zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Trost 2

Kapitel 186-189

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Inhaltsverzeichnis

186

Lolli und Carl vernichteten eine Flasche Prosecco und den restlichen Glühwein aus der Tüte, und neckten Kai noch einmal mit jedem Spruch, der irgendwie auch nur so halb auf eine Bojen-Tini und ein neues Haus, das sein Vater mit renoviert hatte und ein Baby im Anmarsch passen konnte. Zum Glück räumte Carl dabei die Küche auf. Lolli erzählte mit ausladenden Gesten von seiner neuen Wohnung im Hinterhaus in London und seinen Plänen für die nächsten Spielelemente beim Arbeitgeber.

Henri vertrieb sie aber recht bald auf seine übliche zurückgelehnte Art, indem er aus seiner Umhängetasche zwei intensiv nach Sandelholz duftende Kerzen kramte, diese auf dem Couchtisch entzündete und streng befahl: "Geht jetzt wo anders rumkichern und feiern, ihr Lieben. Ihr kratzt mit eurer komischen Stimmung mein Karma total an, das brauch ich gerade gar nicht. Ich will Kai jetzt therapieren und Geld verdienen und dann will ich ins Bett." Er fing einen Blick von Lolli auf: "Allein. Hab eine anstrengende Woche mit Prüfungen für die Physiotherapieschule hinter mir", erklärte er merkwürdig spaßfrei und unfroh.

Carl und Lolli versuchten herauszufinden, ob Henri Sextherapie machte mit Kai und erzählten dann Witze über Sextherapie, die Henri ihnen endlich verbot. Dann bestellten sie sich ein Taxi und verschwanden in einer Wolke des Prosecco, Gekichers und der wildesten Gerüchte in Richtung Subzero und Lukas, der ihnen als Taxi nach Hause in der Nacht zur Verfügung stehen sollte.

Kai starrte ihnen böse hinterher, froh darüber, dass er ihnen für später einen Hausschlüssel mitgegeben hatte. Kaum waren sie fort, als Bardo sich mit mühsamen Bewegungen aus dem Sofa herausklappte und streckte. "Dann... dann... geh ich auch", flüsterte er deprimiert.

Henri war in Sekunden neben ihm auf dem Sofa und zog ihn zu sich runter. "Was kann ich für dich tun, waren die anderen gemein zu dir?", fragte er merkwürdig rührend und auf Muttiart zugleich etwas beleidigend.

Bardo starrte erschrocken und wedelte mit den Händen. "Nichts, nichts! Ich glaub ich...".

Kai hielt ihn auf. "Nein. Bardo hatte die Frage, ob er einigermaßen küssen kann..., oder knutschen vielmehr."

"Knutschen?" Henri hob die Augen. Dann lächelte er. "Da bin ich selber nicht so gut drin. Ich bin gut mit den Händen, mit dem Mund... nicht so sehr. Aber ich kann dir was verraten, du süßes Ding."

Bardo blinzelte ihn an. "Ja?"

"Du bist gut in Intimität."

"Hä?" Kai stemmte eine Faust in die Seite, bemerkte, dass er sich neuerdings andauernd sehr schwul entrüstete und ließ die Hand erneut hastig wieder fallen: "Was soll das denn heißen?!"

Henri legte den Kopf schief: "Es gibt sehr viele Menschen, die haben keine Fähigkeit zur Intimität, sie sind dermaßen verschlossen oder in ihre eigenen Grenzen eingezäunt, dass sie gar nicht mit anderen Kontakt aufnehmen können." Er nahm Bardos Hand auf. "Du kannst das, sehr gut", versicherte er ihm ernsthaft.

Fasziniert starrte Bardo ihm in das spitze Gesicht, dann schüttelte er den Kopf. "Ich weiß echt nicht, was du meinst." Mal wieder ehrlich bis zum Anschlag.

Kai bewunderte wie ehrlich und offen das Bambi in solchen Dingen war. Vielleicht hatte Henri aber tatsächlich Recht. Er ließ sich auf dem Hocker gegenüber nieder, schob eine der Kerzen zur Seite und sagte "Ich versteh dich auch nicht. Erkläre, Intimitätsmeister!"

Henri grinste ihn frech an. Dann sagte er: "Es ist so, dass Bardo einem in die Augen sehen kann, er kann sich öffnen, vertrauen. Das ist das, was viele am allerwenigsten schaffen. Das ist viel wichtiger, als wie man wen womit knutscht." Er hob den Kopf, hob mit zwei Fingern Bardos Kinn und sagte: "Ich mach es vor, schau mir in die Augen..., oh, deine sind wunderschön. Nicht den Blick abwenden, Kai schaut auf die Uhr, sag uns in fünf Minuten spätestens Bescheid, aber vermutlich brauchen wir nicht so lang."

Kai beobachtete, wie Bardo und Henri sich in die Augen sahen, Henri hielt Bardos eine Hand sachte umfasst und strich an seinem Daumen entlang. Nach nicht einmal einer Minute lächelte Henri und sagte: "Siehst du. Schon intim."

