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Christmas in July...
oder wohlmöglich unmöglich
Weihnachtschallenge 2012
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Informationen
- Story: Christmas in July...
- Autor: Ike
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Challenge
Wohlmöglich unmöglich
So ein Mist, ich hab mich mal wieder an der falschen Schlange angestellt. Ausgerechnet heute. Ich bin doch sowieso schon zu spät. Mama wird ausrasten. Dass die Leute aber auch immer vergessen müssen, ihr Zeug selber abzuwiegen. Gleich zweimal hintereinander muss die Kassiererin in die Gemüseabteilung zurückstiefeln und sieht dann verständlicherweise auch nicht mehr wirklich glücklich aus. Wie oft sie das wohl jeden Tag machen muss?
In der Schlange vor mir steht jetzt nur noch ein Junge. Vielleicht lässt der mich ja vor, ich hab immerhin nur zwei Flaschen Orangensaft zu bezahlen.
„Hey sorry, kann ich vielleicht vor? Ich hab’s ziemlich eilig“, frage ich.
Keine Reaktion. Er macht nicht mal Anstalten, sich zu mir umzudrehen. Hört er vielleicht Musik? Nein. Ich tippe ihm einfach mal auf die Schulter und siehe da, er dreht sich um und sieht mich erschrocken an. Seine Augen sind ganz weit aufgerissen. Super, hast wohl grad ein bisschen gepennt, was? Egal.
„Kann ich bitte vor? Hab’s eilig“, frage ich noch mal und zeige ihm die beiden Flaschen in meinen Händen.
Er macht mir Platz und… starrt der auf meinen Mund? Sieht so aus. Und es scheint ihm nicht mal peinlich zu sein. Hm, hätte ich ihm gar nicht zugetraut.
„Danke“, sage ich höflich und lege meinen Einkauf aufs Fließband. Gerade rechtzeitig. Die Frau vor mir hat es endlich geschafft zu bezahlen.
Ich drehe mich noch einmal um, als ich den Laden verlasse, aber der Junge ist jetzt mit seinem Einkauf beschäftigt und sieht mich nicht mehr an. Schade, aber ich muss echt los. Diese Verspätung wird vermutlich die Verlängerung meines Hausarrests bedeuten. Verdammt!
„Ich weiß echt nicht mehr, was ich mit dir machen soll“, seufzt meine Mutter etwas melodramatisch.
„Es ist nicht meine Schuld, dass es so dämliche Leute gibt.“
„Schieb die Schuld nicht auf andere, Dino!“
„Aber so war es doch!“
„Schluss jetzt! Dein Hausarrest wird um eine Woche verlängert.“
Hab ich’s nicht gesagt? Ich werfe ihr nur noch einen bitterbösen Blick zu und verschanze mich dann in meinem Zimmer. Von wegen verwöhntes Einzelkind. Dass ich nicht lache… Meine Eltern sind nie zufrieden mit mir. Ich bin super gut in der Schule, aber interessiert das vielleicht jemanden? Ich bin einfach nicht angepasst genug. Ich wusste nicht mit zwölf schon, was ich mal werden möchte und ich weiß es auch jetzt noch nicht. Ich hab nicht wirklich viele Freunde, weil ich mich mit jedem früher oder später in die Haare bekomme. Das ist auch der Grund für meinen Hausarrest: hab mich geprügelt. Ach ja, und ich bin schwul. Meine Eltern wissen davon, weil ich nicht eingesehen habe, warum das etwas Schlimmes oder was Besonderes sein sollte. Meinen ersten Freund hab ich einfach mit nach Hause gebracht, ihn vorgestellt und dann nichts weiter dazu gesagt. Entweder waren meine Eltern so geschockt von diesem Überfall oder sie wussten es schon vorher. Jedenfalls haben wir nie wieder darüber gesprochen. Toll finden sie es wohl nicht, aber das ist nicht mein Problem.
Kasper ist der einzige, der mich trotz meiner Macken mag. Ich hocke mich vor seinen Käfig und öffne die große Klappe. „Kommst du freiwillig oder muss ich dich bestechen?“ Er rührt sich nicht, sondern schnüffelt nur neugierig in meine Richtung. „Du Schlaumeier weißt genau, dass ich mit Joghurt-Drops ankomme, wenn du mich ein bisschen zappeln lässt, nä? Na gut, hier hast du einen.“ Das Rascheln der Tüte reicht schon und Kasper hoppelt aus seinem Unterschlupf zu mir rüber. „Frechdachs“, sage ich nur, hebe ihn aus dem Käfig und setze ihn auf meinen Schoß. Er frisst genüsslich seine Eroberung, während ich über sein weiches Fell streiche. Kasper ist ein schwarzes Zwergkaninchen mit zwei Schlappohren und mein ganzer Stolz. Erstens ist er einfach kuschelig und unheimlich lieb und zweitens hält sein Geruch meine Eltern draußen.
Während ich ihn so gedankenverloren streichle, klingelt mein Handy. Ich schaue aufs Display und verdrehe die Augen.
„Was willst du?“, frage ich den Anrufer genervt.
„Eine Entschuldigung?“
„Haha, sonst noch was? Wenn ich mich richtig erinnere, warst du derjenige, der mir neulich noch ins Gesicht geschlagen hat.“
„Du hast Frank geküsst!“, brüllt es mir aus dem Hörer entgegen.
„Ja und? Olli, du hast doch auch nicht gedacht, dass das mit uns was Ernstes ist, oder?“
„Doch, und ob ich das dachte. Aber du denkst ja nur an dich!“
Und schon hat er wieder aufgelegt. Oha, war er etwa verliebt in mich? Dann kannte er mich aber schlecht. Ich meine es nie ernst, das ist mir viel zu zeitintensiv. Ich hab mein Leben und da sollte sich lieber niemand einmischen. Ab und zu ist okay, aber für immer…? Allein bei dem Gedanken bekomme ich schon klaustrophobische Anfälle. Vielleicht bin ich ein Arsch, ja. Aber man hat mir keine Wahl gelassen…
Als mein Vater zum Abendessen klingelt – ja, er hat eine Glocke – überlege ich kurz, das Familienessen zu boykottieren, aber dann knurrt mein Magen so fürchterlich laut, dass ich ihm nachgebe. Ich setze mich also gezwungenermaßen an den Tisch und vermeide es, jemanden anzusehen.
„Willst du Organgensaft oder was anderes?“, fragt meine Mutter übertrieben freundlich.
„Wozu hätte ich den Orangensaft denn sonst kaufen sollen, wenn nicht, um ihn zu trinken?“
Mein Vater stupst mich mit dem Ellenbogen an.
„Ist doch wahr…“, nuschel ich.
Er stellt mir einen kleinen Topf vor die Nase, während Mama ihr und Papa ein Schnitzel und Gemüse auf den Teller legt. In meinem Topf ist nur Gemüse, weil ich Vegetarier bin. Gegen Tiere hab ich schließlich nichts. Nur gegen Menschen. Tiere sind niedlich und unschuldig, Menschen sind die reinsten Monster und nicht die Bohne unschuldig. Ich bin wohl das beste Beispiel.
„Dino…“, fängt mein Vater einen Vortrag an, der offensichtlich etwas länger werden soll. „Wir machen uns ein bisschen Sorgen um dich.“
„Nur weil ich zehn Minuten zu spät gekommen bin? Das ist doch wirklich lächerlich!“
„Darum geht es nicht“, schaltet sich meine Mutter ein.
„Es geht darum wie du dich verhältst“, redet mein Vater weiter. „Allgemein. Du hast keine Freunde und verkriechst dich immer nur in deinem Zimmer. Du bist immer schlecht gelaunt und weißt offensichtlich nicht, was du mit deinem Leben anfangen willst. Dabei machst du in einem Jahr dein Abitur.“
„Dann hab ich ja noch ein Jahr Zeit, um mir einen Plan zu machen“, antworte ich und spieße ein Stück Brokkoli auf.
„Wir wissen gar nicht mehr, wer du bist“, sagt meine Mutter. „Hast du gerade einen Freund?“
„Nein.“
„Was ist denn eigentlich mit Julian passiert?“
Okay, das war’s dann. Ich schnappe mir meinen Teller und verschwinde aus der Küche. In meinem Zimmer setze ich mich aufs Bett und schalte den Fernseher an, um an etwas anderes zu denken. Julian… Das geht sie überhaupt nichts an.
Am nächsten Morgen werde ich am Frühstückstisch glücklicherweise in Ruhe gelassen. Meine Eltern werfen mir zwar ein paar vielsagende Blicke zu, aber ansonsten ignorieren sie mich. Und so geht das dann auch in der Schule weiter. Man ignoriert mich größtenteils. Außer Olli und Frank natürlich, die funkeln mich böse an. Vollidioten.
„Hey“, sagt Linus und setzt sich neben mich auf den Stuhl. Wenn ich irgendjemanden als einen Freund bezeichnen müsste, dann wohl am ehesten ihn. „Stress?“
„Nichts Besonderes. Mein Hausarrest wurde verlängert, weil ich zehn Minuten zu spät zuhause war und die beiden da wollen mir an die Gurgel, weil ich mich weigere, den Märchenprinz zu spielen.“
„Ah, also das Übliche“, sagt Linus nickend und wirft seinen Rucksack auf den Tisch.
„Sag ich doch.“
Die Lehrerin kommt gerade rein und fängt sofort an, irgendwelche Reaktionsgleichungen an die Tafel zu kritzeln. Eigentlich mag ich Chemie, aber die Lehrerin ist ne Pfeife.
