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Frank
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Informationen
- Story: Frank
- Autor: Icho Tolot
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 3
- Kapitel 4
- Kapitel 5
- Kapitel 6
- Kapitel 7
- Kapitel 8
- Kapitel 9
- Kapitel 10
- Kapitel 11
- Kapitel 12
- Kapitel 13
- Kapitel 14
- Kapitel 15
- Kapitel 16
- Kapitel 17
- Kapitel 18
- Kapitel 19
- Kapitel 20
- Kapitel 21
- Kapitel 22
- Kapitel 23
- Kapitel 24
- Nachwort
Vorwort
Diese Story und alle Personen sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Menschen wäre rein zufällig – oder nein, nicht ganz zufällig. Ich habe schon einige beabsichtigte Ähnlichkeiten drin. Sollte ich irgendwelche Copyrights verletzten so packt den Abmahnungsblock gleich wieder ein und nehmt es als kostenlose Werbung. Wer wissen will, welche Teile der Story komplett meinem »kranken« Gehirn entsprungen und welche einen wahren Kern haben muss mir eine Mail schreiben. Ich freue mich über jede!!!!
Jetzt viel Spaß beim Lesen wünscht euch
Icho Tolot (Icho.Tolot@gmx.net
Kapitel 1
Hi, mein Name ist Frank. Irgendwie finde ich keinen Anfang – eigentlich weiß ich schon wieder nicht mehr, was ich schreiben wollte. Dann schaue ich kurz aufs Bett, sehe meinen Engel, und weiß wieder, warum ich mich vor die Kiste gesetzt habe und meine Textverarbeitung quäle. Also, als alles anfing war ich gerade 18. Endlich einen Führerschein, endlich raus aus meinem Kaff. Ich komme von einem Bauerndorf mit 4 Höfen und einem Misthaufen. Sorry aber es ist wirklich fast so schlimm. Mit 16 war mir im Prinzip klar, wieso ich die Jungs in meiner Klasse so süß finde. Das so etwas anormal ist betet mein Dad bei jeder Talkshow mit Schwulen wieder runter. Wie sollte er auch was anderes denken bei den Themen zu denen Schwule eingeladen werden? Aber ich schweife ab ... Mit 18 konnte ich endlich mal in die nächste größere Stadt fahren. Mit Kumpels war ich schon einige Male mit dem Rad in unserer Kreisstadt (woher das Stadt dabei kommt habe ich bis heute nicht verstanden) im Internet-Café. Während es für die als Suchbegriffe nur Claudia Schiffer, Pamela Anderson und Hustler gab, suchte ich eher nach Gay (*röchel* Gibt es da viele Seiten mit Mist), Schwul und Jugendgruppen. Dass es solche gibt habe ich bei einer der Talkshows aufgeschnappt (doch was gutes an denen). Ich habe auch tatsächlich eine Jugendgruppe gefunden: 80 km entfernt = unmöglich. Das hat meiner Stimmung natürlich nicht gut getan. Aber jetzt endlich 18 – endlich Führerschein (erwähnte ich das schon?) war das ja kein Problem mehr. Die Adresse und dass jeden Samstag um 19:00 Uhr der Gruppenabend losgeht, habe ich mir aufgeschrieben. Also habe ich mich in meine besten Klamotten geschmissen und bin nachmittags losgefahren. Als Fahranfänger vom Lande habe ich mich wohl schön doof im Großstadtverkehr verhalten, zumindest deutete einiges Gehupe darauf hin. Ich habe mich dann wieder ein bisserl nach außerhalb verkrümelt und habe dort mein Auto abgestellt und bin mit der U-/S-Bahn weiter. So gegen 18:00 Uhr war ich dann in der Straße vom Jugendtreff. Schmale Gasse mit diversen Läden mit Regenbogen in irgendeiner Form davor, an der Tür oder sonst wo. Mal ein SM-Shop, mal ein Klamottenladen, bei dessen Auslage ich an Barbie-World erinnert wurde, usw. Je weiter ich vordrang, desto unsicherer wurde ich. Das soll ich sein? Zu so was soll ich gehören? Nein ich kann nicht schwul sein! Mein mühsam gesammeltes Selbstvertrauen verflüchtigte sich immer mehr. Eigentlich bin ich die Straße dann nur noch weiter gegangen, da das nächste U-Bahn-Schild schon am anderen Ende zu erkennen war.
Ich bin nicht schwul! Ich bin nicht schwul! So glaubwürdig hatte ich mir das schon jahrelang nimmer einreden können. Puh! Die U-Bahn-Station heile erreicht ohne angefallen worden zu sein! Es hat seine Vorteile, wenn man nicht toll ausschaut. Stimmt es also doch, was in den Talkshows über Schwule gesagt wird. Wann geht die nächste U-Bahn zu meinem Auto? 3 Minuten OK. In meinem Kopf rauchte es ganz gewaltig. Ich wusste nimmer vor noch zurück. OK nicht schwul! Aber was dann? Die 3 Minuten waren dann auch bald vorbei. »Bitte zurücktreten, die U-Bahn fährt ein!« (Ist euch schon mal aufgefallen, dass alle Leute genau das Gegenteil machen?) Die Aussteiger drängeln sich raus, mir fallen sofort zwei Jungs in meinem Alter auf, die nur höchst widerstrebend kurz ihre Hände trennen, um aus der Bahn zu kommen. ‚Die schauen doch eigentlich ganz normal aus!', dachte ich mir. Dem einen der Beiden muss mein verdatterter Blick wohl aufgefallen sein. Er grinst mich total frech an. So als wüsste er, was mit mir los ist! Ich schaute nur auf die Hände von den beiden und alles in mir schrie ‚SCHWUL!!!'
Die Leute drängelten sich in die U-Bahn. Ich stolperte über den Eingang, als mich jemand von hinten anrempelte. Ich will doch gar nicht in die Bahn, ich will zu dem Jugendtreff! Zu spät der Zug rollt schon an. Mist! Endgültig verwirrt und fertig mit der Welt steige ich an der nächsten Station gleich wieder aus. ‚Mir ist alles egal! Ich gehe jetzt zu dem Jugendtreff! Es scheint doch »normale« Schwule zu geben.' Mittlerweile ist es 18:40 Uhr. Am gegenüberliegenden Bahnsteig stelle ich fest, dass es noch 10 Min. dauert, bis die nächste U-Bahn in die andere Richtung geht. Ich gehe nochmals im Kopf durch, ob es möglich ist, pünktlich beim Jugendtreff zu sein. Den Eingang hatte ich mir ja zum Glück gemerkt. Es müsste zu schaffen sein, wenn ich von der Station aus laufe.
18:50 Uhr: »Bitte zurücktreten, die U-Bahn fährt ein!« Diesmal war ich auch einer derjenigen, die vordrängelten. 5 Minuten später war ich wieder an der richtigen Station, nichts wie raus und die Beine in die Hand nehmen. »Mist!« Das konnte ich mir nicht verkneifen, wieso muss diese verdammte Fußgängerampel auch jetzt auf Rot springen.
19:00 Uhr: Ich schaffe es nicht mehr. Ich zerbiss mir so ziemlich alle Flüche, die mir einfielen, zwischen den Lippen, während ich weiter rannte. Jetzt ist es eh schon egal.
19:03 Uhr. Geschafft! Ich breche durch die Tür wie ein wilder Stier. Ihr kennt sicherlich die Situation. Alle Köpfe nach rechts! Jeder starrt mich an! Verschwitzt und außer Atem. Der Gruppenleiter, meiner Schätzung nach so ca. 23 oder 24, hatte anscheinend gerade losgelegt. Totpeinliche Situation, ich wäre am liebsten gleich wieder durch den Boden verschwunden!
»Hallo!«, brachte ich zwischen ein paar hastigen Atemzügen raus.
»Hi! Ich bin der Michael«, erwiderte der Gruppenleiter eigentlich ganz nett. »Haben wir heute doch noch einen Neuzugang hier!« Das klang eigentlich ganz OK, aber für mich klang es so als würde sich ein Metzger freuen, dass es heute doch noch was zum schlachten gibt. »Setz dich erstmal irgendwo hin und schau, dass du wieder zu Luft kommst. Ich gebe noch schnell das Programm für heute bekannt, danach kannst du dich kurz vorstellen.«
Hatte ich richtig gehört. Vorstellen? Gleich kamen bei mir unangenehme Assoziationen an meine Firmgruppe auf. Da musste sich auch jeder vorne hinstellen und ein paar Worte über sich sagen. Meine Wenigkeit hatte sich dabei natürlich total verhaspelt. Mit einem immer größer werdenden Klumpen in meinem Magen schlich ich mich zu einem der Stühle in der letzten Reihe. Was sollte ich sagen? Was ist zu viel? Was zu wenig?
Nur mit halbem Ohr bekam ich mit, worum es beim heutigen Abend gehen sollte: »Eingetragene Lebenspartnerschaft ja oder nein! Findet mir bitte Argumente dafür und dagegen!« Michaels ironischer Unterton bei dagegen gefiel mir. »So bevor wir loslegen zu unserem Neuzugang. Hast du wieder genug Luft zum Reden? OK, dann komm bitte mal vor!« Wieso stellen die Leute Fragen, ohne einem eine Möglichkeit zu geben darauf zu antworten. Ich hasse rhetorische Fragen! Obwohl ich anderseits sicherlich bis zum Ende des Treffens auf meinem Stuhl in der letzten Reihe gehockt wäre, hätte ich eine Möglichkeit gehabt auf die Frage zu antworten.
So machte ich mich auf den Weg nach vorne zu Michael. Warum werden Gänge immer länger? Ich fühlte mich wie der Delinquent auf dem Weg zum Scharfrichter. Plötzlich spürte ich, dass mir jemand am Ärmel zerrt. Irgendwoher kenne ich das Grinsen. Ach ja der aus der U-Bahn, direkt daneben sein Freund!
»Kopf hoch! Bis jetzt hat es noch jeder überlebt!«
Na OK. Augen zu und durch. Vorne angekommen drehe ich mich um und schaue mir die Leute, die da so vor mir saßen, erstmal an. Sehen eigentlich alle ganz normal aus, einer wirkt ein bisserl weibisch, aber ansonsten könnten die allen ein normales Leben führen. Nix von SM-Tucken und Ähnlichem, was mir noch vor einer dreiviertel Stunde durch den Kopf schwirrte.
»Stell dich einfach kurz vor. So mit Vornamen, Alter, Hobbys und wie du auf uns aufmerksam geworden bist!« Mit diesen Worten überlies Michael mir das Feld und trat beiseite.
»Hallo, mein Name ist Frank.« Mist, klingt der Satz doof. Gesagt ist gesagt und hilf nix mehr. Weiter! Jetzt hast du immerhin schon mal den Mund offen. »An Hobbys habe ich meinen PC, der leider noch Offline ist, viele Bücher, vor allem Science-Fiction, und mein Zwergkaninchen Bunny. Das ist mittlerweile 10 Jahre alt, als ich es bekomme habe war ich acht, daher verzeiht mir die Namensgebung!« Uff. Sehe ich da ein paar lächelnde Gesichter? Ja tatsächlich, es geht! Weiter. »Wie ich auf euch aufmerksam geworden bin?« (Rhetorische Fragen, ich weiß!) »Ich habe im Internet nach einer schwulen Jugendgruppe gesucht, das Nächste war die hier!«
»Ich habe es euch doch gesagt!«, dieser triumphierende Ausruf von Michael brachte dann doch einige zum Lachen. Später erfuhr ich dann, dass Michael anfangs komplett allein mit dem Ruf nach einer Homepage für die Gruppe dastand.
»So, dann starten wir mal mit dem normalen Programm. Setz dich einfach zu einer Gruppe dazu, Frank!«
Damit war ich mir selbst überlassen und konnte mir aussuchen, zu welchen neuen Gesichtern ich mich setzen will. Die Qual der Wahl hat mir dann freundlicherweise der Smiler aus der U-Bahn abgenommen und mich zu seiner Gruppe geholt.
»Hi, ich bin der Daniel! Das hier ist mein Freund, Dieter!« Jetzt kämpfte ich dann doch mit dem Lachen. Immer diese doofen Klischees.
»Lach nur, Daniel liebt es, mich mit meinem 2. Vornamen aufzuziehen. Meine Mom hat mir Hoch-und-Heilig versprochen, dass sie mich niemals so getauft hätte, wenn sie da schon gewusst hätte, dass ich schwul bin. Zum Glück heiße ich mit 1. Vornamen Sascha!« Am Grinsen der andern Leute konnte ich erkennen, dass er öfter unter seinem 2. Vornamen leiden muss. Einige Namen und Händedrücke später war die Vorstellungsrunde beendet.
Dann ging es an die Arbeit. Die Diskussion war echt interessant und teilweise auch richtig witzig. Die Zeit verging wie im Flug. Es war schneller 22:00 Uhr als ich mitbekommen habe. Nach 22:00 Uhr beginnt der inoffizielle Teil. Der Großteil verschwindet in eine schwule Disko in der Nähe. Da ich erstens für den Tag genug neue Erfahrungen gemacht und zweitens sowieso nicht der Diskofan bin, blieb ich noch im »Treffpunkt«. Einen anderen Namen hatten Sie nicht gefunden, erklärte mir Michael.
»Bis auf den Namen Dieter's, der wurde nur mit einer Gegenstimme für gut befunden, aber dann doch nicht genommen!«
Der leidende Blick von Sascha machte mir klar, wer die Gegenstimme abgegeben hatte.
»Du hast also ein Zwergkaninchen! Ich beneide dich drum! Ich wollte auch immer ein Haustier, aber in einer Stadtwohnung geht sowas ja leider nicht. Jetzt habe ich ja Sascha!«
Wenn Blicke weh tun könnten, müsste Daniel jetzt sehr laut schreien. Aber prompt entschuldigt er sich bei Sascha mit einem Kuss, um den ich Sascha dann doch recht beneide.
»Du wohnst ja wohl ganz schön außerhalb!« Während der Diskussion waren wir auch auf die Situation von Schwulen am Lande gekommen, da konnte ich ganz gut mitreden.
»80 km sind wohl ganz schön außerhalb. Kaff ist noch übertrieben. Am Rande der Zivilisation trifft da eher zu!«
»Du fährst heute noch 80 km nach Hause? Du spinnst ja! Weißt du was? Wenn du das nächste Mal kommst, nimmst du einfach einen Schlafsack mit und übernachtest bei mir. Mein Mom konnte ich ja auch verklickern, dass Sascha, ohne Schlafsack, öfter bei mir übernachtet, da bekomm' ich dich doch auf jeden Fall mit Schlafsack unter.«
Der besorgte Blick von Sascha sprach Bände und brachte mich doch ein bisserl zum Grinsen. Ich konnte ihn dann auch schnell damit trösten, dass ich momentan aus finanziellen Gründen eh nicht so oft kommen kann. Nach noch einem bisserl Gequatsche über dies und das habe ich mich dann verabschiedet, da ich ja noch nach Hause fahren musste.
»Puh!« Mit einem Stoßseufzer lande ich auf meinem Bett. Das ist schon extrem nach einem aufregenden Abend noch so weit nach Hause fahren zu müssen. Das nächste Mal versuche ich wirklich, irgendwo mit meinem Schlafsack unterzukommen.
In Gedanken lasse ich den Abend noch mal Revue passieren. Zwei Sachen trafen mich besonders hart. Zum einen der Kommentar von Sascha über seinen 2. Vornamen: ‚Seine Mom hätte ihn nicht so genannt, wenn sie da schon gewusst hätte, dass er schwul ist!' und die Einladung von Daniel, die auch durchscheinen ließ, dass seine Eltern wissen, dass Sascha nicht neben dem Bett schläft. Können Eltern auch davon wissen? Von Outing hatte ich ja mal gehört, dies allerdings ins Reich der Phantasie verbannt. Bei meiner Mom könnte ich mir ja noch vorstellen, dass sie es verkraftet, aber mein Dad? Nein, der würde mich hochkant rausschmeißen. Mit solchen und ähnlichen Gedanken schlief ich dann doch irgendwann ein.
Kapitel 2
Die nächsten Tage war ich damit beschäftigt, das Lügengerüst um meinen Großstadtaufenthalt auszubauen. Zum Glück hatte ich mir die Namen einiger Diskos gemerkt. Es fiel zwar allen auf, dass ich normalerweise nicht dazu zu bewegen bin in eine Disko zu gehen, aber immerhin wurde mir die Story abgekauft, da ich es einfach damit begründete, Mal was Neues sehen zu wollen.
Es sollte drei Monate dauern, bis ich wieder genügend Kohle und Mut zusammenhatte, mich zum nächsten Gruppenabend zu trauen. Die Kohle war, ehrlich gesagt, das geringere Problem. Ganz davon abgesehen, dass es aufgefallen wäre, wenn ich jedes Weekend in die City gefahren wäre. In der Zeit habe ich, wie es sich für einen braven Azubi gehört, schön für meine Abschlussprüfung als Bankkaufmann gebüffelt. Na ja wurde ja auch Zeit – es waren nur noch drei Monate bis zur Prüfung. Ich schweife schon wieder ab. Also ungefähr drei Monate nach dem letzten Treffen hielt ich es in meinem Kaff einfach mal wieder nicht mehr aus. Diesmal nahm ich tatsächlich meinen Schlafsack mit.
Als ich dort ankam, war Michael gleich da und fragte mich, warum ich so lange nicht da war. Der dachte anscheinend, dass ich irgendwelche Probleme hatte. Das meine Eltern vielleicht was mitbekommen hatten oder schlimmeres. Nachdem ich Michael beruhigt hatte, indem ich auf mein Budget und die Entfernung hingewiesen habe, schaute ich mich mal um. Einige fehlten, einige neue Gesichter waren auch zu sehen. Daniel und Sascha waren auch da und winkten mich gleich zu sich. Die Beiden waren das einzige Paar, das noch immer zusammensaß. Als ich nach der Begrüßung Daniel darauf ansprach, meinte er nur irgendwas von Partnerroulette und Hörner abstoßen. Sascha schüttelte auch nur den Kopf.
»Wir beide sind jetzt ein dreiviertel Jahr zusammen, in der Zeit hatten andere um die 40 Freunde.«
Mein Gesicht war wohl ein einziges Fragezeichen. Also erklärte Daniel noch:
»Jede Woche einen Neuen!«
Na das waren ja tolle Aussichten. Da erfüllten ja wieder einige das schwule Klischee mit Leben. Ich hoffte nur, dass ich einen anderen als ersten Freund bekomme.
Nach dem offiziellen Teil ging die Diskussion um Disko oder nicht Disko los. Diesmal wollten mich Daniel und Co. unbedingt mit in die Disko nehmen.
»Du hast hoffentlich deinen Schlafsack dabei Frank, sonst nehme ich dich auch ohne mit zu mir Nachhause!«
Sascha und ich sahen uns an und mir war plötzlich gar nimmer wohl in meiner Haut.
»Nee!«, lachte Daniel, der anscheinend erst jetzt unserem Gedankengang folgen konnte, »ich habe doch auch einen Schlafsack, in den ich dich stecken kann!«
Sascha war die Erleichterung noch deutlicher anzukennen als mir. Daniel lachte, ging zu Sascha, gab ihm einen Kuss und meinte: »Den gebe ich nimmer her! Da riskiere ich kein Abenteuer und nichts.« Wieder zu Sascha gewandt: »Ich liebe dich!«
Irgendwie tat mir dieser Satz weh. Nicht weil er von Daniel für Sascha war, sondern weil ich ihn auch gerne mal zu jemandem gesagt hätte, der mich dafür genauso zärtlich umarmt wie Sascha jetzt Daniel.
Nach dem die beiden fertig geknutscht hatten, - Waren es fünf Minuten? Mir kam es wie eine Ewigkeit vor - kam ich endlich dazu anzubringen, dass ich meinen Schlafsack im Auto habe. Das war mein Fehler! Jetzt führte für mich kein Weg mehr an der Disko vorbei. Da die nahegelegene Disko wegen Umbau geschlossen hatte, wurde abgesprochen, wer mit wem mitfährt. Sascha wollte insgesamt 8 Leute einladen. Ich schaute anscheinend mal wieder sehr geistreich aus meinem Pullover, da mir Daniel gleich zuflüsterte, dass sich Sascha den Van seiner Eltern ausgeliehen hatte, da der Umbau ja schon bekannt war. OK, das Argument sticht.
Nach kurzer Fahrt stehen wir dann gemeinsam vor dem schwulen Tanztempel. Sieht von außen eigentlich genauso aus wie die »normalen« Diskos, wenn man mal von dem riesigen Regenbogen in dem Schriftzug »Rainbow« absieht. Nachdem Michael kurz an der Kasse was sagte, kamen wir alle um eine Mark billiger rein als auf der Karte stand. Coole Sache! Da hat Michael anscheinend einen Sondertarif für die Gruppe ausgehandelt.
Also die Disko an sich ist für mich genauso schlimm wie jede andere auch. Laut, Gedränge und ein Duftgemisch, dass einem die Sinne schwinden. Da ich als Einziger der Truppe nicht auf die Tanzfläche zu bewegen war, hatte ich bald alle möglichen Taschen, Rucksäcke und Jacken zu überwachen. Vor allem konnte ich mir mit Ruhe das Treiben anschauen. Manche glauben, dass ich mich da extrem langweile wenn ich da so allein sitze, aber dem ist nicht so.
Irgendwann gegen drei Uhr in der früh ging es dann Richtung Schlafplatz ... äh ... Parkplatz. Sascha fuhr mit Daniel und mir zu sich nach Hause. Uff, das ist ja ein Riesenhaus, also am Betteltuch nagen seine Eltern auf jeden Fall mal nicht. Nachdem Daniel und Sascha sich verabschiedet hatten, gingen wir zu seinem Auto weiter. Ein alter, klappriger Peugeot 306, der schon eher nach meiner Preisklasse aussah. Daniel sperrte die Tür auf und ließ mich einsteigen.
»Das ist das Auto von meiner Mom, ich gehe noch ein Jahr zur Schule und dann kann ich mir auch ein eigenes leisten!«
Kurz darauf fahren wir, nach einem kurzen Abstecher zu meinem Auto, zwecks Schlafsack, in eine Hochhaustiefgarage.
»Der Lift ist so laut, dass er alle Nachbarn aufwecken würde! Ich hoffe du schaffst es bis in den 5. Stock zu Fuß!«
»So spart man sich wenigstens einen Stepp-Trainer!«
Endlich 5. Stock. Daniel bleibt vor der Tür mit dem Schild »Altmann« stehen und kramt seinen Schlüssel raus.
»Schuhe bitte ausziehen, mein Zimmer ist die 2. Tür rechts. Sei bitte möglichst leise, damit du meine kleine Schwester nicht aufweckst.«
Als wir in seinem Reich angekommen waren, schaute ich mich erstmal um. Ein ganz normales Jungenzimmer! Nur das Leonardo-DiCaprio-Poster am Schrank zerstörte diesen Eindruck ein wenig. Ordnung war in dem Zimmer genauso ein Fremdwort wie bei mir zuhause.
»Setz dich!«, befahl mir Daniel, nachdem er einen zweiten Stuhl von Klamotten, Heften und einigem Krimskrams befreit hatte.
»Ist deine Mom nicht zuhause?«
»Nein, die hat diese Woche Nachtschicht. Sie arbeitet beim Rosa-Riesen in der Auskunft! Mein Dad ist vor 4 Jahren mit einer Sekretärin abgehauen. Immerhin zahlt er seine Alimente.«
Das klang sehr traurig. Aber irgendwie schafft es Daniel gleich wieder lustig zu sein. Vielleicht ist es die Gewöhnung an den Gedanken, die ihn das schaffen lässt.
»Magst du eine Runde Tekken spielen bevor wir uns in die Heia begeben?«
Höre ich da Tekken? Im Geiste gehe ich schon mal wieder alle Kombinationen von King durch!
»Klar!«
»Vorsicht, ich bin verdammt gut! Nur Sascha schlägt mich hin und wieder, wenn er seine Ablenkungsmanöver bringt, die dir verboten sind!«
»Na OK! Schauen wir mal!«
Uff ist der gut. Jetzt verstehe ich auch, wieso man da Ablenkungsmanöver braucht. Solange ich King hatte, war es eindeutig, aber sobald Daniel Lei oder Gon hatte, war ich verloren. Wir haben dann mit Zufallskämpfern gespielt, da war es einigermaßen ausgeglichen. OK, OK! Er hat mich bis auf zwei Mal immer geschlagen, aber immerhin knapp. Vor allem hat er mir noch ein paar Kombinationen gezeigt.
So gegen vier oder doch eher halb fünf lagen wir dann doch mal lang. Er im Bett, ich im Schlafsack vor dem Bett.
»Wieso hast du eigentlich das Auto von deiner Mom, wenn sie doch arbeiten muss?«
»Sie hat es mir heute extra überlassen, damit ich gut nach Hause komme. Sie fährt ausnahmsweise mit dem Bus zur Arbeit.« Wenn seine Mom den dankbaren Unterton in seiner Stimme gehört hätte, wäre sie geschmolzen!
»Es hatte mal Stress gegeben, als ich nachts vom Treffpunkt nach Hause gehen wollte. Ein paar Typen meinten, sie wären besonders stark, wenn sie einen einzelnen Jungen zusammenschlagen. Zum Glück kam da die Polizei gerade vorbei. Bis auf zwei blaue Flecken habe ich nix abbekommen. Aber ich musste den Polizisten auf der Wache dann irgendwie beibringen, dass ich aus dem ‚Treffpunkt' komme. Der rief dann meine Mom an, damit Sie mich holt.
‚Guten Abend Frau Altmann, Ihr Sohn wurde auf dem Heimweg vom Schwulentreff überfallen. Könnten Sie ihn bitte hier abholen. Vielen Dank! Bis gleich!'
Ich hätte den Polizisten am liebsten erschlagen, erdrosselt und dann noch erstochen. Das war anscheinend auch in meinem Panikblick zu merken.
‚Scheiße! Sorry das wollte ich nicht. Du hastest dir dein Outing wohl anders vorgestellt!'
Immerhin kapierte er schnell, was los war. Ich hatte noch nie einen so verlegenen Polizisten gesehen. Das half mir aber auch nix. In meinem Kopf spielten sich tausende Weltuntergangsszenarien mit meiner Mutter als Racheengel ab. Fünfzehn Minuten und tausend Tode später kam meine Mom an. Mein ungeschickter Polizist war immerhin so nett, uns beide in die schalldichte Kabine zu bringen, damit nicht die ganze Wache sich das Donnerwetter von meiner Mom anhören muss.
‚Ist dir irgendwas Ernstes passiert?' Puh mir fiel ein Stein vom Herzen! Das fing ja nicht ganz schlimm an!
‚Nein soweit alles OK.'
‚Wieso hast du es mir nicht schon vorher gesagt? Ich hätte dich ja auch hingefahren! Ich habe es doch eh schon lange vermutet, dass du dir nix aus Mädchen machst!' und so weiter. ‚So jetzt fahren wir aber erstmal nach Hause und das nächste Mal fahre ich dich hin. Ich mag es nicht, wenn ich von der Polizei gerufen werde, um meinen Sohn abzuholen!' Das klang schon fast wieder lustig. Raus aus der Wache, rein ins Auto und ab ins Bett passierten wie in Trance für mich. Das war also mein Outing zuhause. Meine Mom hat mich auch tatsächlich am nächsten Samstag am Treffpunkt abgeliefert und nach der Disko wieder abgeholt, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken.»
»Da hast du ja verdammtes Glück mit deiner Mutter gehabt. Ich glaube nicht, dass es mit meinen Eltern so gut abgegangen wär.«
»Meinst du, ich habe das mal geglaubt? Nö! Aber meine Mom ist einfach spitze. Du wirst sie ja eh noch kennen lernen. Sie bringt von der Arbeit gleich das Frühstück mit. Ich habe ihr in der Disko schon eine SMS geschickt, dass sie gleich zwei Brötchen mehr mitbringt.«
Uff. Nichts mit heimlich, still und leise vom Acker machen. Na so wie Daniel seine Mom beschrieben hat, kann das ja nicht zu schlimm werden.
»So jetzt wird aber geschlafen! Gute Nacht Frank!«
»Gute Nacht Daniel.«
-klick- Dunkel war es im Zimmer, ich lag noch ne Weile wach, bin aber dann doch eingeschlafen.
Kapitel 3
Geweckt wurde ich etwas unsanft mit einem Tritt in die Magengegend. Gleich darauf hörte man einen heftigen Aufschlag auf dem Bettkasten und einen Aufschrei. Als ich dann doch die Augen aufbekam, sah ich in der Tür erstmal eine mit dem Lachen kämpfende Frau. Nach einer kleinen Drehung sah ich ein ca. 10 Jahre altes Mädchen quer über mich drüberliegen, welches wohl gerade unangenehme Bekanntschaft mit Daniel's Bettkasten gemacht hatte. Dieser war auch schon dabei, sie zu trösten.
»Guten Morgen Schwesterchen. Guten Morgen Mom. Die Stolperfalle ist Frank. Guten Morgen Frank, das ist meine Schwester Melanie und meine Mom.«
»Guten Morgen Frau Altmann. Guten Morgen Daniel. Guten Morgen Melanie, trittst du immer nach den Leuten, die dir im Weg liegen, stehen oder gehen?«
»Nein, nur dann wenn sie frech werden! Guten Morgen.«
Ach wie toll, so jung und schon die Klappe von Daniel. Die arme Mutter.
»Guten Morgen zusammen. Ich sage es nur einmal! Wenn die Herren ihre anscheinend etwas kurze Nachtruhe beenden könnten, das Frühstück ist angerichtet.«
Der Unterton in der Stimme machte mir recht schnell klar, woher die Kids die freche Klappe hatten.
Daniel hatte sich mittlerweile dazu aufgerafft aufzustehen, bis ich mich aus meinem Schlafsack gepellt hatte, dauerte doch etwas länger. Morgenstund hat Blei im A....! Ich tapste auf den Gang raus. Dem Geruch nach ist hinter dieser Tür die Küche. Richtig! Alle scheinen nur noch auf mich zu warten. Schnell hingesetzt! Mir gegenüber sitzt Melanie, daneben ihre Mom und neben mir Daniel.
»Da wo du jetzt sitzt, sitzt normalerweise Sascha. Du passt da eigentlich viel besser hin. Ihr schaut alle beide so aus, als wärt ihr aus der Gruft und nicht aus dem Bett gestiegen!«
»Sascha ist ein absoluter Frühaufsteher. Der ist schon fit, wenn ich mich das erste Mal bewege!«, warf Daniel eine ein bisserl überflüssige Erklärung ein. Aber bei meinem momentanen Zustand war sie anscheinend doch ganz vorteilhaft. Dadurch musste ich nicht gleich in der Früh denken anfangen.