Bardo lief rot an, aber nickte, sah weg, gähnte verlegen und flüsterte: "Hm. Okay, das geht leicht."

"Nee, Kai, komm her, wir machen das jetzt."

"Nein. Ihr braucht mich heute mal nicht. Ich geh jetzt...".

"Kai, wenn du ins Bett gehst, komm ich mit. Therapie ist angesagt. Ich geh erst, wenn ich die bei dir durch hab. Das Geld hab ich nämlich leider schon ausgegeben." Er grinste frech.

"Scheiße." Kai stand auf, schleppte den Hocker dichter an das Sofa und ließ sich vor Henri nieder. "In die Augen starren, okay. Das ist dann aber Therapie genug."

"Haha, Kai, du bist so lustig. Gib mir deine Hand. Schau mir in die Augen. Genau so." Henris Augen waren mehr grau als blau, der Blick daraus war forschend, neugierig. Kai fand es nicht anstrengend, Henri anzusehen, aber auch nicht sonderlich intim. Irgendwann gähnte er einmal, einmal blinzelte Henri etwas mehr, sonst rührte sich nichts. Endlich sagte Bardo leise: "Fast fünf Minuten, wird das nicht langweilig?"

Henri lehnte sich sofort zurück und seufzte: "Kai, du bist immer noch wie ein Spiegel, man sieht nur sich selber. Bardo zeigt mir gleich, was er fühlt. Bei dir, keine Chance."

"Ich sag es dir gern. Ich bin genervt und müde. Ich geh jetzt schlafen, brauch heute keine Therapie, mach das mit dem Bambi, der muss, nachdem ihm so ein Arsch gesagt hat, dass er nicht so gut küssen kann, mal was fürs Selbstbewusstsein haben."

"Ehrlich? Was für ein unhöflicher Typ! Bestimmt war der selber nicht gut." Henri grinste. "Ich helf dir, kleines Bambi, keine Sorge." Er drehte sich zu Bardo. "Gib mir deine Hände. Sieh mich noch mal so nett vertraulich an. Genau, genau so."

Bardo lächelte und sah Henri neugierig an. Sie atmeten eine Weile ruhig, blickten sich an, hielten sich an den Händen. Dann beugte Henri sich vor und küsste Bardo einmal auf den Mund. Bardo zuckte leicht zusammen und schloss sofort die Augen für einen Moment, dann sah er gelassen wieder in Henris Gesicht, als sei der Kuss nicht passiert. Henri betrachtete ihn ebenfalls in aller Ruhe, dann hob er eine Hand, schob sie in Bardos viel zu langes Haar, zog ihn dichter und küsste ihn richtig.

Kai starrte die Zwei an, während Henri Bardos eine Hand zu sich zog, ohne den Kuss zu unterbrechen. Bardo schloss die Augen, lehnte sich noch dichter und Kai spürte förmlich, wie die Beiden ihn vergaßen. Leise stand er auf und schlich sich ins Badezimmer davon.

Als er nach dem Zähneputzen und fürs Bett umziehen wieder im Wohnzimmer anlangte, stand Henri gerade vom Sofa auf und lächelte Kai an. "Schnell noch zu dir. Wenn du wieder einmal Panik vor der Verantwortung bekommst, Kai, dann wiederhole folgenden Satz im Kopf einige Male, während du zugleich deinen Atem beruhigst, wie Felix es dir gezeigt hat." Er trat zu Kai, nahm wie aus Reflex seine Hände auf und sagte: "Alles geht immer nur Schritt für Schritt. Sag es, achte darauf, den langsamen Rhythmus zu halten."

Gehorsam wiederholte Kai: "Alles geht immer nur Schritt für Schritt." Er lauschte darauf, ob die Worte ihm irgendwie halfen, aber spürte, dass er schon ruhig war, alles derzeit in Ordnung war mit ihm. "Okay. Das klingt sinnvoll, Henri. Dann geh man Schritt für Schritt wieder nach unten und lass uns hier in Ruhe. Gute Nacht."

Henri lächelte von Kais Unhöflichkeit unbeeindruckt, drückte ihm kurz mit verdammt starken Fingern die Schulter, genau wo Kai verspannt war, dann nahm er seine Tasche, pustete die Kerzen aus und goss das flüssige Wachs daraus in den Mülleimer in der Küche.

Bardo war taumelig aufgestanden und starrte Henri an, der ihn leise summend kaum zu beachten schien. "War das jetzt...", Bardo stockte und wurde rot: "... gut?"

Henri hob die Brauen. "Das fragst du noch, Bambi? Du liebe Güte." Er lachte. Dann sprang er zu Bardo, hopste auf das Sofa und umarmte ihn einmal. "Du bist ein ausgezeichneter Knutschpartner! Hast mich ganz scharf gemacht, wenn ich das mal sagen darf. Ich werde mich gleich mal darum kümmern müssen. Ein Glück hab ich keine Kunden mehr heute. Fast ist es ein Jammer, dass du erst so jung bist, sonst könnten wir uns gemeinsam kümmern. Oh, nein, sicherlich geht das nicht, weil du so einer von den Ernsthaften bist. Du willst vor dem Sex immer eine Beziehung haben, oder? Ja?" Er betrachtete Bardo samt roter Ohren und schlaksiger Glieder einmal, der Gesichtsausdruck war fast stolz, wie jemand, der sein Lieblingsprojekt betrachtete.

