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Trost
Kapitel 19-22
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Informationen
- Story: Trost
- Autor: Jainoh
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 19
Nur undeutlich nahm Kai am Morgen wahr, dass Jan aufstand. An dem Gemotze aus der Küche merkte er, dass Jan dort auf das Chaos und auf Lolli getroffen war. Aber er drehte sich gemütlich um und schlief weiter, bis Jan ihn wecken kam.
"Musst du arbeiten?"
Kai knurrte dumpf. Ein Becher mit sehr verlockend duftendem Kaffee wurde in seine Sichtweite gestellt. Jan wusste, wie er ihn überreden konnte.
Kai räkelte sich und befreite seine Arme aus der Decke. Dann nickte er ungnädig. "Heute spät, morgen leider früh und nächstes Wochenende früh und früh."
"Ich trage dich in die Kurse ein, wenn die Listen heute schon aushängen." Jan zögerte und beobachtete Kai dabei, wie er am Kaffee nippte. Dann fügte er an "Ist wohl wirklich besser, wenn wir nicht alles zusammen machen, oder?"
Kai seufzte und erwiderte den Blick nicht, sondern versteckte sich hinter der Kaffeetasse. 'Verstecken. Stimmt. Es ist wirklich besser, sonst umarme ich ihn aus Versehen noch vor seinen Freunden.' So zu denken, begann bitter zu schmecken, schwer zu werden. Endlich nickte Kai tapfer und entgegnete "Besser ist das."
Jan grinste. "Obwohl es mir echt fehlen wird. Du bist schlauer als ich. In den Klausuren sitzen wir wieder nebeneinander, nicht?"
Kai grinste und erinnerte sich daran, dass Jan nicht wenige der Klausuren des letzten Semesters mit seinem Wissen bestritten hatte. "Du bist nicht dumm, du lernst nur weniger als ich", gab er schließlich zu bedenken.
Jan nickte und warf einen Blick auf den Wecker. "Ich fahr zur Uni, dann zu mir. Ich hab heute Training. Ich rufe dich an, wenn ich wieder Zuhause bin, okay?" Er streckte seine kräftigen Schultern, dann stand er auf und schob das verwaschene blaue T-Shirt in seine Jeans. Endlich setzte er sich neben Kai auf das Bett und angelte nach seinen Turnschuhen, während er die Knöpfe an der Hose wieder schloss. Abschließend fuhr sich mit den Fingern durch die Wuschelhaare.
Kai beobachtete ihn über die Tasse hinweg, der Kaffeeduft vermischte sich mit dem Geruch von Jans Haut, an den er sich noch erinnern konnte. Er verspürte den Drang seinen Freund an sich zu ziehen, mit unter die Decke, für immer festzuhalten.
Jan sprang leider gleich darauf auf, sagte locker winkend "Bis dann, Baby." und lief aus dem Raum, ohne Kai auch nur noch einmal zu berühren. Er seufzte und rieb sich die Augen. 'Romantikabteilung noch immer geschlossen. Dann sollte ich wohl mal duschen gehen.' Als Antwort fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Kai erinnerte sich erst auf dem Weg zu seinem Supermarkt daran, dass er von Jan die Order bekommen hatte, Kondome zu kaufen. Allein der Gedanke, zu der grell geschminkten Kassiererin zu gehen und die Packung auf den Tresen zu legen, ließ ihn erröten. Kai schob es bis nach dem Einkauf auf.
Endlich riss er sich zusammen und pilgerte mit unsicherem Blick in die kleine Drogerie, in der ihn die beiden Verkäuferinnen schon kannten, weil er dort auch sein Shampoo, seine Zahnbürsten und dergleichen erstand. Die grell geschminkte nickte ihm sogar zu.
Kai hatte schon einmal festgestellt, dass Leute sich sein Gesicht zu merken schienen. Besonders Frauen erkannten ihn wieder, obwohl er sich so zurückhaltend wie möglich gab. Lolli war so ein schräger Mensch, aber wurde dennoch eher an den Klamotten erkannt, als an seinem Gesicht und Jan erkannten seine Mitbewohner im Wohnheim zum Teil auch erst, wenn sie ihn seine Tür aufschließen sahen. Aber ihn erkannten Kassiererinnen aus dem Supermarkt, Nachbarn, Assistenten in Kursen, die Omas im Altenheim fast sofort wieder. Das machte sein Vorhaben noch schwieriger.
Er riss sich zusammen und schalt sich in Gedanken einen Idioten. 'Gab es da nicht mal eine saudumme Werbung für Kondome? So ist es im wahren Leben nicht, aber die freuen sich doch, wenn man ihnen Geld gibt, oder?'
Zielstrebig ging er zu den Zahnbürsten und suchte sich zwei hübsche Farben aus. Jan hatte jetzt ja auch eine bei ihm stehen, weil er von Mittwoch auf Donnerstag und am Wochenende eigentlich immer übernachtete.
Kai seufzte und warf einen Seitenblick auf die Geschminkte, die eine Reihe weiter Shampoos einsortierte. Neben den Zahnbürsten kamen die Deos und dahinter gleich die… '…Hygieneartikel. Wie das allein klingt!' Damit waren doch bestimmt die 'Frauensachen' gemeint. Obwohl Kai sich damit nicht so auskannte.
Er seufzte und vertiefte sich in die Idee, noch ein neues Deo auszuprobieren. Sein Ego verfiel in tiefe Melancholie, weil es einen solch feigen Besitzer erwischt haben musste.
'Mach schon, du Trottel, das kann ja wohl nicht wahr sein! Du bist ja wohl alt genug!' Diese kleine, keifende Stimme in seinem Kopf half ihm nicht wirklich weiter.
'Jan lacht sich tot, wenn ich ihm das erzähle. Wo aber hatte er die Dinger denn her? Ja, klar! Er hat sie sich gegriffen, hat mit der Kassiererin eine hitzige Diskussion angefangen, weil die als Angebot ausgezeichneten genauso aussehen, wie die, die er erwischt hat und hat sich dann schließlich für eine andere Marke entschieden, nachdem er zwei Mädels angesprochen hat, die ihm da nur zuraten konnten, deren Telefonnummern er dabei noch bekommen hat.' Kai wurde bereits bei dem Gedanken, dass er irgendwen treffen könnte, ein wenig übel.
Hektisch trat er drei Schritte vor und griff sich eine Packung, die so aussah wie die, die zuletzt neben seinem Wecker auf dem Nachttischchen gelegen hatte und trat eine stürmische Flucht zur Kasse an. Sein Weg wurde ihm abrupt abgeschnitten und das ausgerechnet von der letzten Person, die er treffen wollte. Nun gut, der Vorletzten. Von Tini. 'Scheiße!'
Sie trug ihre dunkelblonden Haare kürzer und fransig ins Gesicht gekämmt. Das bemerkte er, weil er sie deswegen zuerst nicht erkannt hatte. Ihr ovales Gesicht war noch immer gebräunt, sie musste im Urlaub gewesen sein. Ansonsten sah sie eigentlich genauso aus, wie auf der Party. Sportlich, schlank, energiegeladen. Kai stellte einmal mehr fest, dass sie eine energische Person war, denn sie lief, nachdem sie ihn entdeckt hatte, mit zwei verschiedenen Shampoos in der einen Hand winkend auf ihn zu und umging dabei geschickt eine Oma vor den Fußcremes.
Sie trug Rot und Violett in Schattierungen, passend zu ihrer energischen Art. Eine dunkelrote, enge Hose, dazu ein dunkelviolettes T-Shirt, eine knappe Jacke aus rotem Stoff und Sandalen mit roten Riemchen und dazu roten Lippenstift, der ihren Mund aggressiv hervorhob.
Entsetzt wich Kai an das Reinigungsmittelregal zurück, als sie mit reichlich Schwung zu ihm zwischen die Regale einbog.
"Kai? Was machst du denn hier?!" Mit der Lautstärke erreichte sie bestimmt noch die Straße. Seine Ohren klingelten ein wenig und Kai merkte, wie er - passend zu ihren Klamotten - rot wurde.
Er sah sich panisch um und versteckte die Kondome unter einer Gallseifenschachtel, die er sich reaktionsschnell gegriffen hatte. 'Was soll ich hier wohl machen?!' dachte er dabei gereizt. 'Einkaufen, was sonst.' Laut sagte er "Hallo Tini." Was zugegeben nicht viel origineller war, aber zumindest keine vollkommen verblödete Gegenfrage darstellte.
Sie lachte hell und trat unglücklicherweise auch noch auf ihn zu. Ihr süßes Parfum umgab ihn sofort. Kai nahm sich zusammen, um nicht noch weiter zurückzuweichen. "Hast du die Ferien soweit gut überstanden?" erkundigte sie sich, um seine vage Antwort rasch zu unterbrechen, indem sie ihm eine Hand auf den Arm legte. "Ach nein, du bist ja überfallen worden auf meiner Party, nicht wahr?" Ihre dunklen Augen suchten sein Gesicht mit einem zu aufdringlichen Blick ab.
Kai zuckte zurück, sowohl vor der Berührung, als auch vor der Erinnerung an das schreckliche Erlebnis. Erstaunlich, aber Tini schien es zu merken, denn sie trat zurück, senkte den Kopf und murmelte "Entschuldige."
Er seufzte. "Schon okay. Ja bin ich, aber es war nicht so schlimm."
"Immerhin warst du im Krankenhaus, nicht wahr?"
Darüber wollte er wirklich nicht reden und entgegnete deswegen knapp "Ja, sie haben die Augenbraue genäht."
Sie beugte sich noch dichter zu ihm und sah ihm intensiv ins Gesicht. Nun fühlte Kai sich wirklich unwohl und konnte sich nicht davon abhalten aufzuatmen, als sie sich wieder entfernte und zurückgab "Sehen gut aus die Stiche."
Darauf 'Danke' zu sagen, kam ihm idiotisch vor, weswegen er schwieg.
Doch sie unterbrach die gespannte Stille schnell, indem sie ihm erzählte, dass sie in eine Querstraße in der Nähe gezogen war. Sie zupfte ihr T-Shirt zurecht und erklärte, dass sie in einer Dreier-WG mit zwei anderen Mädchen wohnte.
"Wir werden eine Einweihung feiern, wenn alles renoviert ist in der WG. Wir haben uns überlegt, dass wir die Wände farbig streichen."
Sie sah ihn abwartend an, erwartete wohl, dass er ihr seine Adresse nannte, oder gar über Wandfarben zu diskutieren begann.
Abweisend verschränkte Kai seine Arme und nickte nur.
"Dann bekommst du noch eine Einladung." Wieder dieser Blick.
"Hm, danke."
Er suchte mit den Augen die Fleckenentferner nach einer Möglichkeit zu entkommen ab, und sie schien es zu merken. "Dann will ich dich nicht länger aufhalten, Kai."
Etwas in ihrer Stimme machte ihm ein schlechtes Gewissen, weswegen er ein Lächeln versuchte und erwiderte "Ich muss leider heute arbeiten." Gleichzeitig ärgerte er sich darüber, dass er immer in solch blöde Situationen geraten musste.
Sie lächelte auch leicht und nickte, dann entließ sie ihn mit dem erfreuten Aufschrei "Oh wow, die Tampons sind im Angebot!"
Kai zuckte zusammen und wich erschrocken vor ihr zurück. "Ich muss weiter, wir sehen uns ja in der Uni, bis dann."
Hastig ging er los und Tini rief ihm hinterher "Klar, bis Montag in der Lesung, Kai!", so dass es nicht einmal die Oma überhört haben konnte.
Einen Vorteil hatte Tini jedoch. Durch den Stress, den Tini im Gespräch auf ihn ausgeübt hatte, vergaß er die Kondome vollkommen. Nicht mal an der Kasse registrierte er so recht, was er alles auf das Band legte. Und da Tini noch mit Hygieneartikeln beschäftigt war, konnte er seine Sachen in den Rucksack stopfen, ohne dass sie es auch noch mitbekommen hätte. Er wunderte sich nur Zuhause beim Auspacken, woher die Gallseife gekommen war.
