Johannes die Frage in den Sinn, ob ihn Kay wohl auch fesseln würde. Immer wieder überlegte sich Johannes, ob er das Thema Fesseln ansprechen sollte oder ob es besser wäre zu warten, bis Kay von selbst auf die Idee kam, ihn zu fesseln; aber er gab seinem Drängen, das Thema anzusprechen, nicht nach.

Als sie schließlich zum Bauerhof zurückkamen, waren sie den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen. Kays Großmutter lud Johannes zum Abendessen ein, aber vorher konnte er mit Kay noch auf dem Trecker fahren; Kay ließ ihn diesmal sogar ein kleines Stück selbst fahren.

Johannes fühlte sich richtig glücklich, als er schließlich nach Hause fuhr. Es war ein wirklich schöner Tag mit Kay; genau so stellte er sich eine Freundschaft vor. Allerdings beschäftigte ihn sehr, dass Kay auch nicht die leiseste Andeutung zum Thema Fesseln gemacht hatte, nicht einmal eine beiläufige Bemerkung. Johannes dachte immer wieder darüber nach, wie er es anstellen konnte, beim nächsten Treffen von Kay gefesselt zu werden.

Zwei Wochen später, am übernächsten Samstag war es wieder soweit, dass er Kay besuchte. Dort angekommen ging er gleich in das Haus ohne Klingel und traf nach kurzem Suchen Kays Großmutter an. Sie wusste nicht, wo Kay war und sagte, "Ich glaube, der ist auf dem Hof."

Nachdem ihn Johannes auch draußen nicht finden konnte, ging er zur Grotte und rief nach ihm. Er war tatsächlich dort und schlug gleich vor, wieder in den Wald zu gehen. Während sie durch den Wald liefen, war Johannes völlig eingenommen von seinen Überlegungen, wie er es deutlich machen sollte, dass er gefesselt werden mochte. Nach einiger Zeit kam ihm das Geländespiel in den Sinn, dass sie auf dem Zeltlager spielten, und er fragte Kay, ob er nicht ein Spiel mit ihm spielen wollte.

"Was für ein Spiel?"

"Naja, vielleicht wie auf dem Zeltlager; ich verstecke mich und du musst mich fangen."

"Das klingt ja nicht besonders spannend; vor allem, weil ich dich im Nu gefangen habe, das ist ja keine Kunst."

"Sei dir da bloß nicht so sicher."

"Na gut, ich zeig es dir. Ich zähle bis hundert; ich zähle auch ganz langsam."

Kay hielt sich die Hand vor die Augen und drehte sich einem Baum zu. Johannes rannte los, rannte eine Weile durch den Wald, änderte mehrmals die Richtung und versteckte sich schließlich im Unterholz. Dort harrte er aus, bis er tatsächlich nur kurze Zeit später Schritte hörte. Aus dem Unterholz heraus konnte er nichts erkennen, aber hörte immer wieder Schrittgeräusche, die sich langsam näherten.

Dann hörte er Kays Stimme, "Ich weiß, dass du hier bist; pass' auf, gleich habe ich dich."

Johannes kam sein Versteck ziemlich unsicher vor, sodass er sich entschied, sich vorsichtig davonzuschleichen. Plötzlich knackte ein trockener Ast unter seinen Füßen und Kay rief "Da"; Johannes erschrak und rannte los.

Doch gleich darauf hatte Kay ihn eingeholt und zu Boden gerissen. Johannes lag auf dem Bauch, während Kay auf seinem Rücken saß,

"Siehst du? Das wäre ja gelacht gewesen, wenn ich dich nicht gleich gefunden hätte; der Wald hier ist wie mein Zuhause, hier kenne ich mich aus"

Kay war ganz schön schwer und Johannes stöhnte unter seinem Gewicht.

"Bin ich jetzt dein Gefangener?", fragte Johannes in der Erwartung, gefesselt zu werden.

"Mein Gefangener?", fragte Kay, "Ja, richtig, das eigentlich Spannende an dem Spiel hätte ich fast vergessen."

Er hatte allerdings kein Seil dabei und nahm dafür einen von Johannes' Schnürsenkeln. Dann forderte er Johannes auf, die Hände auf den Rücken zu legen, um sie über Kreuz zusammen zu binden.

Als er mit den Händen auf dem Rücken auf dem Boden lag, wurde Johannes sofort von diesen angenehmen, erregenden Gefühlen überflutet. Kay half ihm, wieder aufzustehen, "Du bist ja ganz dreckig"; der Waldboden war feucht und die Blätter klebten an Johannes' Kleidung, sogar in seinem Gesicht.

Johannes war froh, dass seine Strategie so gut funktionierte und dass Kay allem Anschein nach immer noch bereit war, ihn zu fesseln. Er genoss es, mit zusammengebundenen Händen neben Kay zu laufen, und zerrte immer wieder an den Fesseln, was seine Erregung noch steigerte.

Er musste aber auch darauf achten, dass er beim Laufen den Schuh ohne Schnürsenkel nicht verlor, was ab und an vorgekommen war. Kurz bevor sie zum Bauerhof zurückkamen, fragte Kay, "Soll ich dich losbinden?", und als Johannes nicht antwortete, "Oder gefällt dir das so, mit den Händen auf dem Rücken?"

Johannes wusste immer noch nicht, was er sagen sollte, und stammelte schließlich, "Ist ok so."

Auf dem Bauernhof angekommen führte ihn Kay gleich in seine Grotte, zündete Kerzen an und setzte Johannes auf einen Stuhl.

"Vielleicht binde ich dich gar nicht los und schick' dich nachher gefesselt nach Hause."

Kay lachte und ging zum Regal, um von dort ein paar Schachteln zu holen und auf den Tisch zu stellen.

"Habe ich dir die schon gezeigt?"

In den Schachteln waren Gipsabdrücke von Tierspuren. Kay erzählte, wie er sie angefertigt hatte und von welchen Tieren sie stammten. Nachdem er die Schachteln wieder weggeräumt hatte, sagte er, "Jetzt bind' ich dich aber los, ok?"

Nachdem er Johannes die Hände losgebunden hatte, schlug er vor, wieder herauszugehen und eine Runde Trecker zu fahren. Johannes dachte die ganze Zeit nur daran, wie er gefesselt neben Kay lief und wie ihn das angeregt hatte. Die Fesseln hatten deutliche Spuren an seinen Handgelenken hinterlassen. Als er schließlich am Abend zu Hause war, betrachtete er diese Striemen ausgiebig und wünschte sich, dass sie bleiben würden, als Erinnerung an dieses Treffen.

Die Gefühle des Glücks, die Johannes empfand, hielten einige Zeit unvermindert an. Das Gefühl, wirklich einen Freund gefunden zu haben, noch dazu einen, der so spannende Sachen mit ihm machte, versetzte ihn in eine Hochstimmung, die er bis dahin nicht kannte.

Etwa zwei Wochen später rief ihn Kay an und verabredete sich wieder mit ihm. Sie verabredeten sich für einen Sonntag, damit sie den ganzen Tag miteinander verbringen konnten, und Johannes fuhr schon vormittags zu Kay. Dort traf er ihn gleich auf dem Hof an; er war auf dem Weg zur Grotte, wohin ihm Johannes folgte.

"Was hältst du von einer Knotenlektion?", fragte Kay, während er die Kerzen anzündete, "Hol doch mal die Schachtel dort."

Johannes holte die Schachtel, auf die Kay zeigte, aus dem Regal und stellte sie auf den Tisch. Kay setzte sich auf einen Stuhl und öffnete den Karton, der randvoll mit Seilen war.

"So, dann zeig' mir doch mal, was du noch alles kannst."

Johannes setzte sich auch und nahm ein paar Seile aus der Schachtel, die er erst auseinander wickeln musste, bevor er Kay die Knoten zeigen konnte, die er sich gemerkt hatte. Er konnte sie alle noch und Kay lobte ihn auch dafür. Kay zeigte ihm noch ein paar weitere Knotenvarianten und schlug dann vor, Fesselungen auszuprobieren.

Wie schon auf dem Zeltlager demonstrierte Kay eine bestimmte Fesselung an Johannes, der sie sich dann genau ansah und erforschte, wie sie sich anfühlte. Johannes übte diese Fesselung dann mehrmals mit Kays Händen, bis er sie sich gemerkt hatte.

Johannes gefiel dieser Unterricht sehr. Schon auf dem Zeltlager waren die abendlichen Lektionen zweifelsohne die Höhepunkte der ganzen Fahrt; sie waren mehr als eine Entschädigung für Kays blöde Scherze. Johannes gefiel zunehmend auch die Atmosphäre in Kays geheimer Höhle; er fand überhaupt, dass Kay als Freund eigentlich ganz gut zu ihm passte.

Nachdem Johannes schon einiges Neues gelernt hatte und insgeheim befürchtete, der Unterricht wäre gleich zu Ende, sagte Kay,

"Zum Schluss zeige ich dir noch eine Schlinge, um ein Seil fest an einen Balken zu knoten."

Er nahm zwei Seile und knotete eines an einen der Querbalken, die durch den Gewölberaum gingen.

"Jetzt du", sagte er dann und reichte Johannes das andere Seil.

Johannes war etwas verwundert, denn diesen Knoten hatten sie schon längst durchgenommen. Er nahm das Seil und wollte es neben das andere an dem Balken festknoten.

"Nein dorthin", unterbrach ihn Kay und zeigte auf die andere Seite des Pfostens.

Es sollte wohl, genauso wie das andere etwa einen halben Meter vom Pfosten entfernt am Balken befestigt werden; nur auf der anderen Seite. Johannes ahnte, was Kay vorhatte, und wartete gespannt auf die Aufforderung, sich an den Pfosten zu stellen.

Kay sagte ihn auch gleich, "Du weißt bestimmt, wofür das gedacht ist. Stell dich da hin."

Johannes stellte sich an den Pfosten und hielt seine Hände neben seinen Kopf, dass die Gelenke die Knoten der beiden Seile berührten. Er wartete darauf, dass Kay sie an den Balken binden würde, doch Kay sah ihn einfach nur an und grinste.

"Willst du mich nicht festbinden?", fragte Johannes nach einer Weile.

"Soll ich dich festbinden?", erwiderte Kay, "Nicht dass du dann wieder einen Ständer bekommst."

Johannes war unsicher; wollte sich Kay auf seine Kosten lustig machen? Als er die Arme wieder herunternehmen wollte, sagte Kay: "Wenn du die Hände nicht oben lässt, werde ich dich bestimmt nicht anbinden."

Johannes nahm die Hände wieder neben seinen Kopf und wartete darauf, dass Kay sie endlich an den Balken binden würde. Doch Kay sah ihn nur grinsend an,

"Wenn du gefesselt werden willst, musst du es schon sagen."

Johannes fand das Spiel ziemlich blöde und war obendrein irritiert darüber, dass es ihn dennoch erregte.

"Und?"

"Ja, mach' schon!"

Kay band ihm endlich die Handgelenke an den Balken und setzte sich auf einen Stuhl. Johannes spürte, wie die Erregung in seinem Körper zunahm. Es war viel intensiver als bei den Knotenlektionen und fühlte sich eher so an, wie auf dem ersten Zeltlager, als er auf dem Hochsitz gefangen war.

"Gefällt es dir?", fragte Kay, "Sonst kann ich noch ein bisschen nachhelfen."

Er nahm eine Hand voll Seile aus der Schachtel und ging damit zu Johannes. Er band ihm zuerst die Fußgelenke zusammen und an dem Pfosten fest, dann die Beine gleich oberhalb der Knie und schließlich band er ihn noch auf Bauch- und auf Brusthöhe am Pfosten fest.