Bardo blickte zurück als wollte er sagen 'scheiß auf die Beziehung, her mit dem Sex!', aber er nickte schließlich. Zum Abschied drückte Henri Bardo noch einmal. "Bleib so wie du bist, du süßes Ding! Du ausgezeichneter Knutschpartner, du!"

Gleich darauf war Henri davongesprungen. Die Wohnungstür klappte und Kai sah Bardo nachdenklich an. Der starrte glasig auf den leeren Glühweinbecher, dann gähnte er derart ausgiebig, dass Kai nun mit Sicherheit wusste, dass Bardo beneidenswert gesunde Zähne und einen reizlosen Rachen hatte.

"Ab ins Bett, Bambi!"

"In welches?" Immerhin, Bardo konnte noch zählen.

"Zu mir, was anderes ist mir zu kompliziert mit den Kicher-Tucken in meinem Zimmer. Ich schreib Jan eine Nachricht, dass er sich nicht wundern soll, falls er überhaupt heute noch zurückkommt."

In Rekordzeit lagen Bardo und er nebeneinander im großen Bett. Jeder unter seiner eigenen Decke und starrten zum Kippfenster, das sie vergessen hatten mit Rollo zu versorgen. Regen lief draußen herunter, ein gelbgrünes Ahornblatt klebte fast in der Mitte der Scheibe und Kai musste immer wieder hinsehen.

"Kai?"

"Hm. Schlaf."

"Können wir uns nicht noch mal küssen? Und du sagst mir, ob das okay war?"

"Nein."

"Warum nicht?"

"Henri war begeistert, der weiß in solchen Sachen gut Bescheid."

"Ja. Aber..."

Kai drehte sich auf die Seite: "Bambi! Geh mir nicht auf den Sack! Ich bin müde, genervt von der scheiß Tini und ihrem scheiß Renovier-Haus und außerdem willst du nur mit mir knutschen. Ich hab einen Freund, falls dir das entfallen ist!"

"Hm." Bardo blinzelte in die Dunkelheit. "Aber nur als Freunde?", fragte er einige Atemzüge später.

"Ich bring dich um und lass es wie einen Unfall aussehen, Bardo!" Kai beugte sich über ihn und knutschte ihn fest auf die Wange. "So! Schlaf!"

"Nee... das war nicht richtig. Darf ich?"

Kai verschränkte die Arme. "Mach schnell, ich bin müde", knatschte er dann.

Ein leises Kichern war die Antwort und Kai dachte ungemütlich daran, dass er echt noch üben musste, wenn er Ari-Ding vernünftig erziehen wollte. Das verdammte Bambi bekam ihn viel zu leicht herum. Im nächsten Moment berührten sich ihre Lippen, ganz sachte, eher so, dass es sich wie eine lästige Berührung anfühlte, etwas störend, wie ein Mückenstich, der nicht mehr so richtig doll juckte, aber noch da war. Als Kai schweigend still hielt, wagte Bardo es doch und festigte den Kuss ein wenig.

Endlich, als Kai spürte, dass er durch sein Stillhalten bewirkte, dass Bardo doch wieder aufhören wollte, rückte er von sich aus ab. "Das hast du mit Artur gemacht?"

"Hm."

"Nee, das war echt nix Dolles, der unhöfliche Artur hat leider Recht."

"Echt?" Betrübt blinzelte Bardo ihn an.

"Was haste denn mit Henri gemacht?"

Bardo hob die Schultern, dann murmelte er "So was in etwa." und beugte sich noch einmal über Kai, dieses Mal strich er mit den Lippen an Kais Mund entlang, fast wie ein Streicheln.

Kai hob das Kinn, dann umfing er Bardos Nacken. "Noch mal! Mehr Schwung bitte! Das war nur nervtötend. Wenn Henri davon geil wird, hat der was genommen oder so..., hat er bestimmt sowieso."

Wieder trafen sich ihre Lippen, aber Bardo ließ es erneut bei dem sachten Streichen von geschlossenen Lippen, genau wie bei einer Begrüßung.

Kai blinzelte in die Dunkelheit. "Das ist Oma-Tante-mäßig, Bardo. Damit haust du keinen Artur aus den Socken. Klarer Fall."

"Dich auch nicht, oder?"

"Nee. Sicher nicht." Kai gähnte.

"Noch mal?"

"Hm. Letzte Chance. Wenn du dich nicht traust, dann ist es eben auch noch nix. Ansonsten kannste ja mal mit der wilden Anna üben. Hat die nicht ganz begeistert gewirkt, nachdem ihr geknutscht hattet?"

"Hm, aber sie hat alles gemacht damals."