Den Nachmittag über musste er arbeiten und leiden, denn seine Kollegen wollten ihn alle betüdeln und besorgt nach dem Überfall ausfragen. Die Omas begannen sofort von all den Unfällen ihrer Söhne und Enkel zu erzählen und im Endeffekt musste Kai sich erneut die Kriegsgeschichten anhören. Grauenhaft. Am Ende des Tages kamen auf diese Art alle seine wohlverdrängten Bilder aus den Alpträumen zu ihm zurück. Auf dem Nachhauseweg zuckte er sogar zusammen, als er ein Motorrad zwei Straßen weiter hörte. Endlich konnte er sich zu seinem Zimmer schleppen und erwischte das Telephon gerade noch so, bevor der Anrufbeantworter rangehen konnte. Es war Jan.
"Hör mal zu, du warst schon in die Kurse eingetragen als ich da war. Jemand hat deine Matrikelnummer schon überall in Gruppe A eingeschrieben. Da ich eh Gruppe C bin, hat es nichts weiter gemacht. Die meisten haben durch die Umverteilung nicht mehr zusammen Kurs, und es fällt kaum auf, dass wir nichts mehr zusammen belegt haben."
Kai stutze verwundert. "Wer hat mich denn eingetragen?"
"Weiß ich doch nicht. Aber egal. Wir haben nun nur noch Biochemie und den Fummelkurs zusammen."
Kai blinzelte und lachte auf, hielt es für einen Scherz. "Waaas?! Fummelkurs?!"
Jan lachte ebenso. "Fummeln, das kennst du doch. Darin habe wir sogar einen Kurs, Baby."
Kai starrte das Telephon entsetzt an, weil ihm aufging, dass es ernst gemeint war.
Jan erklärte ihm noch immer lachend "Hat Bianca mir erzählt. Anatomie am Lebenden. Da dürfen wir uns in Unterwäsche befummeln. Das wird lustig!"
'Bianca?! Was wollte 'die' denn nun schon wieder?!' Eifersucht kroch Kai durch die Gedanken, während Jan ihm berichtete, welche Bücher ihm ein Bekannter für das nächste Semester empfohlen hatte.
Kai hörte Jan betäubt und von eifersüchtigen Fragen geplagt zu, wie dieser noch von seinen Kursplänen und dem Trainingsplan erzählte, von der blöden Lage der ersten Klausuren zu den Spielen und von dem Zeitpunkt der ersten Vorlesung.
Zugleich dachte Kai bei sich, dass es absolut schrecklich werden würde, wenn er und Jan in einem Kurs zusammen lernen mussten, in dem sie sich auch noch ausziehen sollten! Das musste einfach peinliche Gedanken heraufbeschwören.
Kais erste Uniwoche verlief dennoch unerwartet angenehm. Das einzig Merkwürdige war und blieb die Frage, wer ihn so fürsorglich eingetragen hatte. Erst hatte er Bianca im Verdacht. Er dachte, dass diese ihn aus dem Weg haben wollte, weg aus der Gruppe C und damit weg von Jan. Aber sie war mit ihrer Freundin Tini zusammen bei ihm in der Gruppe A. Es brachte ihr also nichts ein, merkwürdig. Zudem war ihr Blick auf sein Gesicht alles andere als freundlich, als sie sich nach der ersten Vorlesung über den Weg liefen.
Er vergaß dieses Mysterium allerdings rasch wieder. Sie hatten gut zu tun, das Semester begann sogleich mit Seminaren und Klausuren. Er und Jan sahen sich kaum. Ab und zu beim Essen und dann natürlich in den Vorlesungen. Morgens dösten sie nebeneinander zu den langatmigen Vorträgen der Professoren und tauschten Informationen über Klausuren, Referatsthemen, Kursausfälle und Tutoren aus, sprachen nur selten wirklich ehrlich miteinander.
Meistens saßen ohnehin ein Freund von Jan oder eine Horde Mädchen, die ihn zu Parties einladen wollten, um sie herum. Kai fragte sich noch immer, wie Jan nur so selbstbewusst mit allen umgehen konnte.
Bewundernd beobachtete er wie sein Freund mit der Gruppe seiner Bekannten zusammen war, sich in die bedeutungslosen Gespräche einmischte, in die Planung der Parties, die Klatschgeschichten und Diskussionen um die neuste Musik und natürlich Sport.
Jan trainierte nicht nur im Verein, sondern spielte auch im Uniteam mit, das sich an den Montagen traf. Dies ließ ihm im Prinzip kaum freie Tage in der Woche.
Lediglich Samstags war frei, aber an den Samstagen ging Jan abends mit seinen Kumpels auf Parties, in Discos und auf wilde Trinktouren, die Kai in Gedanken schon erschaudern ließen. Zudem wunderte sich Kai, wie Jan an den Sonntagen so fit sein konnte, um erfolgreich für den Verein zu spielen, wenn er nur Stunden zuvor betrunken gewesen war.
Kais Samstage und Sonntage wurden von der Arbeit eingenommen. Um den Abend mit Jan verbringen zu können, hatte er Sonntags immer Frühdienst und lag meistens im Bett, wenn Jan am Nachmittag zu ihm vorbeikam. Das machte es diesem natürlich leicht, sich auf ihn zu stürzen.
Kai fragte sich nach einigen Wochen ernsthaft, wie Jan von einem Fußballspiel zu ihm in die Wohnung kommen konnte, um vollkommen geil über ihn herzufallen, anstelle kaputt zusammenzubrechen. Ein Mysterium, woher Jan diese Energie nahm.
Auf eine verständnislose Nachfrage hin hatte Jan ihm achselzuckend geantwortet "Weiß ich auch nicht, aber wenn ich dich am Sonntag so im Bett liegen sehe, dann kann ich mich einfach nicht mehr beherrschen."
Ihr Privatleben zusammen fand schon bald zu zwei Zeitpunkten in der Woche statt. Mittwochs und Sonntags am Abend, wenn Jan nicht trainieren musste und Kai nicht arbeiten. Diese Zeiten hielten sie sich nach stummer Übereinkunft auch frei von anderen Verabredungen und trafen sich bei Kai in der Wohnung.
Kapitel 20
Nach drei Wochen, in denen Jan und Kai gar keine Zeit fanden, ihre Beziehung zu verheimlichen und dies auch kaum mussten, weil sie vollauf mit Lernen und Kursen beschäftigt waren, begann der Fummelkurs. Und Kai kam natürlich zu spät.
Der Dozent war ein schmaler, junger Mann mit lichten, blonden Haaren und einer Nickelbrille, über die hinweg er irritiert zur Tür blickte, als Kai keuchend in den Seminarraum stürzte.
"Aha, bemühen wir uns dann auch einmal, Herr… Hellmann?" Kai wurde rot und murmelte eine Entschuldigung, aber dachte 'Arscharscharscharsch…' Dann erblickte er seine Kursgruppe und wurde noch einmal rot. Alle sahen ihn an und alle standen in ihrer Unterwäsche oder in Badesachen vor ihm. Gut dreißig Leute. Jan saß entspannt wie immer neben Holger auf einer Liege, sah verdammt gut aus in seiner schwarzen Badehose und grinste Kai über die Köpfe der anderen hinweg an.
Als nächstes schob ihn der sarkastische Dozent zu einer Untersuchungsliege und sagte "Dann kommt es nun glatt auf. Je zwei Leute machen die Übungen zusammen. Beginnen sie mit den Linien und Knochenpunkten, zeichnen sie diese nach dem Atlas auf den Körper ein. Für später liegen Hammer, Stimmgabeln, Holzspatel und so weiter immer hier bei mir." Daraufhin verschwand der Typ erst einmal für eine halbe Stunde zum Telefonieren.
Kai legte seine Tasche ab und wurde im nächsten Augenblick von Tini angesprochen. "Dann machen wir zusammen, ja?" Überrascht und erschrocken sah er auf. 'Ich muss mit ihr …?!' Sie trug einen Bikini, natürlich in Rot. Er stöhnte innerlich und dankte dem Herrn, dass er an seine Badehose gedacht hatte. Abweisend nickte er und erklärte leise "Ich ziehe mich eben um." Tini hatte sich schon wieder Bianca zugewandt, die mit ihrer anderen Freundin tuschelnd die Jungs begutachtete.
Der Kurs war anstrengend. Zum einen, weil Tini so schrecklich energisch war, die Übungen voller Enthusiasmus abhakte, keine ausließ und zum anderen, weil der Dozent in der Tat ein Arsch war, ein wirkliches Paradebeispiel dafür.
Als es um die Körperfettbestimmung ging, sagte er "Bei den Frauen messen wir mal lieber nicht, sonst bekommen sie noch Depressionen." Als ein Mädchen eine der Antworten nicht wusste, erwiderte er "Na, das hätte man nach der Haarfarbe auch ahnen können." Er kommentierte jeden, der auf Toilette ging mit 'Konfirmandenblase', beantwortete Fragen mit Gegenfragen und witzelte, lachte als einziger darüber, schien es nicht zu merken. Seine Sprüche zermürbten und gefroren die Stimmung, die ohnehin nicht zum Besten stand im Kurs, weil der Seminarraum grauenhaft kalt war ohne Klamotten.
Am zweiten Übungstag kamen etliche deswegen schon zu spät. Mit lustlosen Bewegungen kroch man zu seinen Liegen hin und holte sich Reflexhämmer und Stethoskope hervor. Der Dozent kommentierte bissig, wie müde die Studenten doch wären. Wie grauenhaft, dass die Universitäten anscheinend alles zulassen würden zu einem Medizinstudium. Als nächstes kündigte er einen Test für die folgende Woche an und damit erreichte die Stimmung in dem Raum den Nullpunkt. An Jans Mundwinkeln konnte Kai sehen, dass dieser gerade dabei war, angenervt zu sein und das konnte sehr unschön werden. Grinsend und ihn im Auge behaltend, wartete Kai auf Tini, die sich enthusiastisch wie immer auszog.
Tini hatte bereits die Protokollbögen vorbereitet und warf sich auf die Liege, damit er die Eigenreflexe untersuchen konnte. Kai musste über ihre aufgeregte Art fast schon lachen. Wie erwartet hatte sie wirklich lebhafte Reflexe, die er leicht an allen Punkten finden konnte. Zudem war sie so quirlig, dass sie schon die nächsten Aufgaben für ihn vorbereitete. Er konnte sie in diesem Kurs als Patientin sehen, was den Umgang um einiges erleichterte. In den Pausen füllte sie die Bögen aus, oder redete mit Bianca, kümmerte sich nicht um ihn. Kai versuchte Jan zu ignorieren, dessen Blicke er auf sich zu spüren meinte. Er pries aus diesem Grund auch die Kälte in dem Seminarraum, vermutlich als einziger.
Es sollte noch eine Weile dauern, bis Jans Geduldsfaden endgültig riss. Sie besprachen eine orientierende Untersuchung in der Aufnahme und der Dozent erwähnte, nachdem er es geschafft hatte sich über zwei Leute lustig zu machen, die einen Reflex verwechselt hatten "… die rektale Untersuchung gehört für jede Aufnahme dazu, vor allem bei Geschehen im Unterbauch, egal welcher Natur. Eine eher unangenehme Sache für die meisten Patienten… kann ja nicht jeder schwul sein."
Einige hoben die Augenbraue und hüstelten oder kicherten, Jan hob den Kopf und rief gereizt "Erst die Frauen, dann die Blondinen, dann die Studenten im Allgemeinen, vorhin alten Menschen mit Parkinson und nun Homosexuelle! Wie wäre es, wenn sie als nächstes noch einen geschmacklosen Witz über das niedrige Reflexniveau der spastisch Gelähmten machen, um ihr Bild bei uns so richtig abzurunden?!"
Kai lachte verhalten in sich hinein, obwohl er sich fragte, wieso Jan es schaffte, in Badehose vor einem komplett bekleideten Mann zu sitzen, seinem Dozenten zudem, und ihm unter der Hand zu sagen, dass er ihn für ein Arschloch hielt. Zudem machte es ihn schon ein wenig stolz, dass Jan so reagierte. Kai fühlte sich von ihm in den Schutz genommen, liebte ihn dafür, auch wenn er den Blick senkte.
Der Dozent wollte die Bemerkung fallen lassen und weiter machen, nachdem er "Jaja…auch Studenten sind witzig," genuschelt hatte, aber das ließ Jan nicht zu. Er reckte sein Kinn und erklärte "Aber wissen Sie, ich habe für heute ohnehin genug dumme Sprüche, verletzende Witze und falsche Details von Ihnen gehört. Ich ziehe mich jetzt an und gehe, bevor ich mir noch was hole in diesem arschkalten Raum!"