„Kommst du am Wochenende auf meine Party?“, fragt Linus.
„Welche Party?“
„Eine Juhu-die-Bäume-werden-grün-Party.“
„Du bist bekloppt, weißt du das?“, stelle ich kopfschüttelnd fest.
„Ja, ich weiß. Und das ist der einzige Grund, warum du es mit mir aushältst. Übrigens wird auch jemand da sein, den du noch nicht kennst.“ Er zwinkert mir zu und tut dann so als würde er sich auf den Unterricht konzentrieren wollen. Im Gegensatz zu mir, tut er das nur leider nie.
In der Pause muss ich dann noch mal genauer nachhaken, wer denn nun alles eingeladen ist.
„Ich wusste, dass dich das interessiert“, lacht er. „Wir haben neue Nachbarn und da hab ich gedacht, dass es doch nett wäre, den Jungen auf eine Party einzuladen. Immerhin kennt er ja noch niemanden hier.“
„Wie mitfühlend von dir. Geht er nicht auf unsere Schule?“
„Nein, aber das kannst du ihn ja selber fragen.“
„Falls ich Freigang bekomme“, erinnere ich ihn.
„Scheiße, der Hausarrest.“
Ja genau, scheiße. Ich hasse es, bei meinen Eltern wegen irgendetwas angekrochen zu kommen. Besonders nach dem Gespräch gestern. Obwohl… vielleicht hilft mir genau dieses Gespräche dabei, dass ich doch gehen darf… Auf jeden Fall sollte ich wohl heute mal pünktlich nach Hause kommen, um meinen guten Willen zu zeigen oder so.
Ich setze mich also nach der Schule brav in den Bus und fahre nach Hause, wo ich erst mal unter die Dusche springe. Für Anfang Mai ist es nämlich schon ganz schön heiß draußen und die Fahrt im vollgestopften Schulbus verschafft da nicht wirklich Abkühlung. Papa ist auch schon zuhause und pennt unten auf der Couch. Nachtschichten sind ätzend. Das will ich später auf keinen Fall machen müssen. Kasper schlummert auch friedlich vor sich hin und Mama ist noch bei der Arbeit. Hätte ich das gewusst, wäre die Hektik gar nicht nötig gewesen. Heute hätte niemand gemerkt, wenn ich später gekommen wäre.
Ich steige aus der Dusche, wickele mir das Handtuch um die Hüfte und öffne erst mal das Fenster. Die Scheibe ist ganz beschlagen, genau wie der Spiegel. Nachdem ich mich abgetrocknet und frische Sachen aus meinem Zimmer geholt habe, ist aber der größte Teil schon wieder frei. Und wie immer fällt mein Blick im Spiegel als erstes auf eine Stelle knapp oberhalb meines rechten Schlüsselbeins. Genau in der Kuhle zwischen Schulter und Hals ist eine kleine Narbe zu sehen. Sie ist schmal und nicht besonders lang, aber mir kommt es so vor als sei sie riesig. Ich hasse dieses Ding.
Als meine Mutter nach Hause kommt, warte ich noch fünf Minuten, um sicher zu gehen, dass mein Vater auch wieder ganz bei sich ist, und gehe dann runter ins Wohnzimmer. Wenn ich mich jetzt nicht allzu blöd anstelle, könnte es vielleicht etwas werden mit der Party. Allerdings merke ich gleich, dass die Stimmung nicht die allerbeste ist. Mama ist irgendwie schlecht gelaunt und Papa nur am Gähnen. Sie begrüßen mich halbherzig und erwähnen mit keinem Wort, dass ich heute pünktlich zuhause war. Typisch. Das, was du falsch machst, reiben sie dir unter die Nase und wenn du was richtig machst, wird es verschwiegen. Ich versuche es trotzdem und…
„Ich glaube, du hast nicht verstanden, was es bedeutet Hausarrest zu haben“, schlussfolgert mein Vater, während Mama sich nur die Schläfen reibt.
„Ihr wolltet doch, dass ich mehr mit Freunden unternehme.“
„Aber nicht, wenn du Hausarrest hast und nicht auf irgendwelchen Saufpartys.“
„Wer sagt denn was von Saufpartys?“ Hab ich das Wort benutzt? Ich glaube nicht. Ich trinke nämlich nicht, zumindest nicht so, dass man es als saufen bezeichnen könnte. Wenn meine Eltern mich ein bisschen kennen würden, wüssten sie das.
„Du gehst da nicht hin. Fertig!“
„Und das alles wegen zehn Minuten? Aus welchem beschissenen Ratgeber habt ihr das denn?!“
„Dino, das reicht“, schaltet sich meine Mutter ein. „Auf die nächste Party kannst du gehen, aber nicht auf diese.“
„Wie großzügig.“
Meine Eltern werfen sich einen vielsagenden Blick zu – sehr unauffällig – und dann steht meine Mutter auf. „Was willst du essen?“, fragt sie mich.
„Ach, essen darf ich noch? Is‘ ja super.“
Mit den Worten verziehe ich mich wieder in mein Zimmer und schließe die Tür ab. Kaum zu glauben, dass ich von diesen beiden Gurken da unten abstammen soll. Linus ist genauso bescheuert, weil er mich zu einer Party einlädt, obwohl er weiß, dass ich Hausarrest habe. Und von Olli und Frank will ich gar nicht wieder anfangen. Wie soll aus mir was werden, wenn ich nur von solchen Menschen umgeben bin? Glücklicherweise hab ich ja noch Kasper, der jetzt erst mal seinen täglichen Auslauf bekommt, damit er mir nicht eingeht. Ich wage zu bezweifeln, dass es irgendwo auf diesem Planeten einen Menschen gibt, den ich genauso lieb haben könnte wie mein schwarzes Schlappohr.
„Dino komm, ich will dir jemanden vorstellen“, sagt Linus oder besser: schreit Linus. Gegen die Musik kommt man mit normaler Stimme nicht an.
„Was für Musik ist das eigentlich?“, frage ich naserümpfend.
„Apocalyptica. Mit Ville Valo und Lauri Ylönen.“
„Wer?“
„Das Lied heißt ‚Bittersweet‘.“
„Aha. Ganz schön düster. Da wird man ja ganz depressiv.“
„Gleich geht’s dir besser, versprochen.“ Er zwinkert.
Na hoffentlich. Das hier ist vermutlich meine letzte Nacht als lebendiges Wesen, weil mich meine Eltern morgen in Stücke reißen werden. Da sollte man mir den Abend schon so angenehm wie möglich machen. Ich hab mich vorhin einfach so rausgeschlichen. Wie im Film. Mama und Papa haben wahrscheinlich schon geschlafen, jedenfalls hat mich niemand aufgehalten. Dass ich straffrei davon komme, glaube ich trotzdem nicht.
Linus zieht mich jetzt am Arm hinter sich her. Seine Eltern sind übers Wochenende nicht da und haben ihm erlaubt, heute im Keller seine Party zu feiern. Es ist fast Mitternacht und überall in den Ecken und auf sämtlichen Sitzgelegenheiten lungern Schnapsleichen rum. Meine Eltern hatten also doch recht mit der Saufparty. Ich hoffe nur, dass Linus mich nicht einem von diesen Promillejunkies vorstellen will.
Wir laufen auf eine Couch zu, die gerade von drei Personen besetzt ist. Zwei von denen sind… naja… beschäftigt. Allerdings noch im jugendfreien Bereich. Ich hab da schon Schlimmeres gemacht. Der Junge neben ihnen hat einen Ellenbogen auf die Armlehne gestützt und versucht scheinbar Abstand zu halten. Er sieht gelangweilt aus und… irgendwie kommt er mir bekannt vor. Linus tippt ihm auf die Schulter und als der Junge sich zu uns umdreht, weiß ich wieder, wo ich ihn schon mal gesehen habe. Schwarze Haare und braune Rehaugen, die mich wie bei unserem letzten Treffen erschrocken ansehen. Scheinbar lebt dieser Typ irgendwie in seiner eigenen Welt.
„Das ist mein neuer Nachbar Emil“, sagt Linus mit einem verdächtigen Grinsen auf den Lippen.
Emil lächelt und hält mir seine Hand hin. Okay… ein altmodisches Händeschütteln kann ja auch ganz nett sein.
„Hi, ich bin Dino“, sage ich und… der starrt schon wieder auf meinen Mund. Normalerweise lasse ich mich nicht so leicht irritieren, aber das hier irritiert mich eindeutig.
Emil kramt etwas aus seiner Hosentasche, das sich als Smartphone entpuppt und tippt und wischt eine Weile darauf herum. Höflich ist was anderes. Merkwürdiger Typ. Dann hält er mir das Ding unter die Nase und sieht mich fragend an. Auf dem Display ist ein Dinosaurier zu sehen. Hä?
„Er will wissen, ob er deinen Namen richtig verstanden hat“, erklärt mir Linus schmunzelnd.
„Warum fragt er mich dann nicht?“
Emil sieht mich immer noch an und ich beschließe, das Spiel einfach mitzuspielen. Ich nicke und ernte dafür ein amüsiertes Lächeln. Okay, das ist echt süß. Aber ich verstehe das nicht. Was ist das für ein komischer Kerl, den Linus mir da unbedingt vorstellen wollte? So was ist mir noch nie passiert. Ich bin zum ersten Mal absolut sprachlos.