Johannes konnte sich kaum mehr bewegen und in ihm machte sich mit Macht dieses angenehme, wohlige Gefühl breit, das er von dem Geländespiel auf dem Zeltlager kannte; er spürte auch überdeutlich den zunehmenden Druck in seiner Hose. Richtig festgebunden zu sein, war doch noch etwas anderes als die Knotenlektionen, die zwar auch spannend waren, aber eben lange nicht das auslösen, was eine richtige Fesselung bewirkte.

"Das macht dich ja wirklich ganz schön an", bemerkte Kay.

Johannes dachte an die Begebenheit auf dem Zeltlager, als Kay ihm bewies, dass es ihn erregte, gefesselt zu sein.

"Ist ja auch ok", sagte Kay und grinste wieder dabei,

"Mir gefällt das Spiel ja auch; ganz besonders, wenn ich daran denke, wie du nachher bettelst, wieder losgebunden zu werden."

Ganz wohl war Johannes in der Situation nicht. Aber er fand es auf jeden Fall spannend, die Hände seitlich, neben seinem Kopf, gefesselt zu haben und sich auch sonst nicht bewegen zu können; das fühlte sich zwar ganz anders an, als mit den Händen auf dem Rücken, aber nicht weniger gut.

"Und wenn ich nachher nicht darum bettele, dass du mich wieder losbindest?"

"Dann bleibst du da stehen; ganz einfach."

Kay nahm ein Buch aus dem Regal und setzte sich an den Tisch. Nachdem er eine Weile darin gelesen hatte, sagte er, "Das ist Robinson Crusoe, kennst du das? Es ist wirklich spannend; ich lese es jetzt schon zum zweiten Mal."

Johannes kannte es nicht und konnte sich auch kaum darauf konzentrieren, als Kay ihm von dem Buch erzählte. Zu sehr war er von dem eingenommen, was es in ihm auslöste, so fest an den Pfosten gebunden zu sein. Zunehmend mischten sich zu den wohligen Schauern, die durch seinen Körper gingen, auch eher unangenehme Gefühle, die von den Fesseln herrührten. Die saßen ziemlich fest und an seinen Beinen fast zu fest.

"Bindest du mich jetzt los?"

"Wie ich gesagt habe, erst, wenn du darum bettelst."

"Bitte, Kay!"

"Das reicht noch nicht."

Kay las unbeirrt weiter in seinem Buch. Johannes war ein wenig verzweifelt; darum zu betteln, befreit zu werden, kam für ihn eigentlich nicht in Frage. Aber er fühlte sich zunehmend unbehaglich, vor allen Dingen wurden ihm die Fesseln an seinen Beinen immer unangenehmer.

"Kay, bitte; ich stehe jetzt bestimmt schon eine Stunde hier, das ist genug."

"Jetzt übertreib' nicht. Schließlich wolltest du festgebunden werden."

Johannes dachte an die Zeit, die er bestimmt stundenlang gefesselt in dem Baumhaus lag, und befürchtete, dass ihn Kay jetzt auch nicht so schnell losbinden würde.

"Dann bind’ mir wenigstens die Beine los, das ist so fest, dass es weh tut."

Kay band ihm darauf hin tatsächlich die Beine los, "Ist es so besser?"

Danach setzte er sich wieder hin und fing an, in seinem Buch zu lesen.

"Ich könnte dich jetzt so lange am Pfosten stehen lassen, bis ich das Buch zu Ende gelesen habe", sagte er dabei und fragte, "Macht es dich immer noch an?"

Johannes fand dieses Wort, "anmachen", sehr merkwürdig und so gar nicht treffend für das, was Fesselungen in ihm auslösten. Obendrein hatten ihn Kays Bemerkungen so sehr irritiert, dass er es ohnehin nicht mehr genießen konnte, gefesselt zu sein.

Aber er wollte Kay keine weitere Gelegenheit für Lästerungen geben und beschloss auszuharren, bis ihn Kay von selbst losband. Es dauerte nicht sehr lange, bis er es schließlich tat. Als er danach mit Kay am Tisch saß, fragte Johannes, "Gefällt es dir eigentlich auch, gefesselt zu sein?"

Da Kay ihm keine Antwort auf die Frage gab, fragte er weiter, "Hat es dir gefallen, als dir deine Mutter die Hände auf den Rücken gebunden hat?"

"Naja", sagte Kay, "irgendwie schon, aber es war alles nicht einfach mit meiner Mutter."

Nach einer Pause sagte er schließlich, "Ich will nicht darüber reden. Du kennst diese Geschichte und damit ist es auch gut, ok?"

Johannes versuchte sich vorzustellen, wie er es empfinden würde, wenn seine Mutter ihm zur Strafe die Hände auf den Rücken binden würde; er konnte es sich aber überhaupt nicht richtig vorstellen.

Von Kay festgebunden zu werden, war etwas anderes. Kay kannte sein Geheimnis und war vor allen Dingen auch ein besonderer Junge; einer, mit dem Johannes seine Geheimnisse teilen konnte, der einzige, mit dem er das konnte. Johannes gingen viele Fragen durch den Kopf; wieso gab es überhaupt solche Geheimnisse, wieso gefiel es ihm gefesselt zu sein? Er dachte an das erste Zeltlager, als er sich fühlte, wie wenn er vor Erregung platzen würde, nachdem er einige Zeit gefesselt war.

Er sah sich im Kindergarten an die große Bank gebunden, neben - wie hieß er noch mal? Ias?

"Träumst du?", riss ihn Kay aus seinen Gedanken,

"Nein, ich denke nach."

"Man muss nicht über alles nachdenken. Kommst du mit, was essen? Meine Oma hat bestimmt schon was für uns gerichtet"

Nach dem Abendessen durfte Johannes noch einmal eine Runde mit Kay auf dem Trecker fahren und ging anschließend nach Hause.

Die folgende Zeit wartete Johannes jeden Tag darauf, dass Kay wieder anrufen würde, was aber nicht geschah. Nach Neujahr entschied er sich, bei Kay anrufen und traf mit ihm eine Verabredung.

Er ging schon am Vormittag zum Bauernhof, wo er Kay in seinem Zimmer antraf, als er gerade dabei war, Flugzeugmodelle zusammenzubasteln. Johannes war erstaunt, zu sehen, dass eine beachtliche Zahl von Flugzeugmodellen in Kays Zimmer herumstand. Kay zeigte ihm die, die ihm am Besten gefielen, und erklärte die Details dazu, wie das Flugzeug hieß und wie viel PS es hatte.

"Und du, was machst du so?", fragte Kay plötzlich.

Johannes fühlte sich von der Frage ein wenig überrumpelt und druckste zunächst, bis er dann sagte, "Astronomie."

"Oh. Horoskope und Sterndeutung und so?"

"Astronomie, nicht Astrologie", erklärte Johannes, "Da geht es um Planetensysteme und Galaxien zum Beispiel."

"Und was machst du da?"

Johannes fing an, zu erzählen, dass er sich gerade mit den keplerschen Gesetzen beschäftigte. Er fand es faszinierend, dass so einfache Formeln so komplexe Dinge wie die Planeten beschreiben können, inklusive der Erde mit all den Tieren und Pflanzen.

Kay unterbrach ihn nach kurzer Zeit bei seinen Ausführungen, "Warte mal. Ich habe eine Idee."

Johannes wartete darauf, dass Kay etwas sagte, aber er stand auf und kramte aus seinem Schrank ein Seil hervor. Nachdem er sich wieder neben Kay auf das Bett gesetzt hatte, sagte er, "Nimm deine Hände auf den Rücken!"

Kaum, dass er dazu aufgefordert wurde, spürte Johannes diesen Druck in seiner Hose. Ohne darüber nachzudenken legte er seine Hände auf den Rücken und spürte, wie Kay sie zusammenband.

"Jetzt erzähl weiter", forderte Kay ihn auf.

"Was?"

"Naja, von den Planeten und den Formeln und so."

Johannes hatte das Gefühl, dass Kay sich wieder über ihn lustig machen wollte; er war sich aber nicht sicher und setzte seine Ausführungen fort. Nach kurzer Zeit kam es ihm zunehmend merkwürdig vor, gefesselt über Astronomie zu erzählen, vor allem weil ihm auffiel, dass Kay dabei unentwegt grinste.

"Du willst dich über mich lustig machen, stimmt's?"

"Ach was", sagte Kay ohne mit Grinsen aufzuhören,

"Ich will nur mal sehen, ob du auch einen Ständer bekommst, wenn du über Formeln redest."

"Natürlich machst du dich über mich lustig. Über Freunde macht man sich aber nicht lustig und du hast gesagt, dass du mein Freund bist."

"Es ist doch nur ein Spaß; sei doch nicht gleich so beleidigt", antwortete Kay, aber Johannes hatte immer noch das Gefühl, dass Kay sich auf seine Kosten lustig machte, und fühlte sich zunehmend unwohl, mit gefesselten Händen Kays Späßen ausgesetzt zu sein.

"Natürlich sind wir Freunde; und du bist der einzige, der sich sogar gut fühlt, wenn ich ihn festbinde, die anderen mögen das gar nicht."

Kay lachte und sagte dann, dass er jetzt aufhören würde, darüber zu reden, "Sonst kriegst du ja keinen mehr hoch."

Johannes wusste nicht so recht, was Kay damit sagen wollte, aber "keinen mehr hochkriegen" hörte sich nicht freundlich an.

"Dann bind mich jetzt los; ich habe keine Lust mehr."

"Du bist immer noch beleidigt."

"Ja. Ich mag keine Freunde, die sich über mich lustig machen. Bind mich endlich los!"

"Ist ja gut", sagte Kay und band Johannes die Hände los.

"Ich kann ja auch nichts dafür, dass du so eigenartige Vorlieben hast."

"Was meinst du mit 'eigenartige Vorlieben'?"

"Dass es dich so anmacht, wenn du gefesselt wirst; ich meine, ich finde es ja auch irgendwie spannend, aber es ist lange nicht so wie bei dir, dass mir dabei einer abgeht."

"Einer abgeht?"

"Ja, dass du einen Ständer bekommst eben."

Kay hatte merkwürdige Ausdrücke dafür, dachte Johannes. Aber er wusste auch nicht richtig, wie man es anders ausdrücken könnte.

"Es ist halt schon", sagte Kay und zögerte einen Moment, "ungewöhnlich."

Johannes schwieg. Er fühlte sich von Kays Ausführungen überrumpelt und wusste überhaupt nicht, wie er ihnen entgegnen sollte. Er hatte nie damit gerechnet, dass Kay an seinen "Vorlieben", wie er es nannte, etwas ungewöhnlich finden würde.

Johannes fühlte sich wie gelähmt und saß schweigend da, um über sich ergehen zu lassen, was Kay sagte. Zum Glück führte Kay aber dieses Thema nicht weiter aus und sagte nach einer Weile, die sie schweigend nebeneinander saßen, "Komm, ich zeig' dir mal, wie ich die Modellflugzeuge zusammenbaue."

Johannes folgte ihm an den Tisch, wo noch ein teilweise zusammengebasteltes Flugzeug und zahlreiche Einzelteile lagen. Kay zeigte ihm, wie die Teile zusammengesetzt werden und ließ ihn dabei die Klebestellen verleimen.