Damit glitt er von der Liege und nahm sich seine Sachen, um sich in der Toilette nebenan umzuziehen. Kai folgte ihm wortlos, loyal wie immer. Holger folgte ebenso, grinsend und in sich hineinlachend. Jans Fußballfreund war groß und kräftig, aber selbst er hätte es nicht gewagt, so etwas zu sagen, wie er mit seiner dröhnenden Stimme kundtat. Sie waren noch nicht an den Waschräumen angelangt, als schon einige andere sie einholten, der Dozent stürmte wenig drauf an ihnen vorbei.
Die Toilettenräume waren im Nu voller Studenten, die sich über ihren Nachmittag unterhielten und umzogen. Kai quetschte sich zu Jan in eine Ecke und zerrte erleichtert seine Jeans über die kalten Beine. Im allgemeinen Geraschel und Gelächter zischelte er schnell "Das war super! Wie kannst du nur immer so mutig sein?"
Jan grinste ihn an und entgegnet ebenso im Flüsterton "Ich hatte kalte Füße. Weißt doch, wie unerträglich ich dann werde."
Kai errötete ein wenig und versteckte sich in seinem dunkelgrünen Pullover, den er sich hektisch über den Kopf stülpte. Dann vernahm er Jan noch dicht an sein Ohr. "Heute ist ja Mittwoch, wie schön. Bis nachher, Baby."
Er hatte es nur geflüstert, aber Kais Herz raste noch eine ganze Weile, denn es hatten etliche um sie herum gestanden. Auch wenn das Rascheln und Wasserrauschen die Worte übertönte, konnte man sich doch nie sicher sein, wer ihnen vielleicht doch zufällig zugehört hatte. Nachdem Jan so etwas im Kurs gesagt hatte, derart auf gerade diese eine Beleidigung des Dozenten reagiert hatte. Vielleicht begann ja jemand, sich Gedanken zu machen? Und vor allem von Holger befürchtete Kai dies.
Holger war gut über einen Meter neunzig groß, hatte sehr kurze, hellblonde Haare, helle Augen und ein Augenbrauenpiercing, welches den Eindruck, dass er gefährlich werden konnte, noch unterstrich. Seine Stimme war dunkel und weittragend. Er spielte mit Jan in dem Uniteam Fußball, aber eher unambitioniert. Er zog eigentlich Basketball vor. Kai war er ein wenig unheimlich, weil er nicht nur so groß und kräftig war sondern auch über die Bundeswehr studierte, bei der Marine, wenn Kai sich richtig entsann. Deswegen hatte er seine Bedenken bei dem Gedanken, dass Holger erfahren könnte, mit wem Jan zur Zeit zusammen war.
Als Jan am Abend vorbeikam und sich mit einem Teller und gierigem Blick auf die dampfenden Schalen zu Kai und Lolli an den Esstisch setzte, wo diese gerade Nudeln und Soße vertilgten, brachte er es auch gleich zur Sprache, wie immer unverblümt. Zwischen zwei Bissen und der Bemerkung an Lolli, dass die Soße klasse sei, sagte er zu Kai "Entschuldige wegen vorhin. Hab die Situation fast vergessen."
Kai lächelte und sagte schnell "Macht nix, hat eh keiner auf uns geachtet."
Jan wiegte den Kopf und erwiderte "Holger vielleicht. Er kennt mich schon ganz gut und er stand direkt hinter dir."
Kai stand auf, um die Weinflasche zu holen und sagte im Weggehen "Hat er denn was gesagt? Ihr seid zusammen los, oder?"
"Nee. Ich dachte nur, dass ich dich mal warne. Er hat mich so nachdenklich angesehen, aber ich kann ihn schlecht darauf ansprechen."
Kai seufzte und schenkte den Wein ein. Lolli kicherte verhalten und gab mit gespreizten Fingern deutend zu bedenken "Was sie nicht sehen und hören wollen, das sehen sie auch nicht. Mach dir man keine Sorgen." Er zupfte an seinem giftig-grünen T-Shirt und begann die Schalen abzuräumen, um Platz auf dem Tisch zu schaffen.
"Holger kann damit umgehen. Da bin ich mir sicher", tat Jan kund und aß die Nudeln, die Kai übrig gelassen hatte, mit erstaunlichem Tempo. "Das bezweifle ich zwar, aber er ist dein Kumpel," entgegnete Lolli und begann an seinen frisch blondgefärbten Haaren zu fummeln, während er versuchte eine Hausarbeit auf seinem Laptop zusammenzuschreiben, deren Abgabetermin ihm just an diesem Morgen wieder in Erinnerung geraten war.
Jan hob lediglich die Schultern und fragte Kai mit einem fast gemeinen Lächeln "Und? Verstehst du dich ganz gut mit Tini?"
Kai wedelte mit den Händen und erwiderte "Sie ist so anstrengend! Und ihr Parfum bringt mich um! Ich bekomme bald eine Allergie dagegen! Ich weiß auch nicht. Und sie hat nicht einen Reflex ausgelassen! Die ist echt besessen."
Jan nickte leicht und erinnerte sich "Sie hat ihr Abitur mit eins gemacht und studiert neben Medizin noch Philosophie, aus Langeweile, wie Bianca erzählte. Die hat zu viele Hormone oder so."
Lolli lachte sich über Kai kaputt und ließ sich von der energischen Tini erzählen, während er Jans Weinglas leerte. "Ich mag Frauen. Ich weiß gar nicht was du hast, Kai." Diese Diskussion hatten sie schon einmal gehabt, als Lollis beste Freundin zu Besuch vorbeigekommen war, um zwei Tage zu übernachten.
Jan betrachtete Kais Gesicht, während dieser mal wieder rot wurde und fragte ihn "Und? Kannst du deine Abneigung denn erklären?"
Lolli ließ seine Arbeit verwaisen und beobachtete Kai nun ebenfalls.
Kai hob die Schultern. "Nein," gab er zu. "Vielleicht…"
"Ja?" Die Augen der beiden anderen waren beinahe schon gierig auf sein Gesicht gerichtet. Kai senkte den Blick und murmelte "Ich bin früher schon immer dauernd von ihnen angefummelt worden. Im Kindergarten musste ich immer die Puppe sein und so. Ich fand das schon immer total schrecklich. Ich fühle mich einfach nicht wohl mit ihnen, habe ich noch nie."
Mitleidig betrachtete Jan Kais Gesicht und grinste "Na, dann wirste dich in Biochemie ja freuen, da machen wir mit Holger zu dritt. Das hab ich schon klar gemacht."
"Ach ja, das haben wir auch zusammen." 'Auch das noch. Dann muss ich mich echt zusammenreißen.'
Der Kurs mit Jan wurde für Kai anstrengend, weil er ständig befürchtete, dass er Jan zuviel berühren könnte, zu lange ansehen. Es war ohnehin schwierig für Kai. Je mehr sie sich sahen, desto mehr wollte er Jan einfach umarmen, ein privates Gespräch nicht auf das Telephon am Abend verschieben, sich einfach mal anlehnen. Einfach mal ehrlich sein. Das Verheimlichen hatten sie sich ja in den Ferien überlegt, es war sogar eher Kais Idee gewesen, bei der Jan mitzog, weil er dabei war, den Trainerschein zu machen und sich die Chancen nicht vertun wollte, indem er gegen Misstrauen kämpfte.
Irgendwann, nachdem sie sich an den Unibetrieb gewöhnt hatten, beschloss Jan, Kai das Zurückhalten noch schwerer zu machen. Er begann, nach etwa einem Monat, eine gewisse romantische Ader zu entwickeln. Und dies ausgerechnet an einem grauen, verregneten und generell langweiligen Morgen in der Uni.
Sie saßen auf ihren Stammplätzen 'linkshintenaußen', in den engen Reihen im dunklen Hörsaal und Kai döste in der ersten Lesung um acht Uhr vor den flimmernden Folien im Halbdunkel vor sich hin. Der Dozent lispelte, was die Materie nicht interessanter und die Lesung nicht aufregender gestaltete. Kais Kopf bekam gerade Kontakt mit seinem Arm auf dem Pult vor ihm, als er Jans Hand auf seinem Bein bemerkte.
Sofort hellwach wand er sich ein wenig, aber Jan schrieb mit der freien linken Hand von der Tafel ab, beachtete ihn anscheinend nicht, aber streichelte ihm als nächstes sachte über die Finger, die Kai auf dem Knie aufgestützt hatte.
Kai schwitzte eine ganze Weile mit starrem Blick auf die Tafel unten, bis er sich entspannen konnte. Er musste es sich zunächst einige Male vorsagen. 'Es ist dunkel, die Pulte stehen zum Vorbeischauen zu eng. Hinter uns sitzt niemand mehr. Das ist doch total schön…', bevor er es selber glauben konnte.
Jan spielte mit seinen Fingern, fuhr die Sehnen entlang und legte seine Hand endlich über Kais, um ihm mit dem Daumen gegen die zarte Haut am Handgelenk zu streicheln, bis er sich am liebsten schnurrend zusammengerollt hätte.
Die Vorlesung war viel zu schnell vorbei, Jan ließ ihn los, raffte seine Sachen zusammen und Holgers Stimme schallte von den unteren Rängen zu ihnen hoch, als er seine Sitznachbarn etwas fragte. Aber von dem Mal an berührte Jan ihn häufiger nebenbei. Er schien beschlossen zu haben, dass es nicht verkehrt war, solange es niemand so recht mitbekam und Kai genoss diese Aufmerksamkeit sehr.
Einige Tage später fand Kai Jans Portemonnaie auf dem Nachttisch, als dieser schon weggefahren war. In der dritten Lesung fragte er ihn endlich heimtückisch "Na? Bist nicht zufällig in eine Polizeikontrolle geraten, hm?"
Jan runzelte die Stirn und blinzelte zur Tafel. "Nein, wieso? Lass mich mal abschreiben, das da vorn kann ja keiner lesen!" Er nahm sich Kais Unterlagen rüber.
"Du Dusselchen hast deine Papiere vergessen heute Morgen", flüsterte Kai mit einem Lächeln, während das Licht gelöscht wurde. Ein Film über Genforschung an Sojabohnen sollte gezeigt werden. Er legte Jan dessen abgescheuertes, altes Portemonnaie auf das Pult und dieser schüttelte den Kopf.
"Verdammt und ich hätte fast heute früh getankt, dann hätte ich erst mal eine Runde Autos waschen müssen, um das abzuarbeiten."
Sie lachten beide noch, als Holger ihnen je eine große Hand auf die Schultern legte "Na ihrs? Im Dunkeln munkeln?" Er lachte dröhnend und kletterte ungelenkig zu Jan in die Bank. "Heute Abend ist die Mediparty in der Mensa. Klar, kommt ihr auch!"
Kai verdrehte im Dunkeln die Augen, aber bekam einen Ellenbogen in die Rippen, während Jan erwiderte "Aber immer! Der Fummelkurs am nächsten Morgen fällt aus, soweit ich weiß."
"Jo, der Dozent hat sich von deiner Attacke noch nicht erholt, hab ich mir sagen lassen." Holgers Lachen dröhnte noch viel mehr und sie bekamen eine Verwarnung von der Professorin, die den Film erklären wollte. Kai ärgerte sich über Holger neben ihnen, weil Jan ihn deswegen nicht ansah, kaum mit ihm redete und ihn schon gar nicht anfasste.
Ein wenig zickig fragte er Jan deswegen hinterher "Dann sehen wir uns wohl auf der Party, was?"
Jan hob eine Augenbraue und erwiderte "Ich fahre." Dann grapschte er sich Kais Arm und schrieb schnell mit Kuli etwas auf die Innenseite des Unterarms.
"Aua! Hey!"
"Memme." Jan zwinkerte Kai zu und sprang auf, um Holger zu folgen, mit dem er zu einem Seminar musste.
Erst draußen auf dem hellen Flur konnte Kai die Buchstaben erkennen, die Jan mit dem Kuli quasi in seine Haut geritzt hatte. 'HDL. Was soll das denn? Hyperdenses Lipoprotein? Hereditäre… nee, was soll das?'