»Obwohl du dir da genau den richtigen Freund geangelt hast, mein Sohn! Der macht dir wenigstens Frühstück, wenn ich es nimmer mache! Aber jetzt lasst die Brötchen nicht kalt werden. Sind noch ganz frisch. Guten Appetit!«
»Guten Appetit!«, schallt es ihr aus drei Kehlen entgegen. In den nächsten Minuten herrscht erstmal gefräßiges Schweigen.
»Aua! Melanie wieso trittst du mich, ich war doch gar nicht frech!«
Damit hatte ich mal einen Lachpunkt auf meinem Konto verbucht.
»Auf dem Stuhl sitzt normalerweise niemand, da kann ich die Füße hochlegen! Nenn mich Mel, das ist einfacher!«
»OK!«
Danach war es wieder ruhig in der Küche, wenn man mal von den üblichen Geschirrgeräuschen absieht. Schmatzen tut ja keiner von uns.
Nach dem Essen wurde gleich alles abgewaschen. Irgendwas flog auf mich zu. Gefangen! Mist ich hatte das Geschirrtuch in der Hand. OK. Also habe ich halt abgetrocknet. Solange ich nicht abwaschen muss, macht es mir nix aus. Abwaschen hasse ich wie die Pest! Danach saßen wir alle wieder bei Kaffee bzw. Kakao für Mel am Küchentisch.
»Du bist also der neue von JWD in Daniels Gruppe. Es hat eh ewig gedauert, bis du von seinem Angebot Gebrauch gemacht hast.«
»JWD?«
»Jans Weit Draußen!«, schallt es mir aus drei Kehlen entgegen.
»OK, OK! Ja der bin ich!«
»Bist du bis jetzt immer hin und her gefahren?«
»Nein, ich war gestern erst das zweite Mal dort.«
»Hat es dir beim ersten Mal nicht gefallen oder warum warst du so lange nicht?«
»Das hat mehrere Gründe: Zum einen würde es meinen Eltern auffallen, wenn ich plötzlich so oft in die City fahre. Zum Zweiten geht es ganz schön ins Geld mit den Benzinpreisen und außerdem muss ich langsam was für meine Abschlussprüfung tun.«
Mel hat Ihren Kakao fertig und rauscht mit den Worten »Ich bin bei Isabelle!« raus aus der Tür.
»Das ist ihre beste Freundin. Die wohnt zwei Stockwerke tiefer. Die beiden sind noch unzertrennlicher als Sascha und ich!«
»So jetzt zu deinen Antworten:«, nimmt seine Mutter den Faden wieder auf. »Wissen deine Eltern nichts davon, dass du schwul bist?«
»Nein! Gott bewahre, dann würde ich nicht nur so aussehen, als würde ich aus der Gruft kommen – dann wär' ich schon dort. Mein Dad würde mich killen.«
»Na ganz so schlimm würde es wohl nicht laufen. Gehe mal davon aus, dass es deine Mom schon ahnt. Mütter spüren sowas! Das Schlimmste, was dir mit 18 noch passieren kann ist, dass sie dich vor die Haustüre setzen. Wann hast du denn Abschlussprüfung und als was?«
»In drei Monaten habe ich die ersten Prüfungen für meinen Bankkaufmann.«
»Na, das ist doch kein allzu schlechter Beruf, damit findest du hier auch ohne Probleme einen Job. Vor allem könntest du hierher ziehen. Hier hast du es als Schwuler nicht ganz so schwer und dein Punkt mit dem Benzin würde auch wegfallen.«
»Da ist was wahres dran! Darüber, dass ich umziehen könnte, habe ich noch nie nachgedacht.«
»Siehst du, es ist doch zu was gut wenn man mal mit den ‚Alten' redet.«
»Stimmt schon, aber mit meinen bräuchte ich nicht reden. Für die bin ich schon fest eingeplant als der Heranbringer von günstigen Finanzierungen für meinen älteren Bruder, der den Hof übernimmt.«
»Auch nicht die feine englische Art!«
»Na ja, irgendwann gewöhnt man sich dran, dass andere die Planung übernehmen. Nur wissen die halt nicht alle Details über mich. Das ist der Nachteil. Meine Mom hat sicherlich schon fünf Mal versucht, mich mit der Tochter von unserem Nachbarn zu verkuppeln.«
»So, wir werden dann langsam mal losziehen!«, schaltete sich Daniel mal wieder in die Diskussion ein. »Pack deine Sachen mal zusammen, ich fahre dich noch zu deinem Auto. Mom, gibst du Frank bitte mal eine von deinen Karten wegen der Adresse. Das nächste Mal rufst du mich vorher an und stellst das Auto hier in die Gegend. Ich nehme dich dann mit zum ‚Treffpunkt'.«
»Bevor ihr abhaut, Daniel: In den nächsten Wochen könnt ihr mal wieder mit einem Neuzugang im ‚Dieter's' rechnen.«
»OK, danke für die Info Mom.«
»Vielen Dank für das Frühstück und ein schönes Wochenende Frau Altmann.«
»Keine Ursache. Wenn du es zuhause überhaupt nimmer aushältst, können wir dich notfalls ein paar Tage bei uns zwischenlagern.«
»Danke! Wiedersehen!«
Die Sachen waren schnell gepackt und ab ging es die 5 Stockwerke wieder runter. Während der Fahrt hatte ich noch ein paar Fragen an Daniel!
»Wieso spricht deine Mom auch vom ‚Dieter's'?«
Die Frage schien Daniel etwas unangenehm zu sein, drum schoss ich lieber gleich die nächste hinterher, damit er diese auslassen kann!
»Wieso kann deine Mom dir einen Neuzugang im Treffpunkt ankündigen?«
Die Frage schien ihm leicht zu fallen.
»Meine Mom arbeitet doch bei der Telekom-Auskunft. Sie macht dort aber net die normalen Arbeitsplätze, sondern ist die Kontaktperson für die Telefonseelsorge und die anderen Beratungshotlines. Sie bekommt also die Kunden, die bei der Auskunft nach Beratung fragen. Da hatte sie schon öfter junge Schwule, die mit der Welt nicht mehr klarkommen, in der Leitung. Seitdem ich beim ‚Treffpunkt' bin, schickt Sie die fast immer zu uns. Eigentlich dürfte sie mir davon gar nix sagen, so von Datenschutz und so. Mehr als die Info das da einer kommen kann, bekomme ich auch nicht aus ihr raus!« Das Klang doch ein wenig enttäuscht.
»Du bist übrigens so gut wie adoptiert! Wenn du schon beim ersten Besuch helfen ‚darfst', hast du einen super Eindruck auf meine Mom gemacht. Klingt zwar komisch, aber Gäste dürfen nix arbeiten, Freunde schon. Ganz davon abgesehen, dass sie in deiner Gegenwart die Ankündigung von dem Neuen gemacht hat.«
Daniel versank ins Grübeln.
»Das könnte aber auch was anderes Bedeuten. Vielleicht hat der Junge ähnliche Probleme wie du oder kommt aus deiner Gegend. Bitte versuche, unbedingt nächsten Samstag wieder da zu sein!«
»Ich will es gerne versuchen. Versprechen kann ich noch nichts. Ich rufe dich dann an!«
»Ach ja, zu deiner ersten Frage: Saschas Vater gehört das Gebäude indem der ‚Treffpunkt' drin ist, sowie noch einige andere Gebäude in der City. Auch unser Wohnblock. Daher nennt meine Mom den ‚Treffpunkt' fast nur noch ‚Dieter's', da Sascha's Dad sich sicherlich nicht hat Träumen lassen, dass sein Sohn mal in das von ihm ermöglichte Beratungscenter gehen würde, ohne zu wissen, dass es seinem Dad gehört. Der verlangt von dem Zentrum nur die halbe Miete. Das hatte er bei uns auch mal vorgehabt, als er mitbekommen hatte, dass ich der Freund von seinem Sohn bin. Meine Mom ist aufgegangen wie eine Atombombe. Die ist an dem Abend noch mit mir zu Saschas Family gefahren und hat einen Aufstand gemacht. Vollkommen zu Recht. ‚Liebe kann man nicht Kaufen', das waren Ihre Worte. Sie ist absolut allergisch gegen Vetternwirtschaft und Ähnliches. Sie hat sich nicht eher beruhigt, bis sie die korrigierte Version des Mietvertrags mit der normalen Miete in den Händen hatte. Mir war das Ganze total peinlich. Aber mittlerweile verstehe ich es.«
»Deine Mom ist der erste Mensch, den ich kenne, der sich beschwert wenn er Vergünstigungen bekommt!«, feixte ich.
»Sascha und ich haben uns nicht immer so gut verstanden, wir hatten auch oft extremen Streit. Da wär es für mich eine extreme Belastung gewesen, die Mieterhöhung als Damoklesschwert über meiner Family schweben zu haben.«
»Hey, Daniel, das ist mir schon klar. Was meinst du, wieso ich bei der Sparkasse und nicht bei der Raiffeisenbank bin. Da haben meine Eltern das ganze Geld, da hätte der Verdacht aufkommen können, dass ich wegen deren Geld und nicht wegen meiner Leistungen genommen wurde. Das wollte ich nicht. Ich bin da ein bisserl ähnlich wie deine Mom.«
»Na, dann ist ja auch klar wieso sie dich so gern mag.« Am Unterton war leicht zu merken, dass die Stimmung wieder da war.
»So wir sind da. Ruf mich einfach mal unter der Woche an. Gib mir noch mal die Visitenkarte von meiner Mom. Hier das ist Saschas Handy-Nummer, falls bei uns keiner ans Telefon geht.«
»Danke, dir noch einen schönen Sonntag und viel Spaß in der Schule! Denk dir einfach, das es auch einige arme Schweine gibt, die den ganzen Tag arbeiten müssen, dann fällt es leichter.«
»Danke für den Tipp! Ciao!«
»Ciao.«
Kapitel 4
Ab nach Hause. Dort angekommen fand ich auf dem Küchentisch einen Zettel von meiner Mom.
‚Wir sind bei den Nachbarn, Adolf ist ein Unfall gehabt. Komm nach, sobald du zuhause bist!'
Ach wie toll, das geht ja gut los. Adolf ist der Vater von Nicole, der Nachbarin mit der ich verkuppelt werden sollte. Sein Name sagt schon, in welcher Zeit er geboren wurde. Leider hat ihn die Zeit geprägt.
Also schnell das Zeug weggeräumt und rüber zu den Nachbarn. Meine Eltern waren schon mit Adolf und Nicole's Mutter ins Krankenhaus losgefahren. Nicole hat mir die Tür aufgemacht.
»Hallo Nicole.«
»Hi Frank, deine Mom hat dich schon angekündigt. Wie war es in der City?«
»Schön. Was ist den passiert?«
»Mein Dad hat Holz geschnitten. Irgendwie ist seine linke Hand in die Schneide gekommen.«
»Scheiße!«, mehr fiel mir dazu nicht ein. Mir wurde schon beim Gedanken ganz übel.
»Hilfst du mir die Kids zu beschäftigen?«
»Logisch. Deshalb bin ich ja da.«
Den Rest des Nachmittags waren wir damit beschäftigt, die kleinen Geschwister von Nicole mit allen möglichen und unmöglichen Brett- und sonstigen Spielen abzulenken. Dabei brauchte Nicole die Ablenkung mindestens genauso wie ihre Geschwister.
Gegen Abend rief meine Mom an. Ich bin gleich ans Telefon gegangen, da mir klar war, dass es fast nur ein Statusbericht werden konnte.
»Also Adolf geht es soweit gut. Zwei Finger von der Hand sind weg. Maria hat einen Nervenzusammenbruch bekommen und liegt jetzt gleich daneben. Wir bleiben erstmal noch hier und schauen wie sich die Lage entwickelt. Kannst du bitte heute bei Nicole und ihren Geschwistern bleiben.«
Die Betonung des Wortes Nicole gefiel mir überhaupt nicht. Das war der nächste Versuch mich mit ihr zu verkuppeln. Meine Mom meint wohl, dass Probleme zusammenschweißen.
»OK. Kein Problem. Ist bei uns noch was zu machen?«
»Nein, dein Bruder ist schon zuhause, der schafft es sicher auch allein.«
»Ist in Ordnung. Ich hole mir nur noch ein paar Sachen, dass ich morgen gleich von hier aus in die Arbeit fahren kann.«
»OK. Gute Nacht Junge.«
»Ebenfalls gute Nacht, soweit man es halt sagen kann.«
Ich ging erstmal rüber zu meinem Bruder und holte mir die Klamotten für den nächsten Tag und meinen Schlafsack aus dem Auto. Die zweite Nacht in einem Schlafsack. Na dann gute Nacht.
Wieder zurück brachten wir die Kleinen langsam ins Bett. Die hatten sich soweit wieder gefangen. Wir setzten uns dann mit je einer Tasse Tee ins Wohnzimmer vor die Glotze. Da habe ich dann Nicole den Statusbericht beigebracht. Sie wusste es zwar schon, dass die Kreissäge nicht alle Finger heil lassen würde, aber trotzdem fing sie zu heulen an und warf sich an meine Schulter! Was soll ich da machen? Was ist falsch? Was ist richtig? Egal erstmal trösten. Die Tränen hatten sich dann auch mal erledigt, aber irgendwie wollte Nicole überhaupt nimmer aus meinen Armen. Mist! Hat sich jetzt alles gegen mich verschworen? Wie mache ich Ihr klar, dass ich weiterhin nix als ein guter Freund von ihr sein will?
Anscheinend war meine Ablehnung zu spüren. Nicole löste sich aus meinen Armen.
»Wieso willst du nicht mein Freund sein, Frank?«
»Ich bin doch dein Freund!« Erst nachdem ich das gesagt hatte, fiel mir wieder ein was SIE mit Freund meinte.
»Nein nicht so wie du denkst, ich will nichts von dir. Wieso kann es nicht so wie bisher bleiben, dass wir einfach nur gut befreundet sind?«
»Verdammt, wir sind keine kleinen Kinder aus dem Sandkasten mehr. Ich habe mich in dich verliebt!«
Scheiße. Das wird ja immer schlimmer. Was soll ich jetzt machen? Wer hilft mir? Verdammte Scheiße! Jetzt helfen nur noch die harten Tatsachen!
»Du Nicole, bitte setz dich mal hin!«
»Verdammt. Mach es nicht so spannend. Du hast mir doch schon zig Mal klar gemacht, dass du nur mit mir befreundet sein willst und nicht mehr.«
»Setz dich!«
»OK, OK. Ich sitze und weiter?«
Wieso ist es so schwer es auszusprechen. Es wäre doch alles viel einfacher! Ich setzte mich erstmal gegenüber von Nicole hin, darauf bedacht sie nicht anzuschauen. Mittlerweile bereute ich meinen Vorstoß schon. Wie komme ich da wieder raus?
»Was ist den jetzt los Frank?«
»Nicole ... ich bin schwul!«
Es ist raus! Irgendwie machte sich jetzt totale Erleichterung in mir breit, egal was jetzt noch passiert, es ist raus!
Wenn das Ticken der Wanduhr nicht wäre, würde man eine Stecknadel fallen hören. Langsam wurde mir dann doch etwas unwohl und ich traute mich mal wieder etwas anderes als meine Füße anzuschauen. Darauf schien Nicole nur gewartet zu haben.
»Hey! Kopf hoch. Ich bin nicht mein Dad. Ich habe damit kein Problem. Wer weiß es sonst noch?«
»Außer den Jungs von der Jugendgruppe in der City, niemand.«
»Danke für dein Vertrauen! Das hättest du mir aber sagen können, bevor ich mich in dich verliebe. Ich dachte schon, ich wär zu unattraktiv für dich!«
»Das stimmt nun wirklich nicht. Soweit ich das beurteilen kann, schaust du verdammt gut aus. Der Rattenschwanz, den du am Pausenhof immer hinter dir herziehst, spricht Bände!«
»Den hättest du wohl gerne. Lauter Jungs auf deinen Fersen!«
Das Lachen klang noch etwas hysterisch, aber anscheinend hat sie es ganz gut verkraftet. Irgendwie ist es ganz seltsam. Es fühlt sich fast so an, als würde eine große Last von der Seele genommen werden.
»Willst du es auch deinen Eltern sagen?«
Mist. Die Last ist wieder da!
»Meinst du ich will schnellstmöglich ins Grab? Meiner Mom traue ich ja zu, dass sie es verkraftet, mein Bruder hat ja genügend Freundinnen für zwei. Aber mein Dad? Der ist genauso schlimm wie deiner!«
»Hast ja recht. Sorry! Ich halte auf jeden Fall meinen Mund, das ist klar. Auf den Schock brauche ich jetzt aber doch einen Schluck. Willst du auch was aus dem Barfach?«
»Gerne. Ich kann jetzt auch was gebrauchen.«
Nach einer Weile ging es wieder weiter wie früher. Wir redeten über dies und das. Irgendwann kamen wir dann drauf, festzustellen, wer welche Jungs aus unserer Bekanntschaft süß findet. Dabei kam dann raus, dass wir aufpassen müssen, um uns nicht in die Quere zu kommen. So gegen 23:00 Uhr beschlossen wir dann doch mal schlafen zu gehen. Nicole in ihr Zimmer, ich im Schlafsack auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ihr Dad hätte mich noch mit der Pistole zum Traualtar gescheucht, wenn er auch nur den Verdacht hätte, wir hätten etwas Unsittliches vor der Ehe getan. Arme Nicole!
Wieder brauchte ich eine Weile um einschlafen zu können. Ich bin also jetzt bei Nicole geoutet. Mein erstes Outing lief ja eigentlich ganz OK. Was wird jetzt noch alles auf mich zukommen. Mein Leben krempelt sich anscheinend vor meiner Abschlussprüfung gehörig um.
Kapitel 5
Dieses Wochenende hatte auch bei einigen anderen Beteiligten Eindruck hinterlassen.
Am Montag habe ich erstmal wegen akutem Schlafmangels ordentlich verpennt. Mein Chef hatte anscheinend auch keinen guten Tag. Er hat mich gleich in sein Büro zitiert und einen Vortrag von wegen »Die Azubis von heute nehmen sich Rechte raus, die sie nicht haben« auf mich abgeschossen hat. Zu meinem Glück konnte ich mit dem Unfall vom Sonntag eine sogar für ihn ausreichende Entschuldigung vorbringen. Nebenbei habe ich dann noch darauf hingewiesen, dass ich von allen Azubis in meinem Lehrjahr am wenigstens Krankheitstage habe. Das wirkte dann endgültig und ich war entlassen.
Gleich am Abend fragte mich meine Mom, ob ich noch Zeit hätte mit ihr in den Elektromarkt in der Kreisstadt zu fahren. Logisch! Ich wusste während der ganzen Fahrt nicht, was es werden sollte. Aus meiner Mom war auch nix rauszubekommen. Dann lassen wir uns halt überraschen. Kaum dort angekommen steuerte sie Richtung »Handys«. ‚Bin ich im falschen Film? Was ist jetzt los?' Das waren so die ersten Gedanken. Ich hatte schon mal nach einem Zuschuss für ein Handy gefragt, da es mit meinem Azubigehalt einfach nicht drin ist.
»So was kommt uns nicht ins Haus!«, war der einzige Kommentar von meinem Dad. Woraufhin mein Bruder grinste und sein Handy aus der Tasche zog. Uff. Das war ein Fehler. Mein Dad ist da ganz schön aufgegangen. Alles so von wegen unnötiger Technik und so durfte sich mein Bruder anhören.
Anscheinend hatte sich da gestern auch was in der Einstellung von meinen Eltern getan. War doch gut, dass ich die Handynummer in unser Telefon eingespeichert hatte.
»So, jetzt überlasse ich dir das Feld. Suche dir bitte aber ein Handy aus, das nicht allzu teuer ist. Es war schwer genug, deinen Vater dazu zu überreden!«
Sah ich da ein leichtes Grinsen auf ihren Lippen? Anscheinend hatte sie alle weibliche Überzeugungskraft ins Feld geführt, um meinen Dad rumzukriegen.
»Wie hast du es überhaupt geschafft.«
»Ganz einfach, dein Bruder hatte gestern das Handy dabei und wir haben ihn nur dadurch erreicht. Von dir wussten wir nicht, wo wir dich erwischen sollten. Das hat Wirkung gezeigt. Das Argument, dass du jetzt genauso mit Weggehen anfängst wie dein Bruder, war dann der endgültige Trumpf!«
Jetzt war das Grinsen klar zu erkennen. Aber diese günstige Gelegenheit ließ ich mir natürlich nicht entgehen, da ich selber schon mit dem Gedanken gespielt hatte mir, trotz Budgetloch, ein Handy zu kaufen. Dadurch war mir auch einigermaßen klar, was ich will. Schnell hatte ich das »Nokia 3210« in der Hand. Als es um den Vertrag ging, mischte sich meine Mom wieder ein und trug, mit einem Grinsen, als Belastungskontonummer für die Rechnung auch die Kontonummer von meinem Dad ein. Oh, da war aber wirklich sehr viel Überzeugungskraft im Spiel gewesen. Auf dem Weg zur Kasse konnte ich meine freche Klappe einfach mal wieder nimmer halten:
»Willst du noch mit in die PC-Abteilung kommen?«
»Nee. Das reicht doch wohl. Der PC bleibt dein Privatvergnügen! Immer diese Jugend von heute, nie den Hals voll genug bekommen!«
So gut drauf habe ich meine Mom schon ewig nimmer gesehen. Auf dem Heimweg konnte ich ihr dann auch beibringen, dass ich am Samstag wieder in die City fahre.
Am Mittwoch rief ich dann bei Daniel an.
»Melanie Altmann!«
»Hi Mel, Frank hier. Kannst du mir bitte deinen Bruder geben?«
»DAAANNNIIIIEEEELLLLLL!«
Ich glaube, selbst wenn Daniel in der Tiefgarage gewesen wär, hätte er das nicht überhören können.
»Hallo!«
»Hi Daniel hier ist der Frank.«
»Ist dein Gehör noch ganz?«
»Ich bin halt jetzt auf einem Ohr taub. Wie geht es dir?«
»Ganz gut soweit. Danke der Nachfrage. Bei dir?«
»Auch soweit gut. Unser Nachbar hatte Sonntag noch einen Unfall, da war hier Action im Hause. Dadurch habe ich jetzt ein Handy!«
»Cool! Moment ich hab gleich was zum Schreiben. Gibst du mir mal die Nummer.«
»Klar! Null-eins-sieben-null sechs-drei-vier neun-neun eins-eins.« Ich versuchte die Computeransage der Auskunft nachzumachen, was Daniel schön zum lachen brachte.
»OK, OK, sag mir das nächste mal gleich, dass ich meine Mom fragen soll!«
»Kann ich dein Angebot am Wochenende in Anspruch nehmen?«, fragte ich, als ich mich von meinem Lachanfall erholt hatte.
»Klar, hast du Samstag Vormittag irgendwas vor?«
»Nein, warum?«
»Kannst ja schon eher vorbeikommen, dann können wir noch ein bisserl die City unsicher machen. Mal schauen, ob wir einen passenden Freund für dich finden.«
»Danke. Tiefschlag!«
»Sorry, hatte mal wieder meine Klappe schneller offen als mein Gehirn alle Folgen bedenken konnte.«
»Schon OK. Wann soll ich dich denn am Samstag aus dem Bett klingeln?«
»Wie ist es mit 10:00 Uhr, da haben wir ne Menge Zeit unser Geld unters Volk zu bringen.«
»OK. Bis dann! Gute Nacht und träum was Schönes!«
»Klar. Sascha ist ja da! Bis Samstag. Gute Nacht.«
Zweiter Tiefschlag. Er kann ja nichts dafür, ich würde an seiner Stelle, mein Glück auch in alle Welt brüllen.
Steigerungen sind meistens drin. Irgendwie hatte diese Woche ein absolutes Stimmungsgefälle!
Am Freitag war für alle Azubis meines Lehrjahres ein Gespräch mit unserem Personalchef angesagt. Worum es gehen sollte, wusste keiner von uns. Wir hatten uns in den Spekulationen darauf geeinigt, dass es um die Prüfungsvorbereitung gehen soll. So weit daneben lagen wir damit auch nicht.
»Meine Damen, Herr Kaufmann, ich habe Sie heute zu mir gebeten, da wir uns ja auch Gedanken über Ihre Zukunft machen.«
Es hat seine Vorteile von vier Azubis der einzige Mann zu sein. Ich werde wenigstens mit Namen angesprochen. Etwas lästig sind dagegen die Scherze von den Kollegen Richtung Hahn im Korb und so.
»Wir können leider nur zwei von Ihnen übernehmen.«
Mist. Damit war mir das Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Zum Glück bin ich der Zweitbeste. Muss ich mich halt bei der Abschlussprüfung noch ein bisschen mehr anstrengen.
»Da es für Kinder von Bankangestellten immer sehr schwer ist, bei einem anderen Institut eine Stelle zu bekommen, sehen wir uns leider gezwungen, sie Frau Martin und Herr Kaufmann nicht zu übernehmen.«
BUFF. Das sitzt! Es zählt mal wieder nicht die Leistung, sondern nur wer Sippschaft in dem Laden hat. Vielen Dank. Ich war kurz davor, dem Kerl an den Hals zu springen. Meine Leidensgenossin wetzt anscheinend gerade die Fingernägel für die Augen! Immer diese Verlegenheitsgesten. Wieso schiebe ich mir die Brille schon wieder hoch? Ein Blick in die Runde belehrte mich, dass den beiden »glücklichen« Damen auch nicht so wohl in ihrer Haut war.
»Es tut uns wirklich sehr leid für Sie, aber wir konnten keine andere Entscheidung treffen. Selbstverständlich dürfen Sie genauso auf den Prüfungsvorbereitungskurs gehen. Wir möchten Ihnen nur Gelegenheit geben, sich schon jetzt um eine Stelle zu kümmern. Mir ist klar, dass Sie diese Entscheidung momentan als ungerecht empfinden, aber in ein paar Jahren werden Sie es sicher verstehen können.«
OK. Das reicht! Ich bin kein kleiner Junge! Ohne ein weiteres Wort ging ich aus dem Büro. Ein paar Augenblicke später folgte meine Kollegin. Ich glaube sowas hat der Personalchef auch noch nicht erlebt. Über das psychologische Geschick des Herren rede ich mal nicht. Ich finde es einfach toll, wenn einem vor der ersten Prüfung gesagt wird, das man aufgrund der Verwandtschaft keine Chance hat, übernommen zu werden.
Ich ging gleich zu meinem Chef, um zu fragen, ob ich Nachmittag nach Hause kann.
Anscheinend war der Personalchef schneller, da mein momentaner Chef erstmal die Tür vom Büro zumachte, bevor er sich hinsetzte.
»Sie wollen sicher heute Nachmittag nach hause. Ich kann sie sogar verstehen. Kein Problem. Übrigens Hochachtung, sie sind der Erste, der es wagt, ohne irgendwelche Kommentare bei dem aus dem Büro zu gehen. Er hat gleich hier angerufen und getobt. Mein Ohrenarzt wird Ihnen ewig dankbar sein, jetzt hat er einen guten Kunden mehr!«
Normalerweise hätte ich sicher über den Joke gelacht, aber aus verständlichen Gründen war mir nicht nach Lachen zumute.
»Danke. Wieso macht da der Personalrat nichts?«
»Seine Tochter wird übernommen.«
»Ach wie toll.«
»Ganz meine Meinung. Bis zur Abschlussprüfung sind Sie übrigens noch bei mir in der Abteilung, ich habe heute den restlichen Einsatzplan bekommen. Ich habe mir sogar schon Hoffnung gemacht, dass Sie als Verstärkung für unsere Abteilung hier bleiben. Ich wusste auch nichts davon, dass Sie nicht übernommen werden. Hier sind einige Zeitungen, bei denen ich auf dem Verteiler bin. Normalerweise werfe ich die einfach weg. Bis auf weiteres gebe ich die mal an Sie weiter. Vielleicht können Sie mit den Stellenanzeigen was anfangen.«
»Danke.« Hey, der kann ja auch was anderes als Motzen. Da muss ich wohl eine Personenbeurteilung noch mal gewaltig korrigieren.
»Wenn Sie für ein Vorstellungsgespräch frei brauchen, melden Sie sich einfach bei mir. Das ist überhaupt kein Problem. So jetzt verschwinden Sie in den Nachmittag. Es ist schön, also legen Sie sich ins Schwimmbad und versuchen auf andere Gedanken zu kommen. Das Leben geht weiter, aber nur selten geradeaus.«
»Danke. Ein schönes Wochenende.«
Zuhause bleiben wollte ich nicht. Also befolgte ich den Rat meines Chefs, fuhr dort nur schnell vorbei und holte meine Badesachen und verzog mich an den Badesee. Normalerweise bringt mich der Anblick von hübschen Jungs, welche es am Badesee in Rudeln gibt, auf andere Gedanken, aber irgendwie funktionierte das nicht. Also verzog ich mich recht bald nach Hause in mein Zimmer, nicht ohne vorher beim Supermarkt eine Flasche Alk zu kaufen. Diese hielt ich dann aber doch für ne schlechte Lösung und stellte sie weg. Ich war den ganzen Nachmittag und Abend kaum ansprechbar. Meinen Eltern habe ich das Ganze kurz und knapp in einem Satz klar gemacht.
Dann habe ich mich ins Bett gelegt. Nach einer Ewigkeit bin ich wohl auch eingeschlafen. Nicht ohne meinen Wecker einzuschalten.
Kapitel 6
Einigermaßen pünktlich stand ich am nächsten Morgen bei Daniel vor der Tür und wollte gerade klingeln, als die Tür aufgerissen wird und Melanie mir entgegen bzw. auf mich stürmt. Allerdings bin ich doch ein ganz guter Widerstand. Nachdem sich die Kleine wieder aufgerappelt hatte, konnte ich mir das Lachen nicht verbeißen.
»Du versucht wohl jedes mal über oder gegen mich zu rennen!«
»Ne. Du stehst/liegst mir nur immer im Weg. Ich bin weg. Schönen Tag!« Damit war Melanie verschwunden. Ich hatte anscheinend ein Riesenfragezeichen im Gesicht.
