Stories
Stories, Gedichte und mehr
Summer in Paradise - Band 2
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.
Informationen
- Story: Summer in Paradise - Band 2
- Autor: ID
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Der neueste Band um Jordan und David.
Lese-Reihenfolge:
Along the Way
Sommer 2006
Chinese Food (nur Nebendarsteller)
Sommer – Der Boden der Tatsachen
A longer Way
Threeway
Seelendorf
Summerways
Summer in Paradise
David
Das Anmeldegespräch im Seelendorfer Kindergarten steht an. Eine kirchliche Einrichtung. Es gibt keine Wahl, wenn wir nicht jeden Tag nach Kleinding fahren wollen. Wir parken beim Paradies und machen uns zu Fuß auf den Weg. Jordan wirkt nervös. Ich greife nach seiner Hand.
„Alles okay?“
„Ja, ich hasse nur diese Elterngespräche und Elternabende und alles Vergleichbare.“
„Warum?“
„Weil ich da immer kritisch beäugt werde. Weil ich zu jung bin, zu punkig, zu schwul oder alles zusammen. Das war schon immer so. Bei Josh, bei Gwen … und jetzt geht es bei den Zwillingen wieder los.“
„Aber das ist jetzt anders. Du bist nicht mehr zu jung um Vater zu sein und du siehst nicht mehr punkig aus.“
„Dafür bin ich jetzt auch nicht mehr in der Großstadt, sondern auf dem katholischen Land. Und immer noch schwul.“
„Warte“, bitte ich und halte ihn an der Hand zurück. „Willst du... soll ich lieber nicht mitkommen?“
„Doch, natürlich. Ich würde dich nie verstecken. Elterngespräche machen mich einfach nur fertig. Voll irrational. Wahrscheinlich ist die Leiterin total nett oder zumindest so professionell, sich nicht anmerken zu lassen, falls sie ein Problem hat.“
Der Kindergarten ist groß und hell und bunt. In der großen Eingangshalle, die gefüllt ist mit Spielgeräten, fühle ich mich auf Anhieb wohl. Auch April sucht sich sofort was zum spielen. Jake bleibt wie immer erst mal auf meinem Arm. Aus dem Büro kommt uns eine ältere Frau entgegen, die uns freundlich begrüßt.
„Hallo! Sie müssen die Handersons sein.“
„Genau. Können wir auf Englisch weiterreden?“
„Oh, tut mir Leid, ich spreche kaum Englisch ...“
„Kein Problem, dann übersetze ich.“
„Gut. Mein Name ist Engel, ich bin die Leitung dieser Einrichtung.“
„David Lenz. Das ist Jordan Handerson. Und das sind Jake und April.“
Alle schütteln sich die Hände, auch Jake macht fröhlich mit.
„Bitte, gehen wir in mein Büro.“
Wir nehmen an einem kleinen Tisch Platz. Frau Engel stellt den Kindern eine Kiste mit Bausteinen hin.
„Versteht ihr zwei mich?“, fragt sie April.
„Ja.“
„Super. Mögt ihr spielen, solange wir Erwachsenen reden?“
„Ja.“
„Hast du ein Buch?“, fragt Jake von meinem Schoß aus auf Deutsch.
„Bestimmt finde ich da was.“
Sie macht eine Schublade auf und reicht Jake die Raupe Nimmersatt und ein paar andere Papp-Bücher. Er setzt sich damit sofort auf den Teppich und fängt an zu blättern.