Irgendwann ging Johannes wieder nach Hause; Kays Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er empfand das, was Kay sagte, oder eher das, was dadurch deutlich wurde, nämlich dass er sein besonderes Verhältnis zu Fesselungen als eigenartig empfand, irgendwie als Verrat; umso mehr, je mehr er darüber nachdachte. Verrat an dem Geheimnis, das er mit Kay teilte. Johannes überlegte sich, ob er sich überhaupt noch einmal von Kay fesseln lassen sollte; auch seine Fesselübungen, die er fast schon gewohnheitsmäßig praktizierte, empfand er plötzlich als heikel und dachte darüber nach, diese Gewohnheit abzulegen.

Erst diese Geschichte mit dem Sexualkundeunterricht und jetzt noch das mit Kay. Es war wohl das erste Mal, dass Johannes der Gedanke kam, irgendetwas sehr Grundlegendes stimmte nicht. Schließlich kam ihm auch der Gedanke, ob es vielleicht nicht doch besser wäre, keine Freunde zu haben.

Schwierige Intimitäten

Johannes' Geburtstag näherte sich mit beängstigender Geschwindigkeit. Eigentlich hatte er vor, dieses Mal seinen Geburtstag zu feiern, weil er mit Kay einen Freund hatte, den er dazu einladen konnte. Seine Eltern, ganz besonders seine Mutter, drängten ihn Jahr für Jahr, auch mal Freunde, oder mangels dessen, einfach andere Kinder zum Geburtstag einzuladen; Johannes hasste es, ständig mit diesem Thema konfrontiert zu werden. Er hatte nun mal keine Freunde und andere Kinder mochte er auch nicht; seinetwegen bräuchten die Geburtstage gar nicht gefeiert werden.

Dennoch hatte ihm die Idee, diesmal Kay zum Geburtstag einzuladen, irgendwie gefallen. Aber jetzt, wo das Verhältnis mit Kay schwierig geworden war und Johannes ernsthafte Zweifel an dieser Freundschaft hatte, fiel auch dieses Jahr der Grund für eine Geburtstagsfeier mit Einladung weg. Kay würde er bestimmt nicht einladen, nicht nach dem, was er letztes Mal gesagt hatte, aber wen sonst?

Johannes beschloss daher, dieses Mal doch keinen Geburtstag zu feiern, überhaupt von jetzt an keinen Geburtstag mehr zu feiern. Der Geburtstag war dann tatsächlich ausgefallen - durch einen Streit hatte er es sogar durchgesetzt, dass auch seine Eltern auf jegliche Geburtstagsaktivitäten verzichteten, bis auf das Geschenk, das war bereits gekauft.

Das Thema Freundschaft ließ ihn aber nicht mehr los. Je öfter er darüber nachdachte, desto überzeugender fand Johannes den Gedanken, dass die Freundschaft mit Kay auf einem Missverständnis beruhte, dass Kay und er etwas sehr unterschiedliches unter "Freundschaft" verstanden.

Knapp zwei Wochen nach dem ausgefallenen Geburtstag rief Kay an; Johannes war sehr aufgeregt, als er ans Telefon ging. Kay fragte ihn, ob er nicht wieder einmal Zeit hätte und tat so, als wenn nichts gewesen wäre, was Johannes ziemlich überrumpelte. Das hatte er nicht erwartet. Kay schlug vor, als Abwechslung sich bei Johannes zu treffen.

"Ich habe dir so viel von mir gezeigt; jetzt will ich mal sehen, was du so machst", sagte er und fragte auch, "Ist doch ok, oder?"

Johannes war von dieser Idee so sehr überrascht, dass er einwilligte, ohne darüber nachzudenken.

An dem Tag, an dem sie sich verabredet hatten, es war ein Samstag, war es ziemlich kalt; es war das erste Mal, dass Johannes Kay mit einer dicken Wollmütze gesehen hatte.

Ihm war aber ein wenig unwohl bei dem Gedanken, sich mit Kay in seinem Zimmer zu treffen, und machte daher den Vorschlag, zu dem verwilderten Grundstück im Gewerbegebiet zu gehen, auf dem er sich gerne aufhielt.

"Das ist mein Lieblingsplatz; da ist es fast so gut wie in dem Wald bei dir."

Während sie dort hingingen, gingen Johannes die unterschiedlichsten Gedanken über seine Freundschaft mit Kay und über Fesselungen durch den Kopf. Er überlegte sich, ob er Kay seine Zweifel an der Freundschaft mitteilen sollte, oder ihn zumindest noch einmal fragen, wie er das mit den "eigenartigen Vorlieben" genau gemeint hatte. Er hatte aber keine Idee, wie er dieses Thema ansprechen sollte, und sagte stattdessen nichts.

"Ist was mit dir?", fragte Kay schließlich, "Du bist so ruhig die ganze Zeit."

"Nein, ich denke nur nach."

"Und worüber denkst du nach? Du denkst immer viel zu viel nach."

"Nichts Besonderes."

Endlich hatten sie das Grundstück erreicht und krochen durch das Gebüsch, bis sie eine Stelle erreichten, die Johannes' Lieblingsstelle war. Es war eine kleine Senke, die ziemlich versteckt mitten auf diesem Grundstück lag. Dieser Platz war Kays bestem Versteck im Wald ähnlich, allerdings gab es hier keine Höhle.

"Hier gehst du immer hin?", fragte Kay.

"Ja, oft. Manchmal gehe ich auch in den Wald, aber der ist weiter weg; da ist am besten, mit dem Rad zu fahren."

"Ist ja auch ganz ok hier", sagte Kay und setzte sich auf einen Stein.

"Im Kindergarten bin ich auch mal als Strafe festgebunden worden", sagte Johannes und war selbst ein wenig erschrocken, dass er es gesagt hatte. Es war wie ein Gedanke, der aus Versehen laut vernehmbar wurde.

Kay sah ihn erstaunt an.

"Manchmal ist es vielleicht auch gar nicht verkehrt", sagte er nach einer Zeit, die Johannes endlos vorkam, "Dass mich meine Mutter früher ab und zu festgebunden hatte, kann ich irgendwo auch verstehen; sonst hätte ich wohl mein ganzes Zimmer zertrümmert. Wenn ich wütend war, bin ich manchmal ziemlich ausgerastet."

Kay sah Johannes an, als würde er eine Antwort erwarten.

"Aber bei dir kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass du so wild warst, dass man dich festbinden musste", sagte er und lachte.

Dann erzählte Kay, dass es früher gar nicht so unüblich war, renitente Kinder festzubinden.

"Ich habe im Fernseher mal einen Film gesehen, der spielt vor hundert Jahren ungefähr in einer Schule. Da war es richtig streng, und die Kinder, die nicht gespurt haben, wurden geschlagen und manchmal auch zur Strafe festgebunden. Besonders gemein war es mit einem Jungen, der immer die anderen Kinder geärgert hat, meistens so, dass die Lehrer nichts davon mitbekommen haben. Als er erwischt wurde, musste er sich vor die Klasse stellen und die Hände nach vorne strecken, damit sie der Lehrer zusammenbinden konnte. Dann musste er sich auf den Boden setzen und so seine Beine festhalten"

Kay winkelte seine Beine an und umfasste sie mit seinen Armen, sodass seine Hände die Füße berührten.

"So; und dann steckte der Lehrer ein langes Holzlineal zwischen Arme und Kniekehlen durch. Der konnte sich nicht mehr rühren und musste die ganze Zeit so vor der Klasse sitzen. So war das früher, da haben sie nicht lange gefackelt."

"Gefackelt?"

"Ja, wer sich nicht benommen hatte, wurde bestraft, und die Strafen waren auch wirklich gemein. Das musst du dir mal vorstellen, die ganze Zeit so sitzen zu müssen."

Kay zeigte noch einmal, wie dieser Jungen in dem Film vor der Klasse sitzen musste, und Johannes versuchte sich vorzustellen, so bestraft zu werden. Er wusste nicht, ob er es glauben sollte, dass früher die Kinder auf diese Weise bestraft wurden, fand aber diese Vorstellung dennoch ziemlich spannend.

Diese Geschichte ließ ihn nicht mehr los, und nach einiger Zeit konnte er sich alles bildlich vorstellen. Wie der Lehrer den Jungen erwischt hatte, wie er vor der Klasse stand und die Hände nach vorne strecken musste; wie der Junge auf dem Boden saß, das Lineal zwischen Armen und Beinen eingeklemmt, und wie die anderen Kinder aus der Klasse ihn dabei die ganze Zeit ansahen.

Kay und Johannes gingen schließlich wieder zu Johannes, wo Kay genau wissen wollte, was Johannes denn genau tat, wenn er sich mit Astronomie beschäftigte. Der zeigte ihm ein Buch mit Bildern der Planeten und Tabellen, in denen die bekannten Größen, wie Umlaufzeiten und Größen beschrieben waren.

"Was ist denn die Neigung gegen die Ekliptik?", fragte Kay und Johannes begann, die Größen so gut er es konnte, zu erklären.

"Ich finde es ja wichtig, dass man auch etwas tun kann, basteln oder etwas zusammenbauen", sagte Kay schließlich. Er konnte Johannes' Begeisterung für die Astronomie offenbar nicht verstehen.

Nachdem Kay gegangen war, dachte Johannes immer wieder über seine Geschichte nach. Es interessierte ihn sehr zu erfahren, wie es sich genau anfühlte, so gefesselt zu sein, wie er es geschildert hatte. Er setzte sich auf den Boden und winkelte seine Beine an, um sie dann mit den Armen zu umfassen. Mit einem Lineal unter den Kniekehlen würde er sich tatsächlich nicht mehr aus dieser Stellung befreien können; diese Fesselung war wirklich faszinierend.

Abends, bevor er ins Bett ging, musste er diese Stellung noch einmal ausprobieren. Diesmal band er sich dazu mit dem Bademantelgürtel die Hände zusammen. Er fand es sehr anregend, auf diese Weise zu einem Paket verschnürt auf dem Boden zu sitzen.

Während er einschlief, träumte er, er würde in einem Klassenzimmer sitzen, neben Kay, der ihn die ganze Zeit ärgerte, bis plötzlich der Lehrer rief,

"Johannes, jetzt ist aber Schluss mit dem Unsinn. Komm nach vorne"

Johannes ging nach vorne und der Lehrer forderte ihn auf, die Hände auszustrecken.

"Und jetzt auf den Boden", sagte der Lehrer, nachdem er ihm die Hände zusammengebunden hatte.

Es war gar nicht so einfach, sich mit gefesselten Händen auf den Boden zu setzen. Schließlich musste Johannes seine Beine anwinkeln und mit den Armen umschlingen, damit der Lehrer ihn fixieren konnte, indem er ihm das lange Holzlineal zwischen Kniekehlen und Arme schob.

Sich im Halbschlaf so vor der Klasse sitzen zu sehen, erregte Johannes sehr, so sehr, dass dabei nicht nur im Traum sondern auch in Wirklichkeit seine Hose feucht wurde. Die folgenden Tage dachte er immer wieder darüber nach, ob er sich nicht von Kay auf diese Weise fesseln lassen sollte, alleine schon, um zu erfahren, wie es sich anfühlte.

Schon kurze Zeit später verabredeten sie sich wieder, diesmal wieder bei Kay. Kay war in seinem Zimmer, als Johannes ankam, und war wie beim letzten Mal dabei, Flugzeuge zu basteln.

"Da schau mal", sagte er und zeigte Johannes ein Blatt Papier mit einer Tabelle, "Das kann man nicht nur mit Sternen machen."