Gereizt, wie er wegen der blöden Party schon war, murmelte Kai "Blödmann." und schreckte zusammen, als Tini ihm einen Stapel Papiere vor die Brust klatschte. Sie fuhr sich durch die Haare und zupfte an ihrer rotgeblümten Bluse. "Für das Referat. Du hast RNA und DNA-Aufbau, ich hab die Nukleinsäurensynthese. Wollen wir die Folien schnell zusammen schreiben? Der Arsch hatte natürlich nur Sachen auf Englisch für uns." Sie sah ihn mit großen, dunklen Augen abwartend an, Kai nickte ergeben und folgte ihr in die Bibliothek.
Sie arbeiteten eine ganze Weile, strichen sich Teile aus den englischsprachigen Texten heraus und kopierten ein besonders unübersichtliches Bild auf ihre Folie, kicherten über die möglichen abstrakt künstlerischen Deutungen. Sie nervte ihn an diesem Tag weniger als sonst. Er konnte es jedoch an nichts Besonderem festmachen. Erst als es zum Mittagessen ging, fiel es Kai auf. Tini hatte ihr süßes Parfum nicht drauf. Sie roch nach Shampoo und sonst nach nichts. Irgendwie erleichtert trottete er hinter ihr her, machte passend 'hm' oder 'hmnja, hmnein' zu ihren Ausführungen.
Beim Mittagessen fand er Jans Tasche schon auf einem Stuhl an ihrem Stammtisch in der Mensa vor und warf sein Zeug daneben. Erst da fiel ihm das 'HDL' wieder ein. Er holte Tini an der Warteschlange vor den vegetarischen Gerichten ein und fragte sie nach Besteck greifend "Sag mal, HDL ist doch Abkürzung für Hyperdenses Lipoprotein, für was noch?"
Sie starrte ihn einen Augenblick lang an, dann sagte sie verwundert mit den Wimpern schlagend "High-density Lipoprotein, ja. Gab es da nicht noch eine Hereditäre…wie hieß das noch?" Sie nahm sich Besteck und gab ihm ein Tablett rüber.
"Danke. Die fiel mir nämlich auch nicht mehr ein," gab er zu.
Tini konnte sich auch nicht mehr erinnern und vertiefte sich statt dessen in die Frage, was diese Beilage darstellte. Es hätte sowohl missglückter Rotkohl, als auch Brokkoli, als auch Apfelkompott sein können, wenn man nach dem Aussehen des grünbraunen Matsches urteilte.
Gemeinsam traten sie an den Esstisch und Kai setzte sich Jan gegenüber, wagte es aber nicht, ihn nach den Buchstaben zu fragen. Jan beachtete ihn eh nicht, sondern alberte mit Holger und zwei anderen herum, während Tini ihn von den grausigen Erlebnissen beim Renovieren ihrer Wohnung voll quatschte.
Schweigsam, wie bei solchen Gelegenheiten immer, stocherte Kai in seinen Nudeln herum und beobachtete die Spatzen auf der Terrasse draußen, ließ den Trubel um sich herum abperlen.
Als sie zu ende gegessen hatten und sich verabschiedeten, rief Tini plötzlich kichernd "Hab dich lieb!"
Kai wurde rot und starrte sie an. "Was?!"
Tini bekam auch ein wenig rote Wangen, aber erklärte schnell "HDL - Das könnte es auch heißen. Oder Hereditäre Dystrophe … wie ging das noch mal?"
Holger zog die Brauen zusammen und fragte "Lipofuszinose? Gibt es das nicht? Brauchen wir das etwa für die nächste Prüfung?!" Entsetzten breitete sich in seinem Gesicht aus.
Tini lachte und schüttelte den Kopf "Keine Angst, das wäre zu abgefahren. Kai wollte nur wissen, was HDL alles heißen kann, scheiß Abkürzungen!" Sie winkte und lief zu einem Tisch mit einigen Mädchen hinüber.
Kai beachtete sie nicht mehr, sein Herz schlug mit einem Mal heftig und er blickte mit Sicherheit knallrot im Gesicht zu Jan hinüber, der sich auf seinem Stuhl gerade krümmte vor Lachen.
'Gemeiner Hund!' dachte Kai verzweifelt, aber Holger rettete die Situation, indem er rasch sagte "Es kann aber auch heißen: Holt Doch Leckerbier! Oder?" Jan prustete los und grinste Kai unverschämt an, der sich gerade ein Loch wünschte, genau an die Stelle, an der er stand, tief genug, um ihn zu verschlucken.
Grummelig griff er seine Sachen und murrte "Vermutlich heißt es 'Herrlich Dusseliges Lebewesen'!" Danach fiel Jan fast vom Stuhl, und Kai musste endlich auch ein wenig lachen, aber flüchtete rasch, um zu seinem Kurs zu kommen und aus der Sichtweite von seinem über ihn lachenden Freund.
Als Jan Kai am Abend zur Party abholte, lachte er schon durch die Gegensprechanlage. "Herrlich Dusseliges Lebewesen abzuholen! Biste fertig?"
"Idiot!" schrie Kai zurück und stapfte verärgert die Treppen hinunter.
Im Hauseingang knuffte ihn Jan zur Begrüßung und lehnte sich vor, um Kai zuzuflüstern "Dass du nicht drauf kommst, hätte ich nicht gedacht, Baby."
"Oh, Jan!" Kai knuffte ihn unsanft zurück, bevor Jan ihn küssen konnte und warf sich auf den Beifahrersitz, um dort mit verschränkten Armen zu schmollen. Auf dem Parkplatz vor der Uni jedoch grinste er und sagte kurz vor dem Aussteigen "IDA." Darauf lief er vorneweg, während Jan sich mit Fußballfreunden unterhalten musste, die ihn im Eingang der Feier prompt anfielen.
Kapitel 21
Die Party war schon im Gang, überall standen Leute in Grüppchen zusammen, die Stimmen bildeten ein lautstarkes Geschwirre in Kais Ohren und er drückte sich in eine Ecke neben die Theke, versuchte nicht so sehr aufzufallen. Ihm graute schon vor den Unterhaltungen, die er führen musste, den Sprüchen und Fragen, auf die er keine Antwort wusste, den Körpern, die sich zu dicht an seinen pressten.
Er hatte sich ein schwarzes Hemd angezogen und stellte nach einem Blick in die spiegelnde Fensterscheibe fest, dass es ihn heller wirken ließ und schmaler. Seine Haare fielen leicht um seine Stirn und wellten sich ausnahmsweise einmal genau dort, wo er es gut fand. Seine Augenbrauen und Wimpern hatte Lolli ihm erst zwei Tage zuvor gefärbt, weswegen seine Augen groß erschienen, intensiv.
Eigentlich fühlte er sich wohl und attraktiv, aber andererseits hatte er Angst, dass er sich zu sehr betrinken könnte und Jan in dem Zustand peinlich überfallen, sich versprechen oder sonst irgendwie dumm auffallen. Das ließ ihn verkrampft sein und sich unwohler fühlen. Er vernahm Tinis Lachen und kroch tiefer in den Raum und in eine dunkle Ecke hinein.
Holger entdeckte ihn trotzdem und drückte ihm ein Bier in die Hand. "Hier. Jan auch schon da?"
"Hm, steht irgendwo draußen, danke."
Holger grinste und zwei weitere Jungs aus ihrem Semester stellten sich mit ihren Bieren dazu. Kai begann sich unwohl zu fühlen, nippte nur ab und an mal an der wärmer werdenden, bitteren Flüssigkeit. Die Musik drang aus dem Nachbarraum nur dumpf zu ihnen durch und das Gewirr aus Leuten, Stimmen, Gelächter, der Zigarettenqualm von vorn und die Enge machten es Kai nicht gerade leicht, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, zumal es ihn nicht interessierte, weil es um Autosteuern ging.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter, die Finger nahe an seinem Hals und er zuckte zusammen. Als er herumfuhr, erkannte er Lukas und hob erstaunt die Augenbrauen. Lukas grinste und sah gut aus. Er war mit Lederjacke und dunkelblauem Hemd bekleidet und seine Augen hielten Kais Blick einen Moment lang fest, bevor er etwas sagte.
"N'abend, Kai. Schaust ja wieder gut aus." Lukas hob die Hand, umschrieb jedoch einen Bogen vor Kais Stirn, berührte ihn nicht, wie Kai befürchtet hatte. Er meinte seine genähte Augenbraue.
Kai nickte und fragte noch immer perplex "Was machst du denn hier?!"
Lukas grinste und zwinkerte ihm frech zu. "Geld verdienen. Leider. Sonst könnte ich ein Bier trinken."
Kai brauchte einen Augenblick, um den Sinn der Worte zu verstehen, dann wurde er sich der Aufmerksamkeit und der Blicke der anderen bewusst und stellte Lukas als Freund von seinem Mitbewohner vor.
Lukas zog ihn mit selbstverständlicher Geste von den anderen fort an ein Fenster und lehnte sich neben ihm an. Unsicher sah Kai sich nach Jan um, der war aber noch immer verschollen. Er begann das Etikett von seiner mittlerweile handwarmen Bierflasche abzupulen. "Wie geht's?"
Lukas betrachtete sein Gesicht und warf einen Seitenblick auf Holger. "Wollen wir einen Moment nach draußen gehen? Hier ist es so stickig."
Kai nickte und folgte Lukas durch den Flur zu den Seminarräumen. Im hinteren Teil des Gebäudes war es angenehm dunkel und still. Die Luft war frischer und Kai atmete im Gehen einige Male durch. Sie waren gerade kurz vor einem Nebeneingang, als ihm einfiel, dass diese doch verschlossen waren. "Hey Lukas, die Türen sind nachts zu, auch wenn hier eine Par…"
Kai wurde ihm nächsten Moment am Handgelenk herumgezogen und fand sich zwischen zwei Vitrinen an die Wand gepresst wieder. Lukas' Körper lehnte der Länge nach gegen seinen, raue Lippen nahmen seine besitzergreifend ein, während er Kais linkes Handgelenk umfasst hielt. Mit der freien Hand nahm Lukas ihm die Bierflasche weg und stellte sie rasch auf der Vitrine ab, ohne den Körper auch nur einen Millimeter von Kais zu entfernen.
Kai japste nach Luft, aber wurde gleich darauf noch einmal geküsst. Harsch, fordernd und dennoch so prickelnd, erregend. Noch immer war Lukas eine Mischung aus Zigaretten und einem herbem Geschmack, der für ihn typisch schien, den Kai wider Erwarten noch immer viel zu sehr mochte.
Lukas Zunge suchte seinen Mund, seine Zunge ab, ertastete ihn und Kai erschauderte, ließ ihn eine Weile lang gewähren, sein Körper erschlaffte gegen den Ansturm. Er hing in Lukas' Umarmung und ließ sich an die Wand pressen. Kai musste seine Kraft und seinen Willen zusammennehmen, um Lukas fortzuschieben.
Energischer als ihm zumute war, wand er sein Handgelenk frei. Es schien Lukas nichts auszumachen. Er lächelte und legte Kai betrachtend den Kopf schief. Vorsichtig strich er mit dem Daumen über Kais Kinn und über seine noch feuchten Lippen. Das Kribbeln auf der empfindlichen Haut war nicht auszuhalten, Kai drehte sein Gesicht errötend weg.
"Hm, verdammt, Engel. Du schmeckst so gut. Es macht süchtig, dich zu küssen." Die Stimme war nur ein heiseres Flüstern gewesen, und gerade dadurch so erotisch, wie nur Lukas sein konnte.
Kai lächelte wider Willen. Es klang so richtig, wenn Lukas solche Dinge sagte, aber dennoch… Kai riss sich zusammen und murmelte "Bitte Lukas. Ich hab…"
"Ja, schon gut. Entschuldige. Ich will nicht, dass du Ärger mit deinem Macker bekommst."
War das ein spöttischer Kommentar? Unsicher sah Kai ihn an.
Lukas trat einen Schritt zurück, aber streichelte ihm dabei noch einmal über die glühenden Wangen und den Hals. Kai erschauderte erneut ein wenig und wich der großen, rauen Hand zur Seite aus. Als Schutz nahm er sein Bier wieder auf.