"Du bist zu passiv, das ist es. Stimmt. Dann wird das nix, bevor du dich nicht traust."

Bardo machte dieses Mal von sich aus Attacke, etwas fester, etwas beherzter, aber Kai fühlte keine Hitze, nichts das irgendwie mehr war als eine nette Verabschiedung mit leicht verzweifeltem Beigeschmack. Bardo ging erwartungsvoll auf Abstand.

"Nee, Oma-Tante. Du bist ja echt ein Totalausfall..., das hätte ich irgendwie nicht gedacht." Kai richtete sich auf. Bardo hatte einen solch schönen Mund. Er konnte sinnlich sein. Vielleicht nicht erotisch, aber dennoch war es erstaunlich, dass er nicht küssen konnte. Kai blinzelte ihm ins Gesicht. "Was machen wir denn da? Der scheiß Artur hat Recht! Du kannst voll nicht küssen, Bambi! Ach du Scheiße!"

Verzweifelt raufte Bardo sich die Finger in die Haare. "Ich kann das nicht, Kai. Siehst du?! Ich kann es nicht...". Er setzte sich ebenfalls auf und boxte die Bettdecke.

Kai schob Bardo an den Schultern zurück auf das Kissen, beugte sich über ihn. "Klar kannst du", flüsterte er, dann küsste er Bardo auf den überraschten Mund. Nach einem kleinen Augenblick öffnete er die Lippen und ließ zum Abschluss gar die Zungenspitze über Bardos Unterlippe huschen.

Ein leises Quieken war die Antwort. Bardo blinzelte ihn an, dann lächelte er. "Das war..."

Eine raue Stimme von der Tür unterbrach sie. "Hey, knutscht ihr rum?!" Jan. Leicht, aber nicht zu sehr angetrunken. Er hechtete sich auf Kai, umfing sein Kinn und küsste ihn fest auf den Mund, innerhalb von Sekunden hatte er seine Zunge an Kais Zähnen entlang geschoben, mit der freien Hand erkundete er seinen Oberkörper. Die Finger waren eisig, Kai erschauderte.

Endlich ließ Jan von ihm ab, seine Zähne blitzten einmal, als er lachte. "So macht man das, Bambi. Nicht so schüchtern!"

"Aber...", Bardo war vor ihnen zurückgewichen.

Jan umfing sein Handgelenk. "Nix da! Wenn du üben willst, dann jetzt oder nie. Morgen bin ich wieder nüchtern, dann find ich die Idee bestimmt scheiße. Also hopp, jetzt und ran!"

Bardo ließ sich nicht länger bitten und Kai wurde nahezu attackiert. Hektisch und wirklich, im Vergleich zu Jan jedenfalls, nicht sonderlich geschickt. Aber Bardo schmeckte gut, etwas nach Minze vom Zähneputzen, nach Orangen vom Glühwein und nach ganz viel weicher Naivität. Kai öffnete den Mund, ließ zu, dass aus dem ungelenken Knutscher ein träger Zungenkuss wurde und hörte erst wieder auf, als Bardo atemlos von ihm abrückte.

Jan hatte sich in der Zwischenzeit umgezogen. Er wuschelte Kai und Bardo mit je einer Hand durch die Haare, dann verkündete er: "Ich muss sowas von aufs Klo! Bin gleich zurück, dann knutsche nur noch ich mit Kai, kapiert?!"

Bardo kapierte und attackierte Kai erneut, kaum war die Zimmertür ins Schloss gefallen. Er grinste dabei verlegen und frech zugleich. Sein Wuschelhaar kitzelte Kai an der Wange, als sie sich dichter zueinander schoben. Seine Lippen waren dieses Mal schon gewohnter für Kai, forschend schien Bardo außerdem ein wenig mehr ausprobieren zu wollen. Außerdem wurde er immer sicherer und erstaunlich rasch besser. Kai gefiel es, das Bambi zu küssen, aber es erregte ihn nicht, nicht wie der eine Kuss von Jan. Nicht, wie der Gedanke, dass Jan gleich wieder bei ihm sein und zu ihm unter die Decke kommen würde.

Um Bardo etwas zu denken zu geben, umfing Kai seinen Nacken mit einer Hand und biss ihm in die Unterlippe, bevor er ihm mit einem letzten Zungenkuss den Atem raubte.

Als Jan wieder ins Zimmer kam, flüsterte Bardo leise: "Danke. Ich glaub, dass ich es jetzt kann."

Kai knurrte: "Das glaub ich auch." Dann grinste er und drückte das Bambi noch einmal rasch, bevor er ihn unter die Decke entkommen ließ: "Du hast es raus, keine Sorge."

Jan lachte darauf, krabbelte zu Kai und küsste seinen Hals, schuf in Sekunden ein Erschaudern und Sehnen in Kai, dass sich mühelos die Wirbelsäule entlang und bis tief in seinen Körper arbeitete, bevor er ihn im Einschlafen begriffen streichelte, so wie er es immer tat. Kai schmiegte sich an, schloss die Augen und seufzte leise.