Linus amüsiert sich scheinbar köstlich und fängt auf einmal an, mit den Händen in der Luft rumzuwedeln. Emil lacht und macht dasselbe. Und mir geht endlich ein Licht auf.
„Ist er taub?“, frage ich Linus.
„Jap.“
Ich gebe ihm einen kleinen Schubs. „Wieso sagst du mir das denn nicht, du Idiot?!“
„Weil es lustig war, dich mal so verwirrt zu sehen“, erklärt er. „Er findet dich übrigens auch lustig.“
„Na toll“, nuschel ich und sehe aus den Augenwinkeln, dass Emil wieder etwas gestikuliert.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass ihr euch schon kennt?“, fragt Linus daraufhin an mich gewandt.
„Er hat mich neulich im Supermarkt an der Kasse vor gelassen. Von kennen kann da keine Rede sein.“
„Na, dann könnt ihr euch ja jetzt kennen lernen. Ich werde dir mal ein Bier besorgen.“
Ich halte Linus am Arm fest, bevor er verschwinden kann. „Das ist nicht dein Ernst, oder? Wie soll ich mich denn mit ihm unterhalten?“
„Er kann Lippenlesen. Das wird schon irgendwie gehen. Du bist doch sonst so erfinderisch und ich weiß, dass er dein Typ ist.“
Er klopft mir einmal auf die Schulter und lässt mich dann einfach so stehen. Emil grinst. Ob er das eben alles verstanden hat? Am liebsten würde ich auch einfach gehen, aber leider hatte Linus recht. Ich stehe auf solche Typen wie Emil, vor allem wenn sie mich mit so einem verführerischen Blick ansehen wie er in diesem Moment.
Die beiden Turteltauben sitzen mittlerweile aufeinander und nicht mehr nebeneinander, weshalb jetzt eine kleine Lücke auf der Couch entstanden ist. Emil hat das auch bemerkt und klopft mit seiner linken Hand auf das Polster neben sich. Oh man… das wird ja ganz schön kuschelig. Ich setze mich und schaue in die schönen braunen Augen, die nicht mal ein bisschen Unsicherheit erkennen lassen. Warum ist er so cool?
Emil zeigt mit einer Hand in die Richtung, in die Linus verschwunden ist, dann deutet er auf mich und hakt seine beiden Zeigefinger ineinander.
„Nein, wir sind nur Freunde“, beantworte ich seine Frage. Hui, das ist ja echt abgefahren.
Sein Blick hängt kurz an meinen Lippen und wandert dann wieder hoch zu meinen Augen. Scheinbar ist das für ihn ganz normal. Er wird nicht rot dabei und sieht mir vollkommen offen und ehrlich in die Augen. Ich dagegen bin völlig hin und weg. Und total angespannt. Dabei kann ich der Charme in Person sein. Normalerweise…
„Bis du schon immer…?“, frage ich, zucke mit den Schultern und deute auf mein Ohr.
Er hält eine Hand hoch.
„Seit fünf Jahren?“
Er schüttelt den Kopf.
„Seit du fünf bist?“, rate ich weiter.
Jetzt nickt er und lächelt wieder. Offensichtlich macht es ihm nicht besonders viel aus, dass er nicht mehr hören kann. Er scheint auch so glücklich zu sein. Ich könnte das nicht. Nie wieder Musik hören oder fernsehen, nie wieder ins Kino gehen oder auf Konzerte. Und dann diese merkwürdige Art, sich zu unterhalten... Ich würde mich wahrscheinlich auf ewig in meinem Zimmer verkriechen. Warum macht er das nicht? Warum sieht er so glücklich aus?
„Hat Linus dir was über mich erzählt?“, frage ich, weil mir nichts anderes einfällt. Ich hab irgendwie total Schiss, dass ich was Falsches sage.
Emil nickt.
„Und was?“
Er deutet auf mich und schiebt seine Nasenspitze mit einem Finger etwas nach oben.
„Er hat gesagt, dass ich hochnäsig bin?“, frage ich überrascht. Na warte Linus, du kannst was erleben.
Emil nickt und dann wird sein Blick ernst. Er legt die Hand, mit der er eben auf mich gedeutet hat auf meine Brust, formt mit seinen Händen ein Herz und zieht beide Hälften auseinander. Mir wird schlecht.
„Sorry, ich muss los“, sage ich und springe ohne zu zögern auf. Ich muss hier weg.
Kurz vor der Kellertreppe sehe ich Linus, der sich mit ein paar Leuten unterhält. Ich drängle mich dazwischen und drücke ihn gegen die Wand. „Was hast du ihm noch so alles erzählt, hm?“
„Was?“
„Hast du Emil von Julian erzählt?“
„Na ja, ja, so halb“, gibt er zu. „Was soll der Aufstand?“
„Aufstand? Ich will nicht, dass du allen möglichen Leuten Geschichten aus meinem Privatleben unter die Nase reibst! Es geht niemand etwas an, ob mir ein Arsch wie Julian das Herz gebrochen hat!“
„Er hat mich nach deinen Ex-Freunden gefragt. Sollte ich ihn anlügen? Außerdem hab ich ihm gar nicht alles erzählt.“
„Du hättest auch einfach die Klappe halten können“, zische ich und stoße ihn zur Seite. Scheiße! Ich muss echt weg hier.
Während ich die spärlich beleuchtete Straße entlang laufe, gehen mir so einige Bilder durch den Kopf, die ich in den letzten Monaten erfolgreich verdrängen konnte. Und das werde ich auch wieder tun; sie verdrängen. Julian und alles, was mit ihm zu tun hat, hat in meinem Leben keinen Platz mehr. Ich will nicht, dass mich immer und überall die Leute daran erinnern und mir unter die Nase reiben, was für ein armes Würstchen ich bin. Das ist zum Kotzen. Ich weiß selber, wie beschissen es war. Aber das ist vorbei. Und Emil… Das ist schon vorbei, bevor es angefangen hat. Und vielleicht ist das auch besser so. Er war zwar ganz süß, aber man kann sich doch nicht nur durch Zeichensprache und Lippenlesen verständigen. Das ist nichts für mich. Komplizierte Beziehungen hatte und habe ich genug. Und für einen One-Night-Stand scheint er mir nicht der Typ zu sein. Ach, egal. Ich gehe jetzt erst mal nach Hause und werde mir spätestens morgen früh anhören müssen, wie enttäuscht meine Eltern von mir sind, und dass mein Hausarrest bis zu meinem achtzehnten Geburtstag verlängert wird. Ich wünschte, das wäre es wert gewesen.
Bevor ich um die nächste Ecke biegen kann, hält mich jemand am Arm fest. Mein Herz schlägt sofort doppelt so schnell und ich drehe mich erschrocken um. Wenigstens konnte ich ein peinliches Quieken unterdrücken, was, wie ich jetzt feststelle, gar nicht nötig gewesen wäre. Vor mir steht Emil mit einem halb amüsierten und halb… äh… sehnsüchtigen Blick. Ich kann es nicht anders beschreiben.
„Was machst du denn hier?“, frage ich immer noch etwas atemlos.
Er zuckt nur mit den Schultern und macht einen Schritt auf mich zu. Okay… Dann streckt er seine Hand aus und verhakt einen Finger in einer meiner Gürtellaschen. Mit der anderen Hand macht er dasselbe und zieht mich langsam zu sich heran. Ich setze meinen linken Fuß einen kleinen Schritt nach vorne, während in meinem Kopf mindestens zwanzig Stimmen gegeneinander anschreien. Mach das ja nicht! Du bist nur durcheinander! Daraus wird sowieso nichts! Doch, tu es einfach! Er hat doch schon den ersten Schritt gemacht! Nein! Willst du den wirklich auch noch an der Backe haben?
Erst als sich etwas Weiches auf meine Lippen legt, nein drückt, wird es wieder ruhig. Emil küsst mich. Er hat die Augen geschlossen und streift mit seinen Händen über meine Hüften. Er kann jetzt weder hören noch sehen, aber das scheint ihn nicht zu beunruhigen. Seine Hände schlüpfen zielstrebig unter mein T-Shirt und wandern meinen Rücken entlang. Obwohl ich mich wie ein Trottel aufgeführt habe und Linus wie immer seine Klappe nicht halten konnte, hat dieser Junge offensichtlich das Bedürfnis, mich zu verführen. Das ist mir ein Rätsel. Aber noch viel rätselhafter ist, warum ich überhaupt gezögert habe. Das tue ich nie. Und warum bin ich bei ihm so unsicher? Ist es, weil Emil taub ist?
Auf einmal öffnen sich seine Augen und er grinst. Er greift nach meiner Hand und zieht mich hinter sich her in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Allerdings laufen wir an Linus‘ Haus vorbei und biegen dann in eine Einfahrt ein, die an einer Treppe endet. Wir steigen die Stufen runter und betreten das Haus durch den Keller. Es ist stockdunkel. Emil führt mich einen Flur entlang, öffnet irgendwo eine Tür und zieht mich schließlich in ein Zimmer, in dem es genauso dunkel ist. Und fast schon gespenstisch still. Ich kann gerade mal seine Silhouette vor mir erkennen, weil er mit dem Rücken zum Fenster steht. Will er nicht mal Licht machen? Stattdessen gibt er mir einen leichten Schubs, so dass ich rücklings auf etwas großes Weiches falle. Offenbar steht an dieser Stelle sein Bett.