„So also: Sprachlich scheint es zumindest mit den Kindern keine großen Probleme zu geben.“
„Nein, ich spreche Deutsch mit ihnen, Jordan spricht Englisch. Sie antworten uns meistens auf Englisch, aber mit meinen Eltern sprechen sie immer Deutsch. Sie sind da recht flexibel.“
„Sehr gut. Hier haben wir noch die Anmeldebögen, die Sie mir bitte noch ausfüllen, und hier ein paar Informationen zu unserem pädagogischen Konzept und dem Tagesablauf. Auf Seite drei steht, was die Kinder alles an Ausrüstung brauchen.“
„Dankeschön.“
„Erziehungsberechtigt ist …?“
„Jordan.“
„Alleine?“
„Ja.“
„Verstehe, dann reicht seine Unterschrift. Und hier ein wichtiges Formular: Hier legt er fest, wer seine Kinder abholen darf, außer ihm selbst. Wenn zum Beispiel mal Oma und Opa einspringen, dann bitte trotzdem vorher in der Gruppe Bescheid geben. Hier haben wir noch die Datenschutzerklärung und das wäre es dann schon mit den Formalien. Sie haben sicher noch viele Fragen …?“
„Wenn ich die Kinder abhole, muss Jordan aber nicht vorher anrufen, oder?“
„Entschuldigung, ich bin mir nicht ganz sicher, in welcher Beziehung Sie zu den Kindern stehen ...“
„Ich bin … ihr Stiefvater, im Wesentlichen.“
„Ach, dann sind Sie beide ...“
„Ein Paar, ja. Ist das ein Problem, weil Sie hier eine kirchliche Einrichtung sind?“
„Wissen Sie, vor einem halben Jahr hätte ich darauf noch mit ja geantwortet. Aber unter Pfarrer Fuchseder läuft einiges anders als früher. Ich muss mit ihm Rücksprache halten, aber ich nehme nicht an, dass es Probleme geben wird.“
„Und wie ist es bei Ihnen und Ihrem Team? Ich möchte nicht, dass die Kinder irgendwie schlecht behandelt werden oder ihnen ein Floh ins Ohr gesetzt wird.“
„Bei uns kommen die Kinder an erster Stelle. Und das klappt nur, wenn das Team und die Eltern an einem Strang ziehen. Wir werden sicher gut zusammenarbeiten können.“
Jordan schaut zwischen uns hin und her. Er versteht nicht jedes Wort, aber sicher bekommt er auch die komischen Vibes mit. Die Frau hat offensichtlich ein Problem mit uns. Aber sie zeigt es nicht.
„Gibt es sonst noch etwas Wichtiges, das wir müssen wissen? Vorerkrankungen? Dinge, auf die wir achten müssen?“
„Die beiden waren Frühgeburten, bisher gab es aber keine Hinweise auf eine Entwicklungsverzögerung.“
Jordan nimmt meine Hand. Frau Engel zuckt merklich zusammen.
„Sie hat ein Problem mit uns, dazu muss ich kein Deutsch können.“
„Sie sagt, sie wird professionell damit umgehen.“
„Das wird nicht funktionieren, David. Ich kann meine Kinder nicht in der Obhut von jemandem lassen, der mich verabscheut.“
Frau Engel schaut mich fragend an:
„Gibt es ein Problem?“
„Er macht sich Sorgen. Er merkt, dass Sie nicht mit unserer Homosexualität umgehen können. Es ist unter diesen Umständen schwer, genug Vertrauen in Sie zu fassen, um die Kinder hier zu lassen.“
„Ich habe nie gesagt, dass ich nicht mit Ihrer … mit Ihnen umgehen kann.“
„Nein, dafür sind Sie zu professionell. Aber man spürt es deutlich. Sogar ohne Deutsch zu können.“
„Herr Handerson...“, sie schaut Jordan direkt an. „Auch wenn Sie mich nicht verstehen: Ich versichere Ihnen, Ihre Kinder sind hier bei uns bestens aufgehoben. Und ich versichere Ihnen, dass unsere Zusammenarbeit gut funktionieren wird.“
Ich übersetze für ihn. Er nickt:
„Okay, dann versuchen wir das“, erklärt Jordan auf Deutsch.
Ich drücke seine Hand und lächle:
„Ja, ich finde auch, wir sollten es versuchen.“
Frau Engel führt uns durch die Einrichtung, die gerade leer ist. Typisch für Jordan, dass er sich dabei bei mir unterhakt und mich sogar zwischendurch kurz küsst. Ich versteh ihn, aber manchmal wäre es wirklich leichter, wenn er Konflikte auch mal meiden würde … Frau Engel bleibt aber – wie versprochen – professionell. Jake und April scheint es gut zu gefallen. Und eine echte Alternative haben wir eh nicht. Also melden wir die Kinder an.