Jan wurschtelte noch mit der Bettdecke herum, dann fragte er: "Und? Habt ihr genug geknutscht?"

Bardo konnte man anhören, dass er diplomatisch zu sein versuchte: "Na ja... ja, glaub schon."

Jan lachte leise, dann flüsterte er Bardo zu: "Kai kann extrem gut küssen, geil oder?"

Bardo kicherte leise und murmelte eine schüchterne Zustimmung.

Jan lachte, eine raue, leider auch kalte Hand schob sich unter die Schlafanzughose über Kais Hintern. "Ist fast besser als mit ihm ficken..., glaub aber nicht, dass du das jemals darfst!"

"Nein!" Es klang entsetzt. Kai war derweilen damit befasst Jan auf den Hinterkopf zu hauen.

"Dann ist es ja gut." Jan gähnte, streichelte Kai über den Po und atmete nur Momente später tief und gleichmäßig.

Und es war gut. Bis gegen halb fünf am Morgen die Meiersche und Lolli sternhagelvoll wieder in der Wohnung anlangten und Kai weckten, weil ihnen das Geld für den unten wartenden Taxifahrer fehlte. Lukas hatte sie natürlich doch sitzen lassen.

187

Am Morgen wartete Kai dafür nicht lange mit dem Frühstück, sondern schickte Bardo schon gegen halb neun Brötchen holen, kochte Kaffee und Tee, weckte die verkaterte Meiersche und einen vollkommen unausgeschlafenen Lolli mit brutaler Genugtuung.

Als sie gähnend Kaffee und Brötchen vernichtet hatten, verschwanden Lolli und die Meiersche zur 'Augenpflege' in Kais Zimmer zurück. Gleichzeitig schnappte Bardo sich seinen Cellokoffer, dann sah er Kai kurz an: "Du, ich habe mein Zimmer fertig. Kommst du mal vorbei?"

"Hm." Kai blickte auf den Terminkalender am Kühlschrank, wo seine Dienste verzeichnet waren. "Morgen nach dem Frühdienst im LPP", bestimmte er dann.

Bardo nickte: "Das passt super. Toll! Bis morgen!" Fröhlich hopste er samt Ökosachen und dank Knutscherei gerettetem Selbstwertgefühl von dannen.

Jan sah ihm nach, dann stellte er seinen Teebecher etwas zu hart auf dem Tisch ab: "Kai, de jung is in di verknallt."

"Hm."

"Das muss langsam aufhören. Bardo muss wirklich mal einen anderen Schwarm finden und dich nur noch als Freund sehen können."

"Ich versuche ihn ja schon dauernd abzuhärten. Gestern hab ich ihn zum Vergleich mal mit Henri knutschen lassen, aber das hat nix gebracht."

"Henri?"

"Hm. Haste mir den nicht zur Therapie auf den Hals geschickt?"

"Ich weiß nix von einer Therapie. Seine letzte Rechnung hab ich vom August oder so. Seitdem geht es dir doch auch wieder gut."

"Dann hat Lukas ihn auf mich gehetzt, weil ich letztens so Stress hatte." Jan blickte Kai forschend an und er seufzte ertappt. "Wegen Norbert und Renovieren und Baby und so. Wurde alles irgendwie zu viel. Außerdem waren wir hier nie allein."

"Genau wie heute, wann sind deine Freunde denn weg?" In Neonlettern leuchtete 'wann denn endlich' über Jans Kopf auf.

Kai ließ den Kopf stöhnend auf die Unterarme sinken: "Nachmittag. Carl fährt dann zu Pascal rüber, Lollis Flug geht am Abend."

Sie seufzten Beide, mussten grinsen und Jan umfing Kais Handgelenk, um ihn mit sich zu zerren. "Komm, Baby, Augenpflege! Und vielleicht pflegst du mir noch den einen oder anderen Körperteil, hm?"

Und ob Kai das tat. Schlafende Freunde nebenan hin oder her, die Welt war schön, wenn es regnete, Jan ausnahmsweise frei hatte und sie im Bett bleiben konnten. Nach Kuschelsex mit Jan, ausgiebiger Augenpflege und einer veganen Köstlichkeit von der Meierschen, samt zu viel Cola und Klatsch und Tratsch von Lolli, wurden sie am Abend dann auch die Meiersche und Lolli wieder los. Jan trabte ab zum Unisport, um sich dort mit Holger zu treffen. Mit einem Mal lag die Wohnung leer und still da.

Kai legte und bügelte Wäsche, hörte leise Musik und dachte über das Bambi nach. Abhärten, ihm zeigen, dass sie Freunde waren. Freunde, aber eben nur Freunde. Was konnte er in dieser Sache tun? Er beschloss, dass es auf dem Termin zur Zimmerbesichtigung sein musste. Sobald es ging. Sie hatten sich mehr als nur mal zur Begrüßung geküsst, Henri hatte Bardo vorher noch was von Intimität erzählt und das war vielleicht eher schlecht gewesen. Sie hatten das, miteinander. Sie konnten sich intime Dinge erzählen, sich berühren, auch in Situationen sehen, die ihnen nicht gut taten, ohne darunter zu leiden. Aber es war Freundschaft. Das Feuer fehlte, die Hitze, die nur ein Blick von Jan auslösen konnte. Kai war sich sicher, dass sein Bambi nur den Unterschied lernen musste, damit sie dann wirklich glücklich sein konnten.