»Nicht nur wir wollen in die Innenstadt. Mel hat aber einen Termin. Sie muss schauen, dass sie jetzt den Bus noch erwischt, deshalb hat Sie versucht, durch dich durchzulaufen.«
»Achso.«
»Komm erstmal rein. Sascha kommt so um halb elf. Der muss vorher noch was erledigen.«
»Hast du uns Taxi organisiert?«
»Nein, wir fahren mit der U-Bahn rein, das ist bequemer. Da muss man nicht erst groß Parkplatz suchen. Abends nehmen wir dann das Auto.«
»Ist schon OK. Was gibt es bei dir Neues?«
»Zwei gute und eine schlechte Note.«
»Was hast du den versiebt?«
»Sascha hat mich von Geschichtelernen abgehalten. Das habe ich gemerkt.«
»Achso! Mildernde Umstände lässt der Lehrer wohl nicht gelten.«
»Das wären dann eher verschärfte Umstände. Wir haben den Lehrer auch in Deutsch. Er hat ne halbe Stunde gebraucht, um zu umschreiben, dass Oscar Wilde eventuell, vielleicht aber auch nicht, schwul gewesen ist.«
»Diesen Aspekt haben die bei uns gleich ganz weggelassen.«
»Naja, wenigstens sind die Unterrichtsmethoden nicht ganz unterschiedlich. Gibt es bei dir was Neues?«
Mittlerweile saßen wir in seinem Zimmer vor der Glotze. Mal wieder Viva.
»Ich werde nicht übernommen, da nur die Azubis übernommen werden, die Familie in der Bank haben.«
»Boh. Ach wie toll. Erzähl das mal morgen früh meiner Mom. Aber so schlecht ist das doch nicht.«
»Nicht so schlecht? Du spinnst!«
»Du willst doch aus deinem Kaff raus. Dafür musst du dann aber auch hier arbeiten. Was gibt es für eine bessere Begründung bei einem Verstellungsgespräch als, dass du nicht übernommen wirst?«
»Zum Beispiel, dass ich was neues sehen will ohne dazu gezwungen zu sein.«
»OK. OK. Aber es ist nicht der schlechteste Grund. Denk unbedingt dran, dass du dir heute ne Tageszeitung kaufst. Samstag ist immer der Stellenmarkt drin, da finden wir schon was Passendes für dich!«
»Mache ich hoffentlich. Aber ich habe ja dich als Gehirn dabei.«
»Gehirn mit Alzheimer!«
»Besser als meine Weltraumemulation!«
»Weltraumemulation?«
»Vakuum!«
»Achso, sorry ich bin noch nicht ganz wach.«
Da ging die Türklingel. Daniel stürzt gleich zur Sprechanlage.
»Sascha bist du es?«
»Hi Daniel, klar. Wieso ist die Tür hier unten heute zu?«
»Keine Ahnung. Ich lass dich aber erst rein, wenn du von der Ecke ne Zeitung mitbringst!«
»Mach kein Schmarn!«
»Doch es ist mein Ernst.«
»OK, den Klang kenne ich. Ich hole die Zeitung.«
»Wozu es doch gut ist, wenn man einen Freund hat! Dadurch braucht keiner von uns beiden mehr dran denken.«
»Scheuch ihn doch wegen mir nicht so.«
»So schlimm ist es nicht. Der Zeitungsstand ist 30 m entfernt.«
Da klingelte es auch schon zum zweiten Mal. Ohne Kommentar machte Daniel die Tür auf. Er machte auch gleich die Haustür auf und bedankte sich bei Sascha für die Zeitung mit einem sanften Kuss! OK dafür wär ich auch 60 m gelaufen!
»Hallo Frank. Wie geht es?«
»Hi Sascha, danke den Umständen entsprechend.«
»Den Umständen? Seit wann bist du schwanger?«
»Nein, Frank wird von seinem Betrieb nicht übernommen, deshalb auch die Zeitung.«
»Achso, sorry das tut mir leid. Seit wann weißt du es?«
»Seit gestern.«
»Da findet sich schon was. Notfalls haue ich meinen Dad an, ob er nicht einen Privatsekretär für mich einstellen kann.«
»Der Job ist für mich reserviert! Da hast du keine Chance Frank!«
»Keine Sorge, du weißt ja wie ich zu Vetternwirtschaft stehe.«
»Aha, noch einer von der Sorte. Warum wirst du eigentlich nicht übernommen? Bist du nicht gut genug?«
»Volltreffer. Ich habe die falschen Verwandten. Es werden nur die übernommen, deren Sippschaft schon in der Bank ist, da die in einer anderen Bank kaum einen Job finden würden.«
»Achso, das übliche also. Gibt es auch was Angenehmes bei dir zu berichten Frank?
»Ich habe mich bei meiner Nachbarin geoutet.«
»Du hast was? Dafür schaust du aber recht lebendig aus! Hat dich die nicht umgebracht, wie du immer befürchtest?«, kam gleich von Daniel.
»Nicole ist genauso alt wie ich. Da ist es was anderes.«
»Wie kam es dazu?«
»Am Sonntag hatte Ihr Dad einen Unfall ...« Ich erzählte die ganze Geschichte. »... was hätte ich sonst machen sollen, ohne sie vor den Kopf zu stoßen?«
»Du hast ja recht. Scheint ja ganz gut gelaufen zu sein. Ich hatte ja ein ähnliches erstes Outing, aber das lief etwas weniger gut, um nicht zu sagen ganz mies.«
»Willst du es mir erzählen?«
»Klar. Immerhin hatte es ja einen sehr schönen Nebeneffekt.« Damit bekam Daniel erstmal einen dicken Kuss.
»Mag jemand Kaffee? So wie mich das anschaut, dauert es noch ein wenig, bis wir in die Stadt kommen.«
»Ja gerne Daniel. Danke!«
»Du auch Frank?«
»Ebenfalls gerne und danke!«
»Fang schon mal zu erzählen an Sascha, ich kenne die Story ja schon.«
Damit verschwand Daniel in der Küche.
»Der kann die Story einfach nicht mehr hören. Ich erzähle sie aber einfach immer wieder gerne, da ich dadurch ihn gefunden habe!«
»Dann leg mal los.«
»Also mir war eigentlich schon immer klar, dass ich auf Jungs stehe. Nur wahr haben wollte ich es einfach nicht. Ich hatte sogar eine Freundin. Das ging solange wunderbar, bis sie mit mir schlafen wollte. Das konnte ich einfach nicht. Ein paar Mal konnte ich mich mit irgendwelchen Ausreden aus der Affäre ziehen. Irgendwann hat sie es dann so geschickt eingefädelt, dass ich keine Chance mehr hatte. Also habe ich dasselbe gemacht, was du schon viel eher getan hast. Ich habe mich geoutet, wie es so schön heißt. Die ersten Reaktionen waren ähnlich wie bei dir. Als ich am nächsten Montag in die Klasse ging, kam das böse erwachen. Meine ‚liebe' Freundin hatte in ihrer enttäuschten Liebe nichts Besseres zu tun, als jeden aus der Klasse zu informieren und Rachepläne für die entstandene Schmach zu schmieden. Das sah dann wie folgt aus: An der Tafel stand ganz groß ‚Wir wollen keine Schwanzlutscher, Sascha raus aus der Klasse!' Mein Stuhl war mit Plastiktüten überzogen, damit er kein Aids bekommt, wie meine Klassenkameraden mir erklärten. Es gab da noch ein paar Feinheiten, auf die ich jetzt mal nicht eingehe. In der Pause hat mich erstmal der Vertrauenslehrer auf die Seite genommen.
‚Der Vater deiner Freundin oder besser deiner Ex-Freundin hat heute ganz erbost beim Direktor angerufen, wie es sein kann, dass auf unserer anständigen Schule solche anormalen Elemente wie du rumlaufen. Ich will dir hier nicht den genauen Wortlaut schildern, aber es waren einige Worte dabei, die mich daran zweifeln lassen, dass er auch einmal Schüler dieser Privatschule war.'
‚Ja ich bin schwul, fliege ich jetzt von der Schule oder was?' Mittlerweile war mir alles egal. Ich brüllte ihm die Worte fast ins Gesicht. Ich war schon den ganzen Schultag dabei, Selbstmordpläne zu schmieden.
‚Nein. Aber es wird ein klärendes Gespräch mit deinen Eltern geben müssen, da auch einige Anschuldigungen in Richtung der Schule als Treffpunkt der schwulen Jugend usw. drin waren. Das hättest du alles angeblich haarklein deiner Ex-Freundin erzählt. Du brauchst es mir nicht zu erklären, ich weiß genau wie der Direktor oder du, das es erstunken und erlogen ist. Das hilft aber leider trotzdem nicht. Wir müssen mit deinen Eltern reden.'
Meine Gesichtsfarbe wurde anscheinend noch blasser als sie eh schon war.
‚Deine Eltern wissen noch nichts? Das hatte ich fast vermutet, deshalb habe ich beim Direktor noch einen Aufschub bis morgen früh erreicht. Sorry, mehr geht einfach nicht. Auch wenn es hart ist, musst du versuchen, es deinen Eltern bis morgen früh beizubringen. Es ist sicher besser, wenn sie es von dir erfahren.'
‚Scheiße!' Das war irgendwie das Einzige, was mir noch einfiel.
‚So schlimm kann es bei dir gar nicht werden. Deinem Vater wurden früher auch Ambitionen in diese Richtung nachgesagt. Daher weiß er sicher noch wie schwer es ist mit solchen Anfeindungen zu leben.'
‚Woher wissen sie sowas?'
‚Dein Dad war auch hier auf der Schule. Hr. Hoffmann, der letzten Monat in Ruhestand gegangen ist, war der Klassenleiter von der Abschlussklasse deines Vaters. Den habe ich heute Morgen aus dem Bett geklingelt, da ich mir die Akte von deinem Dad angeschaut habe. Da waren einige Andeutungen drin, die ich lieber im Klartext wollte.'
‚Dankeschön. Das mit der Akte darf ich natürlich nicht verwenden. Sie dürfen mir ja keine Informationen über andere Schüler geben.'
‚Genau. Versuche es bitte bis morgen deinen Eltern beizubringen. So und jetzt geh' besser wieder ins Klassenzimmer. Gehe innen lang, der Pausenhof dürfte sonst ein Spießrutenlauf für dich werden.'
‚Danke für die Galgenfrist! Wiedersehen!'
Wie sollte ich es meinem Dad beibringen? Sollte ich gleich auf dem Heimweg von einer Brücke springen? Erstmal meinen Dad erwischen. Bei dem als Familienmitglied einen Termin zu bekommen, ist genauso schwer wie eine Audienz beim Papst. Natürlich nicht ganz so schlimm, aber manchmal kommt es einem echt so vor als würde er nur noch für die Firma leben.
Der Rest von der Schule ging dann einigermaßen schnell vorbei. Anscheinend wusste mittlerweile alle Lehrer bescheid, da keiner versuchte, mich zu irgendwelchen Wortmeldungen oder was anderem zu bringen. Ich verbrachte die Zeit damit, mir düstere Zukunftsperspektiven auszumalen. Aber auch dieser Schultag ging vorbei.»
»Kaffee ist da! Frank reiße deine Augen mal von Saschas Lippen weg, damit er seinen Kaffee trinken kann, bevor der kalt wird!«
»Danke Daniel!«, kam es im Chor.
»Purer Eigennutz! Erzähl schnell weiter, sonst kommen wir heute gar nicht mehr zum Shoppen.«
»Dann unterbrich mich halt nicht. Als ich zuhause war, habe ich mir gleich meine Mutter ‚vorgenommen'. Da ich auch nicht wusste, wie ich es ihr sagen sollte, habe ich ihr den letzten Abend mit meiner Freundin und dessen Folgen geschildert. Sie hat es recht gut verkraftet. War zwar etwas geschockt, dass es von mir keine Enkelkinder geben wird, aber ansonsten ganz normal. Da mein Dad erst irgendwann nachts nach Hause kommen wollte, bot sie mir sogar an, ihm die ‚Sache' beizubringen. Das nahm ich auch an, da ich total müde war. Ich weiß bis heute nicht, was mich so angestrengt hat. Ich glaube, das war eine Schutzfunktion meines Körpers, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. Irgendwann um zwei in der Nacht weckt mich mein Dad:
‚Hey Junge', so nennt er mich irgendwie immer, ‚das ist doch überhaupt kein Problem. Mein bester Freund war auch schwul, ich weiß, mit welchen Anfeindungen er leben musste, als es rauskam. Da ich oft mit ihm zusammen war, kam das Gerücht auch über mich auf. Das gab ganz schön Ärger bei meinem Vater. Ich sollte ihn nie wieder treffen und so weiter. Das war mir egal. Ich merkte, dass er jetzt einen Freund braucht, der zu ihm hält. Also von meiner Seite wirst du da nie Probleme bekommen. Du kennst ihn übrigens als Onkel Markus.'
Klar kannte ich den. Der war früher oft am Wochenende bei uns zum Kaffee trinken. Er hat immer superlieb mit mir gespielt. Irgendwann habe ich ihn mal gefragt, warum er keine eigenen Kinder hat. Darauf wirkte er total traurig und meinte, dass dies bei ihm nicht geht. Jetzt weiß ich auch warum.
‚Aber der ist doch tot.'
‚Ja, er ist 1989 an Aids gestorben. Sein Freund ein halbes Jahr eher. Das ist auch die größte Angst, die ich jetzt bei dir habe. Pass mir bitte immer gut auf. Ich will dich nicht an diese Krankheit verlieren, wer sollte denn außer dir die Firma übernehmen? So und jetzt Schlaf mal weiter, das mit dem Direktor bekommen wir schon hin.'
Am nächsten Morgen hat mich der Vertrauenslehrer gleich am Eingang abgefangen. Eine beachtliche Leistung für ihn, der sonst immer der letzte Lehrer ist. Einfach ein bekennender Langschläfer. Fast so schlimm wie Daniel.»
Dies konnte natürlich nicht ohne Reaktion des Genannten stehen bleiben. Während die beiden sich balgten, konnte ich wenigstens einen Schluck von meinem mittlerweile lauwarmen Kaffee nehmen.
»Ich liebe dich doch auch, weil du ein solcher Langschläfer bist, Daniel. Jetzt lass mich mal fertig erzählen!
‚Hast du es deinen Eltern erzählt?' bekam ich anstatt eines ‚Guten Morgen' zu hören.
‚Ja, irgendwie war das bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet.'
‚Da hast du auch mit deinen Eltern einen Glücksgriff getan. Es gibt andere, bei denen das nicht so gut abläuft. Ich habe gestern noch allen Lehrern eingebläut, sich ja nicht einfallen zu lassen irgendwelche zweideutigen Bemerkungen oder sowas zu machen. Von der Seite dürfte dir keine Gefahr mehr drohen. Auf die Schüler kann ich leider keinen Einfluss nehmen.'
‚Danke für das, was sie schon getan haben. Ich hoffe, dass sich die auch irgendwann wieder beruhigen.'
Mit dieser Hoffnung hatte ich mich leider getäuscht. Kurz gesagt, mein Dad hat alles mit dem Direktor abgeklärt. Von der Seite kam da nichts mehr. In der Klasse ging es leider nicht gut. Die übrigen haben sich relativ schnell beruhigt. Nur meine Ex hat immer wieder nachgebohrt. Sobald sich die Gemüter wieder abgekühlt hatten, hat sie wieder nachgebohrt. Dadurch wurde für mich das Schuljahr zu einer Hölle auf Erden.
In den Sommerferien habe ich meinen Dad gebeten, mich von der Schule auf eine normale Schule zu geben. Auch wenn es ihn geschmerzt hat, dass sein Sohn keinen Abschluss »seiner« Privatschule bekommen würde, sah er ein, dass es so einfach keinen Sinn hat.
Der erste Schultag dort lief auch ganz ‚normal' ab. Frei nach: Hallo Kids, wie waren die Ferien – das ist der Neue – Sag mal ein paar Worte über dich und setzt dich wo noch Platz ist. Platz war nur neben Daniel oder einem Mädchen. Also nahm ich die angenehmere Alternative. Mir fiel gleich auf, dass sich die neuen Klassenkameraden seltsame Blicke zuwarfen und einige mit dem Lachen kämpften.»
»Ich habe mich nach dem dir schon bekannten Erlebnis ziemlich schnell überall geoutet. In meiner, jetzt unserer, Klasse gab es da überhaupt keine Probleme. Nur der besagte Deutschlehrer tat sich anfangs etwas schwer. Mein Geschmack war auch soweit bekannt, dass jedem klar war, dass sich gerade mein Traumboy neben mich gesetzt hatte. Wem es noch nicht klar war, dem machte mein gequälter Gesichtsausdruck wohl klar, was los war.«
»Ich wurde überhaupt sehr offen aufgenommen. Ein richtiger Urlaub nach dem Spießrutenlauf in meiner alten Klasse. In der ersten Pause wurde ich von allen Seiten mit Fragen bestürmt. Die Frage, wieso ich die Schule wechsle, habe ich mit Problemen mit den Klassenkameraden, was ja auch nicht gelogen war, abgetan. Irgendwann kam dann die ganz tolle Frage, ob ich Probleme mit Schwulen hätte. Die habe ich mal mit einem klaren ‚Nein' beantwortet.
‚Ist auch gut so. Du sitzt nämlich neben einem und scheinst genau sein Geschmack zu sein!'
So rot habe ich Daniel nie wieder gesehen. Leider! Wenn Blicke in diesem Augenblick hätten töten können, wäre der Sprecher eintausend oder mehr Tode gestorben. Ich war aber anscheinend auch ganz schön perplex und schaute Daniel mit waagenradgroßen Augen an.
‚Wenn du doch ein Problem damit hast kannst du dich ja woanders hinsetzten', kam es recht giftig. Da hat wohl jemand meine Verblüffung in den falschen Hals bekommen. Durch die nächsten Fragen war ich leider so abgelenkt, dass ich das negative Bild von mir nimmer sofort geraderücken konnte. Der Rest des Tages verlief wie jeder erste Schultag. Bücher ausgeben. Klassensprecher wählen. Daniel wurde mit 70% gewählt. Halt das Übliche. Mein Banknachbar hüllte sich die ganze Zeit in Schweigen mir gegenüber. Mist da war jemand ernsthaft sauer auf mich.
Am nächsten Morgen fand ich mein ganzes Zeug auf dem anderen freien Platz neben dem Mädchen. Das war mir dann doch zu viel. Ich habe das ganze Zeug kommentarlos gepackt und wieder auf den alten Platz neben Daniel geschmissen. Der schaute etwas verdutzt, als der Atlas aus einem halben Meter über dem Tisch neben ihm hinknallte, sagte aber nichts weiter. Die übrigen Klassenmitglieder schienen die Aktion für richtig zu halten.
Kurz nach Beginn der Pause wurde mir das Schweigen meines Banknachbarn dann doch zu doof.
‚Ich bin es übrigens auch!', raunte ich ihm zu.
Mal wieder den Fettnapf getroffen! Der Hals wurde immer dicker, die Augen immer feuchter.
‚Verdammt! Verarschen kann ich mich selber auch!', brüllte er mich an und verschwindet aus dem Klassenzimmer.
‚Was hast du denn zu ihm gesagt?', stürzte sich gleich ein Mädchen auf mich, dass stellvertretende Klassensprecherin und anscheinend auch ne Freundin von Daniel ist.
‚Ich bin auch schwul.' Da es in der Klasse anscheinend kein Problem war, traute ich mich es auch laut zu sagen.
‚Ohh! Mann! Männer und Gefühle. Der Daniel ist bis über beide Ohren oder noch weiter in dich verschossen! Da reagierst du gestern auf sein Outing nicht gerade toll und sagst ihm heute, dass du auch schwul bist. Der muss ja glauben, dass du ihn verarschen willst.'
Ich brauche ja vielleicht etwas länger um etwas zu kapieren das mit Gefühlen zu tun hat, aber hin und wieder fällt auch bei mir der Groschen. Ich hatte am Vortag eigentlich nur noch an Daniel gedacht, war also auch ein wenig verschossen.
‚Wo meinst du kann ich ihn finden?'
‚Normalerweise unter der Eiche.'
‚Danke!', und weg war ich aus dem Klassenzimmer. Daniel war auch wirklich unter der Eiche zu finden und heulte.
‚Hey!', sagte ich und versuchte ihn mit dem Gesicht zu mir zu drehen.
‚Lass mich in ruhe und mach nicht noch alles schlimmer!'
‚Lass mich wenigstens ausreden!', mit sanfter Gewalt schaffte ich es doch ihn zu mir umzudrehen. Mit der linken Hand fuhr ich unter sein Kinn, um seinen gesenkten Kopf etwas höher zu bekommen. Ich schaute ihm in seine verheulten Augen. Ich weiß nicht, was es war, aber irgendwie schlug bei mir wohl ein Blitz mit Bombe ein. Der Blick aus diesen Augen hat mir den Rest gegeben. Ich küsste ihn einfach.»
»Mich hatte es nicht weniger erwischt, aber irgendwie ging es mir einfach zu schnell. Nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, ging es wieder zurück in die Klasse. Kaum dort angekommen wurden wir von breit grinsenden Gesichtern als das neue Traumpaar der Klasse gehandelt. Übernacht ließ ich mir das Ganze nochmals durch den Kopf gehen. Süß war Sascha sicher, starke Arme, in die ich mich kuscheln kann, hat er auch und sanft Küssen kann er auch. Wieso eigentlich nicht, ich wollte einfach nicht mehr allein sein. Am nächsten Tag habe ich ihn in einer ruhigen Minute gefragt, ob er am Freitag mal bei mir vorbeikommen will.«
»Ich habe zugesagt, in der Hoffnung, dass der Kuss auf Daniel genau den gleichen Einfluss wie auf mich hatte. Ich war total in ihn verliebt. Der Freitagabend kam. Wir haben uns bei ihm die halbe Nacht unterhalten und die ganze Lebensgeschichte erzählt. Irgendwann haben wir uns wieder geküsst. Immer wieder. Das eine ergab das andere. Ab dem Morgen waren wir ein Paar. Es gab noch mal eine Zeit, in der es nicht so lief, aber jetzt sind wir wieder glücklich.«
Während die beiden mit Küssen beschäftigt waren, ging ich schnell auf die Toilette um den Kaffee wieder los zu werden. Als ich zurück war, hatten sich die Beiden wieder ordentlich hingesetzt.
»Danke, dass du den Schluss ein wenig beschleunigt hast, Sascha, sonst kommen wir heute überhaupt nich mehr in die City solange die Geschäfte offen haben«, meinte Daniel.
»OK, dann lass uns langsam losziehen! Wir machen dann einen kurzen Zwischenstopp bei Pizza Hut. Ich brauche noch was zum Essen. Küssen macht hungrig.«
Gesagt getan. Mit der U-Bahn rein war überhaupt kein Problem. Nach dem Essen, das uns Sascha freundlicherweise spendierte, ging es weiter in diverse Läden. Ich habe mir nur einen neuen Pullover gekauft. Kurz nach Feierabend waren wir wieder bei Daniel zuhause. Ich wurde dazu ‚verdonnert', den Pullover am Abend gleich anzuziehen. Da keiner so recht wusste was wir bis 19:00 Uhr machen sollten hat Daniel »Beautiful Thing« in den Videorecorder geworfen. Ein wunderschöner Film. Als der Film aus war, mussten wir uns langsam fertigmachen. Mal sehen, was der Abend bringt.
Kapitel 7
Diesmal waren wir schön früh dran. Nach und nach trudelten die Anderen auch ein. Einige vom letzten Mal fehlten, dafür waren andere dieses Mal wieder da. Sogar ein paar unbekannte Gesichter, die aber anscheinend in der Truppe schon bekannt sind, waren dabei. Diese wurden mir gleich von Daniel vorgestellt. Michael wurde von einem älteren Herren im Mercedes abgeliefert. Dies veranlasste Daniel wieder zu einem dummen Spruch:
»Hi Michael, ist das dein neuer Freund? Seit wann stehst du auf Rentner?«
»Seitdem ich Geld liebe. Nein ernsthaft, das ist der Dad von meinem Freund. Der liegt im Krankenhaus!«
»Oh. Sorry! Ist es was Ernstes?«
Irgendwie ahnte wohl jeder, was mit ‚was Ernstem' gemeint war.
»Nein! Nicht zu schlimm. Er hatte ‚nur' vorgestern einen akuten Blinddarm. Die haben ihn gleich in der Nacht unters Messer gelegt. Mittlerweile hat er schon wieder ne freche Klappe.«
»Na, dann ist ja gut.«
»Heute kommt ein Neuer mit geplanter Verspätung. Nicht so wie gewisse andere Herren hier in der Runde!«
Das allgemeine Gelächter lies mich meine Gesichtsfarbe nur allzuschnell wechseln.
»Sascha hol ein Messer, heute gibt es Tomatensalat.«
»Na, jetzt hör aber auf Daniel. Wir brauchen Frank noch lebend. Unser heutiger Neuer kommt irgendwo aus deiner Gegend. Der kommt mit dem Zug, daher die Verspätung.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass meine Mom nicht durch Zufall darauf gekommen ist.«
»Hat deine Mom mal wieder Schicksal gespielt. Na, da ist ja schon gute Vorarbeit geleistet. So, jetzt fangen wir aber mal mit dem normalen Programm an.«
Damit wendet er sich der Allgemeinheit zu. Alle setzten sich wieder auf irgendwelche Stühle.
»Diesmal schaut es ganz profan bei uns aus. Es geht nur um die Planung der Geburtstagsfeier vom ‚Treffpunkt'. Diesen Ort gibt es jetzt seit fast fünf Jahren und das muss angemessen gefeiert werden.«
Da stimmten alle lautstark zu. Bevor wir mit der Planung richtig loslegen konnten, ging die Tür auf. Alle Köpfe nach rechts. Irgendwie kam mir die Situation verdammt bekannt vor. Was da durch die Tür kam, sah gar nicht schlecht aus. ‚Sowas gibt es doch nicht auf der Erde!' war so mein erster Gedanke. Daniel flüsterte mir ins Ohr:
»Erde an Frank! Erde an Frank! Kinnlade hochklappen. Der ist echt.«
Das brachte mich wieder auf den Boden.
»Puh. Wenn ich wieder starren anfange, tritt mich gegen das Schienbein.«
»Das lasse ich mal lieber, sonst hast du morgen nur noch blaue Flecken.«
Nach dem kurzen Geplänkel wandten wir uns wieder dem Neuankömmling zu. Dieser wurde gleich von Michael angesprochen:
»Hi. Wir haben telefoniert?«
»Ja.«
Oh diese Stimme! Das wird ja immer schlimmer!
»Autsch! Was soll das?«
»Du sagtest doch ich soll dich treten, wenn du wieder starren anfängst!«
»D…Danke!«
Sascha kämpfte anscheinend nur noch mit dem Lachen. Dem kamen fast die Tränen, weil er ja nicht laut losprusten wollte. Die anderen hatten glücklicherweise nichts mitbekommen.»
»Ich hatte dich ja schon darauf vorbereitet, was auf dich zukommt. Ich mache einfach mal Platz für dich. Stell dich bitte einfach mal kurz vor, so mit Vornamen, Hobbys und was sonst noch so über dich interessant ist!«
Auf dem Weg nach vorne merkt man nur einen ganz kurzen Augenblick der Unsicherheit. Dieser Junge weiß erstens, dass er verdammt gut ausschaut und zweitens, dass er nichts zu verlieren hat.
»Hallo, mein Name ist Manuel.« Woher kommt mir dieser Satz bekannt vor? »Ich bin 17 ½ Jahre alt. Da es mit dem Zug nicht gerade preiswert ist, werde ich wohl nicht so oft hier sein. Meine Hobbys sind Pferde, Computer und lesen. Keiner weiß, wie das zusammenpasst, ich auch nicht, aber es klappt wunderbar.«
»Wie bist du denn auf uns gekommen?«, fragte Michael, nachdem Manuel geendet hatte.
»Ich habe bei der Auskunft nach einem schwulen Treffpunkt gefragt. Da wurde ich anscheinend wegen meiner Stimme, ich hatte den ganzen Abend geheult, zu einer psychologischen Betreuerin weiterverbunden. Die hat mir eure Adresse gegeben.«
Können diese strahlenden Augen weinen?
Das Grinsen auf einigen Gesichtern, lies erkennen, dass Frau Altmann fleißig Werbung für den »Treffpunkt« macht.
»Setz dich mal irgendwo dazu. Heute haben wir kein hochtrabendes Programm. Wir planen nur den 5. Geburtstag des ‚Treffpunkts'.«
Daniel war am schnellsten beim Winken. Das brachte ihm einige neidvolle Blicke aus der Gruppe ein. Anscheinend machte Manuel bei mehreren Eindruck. Mein dankbarer Blick brachte Sascha schon wieder fast zum Schreien. Dem kamen echt die Tränen.
»Hi, wie ihr sicher mitbekommen habt bin ich der Manuel! Was gibt es den zum Lachen?«
»Das war ein Insider wegen deiner ‚Art der Kontaktaufnahme'.« Danke Daniel!
»Achso. Darf ich?«
Wir nickten und schon saß mein Traum neben mir. Aus der Nähe sah er noch besser aus. Er hat eine kleine Narbe unter dem rechten Auge. Dieser kleine Schönheitsfehler machte ihn irgendwie noch perfekter.
»Also das ist der Frank, der kommt auch aus der Pampa. Das hier neben mir ist Sascha mein Freund und ich heiße Daniel.«, übernahm Daniel wieder das Wort.
»Wieso habt ihr über die Sache mit der Auskunft gelacht?«
»Weil es irgendwie immer mehr werden, die über diesen Weg kommen.«
»Wie viele sind es den ungefähr?«
»So circa zehn bis zwanzig Prozent. Bis jetzt haben wir erst einen über unsere Homepage angeworben!«
Den Blick hätte sogar ein Blinder mit einem Krückstock verstanden. Danke Daniel!
»Du bist also über die Homepage gekommen. Hast du den URL noch?«
»Nein, leider nicht. Ich habe zuhause kein Internet. Da spielen meine Parents einfach nicht mit. Ich war in unserer Kreisstadt im ‚Bookmark', das ist ein Internetcafé.«
Wow, ich habe den Satz ohne stottern rausgebracht.
»Hey, dann kommst du zumindest aus dem selben Landkreis wie ich!«
WAS? Mein Herz! Der Boy wohnt in meiner Nähe? Wieso grinst Daniel so? Achso, bei seiner Mom muss ich mich wohl sehr bedanken.
»Ist eure Vorstellungsrunde mal beendet?«, reißt mich Michael aus meinen Gedanken.
»Ja!«, kam es aus vier Kehlen. Das brachte den Rest der Truppe zum Lachen.
»Aha, die ertappten Sünder sind reumütig.«
»Nein, wir unterbrechen nur, damit deine Stimmbänder nicht einrosten.«
Typisch Daniel. Er hat das letzte Wort! Nur im positiven Sinn.
Der Rest des offiziellen Teils verging mit den diversen zu planenden Kleinigkeiten. Interessant wurde es nur, als es um die Bar ging. Irgendwie wurde über die Stammmannschaft nicht geredet. Es ging nur über die Vertreter. Dazu verordnete Daniel den Manuel und mich. Danke Daniel. Ich glaube, das muss ich noch öfter sagen.
»Wieso wird eigentlich nur über die Vertretung geredet?«, kommt es von Manuel. Er spricht mir aus dem Gesicht. Da war die Frage nämlich auch schon abzulesen.