In der Tabelle waren die Flugzeuge mit Namen, Baujahr, Länge und Spannweite aufgelistet. Kay hatte außerdem noch die Größe der Modelle, die er hatte, eingetragen. Er zeigte Johannes die Flugzeuge, die dazu gehörten, und holte schließlich ein Buch, in dem Fotos von einigen der Originale zu sehen waren.

Johannes betrachtete die Flugzeugmodelle und glich sie mit den Daten ab, die in Kays Tabelle standen. Dabei berechnete er jeweils das Größenverhältnis zwischen Modell und Original, wobei ihm auffiel, dass Kays Angaben nicht stimmen konnten, da meistens für das Verhältnis der Längen ein anderer Wert herauskam als für das der Spannweiten.

Gerade als Johannes Kay auf diese Diskrepanz aufmerksam machen wollte, fiel plötzlich das Flugzeug, das er gerade betrachtete, auf den Boden. Dabei verlor es eine seiner Tragflächen.

"Kannst du nicht aufpassen?", fragte Kay, "So ein Mist, das ist jetzt kaputt."

Johannes starrte auf das Flugzeug und stammelte, "Ich kann ja versuchen, es wieder zu reparieren".

"Nein, du fasst jetzt kein Flugzeug mehr an" Kay war sichtlich verärgert.

Er hob das Flugzeug, die abgebrochene Tragfläche und weitere kleinere Teile, die auch abgebrochen waren, auf und legte alles auf seinen Basteltisch. Während er die einzelnen Teile betrachtete und an den entsprechenden Stellen zusammenhielt, fluchte er leise vor sich hin.

"Es tut mir leid, das wollte ich nicht", sagte Johannes, aber Kay fluchte weiter.

Johannes wusste überhaupt nicht, was er tun sollte; am liebsten wäre er einfach gegangen. Plötzlich kam ihm der Gedanke in den Sinn, dass Kay ihn ja dafür bestrafen könnte; vielleicht so, wie er es das letzte Mal geschildert hatte.

"Du kannst mich ja bestrafen", rutschte ihm heraus.

Aber er fühlte, dass dieser Vorschlag wahrscheinlich nicht der Situation angemessen war.

"Was? Komm' mir jetzt nicht mit so etwas!" Kay reagierte ziemlich gereizt.

"Ich meine, weil ich das Flugzeug kaputt gemacht habe"

"Du meinst, ich soll dir deswegen jetzt den Hintern versohlen?", fragte Kay und sagte dann, "Ist eigentlich keine schlechte Idee."

"Oder wie in dem Film, von dem du erzählt hast."

"Was meinst du?", fragte Kay, "Ach so, jetzt weiß ich, worauf du hinaus willst. Erzähl mir jetzt aber bloß nicht, dass du das Flugzeug absichtlich heruntergeworfen hast, weil du wieder gefesselt werden willst."

Kay wirkte jetzt richtig verärgert und Johannes war darüber verzweifelt, dass er sich einem Verdacht ausgesetzt hatte, den er nur noch schwer wieder entkräften konnte.

"Nein, bestimmt nicht. Das habe ich wirklich nicht absichtlich gemacht", beteuerte er, "Wirklich nicht, Kay, glaube mir, das war keine Absicht. Das mit der Strafe ist mir gerade eben erst eingefallen."

"Ja, ja", antwortete Kay, "Du kannst mir jetzt erzählen, was du willst. Es geht dir doch nur darum, bestraft zu werden, weil dich so etwas anmacht"

Johannes konnte Kay nichts mehr entgegnen. Es war einfach völlig unangebracht, das mit der Bestrafung in dieser Situation zu thematisieren, und es ließ sich auch nicht mehr rückgängig machen. Er verzichtete auf weitere Erklärungen und malte sich aus, wie es wäre, wenn ihn Kay jetzt bestrafen würde.

"Also gut, komm her und streck' deine Arme nach vorne!", hörte er ihn in Gedanken sagen und sah sich, wie er vor Kay stand und ihm seine Arme entgegenstreckte.

Kay zog ein Stück Paketschnur aus der Hosentasche und band Johannes die Handgelenke so eng zusammen, dass er die Arme kaum mehr anwinkeln konnte.

"Es soll ja auch wirklich eine Strafe sein", hörte er Kay sagen. Johannes musste sich dann auf den Boden setzen und seine Beine zwischen seine Arme zwängen, so wie Kay es ihm gezeigt hatte.

Allerdings waren seine Hände so eng zusammengebunden, dass er seine Beine so weit es überhaupt ging anwinkeln musste, um sie zwischen seine Armen zwängen zu können. Schließlich sah er, dass Kay ein langes Holzlineal in der Hand hielt.

"Das passt ja kaum mehr durch", sagte Kay, als er es zwischen Johannes' Kniekehlen und Armen durchschob.

Es war richtig unangenehm, so zusammengeschnürt auf dem Boden zu sitzen; vor allem, weil das Lineal auf die Waden drückte.

"Es soll ja schließlich eine richtige Strafe sein und nicht nur darum gehen, dass dir dabei einer abgeht", sagte Kay.

In Gedanken vergewisserte sich Johannes, dass er wirklich weder Arme noch Beine bewegen konnte, keinen Millimeter, und spürte dabei einen deutlichen Druck in der Hose.

Der ließ aber schnell wieder nach, weil er plötzlich einen Krampf in seiner rechten Wade bekam. Das war so schmerzhaft, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb und er anfing zu stöhnen.

"Was ist los?", fragte Kay.

"Mein Bein", stöhnte Johannes, "Ich habe einen Krampf im Bein"

Kay sagte, dass er mit beiden Füßen fest auf den Boden treten sollte; der Krampf löste sich tatsächlich nachdem Johannes mit seinem rechten Bein fest auftrat.

Er war ziemlich irritiert, dass er auf diese Weise aus seinen Gedanken aufgeschreckt wurde und feststellen musste, dass er für einen Moment tatsächlich vergessen hatte, wo er war. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass die Bestrafung lediglich in seiner Phantasie stattgefunden hatte.

Tatsächlich stand er immer noch verloren in Kays Zimmer, während Kay an seinem Tisch saß und versuchte, das zerbrochene Flugzeug zu reparieren.

"Das kommt davon, dass man so blöde Gedanken hat", sagte Kay nicht ohne dabei zu grinsen, "Komm, setz dich zu mir."

Er hatte sich inzwischen offenbar wieder beruhigt und Johannes setzte sich zu ihm an den Tisch und sah, dass Flugzeug schon wieder zusammengeklebt war. Das hatte Kay erstaunlich schnell wieder hinbekommen; allerdings war die Stelle deutlich zu sehen, an der die abgebrochene Tragfläche mit dem Rumpf verleimt war.

"Das muss ich nur noch neu lackieren, dann ist es wieder ok"

Schließlich ging Johannes wieder und als er zu Hause war, musste er unentwegt über diesen Nachmittag bei Kay nachdenken. Dass er das Flugzeug umgestoßen hatte, war wirklich blöde; er konnte auch verstehen, dass Kay darüber verärgert war. Wenigstens war es gelungen, den Schaden am Ende wieder zu reparieren.

Noch blöder fand er das mit der Bestrafung; er hätte Kay wirklich nicht auffordern sollen, ihn zu fesseln. Dass er dann noch diesen Wadenkrampf bekam, passte daher ganz gut - als wirkliche Strafe für seine blöden Phantasien. Am merkwürdigsten fand er, dass es in diesen Phantasien so ungewöhnlich unangenehm war, gefesselt zu sein. Bei seinen Selbstversuchen war diese Art der Fesselung überhaupt nicht unangenehm gewesen; allerdings hatte er sich dabei seine Hände auch nicht so eng zusammengebunden, dass sich die Handgelenke berührten.

Auch in dem Film, von dem Kay erzählt hatte, konnte es nicht so gewesen sein. Der Lehrer hatte dem Schüler die Hände bestimmt so gefesselt, dass ein paar Zentimeter Schnur zwischen ihnen war; anders konnte es sich Johannes nicht vorstellen.

Alles in allem bestärkte ihn dieser Vorfall in der Einschätzung, dass es nicht gut war, sich von Kay fesseln zu lassen. Auch wenn Kay am Ende wieder versöhnlich war, blieb das Gefühl, dass mit dieser Freundschaft irgendetwas nicht stimmte. Das Verhältnis blieb heikel und Johannes wäre es das Liebste gewesen, wenn es sich einfach verlaufen hätte; auch wenn er den Bauernhof und vor allen Dingen die Fesselungen dann sicher vermisst hätte.

Aber Kay rief schon kurze Zeit später wieder an, um sich mit Johannes zu verabreden. Johannes fuhr schon vormittags zum Bauernhof und fand Kay in seinem Zimmer.

"Du kommst jetzt schon?", fragte er, "Das ist aber ungünstig; ich muss noch mein Zimmer aufräumen und meiner Oma helfen, sauber zu machen."

Sie hatten tatsächlich keine Zeit verabredet und Johannes war sich unsicher, was er tun sollte. Dummer Weise hatte es gerade, als er bei Kay ankam, angefangen zu regnen.

"Ich kann ja warten bis du fertig bist", sagte er.

"Hier, schau mal!", sagte Kay und zeigte Johannes das Flugzeug, das er heruntergestoßen hatte. Es war neu lackiert und sah aus, als wenn es nie zerbrochen gewesen wäre.

"Das war noch eine ganz schöne Arbeit. Ich musste es noch mal neu verkleben, weil die Klebestelle nicht richtig gehalten hatte."

Kay sagte, dass er jetzt aber anfangen wollte, sein Zimmer aufzuräumen und schlug vor, Johannes in die Grotte zu begleiten, wo er auf ihn warten sollte.

In der Grotte fiel Johannes gleich auf, dass die beiden Seile immer noch an dem Balken hingen.

"Und was willst du jetzt solange machen, bis ich fertig bin?", fragte Kay, "Das kann schon noch etwas dauern. Wenn du willst, kannst du ja etwas lesen; ich habe ein paar Bücher hier."

Johannes hatte zumindest keine bessere Idee; irgendwie war es blöde, zu früh zu sein.

Kay überlegte eine Weile und sagte dann, "Oder ich werde dich einfach anbinden. Dann kannst du ja versuchen, dich zu befreien, bis ich fertig bin."

Johannes war sich unsicher, ob die Idee wirklich gut war, vor allem weil ihm Kays Grinsen nicht geheuer war. Aber die Aussicht, gleich gefesselt zu werden, erregte ihn ziemlich.

"An den Balken?", fragte er und Kay antwortete,

"In Ordnung; dann stell' dich da hin!", wobei er auf den Balken deutete, von dem die beiden Seile herunterhingen.

Johannes stellte sich an den Pfosten und drückte seine Handgelenke an die Stellen, an denen die Seile an den Balken gebunden waren. Kay band sie daran fest und sagte, "Das habe ich doch gewusst, dass es dir gefällt."

Dass sich Johannes' Hose sofort ausbeulte, war nicht zu übersehen. Nachdem er ihn festgebunden hatte, blies Kay die Kerzen aus und ging. Johannes konnte es eine Zeit lang durchaus genießen, mit den Händen rechts und links neben seinem Kopf am Pfosten zu stehen.

Doch nach einiger Zeit dachte er, dass Kay nun langsam wieder kommen könnte, um ihn loszubinden. In dem dunklen unterirdischen Keller verlor er völlig das Gefühl für die Zeit, die er dort stand; sie kam ihm ewig vor. Seine Beine fühlten sich vom Stehen auch schon unangenehm an und seine Arme waren kurz davor einzuschlafen.