Als Kai am nächsten Nachmittag nach einer recht erholsamen Frühschicht mit gewohntem Team im LPP zum Platz rüber lief, an dem die Fröhlich-Apotheke mit Weihnachtsdekoration in den Schaufenstern den nass-kalten Tag ein wenig erwärmte, war sein Plan bereits gut gefestigt.

Bardos Zimmer unter dem Dach bot wenig Überraschungen. Genau wie das Bambi, so war sein Zimmer. Ehrlich, geradeheraus und nicht sonderlich geschmackssicher. Die schweren Vorhänge würden sich spätestens im Sommer als Fehlentscheidung herausstellen. Aber die Fotos von Kai, in nackt, an der Innenwand neben der Bett-Abseite, die waren dann doch eine ziemliche Frechheit.

Kai betrachtete Bardo samt seiner roten Ohren und konnte innerlich nur den Kopf schütteln. So wollte das Bambi einen Freund finden? Mit Bildern von seinem Schwarm am Bett? Wichsvorlage, so kam es Kai vor. Allerdings glaubte er Bardo, dass es nicht so gedacht war, nicht nur zumindest. Er glaubte ihm sogar, als er die Küsse vom Vorabend als Vorlage nahm, um erneut verliebt zu leiden und ihn anzuhimmeln.

Aber nachdem sie dann im Bett miteinander gekuschelt hatten, quasi nichts gelaufen war, das nennenswert mit FSK 18 bezeichnet werden konnte, Bardo aber dennoch ganz offensichtlich gelernt hatte, dass Kai und Sex nicht zusammen gehörten für ihn, war Kai auch wieder ein wenig mehr in sein Bambi verschossen.

Außerdem rief Jan ihn an, dass er einen Abholservice plante, was Kai auch noch mehr für seinen Freund einnehmen konnte, weil es wieder regnete.

Jan grinste auf der Rückfahrt darüber wie Kai sich auf die Schulter klopfte und freute, dass er das Bambi jetzt vermutlich endlich bekehrt hatte. Außerdem nutzte Jan die Vorlage, um Kai vor seinem nächsten Trainingsspiel zu verführen.

Schon im Wagen in der Garage knabberte er Kai den Hals entlang und freute sich an der Gänsehaut, die sich vom Scheitel bis auf die Beine über Kais Haut zog: "Baby, wir haben zu wenig Zeit für solche Sachen. Du bist jetzt schon auf hundertachtzig, dabei hab ich nicht mal die Hand an deinem Schwanz."

Kai rollte kurz mit den Augen: "Romantisch, wie immer, Jan. Danke." Im nächsten Moment hatte Jan tatsächlich die Hand an seinem Hosenstall und rieb ihn nicht allzu sacht durch den Jeansstoff hindurch und Kai keuchte, mit Flucht aus dem Wagen befasst: "Danke! Romantisch genug! Romantisch genug! Ich bin für Wohnung, es ist Winter!"

Jan grinste und schloss den Wagen ab, ließ Kai einen kleinen Vorsprung, aber überholte ihn noch auf der ersten Treppe. "Der erste oben, bekommt einen geblasen!" Lachend rannte er vorweg.

Kai blinzelte, grinste und folgte seinem Freund dann ganz gemütlich bis in ihre Küche, wo Jan, durch den zeitlichen Vorsprung bereits nackt, mit einem Glas Wasser in der einen und einem Kondom in der anderen Hand vor ihm stand.

"Na? Ich hab da mal was vorbereitet." Mit lockerer Geste deutete Jan an seinem nackten Körper entlang.

Kai lachte auf, dann warf er einen kleinen missmutigen Blick auf den roten Hochstuhl am Esstisch. Energisch schob er seinen appetitlich nackten Freund auf die Tischplatte zurück, so dass der Hochstuhl von reichlich gebräunter, geil nackter Haut vor ihm versteckt wurde und entwendete ihm das Kondom. "Ich dachte blasen ist dran."

"Oh..., aber immer doch", schamlos lehnte Jan sich auf dem Tisch zurück und nahm die Beine auseinander. Die weiche Beleuchtung aus der Küche hob das Waschbrett auf Jans Bauch hervor, neidisch ließ Kai die Fingerspitzen einmal darüber streichen. Scheiße, sein Freund sah geil aus. Nicht nur der Erektion wegen, die sich bereits merklich an seinen Zuwendungen interessiert zeigte.