Langsam aber sicher breitet sich eine angenehme Wärme in mir aus und ich spüre ein leichtes Kribbeln in meinem Körper. Das hier ist absolut nicht das, was ich gewohnt bin, aber aus einem unerfindlichen Grund gefällt es mir trotzdem. Normalerweise bin ich derjenige, der schubst und zieht und den ersten Schritt macht. Na ja, bis auf eine Ausnahme…
Emil beugt sich jetzt wie ein Schatten über mich und tastet sich Stück für Stück vorwärts. Seine Hände legen sich an mein Gesicht und als sich unsere Nasenspitzen berühren, legt sich bei mir endlich der Schalter um. Dieses kuschelig Defensive ist nicht meine Art und ich lasse mich von diesem Jungen nicht dazu bringen, wieder nach der Pfeife eines anderen zu tanzen. Deshalb packe ich ihn an den Schultern und drehe den Spieß um. Ich kann nicht sehen wie er reagiert, aber kurz darauf legt sich eine Hand in meinen Nacken und ich lasse mich zu ihm hinunter ziehen.
Emil schläft noch, also mache ich mich mal schnell aus dem Staub. Ich hab beschlossen, dass ich keine Lust habe auf dieses es-war-schön-aber-jetzt-ist-es-vorbei-Gespräch. Das ist immer kompliziert und anstrengend und bei Emil… na ja, ich möchte dieses Gespräch auf gar keinen Fall händewedelnd und lippenlesend führen. Ich werde einfach darauf hoffen, dass ich jetzt nicht einen rachsüchtigen Stalker mehr habe und tapfer meine Strafe zuhause absitzen. Letztendlich war es das ja doch noch wert.
Ich erwarte schon fast, dass mir ein Haus weiter ein grinsender Linus entgegenläuft, aber da ist noch alles dunkel. Und ich bin immer noch ein bisschen sauer auf ihn. Er soll sich die Geschichte lieber von seinem neuen Nachbar erzählen lassen und mir erst mal nicht damit auf den Keks gehen. Aber wie ich ihn kenne, wird er sich in der Schule an mich hängen und so lange nerven, bis er meine Version kennt. Keine Ahnung, was ich ihm dann sagen werde. Ich weiß ja selber noch nicht mal, was ich von der letzten Nacht und von Emil halten soll. Ich kann nicht mal mit Sicherheit sagen, ob es an Emils „Besonderheit“ liegt oder an ihm selbst oder einfach an mir. Jeder hat schließlich mal einen schlechten Tag. Vielleicht war meiner gestern…
Nein, er ist eindeutig heute! Ich werfe mit hochrotem Kopf die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zu und greife wahllos nach Gegenständen in meiner Nähe, die dann quer durchs Zimmer fliegen. Hauptsache es macht Lärm und verbraucht Energie. Keine Ahnung, was da so alles rumfliegt, aber das kratzt mich auch nicht. Meine Eltern waren wie erwartet sauer, dass ich die Nacht trotz ihres Verbots woanders verbracht habe und meinten, mich zwei geschlagene Stunden anschreien zu müssen. Und einiges ging echt unter die Gürtellinie. Scheiße! Ich will hier nicht mehr sein! Können wir meinen Geburtstag nicht einfach vorverlegen, damit ich ausziehen kann? Ich halte es nicht mehr aus, dass sich alle möglichen Leute in mein Leben einmischen, mir sagen, was ich falsch gemacht habe und auch noch mir die Schuld geben, dass es mit so einem tollen Jungen wie Julian nicht funktioniert hat. Ich… nee, da krieg ich das kalte Kotzen! Das war’s jetzt. Ab heute heißt es nur noch: mein Leben und ich!
„Hey, hey, hey, wen sehe ich denn da?“, trällert Linus fröhlich und lässt sich auf den Stuhl neben mir plumpsen. Sein Grinsen reicht mindestens von einem Ohr bis zum anderen und irgendwo dazwischen würde ich gerne meine Faust platzieren. Ich hab keine Lust mit ihm zu reden, also versuche ich es mit Ignoranz. Bei meinen Eltern klappt das seit gestern ganz gut. Sie lassen mich in Ruhe.
„Hey“, sagt Linus wieder und stupst mich mit dem Ellenbogen an. „Du müsstest doch eigentlich blendender Laune sein. Was biste denn schon wieder so miesepetrig?“
„Lass mich einfach in Ruhe.“
„Okay, was hab ich jetzt schon wieder falsch gemacht, hm?“
„Nicht schon wieder. Immer noch! Hör einfach auf, dich in mein Leben einzumischen!“
„War’s nicht gut mit Emil?“
Der schnallt’s nicht, oder? „Wieso sollte ich dir davon erzählen? Du tratscht es ja an jeden weiter.“
„Ach, immer noch die Sache mit Julian… Hör zu, es tut mir leid, okay? Ich wollte ihn nur nicht anlügen.“
„Dann kannst du ihm auch von mir ausrichten, dass er bloß nicht auf die Idee kommen soll, bei mir anzutanzen.“
„Du hast echt ein Problem, weißt du das?“, schnauft Linus. „Ja, was Julian mit dir gemacht hat, war scheiße. Aber willst du deswegen dein ganzes Leben in einem Schneckenhaus verbringen?“
Okay, das reicht für heute. Ich hab eigentlich noch zwei Stunden Deutsch, aber Gottfried Benn kann mir mit seinen komischen Gedichten gestorben bleiben. In der Tür stoße ich fast mit dem Lehrer zusammen.
„Wo wollen Sie denn hin?“, fragt er.
„Mir geht’s nicht gut, ich gehe nach Hause“, nuschel ich zur Antwort und verschwinde. In solchen Situationen ist es echt nützlich, dass ich sonst immer da bin. Die Lehrer fragen nicht nach, wenn ich mal fehle oder früher gehe und meine Eltern erfahren auch nichts davon. Ich muss also nicht gleich nach Hause gehen, sondern laufe einfach noch ein bisschen durch die Stadt.
Warum kann sich das Kapitel „Julian“ nicht einfach aus meinem Leben verziehen, ohne mir einen fetten Stempel aufzudrücken? Offensichtlich steht auf meiner Stirn geschrieben: Unbedingt auf die Sache mit Julian ansprechen! Das Blöde ist, dass die Leute, die Julian kennen, ihn ganz anders kennengelernt haben als ich. Meine Eltern zum Beispiel. Die vergöttern ihn bis zum Speigrad. Und ich bin der rebellische Sohn. Bei Linus ist das genau andersrum, aber nicht unbedingt besser. Er kennt Julian nur aus meinen Erzählungen und deshalb bin ich für ihn das arme Würstchen. Auch nicht toll. Wo ich auch hingehe, ich bin immer entweder der Rebell oder das Würstchen. Dabei will ich einfach nur ein Julian-freies Leben führen. Leider geht das nicht, solange man mich mit einer der beiden Bezeichnungen fremden Menschen vorstellt. Für Emil bin ich jetzt das Würstchen und das wird er immer im Kopf haben.
Zwei Stunden später komme ich zuhause zur Tür rein und höre meine Eltern im Wohnzimmer reden. Ich versuche, ihre Stimmen zu ignorieren und suche in der Küche nach etwas Essbarem, das ich in mein Zimmer schmuggeln kann. Allerdings ist irgendetwas merkwürdig an der Weise, wie sie sich unterhalten. Ich glaube, sie sprechen nicht miteinander, sondern mit einer dritten Person. Neugierig riskiere ich einen Blick ins Wohnzimmer und bereue es sofort. Oh nein. Die kleine Ratte hat sich also gedacht, dass es spaßig wäre, sich mit meinen Eltern anzufreunden, ja?
„Was wird das denn?“, frage ich und werfe einen finsteren Blick in die Runde.
Meine Eltern sehen überrascht zu mir rüber und ein paar Sekunden später dreht sich auch Emil zu mir um. Ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht und er steht auf. Ich strecke sofort eine Hand aus, um ihn auf Abstand zu halten und frage dann: „Was willst du hier?“
Er deutet auf mich und macht mit einer Hand die Geste für…
„Reden? Sehr witzig“, schnaufe ich.
„Dino!“, regt sich mein Vater auf. „Er ist extra hier her gekommen und du machst dich nur über ihn lustig?“
„Ich hab ihn nicht eingeladen. Ich will nicht mit dir reden“, sage ich an Emil gewandt und drehe mich um.
„Dino!“, rufen mir meine Eltern hinterher, aber ich verschwinde so schnell wie möglich nach oben in mein Zimmer. Ich sag’s ja. Rebell und Würstchen. Die haben bestimmt spannende ‚Fakten‘ über mich ausgetauscht.
Als ich gerade Kasper aus seinem Käfig hole, klopft es an meiner Tür. Das kann nur Emil sein. Meine Eltern hätten die Tür einfach eingetreten. Ich antworte nicht, wozu auch? Allerdings scheint Emil seine eigenen Tricks zu haben und schiebt einen Zettel unter der Tür durch. Er hat nicht mal versucht, die Türklinke zu betätigen.
Das Geräusch von Schritten auf der Treppe sagt mir, dass Emil die Botschaft verstanden hat und sich hoffentlich gleich auf den Weg nach Hause macht. Das überrascht mich. Ich robbe mit Kasper auf dem Arm auf die Tür zu und schnappe mir das kleine zusammengefaltete Papier. Die Handschrift ist ziemlich krakelig, aber es steht nicht sehr viel auf dem Zettel, das ich entziffern muss.
Keine Panik, ich hab nicht vor, dein neuer Stalker zu werden. Es ist nur nicht meine Art mit jemandem zu schlafen und dann nicht darüber zu reden. Lass uns einfach Freunde sein. Ganz unkompliziert.