Lukas seufzte, aber ignorierte seine abweisende Art, indem er sich neben Kai an der Wand anlehnte und unvermittelt sagte "Schön, dass ich dich treffe. Ich bin umgezogen und gebe eine Einweihungsfeier. Am Samstag in zwei Wochen, wenn alles nicht mehr so nach Farbe riecht. Kommst du auch? Lolli rufe ich morgen an."
Unschlüssig drehte Kai die Bierflasche in den Händen und lehnte sich wieder an die Wand an. Seine Schultern berührten die von Lukas und dessen Finger tasteten sich erneut über seinen Arm, aber er war zu sehr in Gedanken, um es als störend zu bemerken. 'Jan bringt mich um, wenn ich …'
"Bring deinen Macker mit, mir egal", unterbrach Lukas Kais Gedanken mit genervtem Unterton.
"Na gut, ich frage ihn nachher mal", entgegnete Kai. Ein wenig spitz fügte er hinzu "Ohne ihn komme ich nicht vorbei, ist mir zu gefährlich."
Darauf lächelte Lukas jedoch süffisant. "Solange du mich für dich gefährlich findest, besteht ja noch Hoffnung, hm?" Er lehnte sich vor und küsste Kai erneut auf den Mund, umging seine abwehrenden Hände dabei geschickt.
"Tja, dann will ich mal weiterarbeiten. Wir sehen uns in zwei Wochen. Ich rufe noch mal an." Lukas schob Kai vor sich her und sagte noch an sein Ohr "Nicht, dass du hier im Dunkeln allein bleibst und angefallen wirst.", während er ihm einmal über den Po strich.
Kai war gereizt und verunsichert, als er wieder zu seinem Eckchen neben der Theke zurückging. Gereizt, weil Jan nirgends zu finden war, verunsichert, weil Lukas ihn so einfach hatte küssen und begrapschen können. 'Wieso kann ich mich nicht einfach mal wehren?! Außerdem macht es mich dazu noch an! Scheiße!'
Holger unterbrach seine Gedanken, indem er ihm die Jacke hinhielt. "Du hattest die Jacke vorhin bei den Bierkisten gelassen, aber warst dann so schnell weg. Ich dachte, ich nehme sie mal an mich, Lederjacken bekommen sonst so schnell Füße."
Kai lächelte ihn kurz an. "Oh verdammt, hatte ich ganz vergessen."
Darüber kam Holger auf Urlaube zu sprechen, in denen ihm was gestohlen worden war und Kai mimte dankbar über die Ablenkung Interesse an seinen lautstarken, lustigen Erzählungen.
Endlich tauchte Jan auf und zwar mit schlechter Laune. Diese erklärte sich auch gleich darauf, als er Kai am Arm recht grob zur Seite nahm. Regelrecht wütend zischte er "Ich war gerade draußen, hab mit ein paar Leuten geredet. Da kommt dieser Arsch an und erklärt mir, dass ich dich nicht so lang allein lassen soll, weil sonst noch wer kommt und dich abgräbt! Kannst du mir mal verraten, was er von mir will?!" Sein Blick war hitzig, die Augen wirkten dunkel und schmaler als sonst.
Kai wurde rot und murmelte "Lukas? Er hat mich vorhin zu seiner Wohnungseinweihung eingeladen, hat mir gesagt, dass ich dich mitbringen soll. Hast du übernächsten Samstag Zeit? Sonst gehe ich nicht hin." Kai versuchte möglichst unschuldig auszusehen und hatte Erfolg. Sein Ton, seine Bemerkung, dass er nur mit Jan zusammen hingehen würde, halfen seinen aufgebrachten Freund zu beruhigen.
Sie sahen sich kurz an und Jan lächelte nickend.
Kai erwiderte den Blick und das Lächeln kurz, bevor er rasch wieder auf den klebrigen Fußboden hinunterschaute.
Jan grübelte, vermutlich seinen vollgestopften Terminplan im Geiste durchgehend, regte sich bereits wieder ab. "Klar, ich komme mit hin. Mal sehen, wie der Mallorcaschreck so wohnt", gab er endlich locker zurück und trank einen Schluck Cola, während er sich von Kai knuffen ließ für die Bezeichnung 'Mallorcaschreck'. Dann nickte Jan zur Tür und fragte noch immer nicht ohne Misstrauen, wie es schien. "Was treibt der denn eigentlich hier?"
"Arbeiten", erwiderte Kai vom Themawechsel erleichtert.
Jan nickte kurz und seufzte.
Daraufhin fragte eine dunkle Stimme hinter ihnen "Und was arbeitet er?"
Kai spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. 'Holger! Wieviel hat er gehört?! Scheiße!'
Jan zuckte ebenso leicht zusammen. Sie standen ja auch viel zu dicht voreinander. Viel zu intim war die Atmosphäre eben gerade gewesen. Sie hatten sich in die Augen gesehen, einander angelächelt. Kai hätte Jan beinahe die Haare glatt gestrichen. Langsam drehte Kai sich um und versuchte ruhig auszusehen.
Holgers Gesicht war neutral. Der Ausdruck darin betrunkenes Interesse. Jan sah ihn ebenso wie Kai mit gespanntem Gesichtsausdruck an, aber antwortete rasch und gleichgültig "Er ist ein Bulle, Drogenfahnder."
"Oh oh, dann schnell das Gras wegwerfen, was?" Holger lachte dröhnend und fragte Kai "Noch ein Bier? Ich gehe gerade."
"Nein ich…"
"Ja klar, du bist noch nicht mal annähernd betrunken." Jans Gesicht wirkte entschlossen und Holger stapfte noch immer lachend zur Theke.
Kai sackte zusammen und entließ seinen Atem. "Was hat er gehört?"
"Weiß nicht. Egal." Jan war noch immer ein wenig genervt.
Kai fragte ablenkend "Was soll das mit dem betrunken werden?"
"Ich will dich mal so sehen. Lolli hat erzählt, dass du so niedlich redest, wenn du angetüdelt bist." Er ahmte Lollis Stimme und Gesten ein wenig nach und grinste. "Ich will sehen, ob das stimmt."
"Du bist so gemein!"
"Ich? Nie."
Jan schaffte es natürlich irgendwie. Er trieb eine Flasche Wein auf, verabreichte Kai diese in großzügig bemessenen Bechern. Sie gingen sogar tanzen und Kai tobte sich aus. Als er sich erst einmal traute, sich freier gab, begann die Party ihm zu gefallen. Zudem waren Jans bewachende Blicke auf ihm, so dass er nicht mehr an Lukas dachte.
Er gewöhnte sich daran, dass Jan jeden zweiten Song lang ein anderes Mädchen im Arm hatte, mit ihnen lachte und rumalberte. Er gewöhnte sich daran, dass er mit in der Gruppe stehen und bei den Gesprächen um Sport, Autos und Mädchen interessiert nicken sollte und er lernte es sogar, sich zurückzuhalten, Jan nicht zu viel zu berühren.
Etwas war ja erlaubt, aber nur etwas. Einmal den Arm um ihn legen, ihm auf der Tanzfläche in die Augen sehen, bei einem passenden Liedtext an ihn denken und zu ihm rübersehen. Es geriet zu einem privaten kleinen Tanz umeinander, den Kai zu genießen begann. Es war interessant, machte Spaß und Jan und er konnten sich im Geheimen zusammentun, konnten sich hinter dem Rücken der anderen zuzwinkern und lachen.
Tini und Bianca gerieten einige Male in sein Sichtfeld, aber Kai ging jedes Mal geschickt in Deckung, bis Bianca einmal dicht vor ihm und Jan auftauchte. Sie trug ein bauchfreies Oberteil und konnte auf ihn runterblicken, weil sie durch die hohen Absätze ihrer Schuhe unterstützt noch größer wurde. Bianca sagte lediglich "Na, Kai.", dann wendete sie ihre Aufmerksamkeit auf Jan, den sie am Arm mit sich zog.
Mit schmalen Augen beobachtete Kai wie Jan und Bianca miteinander redeten. Bianca schaffte es, sich an ihn anzulehnen, strich ihm über die Haare und sah ihm dabei in die Augen. Sie standen auf der anderen Seite des Raumes, aber Kai war sich der Details dennoch überdeutlich bewusst. Er starrte ungeniert auf Jans Haarschopf und Biancas Schultern, versuchte aus den Gesten zu ersehen, was da geredet wurde.
Er hatte sich so sehr darauf konzentriert, eifersüchtig zu sein, dass er erschrak, als Tini ihn anstupste und fragte "Müde?" Kai zuckte zusammen und nickte leicht. Sie lächelte und lehnte sich gegen die Wand neben ihm, friemelte an ihrem Plastikbecher herum und machte ihn nervös, weil sie schon wieder so deutlich auf sein Gesicht starrte.
Nebenbei bemerkte er, dass sie einmal nicht rot trug, sondern dunkle Klamotten, ein enges T-Shirt und einen knappen Rock. Sie tappte, ein wenig ungeduldig wie es schien, mit dem Absatz ihrer Stiefel und folgte seinem Blick durch den Raum. Das Schweigen war mal wieder unangenehm.
Endlich fragte sie "Das dein Wein?"
Kai blickte ein wenig verständnislos auf die Flasche zu seinen Füßen, dann begriff er und nickte leicht. "Jetzt irgendwie schon. Oh, ehm, willst du einen Schluck?"
Sie lachte. "Ja, merkt man das?"
Er nickte leicht errötend und schenkte ihr den Becher großzügig voll "Entschuldige, ich war…"
Ihre Finger auf seinem Arm unterbrachen ihn. "Schon gut." Sie lehnte sich wieder neben ihn an und betrachtete Jan und Bianca ebenfalls. "Sie ist ja immer noch hinter ihm her, kann ich nicht verstehen."
Kai blinzelte über den Ton ein wenig verwundert, aber dachte 'Ich kann das schon verstehen.' Ein wenig rebellisch fragte er "Wieso?"
"Weil er sie abblitzen lässt und nachrennen wäre mir zu anstrengend." Sie blinzelte und fügte nachdenklich an. "Aber andererseits macht es jemanden vielleicht erst recht interessant, hm?" Sie starrte ihm ins Gesicht und Kai wurde rot. "Was?" Verwirrt trank er von seinem Wein.
Tini grinste und trank ebenfalls einen Schluck, bevor sie erklärte "Wenn jemand sich so abweisend gibt, sich so zurückhält, das macht ihn vielleicht um so attraktiver, nicht? Jeder fragt sich, ob diese Person dadurch nicht einen größeren Wert erhält."
'Wieso habe ich den Eindruck, dass es sich hier zuallerletzt um Jan drehen kann?' Misstrauisch warf Kai einen Seitenblick auf das Mädchen neben sich und murmelte "Jan ist doch der Letzte, der sich zurückhaltend gibt."
Tini drehte den Kopf kurz weg, um jemanden zu grüßen, dann fragte sie unpassend und ablenkend "Hab ich dir schon eine Einladung gegeben?"
"Einladung?" Jan und Bianca gingen gerade aus seinem Sichtfeld und Kai ärgerte sich darüber.
"Ja, zu der Einweihung."
"Ach, schon die zweite Einladung, wann denn?" Er gab sich gar nicht erst Mühe, nett zu sein, das verscheuchte Mädchen eigentlich immer recht schnell.
Tini erwiderte jedoch im normalen Ton. "Nächsten Samstag in meiner WG."
"Ich muss arbeiten, da kann ich nicht lange auf Parties bleiben." Das war unhöflich und zudem gar nicht wahr, er hatte auch an dem Wochenende frei.
Tini seufzte und fragte "Soll ich dir trotzdem eine Einladung geben? Meine WG liegt im Kleiberstieg, das ist gleich am Großen Platz."
"Ach, gleich bei mir um die Ecke!" 'Kein Wunder, dass sie mir beim Einkaufen über den Weg rennt.'
Tini blinzelte, dann lächelte sie. "Wo wohnst du denn?"
Kai fluchte insgeheim, dass er zu betrunken zum geschickt Verschweigen zu sein schien, aber nannte seine Adresse und erzählte sogar noch "Ich teile mir die Wohnung mit einem Industriedesignstudenten."
"Ist eine gute Gegend, nicht? Wir sind zu dritt in der Wohnung. Eine von uns macht Lehramt, die anderen zwei Medizin. Vielleicht kennst du Renate ja schon, die ist in unserem Semester."