Johannes zerrte immer wieder an seinen Fesseln, aber die saßen richtig fest. Das hatte eher den Effekt, dass sich in das Ganze auf richtig unangenehme Weise erregende Gefühle mischten. Bisweilen kam in Johannes die Befürchtung auf, dass Kay ihn womöglich vergessen hatte. Wahrscheinlich aber machte sich Kay wieder einen Spaß daraus, ihn ein bisschen zu quälen, dachte er. Den Spaß wollte er Kay aber auf keinen Fall gönnen. Daher war er entschlossen durchhalten, egal wie lange, und sich vor allen Dingen am Ende vor Kay nichts anmerken zu lassen.

Endlich hörte er jemanden in die Grotte kommen und sah auch gleich Kay, der mit einer Kerze in der Hand durch die Tür kam.

"Und, gefällt's dir noch?", fragte er und grinste dabei.

"Das ist bestimmt wieder einer deiner komischen Späße, dass du mich hier so lange hast stehen lassen."

"Jetzt übertreib nicht so. Das waren nicht einmal ganz vier Stunden."

Vier Stunden?

Es war ganz bestimmt Kays Absicht, ihn zu quälen, dachte Johannes; nur um sein Zimmer aufzuräumen, hatte er bestimmt keine vier Stunden gebraucht.

Kay grinste und sagte, "Tu nicht so, als ob dir das nicht gefallen hätte. Dumm nur, dass du dir keinen 'runterholen konntest, aber vier Stunden Dauerständer ist doch bestimmt auch nicht schlecht, oder?" Dann fing er an zu lachen.

"Du bist richtig widerlich", sagte Johannes, "Bind' mich jetzt endlich los, dann gehe ich nach Hause und das mit unserer Freundschaft ist auch vorbei."

"Sei doch nicht wieder so empfindlich. Wenn du sauer bist und die Freundschaft kündigst, werde ich dich bestimmt nicht losbinden. Ich kann ja auch einfach wieder gehen, wenn dir was nicht passt."

Johannes schwieg; er wollte nicht mit Kay diskutieren, sondern einfach nur aus seiner unbequemen Position befreit werden. Es erwies sich wieder einmal als eine schlechte Idee, sich von Kay fesseln zu lassen. Johannes ärgerte sich darüber, dass er sich trotzdem immer wieder darauf einließ.

"War wohl nicht so gut, was ich getan habe?", fragte Kay und fing an, Johannes die Hände loszubinden.

"Du weißt ja gar nicht, wie es ist, vier Stunden hier am Pfosten zu stehen, noch dazu im Dunkeln", sagte Johannes, "Ich habe auf deine Späße keine Lust mehr; da musst du dir jetzt einen anderen suchen, mit dem du so etwas machen kannst."

"Also gut", sagte Kay, "Wenn das jetzt wirklich so schlimm war, dann darfst du mich dafür bestrafen, ok?"

Johannes war von diesem Angebot überrascht und fragte, "Wie meinst du?"

"Bestrafen, weil ich dich so lange am Pfosten stehen lassen habe. Danach können wir wieder Freunde sein und ich verspreche dir, dich nicht mehr zu ärgern. Du kannst mich ja auch anbinden."

Johannes überlegte einen Moment, zeigte dann auf den Pfosten und sagte, "Gut, dann stell dich da hin!"

Kay stellte sich an den Pfosten und hielt auch gleich seine Hände an die entsprechenden Stellen. Johannes band seine Hände an den Balken, genau so, wie Kay ihn festgebunden hatte; dabei fiel ihm auf, dass sich Kays Hose kein bisschen ausbeulte.

Bei Kay schien das tatsächlich anders zu sein als bei ihm, das mit dem Sex und dem Fesseln, dachte er. Dennoch gefiel es ihm sehr gut, Kay so an dem Pfosten stehen zu sehen, mit den Händen an den Balken gebunden. Besonders gefielen ihm di Seilenden, die von Kays Handgelenken herunter hingen.

"Dann geh ich jetzt", sagte Johannes, blies die Kerzen aus und ging schnurstracks zum Ausgang.

"Du kommst doch aber wieder?", rief ihm Kay hinterher.

Johannes hatte eigentlich vor, ihn richtig lange am Pfosten stehen zu lassen und erst einmal nach Hause zu fahren. Als er aus der Grotte kam, regnete es, aber er fuhr trotzdem los und war schon nach kurzer Zeit nass bis auf die Haut. Er stellte sich unter einen Baum und entschied sich dann, doch nicht bis nach Hause zu fahren, sondern wieder umzukehren.

Um aber nicht allzu früh wieder bei Kay zu erscheinen, wartete er mindestens eine halbe Stunde lang, bis der Regen ein wenig nachließ. Dann fuhr er völlig durchnässt zum Bauernhof zurück und ging in die Grotte. Kay stand noch am Pfosten mit seinen Händen neben dem Kopf und hatte immer noch keine ausgebeulte Hose.

"Das ging ja schnell", sagte er, "Draußen ist es wohl nicht so gemütlich."

"Mach ruhig noch ein paar Witze; dann werde ich dich bestimmt nicht losbinden"

"Ok, ich sag' ja schon gar nichts mehr."

Johannes war unsicher, was er jetzt tun sollte; eigentlich hätte es Kay nicht verdient, jetzt schon wieder losgebunden zu werden. Aber, so nass wie er jetzt war, so lange zu warten, wie es eigentlich angemessen wäre, fand er zu unbequem. Daher band er Kay los, nicht ohne sich nochmals zu vergewissern, dass die Fesselung tatsächlich nicht dazu geführt hatte, Kays Hose auszubeulen.

Johannes wollte dann nach Hause gehen, aber Kay kam ihm zuvor und sagte, dass er sich erst einmal trockene Sachen anziehen sollte. Sie gingen in sein Zimmer und Kay gab ihm etwas zum Anziehen.

"Du bist immer noch beleidigt, stimmt's?", fragte Kay.

"Ja, du hast dich wieder über mich lustig gemacht; du machst ständig so blöde Späße mit mir. Du hast gesagt, wir wären Freunde, aber in Wirklichkeit brauchst du nur jemand, auf dessen Kosten du deine Witze reißen kannst."

"Das stimmt doch nicht. Vielleicht habe ich mal was Blödes gesagt, aber du bist einfach auch viel zu empfindlich. Was kann ich denn dafür, dass es dich anmacht, gefesselt zu sein?"

Johannes ließ sich von Kay aber nicht umstimmen, "Dir geht es gar nicht um Freundschaft, sondern nur darum jemand Schwächeres zu haben, den du ärgern kannst. Überhaupt brauchst du Schwächere, um sie zu hänseln und zu ärgern, damit du dich stark fühlen kannst."

"Und dir geht es nur darum, gefesselt zu werden, weil dir dabei einer abgeht", erwiderte Kay und sagte dann aber nach einer kurzen Pause,

"In Ordnung, ich habe dich vielleicht wirklich zu lange am Pfosten stehen lassen und entschuldige mich dafür, ok?" Kay reichte ihm dabei seine Hand.

Johannes wusste zunächst nicht so recht, was er erwidern sollte, aber gab Kay schließlich seine Hand und sagte, "OK."

Kay lud ihn noch ein, bei seiner Großmutter etwas zu essen und zu warten, bis der Regen aufhörte.

Als Johannes endlich zu Hause war, gingen ihm die Gedanken an diese Begebenheit nicht aus dem Kopf. Kay hatte offenbar Recht, als er sagte, dass er es nicht so empfinden würde wie Johannes, gefesselt zu sein. Gab es vielleicht außer ihm niemanden, bei dem diese angenehmen, beruhigenden und zugleich erregenden Gefühlsströme durch Festbinden ausgelöst wurden, nicht einmal Kay?

Solche Fragen verunsicherten Johannes ziemlich, würde es doch bedeuten, dass er dieses Geheimnis der Fesselungen eigentlich mit niemandem wirklich teilen konnte. Früher hatte er es auch mit niemandem geteilt; das mit Kay hatte sich ja eher zufällig ergeben und wie es sich inzwischen herausgestellt hatte, hatte es auch keine wirkliche Grundlage. Vielmehr schien diese Freundschaft auf einem Missverständnis zu beruhen: Kay mochte es, Johannes zu fesseln, vielleicht weil er es generell mochte, kleinere und schwächere Jungs zu ärgern, oder vielleicht, weil er selbst von seiner Mutter gefesselt wurde; auf keinen Fall aber mochte er es aus den Gründen, aus denen Johannes gefesselt werden mochte.

Johannes fühlte sich Kay ausgeliefert durch das schwierige Geheimnis, das er preisgegeben hatte; er wünschte sich manchmal, Kay hätte nie etwas von seinen Vorlieben für Fesselungen erfahren. Überhaupt fühlte er sich durch diese Vorliebe angreifbar, weil er sie offensichtlich nicht verbergen konnte, zumindest dann nicht, wenn er gefesselt wurde.

Immer wieder dachte er daran, dass Kay sagte, er fände es "eigenartig", sich durch Fesselungen erregen zu lassen. Johannes fand es aber überhaupt nicht eigenartig; das, was in der Sexualkunde zur Sprache kam, kam ihm viel eigenartiger vor. Das konnte er sich nicht ansatzweise vorstellen, dass ihm so etwas gefallen könnte. Doch Kay schien es damit anders zu gehen. Er war sicherlich auch irgendwie "eigenartig", zumindest ein bisschen, sonst wäre er nicht so ein Einzelgänger gewesen und so unbeliebt bei den anderen Kindern.

Aber Johannes war zu der beunruhigenden Einsicht gekommen, dass Kay vorhatte, am Ende so zu werden wie alle anderen Jungs, mit denen Johannes nichts anfangen konnte. Er begriff, dass die Isolation, die er spürte, der Preis dafür war, nicht so zu sein wie die anderen, und dass er mit seinen "eigenartigen" Vorlieben ein hohes Risiko einging, Ziel des Gespötts anderer Jungs zu werden; auch Kay bildete da keine Ausnahme. Johannes entschied sich daher zum wiederholten Male, das mit den Fesselungen ganz zu beenden; seine entsprechenden Übungen abends im Bett praktizierte er ohnehin nur noch selten und Kay sollte ihn ab jetzt wirklich nicht mehr fesseln.

Es verging einige Zeit, mehr als vier Wochen, bis Kay wieder bei Johannes anrief. Er fragte, warum sich Johannes nicht bei ihm gemeldet hatte und ob er immer noch böse auf ihn war. Johannes war etwas überrascht von dieser Frage; er hatte nicht erwartet, dass Kay auf seinen Anruf gewartet hatte. Er hatte sich allerdings auch keine Gedanken darüber gemacht, dass Kay auch bei ihm lange Zeit nicht angerufen hatte.

Nein, böse war er eigentlich nicht, eher nachdenklich; er hatte Zweifel, ob für ihn das mit der Freundschaft mit Kay das Richtige war.

"Du bist doch noch sauer", sagte Kay, "Das merke ich doch."

"Nein", antwortete Johannes, "ich weiß nicht."

Er wusste nicht, wie er seine Bedenken erklären sollte.

"Eigentlich wollte ich mich mit dir mal wieder verabreden, aber wenn das so ist", sagte Kay und wartete scheinbar auf eine Reaktion.

Johannes antwortete schließlich, "Am Sonntag?"

"OK, kommst du vorbei?"