Unkompliziert? Hab ich was verpasst oder ist Emil nicht dieser taube Junge, der in dem Haus neben Linus wohnt und sich nur durch Lippenlesen, Händefuchteln und Zettelchen verständigen kann? Dagegen ist meine ‚Freundschaft‘ mit Linus wie ein Wellness-Wochenende.
Zwei Wochen später lassen mich meine Eltern endlich wieder frei. Sie haben den Hausarrest tatsächlich aufgehoben, dabei dachte ich, dass mich erst mein achtzehnter Geburtstag wieder zu einem freien Menschen machen könnte. Ich habe in den letzten beiden Wochen nur das Nötigste mit ihnen gesprochen und scheinbar haben sie endlich kapiert, dass ich nur meine Ruhe will. Linus hat noch ein paar Versuche gestartet, mit mir ins Gespräch zu kommen, aber seit dem letzten Wochenende hat sich auch das erledigt. In der Schule ist es jetzt zwar ein bisschen langweilig und ich komme mir manchmal etwas dämlich vor, wenn ich alleine durch die Gänge laufe oder auf dem Schulhof stehe, aber das ist immer noch besser als einen „Freund“ zu haben, der meine Grenzen nicht akzeptiert.
Emil hat auch nichts mehr von sich hören lassen. Eigentlich komisch, normalerweise würde ich so etwas nicht mal bemerken. Normalerweise würde ich mein Leben weiterleben und keinen Gedanken mehr an die Person verschwenden, mit der ich einmal im Bett war. Ich weiß nicht warum, aber bei Emil ist es anders. Manchmal schleicht sich sein Gesicht in meine Gedanken und ich kann nichts dagegen machen. Vielleicht sollte ich doch mal darüber nachdenken, mich mit ihm anzufreunden? Wäre mal was anderes. Kompliziert, aber anders. Und zwei Wochen sollten reichen, damit er nicht auf falsche Gedanken kommt.
Am Sonntag mache ich mich einfach mal auf den Weg zu ihm. Mal sehen, über was er unbedingt mit mir reden wollte. Ich klingele und warte gefühlte drei Stunden, bis sich die Haustür einen Spalt breit öffnet und ich von einer ziemlich grimmig dreinblickenden Frau angestarrt werde.
„Es ist Sonntag“, zischt sie.
„Äh, ja. Ich möchte zu Emil“, entgegne ich irritiert.
„Wir empfangen am Sonntag keine Gäste.“
„Aber…“
Neben ihrem Gesicht erscheint plötzlich das von Emil. Er sieht mich überrascht an und unterhält sich kurz mit der Frau in einer wilden Händefuchtelei. Dann winkt er mir zu und deutet auf meine Schuhe. Die müssen wohl draußen bleiben. Als ich das Haus betrete und mich ein bisschen umsehe, fühle ich mich mehrere Jahrzehnte zurückversetzt. Die Einrichtung wäre vielleicht sogar meiner Oma schon zu altmodisch.
Emil schnappt sich meine Hand und zieht mich hinter sich her die Treppe zum Keller runter. Schon wieder zieht er mich. Ich reiße mich mehr oder weniger höflich los, aber das scheint ihn überhaupt nicht zu kratzen. Er läuft einfach weiter und biegt dann links in ein Zimmer ein, das ich bisher nur im Dunkeln kenngelernt habe. Erleichtert stelle ich fest, dass hier keine merkwürdigen Bilder an der Wand hängen, die Möbel nicht von 1887 sind und Emil… äh… sich auszieht? Also wenn das ‚Reden‘ ist, dann hat er mich ganz schön gelinkt. Unkompliziert, hm? Und ich bin auch noch freiwillig hier her gekommen.
Emil lacht, als er meinen vermutlich ziemlich verdutzten Gesichtsausdruck sieht. Er lacht tatsächlich. Also richtig mit Stimme. Das ist irgendwie merkwürdig. Ich meine, es hört sich ganz normal an, aber es kam irgendwie unerwartet. Meine Mundwinkel verziehen sich ungewollt zu einem Schmunzeln, während Emil sich ein neues T-Shirt aus dem Schrank nimmt. Er zieht es an und gibt mir zu verstehen, dass das alte wohl schon ein bisschen muffelig war. Super. Und ich mach mich total zum Depp.
Wir setzen uns im Schneidersitz aufs Bett und ‚reden‘. Ich versuche einfach mal wiederzugeben, was ich verstanden habe. Manchmal ist das ja echt nicht leicht, aber wenn ich etwas gar nicht verstehe, schreibt er es auf einen Zettel. Total unkompliziert.
„Worüber wolltest du mit mir reden?“, frage ich. Deswegen bin ich schließlich hier.
Bist du sauer auf mich?
„Nein. Sah das so aus?“
Er nickt.
„Ich bin nur sauer auf meine Eltern und auf Linus.“
Warum?
„Ist nicht wichtig.“ Warum plaudere ich hier solche Sachen aus?
Er runzelt die Stirn und gestikuliert etwas, das wohl so was heißen soll wie: Und was ist zwischen uns?
„Nichts. Ich bin nur hier, weil du mit mir reden wolltest.“
Er grinst. Du hast nicht viele Freunde, oder?
„Wozu auch?“, schnaufe ich. „Ich hab schon genug Menschen in meinem Leben, die sich ständig einmischen.“ Ich sollte es langsam mal gewohnt sein, aber wenn er so auf meine Lippen starrt, während ich rede, werde ich ganz nervös. „Linus ist das beste Beispiel.“
Emil streckt eine Hand aus und legt sie kurz auf meine linke Brust.
„Was soll das heißen?“, frage ich angespannt.
Er nimmt den Zettel. Bist du sauer, weil er mir von deinem Ex-Freund erzählt hat?
„Ja“, sage ich tonlos und will gerade aufstehen, aber Emils Hand schnellt nach vorne und hält mich am Arm fest.
Warum?
„Das geht dich nichts an.“ Ich setze mich wieder hin, aber sehe aus dem Fenster. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich bin nicht genervt, dass Emil mich auf Julian angesprochen hat und eben hatte ich ganz kurz das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen. Nicht, um mich auszuheulen. Nur, damit er weiß, dass ich zurecht nicht darüber rede.
Ich drehe mich wieder um, als ich merke, dass es wohl nicht besonders höflich ist, jemandem den Rücken zuzukehren, der sich nur mit mir unterhalten kann, wenn ich ihn ansehe.
Emil lächelt auf einmal und schreibt wieder etwas auf. Kannst du dir vorstellen mit mir befreundet zu sein, wenn ich verspreche mich nicht einzumischen?
„Und warum willst du das?“
Du bist interessant.
„Ich bin doch keine Laborratte“, nuschel ich und stelle amüsiert fest, dass Emil mich nicht verstanden hat. „Wir können es ja mal versuchen“, gebe ich nach.
Und warum willst du das?
„Weil du verrückt bist“, sage ich kopfschüttelnd.
Emil lacht wieder laut auf und ich hab das merkwürdige Gefühl, dass ich diese Entscheidung zur Abwechslung mal nicht bereuen werde.
Wir unterhalten uns noch eine Weile über die verschiedensten Sachen, bis Emils Mutter ins Zimmer platzt und mich ziemlich unhöflich rauswirft. Das würden nicht mal meine Eltern fertigbringen. Die wissen immerhin wie man sich Gästen gegenüber verhält. Auf dem Weg nach Hause denke ich über das nach, was Emil mir erzählt hat. Er ist durch einen Unfall taub geworden, als er noch in den Kindergarten ging. Seitdem ist er immer auf speziellen Schulen für Gehörlose gewesen, wo er die Gebärdensprache und das Lippenlesen gelernt hat. Man könnte sogar sagen, dass er Glück hatte, weil er in einem Alter ertaubt ist, als er schon gelernt hatte zu sprechen. Ganz schön krass. Er hat mir erzählt, dass die Menschen, die von Geburt an taub sind, viel mehr Probleme damit haben, zu verstehen, wie eine Sprache funktioniert. Für sie ist es schwieriger das Lippenlesen und die Gebärdensprache zu lernen, weil sie kein Gefühl für Sprache haben. Aber das Seltsamste ist, dass viele dieser Menschen in der Gebärdensprache denken und träumen. Das muss man sich mal vorstellen. Sieht man dann ständig fuchtelnde Hände in Gedanken?
Gedankenverloren streiche ich mit dem Handtuch über meine rechte Schulter. Im Spiegel starrt mich wieder diese feine, rötliche Linie an, die ich so hasse. Vielleicht bin ich verrückt, aber manchmal spüre ich noch wie das Messer dort die Haut verletzt. Zumindest bilde ich mir das ein. Es ist ein brennender Schmerz, wie wenn man sich an einem Papier schneidet. Ja, vielleicht bin ich verrückt, aber Julian ist es ganz sicher. Und meine Beziehung mit ihm war es auch. Wo er jetzt wohl ist? Was macht er gerade? Manchmal frage ich mich das, obwohl es nichts ändern würde, wenn ich es wüsste. Vor einem Jahr und vier Monaten habe ich ihn das letzte Mal gesehen. An Weihnachten. Er ist verschwunden, nachdem ich damit gedroht hatte, ihn anzuzeigen.