Kai schüttelte den Kopf und dachte bei sich, dass er keine Renates und überhaupt niemanden aus Tinis Umgebung kennenlernen wollte. Sie reichte ihm gleich drauf eine rote Pappkarte, auf der unter einem Bild von den Dreien eine Wegbeschreibung, und eine Aufforderung, nur gute Laune mitzubringen mit Goldstift aufgemalt waren.
Kai starrte auf die Karte und fragte unsicher "Soll ich was mitbringen?" Irgendwie konnte er nicht absagen, obwohl er keinen Bock auf eine Mädchenklatschrunde hatte.
"Nee, nur dich selber."
Er steckte die Karte ein und begann dann langsam "Ich weiß gar nicht, ob Jan…" 'Idiot! Das ist doch total egal! Hoffentlich hat sie das jetzt nicht falsch verstanden!'
Doch Tini schnippte mit den Fingern gegen ihren leeren Plastikbecher und sagte steif "Den hab ich nicht eingeladen."
Kai sah sie erstaunt an und sie lächelte nervös, wie es schien. "Er und Bianca fangen dann nur an zu reden und sie heult hinterher nur rum und ich muss sie die Nacht über trösten, darauf kann ich nicht."
"Ah, verstehe schon", nuschelte Kai, obwohl er nicht wirklich verstand, worum es eigentlich ging und wieso er mit einem Mal im Mittelpunkt stehen musste.
Holger trat zu ihnen und lenkte Kai mit einer Frage nach zwei Jungs ab, die Kai schon seit Stunden nicht mehr gesehen hatte. Tini und Holger unterhielten sich einen Moment lang, nachdem dieser sie auf die Wohnung angesprochen hatte.
Endlich gab Tini auch Holger eine Einladung und ging dann in Richtung Bianca davon, während Jan zu ihnen trat. Der Blick, den Tini auf Jan warf, war alles andere als freundlich, und Kai dachte bei sich, dass es vermutlich am besten war, wenn er allein zu der Einweihungsparty ging, Jan gar nichts davon erzählte. So düster, wie Jan den Blick erwiderte, schienen die Gefühle sich gleichermaßen zwischen den beiden zu verteilen.
Jan lehnte sich dichter zu Kai und raunte an sein Ohr. "Ich muss mal kurz mit Bianca zum Auto, die ist echt anstrengend. Bis nachher." Kai grummelte nur etwas, aber sackte neben Holger an die Wand und trank noch einen Schluck Wein.
Holger fragte nach einem Moment "Hat Tini was gegen Jan?"
"Hm. Seit er nicht mehr mit Bianca zusammen ist schon, glaube ich. Sie hat ihn nicht zu der Party eingeladen."
"Aha." Holger trank einen Schluck Bier, dann fragte er "Und? Du und Tini?"
Kai verschluckte sich und hustete eine Weile, bevor er mit rotem Kopf fragte "Was?!"
Holger sah ihn verwundert an, dann fragte er unbesorgt "Nicht? Sie ist doch ein heißes Gerät, oder?" Ein grober Stoß von einem Ellenbogen in Kais Rippen begleitete diese Feststellung.
Kai zuckte mit den Achseln und murmelte ein wenig unglücklich "Nicht mein Ding."
"Ah, na dann."
In dem Moment tauchte Lukas in seinem Blickfeld auf und Kai sah noch unglücklicher zu Boden. Doch Lukas nickte ihm nur zu und grinste, bevor er jenseits der Tanzfläche zu den Toiletten ging. Kai durfte sich im Folgenden in seinem schlechten Gewissen aalen, das sich ja immer einstellte, wenn er Lukas nur ansah. Deutlich erinnerte er sich noch daran, wie er ihn in der Badewanne gestreichelt hatte. Wie er ihn eben gerade geküsst hatte. So richtig und zugleich so verdammt falsch!
Jan kam kurz darauf wieder zu ihnen und war nicht gerade guter Stimmung, aber erklärte dies nicht weiter. Kai konnte nur vermuteten, dass Bianca oder Tini etwas getan oder gesagt hatten, damit Jan sich nicht so toll fühlte. 'Man kann eben doch nicht über alles reden,' dachte er bissig, während er Jans Gesichtsausdruck betrachtete und deutete.
Nach einer Weile war Kai so betrunken, dass ihm alles egal zu werden begann. Er genoss Jans wachsame, eifersüchtige Nähe und die Art, mit der Jan ihn behandelte. Dieser legte auf dem Nachhauseweg den Arm um Kai, sobald sie auf den dunklen, verlassenen Parkplatz schwankten und er küsste Kai an das Auto gelehnt eine ganze Weile.
Er umfasste dabei Kais Gesicht und öffnete seinen Mund mit den Lippen. Weich und geübt wissend strich er ihm mit der Zunge durch den Mund. So ganz anders als Lukas, so viel sanfter und deswegen auch viel, viel schöner - richtig. Kai stöhnte verhalten auf, als Jan den Kuss nach einer ganzen Weile abbrach. "Hm du schmeckst nach Wein. Wenn ich dich noch länger so küsse, dann kann ich nicht mehr fahren, Baby."
Während der Fahrt schmuste Kai sich an Jans Schulter, so dass dieser nur mühsam schalten konnte, aber Jan stieß ihn nicht weg, sondern streichelte ihm über die Haare und küsste ihn an einer roten Ampel auf die Schläfe. Als sie mit dem Wagen in der engen Parklücke vor Kais Wohnung angelangt waren, stieg Jan noch immer nicht aus, sondern beugte sich zu Kai und küsste ihn wieder.
Das Autoradio lief im Hintergrund weiter, der Wagen knackte sich abkühlend leise, aus der Ferne drang der Lärm von einem vorbeifahrenden Zug zu ihnen und all diese Geräusche wurde Kai mit einem Mal bewusste, weil sie still sitzen blieben, nur ihr Atem zu hören war und die Scheiben zu beschlagen begannen.
Jan lächelte ihn an und fragte "Meintest du das vor der Party ernst?"
"Hm? Was denn?"
Jan drehte Kais Arm zu sich und schob den Ärmel von seinem Hemd hoch. Die Buchstaben waren noch zu sehen. "Dass du mich auch gern hast."
Kai gähnte verhalten und sah ihm in die Augen. Es war dunkel im Wagen, aber er meinte dennoch die goldenen Funken im tiefen Braun tanzen zu sehen, sich drehen, ihn locken, zu Jan lenken. Endlich riss er sich zusammen und nickte "Ja, meinte ich.", murmelte er noch immer trunken.
Jan lächelte ein wenig mehr und küsste ihn noch einmal sachte. "Schön." Rasch sprang er darauf aus dem Wagen. Kai ließ sich helfen und von Jan die Treppen hochschleifen.
Kapitel 22
Kai putzte sich benommen schwankend und in das Neonlicht blinzelnd die Zähne. Jan half ihm danach bei Ausziehen. Endlich fiel Kai bis auf die Unterhose entkleidet auf das Bett und streckte sich wohlig. "Warum… wolltest du denn, dass ich so viel… trinke?"
Jan zog sich gerade aus und antwortete erst, als er sich ebenso ohne Klamotten zu Kai legen konnte. Er rollte sich über Kai, umfasste sein Gesicht und sah ihm in die Augen. Endlich stupste er seine Nase gegen Kais und sagte "Um mit dir zu schlafen. Willst du?"
Kai blinzelte und hustete erschrocken. Dann lachte er jedoch und fragte "Warst du dir so sicher, dass ich das nüchtern nicht mache?"
Jan lachte auch auf und nickte. "Todsicher." Er ließ sich neben Kai sinken und küsste ihn wieder, streichelte ihm über die Brust an den Rippen entlang, spielte mit seinen Fingerkuppen darüber, bis sich eine Gänsehaut zu Kais Knien hinunter über den ganzen Körper zog.
Wie beim Kuss zuvor fielen Kai die Unterschiede zu Lukas auf. Er wurde nicht überfallen, seiner Sinne beraubt und fühlte sich auch nicht wehrlos. Vielmehr betäubte Jan seine Befürchtungen mit seinen Berührungen allmählich, bis jegliche Furcht eingeschlafen war.
'Will ich das?… Klar!' Seine Libido erwachte und begann, ebenso betrunken wie der Rest von ihm, wilde Lieder anzustimmen, während Jan und er sich heftiger küssten, ihre Finger rücksichtsloser über den Körper des anderen schickten. So viel Haut wie möglich aneinander zu bringen, so viel wie möglich zu fühlen, schien das Ziel zu sein.
Kai fühlte sich zugleich schwer, warm, sicher und neugierig, erregt, voller Spannung. Sex mit Jan war schon immer das Schönste für ihn gewesen, wurde nie schal, war nie langweilig. Er konnte sich noch immer nicht vorstellen, dass er jemals die Lust an seinem Geschmack, Geruch, der rauen Stimme an seinem Ohr, oder dem Gefühl von Jans heißem Körper, der lebendigen Haut unter seinen Händen verlieren könnte.
Jan zerrte nach einem Moment die verbliebene Shorts von Kais Hüften und die Beine abwärts und streichelte ihm dabei zugleich über die Innenseiten der Oberschenkel. Kai streckte sich und öffnete seine Beine. Dies verstand Jan als Aufforderung und begann Kai die Beine entlang zu knabbern und zu küssen, bis er seinen Schoß erreichte. Dort machte er jedoch nicht weiter, sondern schob sich über Kai und küsste ihn erneut auf den Mund, begann ihn zu streicheln, während Kai seine Finger über Jans Rücken laufen ließ, ziellos tastend bis zum Po hinunter und wieder zurück zum Nacken. Sie küssten und schmusten eine Weile nur, obwohl Jan ungeduldig schien. Immerhin hatte er keinen Alkohol getrunken, der Kai nun müde machte und entspannter im Bett liegen ließ.
Doch nach einer kleinen Weile ließ Jan sich zur Seite rutschen und streichelte Kai fordernder, küsste ihn intensiver. Der deutliche Beweis seiner Erregung presste sich gegen Kais Hüfte, der sich nun danach zu verzehren begann, ihn zu berühren. Doch das erlaubte Jan gar nicht. Kais Hände wurden sanft, aber nachdrücklich abgewehrt, während Jan ihn energischer streichelte, seine Beine auseinander schob. Kai schloss sich ergebend die Augen, und versuchte Jan lediglich zu küssen. Ihm in das Tempo zu pfuschen, schien an diesem Abend mal wieder nicht drin zu sein.
Kai war unter dem Ansturm der Finger, der Lippen und von Jans Zunge so vereinnahmt gewesen, dass er quiekend zusammenzuckte, als Jan ihn mit lediglich lauwarmem Gel auf seiner aufgeheizten Haut erschreckte. "Sch. Entschuldige", vernahm Kai und sackte erneut gegen den Körper neben sich zusammen, während Jans Finger sich nun unsicherer tastend zwischen seine Beine bewegten.
Als Jan erst einmal gefunden hatte, wonach er suchte, benahm er sich weitaus zielstrebiger, als Kai gedacht hätte. Gleichzeitig mit seiner fordernden Zunge an seinem Mund, bewegten sich die Finger in ihn, er konnte sich gar nicht so schnell winden, wie schon alles quasi vorbei war. Er hätte nicht gedacht, dass Jan sich so sicher sein würde, dass er so einfach finden würde, wonach Kai selber am Anfang getastet, gesucht hatte, sich nicht wohl gefühlt hatte, bis er Jans Stöhnen gehört hatte, so wie ihm nun sein unwillkürliches Aufseufzen bewusst wurde.
Es erinnerte ihn an das Mal, als Lukas ihn so gestreichelt hatte, aber auch daran, wie dieser in ihn eingedrungen war. Das Gefühl dabei war zunächst gut gewesen, sehr gut, das was folgte, grauenhaft. Jan jagte ihn ebenso mit seinen Fingern die Wand hinauf. Deutlich spürte er wie seine Empfindungen sich in seinem Schoß sammelten, wie die Hitze dort unerträglich wurde. Er war schon bald kurz davor, aber Jan hielt ihn davon ab, sich selbst zu berühren, während er leise lachend bemerkte "Dann mache ich es richtig?"