Kay sagte, dass er ihm ein paar Knoten zeigen könnte, die Johannes noch nicht kannte; wenn er wollte natürlich. Das ließ Johannes bis zum Tag der Verabredung nicht los und jedes mal, wenn er daran dachte, spürte er deutlich die Erregung, die in ihm schon alleine bei dem Gedanken aufkam, wieder einmal gefesselt zu werden. Er überlegte sich, wie er mit Kays angekündigten Knotenlektionen umgehen sollte, da er ja beschlossen hatte, sich nie wieder von Kay fesseln zu lassen. Diese Frage blieb bis zum Schluss unentschieden.

An dem Sonntag der Verabredung war es wieder ziemlich kühl geworden, nachdem es ein paar warme, frühlingshafte Tage gegeben hatte. Als Johannes an dem Bauernhof ankam, saß Kays Großmutter in der Küche und sagte, dass Kay in seinem Zimmer war.

"Schön, dass du gekommen bist", sagte Kay, als Johannes in sein Zimmer kam.

"Ja, natürlich bin ich gekommen", sagte Johannes, "Wir sind doch schließlich verabredet."

Er zog seinen Anorak aus, nachdem er die Zimmertür zugeschoben hatte. Kay saß auf seinem Bett und war gerade dabei, ein langes Seil aufzurollen.

"Für draußen ist es ein bisschen kalt, da bleiben wir lieber hier", sagte Kay und legte das Seil auf den Boden.

Als sich Johannes neben ihn auf das Bett setzte, fragte Kay, worauf er denn Lust hätte. Johannes fiel spontan keine Antwort ein; er fragte sich, ob Kay wohl die Knotenlektionen meinte oder vielleicht doch etwas anderes.

"Ich meine, was würde dir denn am meisten gefallen?", fragte Kay, nachdem er von Johannes keine Antwort erhielt.

Johannes war fast ein wenig verzweifelt, weil er wirklich nicht wusste, was er antworten sollte, und obendrein das Gefühl hatte, sich dieser Frage nicht entziehen zu können.

"Was mir am meisten gefällt", sagte er dann, "Naja; mit den Händen auf dem Rücken. Das ist das Beste, wenn die Hände auf dem Rücken sind"

Er war überrascht von dem plötzlichen Gefühl von Erregung, das ihn überfiel, als er das aussprach. Auch Kay schien verblüfft zu sein und sah ihn fragend an, ohne dabei etwas zu sagen. Johannes kam die Zeit unendlich vor, die sie sich anschwiegen, bis Kay endlich sagte, "Na gut, dann wollen wir nicht länger warten"

Johannes platzte förmlich vor Aufregung, als Kay das Seil nahm und anfing, eine Schlinge zu knoten.

"Willst du deinen Pullover nicht ausziehen?", fragte Kay.

Er hatte Recht, für den dicken Wollpullover, den Johannes immer noch anhatte, war es in dem Zimmer wirklich zu warm. Vor Aufregung spürte Johannes deutlich sein Herz schlagen, als er den Pullover auszog und gleich danach seine Hände auf den Rücken legte. Er spürte, wie Kay die Schlinge erst über die eine, dann über die andere Hand streifte und das Seil mehrmals um die Handgelenke wickelte, ehe er es zusammenknotete.

Johannes gab sich ganz den überwältigenden Gefühlen hin, die es in ihm auslöste, gefesselt neben Kay zu sitzen.

"Du hast wieder einen Ständer", sagte Kay, und Johannes spürte augenblicklich den Druck in seiner Hose.

Was für ein merkwürdiges Wort, "Ständer", dachte Johannes. An Kays Ausdrücke würde er sich wohl nie gewöhnen können.

"Dann pass mal auf; ich zeige dir mal was, was ich neulich erst gesehen habe", sagte Kay,

"Dazu musst du dich auf den Bauch legen und dann die Beine anwinkeln"

Johannes ließ sich auf das Bett fallen und drehte sich mit Kays Hilfe auf den Bauch.

Kay nahm dann seine Füße in die Hand und drückte sie in eine angewinkelte Position. Dann band er sie mit dem langen Ende des Seils, das an Johannes' Händen hing, zusammen.

Johannes beobachtete gebannt, wie sich seine Erregung steigerte, als er gefesselt auf dem Bauch lag und sich kaum mehr bewegen konnte. Er befürchtete allerdings, dass diese Gefühle so stark werden könnten, dass er sie nicht mehr ertragen konnte, so wie es am Ende bei dem Geländespiel auf dem ersten Zeltlager war, als er Kays Gefangener war.

Schließlich knotete Kay das Seil zwischen seinen Händen und seinen Füßen so eng zusammen, dass Johannes die Beine kein bisschen mehr ausstrecken konnte. Die Spannung in Johannes' Körper war so stark, dass er gar nicht anders konnte, als mit aller Kraft gegen die Fesselung anzukämpfen. Er fühlte sich, als würde er gleich explodieren; selbst bei dem Geländespiel hatte er nicht so überwältigende Gefühle verspürt wie jetzt. Schließlich war die Spannung in seinem Körper nicht mehr auszuhalten und seine Gedanken und seine Wahrnehmungen ganz und gar von diesem inneren Beben eingenommen; er hatte das Gefühl, er würde wirklich gleich zerplatzen.

"Gefällt dir das?", drang es nach Ewigkeiten mühsam zu ihm durch und er röchelte,

"Mach mich los!"

"Jetzt schon? Ich glaube, ich warte lieber noch ein bisschen damit. Du sollst ja schließlich auch auf deine Kosten kommen"

"Kay, bitte, ich kann wirklich nicht mehr", stöhnte Johannes immer wieder, bis Kay endlich anfing, ihm die Beine loszubinden, die mit einem Gefühl unglaublicher Erleichterung auf das Bett fielen.

"Ganz los?", fragte Kay und Johannes nickte.

Nachdem ihm Kay schließlich die Hände losgebunden hatte, setzte er sich wieder neben Kay auf das Bett und bemerkte erst jetzt, dass seine Hose zwischen den Beinen feucht geworden war; Kay schien es im selben Moment bemerkt zu haben und sagte mit einem Grinsen,

"Das hat dir diesmal wohl besonders gut gefallen, so wie es aussieht."

Johannes wusste nicht, wie er jetzt reagieren sollte; es war ihm mehr als unangenehm, dass Kay mitbekommen hatte, wie sehr es ihn erregte, gefesselt zu sein. Er legte sich wieder auf das Bett und drehte sich dabei sofort auf den Bauch, um den Fleck auf seiner Hose zu verbergen.

"Vor mir brauchst du es nicht verstecken; ich habe alles gesehen", sagte Kay, was für Johannes die Situation noch unangenehmer werden ließ.

Er stand schließlich auf und zog sich seinen Pullover über, "Ich gehe wieder."

"Du bist doch gerade erst gekommen", erwiderte Kay;

Johannes fand es eigentlich auch blöde, jetzt einfach zu gehen, aber ihm fiel nichts anderes ein, als seinem Drang, flüchten zu wollen, nachzugeben. Auf keinen Fall wollte er sich Kays Kommentare zu dem, was geschehen war, anhören. Er zog seinen Anorak und seine Schuhe an und ging, ohne was zu sagen; Kay sagte auch nichts.

Das mit dem Fleck auf der Hose hätte nicht passieren dürfen; nicht in Kays Gegenwart. Überhaupt hätte er sich wieder nicht fesseln lassen dürfen, aber auch diesmal war die Aussicht auf die damit verbundenen Gefühle stärker als jede Vernunft.

Auf dem Weg nach Hause spürte Johannes in Gedanken den Gefühlen nach, die ihn überwältigten, als er mit aneinander gebundenen Händen und Füßen auf dem Bett lag. Mit auf dem Rücken zusammengebunden Händen und Füßen auf dem Bauch zu liegen, war wohl mit Abstand das Aufregendste, was er bislang erlebt hatte. Er hatte im Fernseher mal einen Film gesehen, da sind die Gefangenen auf einer Gefangeneninsel bestraft worden, indem ihnen Hände und Füße auf dem Rücken zusammengekettet wurden und sie den ganzen Tag so auf dem Bauch liegen mussten.

Daran musste Johannes denken, und dass er höchstens ein paar Minuten auf diese Weise gefesselt war, bis er es nicht mehr aushalten konnte und seine Hose feucht wurde. Er dachte an die Strafe, die ihm im Kindergarten zuteil wurde, als er an eine Bank gebunden wurde, und an die Strafe bei den Pfadfindern, "gepflockt" zu werden. Dann an die Strafe mit dem Lineal, die es nach Kays Angaben früher in der Schule gab, und schließlich an die, die darin bestand, dass einem Hände und Füße auf dem Rücken zusammengebunden wurden.

Strafen waren wirklich etwas sehr merkwürdiges.

Als er zu Hause ankam, ging er sofort, ohne vorher seinen Anorak auszuziehen, in sein Zimmer, um seine Hose und die Unterhose zu wechseln. Bevor er sie in den Wäschekorb legte, machte er die Flecken unkenntlich, indem er sie ausgiebig mit einem feuchten Lappen abrieb.

Nach ein paar Tagen entschied sich Johannes, Kay anzurufen. Das Gefühl, etwas tun zu müssen, damit er nach dieser Begebenheit bei Kay nicht allzu blöde dastand, wich die ganze Zeit nicht von seiner Seite.

Allerdings hatte er keine Idee, wie er sein Verhalten erklären sollte; am einfachsten wäre es gewesen, es dabei zu belassen und sich gar nicht mehr mit Kay zu treffen. Auf der anderen Seite war diese Begebenheit ein denkbar ungünstiges Ende der Freundschaft mit Kay; so wollte Johannes es wirklich nicht stehen lassen. Das Gefühl der Blöße, das er beim letzten Treffen in Kays Gegenwart empfand, war ihm auch im Nachhinein extrem unangenehm gewesen, unangenehmer sogar als die Situation bei Kay selbst.

Gerade auch, weil er es selbst ziemlich merkwürdig fand, dass die Gefühle, die er verspürte, wenn er gefesselt war, im Extremfall Ejakulationen auslösen konnten. Wenigstens das Wort dafür, "ejakulieren", fand Johannes spannend; er hatte es im Sexualkundeunterricht gelernt. Es passte ganz gut, denn es klang ähnlich eigenartig wie ihm das erschien, was es bezeichnete.

Manche Jungs aus seiner Klasse nannten es "einen 'runterholen", was Johannes überhaupt nicht gefiel, und erzählten, dass sie dabei an nackte Frauen dachten. Kay hatte aber nie so etwas erzählt; Johannes konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass Kay an nackte Frauen dachte beim Ejakulieren; woran aber dann, daran, kleinere Jungs zu fesseln oder zu ärgern? Ejakulierte Kay überhaupt?

Schließlich rief Johannes Kay an und sagte, dass es ihm leid tat, was geschehen war und dass er es vor allem blöd fand, einfach gegangen zu sein.

Kay lachte am Telefon, "Das war dir wohl ziemlich peinlich, was?"

"Peinlich?", Johannes stolperte förmlich über dieses Wort.

War es ihm wirklich peinlich, so wie die Kinder aus seiner Klasse die Sexualkunde peinlich fanden? Er war verunsichert.

"Ist ja auch egal. Wenn du willst, kannst du gerne wieder kommen. Ich möchte auch etwas mit dir besprechen."

Johannes wollte.