Ich ziehe schnell mein T-Shirt über. Langsam sollte ich mal aufhören, daran zu denken. Ich bin noch jung, da sollte mich so eine winzige Narbe nicht immer wieder aus dem Konzept bringen. Julian ist Geschichte. Und wozu ist Geschichte gut? Man lernt daraus. Ich werde mich jedenfalls nie wieder kopflos in eine sogenannte Liebesbeziehung stürzen.
Meine Eltern warten in der Küche mit dem Frühstück auf mich und ich rieche sofort, dass da was im Busch ist. In den letzten Tagen war sonst immer Eiszeitstimmung angesagt, was wohl auch daran lag, dass ich keinen Ton von mir gegeben habe. Aber jetzt sehen die beiden irgendwie glücklich aus. Mein Vater nippt zufrieden an seinem Kaffee und meine Mutter bestreicht ihr Brot lächelnd mit Leberwurst. Ich werde wohl nie erfahren, was hier los ist, denn fragen werde ich sie nicht.
„Wie geht’s Emil?“, fragt meine Mutter.
„Gut, wieso?“ Oh nein, das war’s. Ich bin in die Falle getappt.
„Seht ihr euch öfter?“
„Nein, eigentlich nie“, versuche ich meinen Flüchtigkeitsfehler wieder gut zu machen.
Die beiden werfen sich einen eindeutigen Blick zu. Sie glauben mir nicht.
„Warst du gestern bei ihm?“, fragt mein Vater.
„Das geht euch überhaupt nichts an.“ Ich belege mein Brot schnell mit einer Scheibe Käse und fülle den Tee, den schon jemand für mich gekocht hat, in meine Thermoskanne. Bestimmt grinsen sie sich jetzt hinter meinem Rücken an, weil meine Antwort ein ziemlich deutliches ‚Ja‘ war. Ich muss mich echt wieder besser darauf konzentrieren, was ich in ihrer Gegenwart sage.
„Wir finden es jedenfalls gut, dass du so einen netten Freund hast. Seit Julian…“
„Und tschüss!“, sage ich und verschwinde mitsamt Brotdose und Thermoskanne.
In der Schule geht die Nerverei leider weiter. Linus muss mit Emil gesprochen haben, denn sonst kann ich mir nicht erklären, warum er sich nach einer Woche gekündigter Freundschaft auf einmal wieder grinsend neben mir auf den Stuhl plumpsen lässt.
„Hat sich da etwa ein gewisses herzloses Arschlosch mit meinem niedlichen Nachbarn angefreundet?“
„Oh, du hast deine Stimme wiedergefunden? Wie schade“, entgegne ich kühl.
„Ja, sehr witzig. Ich hab allerdings beschlossen, dass du kein Recht hast, sauer auf mich zu sein, wenn du dich mit Emil doch jetzt so gut verstehst. Er hat offensichtlich kein Problem damit, dass du wegen eines anderen Kerls so verkorkst bist.“
„Das konntest du aber nicht wissen.“
„Dann sag ich jetzt eben zum zwölften Mal, dass es mir ganz doll leid tut und ich es bestimmt nie wieder machen werde.“
„Total überzeugend.“ Ich verdrehe die Augen. „Aber es sei dir verziehen.“
„Gut“, sagt Linus und fängt an, den Tisch vor sich mit seinen Matheutensilien zu dekorieren. „Und? Wie ist der Plan?“
„Was für ein Plan?“, frage ich.
„Na mit Emil. Du hast schon einmal mit ihm geschlafen und trotzdem hast du dich noch nicht zurückgezogen. Das bedeutet also, dass du entweder tatsächlich nur mit ihm befreundet sein willst – was dir gar nicht ähnlich sieht – oder dass du auf etwas Festes aus bist – was dir noch viel weniger ähnlich sieht.“ Er überlegt kurz. „Oder der Sex war so gut, dass einmal nicht reicht. Ja, das ist es, oder?“
Ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Kannst du bitte aufhören, mich zu analysieren? Ich weiß ja selber noch nicht mal, wo das hinführen soll. Aber eine Beziehung ist vollkommen ausgeschlossen.“
Linus sieht nachdenklich aus.
„Was hat Emil denn gesagt?“, frage ich mit einem unguten Gefühl im Magen.
„Äh, nichts“, stammelt Linus.
„Raus damit!“, fordere ich.
„Er hat nur gesagt, dass er es langsam angehen lassen will.“
„Und was? Was meinte er damit?“
„Keine Ahnung. Das musst du ihn schon selber fragen.“
Ja, das muss ich dann wohl. Aber nicht heute und auch nicht in den nächsten Tagen. Wie blöd würde das denn aussehen, wenn ich heute schon wieder da auftauche?
Nach der Schule gehe ich erst mal vorbildlich nach Hause und verziehe mich nach dem Mittagessen schnell in mein Zimmer, bevor mir meine Eltern wieder nervtötende Fragen stellen können. Ich hole Kasper, der schon neugierig in meine Richtung schnüffelt, aus seinem Käfig und kuschel mich mit ihm aufs Bett. Sein Fell ist so weich, dass man es leicht mit einem flauschigen Kissen verwechseln könnte. Aber das würde meinem Schlappohr bestimmt nicht gefallen. Er macht sich jetzt erst mal ganz lang und genießt seine Streicheleinheiten. Seit seine Kaninchen-Freundin nicht mehr da ist, muss ich aufpassen, dass er sich nicht einsam fühlt. Deshalb beschäftige ich mich so oft wie möglich mit ihm.
Und während ich so über sein weiches, schwarzes Fell streiche, taucht wieder Emil in meinen Gedanken auf. Ich erinnere mich daran, wie er neben mir im Bett gelegen hat und seine schwarzen Haare ihm ins Gesicht gefallen sind. Er hat geschlafen und ich hab ihn beobachtet. Keine Ahnung warum. Ich konnte nicht anders. Und wenn ich mich recht erinnere, habe ich ihn eine ganze Weile angesehen. Ich hab ihn genauso beobachtet, wie ich manchmal Kasper beobachte, wenn er in seinem Käfig schläft oder es sich so wie jetzt neben mir gemütlich macht: mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
In den nächsten Tagen dreht sich die Erde irgendwie in die falsche Richtung. Alle benehmen sich merkwürdig, mich eingeschlossen.
Am Dienstag haben Mama und Papa gefragt, ob ich mir abends mit ihnen zusammen einen Film ansehen möchte. Das haben wir seit Jahren nicht mehr gemacht und auf einmal legen sie wieder Wert auf einen Familienabend? Ich hab dankend abgelehnt und mich stattdessen hinter meinen Schulbüchern versteckt.
Am Mittwoch musste mir Linus in der Schule bei einer Matheaufgabe helfen, weil ich mich nicht richtig konzentrieren konnte und ständig unmögliche Ergebnisse raus hatte. Man kann sich wohl denken, wie deprimiert ich nach dieser Schulstunde war. Und zu allem Überfluss kam in der Pause Olli auf mich zu und hat sich tatsächlich für sein übertriebenes Verhalten mir gegenüber entschuldigt. Ich könne ja schließlich nichts dafür, wenn er sich in etwas reingesteigert hat, das ich nie versprochen hatte. Mein Reden, aber woher zum Teufel kam auf einmal dieser Sinneswandel? Ich habe Linus misstrauisch angestarrt, aber er schwört, dass er nicht mit Olli über mich geredet hat.
Am Donnerstag war ich wieder ziemlich unkonzentriert und musste mir leider eingestehen, dass das etwas mit Emil zu hat. Ständig taucht der in meinen Gedanken auf und das verwirrt mich dann so sehr, dass ich offensichtlich nicht mehr klar denken kann. Besonders schlimm ist es, wenn ich mit Kasper schmuse und in den niedlich-Modus geschaltet habe. Dann kann ich sein schwarzes Fell nicht mehr von Emils Haaren unterscheiden und kriege eine Gänsehaut, wenn ich daran denke mit Emil im Bett zu liegen und über seinen Körper zu streichen. Das muss aufhören. Ich kann und will mich nicht wieder auf so etwas einlassen.
Als ich am Freitag aus der Schule komme, höre ich Stimmen aus dem Wohnzimmer. Meine Mutter muss heute länger arbeiten, also kann sie an dem Gespräch nicht beteiligt sein. Ich höre genauer hin und erkenne die Stimme von meinem Vater und… das Lachen von Emil. Letzteres versetzt mir einen Stich.
Ich schlage die Haustür lauter als normal zu und warte auf ein Zeichen, dass mein Vater mich bemerkt hat. Die Stimmen sind jedenfalls schon mal verstummt, aber es tut sich nichts. Ich gehe erst mal in die Küche und schneide mir einen Apfel. Sollen sich die da drinnen doch erst mal einen Schlachtplan überlegen. Ich bleibe hier, esse meinen Apfel und verziehe mich nach oben, wenn sich dann immer noch niemand blicken lässt. Was will Emil eigentlich schon wieder hier?
Ein verzehrtes Apfelstückchen später, tippt mir jemand auf die Schulter. Ich hab mir sowas zwar gedacht, aber ich zucke trotzdem etwas erschrocken zusammen. Emil grinst mich fröhlich an und winkt mit einer Hand, obwohl ich genau vor ihm stehe. So viel kitschige Niedlichkeit auf einmal und ich muss trotzdem lächeln. Verrückte Welt… Er greift nach meiner Hand und zieht mich aus der Küche, die Treppe hoch, bis in mein Zimmer. Mein Vater hat mir nur kurz aus dem Wohnzimmer zugelächelt und sich dann dem Fernseher zugewandt. Verräter.