Kai konnte nur wild nicken, seine Gedanken trieben jedoch ab. Sein Gefühlshoch wurde abrupt unterbrochen, als Jan nach der Packung auf dem Nachttisch griff. Das Knistern klang mit einem Mal hart, der künstliche, ein wenig unangenehme Geruch zerstörte Kais Unbesorgtheit. Schwarze Gedanken zerfraßen seine eben noch so leichte Stimmung.
Als nächstes würde Jan mit ihm schlafen, ihm wehtun, genau wie Lukas. Das war eine Erinnerung, die nicht mehr aus seinem Kopf wollte, die ihn ängstigte. Er klammerte sich an Jans Arm, krallte sich regelrecht fest, konnte nach und nach dessen wundervollen Berührungen nicht mehr genießen, war vor Furcht wie erstarrt.
Jan spürte, wie er sich versteifte und hielt langsam inne. "Was ist denn?"
Kai schluckte und kniff die Augen zusammen, dachte in einem Kreislauf immer weiter 'Mach schon, es wird schön! Nein! Das will ich nicht! Idiot, du enttäuscht ihn! Er tut sich das für dich an, du bist vielleicht undankbar! Reiß dich doch mal zusammen! Ich hab Angst! Es wird grauenhaft! Letztes Mal tat mir alles drei Tage lang noch weh! Das mach ich nicht, das geht nicht, ich kann nicht ich kann nicht ich kann nicht… Es tut mir leid….'
Jan stützte sich auf und betrachtete sein Gesicht, dann fragte er "Was tut dir leid?"
Kai riss die Augen auf. 'Hab ich das laut gesagt?!' Er seufzte und flüsterte "Ich… ich… es geht nicht." Hastig wandte er sich ab. Er fühlte sich mit einem Mal kalt, fröstelte und zerrte die Decke um sich, obwohl Jans Körper sich warm gegen seinen Rücken presste.
Jan lehnte das Gesicht gegen seine Schultern und flüsterte "Sch… keine Angst. Dann machen wir es nicht."
Kai spürte Jans Finger auf seiner Hüfte, aber blieb auf der Seite, von ihm abgewandt liegen. "Ich bin…" Er zögerte und suchte nach Worten. Jans Atem strich ihm langsam über die Schulter und den Rücken, eine warme, freundliche Berührung. Beruhigend und sicher. "Ich bin enttäuscht", vollendete Kai den Satz und drängte sich gegen Jans Körper zurück.
"Von mir? Von dir? Von dem Abend?" Jans Stimme klang noch immer dunkel und weich.
"Von mir. Nur von mir." Kai seufzte und sagte noch einmal "Es tut mir leid."
"Mir nicht. Es ist immer schön mit dir. Du brauchst dazu nicht Dinge tun, die dir keinen Spaß machen."
"Aber ich will auch für dich…"
Jan schnaubte einmal verächtlich und erwiderte "Was?! Für mich ist es schön. Wenn es für dich nicht genauso schön ist, dann kannst du es auch nicht genauso für mich tun, wie ich für dich…" Er stockte und lachte auf. "Kai, du Idiot! Jetzt rede ich auch schon so einen Mist daher wie du!"
Kai zog die Unterarme über Kreuz vor seine Brust und murmelte beleidigt "Das war kein Mist."
Jan lachte noch immer, aber begann seinen Nacken zu küssen und kleine Entschuldigungen zu murmeln, dann küsste und biss er Kais Schultern und seinen Hals entlang und flüsterte weiterhin beruhigende Worte. "Sch… es ist so schön mit dir, sei nicht so. Ich hab nicht über dich, sondern mich selber gelacht. Komm schon… hey… Du musst dir wirklich keine Gedanken machen… Kai…"
Endlich vernahm Kai hinter sich ein dumpfes. "Baby… drehst du dich heute noch mal um zu mir?"
Kai erschauderte und fragte sich, wie Jan solche Dinge einfach so abhaken konnte. Einfach so weitermachen, warum konnte Jan das und er selber nicht?! Es begann ihn zu nerven, dass er sich nicht einfach fallen lassen konnte. Die Berührungen auf seinen Armen ließen diese erschlaffen, Jans Finger glitten beruhigend und erregend zugleich über seine Brust, an seinen empfindlichen Stellen entlang, wieder und wieder, bis er sich zurücklehnte.
Jans Zunge fand an seiner Halsbeuge die Stelle, von der aus Kai immer über und über erschauderte. Verdammt! Wer konnte bei so was schon noch beleidigt und ängstlich bleiben?! Jans Erektion, die sich gegen seinen Po drängte, begann Kai erneut zu erregen.
Er blieb von ihm abgewendet auf der Seite liegen, aber begann sich gegen Jan zu bewegen. Leicht die Hüfte gegen ihn drängend, fast wie beim Tanzen ein wenig neckend. Langsam die Berührung genießend, die er damit intensiver machte.
Er vernahm Jans typisches Seufzen, wenn er etwas richtig machte, und fühlte sich wieder wohl. Es war so leicht, Jan im Bett zu gefallen. Dessen kräftige Hände lenkten Kai in die richtige Richtung, wenn das nicht reichte, dann sagte Jan ihm auch ganz unbesorgt, was er machen sollte. Nun vernahm Kai auch ein leises Stöhnen und die Aufforderung "Mehr zurück…" wobei sich eine Reihe kräftiger Finger in seine Hüfte gruben, um ihn gegen Jans Schoß zu ziehen. Als nächstes wanderten dieselben Finger zielstrebig nach vorn weiter, um Kai erneut zu umfassen und einen schnelleren Rhythmus in ihre Bewegungen zu bringen.
Es dauerte nicht lang, da spürte Kai, dass Jan ihn sehr bald schon wieder soweit haben würde, trotz des Alkohols. Er schloss die Augen und lehnte den Kopf in den Nacken, gegen Jans Schulter. Jan begrüßte diese Bewegung mit dem Mund. Ihre Lippen fanden sich nach einem Moment zu einem tiefen Kuss, den Kai am liebsten gar nicht mehr beendet hätte. Doch Jan unterbrach den Kuss, um Kais Hals mit den Lippen zu verfolgen, dann sein Ohr. Schließlich flüsterte er Kai unter leichten Küssen auf die sensible Ohrmuschel zu "Sag einfach Stop, Baby… jederzeit."
Gleich darauf spürte Kai, dass Jan den Winkel seiner Bewegungen ein wenig nur änderte, um sich das Eindringen zu ermöglichen. Nur ließ er sich Zeit dabei, während Kai atemlos auf seinen Körper horchte. Er war nicht mehr fähig auch nur darüber nachzudenken, was genau er in diesem Moment wollte. Dass Jan weitermachte? Dass er aufhörte? Kai gab das Denken einfach auf.
Zugleich streichelte Jan ihn weiter, hielt ihn aber auch mit einer Hand fest dabei. Kai kniff die Augen zu und verfolgte die Gefühle, die sich durch seinen Körper in sein Bewusstsein drängten. Es tat nicht weh, was ihn verwunderte. Es war nur ein wenig unangenehm, aber als Schmerz hätte er das Gefühl nicht bezeichnet. Verwirrt öffnete Kai seine Augen und bemerkte dann, dass Jan inne gehalten hatte, abwartete. Es erinnerte ihn nicht wirklich an die Erfahrung mit Lukas und er atmete erleichtert auf.
"Alles okay?"
Kai nickte leicht und bewegte sich probehalber gegen Jan, nur wenig, aber genug, um dessen hitziges Temperament zutage zu bringen. Nur mühsam konnte Jan sich anscheinend zurückhalten. Kai fühlte, wie die Finger auf seinem Körper sich unsicherer bewegten, während Jans Atmung schneller ging. Es war unangenehm, aber zugleich erregend, es fühlte sich mit einem Mal richtig an.
Allein Jans Atem auf seiner Schulter zu spüren, zugleich mit Kais eigenen Aufseufzen, das ihn doch ein wenig verwirrte. Er konnte sich darüber keine Gedanken mehr machen, denn Jans Finger schoben sich zwischen seine Beine, um seine Position ein weiteres Mal zu verändern.
Kai machte mit und spürte, wie auch er erregter wurde. Nicht so sehr wie Jan allerdings. Dieser murmelte etwas, das beinahe so klang wie 'Oh Gott…' und beschleunigte das Tempo ihrer Bewegungen rapide, ruckartig, griff schmerzhaft fest zu. Seine Lippen strichen ziellos über Kais Hals, der ebenfalls erschauderte, sich streckte und mit einer Hand hinter sich fasste, um über Jans Hintern zu streicheln, um nach ihm zu greifen.
Gleich drauf kam Jan recht heftig, krallte sich an Kai und zog ihn mit einem Arm um den Brustkorb noch fester an sich. Kai schloss die Augen und wurde sich schlagartig des Gefühls der Verbindung, des Zusammenseins bewusst, des Teilhabens an Jans Gefühlen. Er spürte die Atemzüge, seinen Herzschlag, seine Haut, seinen warmen Atem. Er spürte Jan und er meinte, dass er seine Empfindungen, seine zufriedene Erschöpfung fühlen konnte. Mit einem Mal begann er zu verstehen, wieso Jan es mochte, wenn er mit ihm schlief.
Kais Finger hatten sich ebenso fest in Jans Hüfte gegraben, hielten seinen Körper ebenso dicht an und in sich gepresst, während ihr keuchender Atem eine Zeitlang das einzige war, das Kai hören konnte. Langsam ließ er locker und begann Jan zu streicheln. Über den festen Hintern, die Beine, einige Haare ertastend. Er schob seine Hand zwischen ihre Körper und streichelte Jans Leisten entlang und in die leicht gelockten, dichten Haare dort, bis Jan seufzte und ihn ebenfalls langsam losließ.
Kai schloss die Augen und lehnte sich erneut zurück, küsste Jans Schulter, wo er sie erreichen konnte. Die Haut schmeckte salzig und so lecker nach Jan, dass er ihm über die Innenseite des Unterarmes leckte, um ihm dann nach kurzer Überlegung genau dort einen Knutschfleck zu verpassen. Jan erschauderte und kicherte, aber ließ Kai machen. Gelassenheit breitete sich zwischen ihnen aus, während sie dösig gegeneinander gelehnt schwiegen.
Kai lächelte, weil er sich so zufrieden fühlte und flüsterte "Jan, das war…" 'Ja, was eigentlich? Nicht so schlimm, wie ich dachte? Das klingt nicht gerade nach einem Kompliment.'
Jan kam ihm zuvor. "Scheiße, entschuldige."
"Waaaas? Nein."
Jan zuckte mit den Schultern. "Aber du bist nicht…"
"Na und?"
"Tschuldige."
Kai zuckte kurz, als Jan sich zu schnell und unvorsichtig zurückzog, dann kletterte dieser über ihn hinweg und raschelte eine Weile links und rechts vom Bett umher, bevor er dann wieder unter die Decke kroch, vollkommen ausgekühlt, so dass sie beide über den Temperaturunterschied erschraken. Jan raffte Kai dichter, sie drehten sich mit dem Gesicht zueinander und küssten sich eine Weile schweigend. Allmählich sanken Jans Augenlider, während Kai ihm langsam über die Haare und den Nacken streichelte.
Endlich erklärte Kai ihm leise flüsternd "Du brauchst dich nicht entschuldigen. Das ist Unsinn. Es war schön, damit hatte ich nicht gerechnet."
Jan verzog seinen Mund unzufrieden und murrte "Wenn du meinst."
"Meine ich." Kai kuschelte sich dichter an und warnte "Und fang jetzt nicht an, mich zu befummeln! Ich will schlafen!"
Jan lachte ihn als Antwort nur schlaftrunken aus, umarmte Kai fest, ließ ihn nicht mehr los, während sie beide in den Schlaf drifteten.
Kai wurde langsam wach, befand sich noch im Stadium des nicht so recht orientierten Halbschalfes, aber dachte als Allererstes schon wieder an den Sex in der Nacht zuvor. Es waren nicht die Sorte rosafarbene, träumerische Gedanken, sondern eher ein beleidigter Körper, der sich nun für die sorglose Behandlung aus der letzten Nacht rächte. 'Mein Po tut weh. Das war klar. Er hat mich betrunken gemacht und hat das ausgenutzt!'