Die folgenden Tage dachte er immer wieder darüber nach, warum ihm die Situation bei Kay so unangenehm war und ob er es wirklich als "peinlich" empfunden hatte. Es gab wohl unterschiedliche Arten von Geheimnissen, dachte er, welche, die man teilen konnte, zum Beispiel, dass er es mochte, gefesselt zu werden, und welche, die irgendwie nicht dazu gedacht waren, geteilt zu werden, beispielsweise, dass er dabei die Erregung bis zur Ejakulation treiben konnte. Vielleicht war es das, was unter "peinlich" verstanden wurde, wenn nämlich Geheimnisse geteilt wurden, die nicht zum Teilen gedacht waren.

Je mehr Johannes darüber nachdachte, desto eigenartiger kam ihm das alles vor. Dennoch war er irgendwie froh, dass er Kay angerufen und sich wieder mit ihm verabredet hatte.

Als der Tag der Verabredung gekommen war, zögerte er aber zuerst und überlegte sogar, ob er die Verabredung nicht lieber absagen sollte. Er war ziemlich verunsichert, vor allen Dingen auch weil Kay sagte, dass er etwas mit ihm besprechen wollte.

Am Ende war er aber doch entschlossen, Kay zu treffen, und fuhr los. Kay war auf dem Hof und mit Aufräumen beschäftigt, als Johannes ankam. Er schlug vor, in die Grotte zu gehen und sagte, dass er mit ihm über ihre Freundschaft reden wollte.

Johannes fiel sofort auf, dass die beiden Seile nicht mehr am Balken hingen, als sie in Kays Versteck kamen und Kay die Kerzen anzündete. Er setzte sich mit Kay an den Tisch und wartete etwas beunruhigt darauf, dass Kay erzählte, was er genau mit ihm besprechen wollte.

"Ja, wegen letztes Mal", fing Kay an, "Du weißt schon."

Dabei sah er Johannes an, um bestätigt zu bekommen, dass er auch wirklich verstanden wurde. Johannes wusste genau, worauf Kay anspielte und nickte.

Nach einer Pause fuhr Kay fort, "Das mit dem Fesseln, das ist nicht in Ordnung, weißt du?"

Das konnte Johannes nicht richtig nachvollziehen, was meinte Kay mit "nicht in Ordnung"?

Nachdem er darüber nachgedacht hatte, fragte er, "Warum?"

"Ich steh' halt nicht auf kleine Jungs", antwortete Kay, "Verstehst du? Du bist dreizehn und ich bald sechzehn und überhaupt finde ich das mit dem Fesseln ganz schön komisch."

"Wenn du es komisch findest, dass ich es mag, gefesselt zu werden, warum hast du mich dann gefesselt?"

"Naja, ich fand es halt irgendwie spannend, dass es dich so anmacht, gefesselt zu sein", antwortete Kay und schloss nach einer Pause, "Das ist alles."

Johannes fühlte sich in seinen Befürchtungen bestätigt, dass es Kay hauptsächlich darum gegangen war, sich auf seine Kosten zu belustigen.

"Ich habe immer gedacht, wir sind Freunde, aber in Wirklichkeit hast du dich immer nur über mich lustig gemacht. Dir geht es nur darum, dass du Schwächere ärgern kannst, um zu beweisen, wie toll und wie stark du bist; das finde ich auch komisch", platze es aus ihm heraus.

Kay erstarrte sichtlich, als Johannes das sagte; auch Johannes war davon überrascht, dass ihm das genauso von den Lippen gekommen war, wie es ihm schon etliche Male durch den Kopf ging.

"Das stimmt nicht", sagte Kay, "Für mich bist du schon ein Freund, ehrlich. Ich finde dich auch in Ordnung; du sagst, was du denkst, ganz egal, was andere darüber denken, das ist schon ok. Aber halt das mit dem Fesseln."

Kay zögerte und Johannes war sehr gespannt, was er wohl sagen würde.

"Du kennst ja die Geschichte mit meinem Vater", fing Kay an zu erzählen, "Als der gestorben war, war ich gar nicht so unglücklich darüber; ich mochte ihn nicht, weil er oft seine Launen an mir und meiner Mutter ausgelassen hat. Aber meine Mutter war sehr traurig, als er gestorben war, und ich glaube, sie hatte mich gehasst, weil ich nicht traurig war. Jedenfalls fing sie an, ständig an mir herum zu meckern und mir alles zu verbieten, was mir Spaß machte. Ich habe mich halt gewehrt und sie hat mich in mein Zimmer eingesperrt; das ging jeden Tag so, wirklich. Manchmal habe ich Krach gemacht, den Stuhl gegen die Tür gehauen und so, dann kam sie 'rein und hat mich an den Stuhl gefesselt, mit einem Stück Wäscheleine."

Kay nahm dabei seine Hände auf den Rücken, um zu zeigen, wie er dann in seinem Zimmer saß.

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort, "Naja, was ich sagen will ist, wenn sie mich gefesselt hatte und ich mit den Händen auf dem Rücken auf dem Stuhl saß, fand ich das schon ganz schön spannend. Irgendwie hat es mich angemacht und es ist sogar vorgekommen, dass ich absichtlich randaliert habe, nur um gefesselt zu werden. Aber es ist halt",

Kay legte wieder eine Pause ein, die den Effekt hatte, dass Johannes bis zum Zerreißen gespannt war, was Kay jetzt sagen würde.

"Es ist halt nicht normal", setzte Kay endlich fort.

Johannes fühlte sich ein wenig hilflos, er wusste eigentlich nicht genau, was normal war und was nicht, aber er ahnte, worauf Kay hinauswollte.

"Und was ist normal?", fragte er.

"Was halt normal ist, das kennst du doch; das weiß ja jeder, was normal ist."

Johannes war ziemlich verwirrt; er konnte überhaupt nicht einschätzen, was Kay ihm damit sagen wollte. Dass er auf die Dinge anspielte, die im Sexualkundeunterricht behandelt wurden, konnte sich Johannes nicht wirklich vorstellen.

"Nichts gegen dich; vielleicht ist es ja auch ok, das mit dem Fesseln, aber für mich ist es nichts. So bin ich halt nicht drauf."

"Wie meinst du das, so bist du nicht drauf?"

Meinte er, er sei nicht so wie Johannes? Er meinte es bestimmt so, dachte Johannes, was anderes würde keinen Sinn ergeben.

"Vielleicht bin ich zu dir nicht ganz fair gewesen; für mich war es einfach nur Spaß, mehr nicht. Wir können auch gerne Freunde bleiben, aber nicht so, mit Fesseln und so, verstehst du?"

Kay saß schweigend auf dem Stuhl und Johannes wusste auch nicht, was er dazu sagen sollte. Er versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn ihm seine Mutter die Hände auf den Rücken binden würde, weil er in seinem Zimmer randaliert hatte. Aber er randalierte nicht in seinem Zimmer und seine Mutter würde ihn auch niemals fesseln; höchstens ausschimpfen.

Er dachte darüber nach, was Kay wohl genau damit gemeint hatte, dass das mit dem Fesseln nicht normal wäre. Johannes hatte sich die Frage, ob es normal war, so eigentlich nie gestellt und wusste auch nicht, wie er sie beantworten sollte. Dass es in ihm solche Gefühle auslöste, gefesselt zu sein, fand er ja auch manchmal merkwürdig; aber lange nicht so merkwürdig, wie das, was im Sexualkundeunterricht dargestellt wurde. Wieso sollte dann das eine normal sein, das andere aber nicht?

Johannes war sich sicher, es gab Jungs, vielleicht nur wenige, für die war das normal, was für ihn auch normal war. Len war bestimmt so ein Junge, Kay aber nicht, wie es sich herausgestellt hatte. Obwohl er so etwas schon länger befürchtet hatte, fühlte sich Johannes enttäuscht von Kays Ausführungen; irgendwie auch verraten.

Das mit den Freundschaften hatte sich nun endgültig erledigt, genauso wie das mit dem gefesselt werden, was er fast noch schlimmer fand.

"Dann gehe ich jetzt wieder", sagte er und Kay nickte und begleitete ihn aus der Grotte.

"Sei mir nicht böse, ja?", sagte er, als Johannes auf sein Fahrrad stieg.

Er war ihm nicht böse; eher überrascht darüber, dass dieses nun wohl definitive Ende seiner ersten Freundschaft regelrecht traurige Gefühle in ihm aufkommen ließ.

Verraten

Im Sommer fand ein großes Pfadfinderfest statt. Johannes' Mutter war der Meinung, er sollte da hingehen, damit er Kontakt zu anderen "Gleichaltrigen" findet, wie sie sich ausdrückte. Außerdem hatte sein Vater auch vor, zu dem Fest zu gehen, da er auch dieses Jahr wieder als Betreuer mit zum Zeltlager fahren wollte. Johannes hatte gar keine Lust auf das Pfadfinderfest; er mochte solche Feste nicht und fand es auch blöde, als Nichtpfadfinder unter lauter Pfadfindern zu sein.

Am Tag des Festes war aber ein warmes, sonniges Wetter, sodass seine Mutter überhaupt kein Verständnis dafür hatte, dass er zu Hause bleiben wollte. So ließ sich Johannes schließlich überreden, hinzugehen. Als er dort ankam, war die Feier bereits in vollem Gange. Johannes konnte sich kaum an die Pfadfinder aus dem letzten Jahr erinnern und kam sich ziemlich fremd vor.

Kay war nicht dort, weil er nicht mehr bei den Pfadfindern war und von ihnen wohl auch nicht gemocht wurde.

Nachdem Johannes eine Weile verloren herumstand und sich dabei zunehmend unwohl fühlte, entschied er sich, heimlich wieder zu gehen, ohne dass sein Vater es bemerken sollte. Dann sprach ihn aber einer der Gruppenleiter an,

"Nur nicht so schüchtern; du kennst sie doch alle vom letzten Jahr", und rief einen der Pfadfinder zu sich, "Wolltet ihr nicht gleich etwas unternehmen?"

"Ja", antwortete der Pfadfinder, "wir wollten in den Wald gehen, um dort Tierfährten zu bestimmen"

"Dann nehmt doch den Johannes mit; das interessiert ihn bestimmt auch, oder?"

Johannes nickte; in den Wald zu gehen, um Fährten zu lesen, fand er tatsächlich ganz spannend. Kurz darauf stand eine kleine Gruppe von Pfadfindern um ihn herum, alle in Pfadfinderuniformen, doch Johannes störte das nicht.

"Warum bist du eigentlich nicht bei den Pfadfindern? Du warst doch schon zweimal mit auf einem Zeltlager", fragte ihn einer aus der Gruppe.

Johannes war um eine Antwort verlegen und bevor er antwortete, fragte ein anderer, "Oder hat es dir nicht gefallen, mit uns ins Zeltlager zu fahren"

Johannes druckste, "Doch schon, aber..."

"Das ist doch seine Entscheidung; wenn er nicht will, dann will er halt nicht. Es muss ja nicht jeder Pfadfinder sein."

Der Junge, der zu Johannes' Erleichterung diese Befragung beendete, schien der Anführer der Gruppe zu sein, die sich um Johannes versammelt hatte. Er hielt ein Stück Papier in der Hand und einen Stift. Auf dem Papier war eine schematische Landkarte der Umgebung aufgemalt, anhand der der Junge erklärte, welchen Weg sie durch den Wald nehmen sollten. Er erklärte auch die Aufgabe der Gruppe, nämlich Tierfährten zu finden, abzuzeichnen und so genau wie möglich zu bestimmen. Zum Aufzeichnen der Fährten hatte er ein Heft und mehrere Stifte eingesteckt.