»Ganz einfach, Sascha und ich sind ein eingespieltes Team in dem Job. Wir machen das ja auch bei diversen privaten Partys.«
»Wir zwei sollen euch also vertreten. OK. Ich werde schauen, ob ich mir das mit dem Zug in nächster Zeit noch mal leisten kann.«
»Ich kann dich ja gerne mitnehmen!« Das kaum merkliche Nicken von Daniel fiel zum Glück nur mir auf. Ich glaube, der bekommt heute noch einen Kuss von mir, oder besser doch nicht, sonst bekomme ich wiederum Ärger mit Sascha.
Der Rest der Tagesordnung war eher fade. Als Termin einigte man sich auf den Samstag in vier Wochen, da der am genauesten am Termin des 1. Treffens lag.
Nach dem offiziellen Teil ging es an den kameradschaftlichen. Da letzte Woche Disko angesagt war, ging es heute in ein schwules Café. Dort konnte man auch ein bisserl besser reden. Dieses konnten wir zu Fuß erreichen.
Beim Café angekommen ging Michael vor. Wir gingen in einen kleinen Saal für Feiern oder eben Gruppenbesuchen. Michael setzte sich allein an einen Tisch. Irgendwie wirkte er sehr trübsinnig. Daniel lotste unser Vierergespann, zielsicher zu diesem Tisch.
»Dürfen wir?«
»Klar, sorry aber irgendwie bin ich noch immer bei meinem Schatz. Hoffentlich ist er bis in vier Wochen wieder auf den Beinen.«
»Bei deiner Pflege sicher!«
»Mein Freund liegt gerade mit nem bzw. jetzt ohne einen Blinddarm im Krankenhaus«, erläuterte Michael den Sachverhalt nochmal für Manuel, der etwas fragend geschaut hatte.
Irgendwie setzte dieser Satz einen Denkprozess bei Michael in Gang.
»Komm mal bitte mit Daniel!«
Damit waren die beiden weg.
»Was hat der den?«, kommt es von Sascha. Doppeltes Schulterzucken antwortet ihm.
»Du kommst also auch aus meinem Kreis. Woher den genau?«, begann Manuel ein Gespräch mit mir.
Nachdem ich es ihm gesagt hatte, grinste er.
»Da wohnen wir ja kaum 10 km auseinander. Wir haben uns sicher schon mal getroffen. So als kleine Zwacken. Da hat mich mein Dad immer zu seinen Raiffeisensitzungen mitgeschleift. Da war immer ein Frank, der auch von seinem Vater mitgenommen wurde.«
»Stimmt. Cool. Wohnen kaum 10 km auseinander und treffen uns hier in der City. Daher auch die Liebe zu Pferden? Du hängst irgendwie mit dem Gestüt zusammen!«
»Stimmt, langsam kommt dein Gedächtnis in Schwung. Meinem Dad gehört es!«
»Hey ihr zwei, sorry das ich mich einschalte«, meldet sich Sascha mal wieder zu Wort, »kann es sein, dass ihr auch Reitkurse für verzogene Stadtbengel gebt?«
»Ja, aber da versuche ich mich möglichst abzusetzen. Die sind meistens Arschlöcher.«
»Danke für die Blumen. Ich glaube, ich war da mal für eine Woche in den Ferien um Reiten zu lernen. Der Sohn des Hauses war auch nicht da. Die Mutter meinte nur, dass wir uns von der Art so ähnlich wären.«
»Im nachhinein könnte das ja stimmen«, grinste ich.
»Hast du wenigstens anständig reiten gelernt?«
»Nein. Das hat mir erst Daniel richtig beigebracht.«
Ein Blickkontakt zwischen Manuel und mir und wir brüllten los. Wir lachten Tränen.
»Ihr zwei seid verdorben!«
Das konnte uns allerdings auch nicht beruhigen. Wir brauchten nur kurz auf Sascha schauen, um wieder loszulachen. Da kamen Michael und Daniel wieder. Michael wirkte irgendwie sehr erleichtert.
»He, was ist den hier los?«
Nachdem wir Daniel das Gespräch erläutert hatten, lachten dieser und Michael auch erstmal los.
»Nein, ich kann reiten, da meine Mom Pferdenarr ist. Auf einem gemeinsamen Urlaub haben wir es mit gemeinschaftlichen Überredungskünsten geschafft, Sascha wieder auf ein Pferd und zum Reiten zu bekommen.«
»Das war der größte Fehler meines Lebens. Jetzt bin ich für den nächsten Urlaub schon wieder als Begleiter eingeplant.«
»Na es hat doch auch angenehme Nebeneffekte. Du wirst meine Mom eh noch kennen lernen, Manuel. Ich hoffe es macht dir nichts aus, dass noch jemand bei mir übernachtet.«
Was, neben Manuel schlafen? Ich bekomme ja gleich einen Herzinfarkt!
»Warum denn das jetzt Michael?«
Klang das ein wenig enttäuscht? War Manuel etwa hinter Michael her? Irgendwie tat mir das weh.
»Du hast gehört, dass mein Freund im Krankenhaus ist. Der ist sehr leicht eifersüchtig. Sein großes Laster. Wenn der da gewesen wäre, hätte es überhaupt keine Probleme mit dem Übernachten gegeben, aber ich will ihn nicht noch zusätzlich belasten. Er soll erstmal gesund werden.«
»Schon OK. War nur etwas geschockt. Gibt es da bei dir keine Probleme, Daniel?«
»Nein. Ich habe schon mit meiner Mom telefoniert. Es ist kein Problem. Ich soll nur aufpassen, dass ihr in getrennten Schlafsäcken schlaft.«
Das brachte wieder etwas Stimmung in unseren Tisch, der zuletzt etwas gar ernst wirkte. Es wurde noch ein recht lustiger Abend, da wir immer wieder auf die Reitkünste von Daniel und Sascha zurückkamen. Michael tat das Lachen sichtlich gut. Irgendwann machten wir uns doch auf den Weg zu Daniel.
Diesmal brachte Sascha uns drei zu Daniel. Manuel und ich gingen dann ein bisserl vor. Daniel hatte mir den Haustürschlüssel mitgegeben. Ich sollte einfach in sein Zimmer gehen und die Haustür angelehnt lassen. Die beiden hatten wohl noch was zu bereden. Also machte ich mich mit Manuel an den Aufstieg in den 5. Stock.
Ein paar Minuten später kam Daniel dann auch. Wir waren alle total kaputt. Es war doch extrem spät im Café geworden. Wir legten uns recht schnell in die Schlafsäcke. Daniel machte das Licht aus.
»Gute Nacht ihr zwei.«
»Gute Nacht allein!«, kam es im Chor zurück. Wir mussten schon wieder lachen.
Mit einem Blick auf den dunklen Körper der Manuel heißt schlief ich ein.
Kapitel 8
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, geschah dies mit dem schönsten Anblick, den man sich nur vorstellen kann. Daniel war auch gerade beim Aufwachen. Leise schlichen wir uns aus dem Zimmer, um Manuel nicht aufzuwecken. Der sah wirklich wie ein schlafender Engel aus.
»Guten Morgen ihr zwei.«
»Guten Morgen.«
»Schläft unser dritter Besucher noch?«
»Ja. Danke noch mal Mom. Du hast ne Beziehungskrise bei Michael abgewendet.«
»Kein Problem. Ist dir jetzt klar, wieso du diese Woche wieder hier sein solltest, Frank?«
»Ja. Danke noch mal Frau Altmann.«
»Spar dir das förmliche. Ich heiße Maria. Es ist sowieso noch besser, wenn Manuel nicht mitbekommt, wie ich heiße. Aus bekanntem Grund!«
»Logisch.«
»Melanie schlief heute sowieso bei Isabelle. Dadurch ist noch ein Stuhl frei. Daniel weckst du Manuel. Frank hilfst du mir beim Herrichten?«
»Logisch Frau Alt... äh ... Maria.«
»Schon besser!« Mit diesen Worten verschwand der erhobene Zeigefinger.
Ein paar Minuten später tapste Manuel zu uns in die Küche gefolgt von Daniel.
»Guten Morgen zusammen. Kann mir jemand sagen, was mit mir los ist? Normalerweise bin ich Frühaufsteher. Heute bin ich der Letzte. War anscheinend doch ein bisserl zu viel Aufregung gestern!«
Irgendwas war anders als gestern. Irgendwie wirkt das Gesicht anders. Richtig.
»Wieso hast du die Brille gestern nicht aufgehabt?«
»So toll finde ich die nicht.«
»Du schaust mit und ohne Brille super aus!«
»Danke.«
Wenn er verlegen ist, wirkt er ja noch süßer! Verdammt!
»Setz dich und greif zu. Das bringt den Kreislauf in Schwung.«
Beim Essen herrschte schweigen. Danach erzählte ich Frau Altmann ... äh ... Maria, die Geschichte mit meiner Übernahme. Gut, dass sie die Telefonnummer von meinem Personalchef noch nicht hat. Ich glaube der hätte danach ein neues Trommelfell gebraucht. Nach ein paar Minuten war sie wieder ruhig.
»Eigentlich ist das doch für dich echt gar nicht so schlecht. Bewirb dich doch hier bei Banken. Dann kannst du hierher ziehen und bist dein Kaff los.«
Irgendwie schien das Manuel gar nicht zu gefallen. Dies wiederum gefiel mir!
»Das Ganze wird ja noch ein wenig dauern.«
»Das geht schneller als du denkst. Wenn du hier ein Vorstellungsgespräch hast, kannst du ja gerne bei uns vorbeischauen. Das ist angenehmer, als gleich zum Termin zu stürzen.«
»Mist!«, kam es von Manuel. »Jetzt verpasse ich meinen Zug. Das dauert wieder 2 ½ Stunden bis der Nächste geht. Termin war ein gutes Stichwort, leider nur zu spät.«
»Reg dich nicht auf Manuel, ich muss ja auch in die Richtung und ich bin mit dem Auto da. Ich nehme dich mit.«
»Danke. Coole Sache. Es ist schon lästig auf Bahn und Bus angewiesen zu sein.«
»Drum bin ich erst zur Gruppe gekommen, als ich 18 war. Ich bin ehrlich gesagt, nicht mal auf die Idee gekommen, dass ich mit dem Zug fahren könnte.«
»Kannst du mich auch bis in die Kreisstadt fahren? Da steht mein Rad.«
»Ich dachte schon, dein Pferd. Dabei ist es doch der Drahtesel!«, kam es von Daniel.
»Du hast ein Pferd?«
Mit diesem Leuchten in den Augen wirkte Maria gleich wie ein kleines Mädchen, das Pferde liebt.
»Ja. Meinem Vater gehört das Gestüt in unserm Landkreis.«
»Ist es das, wo sie Sascha mal als kleinen Jungen hingeschickt haben?«
»Ich glaube schon, Mom.«
»Irgendwie ist die Welt doch ganz schön klein.«
»Es lässt sich noch Steigern!«, dann erzählte ich, dass wir beide uns auch schon mal getroffen hatten.
Manuel und Daniel's Mom redeten noch etwas über Pferde. Daniel und ich sahen uns an und verzogen uns erstmal zum Tekken spielen.
Nach ungefähr einer 1/4 Stunde kam Manuel auch nach.
»Du Frank, wir müssten langsam los. Ich muss heute noch mit meinem Dad auf irgendein Pferdezüchtertreffen.«
»Kein Problem. Ich habe nur noch auf dich gewartet.«
»Wann kommt ihr zwei denn wieder?« Daniels Grinsen war eindeutig zweideutig.
»Die nächsten zwei Wochen schaut es bei mir ganz schlecht aus. Da bin ich auf Aufbaukurs für die Abschlussprüfung.«
»Bei mir schaut es auch nicht besser aus. Wir schreiben diverse Schulaufgaben. Da ich nicht sitzen bleiben will, muss ich doch was lernen.«
»Also seit ihr beide in drei Wochen wieder da. Da bekommt ihr einen Crashkurs in Sachen Bar von Sascha und mir. Ruf mal an während deines Aufbaukurses. Die meiste Aufbauarbeit hat ja dein Personalchef schon geleistet.«
»OK, kann ich machen. Kann ich dann wieder bei dir übernachten?«
»Logisch. Du auch Manuel, falls Michael die Nerven von seinem Freund weiter schonen will.«
»OK.«
»Ciao Daniel. Wiedersehen Maria. Gruß an Mel.«
»Wiedersehen allerseits.«
Damit waren wir draußen. Bis zu meinem Auto war es ja nicht weit. Während der Fahrt passierte nichts Wichtiges. Abgesehen davon, dass ich mir Manuel noch sehr genau anschaute, war mir wiederum ein etwas mulmiges Gefühl im Magen bescherte. Am Bahnhof ging er zu seinem Rad. Ich begleitete ihn noch. Wir tauschten unsere Visitenkarten. Ich schrieb ihm meine Handynummer auf die Rückseite. Seine war eine ohne Nachnamen. Anscheinend direkt für eher anonyme Dates gedruckt.
»Gute Heimfahrt noch. Ruf mich wegen dem Mitfahren in die City einfach an, oder wenn du Lust hast, mal mit mir zu reden. Ciao Manuel.«
»OK, ich werde dich sicher mal zwischendurch anrufen. Ciao Frank.«
Ab nach Hause. Die Klamotten für die nächste Woche und die Sachen zum Lernen einpacken.
Am Abend konnte ich nur an Manuel denken. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle angerufen. Mist. Ich glaube ich habe mich in ihn verschossen. Das passt ja mal wieder ganz toll. Abschlussprüfung und frisch verliebt. Das kann nicht gut gehen. Irgendwann schlief ich doch ein.
Kapitel 9
Die Woche über passierte nicht recht viel. Bei dem Kurs waren zwar einige recht süße Jungs, aber irgendwie konnte ich nur an Manuel denken. Vom Lernen her ist der Aufbaukurs gigantisch. Ich glaube für die Prüfung hat mir der Aufbaukurs mehr gebracht als die zwei Jahre vorher.
Am Mittwoch rief Manuel auf meinem Handy an. Ich habe ihm erstmal die Nummer von meinem Zimmer gegeben.
»Hi Frank.«
»Hallo Manuel. Schön dich zu hören.«
»Danke. Dito. Wie geht es dir beim Lernen?«
»Es gibt hier keine süßen Jungs, die mich davon ablenken könnten. Also recht gut. Ist halt etwas stressig von morgens halb neun bis um 17:00 Uhr zu büffeln. Ich falle jeden Abend nur noch ins Bett.«
»Fährst du das Wochenende nach hause?«
»Ja. Sonst fangen sich in meinem Kopf die Formeln noch zu drehen an.«
»Hey, hast du vielleicht Lust übers Wochenende zu mir zu kommen?«
»Klar. Geht das bei deinen Eltern so einfach?«
»Die haben damit kein Problem. Wir haben hier ja oft genug Stadtkinder in den Ferien da. Da können wir dich auch einquartieren. Wenn es schön ist, kannst du ja mit dem Rad zu mir kommen. Da können wir hier ne schöne Radtour machen.«
»Was verlangst du von meinen faulen Knochen? Willst du mich umbringen?«
»Nö. Es wäre schade um dich. Aber deine Faulheit werde ich schon besiegen. Wenn du dein Rad nicht dabei hast, bringe ich dir reiten bei!«
Da brauchte ich erstmal ein bisserl um mich zu beruhigen.
»He. Da machen wir die Tour mit Pferden, anstatt mit den Rädern. Nichts anderes!«
»Schon OK. Ich musste nur an das Gesicht von Sascha denken.«
»Stimmt schon. Wenn du willst, kann ich dir ja einen Grundkurs in Reiten verpassen, auch wenn du mit dem Rad kommst. Das ist dann mal was anderes zum Lernen.«
»Na. Das überlege ich mir noch sehr genau. Ich stehe diesen Tieren einfach sehr skeptisch gegenüber. Alles was größer als ich ist, macht mir ein bisserl angst.«
»Aha, der Herr hat Angst vor mir. Gut!«
Stimmt ja, Manuel ist einen halben Kopf größer als ich. Ups. Verplappert.
»Ich zittere vor dir großer Manuel.«
»Daran könnte ich mich gewöhnen. Ruf mich einfach an, sobald du zuhause bist. Da können wir das weitere Ausmachen.«
»OK. Schlaf gut und träum was Schönes.«
»Klar. Du auch! Ciao.«
»Ciao Manuel.«
Das waren ja schöne Aussichten für das Wochenende. Hoffentlich muss ich da nicht zu viel lernen.
Am Freitag hatten wir Mittag aus. Dadurch war ich wenigstens einigermaßen normal zuhause. Ich habe mich gleich an die Strippe gehängt.
»Frank Kaufmann.«
»Moment ich rufe Manuel. MANUEL TELEFON. Er kommt gleich.«
»Hi. Manuel hier.«
»Hi ich bin es!«
»Hallo Frank.«
»Was sagt den der Wetterfrosch für die nächsten Tage?«
»Ganz schön. Da kannst du ohne weiteres mit dem Rad zu mir fahren. Du darfst morgen früh gleich losradeln. Meine Mom hat dich beim Mittagessen schon einkalkuliert.«
»Was tust du mir an? Ich muss erstmal schauen, ob die Kette von meinem Rad nicht durchgerostet ist, seit ich einen Führerschein habe.«
»Du hast ja heute Abend noch Zeit zum reparieren.«
»Witzig. Ich muss sowieso noch ein paar Sachen zum Lernen mit zu dir nehmen. Heute Abend muss ich noch schauen, was da sonst noch alles rumschwirrt, das nicht ganz so wichtig zu lernen ist.«
»OK. Wann bist du dann morgen da?«
»Wie fahre ich von hier aus am besten? OK. Wenn ich so um zehn hier loskomme, bin ich bis elf locker bei dir, vorausgesetzt ich verfahre mich nicht.«
»Für die Strecke kalkulierst du eine Stunde? Willst du unterwegs ne halbe Stunde Pause machen?«
»Nein, aber ich habe einen Rucksack voll mit Büchern dabei.«
»Übertreib es nicht mit dem Lernen. Es bringt dir nichts, wenn du alles in dein Gehirn reinschüttest, aber dabei alles durcheinanderbringst.«
»Na mal sehen, zu wie viel ich bei dir komme.«
»Nicht viel! Versprochen! So also dann bis morgen. Schlaf gut. Schöpfe schön viel Kraft du wirst sie morgen brauchen.«
»Röchel. OK. Träum was Schönes. Bis morgen.«
Den Koffer auspacken, den Rucksack vollpacken. Sicherheitshalber auch den Schlafsack einpacken. Auswählen, was alles zum Lernen mitgenommen wird. Rad überprüfen. Damit war der Rest des Abends erledigt.
Kapitel 10
Am nächsten Morgen schaffte ich es doch tatsächlich, dank meines Weckers einigermaßen pünktlich wegzukommen. Um Viertel vor elf hatte ich die Strecke geschafft und fuhr auf das Gestüt. Mann oh Mann! Das ist ja ein richtiges altes Herrenhaus. Da würde ich gerne mal drin wohnen. Aber das würde ich ja zumindest für eine Nacht. Ich brauchte nicht mal Klingeln, da kam mir Manuel schon entgegen.
»Hi Frank. Du bist ja wirklich bis oben hin bepackt.«
»Dachtest du, ich rede Blödsinn? Hallo Manuel.«
Beinahe hätte ich ihn umarmt. Mann! Der schaut noch süßer aus als ich ihn in Erinnerung habe.
»Komm rein. Schmeiß deinen Rucksack auf die Treppe. Hi Mom, das ist Frank. Frank das ist meine Mom.«
»Hallo Frank, sag Christine zu mir.«
»OK. Hallo!«
Weiter ging die Jagd durch das Haus.
»Dad, das ist Frank. Frank mein Dad.«
Ein kurz gemurmeltes »Hallo« kam hinter der Zeitung hervor.
Wir verzogen uns erstmal nach oben. Hier zeigte er mir das Gästezimmer, in dem ich schlafen werde. Coole Sache. Man merkte, dass öfter eher junge Gäste darin schliefen. Nachdem ich meinen Rucksack in eine Ecke verfrachtet hatte, ging es in Manuels Zimmer. Chaos! Das ist einfach die beste Umschreibung.
»Sorry, bei mir schaut es ein bisschen chaotisch aus. Ich habe nicht extra wegen dir aufgeräumt. Du sollst ja wissen, mit wem du dich einlässt.«
Höre ich da etwas raus? Ach was. Ich interpretiere mal wieder zu viel hinein.
»Na keine sorge, bei mir ist Ordnung auch nur aus dem Lexikon bekannt.«
»Da bin ich ja mal beruhigt. Soll ich dir die Ställe zeigen, bis es Mittagessen gibt?«
»Klar gerne.«
»Na dann mal los. Wer eher an der Eingangstür ist.«
Weg war er. Irgendwie wirkte er heute um Jahre jünger. Fast so als würde es an mir liegen. Ach vergiss es. Träum weiter. Natürlich war er wegen meiner Träumerei viel schneller.
»Wo bleibst du den?«
»Immer sachte. Ein alter Mann ist kein D-Zug!«
»Jetzt übertreib nicht so!«
Bis Mittag hatten wir einmal den ganzen Hof durch. Das waren genug Pferde für einen Tag. Das Mittagessen war echt gut. Nach dem Essen machten wir uns mit den Rädern vom Acker bzw. eher auf den Acker. Das, was Manuel als einfache Radstrecke bezeichnet, erkannte ich nicht mal als Weg. Nach einer Weile kamen wir an einen kleinen See.
»Hier kann man wunderbar baden. Hast du Lust?«
»Lust schon, aber keine Badehose dabei.«
»Was soll der Schmarn. Schon mal was von FKK gehört. Handtücher habe ich im Rucksack. Also weg mit den Klamotten.«
Na da blieb ja nichts anderes übrig. Irgendwie kommt mir das Ganze etwas arg geplant vor. Kann es sein, dass da jemand neugierig ist, wie ich im Adamskostüm ausschaue, oder bilde ich mir das schon wieder nur ein? Klamotten runter und ab ins Wasser. Brr. Das war ganz schön frisch. Vorteil davon war, dass mein bestes Stück nicht auf dumme Gedanken kommen konnte. Nach ein wenig Plantschen stiegen wir wieder aus dem Wasser und trockneten uns ab. Danach legten wir uns noch ein wenig in die Sonne. Das war einfach wunderschön. Sonne tanken und einen süßen jungen Mann neben mir. Langsam wurde es an unserem Liegeplatz schattig und damit kalt. Wieder rein in die Klamotten und weiter. Manuel wollte mir noch eine schöne Stelle zeigen, bevor wir uns wieder zu ihm nachhause auf den Weg machen. Nach einer halben Stunde und einigen Höhenmetern waren wir endlich am Ziel. Mir ging der Atem wie ein Blasebalg. Halt null Kondition.
»Das müssen wir wohl noch öfter machen, bevor du richtig fit wirst!«
»Gnade!«
»Schau dir lieber mal die Aussicht an, damit du wenigstens siehst, dass sich die Schinderei auch lohnt.«
Wir waren auf einem Hügel, von dem aus man die ganze Umgebung wunderbar sehen konnte. Der einzige Baum in der Nähe war eine riesige Eiche.
»Unter der sitzen immer die verliebten Paare. Da will ich auch mal mit meinem Freund sitzen und die Sonne untergehen sehen.«
Verdammt noch mal. Seine Augen flehen ja fast, dass ich den Vorschlag mache uns hinzusetzen. Warum bringe ich den Mund nicht auf? Ich will es doch auch! Mist das dauert zu lange.
»Ich wollte es dir nur mal zeigen. So jetzt fahren wir wieder nachhause.« Irgendwie klang es unterkühlt und enttäuscht. Kein Wunder!
Den Rest der Fahrt haben wir kaum geredet. Auch als wir wieder bei ihm waren, war er sehr schweigsam. Erst nach dem Abendessen wurde es wieder besser.
Die ganze Zeit fühlte ich mich extrem schlecht. Ich konnte Manuel kaum anschauen. Verdammt! Warum bin ich so unendlich feige. Ich finde ihn doch total süß. Es ist wunderschön mit ihm zu reden, zu lachen und einfach Spaß zu haben. Mist.
Nach dem Abendessen gingen wir bei ihm etwas Playstation spielen. Durch den ungewohnten Sport war ich aber recht KO. Manuel wollte auch alleine sein, also ging ich recht schnell ins Gästezimmer nebenan um zu schlafen.
Irgendwie ging das aber nicht. Ich wurde die traurig-enttäuschten Augen von Manuel einfach nicht los. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, waren sie wieder da und schauten mich an. Irgendwie schaffte ich es dann doch einzuschlafen.
Außer einigen Albträumen war aber nichts zu erreichen. Dementsprechend fertig sah ich natürlich am nächsten Morgen aus.
Beim Frühstück stellte ich fest, das Manuel auch nicht besser aussah. Anscheinend hatte er auch keine gute Nacht. Ich Depp, habe ihm wohl das ganze Wochenende vermiest. Ich könnte mich in den Hintern treten, dass ich bis auf den Mond fliege. Mir war zum Heulen. Seine Mutter schaute mich zwar etwas komisch an, sagte aber nichts. Sie merkte wohl auch, dass wir beide extrem mies drauf waren. Ich habe mich dann sehr schnell nach dem Frühstück verzogen.
Als ich zuhause war, habe ich mir das Telefon geschnappt, mich in mein Zimmer eingesperrt und Daniel angerufen. Ich wusste mir einfach nimmer zu helfen. Daniel war mal wieder super, der hat mir das Ganze erstmal ausgeredet. Ich soll mir doch bloß keinen Beziehungsstress vor meinen Prüfungen machen. Ich soll mich erstmal auf das Lernen konzentrieren usw. Ich glaube bei fast jedem anderen wäre das abgeprallt, aber wenn Daniel es sagte, half es. Seltsam, wie man zu manchen Menschen vertrauen fassen kann.
Den Rest des Tages und die nächste Woche versenkte ich mich in meinen Büchern, um ja nicht an Manuel denken zu müssen. Jedes Mal beim Essen oder den gemeinsamen Freizeitaktivitäten kam es wieder hoch. Jedes Mal sah ich wieder Manuels traurige Augen und hätte wieder losheulen können.
In dieser Woche passierte eigentlich nichts mehr von Bedeutung, wenn man davon absieht, dass ich bei der simulierten Prüfung am Samstag als Zweitbester vom Feld ging. Das war sehr gut, da ich das auch für die Bewerbungen nutzen konnte.
Das hatte ich nämlich in den zwei Wochen auch gemacht. Inserate rausgesucht, Bewerbungen geschrieben und die Unterlagen fertiggemacht. Am Montag warf ich 10 Bewerbungen, alle für Jobs in der City, ein.
Mit jedem Tag der folgenden Woche rückte das Wiedersehen mit Manuel näher. Hoffentlich ist Michaels Freund wieder auf dem Damm, noch eine Nacht neben ihm halte ich nicht durch. Am Mittwoch rief ich Daniel wegen übernachten an. Es war nur seine Mutter da, aber die sagte gleich zu.
»Ach ja Frank, nimm dir die Sache mit Manuel nicht zu sehr zu herzen. Es dauert manchmal ein wenig bis man zusammenkommt. Vielleicht klappt es ja irgendwann bei euch beiden. Wie schaut es mit den Bewerbungen aus?«
Hat Daniel also mit seiner Mom drüber geredet. Na ja so war's nicht gedacht. Aber was soll's. Wenigstens in den richtigen Händen. Warum weiß die jetzt aber von den Bewerbungen?
Richtig, die hatte ich ja am Anfang des Gesprächs erwähnt, um noch mal anzuklären, ob ich da wirklich bei Altmann's vorbeikommen kann.
»Nicht toll. Von den 10 abgeschickten habe ich heute drei Absagen bekommen.«
»Kopf hoch. Es sind noch sieben im Umlauf. So, ich muss zur Arbeit. Am Wochenende müsst ihr euch morgens allein versorgen, ich habe Frühschicht.«
»Ist doch OK. Haben Sie eigentlich nie am Wochenende frei?«
»Ich könnte schon mal am Wochenende frei machen, aber da sind die meisten Fälle, die psychologische Betreuung brauchen. Speziell Freitag und Samstag.«
»Ja stimmt. Der Wochenendfrust, wie bei mir auch.«
»Genau! Nimm es mit Humor. Meistens ist es weniger schlimm, als man zuerst denkt.«
»OK. Ich gebe mir mühe. Schönen Tag noch!«
»Dir auch. Ciao Frank.«
»Ciao.«
Am Donnerstag kam noch eine Absage, am Freitag gleich zwei. Eine ganz tolle Woche. Immerhin war eine der Absagen vom Freitag mit einem Schreiben dabei, das nicht total negativ klang. So frei nach dem Motto, es tut uns leid, wir stellen erst nach einer bestandenen Prüfung oder Auszubildende ein. Mit meinen Vorprüfungsergebnissen würden sie sich allerdings freuen, wenn ich mich nach der bestandenen Abschlussprüfung nochmals bei ihnen bewerben würde. Das war immerhin eine Begründung. Anscheinend schaut es bei den anderen Banken ähnlich aus. Na ja, vier Bewerbungen laufen ja noch. Meine Stimmung war trotzdem am Tiefpunkt. Einmal noch schlafen und dann muss ich wieder in diese traurigen Augen sehen.
Kapitel 11
Schlafen konnte man den Zustand in der folgenden Nacht wirklich nicht nennen. Ich würde es eher als rotieren bezeichnen. Ich sah am Morgen wieder mal wie eine wandelnde Leiche aus. Albträume über Arbeitslosigkeit und Manuel hatten sich abgewechselt.
Als ich spät Nachmittag bei Daniel ankam, hat dieser erstmal einen Schreck bekommen.
»Hi Frank. Du schaust ja schlimm aus! Blas wie die Wand.«
»Hallo Daniel. Mir wächst halt momentan alles etwas über den Kopf. Kaum glaube ich irgendwo wieder Land zu sehen, kommt der nächste Hammer hinterher.«
»Das kenne ich. Aber das geht wohl jedem so. Wenn's kommt, dann immer alles auf einmal.«
»Aber man kann es auch übertreiben. Mittlerweile sind es sechs Absagen.«
»Komm Frank. Wem das Wasser bis zum Hals steht, der darf den Kopf nicht hängen lassen! Das sagt meine Mom immer. Da ist was Wahres dran.«
»Stimmt schon. Aber mich macht es langsam echt fertig.«
»Das ist nicht zu übersehen. Gut, das wir heute Abend nicht mit weggehen können. Wir müssen heute auf Mel und Isabelle aufpassen.«
»Da können wir dann gar nicht zum Treffpunkt.«
»Doch natürlich. Bis wir wieder da sind, dürfen die Zwei aufbleiben.«
»OK. Wann fahren wir los?«
»Jetzt dann. Manuel und Du bekommt heute den Crashkurs ‚Barbetrieb'. Rechne bei Manuel heute mit dem schlimmsten. Ihr seit zwar nicht zusammen, aber irgendwie wirkt es genauso wie vor einiger Zeit, als Sascha und ich uns in die Wolle bekommen haben.«
»Willst du es mir erzählen?«
»Eigentlich nicht so sehr, aber irgendwie muss ich dich ja aufbauen. So kann man sich ja mit dir überhaupt nirgends mehr sehen lassen. Das war mal wieder absolut doof. Wir hatten uns über irgendeine Kleinigkeit in die Haare bekommen. Das eine ergab das andere. Ich warf ihm das an den Kopf. Er legte eins drauf. Ich legte eins drauf. Irgendwann gaben wir uns gegenseitig die Ringe zurück, die wir für den andern besorgt hatten.«
Damit zeigte er auf den feinen Silberring, den er am rechten Ringfinger hatte.