Als wir gerade ins Auto steigen wollen, klingelt mein Handy. Max. Ich zeige Jordan das Display.
„Ich schnalle die Kinder an und mach ein Hörspiel an. Du telefonierst in Ruhe“, bietet er an.
„Glaubst du immer noch, dass Isa im Paradies wohnen sollte?“
„Ich glaube, dass das das Beste für sie wäre. Und ich glaube, dass wir gut damit auskommen könnten.“
„Okay, ich geh jetzt dran.“
Jordan zeigt mir zwei Daumen hoch und kümmert sich um die Kids.
„Hey“
„Hey David. Stör ich grad?“
„Nein, passt. Was gibt’s?“
„Ich war grad bei meiner Mum … und … ich könnte gerade echt einen Freund gebrauchen.“
„Abendessen bei Cora in einer halben Stunde?“
„Wirklich?“, fragt er überrascht.
„Ja, also … wenn du Zeit hast?“
„Ja, gerne.“
„Okay, dann bis nachher.“
Ich lege auf und frage mich sofort, ob das Angebot richtig war. Ich hab Noahs Stimme im Ohr:
„Max pfeift und David hüpft, oder wie?!“
Hab ich aus einem alten Reflex heraus zugesagt? Nein, ich habe zugesagt, weil Jordan mein Mitgefühl für Isa geweckt hat. Ich habe zugesagt, weil es das Richtige war, das zu tun.
Max sitzt schon am Tisch.
„Hey, entschuldige. Ich hab noch etwas länger gebraucht. Die Kinder ...“
„Kein Problem. Ich freu mich, dass du hier bist.“
Ich setze mich ihm gegenüber und sehe ihn mir an.
„Du siehst müde aus.“
„Ich schlaf nicht so gut. Und ich hab ein wahnsinniges Pensum in der Arbeit, das ich versuche, irgendwie von hier aus in den Griff zu bekommen. Und meine Mutter hätte es am liebsten, wenn ich den ganzen Tag bei ihr wäre.“
„Kann ich dir irgendwie helfen?“
Er seufzt:
„Ich krieg das alleine nicht hin, David.“
Ich weiß, dass es ihm sehr schlecht gehen muss, wenn er das zugibt. Denn Schwäche gibt er sonst niemals zu.
„Was brauchst du?“
„Einen Ort, an dem meine Mutter sich wohl fühlt. Und wo sie wieder eine Perspektive hat, wo sie sieht dass es sich lohnt, weiterzumachen. Und ich brauche einfach mal ein bisschen Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen, um mir zu überlegen, wie es weitergehen soll ...“
„Du solltest nochmal mit Christian reden. Isa sollte ins Paradies ziehen. Das wäre das Beste für sie. Und ab September kann ich dort auch mal nach ihr schauen ...“
„Das würde so sehr helfen, David … Aber was mach ich mit meiner Karriere? Das Projekt in Nürnberg … ohne mich geht da nichts vorwärts.“
„Max, dein Vater ist gestorben, deine Mutter sitzt verzweifelt in einem Heim fest. Red mit deinen Vorgesetzten. Sag ihnen, dass du Sonderurlaub brauchst. Das sind doch auch Menschen. Die werden das verstehen.“
„Sonderurlaub ist keine Option. Wenn, dann muss ich die Stelle frei machen. Aber die Übergabe an jemand Neues wird das ganze Projekt verzögern. Die ganze Entwicklungsabteilung ...“
„Max. Du bist in der Firma ersetzbar. Als Sohn bist du nicht ersetzbar. Niemand kann dir da ernsthaft Vorwürfe machen.“
„Außer ich selbst, weil ich nicht alles gleichzeitig hinkriege ...“
„Max, du musst das alles nicht alleine schaffen. Das würde kein Mensch hinkriegen. Nimm Hilfe an.“
„Okay ...“
„Du hast jetzt einen Plan: Mit Christian reden wegen dem Paradies und mit deinen Vorgesetzten reden wegen Urlaub oder sogar Kündigung. Und was du jetzt brauchst, ist ein ruhiger Abend und eine Pizza Vier-Jahreszeiten.“
„Du kennst mich manchmal besser als ich mich selbst.“
„Das hab ich auch gedacht, bis ...“