Kai beugte sich dichter und küsste Jans Mundwinkel, die Wange, dann seinen Hals. "Jetzt hast du die Gänsehaut", flüsterte er leise, während seine Finger den Weg zu den Brustwarzen fanden. Mit den Nägeln schabte Kai leicht darüber, genoss das leise Schaudern und Aufstöhnen. Im nächsten Moment lehnte Jan sich vor, eine Hand schob sich fest über Kais Hintern und zog ihn dichter. Sie küssten sich tief, Kai schob seine Zunge gierig über Jans Lippen gegen seine Zähne, gegen die Zunge und er ließ eine Hand um den schon etwas kühlen Körper herum streicheln auf seinen Hintern. Der Zungenkuss war ein geiler Auftakt zum Oralsex, brachte sie beide außer Atem, machte Kai Lust auf so viel mehr von Jan.

Sie sahen sich schwer atmend in die Augen und Jan berührte leicht seine Unterlippe, bevor er flüsterte "Gott Kai! Du küsst so verdammt gut, allein davon kann ich schon fast kommen. Mach mir das mit der Hand, fass mal mehr am Hintern zu, ich bin nicht aus Zucker."

Kai grinste, kam den Anordnungen nach, aber zog sich dann doch mit dem Fuß einen Stuhl heran, um es Jan wie versprochen mit dem Mund zu machen. Er küsste den angespannten Bauch entlang und setzte sich, stellte fest, dass er zu niedrig saß und kniete sich dann auf den Stuhl.

Jan griff ihm an die Schulter, dann in die Haare, als Kai den Penis bis zur kleinen Narbe entlang küsste, mit den Lippen einmal darüber streichelte und mit den Fingern der einen Hand bereits sachte an den Hoden zupfte.

Jan roch frisch geduscht. Das, zusammen mit der Bemerkung, dass Jan etwas vorbereitet hatte, brachte Kai erst im nächsten Moment darauf, dass er das wörtlich gemeint hatte. Er hatte sich, bevor er zu Bardo gefahren war, vorbereitet für den Sex. Mit einem kleinen Lächeln ließ Kai seine Zunge über die Leisten streichen, um ihm stumm dafür zu danken.

Jan tastete blind nach seiner freien Hand und verschränkte ihre Finger, die andere Hand vergrub er in Kais Haaren. Kai lächelte, aber ließ nicht mehr nach, sondern umfing Jans Penis mit den Lippen und ließ die Zungenspitze darüber streichen, immer wieder, nur über die Spitze. Hin und wieder schob er die Zungenspitze gegen den Schlitz, aber nur kurz, weil Jan damit immer sehr empfindlich war. Kai wollte nicht, dass sein Freund zu rasch kam. Mit geschlossenen Augen überließ er sich den heiser geflüsterten Worten seines Freundes und seinem Geschmack und Geruch.

"Oh, genau das.... das ist so.... Kai, so geil, geil... ". Mit der freien Hand half Kai nach, weil sein Würgereiz leider viel besser ausgebildet war als der dieser Pornojungs. Aber das spielte für Jan keine Rolle, er stöhnte laut auf, hob sich Kais Mund und Hand entgegen und griff schon unangenehm fest in Kais Haar.

Kai hatte kein Gleitgel zur Hand. Was für ein Planungsfehler, aber seine Finger waren dennoch feucht genug, um Jan noch necken zu können. Jan nahm die Beine weiter auseinander und stellte einen Fuß noch auf den Tisch. Laut aufstöhnend flüsterte "Mach weiter, bitte.... bitte bitte... Kai!"

Mit einem kleinen Grinsen drang Kai mit einem Finger in seinen Freund ein, zugleich verstärkte er seine Bemühungen noch, allmählich begann sein Kiefer sich müde anzufühlen. Aber es wurde im nächsten Moment egal. Jan warnte ihn leise, aber Kai ignorierte ihn, gleich darauf schmeckte er seinen Freund und musste dann doch rasch die Lippen von ihm lösen.

Im nächsten Moment hatte Kai das Problem, sich zu entscheiden. Schlucken? Ausspucken? Er streichelte Jan durch den Orgasmus weiter durch, bis er zufrieden seufzend auf den Tisch zurück sank. Dann stand er auf und ging rasch in die Küche, wo er in die Spüle ausspuckte, sich die Finger abwusch und den Mund mit einem Schluck Wasser spülte.

Jan stand im nächsten Moment hinter ihm und nahm sich ein Küchentuch. "Geil", flüsterte er und schob seine freie Hand an Kais Hüften entlang bis auf seinen Schritt. "Und du bist auch noch hart... haste Bock?"

Kai lehnte sich gegen Jan zurück und drehte den Kopf. "Und wie! Bett?"

"Hm. Dusche? Ich muss bald los, aber wenn du mich ficken willst, dann komm ich gern mal zu spät."

"Ob ich will fragst du?" Kai lachte, gleich drauf stolperten sie zusammen in das Bad, wo Jan nebenbei die Dusche anstellte, bevor er sich auf Kai warf und ihn wild küsste, zugleich an seiner Hose zerrte. Im nächsten Moment ließ er von Kai ab und grinste frech. "Arbeitsteilung, Baby. Du ziehst dich aus und die Tüte über, ich fang in der Dusche schon mal an."