»Am nächsten Abend unserer Gruppe tat mir das ganze schon wieder leid, aber ich wollte nicht nachgeben. Genauso Sascha. Mir wurde es dann zu doof und ich habe vor lauter blöd mit einem der neuen Flirten angefangen. Das ging fast den ganzen Abend so. Sascha hat fast geheult. Mir ist die Macht über ihn in den Kopf gestiegen. Zum Glück hat Michael das Ganze mitbekommen. Der hat uns nachher beide einzeln ins Gebet genommen und uns dann zusammen an einen Tisch gesetzt. Nach einer halben Stunde waren wir wieder zusammen und tauschen unsere Ringe nochmals. Seitdem gab es nie wieder solche Probleme zwischen uns. Wenn einem etwas nicht passt, reden wir sehr schnell darüber, damit es sich nicht mehr aufstaut.«
»Was hat das den mit Manuel und mir zu tun? Wir sind doch noch nie zusammen gewesen.«
»Aber beinahe. So wie ich es sehe, wolltet ihr beide zusammenkommen. Aber als er ein Zeichen von dir verlangte, hast du es ihm nicht gegeben. Darüber ist er enttäuscht. Rechne auf jeden Fall heute mit irgendwelchen Aktionen, die dich verletzten sollen. Bitte Versuch du es nicht auch. Auch Manuel beruhigt sich wieder.«
»Danke für die Vorwarnung. Jetzt bereue ich, dass wir beide ein Team bilden sollen.«
»Warum denn? Lass es auf dich zukommen. Übrigens kann Manuel sicher bei Michael schlafen. Das habe ich vorher schon abgeklärt.«
»OK! Danke!«
Daniel hatte recht. Der Abend war grauenvoll. Während wir von Sascha und Daniel erklärt bekamen, was wo in der Bar stand und wie ein Bloody Mary gemixt wird, flirtete Manuel mit einem der anderen Gruppenmitglieder, der an der Dekoration bastelte wie verrückt. Dabei schaute er immer wieder mich an. Genau so, als wollte er mir zeigen: Schau her, du bist zu feige, also suche ich mir halt einen anderen. Ich war kurz davor durchzudrehen. Nur ein mahnender Blick von Daniel hinderte mich, glaube ich, daran, Manuel den Kopf zu waschen.
Kurz nach 22:00 Uhr waren Daniel und ich schon weg. Zuhause brachten, oder besser gesagt, zwangen wir die beiden Mädchen ins Bett. Wir gingen kurz darauf ebenfalls ins Bett, nachdem ich mich bei Tekken etwas abreagiert hatte.
»Du Daniel, du solltest dich mal als Prophet bewerben!«
»Danke. Kein Interesse. Vor allem dann nicht, wenn ich schlechte Prognosen von mir geben muss. Ich glaube aber, dass es ab jetzt mit dir nur noch bergauf gehen kann. Tiefer kann ich mir einfach nicht mehr vorstellen.«
»Danke. Ich glaube nicht mehr dran. Vor ein paar Wochen fing es an, mir gut zu gehen. Jetzt stehe ich extrem im Regen. Alles, was ich anpacke, geht momentan daneben. Ich hoffe bloß, dass ihr beide als Barteam nächste Woche nicht ausfallt.«
»Das glaube ich auch nicht. Aber es kann uns passieren, das wir zu viert hinter die Bar müssen. Es haben sich eine andere Jugendgruppe und der Bürgermeister angesagt. Da kommt auf jeden Fall viel Presse. Gut, das sowas nur hier im Lokalteil veröffentlicht wird. Sonst würdet ihr wohl beide ausfallen.«
»Na das sind ja schöne Aussichten. Na dann gute Nacht.«
»Schlaf ebenfalls gut. Bessere Träume als in der letzen Zeit.«
Von wegen, die Albträume wurden immer schlimmer. Jetzt kam noch ein grinsender, schleimiger Bürgermeister dazu, der mir alle Jobabsagen handsigniert vor der versammelten Gruppe überreicht. Ich war am Morgen wieder mehr geschafft, als am Abend, als ich mich schlafen gelegt habe.
»Guten Morgen, Frank.«
»Guten Morgen!«
»Dich hat es wirklich extrem ernst erwischt. Du hast heute Nacht nach Manuel gerufen.«
»Da kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Dafür hatte ich einen miesen Traum mit dem Bürgermeister. Was meinst du, wie ein Personalchef reagiert, wenn er in der Früh die Zeitung mit der Fünf-Jahres-Feier vom Schwulentreff mit mir hinter der Bar und danach meine Bewerbung liest.«
Jetzt war es mal für Daniel an der Zeit blass zu werden.
»Mist verdammter! Daran haben wir überhaupt nicht gedacht. Das kläre ich noch mit Michael ab. Notfalls stellen wir halt den hinter die Bar. Der kennt das ja schon. Aber siehst du, zu irgendwas sind Albträume doch gut. Ich hätte da nie dran gedacht.«
Das Frühstück lief eher schweigend ab. Die beiden Mädchen waren etwas überrascht, uns beide in einer miesen Laune vorzufinden. Anscheinend hatte mein Albtraum auch Daniel schwer auf das Gemüt gedrückt. Ich habe mich dann auch sehr schnell auf den Weg nach Hause gemacht. Von den langsam üblichen Einschlafproblemen erzähle ich jetzt mal nicht mehr. Diesmal waren es nur nicht die traurigen, sondern die wütenden Augen Manuels, die mich am Einschlafen hinderten.
Kapitel 12
Die nächste Woche startete sehr gut. Kaum zu glauben nach den letzten Wochen. Der Briefträger hatte einen Brief dabei, der mal nicht meine Unterlagen enthielt. Ein renommiertes Privatbankhaus bittet mich darin, mich wegen des Termines zu einem Vorstellungsgespräch mit Herrn Marcus in Verbindung zu setzen. Ich hatte zwar wenig Hoffnung, diesen noch am Montagabend zu erreichen, hatte mich aber getäuscht. Nach dreimaligem Klingeln hatte ich Herrn Marcus am Telefon. Im folgenden Gespräch wurde der Termin für Donnerstag um 14:30 Uhr eingeplant. Außerdem machte mich Herr Marcus darauf aufmerksam, dass es gut wäre, wenn ich vorhätte, näher zu meinem Arbeitsplatz zu ziehen. Diesen Punkt konnte ich gleich erledigen.
Also am nächsten Donnerstag wieder in die City. Ich rief gleich bei Altmanns an. Daniel war etwas erstaunt, mich so schnell wieder zu hören, er dachte schon an das Schlimmste und war sehr beruhigt, als er den Grund meines Anrufs erfuhr.
»Hey cool! Siehst du es, geht doch schon wieder bergauf. Ich habe da erstmal Schule. Jetzt schauen wir mal auf dem Schichtplan meiner Mom. Sie hat frei. Du musst dich dann halt mit meiner Mom allein vergnügen. Aber ich glaube ihr beide werdet euch nicht gegenseitig auffressen.«
»Glaube ich auch nicht. Treffen wir uns am Donnerstag noch nach dem Vorstellungsgespräch?«
»Klar. So lange dauert die Schule nun auch wieder nicht.«
»OK. Bis dann. Bereite deine Mom bitte auf einen extrem nervösen Frank vor.«
»Sicher doch. Aber denke dir nichts, es kann nur besser werden. Du hast wohl doch langsam genug Seelenregen abbekommen.«
»Dein Wort in viele Gehörgänge. Ciao Daniel.«
»Ciao Frank und viel Glück und Erfolg am Donnerstag!«
»Danke.« Aber dies Verhallte schon ungehört.
Am nächsten Morgen bin ich gleich zu meinem Chef. Wie versprochen, war es überhaupt kein Problem am Donnerstag frei zu bekommen.
Dieser rückte unaufhaltsam näher. Meine Nervosität stieg immer weiter. Zu gern hätte ich mit jemandem darüber gesprochen, aber Daniel wollte ich nicht schon wieder anrufen, Nicole war im Schullandheim und von Manuel hatte ich zwar die Nummer, aber nicht mal den Nachnamen. Bei Daniel hatte ich daran gedacht auf das Namensschild an der Tür zu schauen, bei dem Besuch bei Manuel war ich zu doof. Ganz abgesehen davon, dass ich viel zu Stolz gewesen wäre, um Manuel anzurufen.
Als wüssten die anderen Banken, dass ich einen Vorstellungstermin hätte, kamen erstmal keine weiteren Absagen. Am Donnerstag machte ich mich mit meinen besten Klamotten im Gepäck auf den Weg zu Altmann's.
»Hallo Frau Altmann ... äh ... Maria. Daran muss ich mich erst gewöhnen.«
»Hallo Frank, damit beeile dich mal lieber. Das ‚äh' wirkt immer etwas komisch.«
»Na danke. Hoffentlich passiert mir sowas heute um 14:30 Uhr nicht.«
»Sicher nicht. Da passt du schon auf!«
So ging es weiter. Maria war echt Spitze. Sie schaffte es, mir die schlimmste Nervosität zu nehmen. Irgendwann ging es dann Richtung Bankhaus. Pünktlich traf ich dort ein und fragte am Empfang nach Herrn Marcus. Zwei Minuten später holte mich dieser ab. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf.
1. Sah der Typ verdammt gut aus.
2. War der höchstens 25 vielleicht 26.
»Hallo Herr Kaufmann. Ich bin Herr Marcus.«
»Guten Tag Herr Marcus.«
»Stimmt etwas nicht?«
»Doch ... ich hatte mir einen Personalverantwortlichen nur älter vorgestellt.«
Mist. Das ging ja schon mal toll los.
»Stört es Sie?«
»Nein nicht im geringsten, aber es erstaunt mich halt ein wenig.«
»Ich bin in der Personalabteilung für den Bereich ‚Technik' zuständig. Da sind die meistens Bewerber in Ihrem Alter oder ein wenig älter. Also können Sie sich denken, welcher Teil Ihrer Bewerbung am meisten Eindruck gemacht hat.«
Das ganze Gespräch lief, während mich Herr Marcus zu seinem Büro führte.
»Darf ich vorstellen, dies ist Frau Treter, wenn alles klappt, Ihre zukünftige Chefin.«
Damit wurde mir die Frau vorgestellt, die im Büro auf uns gewartet hatte. Sie wirkte vielleicht zehn Jahre älter als Herr Marcus.
»Guten Tag Frau Treter.«
»Guten Tag Herr Kaufmann.«
»Das mit dem Wohnortwechsel hatten wir ja schon am Telefon beschrieben. Frau Treter, wären Sie so nett, Herrn Kaufmann Ihren Bereich und die Aufgabenstellung zu erklären.«
»Selbstverständlich. Mein Bereich ist für die ganze Technik vom Telefon über Fax bis zu PC's und Servern verantwortlich. Daher sind vorwiegende Techniker ohne Bankausbildung in diesem Bereich. Es gibt aber immer mehr Produkte, die auch auf der technischen Seite eine Bankausbildung benötigen. Also suchen wir momentan junge Bankkaufleute, die etwas Ahnung von Technik haben.«
Das Gespräch lief besser, als ich mir das jemals hätte denken lassen. Nachdem Herr Marcus, das ganze rechtliche Zeug und das Gehalt geklärt hatte, stimmte er sich noch kurz mit Frau Treter ab. Ich könnte den Job haben. Das ging doch ein wenig arg schnell. Ich bat mir eine Bedenkzeit bis nach dem Wochenende aus.
»Überhaupt kein Problem. Damit haben wir gerechnet. Wenn es am Umzug hierher scheitern sollte, sind wir sehr gerne bereit, ihnen mit unserer Immobilienabteilung zu helfen.«
»Ich wünsche Ihnen noch einen Schönen Tag und hoffe, dass Sie sich für uns entscheiden.«
»Auf Wiedersehen Frau Treter.«
Damit war die Dame verschwunden. Anscheinend ein ziemliches Temperament, so wie die Tür zuflog. Anscheinend hatte Herr Marcus denselben Gedankengang.
»Deshalb stehen im Bereich Technik die Bürotüren gleich offen. Sonst müssten die Lager alle paar Monate ausgetauscht werden.«
Da konnte ich mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen.
»So ich begleite Sie noch nach unten. Falls wir uns vorher nicht mehr sehen, wünsche ich Ihnen schon mal viel Glück bei Ihrer Abschlussprüfung. Ich hoffe Sie schaffen diese genauso gut wie die Generalprobe.«
»Dankeschön. Ich wünsche einen schönen Tag noch. Auf Wiedersehen Herr Marcus.«
»Auf Wiedersehen Herr Kaufmann.«
Puh. So erleichtert war ich schon lange nicht mehr. Im Moment existierte kein Gedanke an Manuel und die Baraktion am Samstag. Ich ging aus der Bank und war irgendwie verdammt froh, da raus zu sein. Fast zwei Stunden. Ich hatte mit einer Stunde gerechnet.
»Hey Frank, warte auf mich. So erkennt man dich ja kaum. Wahnsinn wie die Klamotten einen Menschen verändern.«
»Hi Daniel. Hast du auf mich gewartet?«
»Klar. Bin gleich nach der Schule her. Da drüben ist ein Café mit direktem Blick zum Eingang der Bank. Da habe ich mich auf die Lauer gelegt. Ich glaube der Ober war kurz davor die Polizei zu rufen, so wie ich den Eingang hypnotisiert habe. So wie du strahlst, kann es ja nicht direkt schlecht gelaufen sein.«
»Ich könnte den Job haben. Ich habe mir Bedenkzeit bis Montag ausgebeten. Ich muss jetzt erstmal mindestens einen Familienkriegsrat heile überstehen. Mein Dad ist überhaupt nicht davon begeistert, dass ich langsam Flügge werde und ausziehen will. Der will mich anscheinend weiter unter Kontrolle halten.«
»Schafft er doch jetzt schon nicht mehr!«, grinst mich Daniel an.
»Na mal sehen ob ich ihn rum bekomme. Notfalls muss ich das scharfe Geschütz ‚schwul' ins Gefecht führen, dann schmeißt er mich eh raus!«
»Übertreib nicht so. Komm, ich bin mit dem Auto da. Ich nehm dich ausnahmsweise mit zu mir.«
Bei ihm klärten wir noch, wie der Samstag ablaufen sollte. Dann machte ich mich gleich auf den Weg nach Hause. Das war die erste Nacht seit einigen Wochen, in der ich ruhig schlief.
Am Freitag holte mich mein Chef erstmal ins Büro und gratulierte mir, nachdem ich ihm von dem Ergebnis des Gesprächs in Kenntnis gesetzt hatte. Meinen Eltern habe ich es Freitagabend beigebracht. Mein Dad schluckte ganz gewaltig, als er die Bedingung mit dem in die City ziehen hörte, sagte aber nichts. Noch nichts! Das kommt wohl später.
Meine besten Freizeitklamotten habe ich gleich noch am Freitagabend eingepackt. Man(n) will ja möglichst gut hinter der Bar wirken. Irgendwie fiel mir bei dem Gedanken die Sache mit der Zeitung wieder ein. Ich hätte mich wegen der Bedenkzeit bis Montag selbst in den Hintern beißen können. Wie wird Herr Marcus reagieren, wenn er in der Zeitung von dem 5. Geburtstag des ‚Treffpunkts' liest, daneben mein Foto und dann meine Zusage erhält. Damit war diese Nacht wieder gelaufen.
Kapitel 13
Am Samstag passierte erstmal nicht so viel, wenn man davon absieht, dass mir meine Eltern doch ziemlich aus dem Weg gingen. Da war wohl was im Busch. Sicher konnte ich am Sonntag mit dem Kriegsrat rechnen.
Mittag machte ich mich auf den Weg. Ich hatte vergessen Manuel anzurufen, besser gesagt, ich hatte absichtlich nicht angerufen. Ich wollte ihn überhaupt nicht mehr sehen, redete ich mir ein. Ich versuchte, überhaupt nicht an Manuel zu denken. Mit dem Erfolgserlebnis im Rücken ging das auch einigermaßen.
Bei Daniel angekommen, war Sascha auch schon da. Er fuhr nach ein paar Minuten wieder, um Manuel vom Bahnhof abzuholen. Manuel hatte sich also um eine andere Fahrmöglichkeit gekümmert. Während Sascha und Manuel noch ein paar harte Alkoholika besorgten, kauften Daniel und ich noch ein paar Kästen Bier, Limonade und Spezi. Wir trafen so um 17 Uhr rum im ‚Treffpunkt' ein. Diesen hätte ich beinahe nicht mehr erkannt. Überall hingen Luftballons und in der Ecke war eine große Anlage aufgebaut worden. Daniel bemerkte meinen Blick und grinste.
»Deshalb müssen wir Manuel und dich noch mal in die Schulung nehmen. ‚Lautlose Verständigung' heißt das Lernziel. Daran, dass uns jemand einen DJ mimt, hatten wir überhaupt nicht gedacht. Aber von dem anderen Jugendtreff macht das einer hobbymäßig. Er hat uns gefragt, ob er hier auflegen soll. Wir haben natürlich gerne zugesagt. Gestern tauchte er dann auf, um seine kleine Anlage aufzubauen. Wie schaut dann die Große aus? Also hobbymäßig ist das schon fast nicht mehr.«
»Stimmt. Hast du eine Ahnung, wie viel Watt die Anlage hat?«
»Nein. Michaels Freund hat irgendwas von 2000 gefaselt, aber ich glaube der hat noch untertrieben. Gut, das alle Anwohner hier sein werden oder zugestimmt haben, dass wir bis drei Lärm machen dürfen. Da wussten sie aber noch nicht, was unser DJ als Lärm bezeichnet!«, grinste er.
»Also ist der Freund von Michael wieder fit. Treffe ich den heute mal?«
»Mit 101%iger Wahrscheinlichkeit ja. Jetzt hilf mir mal mit den Kästen. Die müssen hinter der Bar in die Küche. Zitronen und Orangen bringt Michael mit. Eis haben wir schon ins Gefrierfach gegeben. Das ist voll mit Würfeln. Das sollte reichen. Außerdem hat Michael bei sich noch eine Ladung in die Gefriertruhe geworfen für Notfälle. Die haben 3 ganze Pakete von diesen Eiswürfel-Beuteln verarbeitet.«
Wir waren so mit rumräumen beschäftigt, dass ich die Ankunft von Manuel und Sascha erst mitbekommen habe, als ich Manuel beinahe über den Haufen gerannt hätte.
»Hi Frank. Nicht so stürmisch!«
He. Was war den mit dem los? Er war ja fast wieder nett. Besser gesagt, er war nett. Er brachte sogar ein Lächeln auf seine Lippen. Etwas zögernd, etwas vorsichtig, aber ein Lächeln. Na vielleicht wird der Abend doch nicht so belastend.
»Hallo Manuel. Wie geht es?«
»Wieder besser. Danke der Nachfrage. Bei dir?«
»Auch wieder ganz OK. Werde am Montag einen Job hier in der Stadt zusagen.«
Das war das falsche Stichwort. Ich musste automatisch an den Albtraum mit dem Bürgermeister denken. Meine Stimmung rauschte an den Tiefpunkt zurück. Mein hilfesuchender Blick huschte zu Daniel. Der gab mir durch Gesten zu verstehen, dass alles OK ist. Na mal abwarten. Manuel wusste überhaupt nicht, was er von der Situation zu halten hatte.
»Habe ich was falsch gemacht?«
»Nein. Sorry aber ich habe ein bisserl Angst davor, im Lokalteil aufzutauchen, da das mein Personalchef sicher liest.«
»Verständlich. Hast dir wohl selber das falsche Stichwort geliefert.«
»Richtig erkannt Mr. Holmes.«
Wir arbeiten weiter. Die ganzen Flaschen griffbereit stellen. Die leeren Kästen neben den Kühlschrank stellen. Das besorgte Fass aufstellen. Daniel gab uns noch ein paar Tipps zur ‚Lautlosen Verständigung', was wieder mal im Blödsinn endete.
Ich war gerade dabei schon mal ein paar Gläser vorzuspülen, als Michael und sein Freund ankamen. Ich ging in den Gruppenraum, um mir diesen anzuschauen. Besser gesagt, ich wollte gehen. Weiter als bis zur Tür kam ich nicht. Mir gaben die Knie nach. Schlimmer noch als der Bürgermeister war das, was da Arm in Arm mit Michael dastand, und diesem gerade einen Kuss gab. Irgendwie schaffte ich es, mich auf einen Stuhl zu setzen. Dabei warf ich durch eine fahrige Bewegung ein Glas runter. Das brachte mir die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ein. Inklusive die von Herrn Marcus. Dieser kam auf mich zu.
»Hi ich bin der Christoph. Wehe ich höre heute einmal meinen Familiennamen von dir!«
Mehr als ein gestammeltes »Hallo« brachte ich nicht zusammen. Ich war fertig. Mir zitterten die Knie in einer Tour. Manuel war zum Glück nicht im Zimmer. Der hätte sich noch über diesen Anblick gefreut. Wenn man vom Teufel spricht. Da kam er mit einer Kiste voll Obst durch die Tür.
Mit der Reaktion auf meinen jämmerlichen Anblick hatte ich nun am allerwenigsten gerechnet. Sascha konnte gerade noch die Obstkiste auffangen, bevor diese auf den Boden knallt. Herr Marcus ... äh ... Christoph reagierte langsamer und wurde von Manuel sehr unsanft aus der Bahn befördert.
»Was ist mir dir Frank? Ist dir was passiert? Du bist ja blass wie die Wand. Ist es wegen mir?«
Ich konnte nicht antworten. Ich war einfach wie erschlagen. Ich konnte ihn nur anstarren. Anscheinend legte er mein Schweigen als die Bestätigung seines letzten Satzes und fing hemmungslos zu heulen an.
Mist verdammt. Vor mir steht der Boy meiner Träume und heult, weil er meint, für meinen miserablen Zustand verantwortlich zu sein. Irgendwo muss ich noch Kraftreserven gehabt haben. Ich kam wieder auf die Beine. Manuel drehte sich weg. Ich packte ihn an der Schulter und drehte ihn wieder zu mir und küsste ihn einfach. Ich wusste nicht was ich sonst hätte tun sollen. Vor lauter Schreck dachte er nicht mal daran, weiter zu heulen. Ich riskierte es noch mal, küsste ihn länger und umarmte ihn dabei. Jetzt schaltete er auch.
Seine Hände legten sich um mich und zogen mich noch näher zu ihm, als ich es sowieso schon war. Er fing an den Kuss zu erwidern. Seine Zunge drängte sich zwischen meine Lippen, die ich ihm gerne öffnete. Es war das schönste Gefühl, das ich bis dahin je gefühlt hatte. Mittlerweile weinte auch ich – aus Freude.
Ich weiß nicht wie lange wir uns umarmten und küssten. Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist der Applaus aller Anwesenden. Auch Manuel kam langsam wieder zu sich. Dieser verliebte Blick aus seinen Augen wird mir immer im Gedächtnis bleiben. Ich glaube, dass ich nicht recht viel anders geschaut habe. Irgendwie schauten uns alle an. Wir küssten uns noch mal kurz, bevor wir die Umarmung lösten.
»So ihr zwei verschwindet jetzt am besten mal im Bad. Nein, nicht was ihr wieder denkt! Schaut euch mal im Spiegel an. So verheult können wir euch nicht hinter die Bar stellen.«
Typisch Daniel. Er hatte als Erster die Sprache wiedergefunden. Wir verzogen uns auch wirklich ins Bad. Wir sahen doch wirklich beide sehr in Mitleidenschaft gezogen aus. Erst mal waschen und die Augen ausspülen. Nicht ohne vorher Manuel die letzten Tränen weggeküsst zu haben.
»Du Frank. Sorry noch mal wegen dem miesen Auftritt letzten Samstag. Michael hat mir danach ganz schön den Marsch geblasen. Kannst du mir verzeihen?«
»Wieso fragst du überhaupt? Ich habe mich doch bei dir auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Du hast das doch heute schon tausendfach wieder gut gemacht!«
»1001-fach!«, sprachs und küsste mich noch mal.
Damit war das geklärt. Etwas brannte mir noch auf der Seele.
»Versuchen wir es miteinander?«
»Warum stellst du eine so blöde Frage?«, 1002-fach!
Nachdem wir uns wieder zivilisiert hatten, soweit es halt möglich war, wagten wir uns wieder raus. Ein bisserl mitgenommen sahen wir beide noch aus. Aber mehr war nicht zu machen.
Der Saal hatte sich mittlerweile ein wenig gefüllt. Der Großteil unserer Truppe war schon da. Ich ging erstmal zu Michael, um mich bei ihm zu bedanken. Er grinste nur und fragte wofür. So genau konnte ich das auch nicht sagen und meinte halt für alles. Dann suchte ich Daniel, den ich in der Küche vorfand.
»Danke für alles Daniel. Wusstest du, dass Michael mit Manuel geredet hat.«
»Geredet ist ne harmlose Umschreibung. Christoph meinte, dass er Michael bis jetzt erst zwei Mal so sauer erlebt hat. Bei meiner Aktion und bei der von Manuel. Ich hatte aber nicht mit einem so krassen Effekt gerechnet. Weder bei dir auf Christoph noch bei Manuel auf deinen Zustand.«
»Eigentlich müsste ich den Job jetzt ablehnen. Das wäre ganz schöne Vetternwirtschaft.«
»Beruhige dich wieder«, sagt da Christoph, der unbemerkt in die Küche gekommen war, »ich habe es selber gerade erst erfahren. Die Einzigen, die davon wussten, waren mein Lieber Michael und die zwei netten Früchtchen.« Damit deutete er auf Daniel und den ebenfalls in die Küche gekommenen Sascha.
»Na. Dankeschön. Ihr wollt mich doch wirklich in Rekordzeit auf den Friedhof bringen.«
»Achja, wegen dem Pressefoto musst du dir echt keine Sorgen machen. Wenn bin ich mit auf dem Bild!«, damit verschwand Christoph zu Michael, der dem gerade eingetroffenen DJ beim ausladen der CD-Koffer half.
Langsam wurde es Zeit die Bar zu besetzen. Also suchte ich Manuel. Den fand ich auch schon auf dem Posten. So was nenne ich Diensteifer.
»Hierher Frank. Ich hoffe du magst Jacky-Cola. Den Rest des Abends müssen wir antialkoholisch bleiben, aber jetzt brauche ich sowas.«
»Ich habe nichts dagegen.«
»Hey so wird als Paar nicht getrunken! Über Kreuz und in die Augen schauen!«, kam es da von Daniel.
OK. Da halte ich mich sehr gerne dran. Danach noch schnell einen Kuss. Tolles Aroma diese Mischung aus Manuel, Jack Daniels und Cola.
Jetzt waren wir beide auf dem Posten. Die Preise waren auch geklärt, jetzt konnten die Besuchermassen kommen. Unser DJ fing mal mit was Leisem an, damit man sich nebenbei noch unterhalten konnte. Langsam trudelten die Mitglieder der andern Jugendgruppe ein. Der erste Pressevertreter kam kurz danach. Vom schwulen Stadtmagazin. Als der mitbekam, dass Manuel und ich zusammen waren, mussten wir gleich für ein Foto herhalten. Danach waren Michael und Christoph sowie Daniel und Sascha dran.
»Wieso mussten wir eigentlich alle paarweise als Modell hinter der Bar herhalten?«, fragte ich Daniel.
»Ganz einfach. Ihr seit das Bar-Paar der 3. Generation. Bis jetzt hat bei jeder Geburtstagsfete ein Paar die Bar geschmissen. Beim ersten Geburtstag waren es Michael und Christoph. Die sind übrigens auch an dem Tag des Auftritts erst zusammengekommen. Seltsam wie sich die Vorgänge wiederholen.«
Sprachs und ward verschwunden. Ab kurz nach acht brauchten wir Daniel und Sascha zusätzlich an der Bar. Der Laden war absolut voll. Die erste Amtshandlung von Daniel war, Christoph nach Hause zu sprengen, damit der unseren Eiswürfelvorrat auffüllt.
So gegen neun tauchte der Bürgermeister auf. Von wegen der bleibt nur kurz für die Presse, wie ich dachte. Er sprach ein paar Worte wie jeder Politiker. So nach dem Motto: Vor fünf Jahren hätte das keiner geglaubt – jetzt eine feste Einrichtung in der Jugendberatung. Dann ging er zum geselligen Teil über. Sprich er setzte sich an die Bar und lies das ganze Pressegetümmel eher gelangweilt über sich ergehen. Sobald sich die paar Reporter verzogen hatten, wurde es erst richtig lustig. Er lies sich sogar mal auf die Tanzfläche zerren, allerdings nur bei einem Solotanz.
Als der DJ »Only you« ankündigte, war die Bar plötzlich unbesetzt. Daniel schnappte sich Sascha und Manuel mich. Ab auf die Tanzfläche. Eng aneinander gekuschelt tanzten wir. Zum Glück kann es Manuel ganz gut und führte mich. Das waren ein paar der schönsten Augenblicke des Abends.
Bis drei Uhr früh war volles Programm. Ich bin keine halbe Stunde zum Sitzen gekommen. Um drei war dann trotz vieler Proteste Schluss. Bis alle Leute die nicht zum Aufräumen dablieben, weg waren, war es halb vier. Dann die ganze Bude notdürftig aufräumen. Zum Glück hatten sich genügend freiwillige Helfer gefunden. Pünktlich mit dem Glockenschlag für vier Uhr sperrte Michael die Tür ab. Auf dem Weg zu Daniel bin ich schon eingeschlafen. Manuel küsste mich vor Daniels Haustür provisorisch wach, damit ich mich hoch in Daniels Zimmer schleppen konnte. Manuel und Daniel ging es auch nicht besser. Wir schafften es noch unsere Schlafsäcke hinzulegen. Daniel viel gleich mit den Klamotten ins Bett und war weg. Uns beiden ging es ähnlich. Ein kurzer Kuss und weg waren wir. K.O.
