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Nach Hause

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Er ist wieder da! Mein Herz hüpft vor Freude, als ich das Aufleuchten seines Chatfensters sehe. Sofort begrüße ich ihn und frage wie es ihm geht. Kurz zu mir: Ich bin Toni, 18 Jahre, wohne in München und bin schwul. Mein Coming Out hatte ich an meinem 18. Geburtstag. Meinen Eltern hat es zwar die Sprache verschlagen, doch ist es für sie kein Problem.

In der Schule ist es auch bekannt, doch hatte ich das Glück, nicht gemobbt zu werden. Meine Klassenkollegen nahmen es locker auf und zwei Freunde halfen mir auch mal, als ich auf der Straße blöd angemacht und beschimpft wurde. Alles in allem war ich recht glücklich, als ich ihn kennen lernte und bin es immer noch. Stephan... zwei Jahre älter als ich und in Berlin sesshaft.

Ich schaue auf den Monitor, doch hab ich noch keine Antwort bekommen.

Wir haben uns über das Internet kennen gelernt und wir verstanden uns auf Anhieb. Er weiß, dass ich schwul bin, doch ist es kein Problem für ihn. Wir kennen uns schon seit einem halben Jahr, gesehen haben wir uns auch schon einmal und ich plane ihn erneut zu besuchen. Stephan weiß davon noch nichts, ich will ihn überraschen.

Ich schau erneut auf den Monitor, doch schreibt er mir noch immer nicht.

„Hey Stephan, alles ok bei dir?“ Es dauerte zwei, drei Minuten bis ich endlich eine Antwort bekomme. „Klar alles gut.“ Ich weiß nicht recht... seit gut einer Woche benimmt Stephan sich so komisch. Er schreibt fast nichts mehr mit mir und wenn doch, sind seine Antworten kurz und knapp. Ich schüttle den Kopf und denk mir, dass er vielleicht einfach grad viel Stress hat. So lasse ich ihn in Ruhe und gehe nach einer Weile offline und leg mich ins Bett.

Mein Blick fällt auf das Zugticket und ich fang an zu lächeln. Morgen werde ich zu ihm fahren und er wird sich sicher freuen mich zu sehen. Mit einem glücklichen Lächeln und mit Gedanken an Stephan fasse ich einen Entschluss. Bei unserem Treffen werde ich ihm sagen, dass ich mich in ihn verliebt habe.

Ein Jugendlicher steht vor mir. Mit kurzen, schwarzen Haaren und olivgrünen Augen lächelt er mich an. Eindeutig, Stephan steht vor mir und lächelt erheitert. Er deutet mit einer Hand zu einem Dach auf Säulen und meint grinsend. „Das Brandenburger Tor.“ „Das ist ja größer als auf den Bildern“, staune ich und Stephan bricht in schallendes Gelächter aus. „Du bist so leicht zu begeistern Toni.“

Ich verschränke die Arme vor meiner Brust und drehe ihm den Rücken zu. Gespielt schmollend mein ich nur. „Pöh.“ Erneut lacht Stephan und es dauert eine Weile, bis er sich beruhigt hat. Doch dann umarmt er mich und grinst breit. "Nana, nicht schmollen." Doch ich drehe einfach den Kopf weg. Kurz höre ich Stephan seufzen, als er mich schon kitzelt. „Heee, das ist unfair!“ Doch Stephan macht einfach weiter. Ich winde mich und kicher und gebe mich schließlich geschlagen.

Und, immer noch schmollen?“ Stephan grinst mich frech an und ich schaue in seine olivgrünen Augen.

Ich verliere mich in diesem Anblick und beginne zu lächeln. „Nein... du hast gewonnen.“ „Nana, nicht so schnell aufgeben. Komm, da drüben ist ein Café. Ich lade dich ein, mein lieber Freund.“ Kurz lachen wir beide und umarmen uns kurz, ehe wir zum Café gehen.

Lächelnd denke ich an Stephans und mein erstes gemeinsames Treffen zurück. Es war das schönste Wochenende in meinem Leben. Allein diese Augen haben damals ausgereicht, um mich zu verzaubern. Der Zug wackelt und wird langsamer und erstaunt stelle ich fest, dass ich schon da bin. Rasch springe ich auf und gehe aus dem Bahnhof hinaus. Die Sonne ist schon gut zu zwei Dritteln am Horizont versunken und der Himmel leuchtet rosa auf. Ich steige in ein Taxi und gebe Stephans Adresse an.

Die Fahrt dauert ein paar Minuten und führt eher an den Rand der Stadt. Vor einem eher großen Haus bleibt der Fahrer stehen. Dankbar bezahle ich und gehe mit Herzklopfen auf die Tür zu. Stephan wohnt seit gut einem Jahr allein. Seinen Großeltern hat das Haus gehört und sie haben es ihm geschenkt, nachdem sie in ein Altersheim gegangen sind. Langsam werde ich doch etwas nervös, doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich atme tief durch und klopf an.