Emil lässt mich los und geht eine Runde durch den Raum. Ich starre auf meine Hand und frage mich, warum er mich ständig ziehen muss und vor allem… warum es mir dieses Mal nichts ausgemacht hat. Vielleicht gewöhne ich mich langsam daran? Vielleicht gewöhne ich mich an Emil und seine Vorstellung von Freundschaft. Meine Vorstellung sieht da ja ganz anders aus. Für mich bedeutet Freundschaft nicht, dass man ewig aneinander geklettet rumläuft und sich alles, wirklich alles erzählt. Emil bevorzugt da offensichtlich eine Variante, die mich viel eher an eine nervtötende Liebesbeziehung erinnert. Nicht, dass ich das jemals kennengelernt hätte. Julian war noch mal ein ganz anderes Kaliber.
Ich lasse mich aufs Bett plumpsen, während Emil sich neugierig vor Kaspers Käfig hockt. Mein Schlappohr sitzt auf seinem Häuschen – drinnen ist es scheinbar zu langweilig – und schnüffelt genauso neugierig in Emils Richtung. Ein schöner Anblick. Bisher hat sich nie jemand für Kasper interessiert. Linus findet Kaninchen langweilig, meinen Eltern ist er zu dreckig und stinkig und Julian wollte mich immer davon abhalten, mir ein Haustier anzuschaffen. In der Hinsicht hat er mir mit diesem Vorfall an Weihnachten doch einen Gefallen getan. Nachdem er verschwunden war, hab ich mir nämlich Kasper und seine Freundin ausgesucht und mit nach Hause genommen. Und nachdem seine Kaninchenfrau leider schon so früh gestorben ist, waren wir beide alleine.
Nach ein paar Minuten setzt sich Emil neben mich und sieht mich einfach nur an.
„Warum bist du dieses Mal hier?“, frage ich.
Er zuckt nur mit den Schultern. Junge, du machst mich fertig…
„Ich muss noch Hausaufgaben machen.“
Er gibt mir zu verstehen, dass ich mir keinen Zwang antun soll, und lässt sich aufs Bett zurückfallen. Okay… wenn er es so will… Ich setze mich an meinen Schreibtisch und fahre den Computer hoch. Emil liegt, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, da und rührt sich nicht. Keine Ahnung, ob ich mich so konzentrieren kann, aber ich werde es versuchen. Ist sowieso nur Deutsch. So einen Aufsatz schreibe ich mit links.
Eine halbe Stunde später greife ich dann zu meinem Englisch-Buch und bemerke, dass Emil neben mir steht. Der kann sich echt anpirschen wie eine Raubkatze. Na ja, die harmlose Variante davon. Er fragt mich, ob mir die Schule Spaß macht und ich antworte ihm. Währenddessen hängt sein Blick ununterbrochen an meinen Lippen und ich kann einfach nicht aufhören zu reden. Ich erzähle und erzähle und erzähle. Irgendwann weiß ich schon gar nicht mehr, worüber ich eigentlich rede und bin nur noch damit beschäftigt, seinen Mund anzustarren wie er meinen anstarrt.
Ohne mich ausreden zu lassen, beugt er sich plötzlich zu mir runter und küsst mich. Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass ich es nicht auch wollte, aber… warum?
Am Samstagmorgen wache ich auf und habe ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. Es ist so ein nervöses Kribbeln, das man immer spürt, wenn man etwas Wichtiges vergessen hat. Und als ich mich zur Seite drehe und Emil neben mir liegen sehe, weiß ich auch woher es kommt. Ich erinnere mich wieder daran, was ich ihm gestern erzählt habe. Zuerst war es nur Geschwafel über die Schule, schließlich hatte er danach gefragt. Aber dann habe ich auf einmal angefangen über Julian zu reden. Ich weiß nicht, ob Emil alles verstanden hat. Ich hoffe nicht. Wenigstens hat er mich unterbrochen, bevor ich die ganze Geschichte erzählen konnte.
Ich kann mich nicht bewegen. Ich hab Angst ihn zu wecken, bevor ich mir einen Plan machen konnte, wie ich reagieren soll und wie es jetzt mit uns weitergeht. Das Blöde ist nur… ich weiß nicht mehr, was ich eigentlich will. Ich bin vollkommen durcheinander.
Ich sehe zur Seite. Scheiße. Das, was gestern Abend passiert ist, hätte ich verhindern müssen. Ich wollte mich nie wieder so an jemanden hängen, mich nie wieder verlieben und vor allem nie wieder von jemandem abhängig sein. Und jetzt sieht es so aus, als wären mir genau diese Dinge in der letzten Nacht zugeflogen. Emil hat irgendwas mit mir angestellt, das ich nicht verstehe und das ich auch gar nicht will. Aber Fakt ist, dass ich es nur deshalb nicht will, weil ich es zu sehr will. Und das ist gefährlich. Ich hab Angst, dass ich wieder wie blind durch die Gegend laufe und mich nur an Emil orientiere. Mit Julian habe ich mich selber vollkommen vergessen und bin quasi zu seinem Schatten geworden. Ich konnte nur da hin gehen, wo er auch hingegangen ist, weil ich ihn so angehimmelt habe.
Meine Eltern waren total zufrieden mit der Situation, weil Julian nach außen immer der liebe Junge aus der Nachbarschaft war. Und das dachte ich am Anfang auch. Als ich ihn meinen Eltern vorgestellt habe, war noch alles in Ordnung. Wahrscheinlich wollte er erst mal nur Rücksicht darauf nehmen, dass die Tatsache, dass ich schwul bin, für alle ziemlich neu war. Ich wusste es schon länger, aber ich habe es nie ausgelebt. Julian war mein erster Freund und bisher auch mein letzter. Wenn ich nur wüsste, warum ich mir so viel von ihm habe gefallen lassen. Das würde vielleicht einiges leichter machen. Aber wahrscheinlich ist es ganz banal und ich wollte nur meine erste große Liebe nicht verlieren. Bescheuert.
Emil schnarcht ganz leise, während ich hier in meiner Vergangenheit stöbere. Er ist ganz anders als Julian; viel fordernder von Anfang an. Julian hat sich zuerst so extrem bei mir eingeschleimt, dass jeder normale Mensch misstrauisch geworden wäre. Emil ist viel ehrlicher, kann sich aber auch zurückziehen, wenn er merkt, dass ich Luft brauche. Gestern Abend hat er gefragt, ob er über Nacht bleiben kann. Aber nur, wenn es dir nichts ausmacht. Und dann dieses Lachen. Julian konnte nicht richtig lachen. Und wenn er es doch getan hat, war es vielmehr Schadenfreude. Er hatte immer ein neckisches Grinsen auf den Lippen, das mich am Anfang noch ganz verrückt nach ihm gemacht hat. Ich würde gerne wissen, ob ich immer noch an seiner Kette hängen würde, wenn er mich damals nicht so verletzt hätte.
Neben mir raschelt es leise und dann spüre ich eine Berührung an meiner rechten Schulter. Emil streicht mit einem Finger über die kleine Narbe. Er lächelt, als ich mich zu ihm umdrehe, aber ich kann das Lächeln nicht erwidern. Das nervöse Kribbeln in meinem Bauch hat sich zwar in ein angenehmes Kribbeln verwandelt, aber mein Kopf schreit ziemlich laut dagegen an.
Emil sieht mich jetzt direkt an und ich glaube, dass er etwas fragen möchte wie: Geht’s dir gut?
Ich nicke, obwohl ich mir nicht wirklich sicher bin. Eigentlich geht es mir ganz gut, ja. Zumindest fühle ich mich wohl dabei, hier mit Emil zu liegen. Aber ich bin mindestens genauso verwirrt und angespannt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Emil sieht mich einen Moment an und legt dann wieder eine Hand auf meine linke Brust. Dieses Mal weiß ich, was er wissen will. Das Problem ist nur, dass ich die Antwort selber nicht kenne. Und ich werde nicht, wie gestern Abend, wieder anfangen aus dem Nähkästchen zu plaudern. Viel lieber würde ich wissen, was Emil von mir denkt. Vermutlich bin ich jetzt nicht mehr nur das arme Würstchen, sondern das arme Würstchen, das von seinem Freund tyrannisiert wurde und deshalb einen Knacks weg hat.
„Die Geschichte mit Julian wollte ich dir eigentlich gar nicht erzählen“, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt.
Warum nicht?
„Weil es nichts mit dir zu tun hat.“
Emil schnauft und sieht mich dann erschrocken an.
„Es hat nichts mit dir zu tun!“, wiederhole ich nachdrücklich. „Was in meinem Leben passiert ist, geht dich nichts an. Wir sind nicht zusammen.“
Emil hebt beschwichtigend die Hände und macht ein ziemlich unglückliches Gesicht.
Ich hab’s doch gesagt… ich bin das Würstchen, dem man unter die Arme greifen muss. Vielleicht hat er mich gestern nur ablenken wollen, damit ich mich nicht so in die Geschichte reinsteigere. Oder er hatte genug von meinem Gejammer.
Ich springe aus dem Bett und schnappe mir meine Klamotten. „Ich weiß schon, warum ich mich nie wieder verlieben wollte… alle Menschen sind Egoisten.“
Während ich mich anziehe, sehe ich aus dem Augenwinkel, dass Emil nach einem Zettel angelt und etwas darauf kritzelt. Er hält ihn mir hin und ich lese: Du liebst mich?
„Hab ich das gesagt?“, frage ich erschrocken.