Kapitel 14
Der morgen war dank Marias Fürsorge ein Genuss. Irgendwann um elf wurde ich ausnahmsweise sanft geweckt. Durch einen Kuss von Manuel. So verschlafen und mit zerzausten Haaren wirkte er nur noch niedlich. Einfach zum Anbeißen.
Beim Frühstück versuchten wir zu dritt den gestrigen Abend zu schildern, was in ein Chaos mündete. Maria konnte nur noch lachen. Wir stimmten alle mit ein.
Nach dem etwas späten Frühstück machten wir uns auf den Weg. Wir, das heißt Manuel und ich, da ich ihn natürlich mitnahm.
Ich hatte den Entschluss gefasst, den Familienkriegsrat heute Abend für mein Outing zu verwenden. Davon erzählte ich Manuel. Dieser bot mir an, dass ich notfalls bei ihm wohnen könnte, wenn etwas schief geht. Ich wusste echt nicht mehr, ob ich mir das nicht sogar wünschen sollte, bei der Aussicht nur ein Zimmer von meinem Schatz entfernt zu sein. Dann dachte ich aber doch drüber nach und entschloss mich dazu, auf ein Outing ohne große Komplikationen zu hoffen. Am Bahnhof verabschiedete ich mich durch einen schnellen und hoffentlich unbeobachteten Kuss von Manuel.
Zuhause angekommen war sofort zu spüren, dass dicke Luft herrschte.
Nach dem Abendessen war klar, dass die Verhandlung Familie gegen mich eröffnet war. Irgendwie war es aber eher Vater gegen mich. Meine Mom hielt sich vollkommen raus. Mein Dad machte mir mit großen Worten Vorhaltungen, was ich alles von der Familie, die mich aufgezogen hat, bekommen habe und jetzt will ich sie leise, still und heimlich verlassen. Zum Glück war nie die Rede davon gewesen, dass ich den Hof übernehmen sollte. Das konnte ich meinem Dad mal als erstes Argument entgegenhalten. Kurz gesagt, fand mein Dad einfach kein Argument gegen meinen Umzug in die City, dass ich nicht entkräften konnte. Irgendwann wurde mein Dad laut. Da ist mir der Kragen geplatzt.
»Übrigens habe ich auch ganz persönliche Gründe um von hier wegzukommen!«
»Und die wären?«, brüllte er mich gerade schön in Rage an.
»Ich bin schwul.« Ich sagte es nicht laut, aber danach hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können.
»Du bist was?«
»Ich bin schwul.«
Mein Vater starrte mich nur an wie einen Geist. Sagte nichts mehr. Ich wich dem Blick nicht aus. Er wechselte zwischen feindselig, gleichgültig und einigen anderen undefinierbaren, aber sicher nicht freundlichen Nuancen. Nach einer Zeit, die mir wie die Ewigkeit vorkam, ging er zum Barfach und goss sich einen doppelten eher vierfachen Whisky ein. Meine Mom sagte nichts. Aber um ihre Lippen spielte ein Lächeln. Sie hatte es wohl schon gewusst, oder zumindest geahnt. Mein Bruder kämpfte sichtlich mit sich. Er ging wohl in Gedanken alle Gelegenheiten durch, bei denen ich ihn nackt gesehen hatte und überlegte, ob mich sein Anblick erregt hatte. Dad setzte sich wieder. Sagte immer noch nichts. Langsam wurde das Schweigen drückend. Noch immer keine Reaktion von meinem Vater. Erst als er nach einer Ewigkeit den Whisky geleert hatte, sagte er gefährlich leise:
»Es ist in Ordnung, das du gehst. Besser heute als Morgen. Ich will keinen schwulen Arschstecher in meinem Haus haben. Sei froh, dass ich auf meinen Ruf achten muss, sonst hätte ich dich vor die Tür geprügelt. Verschwinde!«
Er holte sich noch einen Whisky. Meine Mutter gab uns beiden zu verstehen, dass wir besser verschwinden sollten. Nichts lieber als das!
So was ist mein Vater. Vielen Dank für das Gespräch. Ich hatte sicher nicht erwartet, dass er mich freudig umarmen würde. Manchmal habe ich mit noch schlimmeren Reaktionen gerechnet, aber irgendwie war ich doch enttäuscht. Allerdings konnte sich er mit seinem geheuchelten katholischen Glauben und den Meinungen des Pfarrers überhaupt eine andere Entscheidung leisten? Ich glaube ihm ja bis heute nicht, dass der erste Sex erst in der Hochzeitsnacht war.
Mein Bruder begleitete mich kommentarlos in mein Zimmer. Lange her, dass er in diesen Hallen war. Ich deutete auf meinen Schreibtischstuhl und warf mich aufs Bett.
»Du hast da unten aber wirklich hartes Geschütz aufgefahren. Ist das wirklich dein Ernst? Du stehst auf Jungs?«
»Ja. Es ist mein Ernst. Ich liebe Jungs.«
Langes Schweigen. Er musterte mich, bei weitem nicht so feindselig wie mein Vater.
»Hast ... hast ... hast du dir je mit mir im Kopf einen runtergeholt?«, es fiel ihm sichtlich schwer, diese Frage zu stellen, die ihn so bewegte.
»Ganz klar: Nein. Du bist und warst nie mein Typ. Wenn du willst, kann ich dir ja Manuel mal auf neutralem Boden vorstellen.«
»Manuel ... du hast einen Freund?«
»Ja. Seit gestern.«
»Du liebst ihn?«
»Ich bin glücklich wenn ich ihn sehe. Ich bin glücklich, wenn er mir nahe ist. Ja ich liebe ihn.«
»Mein kleiner Bruder schwul. Seltsam! Irgendwie finde ich das cool. Also selbst wenn Dad doch noch Amok laufen sollte, hast du nichts zu befürchten. Notfalls bringe ich dich für ein paar Tage bei meiner Freundin unter. Darf ich es ihr erzählen?«
»Solange du sicher bist, dass es danach nicht das ganze Dorf weis – kein Problem.«
»Woran erkenne ich einen Schwulen?«
»Frag mich etwas leichteres. Michael meint man entwickelt mit der Zeit ein Gespür dafür. Beim einen ist es stärker, beim anderen schwächer ausgeprägt. Ich gehöre wohl zu Letzteren.«
»Fängst du jetzt rumtucken und mit Handtasche durch die Gegend laufen an?«
»Kannst du dir das bei mir vorstellen?«
»Nein.«
»Was soll dann die Frage? Ich bin kein anderer Mensch als vor zwei Stunden, bloß weil du jetzt weißt, dass ich schwul bin.«
»Ja, stimmt. Sorry war eine dumme Frage.«
»Macht nichts. Solche bin ich von dir gewohnt.«
Zum Glück hatte ich eine Maus mit kurzem Kabel. Sonst wär die bei mir eingeschlagen.
»Leg dir endlich eine schnurlose Maus zu!«, schimpfte mein Bruder.
»Ich werde mich hüten. Du hast mir gerade bewiesen, warum es gut ist, eine traditionelle Maus zu benutzen.«
Jetzt mussten wir beide richtig lachen. Ist eigentlich verdammt lange her, dass wir das gemeinsam konnten.
»Du Frank. Du hast doch sicher irgendwelche Hefte mit Jungs drin.« Eine überreife Tomate war gegen das Gesicht von meinem Bruder blass.
»Ja habe ich. Zweite Schublade von unten. Unter dem Postleitzahlenbuch. Warum?«
»Zeig mir mal auf welchen Typ Jungs du stehst. Meinen Frauengeschmack kennst du ja auch. Gerechtigkeit muss sein.«
»Eigentlich das was ich dir über meine ‚Traumfrau' auch gesagt habe. Nur dass es halt mein Traummann ist. Süße Augen, die Farbe ist egal – längere Haare, entweder blond oder ganz dunkel – schönes Gesicht, auch mit Brille – schöne Figur, kein Bodybuilder, sondern ganz normaler Typ und eine schöne Stimme. Aber wichtiger als alles andere ist mir der Charakter.«
»OK. Das alles erfüllt Manuel?«
»Ja. In allen Punkten. Allein sein Lächeln wirft mich schon um. Er hat wunderbar aussagekräftige Augen. Du musst nur hinschauen und weißt, wie er sich fühlt.«
»Halt, halt hör auf zu schwärmen, ich glaube dir ja, dass du verliebt bist.«
»Denk mal lieber zurück, was ich mir über deine ersten Freundinnen so alles anhören durfte. Dagegen bist du direkt harmlos davongekommen.«
»OK der Punkt geht an dich. Habt du ... habt ihr ...«
Ich hätte nicht gedacht, dass man den Rotton im Gesicht meines Bruders noch steigern könnte. Aber es ging tatsächlich. Ich bekam fast einen Lachkrampf, während mein Bruder verzweifelt mit der Fischgräte in seinem Hals rang.
»Du willst wissen, ob wir schon mal miteinander geschlafen haben, oder ob ich schon mit einem Jungen geschlafen habe!«
»Genau.« Er wirkte richtig selig, so erlöst wirkte er.
»In beiden Fällen ja.«
Herrlich diese entgleisten Gesichtszüge zu sehen.
»Aber nicht so wie du denkst. Ich habe neben ihm geschlafen, da wir beide gestern Nacht so K.O. waren, dass da überhaupt nichts mehr gegangen wäre, ganz davon abgesehen, dass neben unseren Schlafsäcken das Bett von Daniel, einem Kumpel, mit Selbigem drin, stand. Zum zweiten Teil der Frage, ja mit dir habe ich geschlafen. Oder weißt du nicht mehr, dass ich bei Gewitternächten immer zu dir ins Bett gekrochen kam und in deinen Armen eingeschlafen bin.«
Das Gesicht war ein Anblick für Götter. Ich bereue es noch heute, dass ich damals keinen Fotoapparat dabei hatte. Mit einem gewaltigen Lachanfall löste sich die verkrampfte Gesichtshaltung meines Gegenübers. Kaum zu glauben, dass eine Kinnlade so tief fallen kann.
»Was machst du eigentlich immer am Samstag in der City. In den Schwulenkneipen versumpfen oder was?«
»Nein. Ich bin dort zu einem schwulen Jugendtreff gegangen. Da habe ich auch Manuel und Daniel kennen gelernt.«
»Irgendwoher kommt mir der Name Manuel bekannt vor. Ahja ... Der Sohn von dem Gestüt hier in der Gegend heißt doch auch Manuel.«
»Treffer und versenkt! Das ist mein Freund.«
»Der? Geschmack hast du! Puh! Du hast mir gerade einen riesen Gefallen getan!«
»Wie das den? Und woher willst du Weiberheld meinen Jungengeschmack beurteilen.«
»Ganz einfach. Meine Freundin hat mich schon einige Male damit aufgezogen, dass sie mich für diesen süßen Bengel verlassen würde. Immerhin droht von der Seite keine Gefahr mehr und ich weiß, wie ich meiner Freundin bequem beibringen kann, dass sie einen schwulen Schwager bekommt. Das hast du nämlich in deiner ganzen ‚Prüfungs-kein-Job-kein-Freund-ich-bin-schwul-Misere' gar nicht mitbekommen. Wir sind seit drei Wochen verlobt.« Damit zeigte er auf den silbernen Ring an seiner Hand.
Jetzt war es an mir, die Kinnlade auf Tauchstation zu schicken. Mein Bruder und verlobt. OK. Schluck!
»Wow. Wie hat sie dich den zu dieser Zusage bekommen?«
»Ganz einfach. Ich liebe Sie.«
»Habt Ihr schon einen Termin wann ihr heiraten wollt?«
»Ja. In zehn Wochen und sechs Tagen.«
»Also in der Zeit wo ich wohl Arbeitslos bin.«
»Genau. Ich hoffe, dass du da kommst. Es ist nämlich ein Samstag.«
»Keine Sorge. Das lasse ich mir nicht entgehen. Ein ‚Ja' und du bist für den Rest deines Lebens an die Kette gelegt.«
»Genau. Also dann gute Nacht. Du schaust so aus, als könntest du eine Mütze voll Schlaf sehr gut gebrauchen.«
»Da hast du recht. Ich bin gestern erst nach vier ins Bett. Gute Nacht.«
Schon seltsam. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr so geredet. Meist sahen wir uns nur noch beim kommen und gehen. Jetzt konnten wir plötzlich wieder miteinander reden wie früher. Ohne dass ich irgendetwas verstecken muss. Ein schönes Gefühl, wieder ehrlich sein zu können.
Wieder begleiteten mich Manuel's Augen in den Schlaf. Diesmal allerdings mit seinem verliebten Blick.
Kapitel 15
Am Morgen war alles wie gewohnt. Irgendwie schienen alle mein Outing vom Vorabend vergessen oder verdrängt zu haben. Nachmittags schnappte ich mir das Telefon und verschwand in meinem Zimmer. Zum Glück war es heute so ruhig in der Arbeit, dass ich ohne Probleme verschwinden konnte. Zuerst nahm ich meinen neuen Job auch offiziell an. Christoph hatte den Vertrag schon fertig und zur Post gegeben, damit ich es mir ja nicht anders überlegen kann. Kaum war dieses Telefonat erledigt, rief ich Manuel an.
»Preise hier.«
Der Stimme nach musste es Manuel's Mutter sein. Preise hieß er also mit Familiennamen.
»Frank Kaufmann. Hallo, könnte ich bitte Manuel haben?«
»Manuel, Hallo!«
»Hallo Manuel. Mann ging das schnell. Bist du neben dem Telefon gesessen?«
»Hi Frank. Schön dich zu hören. Nicht ganz. Ich war in der Küche bei der Mathehausaufgabe. Ich gehe mal in mein Zimmer.«
»OK. Ruf mich dann zurück. Dauert deine Hausaufgabe noch lange?«
»Nein. Die ist gleich fertig. Aber erst will ich mit dir reden, dann schaffe ich den Rest auch noch. Bis gleich!«
Eine Minute später klingelte das Telefon. Mir kam es vor wie eine Ewigkeit.
»Hallo.«
»Da bin ich wieder. So jetzt können wir reden. Wie ist dein Coming Out gelaufen? Die schlimmste Befürchtung hat sich wohl nicht erfüllt, da du mich wohl nicht aus dem Himmel oder der Hölle anrufst.«
»Stimmt. Es lief irgendwie ganz seltsam ...«, dann erzählte ich ihm den gestrigen Abend. »... so gut habe ich mich schon ewig nicht mehr mit meinem Bruder unterhalten.«
Wir redeten noch eine Weile über Gott, die Welt und uns. Wir verabredeten uns auf jeden Fall mal für das Wochenende bei ihm. Wieder mit dem Rad.
Den Rest der Woche passierte eigentlich nichts mehr, wenn man davon absieht, dass ich mich jeden Tag auf den Abend freute, wenn wir wieder telefonierten.
Am Donnerstag kam Manuel kurzfristig drauf, ob ich Lust hätte schon am Freitag nach der Arbeit zu ihm zu kommen. Natürlich hatte ich!
Also schwang ich mich gleich am Freitagabend aufs Fahrrad. Durch Manuel wurde ich ja fast sportlich.
Als ich auf dem Gestüt eintraf, wurde ich schon von Manuel erwartet.
»Hallo Manuel!«
»Hi Frank. Komm mit!«, sprach's, nahm mich an die Hand und riss mich hinter sich her ins Gästezimmer. Tür zu! »Auf diesen Augenblick habe ich mich die ganze Woche gefreut.«
Ich konnte nicht mehr antworten, da ich schon rückwärts auf Bett geworfen und mein Mund mit einem tollen Kuss versiegelt wurde.
Nach dem Abendessen setzten wir uns in Manuel's Zimmer. Es war einfach wunderschön, ihn neben mir zu sehen, seinen Kopf an der Schulter zu spüren, während wir Fernsehen schauten. Wir schwiegen lange und genossen einfach die Nähe des Anderen.
»Du, Frank!«, begann Manuel wieder ein Gespräch.
»Hm.«
»Wenn du jetzt den Job angenommen hast, musst du doch in die City ziehen.«
Verdammt. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Typisch! Jetzt habe ich einen Job in einer Stadt, in der ich bessere Chancen auf einen Freund hätte, habe aber endlich hier einen jungen Mann gefunden den ich Liebe! Es ist zum Heulen.
»Hey. So schlimm ist das doch nicht. Am Wochenende kann ich dich ja besuchen. Viel öfter sehen wir uns hier auch nicht.«
»Stimmt eigentlich! Du bist einfach ein Schatz!«
Damit herrschte erstmal wieder schweigen und jeder hing seinen Gedanken nach.
»Du, Frank!«
»Ja.«
»Es könnte noch schlimmer kommen.«
»Schlimmer?«
»Es schaut dieses Jahr so aus, als würde ich ne Ehrenrunde einlegen. Mich hat es dieses Jahr total zerlegt. Ich glaube da war die Anspannung wegen meiner privaten Probleme, deren Lösung du hoffentlich bist, mit Schuld.«
»Was ist daran so schlimm?«
»Mein Dad hat durchblicken lassen, dass er mich ins Internat schicken will, wenn ich sitzen bleibe.«
»Verdammt!«
»Genau das!«
Jetzt war es Manuel, der traurig wirkte. Ich nahm ihn sanft in den Arm und küsste ihn immer wieder. Viel mehr gesprochen haben wir an diesem Abend nicht. Jeder wälzte die Probleme des anderen, während wir uns umarmt hielten. Irgendwann so um Mitternacht rum verschwand ich widerstrebend im Gästezimmer, damit es seinen Eltern nicht zu sehr auffiel.
Schlafen konnte ich lange nicht. Ich dachte immer daran, wie ich länger mit Manuel zusammen sein könnte.
Kapitel 16
»Aufwachen. Frühstück steht unten.«
So wurde ich gerne geweckt. Nachdem ich soweit bei mir war, dass ich erkennen konnte, was los war, erwiderte ich den sanften Kuss. Mhm. Da schmeckte man ja schon was von dem feinen Kaffee.
»Guten Morgen. Du hast ja anscheinend schon etwas genascht.«
»Klar. Schließlich muss ich dich ja dazu bringen, dass du freiwillig aus dem Bett kommst. Das, was uns meine Mom vorbereitet hat, hätte ich nie auf ein Tablett bekommen, um dir das Frühstück ans Bett zu bringen.«
»Schade! Geh schon mal vor, ich muss erst mal meine Gedanken und Klamotten sortieren.«
»OK. Zieh dir aber nicht irgendwas Warmes an. Heute wird es warm genug.«
Als ich in die Küche kam, sah ich wieso da nichts mit Tablett ging. Die Tischplatte bog sich fast. Anscheinend verwechselt mich Manuel's Mom mit Obelix.
»Was soll denn das werden. Sind wir Mastgänse?«
»Nö«, damit hielt mir Manuel einen Zettel hin:
‚Guten Morgen ihr Zwei,
wir sind einkaufen gefahren. Das wird heute wohl länger dauern. Mittag gibt es nichts zu essen, also haut ordentlich rein.
Gruß Christine'
»Meine Mom mag es einfach nicht, wenn jemand sie ‚Mom' oder ‚Mama' nennt. Sie fühlt sich dann immer so alt, sagt sie.«
»Mhm.« Ich hatte den Kaffee entdeckt und machte mich daran, mich in ansprechbaren Zustand zu versetzen. Nach der zweiten Tasse ging es langsam.
»Am Morgen ist eine Kuh ein besserer Gesprächspartner als du!«
»Jetzt geht es doch langsam. Ich brauche halt ein wenig, bis ich richtig ansprechbar bin. Sorry. Halt ein Morgenmuffel.«
»Ist schon OK. Damit könnte ich leben.«
»Beruhigend!«, scherzte ich und gab ihm einen schnellen Kuss.
Nach dem Frühstück stiegen wir auf die Räder, nicht ohne uns vorher ein feines Mittagessen vorzubereiten. Wir fuhren wieder zu dem kleinen See. Langsam gewöhnte ich mich noch an Manuel's Strecken. Als wir am See ankamen, war ich trotzdem noch ganz schön außer Atem.
Erst mal sorgten wir mit einem Sprung ins Wasser für die notwendige Abkühlung. Nachdem wir eine Weile geplanscht hatten, legten wir uns zum Trocknen in die Sonne.
Manuel sah einfach wunderschön aus, wie er so in der Sonne lag. Ich musste mich bei seinem Anblick sehr schnell auf den Bauch drehen. Auch Manuel schien in ähnliche Betrachtungen vertieft zu sein, da er sich fast zeitgleich auf den Bauch drehte. Plötzlich fingen wir beide zu lachen an und wurden leicht rot.
Mann, war der süß wenn er lachte, obwohl er so schon sehr süß war. Ich konnte nicht anders als ihn küssen. Er kroch ganz nahe zu mir, so dass sich unsere Seiten berührten. So blieben wir lange liegen. Anscheinend bin ich sogar ein wenig eingedöst. Eine nasse Hand im Nacken weckte mich.
»Magst du nicht wieder ins Wasser kommen, Schatz?«
»Nach dem Vorgeschmack nicht mehr. Heute Morgen hast du mich schöner geweckt!«
»Kannst du zusätzlich haben!«
Meine Antwort dauerte erstmal eine Weile.
»Mhm, so mag ich das.«
»Kommst du jetzt ins Wasser?«
»Klar.«
Nach einiger Zeit im See bekamen wir Hunger und beschlossen unsere Beute zu vertilgen. Wir legten uns gegenüber. So nach jedem zweiten Bissen küssten wir uns. Gut, dass wir auf dem Bauch lagen. So wie Manuel seinen wunderschönen Hintern bewegte, hatte auch er einen Blutstau in einer sehr empfindsamen Körperregion.
Als wir mit dem Essen fertig waren, blieben wir noch in der Sonne liegen. Manuel kam zu mir und kuschelte sich ganz nah an mich. Ich drehte mich zu ihm. Die Berührung seines Körpers jagte mir Blitze der Erregung durch den Körper. Als wir uns küssten, fühlte es sich zigfach intensiver an. Es war als würden sich nicht nur unsere Münder küssen, sondern unsere kompletten Körper gingen in dem Kuss auf.
Ich geriet langsam in Ekstase und verarbeitete gar nicht mehr, das alles, wie Zwangsweise, auf mein erstes Mal hinauslief. Seltsam, ich habe mir immer überlegt, wie mein erstes Mal sein würde, irgendwie kam es anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ohne einen langen Vorlauf, ohne Absprache. Wir wussten einfach beide, dass wir miteinander schlafen wollten. Es war überhaupt keine Frage warum schon oder auch erst zu diesem Zeitpunkt. Es war einfach Zeit.
Ich begann mich mit der Zunge an Manuel's Körper herunterzugleiten. Langsam an seinem Hals über den Adamsapfel zu den Brustwarzen. Diese begann ich sanft mit der Zunge und den Zähnen zu verwöhnen. Ein Blick nach unten zeigte mir, dass nicht nur seine mittlerweile harten Brustwarzen diese Behandlungen mochten. Also weiter, am Brustbein runter zum Bauchnabel. Der Geschmack seines Schweißes raubte mir fast den Verstand. Einfach gigantisch. Am Bauchnabel angekommen, strich ich mit einer Hand, vom Knie an, an der Innenseite der Schenkel hinauf, bis zu seinem Allerheiligsten. Ein lustvolles Stöhnen und die Hand, die sanft meinen Rücken streichelte, zeigten mir, dass Manuel meine Behandlung sehr gefiel. Auf der Eichel glänzten schon die Lusttropfen. Ich wollte diese sofort probieren und tat es auch. Ich schleckte vorsichtig mit der Zunge über seine Eichel, um an diesen Saft zu kommen. Uff! Dieser geile Hormoncocktail ließ bei mir fast die Lichter ausgehen.
In mir stieg das Verlangen auf, seinen in den Mund zu nehmen. Auch dies tat ich. Wow, was für ein Gefühl, dieses warme, pulsierende Fleisch durch die Lippen zu lassen und mit der Zunge zu reizen. Als Manuel kurz vor dem Orgasmus war, zog er meinen Kopf nach oben und gab mir einen Zungenkuss.
»So, jetzt bist du mal dran!«
Sprachs und drehte mich mit sanfter Gewalt auf den Rücken. Manuel gab mir weiter Zungenküsse und streichelte meine Ohren.
»Mhm, ich hätte nie gedacht, das man da so empfindsam sein kann.«
Diese Worte waren mir auch nur möglich, da Manuel seine Zunge aus meinem Hals genommen hatte, um sich mit Feuereifer über meine Brustwarzen herzumachen. Ich streichelte ihm dabei sanft durch die Haare.
»Das kitzelt!«
»Schmeckt aber geil nach dir.«
Damit widmet er sich wieder seiner Beschäftigung. Er bewegte sich mit der Zunge wieder zurück zu den Brustwarzen und folgte meinem Weg. Auch bei mir gab es mittlerweile mehr als genug Lusttropfen. Meine Eichel glänzte schon total davon. Sanft stülpte Manuel seine Lippen über meinen. Wahnsinn, ich glaube mir kommt es gleich. Sachte fährt er mit der Zunge unter der Eichel entlang, fährt am Schaft herunter und an meine Hoden. Immer an der Stelle, an der sich seine Zunge befand, zuckten Blitze durch meine Eier. Einfach Wahnsinn so intensiv zu fühlen. Auch ich zog Manuel wieder zu meinem Mund, bevor es mir kommen konnte. Ich weiß nicht mehr, wie weit Manuel’s Zunge in meinem Hals war, aber es war verdammt weit. Nach einigen dieser intensiven Küsse flüsterte mir Manuel etwas ins Ohr, dass mir das Blut, allein bei der Vorstellung, in die Körpermitte schoss.
»Lass es uns in 69 machen!«
Allein diese Vorstellung war gigantisch. Schon lagen wir in Stellung. Sanft nahm ich seinen wieder in den Mund, während Manuel genau dasselbe bei mir machte. Immer mehr fanden wir einen gemeinsamen Rhythmus. Es war irgendwie, als würden unsere Köper sich synchronisieren. Wir streichelten uns dabei wie wild gegenseitig. Unsere Hände schienen überall zu sein. Langsam steigerte sich diese Ekstase zum Höhepunkt. Ich spürte schon, wie der Saft aus meinen Hoden Richtung Ausgang floss. Genauso schien es Manuel zu gehen. Auch er begann immer kürzer zu atmen. Er begann schon langsam zu zucken, genau wie ich. Mein Verstand schrie: »Halt, denke an Aids!« Aber das wurde von meiner Lust gnadenlos ausgeblendet. Ich wollte alles von meinem geliebten Manuel. Als ich mich in ihn ergoss, spürte ich auch seinen Samen in meinen Mund schießen. Er schmeckte seltsam, aber total geil. Ich schlucke alles. Während dieser Augenblicke drehte sich in meinem Kopf ein Kaleidoskop aus Sinneseindrücken durch und über Manuel. Es war ein Rausch der Sinne, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Aber eines wurde mir in diesen Sekunden, Minuten, Stunden – ich weiß nicht mehr – klarer als ich zuvor. ICH LIEBE MANUEL!
Kapitel 17
Als wir uns wieder einigermaßen gefangen hatten und wieder auf dem Planeten Erde waren, stelle ich fest, das es wohl Minuten waren. Die Sonne schien noch und es schien derselbe Tag wie vor unserm Rausch zu sein.
Wir legten uns wieder nebeneinander und streichelten uns über die noch bebenden Körper.
»Ich glaube wir könnten beide eine Abkühlung ganz gut gebrauchen!«, meinte Manuel.
»Da hast du recht. Gehen wir noch mal ins Wasser.«
»Ja. Wir haben da ja was ganz schön Unvorsichtiges gemacht. Auch wenn dein Saft verdammt geil schmeckt.«
Damit küsste er mich wieder. Dann standen wir auf und gingen unter ständigen Küssen ins Wasser. Die Abkühlung tat richtig gut. Wir waren doch beide total verschwitzt. Als wir bis zum Hals im Wasser standen, umarmte ich Manuel noch mal ganz sanft und küsste ihn lange und intensiv.
»Ich liebe dich!«
»Ich dich auch Frank!«
Das ging runter wie Öl. Ich küsste Manuel dafür gleich noch mal.
Als wir wieder auf normale Temperaturen abgekühlt waren, legten wir uns noch mal zum Trocknen hin.
Nach einer Weile meinte Manuel:
»Komm las uns weiterfahren, wir haben ja noch was vor.«
Es bedurfte keiner weiteren Worte. Ich wusste, was er von mir wollte. Diesmal würde ich nicht zögern.
Als wir bei der Eiche ankamen, nahm ich seine Hand und wir setzten uns Hand in Hand unter den Baum. Manuel kuschelte seinen Kopf an meine Schulter. Ich ließ seine Hand los, legte ihm meinen Arm um seine Schultern und zog ihn noch dichter an mich ran. So genossen wir die Aussicht und die Nähe des anderen, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Ich kam ins Grübeln und verfluchte die Tatsache, dass ich den Job in der City angenommen habe. Die ganze Zeit von Manuel getrennt sein. Das würde ich doch nicht durchhalten. Irgendwie wurde aus meiner romantischen Stimmung bald ein ziemliches Trübsal. Manuel merkte natürlich auch was los war.
»Kopf hoch, wir finden eine Lösung!«, war sein einziger Kommentar, als ich ihm meine Angst erzählte.
Mit Einbruch der Dämmerung machten wir uns auf den Heimweg.
Als wir bei ihm zuhause ankamen, kam uns schon der Duft von warmen Delikatessen entgegen. Während des Essens warfen wir uns immer wieder verstohlene, verliebte Blicke zu. Nach dem Essen scheuchte Christine ihren Mann aus dem Zimmer und bedeutete uns beiden noch da zu bleiben. Als die Tür zu war, ging es los.
»So setzt euch mal Ihr beiden.«
Total perplex folgten wir diesem Befehl.
»Jetzt redet mal Klartext. Manuel du bist schwul! Richtig? Und Ihr beide seit ein Paar! Richtig?«
Bumm! Das saß! So unauffällig waren unsere Blicke wohl doch nicht. Wir konnten beide nur nicken. Wir sahen wohl beide nicht gerade sehr selbstsicher drein.
»Hey! Ihr schaut aus wie zwei begossene Pudel. Man könnte meinen, dass ihr mit eurer Exekution rechnet. Küsst euch hier soviel ihr wollt. Ich habe auch kein Problem damit, wenn ihr in einem Bett schlaft, aber bitte passt in der Öffentlichkeit etwas auf eure Augen auf. Das erkennt ja ein Blinder mit Krückstock und Augenklappe, dass ihr bis über beide Ohren verliebt seit. So und jetzt raus mit euch, oder wollt ihr mir etwa beim Abwasch helfen?«
So schnell habe ich meinen Schatz selten flitzen sehen, also folgte ich ihm schnellstmöglich, nicht ohne vorher ein »Danke« Richtung Christine loszulassen.