Ich stocke. Das auszusprechen, wäre unfair. Vor allem heute. Aber es nicht auszusprechen und Max gegenüber zu sitzen und so wohlwollend und freundlich zu ihm zu sein, wo gerade alles in mir schreit, dass er mich so unfair behandelt hat. Und dass er mich nie zu schätzen wusste …
„David?“
Ich atme tief durch:
„Tut mir Leid. Ich wäre gerne ganz selbstlos und würde gerne das tun, was richtig ist. Aber du hast mich so sehr verletzt, Max. Nicht nur das. Du hast mich dazu gebracht, an allem zu zweifeln. An mir, an meiner Wahrnehmung … an unserer ganzen Beziehung. Ich hab mich gefragt, ob ich der schlimmste Freund auf Erden war. Ob ich egoistisch war, ob ich nicht gesehen habe, wie es dir wirklich geht, ob ich zu viel von dir erwartet habe. Ob ich verrückt bin, weil ich mit Anfang 20 Vater werden wollte. Ob ich nur ein Kind will, um ein Loch in meinem Leben zu stopfen. Ich hab wirklich meine ganze Sicht auf die Dinge in Frage gestellt, nachdem du mit mir Schluss gemacht hast. Weil ich es absolut nicht hab kommen sehen, Max. Ich dachte, wir wären endlich wieder auf einem guten Weg. Ich dachte, wir würden es schaffen. Und ich hätte im Leben nicht gedacht, dass du mir so lange und so heimtückisch fremdgehen könntest.“
Max ist tief in seinen Stuhl gesunken.
„Es tut mir Leid, Max. Ich wollte dir das nicht so hinknallen, aber ich konnte es auch nicht mehr für mich behalten.“
„Soll ich gehen?“
„Nein! Ich will dir ja helfen. Aber ich will mich selbst dabei nicht wieder vergessen.“
Er greift über den Tisch nach meiner Hand.
„David, es tut mir so unendlich Leid. Ich war dumm, egoistisch und undankbar. Ich war der Idiot, der die Dinge nicht so gesehen hat, wie sie waren. Ich hab nicht mehr gesehen, was für ein Glück ich habe, dass du mich liebst und dass du für mich da bist. Ich hab nicht mehr gesehen, was im Leben wirklich zählt, hab nur noch an meine Karriere gedacht. Ich war der, der versucht hat, ein Loch in seinem Leben zu füllen, mit einer Affaire. Du warst der wunderbarste Freund, den man sich nur vorstellen kann. Und wenn ich nicht gesehen hätte, wie glücklich du mit Jordan und den Kindern bist, dann würde ich dich hier und heute bitten, mich endlich zu heiraten und mit mir eine Familie zu gründen. Weil du mein Zuhause bist, David. Du bist meine Familie.“
Ich ziehe meine Hand zurück.
„Max ...“
„Ich weiß“, seufzt er verzweifelt. „Ich kann nicht ...“
Er steht auf, nimmt seine Jacke und geht.
„Max!“, rufe ich, aber er dreht sich nicht noch mal um.
Meine Tante stellt zwei Pizzen auf den Tisch.
„Wo is Max?“
„Weg.“
„Alles klar?“
Ich zucke nur die Schultern.
„Soll ich die wieder mitnehmen?“, fragt sie.
Ich nicke.
Ich esse meine Pizza und überlege dabei, wie ich Jordan erklären kann, was hier heute passiert ist. Und ich hoffe, dass er mir helfen kann, das alles einzuordnen... Erst mal gehe ich eine lange Runde spazieren...
Jordan
Die Kinder sind im Bett. David ist immer noch nicht wieder zu Hause. Ich versuche, ein bisschen zu lesen. Aber ich kann mich nicht konzentrieren. Ich hab ein blödes Gefühl bei der Sache. Ich hab ein blödes Gefühl bei Max. Ich gehe durch Davids kleines Schlafzimmer, immer im Kreis. Dann bemerke ich, wie doof das ist und gehe nach unten, wo Gert gerade die Tagesschau ansieht und Mona in ihrer Nähecke Hosen flickt.