Er zuckt mit den Schultern und schreibt wieder etwas. Was ist gerade passiert?
„Mir ist nur wieder eingefallen, warum ich es hasse, wenn sich jemand in mein Leben einmischt.
Ich mische mich nicht ein.
Diesmal bin ich es, der schnauft. „Du bist sogar am schlimmsten. Linus kommt nicht ständig angedackelt und verwirrt mich, und sogar meine Eltern wissen, wann sie mich in Ruhe lassen sollten.“
Ich wollte nur ein guter Freund sein.
„Das brauche ich aber nicht. Ich bin lieber ein Arschloch ohne Freunde, als mich von jemandem manipulieren zu lassen.“
Du bist kein Arschloch.
„Und woher willst du das wissen?“
Du hast dich nie über mich lustig gemacht. Wo ich herkomme, wurde ich immer gehänselt. Deshalb sind wir weggezogen.
Emil sieht mich kurz an und wartet, ob ich etwas dazu zu sagen habe. Dann schreibt er weiter: Es gibt übrigens noch etwas zwischen ‚Arschloch‘ und ‚manipuliert werden‘ und ich dachte, dass wir da gestern angekommen sind.
„Wir sind nicht zusammen.“
Emil schüttelt den Kopf. Aber es sieht nicht so aus, als würde er mir zustimmen, sondern eher, als wäre er enttäuscht, weil ich ihn falsch verstanden habe. Dann steigt er auch aus dem Bett und zieht sich an. Ich sehe ihm dabei zu und hab keine Ahnung, was ich jetzt machen soll. Ich weiß noch nicht mal, was ich denken soll. Mein Kopf fühlt sich an wie nach einer dreistündigen Klassenarbeit: als würde er gleich platzen, und gleichzeitig irgendwie ausgesaugt.
Emil öffnet die Tür zu meinem Zimmer und geht, ohne sich noch einmal umzudrehen. Meine Wut ist vollkommen verpufft und ich hab das merkwürdige Gefühl, als würde mir Emil jetzt schon fehlen. Dabei ist das genau das Gefühl, vor dem ich immer Angst habe.
Ich hab jetzt fast drei Wochen nichts mehr von Emil gehört und Linus hat sich auch wieder von mir zurückgezogen. Früher hätte ich sehr viel für diesen Zustand gegeben, aber neuerdings bin ich gar nicht mehr so glücklich damit. Ich glaube, ich weiß jetzt, was Emil meinte: Man kann einsam sein, ohne ein Arschloch zu sein, und man kann Freunde haben, ohne von ihnen manipuliert zu werden. Na ja, ein bisschen manipuliert fühle ich mich schon. Seit dieser Kerl hier aufgetaucht ist, finde ich es nicht mehr schön allein zu sein. Er hat mich eindeutig dazu gebracht, ihn zu vermissen. Das ist ganz klar Manipulation. Aber ich hänge nicht mehr an einer Kette, sondern kann trotzdem noch selber entscheiden. Ich habe zum Beispiel entschieden, dass Julian das einzige Arschloch in dieser Geschichte ist und alles bei ihm angefangen hat. Und ich habe entschieden, meinen Eltern die ganze Geschichte zu erzählen. Auch alles über Julian. Sie wissen jetzt, dass er mich über ein Jahr lang kontrolliert hat, und dass er mir mit einem Messer die Haut an meiner rechten Schulter aufgeschnitten hat, weil ich mich von ihm trennen wollte, nachdem er mich mit meinem damals besten Freund betrogen hatte. Und das alles an Weihnachten. Ich glaube, sie verstehen jetzt, warum ich nie Freunde haben wollte und warum ich sauer auf sie war. Sie haben das alles mit angesehen und nichts unternommen. Das alles ist mir selber auch erst in den letzten Wochen klar geworden.
Und als ich endlich verstanden hatte, dass es wirklich nicht schön ist, allein zu sein, bin ich ins Tierheim gefahren und hab Kasper eine neue Freundin mitgebracht. Lotte. Sie ist weiß-grau und hat nur ein Schlappohr. Die beiden lieben sich heiß und innig.
Heute in der Schule hat Linus einen Briefumschlag vor mir auf den Tisch gelegt und sich auf den Stuhl neben mir fallen lassen.
„Du bist eingeladen, wenn du Lust hast.“
Ich sehe ihn skeptisch an und öffne den Umschlag. Seit wann verteilt Linus schriftliche Einladungen zu seinen Partys? Mal sehen, welches schräge Motto er sich dieses Jahr ausgedacht hat…
„Weihnachten im Juli?“, frage ich und kann gerade noch einen hysterischen Lachanfall unterdrücken.
„Ja, ist doch mal was anderes“, sagt er, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass da noch mehr dahinter steckt.
„Du weißt doch, dass ich nicht auf Weihnachten stehe.“
„Genau deshalb findet diese Party statt. Wir feiern das Weihnachten vom vorletzten Jahr nach.“
„Man kann Weihnachten nicht nachfeiern“, finde ich. „Erst recht nicht im Juli.“
„Komm einfach morgen Abend zu mir und ich werde dir das Gegenteil beweisen.“ Er grinst und damit scheint das Thema gegessen zu sein.
Wenn ich ehrlich bin, hat mir Linus auch ein bisschen gefehlt. Er hat mich mit seiner verrückten Art und seinen komischen Partys immer von Julian abgelenkt. Und in der Schule komme ich mir mit ihm nicht ganz so streberhaft vor.
Ich hab beschlossen, zu der Party zu gehen. Es ist zwar heiß wie im Brutofen draußen und meine Weihnachtsstimmung hält sich dementsprechend in Grenzen, aber irgendwie freue ich mich auch. Zumindest bin ich mit diesem Gefühl zuhause losgegangen. Unterwegs kommt mir dann plötzlich der Gedanke, dass Emil wahrscheinlich auch da sein wird und meine Vorfreude schlägt in Angst um. Ich hab keine Ahnung, was ich ihm sagen soll. Die Zettel, die er bei mir hat liegen lassen, habe ich mittlerweile auswendig gelernt und festgestellt, dass er mit allem recht hatte. Er hat sich nie wirklich eingemischt und trotzdem habe ich das ständig behauptet.
Wie gewöhnlich findet die Party im Keller statt. Das erste, was ich rieche, ist Zimt und das erste, was ich höre, ist schnulzige Weihnachtsmusik. Soweit wurden meine Erwartungen also erfüllt. Als Linus mich in den Kellerraum führt, bleibe ich allerdings erst mal geschockt stehen. In einer Ecke steht tatsächlich ein richtiger, geschmückter Weihnachtsbaum und davor sitzt Emil auf einem großen, roten Kissen. Das Merkwürdige ist nur… sonst ist niemand hier. Linus und ich stehen in der Tür, Emil sitzt vor dem Baum und das war’s. Die Sofas und Sessel sind nicht besetzt, niemand lungert betrunken in den Ecken rum und das Buffet ist noch unberührt. Normalerweise muss man da immer etwas vorsichtig sein.
Emil sieht zu mir rüber und klopft auf das Kissen neben sich.
Ich drehe mich – wie ein kleines Kind – hilfesuchend zu Linus um und bringe nur ein „Ähm“ hervor.
„Du musst ihm nichts erklären, er weiß schon alles.“
„Er weiß schon alles?“, frage ich, als hätte ich ihn nicht richtig verstanden. „Von wem?“
„Na ja, das meiste von dir. Und den Rest habe ich ihm erzählt.“
Mir bleibt die Spucke weg.
„Ich dachte, wenn du sowieso schon mit der Geschichte angefangen hast…“
„Und was hast du ihm erzählt?“, unterbreche ich ihn nervös.
„Dass du für deine Macken nichts kannst und Julian an allem schuld ist. Ich dachte, das ist bestimmt in deinem Sinne.“
„Wäre schön, wenn du das Erzählen meiner Geschichten in Zukunft mir überlässt“, sage ich, gebe Linus einen kleinen Schubs und schließe die Tür zwischen uns.
„Hey, das ist mein Keller!“, schimpft Linus durch die Tür und klopft wie wild dagegen.
„Ja, und das war meine Geschichte, die du da erzählt hast!“, brülle ich zurück. „Du darfst gleich wieder rein.“
„Ich will keine Flecken auf den Kissen!“
Emil hat das Ganze mit einem Grinsen beobachtet und klopft jetzt wieder auf das Kissen neben sich. Ich setze mich.
„Gut, dass du die Musik nicht hörst. Ist echt nicht schön.“
Emil stößt seine Schulter gegen meine und verdreht die Augen.
„Du hattest recht mit dem, was du gesagt hast.“
Er nickt.
„Ich hatte nie gute Freunde und dachte deshalb immer, dass du irgendwelche Hintergedanken haben musst.“
Er zieht die Augenbrauen hoch und spitzt seine Lippen als würde er pfeifen.
„Hattest du Hintergedanken?“, frage ich fassungslos.
Emil guckt mich schuldbewusst an.
„Welche?“
Er legt eine Hand in meinen Nacken und küsst mich. Nicht nur kurz, sondern… ich hab keine Ahnung wie lange. Wir sind beide total versunken und werden erst durch ein Klopfen am Fenster unterbrochen. Draußen steht Linus und wirft uns einen beleidigten Blick zu. Emil und ich fangen gleichzeitig an zu lachen und geben Linus aus Mitleid – weil es ja schließlich so kalt draußen ist – das Zeichen, dass er wieder reinkommen darf. Und dann…na ja, dann feiern wir Weihnachten.
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