Jan war bereits länger wach, vermutlich starrte er Kai an, nach den ersten Anzeichen von Aufmerksamkeit forschend. Kai bemerkte verärgert, dass er Jans Finger umfasst hatte im Schlaf. Er ließ ihn rasch wieder los und versuchte sich abzuwenden, versuchte so zu tun, als würde er noch schlafen. Es half nicht. Lippen glitten über seine Wange und Atem strich an seinem Ohr entlang, während er versuchte, sich die Decke über den Kopf zu ziehen.
"Hm… du riechst nach Sex, Kai."
Das war der Satz, mit dem Jan ihn begrüßte? Kai blinzelte ungnädig und streckte sich vorsichtig. 'Mein Po tut weh, so ein Scheiß! Er ist schuld!' Jans Lippen pressten sich auf seine und er musste seinen Freund mit beiden Händen von sich schieben. "Eeek, ich will erst Zähne putzen!", schimpfte er gereizt und wurde prompt missachtet.
"Bleib liegen! Stell dich nicht so an!"
"Jan! Nein…! Lass mich los!" Kai kämpfte halbherzig gegen Jans energische Zuwendungen an, während dieser anscheinend jede von Kais abwehrenden Bewegungen nutzten konnte, um sich in eine bessere Position über ihn zu bringen.
Wenig drauf lag Kai keuchend und zappelnd unter Jan, der ihm gemütlich über die Brust leckte, ihn mit den Zähnen dazu brachte zu quieken und sich zu winden.
Jan lachte. "Ich liebe es, wenn du dich so störrisch wehrst!"
Kai strampelte mit den Beinen, was Jan in die Lage brachte, diese links und rechts von seinen Schultern festzuhalten. "Jan! Hör auf, da bin ich kiihiiitzeliiii… Jan! Ah!"
Jan grinste böse und tauchte unter die Decke ab. "Da auch?"
"Oh… Gottohgott…" Kai schloss die Augen fest und erschlaffte, als er Jans Zunge und Lippen auf sich spürte. Er bemerkte erst in dem Moment wie erregt er schon war. Ohne störende Kleidung und in den Kampf verstrickt war es ihm nicht aufgefallen.
Jans Atem strich über seine feuchte Haut und Kai japste nach Luft, während er den Weg von Jans Fingern verfolgte. Über seine Beine, dazwischen, über seinen Bauch, wieder hinunter. Es war Folter, soviel wurde Kai klar. Jan wollte seinen Tod, wollte ihn quälen. "Mach schoho…Au!" Jan biss ihn leise lachend noch einmal, ganz zart, aber dennoch die Zähne spüren lassend, dann tauchte er wieder auf und legte sich warm und vereinnahmend auf Kai.
Kai lächelte und umfasste Jans Po sofort, während sie sich erneut küssten. Jan bewegte sich langsam und geduldig über ihm. Er rollte seine Hüfte in verschiedene Richtungen, schien zu erproben, was besser war, während er Kais Zunge in seinen Mund lockte und daran saugte, sie mit den Lippen festhielt. Endlich bemerkte Kai, dass er es nicht mehr lange aushalten würde und griff fester zu, begann sich ebenfalls zu rühren, um Jan anzuspornen. Gleich drauf wurde alles unwichtig, während Kai sich streckte und die Gefühle genoss, die über ihn hereinbrachen.
Gleich hinterher schob er jedoch an Jans Schultern und nörgelte "Oh Mann, und ich hab gerade neu bezogen, scheiße." Jan lachte und küsste ihn auf das abgewendete Gesicht. "Kai, du bist so romantisch nach dem Sex wie kein Zweiter. Guten Morgen, übrigens."
Kai grummelte etwas Abweisendes und versuchte Jans Gewicht von seinem Magen loszuwerden. Er rollte sich endlich unter ihm hindurch aus dem Bett und murrte "Ich gehe duschen. Lohnt sich jetzt ja."
Jan ließ sich aufstöhnend und dabei lachend zurückfallen und verkündete "Du machst Frühstück! Ich hole auch Brötchen, wenn du willst."
"Ne, das Toast muss weg…" Kai wühlte nach seinem Handtuch und fragte sich, wie es unter die Pullover von der letzten Woche geraten sein mochte. "…, sonst maulst du mich wieder von Verschwendung voll." Das war eine Spitze gegen seinen lieben Freund, den dies nicht zu interessieren schien.
Jan gluckste und bemerkte lasziv auf ihn starrend "Such ruhig noch länger da unten rum. Weißt du, Kai. Ich glaube, dass du nur so schlampig bist, damit ich dir beim Suchen zusehen kann. Nett, dass du die Rücksicht besitzt, das nackt zu machen."
Bevor Jan noch auf komische, anstrengende Einfälle kommen konnte, flüchtete Kai sich ins Bad und unter das wärmende, wohltuende Wasser. Er ließ sich langsam davon wiederbeleben, bis Jan zu ihm unter die Dusche kam und ihn mit dummen Witzen über verschimmelten Toast vertrieb.
Nach der Dusche erst erinnerte Kai sich wieder an den gestrigen Abend. Sein Po erinnerte ihn beim Anziehen an die Nacht. Er schlappte ein wenig gereizt von den nicht vorher bedachten Nebenwirkungen in die Küche und setzte Kaffee für sich und Teewasser für Jan auf.
Erst als der Wasserkocher sich mit einem leisen Klicken ausschaltete, erinnerte er sich über die Nacht hinaus - an Lukas. Ein wenig nervös deckte er den Tisch, während Jan sich im Bad rasierte und mit dem Radio mit summte. Kai fragte sich, ob er Jan erzählen sollte, dass Lukas ihn geküsst hatte. Zudem fragte er sich, ob er Jan erzählen sollte, dass Tini ihn nicht mochte.
'Es ist ja eigentlich eine Sache zwischen ihm und Bianca, oder? Tini kann Jan nicht ab, weil er mit ihrer Freundin Schluss gemacht hat, oder nicht?' Grüblerisch studierte Kai die Haltbarkeit des Joghurts und der Milch. Er hörte, wie Jan an der Küche vorbei in sein Zimmer ging, um sich zu ende anzuziehen und beeilte sich, die restlichen Marmeladentöpfe auf dem Tisch zu verteilen.
Nebenbei bemerkte er, dass Lolli mal wieder Raubbau an seiner Nutella betrieben hatte, obwohl ein fettes, mit wasserfestem Stift geschriebenes 'KAI' auf dem Deckel stand. Das würde Rache geben, soviel war schon einmal klar. Kai war gerade dabei, zu diesem Zweck den Putzplan zu manipulieren, als Jan in die Küche geschlendert kam.
Jan war bester Laune und küsste Kai auf die Wange, als er von ihm den Teebecher in die Hand gedrückt bekam. Noch immer summend griff er sich Lollis Zeitung und warf sich auf den einen Klappstuhl, während Kai sich noch nervöser ihm gegenüber setzte.
Jan biss von einem Artikel über die Olympia abgelenkt in sein Toast und beachtete ihn nicht. Das war Kai schon gewohnt, aber dieses Mal hätte er es lieber gehabt, wenn Jan ihn auf seine schweigsame Art ansprechen würde. 'Sag endlich was!'
Jan schien es zwar bemerkt zu haben, aber er sagte zu etwas anderem was, als Kai sich erhofft hatte. "Sind wir hier eigentlich allein?"
"Lolli ist weg, also ja." Kai versteckte sich hinter dem breiten Rand seines Bechers und verschluckte sich fast an seinem Kaffee, als Jan locker zwischen zwei Bissen feststellte "Dann können wir ja in der Küche über Sex reden. Wie geht es dir? Alles in Ordnung?"
Kai wurde rot und starrte auf seinen Toast "Was? Wie?"
"Na, tut es weh?" Lustlos biss Kai einmal ab, der Toast schmeckte ihm nicht mehr und er legte ihn fort. Wie konnte Jan nur beim Essen über so etwas reden?! "Etwas", gab er dann unwillig zu.
"Weil du so knatschig aussiehst."
"Hm. Nein, es geht schon." Kai versuchte ein Lächeln.
"Verdammt, Kai. Ich will eine ordentliche Antwort. Lügen kannst du doch echt beim Finanzamt!"
Kai zuckte zusammen und senkte den Blick "Ich lüge doch gar nicht. Aber beim Essen…"
"Kai, es ist doch egal wann und wo. Dir passt das Thema nie!"
Ein wenig verärgert stellte Kai die Tasse mit einem Knall wieder ab und erwiderte hitzig "Doch, ich sag schon was, wenn es mir nicht passt, okay?! Es geht mir gut, trotz Sex mit dir, zufrieden?!"
Jan legte den Kopf schief und schenkte sich noch mehr Tee ein. Eine Geste, die Kai zeigte, dass dem nicht so war, und dass er heute die Zeit hatte, um solange rumzufragen, bis er zufrieden sein konnte.
Genervt kaute Kai auf dem Toast herum und bemerkte nun erst so richtig, dass es ihm dem Geschmack nach wie Pappe erschien. Jan wartete schweigend ab. Er konnte so schweigen, dass Kai sich genötigt sah zu reden. Seufzend erklärte er also "Es ist ein wenig unangenehm gewesen, aber nicht so schrecklich, wie beim anderen Mal. Ich würde das schon wieder probieren."
"Hm. Das ist dann ja gut."
"So… können wir dann jetzt das Thema wechseln?!" Abwehrend umfasste Kai seinen Becher mit beiden Händen und hob ihn an seine Lippen, obwohl nichts mehr drin war.
Jans Augen folgten seinen Bewegungen, schienen alles zu sehen, was Kai zu seinem Schutz unternahm, dann stützte er seine Ellenbogen ebenfalls auf und langte über den Tisch, um Kais Handgelenk mit dem Daumen und Zeigefinger sachte zu streicheln, während er mit dunklerer und leiserer Stimme fragte "Sagst du mir bitte, was nicht stimmt, Baby?"
Kai errötete noch mehr und schloss seufzend die Augen. Jan konnte ihn so gut überreden, auf ihn eingehen und sich um all seine Sicherheitsmaßnahmen herum zu ihm hineinschleichen, das vergaß er immer wieder.
"Lukas hat… mich geküsst. Ich wollte nicht, aber bin nicht dazu gekommen… na ja, ich hab ihn weggeschoben und da hat er mich in Ruhe gelassen und ich…" Kai stockte, weil Jans Augen sich verdüsterten.
"So eine Sau! Der soll die Finger von dir lassen, verdammt!" Bekräftigend schlug er auf den Tisch und Kai zuckte zurück. "Entschuldige, Kai. Es ist nicht deine Schuld. Er geht mir auf den Zeiger!"
Jan brütete einen Moment lang, dann seufzte er und murrte "Na gut. Und was hatte Tini für Probleme? Hat die ihre Tage, oder was hat sie so geprickt?"
Kai hob die Schultern und vermutete "Du bist nicht gut genug zu Bianca gewesen. Sie ist Biancas beste Freundin."
Jan schüttelte verständnislos den Kopf und erklärte "Tussis. Na ja. Sie hat ja nur Holger und dich auf die Einweihung eingeladen, gehst du hin? Holger hat es mir erzählt, wollte wissen, was sie denn gegen mich haben könnte."
'Aha, schlecht Neuigkeiten sind immer schnell unterwegs.' Kai nickte unsicher. "Ich muss ja Referat mit ihr schreiben und so. Ich dachte, dass ich für eine Stunde hingehe, weil sie im Kleiberstieg gleich hier die Straße runter wohnt."
"Ach dort." Jan entspannte sich merklich und Kai ließ sich auch wieder in den Stuhl zurück sinken. "Na ja, was kann ich ihr denn schenken? Man muss doch immer was schenken, oder?"
Jan grinste und schlug vor "Ruf deine Mutter an, sie müsste das perfekte Geschenk wissen."
Kai nickte erleichtert. Das war in der Tat ein guter Gedanke.
Die Diskussionsrunde war anscheinend beendet. Jan sprang auf und verkündete "So, ich hole jetzt Brötchen! Diese Pappe ist ja ekelhaft! Und wenn Lolli noch einmal an unsere Nutella beigeht, dann kann er was erleben!"
Kai lachte noch, als die Haustür ins Schloss fiel. Die Welt konnte so schön sein, besonders an einem Samstagmorgen mit Jan. Schnell sprang er auf, um noch einen Tee zu kochen.
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