„Hey, was dagegen, wenn ich euch Gesellschaft leiste?“
„Natürlich nicht“, sagt Gert sofort und schaltet den Fernseher stumm.
„Ist David immer noch unterwegs?“, fragt Mona.
„Ja …“
„Machst du dir Sorgen?“, fragt Gert.
„Ich vertraue David, aber … ich hab einfach ein blödes Gefühl ...“
„Das kann ich nachvollziehen“, erklärt Mona. „Aber David würde nie so etwas Dummes tun.“
„Mein Kopf sagt mir das auch schon den ganzen Abend. Aber ich bin trotzdem unsicher … und eifersüchtig. Und ich schaff es nicht, mich abzulenken...“
„Wo du bald ein echter Bayer wirst, ist es Zeit, dir Watten beizubringen. Mona, hol doch mal die Karten. Ich räum den Tisch ab.“
Tatsächlich hilft das Kartenspielen. Nach 20 Minuten, als ich den Bogen endlich raus hab, kommt David nach Hause. Und ich sehe an seinem Blick sofort, dass was passiert ist.
„Hallo zusammen. Was macht ihr denn?“
„Wir haben Jordan Watten beigebracht. Er stellt sich nicht mal schlecht an.“
„Hattest du einen schönen Abend?“, fragt Mona.
„Ja, hat gepasst“, antwortet er, ohne jemanden von uns anzusehen. „Ich mach mich oben bettfertig. Kommst du auch, Jordan?“
„Sicher.“
Mona wirft mir einen wissenden Blick zu:
„Habt einen schönen Abend zusammen ...“
„Ich hab das Gefühl, so wirklich schön wird der nicht werden ...“
Wir putzen nebeneinander Zähne. Ich versuche, im Spiegel Blickkontakt aufzunehmen. Aber David schaut auf den Boden. Er wäscht sich das Gesicht, zieht die Klamotten aus und wirft sie in die Ecke. Dann geht er ins Schlafzimmer. Als ich dazu komme, liegt er schon im Bett, die Decke bis unters Kinn gezogen. Vielleicht sollte ich einfach nicht fragen? Vielleicht ist es besser, die Antwort nicht zu hören? Ich lege mich zu ihm und frage trotz aller Zweifel:
„Was ist passiert?“
Er atmet tief durch. Dann schmiegt er sich in meinen Arm und flüstert:
„Es war kompliziert. Ich meine, es war Max ...“
„Was ist passiert?“, frage ich noch mal und bekomme Angst.
„Jordan, ich liebe dich ...“
„Hast du mit ihm geschlafen?“
„Was? Nein, natürlich nicht! Ich würde nie ...“
„Aber irgendwas ist passiert, oder?“, frage ich knurrender als ich es wollte.
„Er hat sich ehrlich entschuldigt. Und er hat gesagt, ich bin seine Familie. Er hat gesagt, er würde mich gern endlich heiraten.“
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
„Er hat dir also quasi einen Antrag gemacht?“
David nickt. Meine Kehle schnürt sich zu. Ich krächze leise:
„Was hast du geantwortet?“
„Wie bitte?!“, fragt David unpassend laut und wütend. „Was glaubst du wohl, was ich geantwortet habe?! Das kann er doch nicht ernst meinen! Was denkt der eigentlich, wer er ist? Erst serviert er mich ab, dann kommt er zurück, als ich es gerade geschafft habe, wieder glücklich zu sein! Jordan, du musst doch wissen, was ich darauf antworte!“
Ich ziehe die Decke ein Stück höher, möchte mich am liebsten komplett verkriechen. Ich weiß, ich sollte jetzt einfach die Klappe halten, aber ich sage trotzdem:
„Vielleicht solltest du darüber nachdenken. Es ist schließlich Max. Er ist dein Seelenverwandter. Wenn ich die Chance hätte, wieder mit Dy....“
David springt auf:
„Halt die Klappe. Bevor du was sagst, was du nicht wieder gut machen kannst!“
„Ich hab schon mal das Gleiche erlebt, wie du. Vince hatte gerade seinen David verloren. Ich musste mit einem Toten konkurrieren, was einfach unmöglich ist. Und wenn in der Zeit Sean zurückgekommen wäre, dann hätte ich Vince vermutlich auf der Stelle verlassen, um nicht mehr in dieser verdammt aussichtslosen Konkurrenzsituation zu sein.“
David steht neben dem Bett, starrt wütend auf mich herunter und ballt die Fäuste.