Schließlich gingen sie los. Schon nach kurzer Zeit hatte einer der Pfadfinder eine Fährte gefunden, die er als Hasenfährte deutete und in das Heft zeichnete. Es folgten Spuren von Rehen, Vögeln und immer wieder von Hasen. Fährten von Hunden und Menschen, die auch häufig zu sehen waren, spielten scheinbar keine Rolle und wurden nicht abgezeichnet.

Johannes fand es spannend, die Spuren zu finden und mit den daraus angefertigten Zeichnungen zu vergleichen. Die Gipsabdrücke von Kay waren natürlich viel besser und originalgetreuer als solche Zeichnungen, dafür aber auch aufwendiger anzufertigen.

Spannend fand Johannes auch herauszufinden, dass der Pfadfinder, der die Gruppe anführte, Jonas hieß und damit auch einen Namen hatte, der mit "Jo" anfing, so wie sein eigener Name. Er dachte darüber nach, welche Namen es wohl noch gab, die mit "Jo" anfingen; aber es waren nicht viele, die ihm einfielen, Joachim, Jochen, Josef - das war es auch schon. Alles Namen, die Johannes nicht besonders klangvoll fand, auch "Johannes" gefiel ihm nicht; "Jonas" war eindeutig der klangvollste von allen Jo-Namen.

Schließlich hatten die Pfadfinder genügend Spuren abgezeichnet und gingen wieder zurück zum Fest.

Während sie zurückgingen, fragte plötzlich einer der Pfadfinder, "Stimmt es, dass du es geil findest, gefesselt zu werden?"

Johannes war wie vom Blitz getroffen und brachte kein Wort heraus.

"Das hat Kay erzählt", ergänzte ein anderer, "Und der ist doch mit dir befreundet, der weiß das bestimmt."

Offensichtlich hatte Kay das Geheimnis, das Johannes mit ihm geteilt hatte, den Pfadfindern verraten, sodass es gar kein Geheimnis mehr war. Johannes wusste überhaupt nicht, wie er darauf reagieren sollte, und es fiel ihm schwer, seinen Schrecken darüber zu verbergen.

Als er immer noch nicht antwortete, sagte der Junge, "Das stimmt also: Du findest es geil, gefesselt zu werden."

Johannes fühlte sich unfähig irgendetwas dazu zu sagen und brachte nach einigem Zögern heraus, "Stimmt gar nicht."

Er fand selbst, dass es nicht sehr überzeugend klang, und es war klar, dass der Junge nicht locker lassen würde. Sie waren schon fast am Festplatz angekommen und Johannes hoffte, dass er gleich dieser Situation entkommen konnte, indem er dann einfach ging; so, wie er einfach durch Aufwachen einem schlechten Traum entfliehen konnte.

"Wir können ja wetten", schlug der Junge vor, der das Thema begonnen hatte, "Ich wette mein Fahrtenmesser, dass es stimmt"

"Wir können es ja ausprobieren", schlug ein anderer Pfadfinder vor, "Wir binden ihn an einen Baum und sehen nach. Wenn es wirklich nicht stimmt, dann bekommt er von dir ein Fahrtenmesser geschenkt; das ist doch fair."

Alles, nur das nicht, dachte Johannes und spürte, wie er regelrecht erstarrte. Am liebsten wäre er einfach davongelaufen, aber er war unfähig sich zu rühren.

"Außer du gibst es zu, dass es dir gefällt, gefesselt zu werden; dann müssen wir es natürlich nicht ausprobieren", sagte der Junge zu Johannes.

Das kam auch überhaupt nicht in Frage. Johannes dachte angestrengt darüber nach, wie er dieser Situation entkommen könnte, aber er hatte keine Chance. Mit Beunruhigung bemerkte er, wie ihn eine Mischung aus erregenden und panischen Gefühlen zunehmend in Beschlag nahm und regelrecht lähmte.

Die Pfadfinder standen um Johannes herum und der, der die Idee hatte, ihn an einen Baum zu binden, fragte, "Also was ist; gibst du es jetzt zu?"

Johannes fühlte sich inzwischen unfähig, etwas zu sagen und stellte sich wortlos mit dem Rücken an einen Baum.

"Hat jemand ein Seil dabei?", fragte der Pfadfinder und der, der sein Fahrtenmesser verwettet hatte, gab ihm sein Halstuch.

Johannes nahm seine Hände auf den Rücken, hinter den Baumstamm, und biss die Zähne zusammen, um sich ganz darauf zu konzentrieren, den Druck, den er zunehmend in seiner Hose verspürte, zu unterdrücken.

Es gelang ihm aber nicht; er spürte deutlich, wie sich seine Hose in dem Moment ausbeulte, als ihm die Hände zusammengebunden wurden.

"Es stimmt doch, er hat einen Steifen", rief der Junge dann und die übrigen Pfadfinder standen um Johannes herum und schauten auf seine Hose. Nicht ohne ihre Bemerkungen dazu zu machen, die noch wesentlich gemeiner waren als die von Kay.

Johannes riss an seinen Fesseln, was allerdings seine Erregung noch steigerte, wie auch den Spaß, den die Pfadfinder bei diesem Spiel hatten. In höchster Verzweiflung fing er an zu schreien, woraufhin sich Jonas einmischte und sagte, "Hört jetzt auf mit dem Unsinn und bindet ihn wieder los"

Er war der einzige aus der Gruppe, der sich nicht an den Demütigungen beteiligte und der diese Situation nicht witzig fand. Johannes mochte ihn irgendwie, nicht zuletzt, weil er auch einen Jo-Namen hatte; ein solcher Name schien etwas Verbindendes auszudrücken.

Nachdem er losgebunden wurde, rannte Johannes zum Festplatz, wo er gleich seinen Vater traf, der ihn fragte, "Was war denn da los? Warum hast du so geschrieen?"

"Die sind alle so widerlich; deswegen will ich auch nicht zu den Pfadfindern. Die sind alle nur blöd."

Johannes konnte sich kaum wieder beruhigen. Die anderen Pfadfinder der Gruppe waren inzwischen auch angekommen und als Johannes' Vater sie fragte, was geschehen war, sagte der Junge, der das mit der Wette vorgeschlagen hatte, "Wir haben doch nur ausprobiert, ob er es wirklich mag, gefesselt zu werden"

"Ja, wir haben nichts Schlimmes gemacht", sagte ein anderer Pfadfinder, "Es gefällt ihm ja wirklich, festgebunden zu sein. Dann kriegt er einen Steifen"

Johannes' Vater schaute ihn irritiert an und Johannes fiel nichts anderes ein, als einfach loszurennen und nach Hause zu gehen.

Dort ging er gleich in sein Zimmer; er wusste nicht, wie er das alles seinem Vater hätte erklären sollen. Was geschehen war, war so ziemlich das Schlimmste, was er sich ausdenken konnte; alle kannten jetzt sein Geheimnis, sogar sein Vater.

Eigenartiger Weise verlor dieser kein Wort mehr zu dieser Begebenheit. Überhaupt verhielt er sich so, als wäre nichts geschehen, was Johannes nicht unrecht war; er hätte ohnehin nicht gewusst, was er dazu sagen sollte. Auch in der Schule tauchte dieses Thema nicht wieder auf, obwohl es Johannes eigentlich befürchtet hatte, weil einige der Pfadfinder in die gleiche Schule gingen wie er, einer sogar in seine Klasse. Von denen war aber keiner bei dieser Begebenheit auf dem Fest dabei.

Dass Kay den Pfadfindern Johannes' besondere Vorliebe verraten hatte, war unverzeihlich. Johannes musste immer wieder darüber nachdenken, wieso er das getan hatte, wieso er ihn derartig verraten hatte. Wenn er an Kay dachte, kamen ihm oft die Erinnerungen an Kays Fesselungsexperimente und an die Knoten und Schlingen, die Kay so gut beherrschte; und auch die erregenden Erinnerungen daran, wie es war, gefesselt zu sein, mit den Händen neben Kopf am Balken zu stehen, mit auf den Rücken gebundenen Händen durch den Wald geführt zu werden oder wie ein Paket zusammengeschnürt zu sein.

Kay war der erste und einzige Freund, den Johannes in seinem Leben hatte, und Johannes war sich sicher, dass es auch der letzte gewesen sein sollte. Er dachte bis dahin, dass es Jungs geben musste, die so waren wie er, nicht wie alle anderen Jungs, mit denen er nichts anfangen konnte; seit seiner Begegnung mit Len, war er sich sogar sicher, dass es solche besonderen Jungs wirklich gab.

Er glaubte ursprünglich, dass auch Kay so ein Junge war, weil er mit ihm das Geheimnis teilen konnte, das er letztendlich doch verraten hatte. Dass er sich da so getäuscht hatte und dass diese Täuschung solche Auswirkungen hatte, verunsicherte ihn zutiefst. Es schien doch eher so zu sein, dass er eben alleine war und besser auf Freundschaften verzichten sollte.

Etwa zwei Wochen nach diesem unsäglichen Ereignis bei dem Pfadfinderfest rief Kay noch einmal an und tat dabei so, als wenn nichts gewesen wäre. Johannes sagte ihm, dass er ihn nie wieder sehen wollte. Als Kay nach dem Grund fragte, erzählte Johannes von dem Vorkommnis mit den Pfadfindern.

Es stellte sich heraus, dass Kay schon auf dem ersten Zeltlager anderen Pfadfindern erzählt hatte, dass Johannes es mochte, gefesselt zu werden.

"Du hast gesagt, du erzählst es niemandem weiter, und ich habe dir vertraut. Dabei hast du gelogen, von Anfang an."

Johannes war maßlos enttäuscht und wiederholte mehrmals seinen Vorwurf, dass Kay ihn belogen hatte. Als Kay versuchte, ihn zu beschwichtigen und den Verrat herunterzuspielen, legte Johannes einfach den Hörer auf. Das mit der Freundschaft war endgültig vorbei; er mochte keine Freunde mehr, auch keine, die ihn fesselten, er mochte nur in Ruhe gelassen werden.

Er dachte oft darüber nach, warum andere Jungs sich auf seine Kosten lustig machten, nur weil er nicht "normal" war. Dass auch Kay so war wie die anderen, war nicht leicht zu verkraften. Besonders beunruhigend fand er den Gedanken, dass vielleicht Len auch so war wie die anderen, dass er sich auch in ihm getäuscht haben könnte.

Die Zeit des Fesselns war nach dieser Erfahrung endgültig vorbei. Johannes fesselte sich nicht mehr selbst und ließ sich erst recht auch nicht mehr von anderen Jungs fesseln. Er lernte stattdessen zu onanieren, wie es die normalen Jungs auch taten. Dabei dachte er immer an sich, meistens wie er von Kay gefesselt wurde. Wenn er die Bilder in seinem Kopf betrachtete, die Bilder von sich, dann war es fast so, als wenn Kay ihn wirklich gerade fesseln würde. Er spürte die Seile, die seine Handgelenke hielten, den Druck in der Hose und auch die angenehmen und zugleich erregenden Gefühle, die sich in ihm ausbreiteten.

Irgendwann fiel ihm auf, dass er die Situationen so sah, wie sie Kay gesehen haben musste: Er sah in diesen Bildern immer nur sich, nie Kay. Die Bilder hatten immer auch etwas Irritierendes an sich, ganz besonders auch das, in dem seine Mutter zu ihm sagte, "Zur Strafe binde ich dir die Hände auf den Rücken", ihm die Hände hinter seinem Rücken zusammenband und ihn gefesselt in sein Zimmer einsperrte. Auch in diesem Bild sah er nur sich selbst, während er seine Mutter lediglich an ihrer Stimme erkannte.

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