»Ich war auch mal jung und verliebt. Aber ich habe mir ne einfachere Liebe gesucht.«
Bei ihm im Zimmer angekommen, warf er sich erstmal auf das Bett, während ich den Schreibtischstuhl bevorzugte.
»Was war den das gerade?«, fragte er mich, wobei er so wirkte als wüsste er nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
»Ich würde sagen, das war dein Outing und besser hätte es wohl kaum laufen können!«
»Stimmt. Komm her und umarme mich, ich brauche jetzt jemanden der mich festhält, damit ich nicht vor lauter Glück hüpfen anfange.«
»Wäre sicher schön anzuschauen, aber deinem Wunsch kann ich mich einfach nicht wiedersetzen.«
Damit landete ich in seinen Armen. Den ganzen restlichen Abend verbrachten wir mehr oder weniger Arm in Arm. Wir gingen früh ins Bett ohne das noch was passierte. Wir schliefen Arm in Arm ein. Kaum zu glauben, wie müde Glück machen kann.
Der nächste Morgen verlief wie der Vorhergegangene, mit dem Unterschied, dass mir das Aufwachen in Manuels Armen fast nichts ausmachte.
Nach dem Frühstück machte ich mich sehr zu unser beider Leidwesen auf den Weg nach Hause. Ich musste doch mal lernen. Die Prüfung rückte näher.
Kapitel 18
In der nächsten Woche telefonierten wir jeden Abend. Allerdings nur kurz, da ich fast die ganze Zeit wie ein Verrückter lernte. Dabei erfuhr ich, dass Manuel tatsächlich in ein Internat sollte.
Scheiße! So was ist fies. Endlich jemand mit dem man jede freie Minute zusammen sein will, und dann soll der in ein Internat, das etwas über 300 km entfernt ist. Von der City aus sogar noch einige KM mehr.
Weder das, noch die nahende Prüfung hinderte uns aber daran, am nächsten Samstag wieder in die City zu fahren. Wir mussten uns aber leider bereit erklären, bei unterschiedlichen Leuten zu wohnen. Wir blieben bei der üblichen Verteilung. Manuel bei Michael und ich wieder bei Daniel. Treffpunkt war wie in alter Tradition erstmal bei Daniel zuhause. Dort liefen wir Hand in Hand ein. Man(n) muss ja wenigstens ein paar Klischees erfüllen.
»Hallo ihr zwei Hübschen! Lasst mal eure Händchen los, damit ich sie euch schütteln kann.« Typisch Daniel.
Nach der Begrüßung ging es erstmal in Daniels Zimmer. Dort war Sascha mit Tekken beschäftigt. Kurz darauf ich auch! *schäm* was natürlich die beiden anderen zum Lästern brachte.
»Also siehst du Manuel, dein Schatz scheint wirklich nicht ausgelastet zu sein, der hat noch Zeit mit was anderem als dir zu spielen.«
»Da musst du gerade reden Daniel, deiner hat meinen angestiftet.«
»Wuff, Wuff!«, kommt es im Chor von Sascha und mir.
»Hey das ist auch mal ne interessante Stellung, was meinst du Frank?«
»Ihr zwei seit wirklich extrem verspielt.«
»Auf wen bezieht sich das jetzt Daniel?«
»Eigentlich kann ich das für jede mögliche Kombination in dem Raum anwenden.«
»Stimmt.«
So ging es weiter. Der Gruppenabend war fast wie immer. Halt das Übliche mit den neuen und alten Paarungen. *grins* Danach ging es heute aber nicht in irgendein Café oder gar wieder in die Disko. Heute hatten wir genügend »Stoff« für eine eigene kleine Feier. Sprich wir verarbeiteten die Reste von der Feier.
»Ist euch das auch schon mal aufgefallen? Egal wie man kalkuliert, man hat entweder viel zu viel oder viel zu wenig. Einen genauen Treffer kann man kaum erzielen«, frage Daniel in die Runde.
»Entweder die Jungs haben die Cocktails zu weit gestreckt, oder ihr habt zu viel eingekauft, das könnt Ihr untereinander ausmachen«, kommt es von Michael.
»Das mit dem zu weit Strecken lasse ich nicht auf mir sitzen, das nächste mal tue ich halt nur noch Rum rein und lass die Cola gleich weg!«
»Es war schon richtig wie ihr es gemacht habt, vor allem das ein wenig mehr beim Bürgermeister war gut. Der ist ja noch richtig lustig geworden, sobald die Pressefuzies weg waren.«
»Stimmt, hast du eigentlich an den Zeitungsausschnitt für unser neues Barteam gedacht?«
»Klar. Ich weiß zwar nicht, wann der das Foto geschossen hat, aber gut war es trotzdem«, damit legte Michael einen Zeitungsausschnitt für Manuel und mir auf den Tisch.
»Hilfe, wann haben wir uns den so intensiv hinter der Bar geküsst, deine Zunge ist doch mindestens bei meinem Zäpfchen und sowas dann auch noch vor der Presse. Was soll mein zukünftiger Personalchef von uns denken.«
»Der hat mich gleich dazu verdonnert, bei Manuel einen Nachhilfekurs in Sachen Küssen zu beantragen. Diesen muss er heute Abend halten.«
»Aha. Du Daniel, kann Manuel nicht doch besser bei dir schlafen?«
»Hey nur keine Angst Frank, ich werde dir deinen Schatz schon nicht abspenstig machen.«
»Will ich dir auch geraten haben!« Mein drohender Zeigefinger erntete nur Lachen.
»Kann es sein, dass mich in diesem Laden niemand ernst nimmt?«
»Was soll die Einschränkung?«
»Auch du mein Lover, Manuel!«
»Na jetzt Fall nicht gleich ins alte Rom zurück. Ich hoffe ganz so lang kommt es dir noch nicht vor, dass wir zusammen sind.«
»Nein! Noch viel länger, aber es ist immer noch so schön wie am ersten Tag.«
»Erster Tag ist ein gutes Stichwort, wann fängst du bei meinem Schatz in der Bank an?«
»In vier Monaten, da habe ich eine Menge Zeit, mir hier eine Wohnung zu suchen.«
»Stimmt. Gib zu, du hast absichtlich den Termin gewählt, dass du die ganzen Ferien über die Schüler am Badesee beobachten kannst.«
»Was denkst du von mir? Ich bin in festen Händen! Ist aber ne gute Idee!«
»Schauen muss wohl erlaubt sein! Ich verlange ja von Christoph auch nicht, dass er sich die Augen verbindet, bevor er die neuen Mitarbeiter in die EDV einführt. Ich finde es sogar ganz nett, wenn er mir hin und wieder mal von den süßen Jungs bei sich in der Arbeit erzählt.«
»Was gibt es denn da so zu erzählen?«
»Z.B. hat letztes Jahr am 01.09. einer der neuen Azubis den ganzen Tag keinen Ton ohne stottern rausgebracht, seit er meinen Schatz gesehen hat. Warum? Er hatte uns beide Mal im Rainbows gesehen und meinte jetzt, dass er gleich am ersten Tag seine Sachen wieder packen darf. Erst als Christoph ihn mal auf die Seite genommen hat und ein sehr ernstes Wort mit ihm geredet hat, ging es wieder. Mittlerweile ist es einer der besten Azubis, den die Bank seit langem gehabt hat.«
»Und diese Gene gehen der Menschheit für immer verloren!«
»Nein, er ist angeblich bi.«
»Was soll die seltsame Betonung auf angeblich?«
»Er wurde auch angeblich mal mit einer Frau zusammen gesehen. Die war aber seine Schwester!«
»So frei nach dem Motto: Ich bin Bi, zu 99,9% stehe ich auf Männer?«
»Genau so! Vor allem kann er es kaum leugnen, dass er ziemlich schwul ist. Die beste Beschreibung ist wohl Tucke!«
Damit zog sich Michael erstmal von unserem Tisch zurück und widmete sich ein paar anderen Mitgliedern der Gruppe, die mal wieder mit dem üblichen Partnerroulette beschäftigt waren.
»Hast du dir eigentlich schon Gedanken gemacht, wo du hier wohnen willst, Frank?«
»Nein noch nicht. Warum?«
»Daniel und ich wollen eigentlich auch zuhause raus, da es nun mal doch ein dummes Gefühl ist, wenn die Eltern direkt neben einem sind, intim zu werden.«
»Nur deshalb?«
»Nein, sondern auch weil wir eh fast jede freie Minute so verbringen, dass der andere irgendwie in der Nähe ist. Damit meine ich jetzt nicht, dass wir wie die Kletten aneinander kleben, aber wir machen doch wirklich sehr viel zusammen.«
Ein Grinsen ging um den Tisch!
»Nein, nicht so wie Ihr meint. Zumindest nicht ausschließlich, wir haben auch noch andere gemeinsame Hobbys oder auch unfreiwillige Freizeitbeschäftigungen, wie zum Beispiel Hausaufgaben machen.«
»Aha, so nennt man das jetzt also, Daniel! Es gibt übrigens noch andere Fächer als Biologie!«, kommt es von Manuel. Mein Kleiner wird ja langsam richtig frech!
»Ja ja lacht ihr nur. Ich will mal bei euch Mäuschen sein!«
»Das kannst du ja vielleicht mal haben wenn Frank unserem Plan zustimmt«, meint da Sascha.
»Welchem Plan?«
Aha, wir sind wohl wirklich ein Paar. Das kam genau im Chor.
»Wie gesagt, Daniel und ich wollen auch ausziehen«, übernimmt wieder Sascha das Wort. »Da wir aber beide nicht unbedingt viel verdienen, um genau zu sein gar nix, müssen wir dieses ‚Projekt' unseren Eltern erstmal schön schmackhaft machen. Da muss zusätzlich zu den Standardargumenten wie ‚Selbstständigkeit lernen' und ‚eigenen Weg gehen' noch ein Sahnehäubchen oben drauf. Unsere Idee war jetzt, dass wir mit dir und Manuel eine WG bilden könnten. Dadurch könnten wir uns gegenseitig helfen, wenn mal Probleme auftreten sollten und gleichzeitig alle Arbeiten besser aufteilen, da wir ja zu viert wären.«
Schöne Idee, aber trotzdem ein Tiefschlag. Manuel und meine Stimmung war mit einem Mal auf dem Nullpunkt angekommen. Dabei hatten wir den Mist mit dem Internat doch den ganzen Abend so gut verdrängen können.
»Was ist los? Habe ich was falsches gesagt?«
»Nein. Die Arbeit könnt ihr aber höchstens durch drei teilen, da ich ab nächstem Schuljahr in ein Internat darf, da ich dieses Jahr eine Ehrenrunde einlegen werde.«
»Ups. Treffer und versenkt. Sorry den Tiefschlag wollte ich jetzt nicht bringen!«
»Macht nix Sascha, du kannst es ja nicht schmecken. Tut halt trotzdem weh.«
»Könnten wir deine Eltern nicht auf unsere Seite ziehen?«
»Ihr tut so, als wäre alles schon total spruchreif. Aber nein, ich glaube nicht, dass die sich so einfach von diesem Plan abbringen lassen. Meine Mom wär ja weniger das Problem, die weiß ja auch, dass ich dann 300 km von meinem Liebling weg wär, aber wenn sich mein Dad etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er verdammt schwer wieder davon abzubringen.«
»Weil du von spruchreif redest, das ist schon fast soweit: Meine Eltern haben schon zugestimmt, unter der Voraussetzung, dass die Wohnung auf Frank läuft, würde uns mein Dad sogar bei der Wohnungssuche helfen. Von Maria kommt die Grundidee, also hängt alles mehr oder weniger von Frank's Zustimmung ab.«
»Ach wie toll, das nächste mal nehmt bitte eine Walze um mich zu überfahren!«
»Warum sollten wir? Klappt doch auch so ganz gut und lebend nützt du uns doch mehr!«
»Du bist so lieb, Daniel!«
»Was hältst du von der Idee, Frank?«
»Eigentlich recht viel, aber ohne meinen Schatz will ich das auch nicht machen, da ich euch zwei Turteltauben da auf Dauer auch nicht aushalten würde«
»Was hältst du erst mal rein grundsätzlich von der Idee, Manuel?«
»Wenn die Sch... äh Schose mit dem Internat nicht wäre, wär ich da sofort dabei, da ich ja dann auf die selbe Schule wie Ihr könnte, mit sehr viel Glück sogar in die selbe Klasse! Da hätte ich dann jemanden, bei dem ich die Hausaufgaben abschreiben könnte.«
»Das darfst aber deinen Eltern sicher nicht sagen, sonst bekommst du nie eine Zustimmung für die City!«
Hey, Daniel schafft es doch tatsächlich ein schwaches Grinsen auf Manuels Lippen zu zaubern. Ein Blick in seine Augen sagt mir aber, dass es ein sehr schwaches war.
»Warum will dein Dad eigentlich, dass ich als Mieter eingetragen bin?«
»Erstens, weil er verhindern will, dass mein Name dabei auftaucht, du weißt schon so wegen Vetternwirtschaft und ähnlichem, und Zweitens weil es für dich dann leichter ist, wieder eine Wohnung zu finden, wenn du schon mal eine hattest. Bei uns als Schüler wird es noch nicht komisch angesehen, wenn wir irgendwo zur Untermiete wohnen.«
»Aha! Dein Dad denkt ja richtig nett mit für mich.«
»Stimmt, aber jetzt müssen wir die Eltern von deinem Schatz noch irgendwie von unserer WG-Idee überzeugen. Wie könnten wir das anstellen? Hat da irgendjemand einen Einfall? Du Manuel?«
»Nicht direkt, meine Mom würde sicher helfen, wenn sie sicher wär, dass dadurch meine Schulnoten besser würden, aber mein Vater ist wie gesagt ziemlich stur.«
»Wie gut ist deine Mom darin, deinen Vater mit Ihren weiblichen Reizen um den Finger zu wickeln?«
»Wie kommst du den jetzt darauf, Frank?«
»Na ganz einfach. Ich habe dir doch die Geschichte mit meinem Handy erzählt. Das war auch die reine weibliche Überzeugungskraft, die da am Werke war. Vielleicht könnten wir bei deinen Eltern etwas ähnliches Probieren. Deiner Mom die Sache mit der City schön schmackhaft machen und sie die Arbeit bei deinem Dad übernehmen lassen!«
»Klingt prinzipiell ganz gut. Nur werden wir bei meiner Mom auch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen. Hat jemand irgendwelche Ideen, was eine Mutter dazu bringen könnte, Ihren Sohn mit lauter Schwulen zusammenziehen zu lassen?«
Langsam lächeln die Augen von Manuel wieder mit. Schön!!
»Könntet Ihr mich mal teilhaben lassen, welche hinterhältigen Pläne ihr an diesem Tisch ausheckt?«, kommt es da vom gerade wieder an unseren Tisch zurückgekehrten Michael.
»Wieso bist du so schnell wieder hier am Tisch?«
»Soll ich wieder gehen oder was?«
»Nein, aber irgendwie bist du doch immer bei uns am längsten. Warum?«
»Weil ihr nicht dauernd rumstreitet, wer mit wem, warum, wann fremdgegangen ist.«
»Tucken können ganz schön lästig sein!«
»Da musst du reden, Daniel!«
»Danke für die Blumen, Michael. Setz dich und überleg mal mit.«
»Ich weiß doch noch nicht mal worum es überhaupt geht.«
»Wo ist da der Unterschied zum Normalzustand bei dir?«
»Hey, hey, informiert mich mal!«
Nachdem dies geschehen war, herrschte kurzes Schweigen am Tisch.
»Was würde in diesem Fall besser überzeugen als gute Schulnoten?«
Wir sahen uns alle erstmal ziemlich bedröppelt an. Auf das Offensichtliche kommt man(n) wieder nicht.
»Wie viele Schulaufgaben hast du dieses Jahr noch, Manuel?«
»Na so fünf oder sechs werden es schon noch sein. Aber leider sind durch die mein Zeugnis auch nicht mehr total zu retten.«
»Egal. Aber immerhin könntest du damit beweisen, dass Frank deinen Leistungen nicht nur in einer Hinsicht förderlich ist.«
»Hilfe, jetzt fängt der nächste mit den zweideutigen Kommentaren an.«
»Wieso zweideutig? Das war doch schon recht eindeutig!«, kommt es von Daniel.
OK, langsam wird die Stimmung am Tisch wieder.
»Welche Schulaufgaben sind es den?«
»Chemie, Mathe, Sporttheorie und Biologie weiß ich jetzt auswendig.«
»Also für Biologie kannst du ja mit Frank ganz gut üben.« Typisch Daniel! »Nein ernsthaft, in Mathe hat mir Sascha mal gut auf die Sprünge geholfen.«
»Na für Biologie und Chemie könnte ich ja eventuell meinen Bruder dazu bekommen, dass er dir da etwas weiterhilft. Da ist er durch seine komische Landwirtschaftsschule ganz fit.«
»Vor allem ist es in Bio eh mal wieder die Photosynthese, die sollte drin sein.«
»Das hätte dann den angenehmen Nebeneffekt, dass dich mein Bruder mal kennen lernt. Das ist dann immerhin einer in der Familie, der damit kein Problem hat, dass du mein Schatz bist. Vielleicht klappt es ja auch mal, dass dich meine Mom kennen lernt.«
»Was machen wir dann mit Sport-Theorie, wenn ihr gerade dabei seit meinen Lehrplan für die nächste Zeit aufzustellen.«
»Na ich glaube da können wir zumindest unsere Einträge mal zur Verfügung stellen. Da sind alle Regeln eigentlich ganz gut drin. Weißt du wenigstens schon, über welche Sportart es geht.«
»Wird wohl Volleyball, Badminton oder sowas in der Art werden.«
»Kannst du die Einträge mal über den Kopierer von deinen Eltern hetzen, Sascha?«
»Klar.«
»Na dann müssen wir ‚nur' noch Manuels Mutter auf unsere Seite bekommen.«
»Vielleicht kann deine Mom da ja helfen, Daniel.«
»Wie denn das?«
»Na die hat doch irgendwas mit psychologischer Ausbildung. Die kann doch sicher irgendwas finden so von wegen psychologischer Nachteile vom Internat usw. Irgendjemand wird schon schlecht übers Internat geschrieben haben.«
»Na gar nicht so schlecht die Idee. Aber da reden wir morgen mal mit ihr drüber. Erinnere mich daran Frank.«
»Was erwartest du von mir in der Früh? Da läuft mein Hirn noch nicht!«
»Na, wenn es um deinen Schatz geht, wirst du es hoffentlich schaffen zu denken.«
»Ich werde es auf jeden Fall versuchen.«
Dies war also unser Plan, um meinen Manuel aus den Fängen eines Internats zu befreien. Weitere sinnvolle Ideen kamen an diesem Abend nicht mehr auf. Irgendwann ging es dann Richtung Schlafgelegenheiten. Manuel zu Michael und ich zu Daniel.
Kapitel 19
Am nächsten Morgen geschah eigentlich nix besonders Erwähnenswertes. Maria meinte zwar eher, dass ich ihr die Nummer von Manuels Mutter einfach mal geben sollte, anstatt da irgendwas von wegen negativer Auswirkungen von Internat zu suchen. Sie will mal mit Christine reden.
Mel schaffte es mich nicht zu treten.
So gegen elf holte ich dann Manuel ab. Auf dem Heimweg klärten wir erstmal ab, wann welche Schulaufgaben anstanden.
Dabei kam raus, dass die Chemiearbeit übernächste Woche dran war. Also musste ich schnellstmöglich mit meinem Bruder reden.
Die nächste Möglichkeit dazu bot der Dienstag. Mein Bruder war begeistert von der Idee, meinen Freund kennen zu lernen, aber weit weniger mit diesem Chemie zu büffeln. Nachdem ich ihm das Problem geschildert habe, hat er sich doch dazu bereiterklärt. Also wurde für den folgenden Samstag ein Termin zum Lernen ausgemacht. Da ich ja bei mir in der Family nur noch eine geduldete Person ohne viele Rechte bin, machten wir das Treffen bei Manuel aus.
Am Samstag machten wir, also mein Bruder und ich, uns mit dem Rad auf den Weg zu Manuel. Ich mit Lernzeug für die Prüfung nächsten Dienstag, genau zur selben Zeit wie Manuels Chemieschulaufgabe, und meinem Zeug für eine Übernachtung im Gepäck.
Mit jedem Kilometer, den wir dem Gestüt näher kamen, wurde das mulmige Gefühl im Magen größer. Würden sich mein Schatz und mein Bruder vertragen oder würde es da Probleme geben? Durch das ganze Nachdenken bekam ich überhaupt nicht mit, dass wir ja eh schon fast vor der Haustür standen.
Klingeln brauchten wir nicht, Manuel war wohl auf der Lauer gelegen. Nachdem ich mich von dem Kussüberfall erholt hatte, stellte ich ihm seinen heutigen Lehrer, der etwas säuerlich grinste, vor.
»Hey Manuel, ich habe was dagegen, wenn du meinen Bruder auffrisst.«
»Warum?«
»Über wen sollten wir dann sonst lästern?«
»OK. An der Überlegung ist etwas dran.«
»Hilfe, was habe ich mir hier angetan. Teufel und Belzebub verbünden sich gegen mich.«
»Du wolltest, dass ich heute mitkomme und den Lehrer spiele, Bruderherz! Aber Kopf hoch, ich fahre ja heute Abend wieder, während du ja hier bleibst.«
»Wenigstens ein Hoffnungsschimmer am Horizont.«
»Da schimmert vor allem der See! Was haltet Ihr davon, wenn wir unser Lernzeug mitnehmen und dann dorthin fahren. Lunchpakete gibt es von meiner Mom!«
»Ich hab aber keine Badehose dabei!«
»Vergiss es Bruderherz, dieses Argument habe ich auch einmal versucht anzubringen.«
»Und?«
»Keine Chance. FKK!«
»Aha und da soll ich mitmachen?«
»Ja. Sei doch nicht so verklemmt, ich weiß, wie du untenrum ausschaust und Manuel hat auch schon andere nackte Männer gesehen.«
»Na, nicht das ihr mich vernaschen wollt!«, kommt es mit einem Grinsen von meinem Bruder. Mist! Ich bin ihm auf den Leim gegangen.
Also packten wir die Lunchpakete, welche mal wieder für Riesen gefertigt waren, ein. Diesen Rucksack überreichte ich grinsend meinem Bruder, da der ja keine Bücher zum Mitschleppen hatte. Ich sehe ja nicht ein, dass er nur die Verantwortung trägt.
»Nach der Strecke, an die ich mich so langsam gewöhnte, mein Bruder zum Glück noch nicht, dadurch hatten wir wieder etwas zu lachen, gelangten wir an «unseren» See.
»Ein schönes Fleckchen Erde hast du hier entdeckt, Manuel«, kam es von meinem Bruder als er wieder bei Atem war.
Nach einer kurzen Abkühlung im See zog ich mich etwas zurück, damit ich in Ruhe lernen konnte, während die beiden sich durch den für mich völlig unverständlichen Chemiestoff quälten. Um die Mittagszeit killten wir die mitgebrachten Speisen restlos. Lernen an frischer Luft macht wohl extremen Hunger. Nach dem Essen ging es kurz zum Plantschen ins Wasser und dann wieder in den trockenen Stoff.
Am späten Nachmittag zogen wir uns dann wieder Richtung Heimat zurück. Mein Bruder fuhr nach der Verabschiedung und Danksagung von Manuel gleich nach Hause. Ich blieb ja noch bei meinem Schatz.
Beim Abendessen meinte seine Mom grinsend, dass sie das Gästezimmer gar nicht erst hergerichtet hat. Das waren ja immerhin schöne Aussichten. Nach dem Abendessen zogen wir uns auch schnell zurück.
Die Zärtlichkeit und die Nähe Manuel's halfen mir, mal den ganzen Prüfungsstress zu vergessen. Ein Blick in die Augen meines Freundes zeigte mir, dass es ihm genauso ging.
»Glaubst du, dass wir es schaffen zusammen zu ziehen?«
»So wie deine Mom auf uns reagiert, wird sie sicher ein Wort bei deinem Dad einlegen.«
»Das meinte ich nicht. Wir kennen uns ein paar Wochen. Sehen uns ein bis zwei Tage die Woche. Leben eigentlich von Wochenende zu Wochenende. Meinst du, wir sind soweit, dass wir zusammenziehen sollten?«
»Hast du angst, dass ich es nicht mit deinen Eigenarten aushalte?«
»Nein. Das weniger. Aber ich weiß noch nicht sicher, ob ich es will. Versteh mich bitte nicht falsch. Ich bin total glücklich, wenn du bei mir bist, aber ich habe Angst, dass dieses Gefühl der Gewohnheit weicht.«
»Das glaube ich nicht. Meine Eltern zum Beispiel. Sie sind seit Ewigkeiten verheiratet. Manchmal kracht es ganz gewaltig bei uns zuhause. Aber dann sind sie wieder ein Herz und eine Seele. An manchen Tagen wirken sie sogar wie frisch verliebt. Schau dir Sascha und Daniel an. Die sehen sich jeden Tag in der Schule und trotzdem sind sie glücklich. Krach gibt es überall mal.«
»Das ist das eine, das andere ist eine Geschichte, die mir Michael mit auf den Weg gegeben hat, als ich bei ihm übernachtet habe.«
»Erzähl Sie mir bitte.«
»Michaels Outing klappte eigentlich auch ganz toll. Seine Eltern hatten keine Probleme damit. Aber er selber veränderte sich. Er interessierte sich immer weniger für die Belange der Familie, wurde immer kälter gegenüber anderen, lebte nur noch in der Erleichterung sich geoutet zu haben. Damit alle Probleme gelöst zu haben! Er kapselte sich zum Teil richtig ab.«
»Besteht bei dir diese Gefahr?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Also bei mir schon. Weniger, dass ich kalt gegenüber anderen werde, als dass ich mich von meiner Familie zurückziehe. So gut lief mein Outing nicht.«
»Klar. Ich meinte aber eher, dass wir als vier Schwule eine WG machen. Da habe ich fast Angst, dass es für uns viel zu selbstverständlich wird, das alles auf Männer steht.«
»Das kann nicht passieren. Ich stehe doch nicht auf Männer!«
»Was?« Der fassungslose Blick war eine Schau.
»Ich stehe auf dich und sonst auf niemanden!«
»Du bist fies mich so zu schocken!«
»Als Entschädigung gibt es auch einen Kuss, oder zwei oder ... mhhhh ...«, weiter kam ich nicht.
Irgendwann schlief Manuel in meinen Armen ein. Ich betrachtete noch lange sein schönes Gesicht im Mondschein, während ich über das, was er gesagt hatte, nachdachte. Irgendwie hatte er beängstigend recht. Oft, wenn ich einen süßen jungen Mann sah, ging ich schon fast davon aus, dass er auch schwul sei. Anscheinend wirklich ein Fall von Realitätsverschiebung. Vielleicht liegt es auch daran, dass alle meine wirklichen Freunde schwul sind. Aber immerhin wird das Verhältnis zu meinem Bruder wieder besser, seitdem er weiß, was mit mir los ist.
Über diesen Gedanken bin ich wohl eingeschlafen.
Kapitel 20
Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich allein im Bett. Mein Schatz war anscheinend schon auf. Seine Klamotten hingen nicht mehr über dem Stuhl, auf dem sie gestern Abend gelandet waren. Also auch aufstehen. Ein Blick auf die Uhr: kurz vor zehn am Morgen. Hilfe, durch den Jungen werde ich ja noch ein Frühaufsteher.
Nach einem Besuch auf dem Ort, den selbst der Kaiser allein besucht, schlich ich mich in die Küche. Immer dem Duft nach frischem Kaffee nach.
»Guten Morgähn.«
»Hilfe ein Zombie! Mit sowas soll ich meinen Sohn zusammenziehen lassen?«
»Hä!?«
»Gib Frank erstmal einen Kaffee, sonst kapiert der überhaupt nix«, kam es lachend von meinem Schatz.
»Trinken kannst du ihn allein oder sollen wir ihn dir einflößen?«
»Er kann sich auch alleine anziehen, also kann er auch alleine trinken. Verwöhn ich nicht so Christine, sonst will er diese Behandlung auch von mir.«
»Wenn ich euch meinen Segen gebe!«
»Hey, vor fünf Minuten klang das aber noch anders.«
»Da hatte ich Frank auch noch nicht in seinem morgendlichen Zustand gesehen.«
»Ja, ja, lästert nur ihr Frühaufsteher.«
»Ah, er scheint zu sich zu kommen.«
»Wo ist dein Dad?«
»Der ist heute schon zu irgendeiner Pferdeschau gedüst.«
»Ach so. Was habe ich nicht mitbekommen?«
»Bloß dass wir, wenn dein übler Zustand in der früh nicht wäre, einen Segen für unsere WG haben.«
»Was?«
Ich muss wohl sehr ungläubig geschaut haben, so wie beide loslachten.
»Ich habe schon vermutet, das ihr beide mit so einem Wunsch auf mich zukommt. Vor allem als Werner mit der Idee vom Internat ankam. Also, wenn die nächsten Schulaufgaben mit eurer Hilfe wirklich besser werden, habt ihr unsren Segen.«
»Unsren? Ich dachte dein Dad wär stur.«
»Na das mit dem Internat war auch relativ einfach ihm wieder auszureden. Er hat ja selber das Internat gehasst. Deshalb war es ja auch die letzte Alternative. Wenn sich der Lernerfolg auch durch angenehmere bis sehr angenehme Mittel erreichen lässt, hat mein Mann nichts dagegen.«
»Dass er selber was gegen das Internat hatte, wusste ich ja nicht.«
»Aber eines gebe ich dir von meiner Seite noch mit auf den Weg: Sollte das nächste Zwischenzeugnis so ausschauen wie das Jahreszeugnis ausschauen wird, dann kannst du davon ausgehen, das du unter dem Schuljahr im Internat landest.«
»Klar verstanden. Ist angekommen. Danke Mom!«
»Nenn mich doch bitte nicht so, ich fühl mich dann immer so alt.«
»Ich glaube der Spruch ist fest einprogrammiert als Antwort auf das Wort ‚Mama', ‚Mom' und sämtliche Variationen davon«, grinste Manuel.
»Aha, mein Herr Sohn will frech werden. Momentan habe ich ja immerhin ein Druckmittel!«
»Das ist dann Erpressung!«, wagte ich mich einzuschalten.
»Klar. Da würde ich dir auch den Rat geben, dir schnellstmöglich was einfallen zu lassen. Ohne solche Argumente erreichst du bei deinem Schatz überhaupt nichts.«
»Danke für den Hinweis. Ich werde es mir merken.«
Den Rest des Frühstücks verbrachten wir recht gelassen. Seine Mom hat mich anscheinend als Schwiegersohn akzeptiert. Irgendwann nachmittags fuhr ich mit meinem Bücherstapel ab, nicht ohne, dass mir alle beide viel Glück und Erfolg bei meiner Abschlussprüfung gewünscht hätten.