„Warum willst du mich unbedingt in Max' Arme treiben?“
„Ich will dich nicht treiben. Ich will dir nur die Chance geben, mit deiner großen Liebe zusammen zu sein.“
Er starrt mich so unglaublich wütend an. Ich fühle mich so unglaublich klein. Ich habe so unglaubliche Angst. Und ich bin David so ausgeliefert. Wenn er mir gleich sagt, dass er sich für Max entscheidet, sterbe ich. David steht wie ein Riese über mir und starrt einfach auf mich herunter. Er scheint nachzudenken. Wenn er sich entscheidet, mich zu verlassen, dann verstehe ich das. Alle verlassen mich, wenn sie klug sind. Denn ich ziehe Jeden ins Unglück. Max kann David ein normales, gutes Leben bieten. Er ist nicht so kaputt wie ich. David sollte sich für Max entscheiden. Auch wenn ich dann hier und jetzt auf der Stelle sterbe. David starrt mich immer noch an, während ich mich immer kleiner mache, mich immer mehr in die Matratze drücke, mich immer weiter unter der Decke verstecke, immer stärker zittere. David dreht sich um und geht zur Tür. Jetzt ist der Moment also gekommen. Der Moment, der in jeder meiner Beziehungen unausweichlich war. Der Moment, in dem ich verlassen werde.
David greift nach dem Türgriff. Nein, er dreht den Schlüssel im Schloss um. Er zieht sein Schlafshirt aus und seine Shorts. Dann kommt er zurück zum Bett, zieht die Decke beiseite, legt sich zu mir. Er schaut mir dabei fest in die Augen.
„Jordan, DU bist die Liebe meines Lebens. DU bist mein Seelenverwandter. Ich liebe dich an schlechten Tagen mehr als Max an den guten. Ich liebe alles an dir und ich könnte niemals ohne dich leben. Dein Glück ist mein Glück. Deine Trauer ist meine Trauer. Ich bleibe für immer bei dir, egal, wie sehr du versuchst, mich loszuwerden. Max hat mich in ein Gefühlschaos gestürzt. Aber du bist immer der, für den ich mich entscheide. Nicht wegen der Kinder oder der Familie. Sonder wegen dir. Du bist mein Mann. Dich werde ich heiraten und dir werde ich treu sein, solange ich lebe. Ich hoffe, du kannst mich nicht nur hören, sondern mir das auch glauben. Ich liebe dich. Nur dich. Mehr als alles und jeden jemals. Egal wer ich für dich bin, du bist meine fehlende Hälfte.“
Er nimmt mich in den Arm. Ich kann nicht aufhören zu beben.
„Ich dachte, du verlässt mich jetzt.“
Er hält mich noch fester.
„Niemals, Jordan. Ich weiß, du hast zu viel erlebt, um mir das einfach so zu glauben. Aber ich weiß es einfach. Ich werde dich niemals verlassen.“
„Es tut mir Leid, ich bin so kaputt ...“, schluchze ich.
„Du bist du. Und dafür liebe ich dich. Und jetzt will ich dir ganz nah sein. Glaubst du, das geht?“
„Ja, das wäre schön“, flüstere ich.
Er zieht mir das Shirt über den Kopf und küsst mich.
„Mmmmh“, mache ich, als er sich auf mich legt. „Ich liebe das.“
„Heirate mich“, flüstert er.
„Jaaaah“, seufze ich, während er meine Beine auseinanderdrückt.