Es dauert eine Weile, doch schon öffnet sich die Tür. Ich setze ein Grinsen auf und schaue in zwei erstaunte, olivgrüne Augen. „Toni? Was zum Henker machst du denn hier?“ „Dich besuchen. Du warst die letzten paar Tage etwas schräg drauf, da wollte ich dich überraschen.“ In dem Moment tritt eine Frau neben Stephan. Sie ist etwas kleiner als er und hat schulterlange, strohblonde Haare und mustert mich kritisch aus blauen Augen. „Wer ist das?“ „Lisa, das ist Toni, ein guter Freund. Toni, das ist Lisa, meine Freundin.“

Die Luft scheint plötzlich gefährlich abgekühlt zu haben und auch mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Mit weit aufgerissenen Augen starr ich die Frau an und stottere nur. „D-deine Freundin...?“ „Ist das etwa ein Problem?“ Lisa verengt ihre Augen zu schlitzen und mustert mich kühl. Schnell schüttle ich den Kopf und dreh mich um. „Tut mir Leid. Ich wollte euch nicht belästigen. Hätte ich das gewusst wäre ich nicht gekommen...“

Stephan legt eine Hand auf meine Schulter und hält mich auf. „Jetzt lauf doch nicht gleich weg. Du bist hier und ändern kann man das eh nicht mehr. Bleib für eine Nacht und fahr morgen wieder nach Hause.“ Doch ich schüttle nur den Kopf. Der Gedanke, dass er eine Freundin hat und nun endgültig unerreichbar ist, lässt mein Herz vor Schmerz aufschreien. „Was ist denn los?“ Er starrt mich direkt an und erneut versinke ich in seinen olivgrünen Augen. Es versetzt mir einen Stich ins Herz, als ich wegschaue und leise murmle. „Ich liebe dich.“

Stille... ich traue mich nicht aufzuschauen, aus Angst in seine Augen zu sehen. Langsam entfernt sich seine Hand von meiner Schulter und er geht zurück zu seiner Freundin. Langsam hebe ich meinen Blick und sehe Lisas blaue Augen, die mich kühl anstarren. Als ich Stephan anschaue, spüre ich wieder diesen Stich im Herz und senke den Kopf, als ich seine Stimme höre. „Tut mir Leid Toni. Du weißt ich habe kein Problem damit, dass du schwul bist. Doch ich bin nun mal hetero und habe wie du siehst nun auch eine Freundin. Du musst damit klar kommen.“

Ich nicke nur und dreh mich um, der Schmerz in meinem Herzen nimmt zunehmend zu und meine Augen beginnen zu brennen. „Werdet glücklich... Wir sehen uns online Stephan...“ Bevor einer der beiden was sagen kann, verlasse ich schnellen Schrittes das Grundstück. Schließlich laufe ich.

Ich laufe einfach irgendwo hin, Hauptsache es ist weit weg. Ich sehe nicht wohin ich laufe, denn meine Augen tränen. Ich höre nichts mehr, denn meine Ohren sind taub. Und ich fühle nichts mehr, außer dem Schmerz in meinem Herz.

Ich weiß nicht wie lange ich schon so laufe, als ich auf einen leeren Spielplatz stoße und mich dort auf eine Bank setze. Ich schau zum Horizont und sehe die Spitze der Sonne gerade untergehen. Wolken ziehen über den Himmel und verdecken die wenigen Sterne und die kleine Mondsichel. Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Händen und fange an zu heulen.

Meine Tränen rinnen ohne Ende und mein Schluchzen hört sich laut an. Die erste Person in die ich mich unsterblich verliebt habe. Wieso? Diese Frage stellt sich mir immer wieder. Wieso hat er mir nichts gesagt? Wieso tut Liebe so weh? Fragen über Fragen, doch der Schmerz verschlingt sie und lässt nichts als Leere übrig.

Ich weiß nicht wie lange ich hier sitze, doch schließlich habe ich mich etwas beruhigt und schaue nach, wie viel Geld ich noch habe. Genug um mir ein Ticket für die Heimfahrt zu kaufen. Langsam erhebe ich mich und gehe zum Bahnhof zurück. Still und starr vor mich herschauend nehme ich nichts mehr wahr. Wie eine Maschine bewege ich mich und gehe auf das Licht des Bahnhofes zu.

Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Doch vertreibt es nicht das Alleinsein und die Kälte. Leute schauen mich schräg an, doch ich ignoriere sie und kaufe mir ein Zugticket für die Nacht. Der Zug steht auch schon abfahrbereit. Nach einer gefühlten Ewigkeit beginnt der Zug schließlich zu rollen. Ich schaue durch das Fenster in den Himmel und spüre eine Träne über mein Gesicht rinnen.

Ich fahre nach Hause.

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