Montag war ich nur den halben Tag in der Arbeit. Mein Chef half mir noch die letzten Unklarheiten auszuräumen. Eigentlich hing ich den ganzen Vormittag bei ihm im Büro und habe mit einem unserer Spezialisten nach dem anderen telefoniert. Irgendwie versuchte er auszugleichen, dass die Bank mir so übel mitgespielt hat. Richtig nett!
Nachmittags stürzte ich mich dann noch auf die zwei letzten schriftlichen Prüfungen. Na ja. Ich hoffe beim Finale bin ich besser als bei dieser Generalprobe.
Abends telefonierte ich noch kurz mit Manuel.
»Hallo Frank. Hast du deinen Rucksack in greifbarer Nähe?«
»Ja. Moment. ... Hab ihn!« Was sollte das den werden?
»Mach mal die kleine Seitentasche auf der rechten Seite auf.«
»Da war doch nix drin.« Aber ich habe trotzdem die Anweisung befolgt.
Ich war sprachlos. Mein Manuel denkt an alles. Ein getrocknetes 4-blättriges Kleeblatt und ein Glückspfennig mit meinem Jahrgang. Mir kamen fast die Tränen.
»Gefunden?«
»Ja. Danke du bist ein Schatz.«
»Nimm beides morgen mit zu deiner Prüfung. Da kann dir nichts mehr passieren.«
»Danke. Was würde ich nur ohne dich machen? Ich liebe dich!«
»Ich dich doch auch. So jetzt geh schnell schlafen, damit du morgen fit bist.«
»Ich kann doch eh nicht schlafen.«
»Doch kannst du, du musst nur wollen. Damit du willst, bekommst du von mir noch einen Gute-Nacht-Kuss. *schmatz*!«
»Danke. Dir morgen auch viel Glück bei Chemie. Schlaf schön!«
Mir fiel es von Tag zu Tag schwerer aufzulegen.
Erstaunlicherweise bin ich sogar recht schnell eingeschlafen. Allerdings war ich am Dienstag schon mit dem Hahn auf. Verdammte Nervosität. Mit jeder Minute, von der dir jede wie eine Stunde vorkommt, steigt sie. Du fühlst dich immer mehr wie vor deiner eigenen Hinrichtung. Wenn dann die Prüfung läuft, ist das zum Glück bei mir vorbei. Da konzentriere ich mich nur noch auf die Fragen.
In der offenen Fragestellung schrieb ich mir halb die Finger wund. Irgendwie waren es dieses Jahr nur so Schwafelfragen. Zum Glück kam von Rechnungswesen nicht so viel dran. Ein paar Fragen habe ich nur auf gut Glück beantwortet, nicht ohne vorher nach dem Glückspfennig und dem Kleeblatt zu greifen. Prinzip Hoffnung!
Beim Kreuzchenfragen-Teil, auch Multiple-Choise genannt, ging es mir ganz gut. Beim gegenseitigen Vergleichen kamen wir ungefähr auf dieselben Ergebnisse. Dort, wo wir unsicher waren, schauten wir dann noch schnell im Buch nach. Sah recht gut aus.
Kapitel 21
Sobald ich zuhause war, rief ich sofort bei Manuel an. Nach zwei Mal Klingeln kam die Frage:
»Wie ging es dir?«
»Hey, immer langsam. Bist du neben dem Telefon gesessen?«
»Nein. Ich habe das Telefon gleich in mein Zimmer mitgenommen.«
»Kommt auf das gleiche raus. Mir ging es soweit ganz OK. 100%ig kann ich noch nichts sagen. Aber ich habe kein ganz schlechtes Gefühl.«
»Cool! Ab wann darf ich dich mit Bankkaufmann titulieren?«
»Nicht so schnell. Erst mal muss ich in einem Monat die mündliche Prüfung auch noch überleben. Wie ging es dir in Chemie?«
»Besser als den ganzen Rest des Jahres. Zumindest steht bei jeder Frage ne Antwort dabei. Mein Pauker hat schon richtig geschaut, als er das Blatt nicht nur halb voll zurück bekommen hat.«
»Na dann hoffen wir mal. Ich will nämlich mit dir zusammenziehen!«
»Ich doch auch mit dir. Richte deinem Bruder bitte noch mal einen ganz herzlichen Dank von mir aus. Er ist ein toller Lehrer.«
»OK. Werde ich machen. So wie ich das mitbekommen habe, plant er gerade die Hochzeitsreise. Momentan habe ich ihn fast soweit, dass er nach Mykonos fliegen will. Da besteht immerhin keine Gefahr, dass ihm jemand die frisch Angetraute wegschnappt.«
»He, du bist fies zu dem armen Mädchen. Was meinst du wie die sich über den Rattenschwanz von Typen aufregen würde, den dein Bruder hinter sich herziehen würde.«
»Stimmt auch wieder. Ich glaube ich muss noch mal mit ihm reden.«
»Glaube ich auch. Wir zwei könnten unsere ‚Hochzeitsreise' nach Mykonos machen. Da könnten wir dann die ganzen alten Typen verarschen, die was Junges aufreißen wollen.«
»Gute Idee. Aber ich glaube da machen wir besser einen WG-Ausflug daraus. Ich will mal erleben, wie Daniel reagiert, wenn er von einem angebaggert wird.«
»Oder wie Sascha reagiert. Was meinst du, wie ich reagieren würde.«
»Ich hoffe die durchsuchen dich auf Waffen bevor du auf die Insel darfst, sonst landest du wegen Mordes hinter Gittern.«
»Übertreib mal nicht.«
»Was machst du den Rest des Tages noch?«
»Keine Ahnung. Eigentlich wollte ich noch ein wenig reiten. Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Klar. Ich bekomme das Auto. Hast du Lust mit in die Kreisstadt zu fahren? Eis essen!«
»OK. Holst du mich ab?«
»Logo. Bin in einer halben Stunde bei dir! Ist das OK?«
»Klar. Bis gleich!«
»Bis gleich!«
Also nichts wie umziehen und los.
Wenn meine lieben Kolleginnen schon jede ihren Freund mit zum Eisessen nimmt, werde ich nicht allein auftauchen.
»Hi Manuel. Diesmal bewegst du dich mit mehr als einem PS.«
»Stimmt. Aber das eine ist romantischer.«
»Eine Frage. Würdest du dich als mein Freund vorstellen lassen vor meinen Kolleginnen von der Prüfung?«
»Hängt davon ab. Glaubst du, dass es da irgendwelche Probleme gibt?«
»Nein. Ich weiß nur nicht, wie deren Freunde reagieren.«
»Aha. Kommen also alle mit Anhang.«
»Genau. Mich haben sie aufgefordert, wenigstens irgendjemanden mitzunehmen, wenn ich schon keine Freundin habe.«
»Und da hast du an mich gedacht?«
»Klar. Du bist ja auch mein Freund. Wenn die Gelegenheit passt, würde ich dich auch gerne als meinen Boyfriend vorstellen.«
»Also im Prinzip habe ich nichts mehr dagegen. Da meine Mom von der Aussicht einer besseren Chemiearbeit auch begeistert war, hab ich jetzt eine Zusage für das Projekt ‚WG'. Da kann mir hier langsam einiges egal sein.«
»Super. Gib mir einfach ein Zeichen, wenn es dir nicht passen sollte. Ich werde dich schon verstehen.«
»OK. Aber hoffen wir mal das Beste.«
Wir waren angekommen. Die Eisdiele hörte auf den zwar nicht seltenen aber wenigstens wohlklingenden Namen »Venezia«. Als wir den Raum betraten, fiel der große Tisch gleich auf. Wir waren wohl die Letzten. »Hi, ich dachte bei irgendwen mitbringen zwar an ein weibliches Wesen um den Schnitt zu halten, aber daraus scheinst du dir ja nicht so viel zu machen.«
Hey das wäre ja fast eine Gelegenheit um die Fakten zu schaffen. Ein kurzer Blick zu Manuel ließ mich den im Geiste schon fertigen Satz wieder vergessen. Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Was hat das zu bedeuten?
»Hi Manuel, ich wusste gar nicht, das unser Pferdenarr auch Kontakte zu den Scheinchenzählern hat.«
»Hallo Paul, nachdem ich zwangsweise Kontakt zum Schweinchenzähler habe, musste ich ja für Ausgleich sorgen.«
Alle lachten, nur ich stand irgendwie etwas daneben.
»Das ist der Sohn von dem großen Schweinezüchter. Der ist bei mir in der Klasse!«
»Aha!«, sehr geistreicher Kommentar, aber immerhin konnte ich jetzt auch lachen. Noch mehr lachen konnte ich, als ich sah, mit wem Paul zusammen war. Mit meiner Leidensgenossin als nicht übernommen.
»So wie dein Grinsen immer fieser wird, hast du auch gerade den selben Gedanken wie wir vor kurzem«, kommt es von einer der »Glücklichen«.
»Na da ist wohl bald ein großer Geschäftskunde weg.«
»Stimmt. Vor allem habe ich mit meinem Dad geredet, als es um die Stelle eines Buchhalters ging.«
»Da ich mich mit Pauls Vater eh super verstehe, kann ich ende nächsten Monat als Buchhalterin dort anfangen. Dann bin ich der Schweinezähler!«
Jetzt fiel unser Tisch endgültig in der ganzen Eisdiele auf. Zwischenzeitlich hatten wir auch jeder einen schön großen Eisbecher vor sich stehen. Die sorgten für die notwendige Abkühlung.
Im Laufe des Gesprächs kam auch raus, dass die beiden übernommenen Damen auch verdammt froh waren, dass es sich für uns nicht so zum Nachteil entwickelt hatte.
»Manuel, langsam verstehe ich, wieso du mit uns nie auf Sauftour gegangen bist«, kommt es von Paul.
»Warum?«
»Ihr zwei habt uns doch noch was zu sagen!«
Das war eindeutig. Da hatte jemand mehr als nur Verdacht geschöpft. Manuel starrte Paul an. Dieser schaute grinsend zurück. Wirkte aber nicht böse grinsend. Plötzlich hatte ich eine Hand in meiner und wurde zu Manuel gezogen. Wir küssten uns vor allen Leuten. Mir war es egal, was diese dachten, und Manuel schien glücklich zu sein es zu tun. Der ganze Tisch applaudierte uns. Coole Aktion von denen. Der eine Freund zögerte zwar etwas ließ sich aber dann von seiner Freundin mitreißen.
Am Nebentisch bahnte sich ein Aufruhr an.
»Also diese Jugend von heute. Pfui Teufel. Zu meiner Zeit hätte man sowas ins KZ gesteckt. Das ist ja widerlich«, schimpfte eine alte, ziemlich verbiestert schauende Frau über uns.
»Hey, lasst euch von so einer alten Schimpf-Schnepfe nicht vom Küssen abhalten. Die ist nur neidisch, weil sie sich nicht traut ihre Freundin zu küssen!«, flüsterte Paul uns zu.
Ich glaube die Dame hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Unaufgefordert kam der Kellner mit der Rechnung zu ihr.
»Sie wollten zahlen, Madam?«
»Nein. Warum lassen Sie solche Subjekte ihr Unwesen in ihrem Lokal treiben? Schämen sie sich nicht?«
»Im Gegensatz zu Ihnen benehmen sie sich wie Gäste! Sie wollten zahlen!«
Puh, höre ich da richtig? Die »freundliche« Dame wird wohl gerade sehr direkt aufgefordert, das Lokal zu verlassen. Nach etwas Gemecker und Geschimpfe, welches sie mit einem um Beifall haschenden, aber vergeblichem, Rundumblick von sich gab, zog sie dann ab.
»So ich glaube die sind wir los!«, kam der Kellner an unseren Tisch.
»Ja. Danke für die Hilfe, aber die hätten wir schon ausgehalten.«
»Ihr sicherlich, aber ich nicht. Also, dass sie was gegen Schwule sagt, damit könnte ich noch leben. §175 ist bei der Generation einfach noch gut eingespeichert. Aber das mit dem KZ hat mir den Rest gegeben, dort ist mein Großvater gestorben. So mag noch jemand von euch was?«
»Klar, ich hä...«
»Nein. Ihr zwei seit erstmal schön brav still und wartet ab. Ich meinte den Rest vom Tisch.«
Nachdem er die Bestellungen aufgenommen hatte, zog er grinsend ab. Mal abwarten was das wird!
Fünf Minuten später wussten wir es: Es wurde ein 2 Personen Partnereisbecher für uns. Mit Zuckerguss-Herzen und zwei Wunderkerzen oben drauf. Schön kitschig aber irgendwie auch total schön. Wir schauten wohl beide etwa gleich aus.
»Hey, Ihr könnt die Kinnladen wieder hochklappen, der geht auf Kosten des Hauses. Lasst es euch schmecken.«
»D...a...n...k...e…!«
»Nichts zu danken. Dafür macht ihr aber auch schön brav Werbung für uns. OK?«
»Klar«, kam es vom ganzen Tisch.
»Na dann haut rein.« Damit zog sich »unser« Kellner zurück und überließ uns das Schlachtfeld. Der Waight-Watcher in mir bekam schon vom Hinschauen einen Herzinfarkt, dadurch konnte ich dann ohne störende Gedanken das Eis genießen. Klar haben wir uns gegenseitig mit dem Eis gefüttert.
Aus dem Nachmittag wurde ein sehr langer, lustiger Abend. So gegen 23 Uhr rum brachte ich dann Manuel nach Hause und bin dann auch Richtung Heimat aufgebrochen.
Kapitel 22
Den Rest der Woche passierte nichts mehr. Das Wochenende verbrachte ich wieder bei Manuel. Dabei erhielten wir, dank Christines Hilfe, die Zusage für das WG-Projekt. Die Chemieschulaufgabe war mit einem Zweier zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten ausgegangen. Dass gestaltete sich einfacher als ich dachte. Natürlich nur unter dem Versprechen, dass Manuel sich weiter auf seinen Hosenboden setzt und lernt.
Diese gute Nachricht gab ich dann gleich noch an Daniel und Sascha weiter.
Am Mittwoch rief Daniel bei uns an, dass wir am Samstag zu zwei Wohnungsbesichtigungen kommen sollen. Also ging es wieder in die City, nicht ohne das mein Vater die Hoffnung zum Ausdruck brachte, mich bald aus dem Haus zu haben.
Ich holte Manuel ab und gemeinsam fuhren wir gleich zu der Adresse der potentiellen Wohnung. Dort angekommen wurden wir auch schon von Daniel begrüßt:
»Hi ihr zwei. Da seit ihr ja endlich. Mal schauen, wie euch die Wohnung gefällt.«
»Hallo Daniel, mal abwarten. Wie geht es bei euch so?«
»Ach wie immer. Irgendwie planen wir schon die ganze Wohnung.«
»Ihr habt es ja ganz eilig von zuhause wegzukommen, dabei wurde mir doch nahegelegt, mir was zu suchen.«
»Letztens ist Mel in mein Zimmer geplatzt, als ich gerade mit Sascha geknutscht habe. Das war schön peinlich.«
»Klar.«
»Wollen die Herren sich jetzt vielleicht mal die Wohnung anschauen?«, kam es von Sascha.
Klar wollten wir. Es war eine echt schöne Altbauwohnung mit hohen Räumen, großen Fenstern und viel Licht. Richtig schön, auch wenn sie momentan total kahl wirkte. Vor allem lag die recht ruhig in einer Sackgasse. Vielleicht eine Viertelstunde bis ins Zentrum.
Die zweite Wohnung lag etwas außerhalb. Die war zwar größer, lag aber im 3. Stockwerk an einer doch etwas belebten Straße. Nach kurzer Debatte waren wir uns einig, dass wir die erste Wohnung nehmen wollen.
Telefonisch holten wir den Segen der jeweiligen Eltern ein. Übergabe der Wohnung würde genau an dem Wochenende zwischen meiner mündlichen Prüfung und der Hochzeit meines Bruders sein.
Diesen Abend gingen wir nicht zum Gruppentreff, sondern setzten uns bei Daniel in der Küche zusammen mit seiner Mom hin und fingen zu planen an. Schnell waren wir uns über die Einzelheiten einig. Ich sollte die WG nach außen vertreten, da ich als Einziger einen eigenen Verdienst hatte. Den Mietanteil sollten die jeweiligen Eltern zu mir überweisen, von meinem Konto sollte das weggehen. Auch OK.
Manuel schlief diesmal bei Sascha. Zum Frühstücken fuhr ich mit Daniel ebenfalls zu Sascha. Nach diesem wurde aus den gesammelten Stichpunkten ein einigermaßen haltbarer Terminplan erstellt. Meine Güte, was man da alles bedenken muss. Zum Glück fangen 3 Wochen nach Bezug der Wohnung die großen Ferien an. Ich war sowieso nach der mündlichen Prüfung erstmal arbeitslos. Also hatten wir wenigstens genügend Zeit, uns häuslich einzurichten. Nachdem auch diese Grundplanung stand, ging es erstmal wieder Richtung »momentaner« Heimat.
Kapitel 23
»Geschafft. Mündliche Prüfung mit einem Zweier abgeschlossen. Mann bin ich froh, dass die ganze Schose jetzt durch ist.«
»Herzlichen Glückwunsch mein Schatz. Willkommen in der Arbeitslosigkeit.«
»Danke Manuel. Du bist mal wieder so lieb.«
»Bei dir kann man wenigstens sagen: Arbeitslos und Spaß dabei!«
»Stimmt auch wieder. Wobei mir ja als Arbeitsloser durch den Umzug und die Hochzeit von meinem Bruder auch nicht langweilig wird.«
»Klar. Vor allem mit dem Umzug werden wir alle noch eine Weile beschäftigt sein.«
»Du kommst bei der Hochzeit auch nicht aus, Manuel!«
»Was? Warum das?«
»Mein Bruder hat dich explizit mit eingeladen. Sehr zum Ärger meines Vaters. Der hat sich zwar so wieder in der Gewalt. Ich glaube ich bräuchte nicht mal in die City ziehen, aber nur solange er nicht merkt, dass ich schwul bin.«
»Dein Bruder ist ja echt cool. Meint der echt, dass ich da kommen soll?«
»Klar. Wenn mein Vater einen Aufstand machen will, soll er ihn doch gleich vor der ganzen Familie machen, damit es auch ja jeder mitbekommt.«
»Na OK. Hoffen wir, dass das gut geht.«
»Wird es schon, und wenn dann hauen wir halt von der Feier ab.«
»Klar. Fahren wir diesen Samstag in die City?«
»Guten Morgen Schatz! Wann ist die Wohnungsübergabe?«
»Ach ja richtig! Willst du danach noch zum Treffpunkt gehen?«
»Wenn du nichts vorhast sehr gerne. Die letzten Wochen ging ja wegen der Lernerei nicht so viel.«
»Na immerhin haben wir das eine mal schon die Wohnung ausmessen können.«
»Stimmt. Das richtige Einrichten wird erst ab übernächstem Samstag losgehen.«
»Immerhin können wir uns überlegen, wo wir unser Bett hinstellen.«
»Du willst wirklich ein Bett für uns?«
»Klar. Wenn es jemand nicht mitbekommen soll, dann gehen wir mit dem- oder derjenigen halt nur in den Wohnraum.«
»Stimmt. Wann wirst du eigentlich auf der Schule eingetragen?«
»Kurz vor Ende der Sommerferien. Ich glaube meine Eltern wollen ein wenig kontrollieren, ob mir der Umgang mit euch gut bekommt. Wenn nicht, können sie mich noch immer kurzfristig in das Internat schicken.«
»Mal den Teufel mal nicht an die Wand.«
»Vielleicht wärst du nach den Sommerferien froh, wenn du mich los bist.«
»Das glaube ich kaum. Ich kann von dir so schnell nicht genug bekommen.«
»Das hoffe ich doch auch!«
Am Samstag ging es also mal wieder in die Stadt. Viel Neues gibt es darüber wohl nicht mehr zu berichten. Irgendwie hatte sich das schon total eingespielt. Gerade, dass nicht immer derselbe Parkplatz für mich freigehalten wurde. Die Übergabe der Wohnungsschlüssel und das ganze rechtliche Gewäsch interessieren euch sicherlich nicht so. Auch die nächste Woche passierte nicht viel Besonderes. Ich holte mir meine Zeugnisse und schickte gleich Kopien an meinen zukünftigen Arbeitgeber. Außerdem meldete ich mich wie es sich gehörte arbeitslos. Schon irgendwie ein komisches Gefühl!
Dadurch hatte ich natürlich schön viel Zeit, um meinem Bruder bei den Vorbereitungen für seine Hochzeit zu helfen. Nachmittags tat ich das dann meistens zusammen mit Manuel. Der jammerte dann auch nur darüber, dass sie nur noch zum Filmeglotzen in der Schule saßen. Gab aber immerhin in der Woche drei Mal Hitzefrei.
Mein Bruder und Manuel vertrugen sich, wie schon beim Lernen getestet, sehr gut. Auch mit meiner zukünftigen Schwägerin gab es keine Probleme, wenn man mal davon absieht, dass sie mir sauer war, weil sie niemanden mehr hatte, mit dem mein Bruder zur Ordnung gerufen werden konnte.
Wir hatten besprochen, Manuel gar nicht extra als meinen Freund vorzustellen, sondern dies einfach als gegebene Tatsache dastehen zu lassen. Wir müssen ja nicht unbedingt in der Kirche mit knutschen anfangen. Er ist einfach als Freund mit eingeladen. Stimmte ja auch irgendwie.
Die Hochzeit selbst war eine extrem kitschige Traditions-Hochzeit, wie es sich meine Mutter immer gewünscht hatte. Mein Schatz und ich konnten uns auch tatsächlich soweit beherrschen, dass niemandem, der nicht eh schon Bescheid weiß, ein Verdacht kam. Sicher hatte auch Adolf keinen Verdacht geschöpft, als er mehr oder weniger unauffällig, eher weniger, dafür sorgte, dass Nicole den Platz neben mir bekommt. Da Manuel sich dann gleich auf meine andere Seite setzte, hatten wir dadurch so was wie einen »Jugendtisch« etabliert. An dem wurde es auch richtig lustig. Nicole schäkerte mit Manuel und mir. Das sorgte wenigstens mal wieder für ein paar etwas andere Gerüchte in der Dorfgemeinschaft. Später am Abend setzte sich dann auch das Brautpaar an den Jugendtisch.
»Na wie fühlt man sich nach dem Urteil ‚lebenslänglich'?«
»Auch nicht anders als vorher. Na gut, ein wenig seltsam schon.«
»Kann ich mir denken, macht ihr in der Hochzeitsnacht irgendwas besonders?«
Anmerkung: Von Manuel und mir haben die beiden Handschellen bekommen. Könnt ihr euch vorstellen, wie unwohl ich mich gefühlt hab, als ich die Teile in einem SM-Shop gekauft hab?
»Ja ja, das wüsstest du wohl gern Bruderherz!«
»Aha, das macht ihr also auch!«
Der Tisch grölte! Alle die den Joke nicht verstanden haben sollten sich den Film Werner mal in der 10.000sten Wiederholung anschauen.
In dem Tenor ging es weiter. Mein Bruder kramte noch sämtliche seiner schlechten Witze, die irgendwas mit Hochzeit und Ehe zu tun hatten, raus. Es waren viele. Nur ein Guter ist mir im Gedächtnis geblieben, den muss der Leser jetzt auch aushalten:
»Ein Ehepaar bei der Golden Hochzeit: Sie: ‚Was hast du eigentlich gedacht als du mich damals angesprochen hast?' Er: ‚Ich wollte dir die Brüste aussaugen und den Verstand aus dem Körper ficken!' Sie: ‚Und heute?' Er: ‚Denke ich, dass mir das ganz gut gelungen ist.'«
So und so ähnlich ging es weiter.
Zum Übernachten fuhr ich natürlich mit zu Manuel.
Kapitel 24
So, ab jetzt werde ich den Zeitraffer noch ein wenig schneller stellen, da eigentlich nichts Weltbewegendes mehr geschieht.
Die Sommerferien bzw. die Zeit zwischen meinen Jobs verbrachten wir damit, diese unsere Wohnung herzurichten, einzurichten und auch so eine Menge Blödsinn anzustellen. Den benötigten Hausrat schnorrten wir uns bei unseren Müttern zusammen. Für unsere Designer-Möbel musste unser eigenes handwerkliches Geschick herhalten. Es wurde ein sehr eigenwilliges Design, aber uns gefiel es. Für die Wohnzimmereinrichtung konnten wir eine Couch von Saschas Eltern »erben«. Den großen Schrank für unsere Klamotten bekamen wir von Manuels Eltern, die die Gelegenheit beim Schopf gepackt haben und das Schlafzimmer neu einrichten. Das Ehebett wollten wir dann doch nicht übernehmen. Da haben wir unsere Ersparnisse zusammengelegt und uns ein schönes Photon-Bett gekauft.
Ein ganz eigenes Kapitel war der gemeinsame Telefonanschluss. Da natürlich jeder Telefon haben wollte, aber keiner zum Laden laufen wollte, musste ich als der »offizielle Mieter« (Diese Waffe wurde immer ins Feld geführt wenn ich was tun sollte) für Anschluss sorgen.
Da ja doch 2 PC's in der Wohnung stehen und ich endlich auch Online sein wollte, war DSL schon mal ganz interessant. Also nichts wie in den Telekomladen.
Wie könnte es auch anderes sein, war da natürlich mal wieder die Hölle los. Erst hat sich ein Typ, über dessen Wohnung ich lieber nicht Bescheid wissen will (vermutlich unter der Brücke links), darüber aufgeregt, dass die Deppen von der Post ihm das Telefon abgeschaltet haben, nur weil er 6 Monate keine Rechnung gezahlt hatte.
Dann war ein jüngerer Typ, vermutlich Student, an der Reihe sich darüber auszulassen, dass die Telekom ihm T-DSL bis zum Termin X (weit in der Vergangenheit) zugesagt hatte und bis jetzt noch nichts da ist und er doch so dringend das Internet braucht (kam mir vor wie Daum auf Entzug). Hat, nachdem er den halben Laden zusammen geschrien hatte, erstmal seinen Auftrag für T-DSL storniert. Kommentar von mir:
»Da steigen ja meine Chancen!«
Dieser brachte mir von ihm einen vernichtenden Blick und vom armen Verkäufer ein Grinsen ein. Das Grinsen kenne ich doch. Woher nur?
Ach ja richtig. Der saß bei der Feier vom ‚Treffpunkt' an der Bar.
»Hi, ziehst du jetzt mit deinem süßen Freund zusammen, oder was bringt dich hierher?«, kam es in nicht gerade leiser Lautstärke von ihm.
Ich dachte nur ‚Hilfe! Muss gleich der ganze Laden wissen, dass ich schwul bin?' Augen zu und durch!
»Ja! Habt ihr hier öfter solche tollen Kunden wie meinen Vorgänger?«
»Na ja, es gibt noch schlimmere. Aber zurück zu dir. Ablenkungstaktik gibt es bei mir nicht.« Das Grinsen ging vom einen bis zum anderen Ohr! »Ziehst du also tatsächlich mit deinem Schatz zusammen?«
»Wie schon gesagt Ja. Allerdings nur unter der Bedingung, dass wir DSL bekommen. Ansonsten weigert er sich!«
»Ach Gott, jetzt hängt es wieder an mir. Das ist fies! Gib mir mal eure Adresse!«
Nach der Angabe und einer kleinen Ewigkeit spukte die Datenbank auch tatsächlich aus, dass wir DSL haben können.
»Schaut sehr danach aus, als müsste dein Schatz zu dir ziehen. Was wollt ihr den für einen Telefontarif?«
»Gute Frage! ISDN ist mal sicher, gibt es auch einen mit vier Nummern?«
»Vier? Will bei euch jeder zwei?«
»Nein! Das zweite Bar-Team ist da auch noch mit dabei!«
»Ach so, Daniel und Sascha auch noch. Vier Schwule in einer Wohnung, das senkt die Heizkosten. Aber zurück zur Arbeit. Das mit der 4. Nummer ist kein Problem. Sind bei euch irgendwelche wahnsinnigen Telefonierer dabei? Wenn ja würde ich das Paket mit sonntags umsonst telefonieren wählen.«
»Klingt gut. Nehm ich. Geht auch für jeden ein eigener Telefonbucheintrag?«
»Ja. Nur eine Abrechnung für jeden geht nicht.«
»Ist auch nicht nötig. Das können wir wohl gerade noch auseinanderdividieren, nachdem wir den Kassenabschluss von der Fete auch geschafft haben.«
»OK. Dann noch eine Unterschrift. So Ciao. Wünsch dir noch viel Glück, und dass es dir nicht so geht wir mir.«
»Warum?«
»Ach! Ich bin vor einem Monat bei meinem Freund wieder ausgezogen. Wir haben es ganze drei Monate zusammen in einer Wohnung ausgehalten. Solange wir uns zwei bis drei mal die Woche gesehen haben, war alles wunderbar, aber sobald wir zusammen wohnten fand ich es einfach nur noch furchtbar. Aber Kopf hoch, Heten schaffen das ja auch irgendwie!«
»Witzbold, aber danke für die Warnung. Bis bald mal wieder, vielleicht sieht man sich mal im ‚Treffpunkt'. Bye!«
Entgegen aller Befürchtungen hatten wir wirklich schnell unsere ganze Technik und es lief auch soweit alles, wie wir uns das vorgestellt hatten, bzw. ich mir das vorgestellt hatte. Meine Mitbewohner haben eh nur den Kopf geschüttelt, als ich versuchte ihnen den ganzen Trick mit dem Netzwerk zu erklären. Hauptsache es läuft, war wohl die Meinung aller. Ignoranten!
Das Zusammenleben gestaltete sich entgegen der düsteren Befürchtungen von Silvio, so hieß mein Telefonverkäufer, wie ich später von Daniel erfuhr, soweit harmonisch. Sicherlich gab es einige Reibereien und auch mal einen kleinen Streit zwischen uns, aber nichts, was man nicht durch Reden aus der Welt schaffen könnte.
So und damit will ich jetzt diesen kleinen Bericht beenden. Nur einen Satz noch:
Danke Manuel, mein Engel – Ich liebe dich!
Nachwort
Ich haben fertig.
Die Geschichte habe ich in ungefähr einem Jahr geschrieben. Den Großteil davon in einem Monat. Mit korrigieren, ändern und nochmals Korrekturlesen verging dann der Rest der Zeit. Ich hoffe euch hat die Geschichte um Frank, Manuel und die anderen ganz gut gefallen. Ich wäre froh, wenn ihr mir ein wenig Feedback geben könntet.
Mir schwirrt da schon eine ganz andere Story im Kopf rum, allerdings weiß ich noch nicht, ob ich den Nerv habe, sie zu Papier zu bringen.
Bis bald
Icho Tolot
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