„Nein, ich meine, heirate mich sofort. Heirate mich, solange wir noch hier sind.“
Er dringt ein.
„Jaaaaaaah“, stöhne ich, während er langsam anfängt, sich zu bewegen.
„Nein“, sagt er plötzlich.
„Doch, genau so.“
„Nein, wir können hier nicht heiraten. Nicht ohne Gwen, nicht ohne deine Mum ...“
„Nicht von den beiden reden, während du mich fickst ...“
„Sorry, ich hör auf ….“
„Nicht aufhören“, flehe ich. „Halt mich fest.“
Er zieht mich in eine Umarmung und bewegt sich etwas schneller weiter. Ich drücke mich gegen ihn und spüre es …
„Ich komme.“
„Schon?“
„Oh- oh – oh – oh mmmmmmhhh….. aaaaaah.“
„Kann ich weitermachen?“
„Dringend“, schnaufe ich.
„Ich will dich anschauen. Setz dich auf mich.“
„Okay.“
Ich schaue auf ihn hinunter, während ich meine Hüften kreisen lasse und er schaut zu mir hoch, so voller Liebe, dass ich es fast schon glaube. David wird mich nie verlassen.
David
Ich schlafe nicht gut in dieser Nacht, weil mir zu viel durch den Kopf geht. Max und sein Egoismus. Jordan und seine Neurosen, ich und mein Drang, alle zu retten und allen zu helfen. Dabei brauche ich selbst Hilfe. Auch wenn ich das gerne bei Seite schiebe. Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Es ist kurz vor Mitternacht. Noah sperrt wahrscheinlich gerade das Flags zu. Ich gehe mit meinem Handy ins Bad.
„Alles klar?“, fragt Noah besorgt schon nach dem ersten Klingeln.
„Hey … ja. Ich wollte nur mal durchklingeln und schauen, ob du Zeit zum Reden hast.“
„Ja, ich bin gerade auf dem Heimweg. Ich schieb das Rad einfach … Was gibt’s?“
Ich erzähle ihm von meinem Abend.
„Puuuuh.“
„Ja.“
„Also das Wichtigste zuerst: Heirate Jordan noch nicht.“
„Das ist dein wichtigster Rat, nach der ganzen Geschichte?“
„Das ist das, wo du dich gerade selbst am meisten verschätzt. Beim Rest weißt du eigentlich schon, wo es hingehen sollte. Du merkst, dass du bei Max auf Abstand gehen solltest, damit er dich nicht wieder vereinnahmt – und – auch wenn du das nicht gerne hörst – ausnutzt, damit sein Leben leichter wird. Und du merkst auch, dass in Jordans Kopf gerade einiges abläuft, was nicht so ganz rational ist. Und dass du da gerade dranbleiben muss, ihm die Sicherheit zu geben, dass er nicht mehr verlassen wird. Was du aber nicht merkst, ist, wie sehr er noch um Dylan trauert. Was eigentlich auch völlig nachvollziehbar ist. Er hat ihn erst letztes Jahr verloren. Ich will damit nicht sagen, dass ihr nie heiraten sollt. Nur jetzt noch nicht. Erst, wenn er diesen Trauerprozess durchlaufen hat. Wenn er wirklich wieder stabil ist. Wenn ihr euch hier eingelebt habt. Dann habt ihr die Ruhe und die Nerven, um es richtig zu machen. Ich glaube, eine Hau-Ruck-Aktion würdet ihr bereuen. Du heiratest schließlich nur einmal im Leben. Mach es richtig.“
„Okay … es ist nur, ich will ihm Sicherheit geben ...“
„Ich versteh das. Aber dafür musst du dir was anderes einfallen lassen. Ich weiß, dass du ein absoluter Romantiker bist. Du brauchst eine große Hochzeit mit 200 Leuten, einer fünfstöckigen Torte und Tauben, die in die Luft fliegen.“
„Ich hab das Gefühl, ich hab schon einen Wedding-Planer...“
„Es wäre mir ein Vergnügen“, lacht er.
„Vielen Dank für's zuhören.“
„Auch das war mir ein Vergnügen. Ich bin froh, dass wir wieder reden.“
„Ich auch. Gute Nach, Noah.“
„Gute Nacht, David.“
Jordan liegt nackt in meinem Bett und schläft so friedvoll, wie nur er es kann. Ich lege mich so nah wie möglich zu ihm und umarme ihn.
„Ich verlasse dich nie im Leben“, flüstere ich ihm ins Ohr und decke uns zu.
Bald darauf bin ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen stehen Jake und April neben dem Bett als die Sonne kaum aufgegangen ist.
„Guten Morgen“, wünsche ich ihnen und stelle sicher, das Jordan und ich kindertauglich verhüllt sind.
„Hunger.“
„Geht doch mal zu Oma und Opa und sagt ihnen, dass Daddy und Papa noch ein bisschen Schlaf brauchen und sie euch was herrichten sollen.“
„Okay“, flötet April und läuft davon.
Jake zögert kurz, läuft ihr dann aber hinterher. Er zieht sogar die Türe hinter sich zu.
„Mhhh... hätte nicht gedacht, dass das funktioniert“, grinst Jordan mit geschlossenen Augen.
„Guten Morgen.“
„Morgen“, lächelt er.
„Geht es dir gut?“
„Ja. Mir geht es immer gut, wenn ich neben dir aufwache.“
„Und wenn du mit mir in dir einschläfst ...“
„Bin ich das?“, fragt er grinsend.
„Erst bei der dritten Runde. Da warst du sehr entspannt … und plötzlich hast du nicht mehr geantwortet.“
„Tut mir Leid.“
„Muss es nicht, das war wirklich sehr idyllisch“, lächle ich.
„Konntest du auch gut schlafen?“
„Ja, irgendwann kurz nach Mitternacht.“
„Du hast gesagt, dass du dir wünscht, dass wir gleich heiraten“, lächelt er.
„Ja das hab ich mir in dem Moment auch gewünscht. Aber eigentlich will ich es richtig machen, auch wenn ich dann noch länger warten muss ...“
„Ich mach alles mit. Spontan nach Las Vegas fahren oder aber eine Riesen-Feier wenn die Gaststätte steht. Von mir aus auch mit Pferdekutsche und Rosenmeer. Hauptsache, du bist damit glücklich.“
„Ich will aber auch, dass du damit glücklich bist. Und ich glaube, du brauchst noch etwas Zeit, um wirklich glücklich sein zu können ...“
„Mir geht es gut ...“
„Ja, ich weiß, dass das meistens stimmt. Ich will dir trotzdem noch Zeit geben. Nicht, weil ich Zweifel habe. Sondern weil ich will, dass es perfekt wird.“
Er kuschelt sich an mich: „Okay.“
„Mit Max gestern ist nichts passiert. Versprochen. Ich wusste nur nicht mit seinem Angebot umzugehen. Weil ich mir wirklich gewünscht hatte, dass wir Freunde werden können. Aber ich glaube, das geht nicht.“
„Tut mir Leid, ich hab gestern Abend Panik geschoben und ich hab gespürt, dass was war … und dann hab ich total überreagiert.“
„Ja, aber ich verstehe auch, dass die ganze Situation bei dir alte Ängste ausgelöst hat. Du hast die innere Überzeugung, dass du früher oder später von jedem Verlassen wirst, weil jeder irgendwann merkt, wie kaputt du angeblich bist.“
Er verspannt sich merklich. Ich umarme ihn:
„Jordan, ich sag dir das, bis du es glaubst. Und wenn das unser ganzes Leben lang dauert: Ich liebe dich. Ich sehe genau, wer du bist. Und ich finde dich wundervoll. Und niemals, NIEMALS werde ich dich verlassen.“
Er küsst mich und wischt eine Träne, die seine Wange herunterläuft an mir ab.
„Songidee. Muss schreiben“, sagt er plötzlich und springt auf, um sich Zettel und Stift zu holen und sein Handy, um mit einer neuen Klavier-App die Melodie festzuhalten. Und schon ist er in seine eigenen Welt vertieft. Ich liebe es, dass er das kann.
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.