Kai nickte gehorsam und kickte die Hose und Socken von sich, bevor er seinen Pullover über den Kopf zog. Als er zum Kondom griff sah er, wie Jan in der Dusche tatsächlich schon einmal begann, sich selbst vorzubereiten.

Mit sicheren Bewegungen verteilte Jan Gleitgel zwischen die Pobacken und fasste dann dazwischen. Kai biss sich auf die Lippen, als er sah, wie Jan vorsichtig mit einem Finger eindrang. "Na? Hilfst du mir, oder muss ich alles allein machen hier?" Jan blickte frech über seine Schulter auf Kai zurück. "Komm schon, fick mich endlich!"

Mit wackeligen Schritten trat Kai zu seinem Freund in die Dusche, aber streichelte ihm erst einmal nur mit den Fingern über den Hintern, die Hüften entlang, noch einmal nach vorn auf den schon wieder etwas steifen Schwanz. Er küsste Jans Schulter, dann fragte er nach dem Gleitgel greifend "Willst du noch mal kommen?"

Jan lachte, nickte und behauptete: "Das will ich nicht nur, bin mir sicher, das werde ich. Du bist so geil heute! Solltest öfter mal mit dem Bambi knutschen."

Kai verteilte das Gel auf seinen Schwanz, schob noch einmal am Kondom, dann lehnte er sich dichter und begann ohne weitere Vorbereitung in Jan einzudringen. Er musste sich zurück nehmen, langsam vorgehen, auch wenn Jans Finger sich schon in seine Hüfte gruben und ihm nach einigen Minuten ein gereiztes: "Nun mach schon! Gibs mir endlich!" entgegen gezischt wurde.

Kai grinste, küsste Jan auf den Nacken, umfing ihn mit einem Arm und zog ihn allmählich dichter, auf sich. Nach einer kurzen Weile begann er sich im Wechsel auch ein wenig zurück zu ziehen, nie viel, nur mit kleinen Bewegungen. Er konnte Jan noch immer schmecken und genoss es. Es war außerdem wundervoll, Jan zu sehen, wie er leise fluchend versuchte, Kai anzutreiben, wie das Wasser der warmen Dusche ihm über den Rücken rann, bis in die Pofalte, bis auf Kais Schwanz. Wie Jan allmählich die Kontrolle und Beherrschung verlor. Mit den Fingern ertastete Kai die wachsende Erektion, legte die Hand locker darüber, streichelte, holte nicht runter, aber verhinderte auch, dass Jan sich selbst in die Hand nahm.

Endlich hielt auch Kai es nicht mehr aus. Er umfing mit der einen Hand Jans Hüfte, mit der anderen stützte er sich an der Wand ab, bevor er begann, seinen Freund mit schnellem harten Rhythmus einzunehmen. Jan warf den Kopf zurück und rief :"Ja! So, Kai! Genau! Der Winkel ist geil..., schneller...". Mit einer fahrigen Hand zerrte er an Kais Hüfte, versuchte ihn noch mehr und noch mehr anzutreiben, aber Kai behielt den Rhythmus, genoss das Zusammensein, die Kontrolle und seine immer weiter steigende Erregung.

Erst als Jan schon wieder kam, gab Kai sich auch hin und beschleunigte die Stöße, bis ihn der Orgasmus durchfuhr und ihn weiße Blitze sehen ließ. Gleich drauf fühlte er sich noch wackeliger in den Beinen, aber Jan war da, hielt ihn auf, nachdem er sich zurückgezogen hatte. Jan nahm ihn in den Arm und küsste ihn noch eine ganze Weile, bis Kai wegen der Gefahr, dass sie noch Schwimmhäute bekamen, das Wasser abstellte und aus dem Bad flüchtete.

"Scheiße, hast du mir das gegeben. Jetzt lass ich das Trainingsspiel wohl besser ganz sein", begrüßte Jan ihn wenig später im Schlafzimmer und tippte irgendwelchen Leuten eine Entschuldigung auf dem Handy.

Ein kleiner Seitenblick, dann murmelte Jan mit einem Mal ernst: "Wir waren nicht safe, eben."

"Was?" Kai blinzelte seinen Freund an. "Wieso?"

"Du hast mich ohne geblasen, Kai."

"Oh. Stimmt...". Kai blickte Jan schuldbewusst an, dann hob er die Schultern. "Wir sind beide sauber, aber da hab ich eben nicht drüber nachgedacht."

"Hm. Stimmt. Wir sind beide sauber, beide treu..., dann können wir fürs Blasen drauf verzichten. Ging es denn?"

Kai wandte sich ab und kramte betont lange im Schrank. "Klar. War okay."

Jan lachte. "Okay? So lang du nicht schlucken musst, was?" Er gähnte, dann schob er seine Nase gegen Kais Haaransatz. "Nächstes Mal mach ich das auch ohne. Will echt wissen, wie du schmeckst."

Kai grummelte eine Antwort, versuchte nicht schon wieder geil zu werden und ging noch mal in die Küche rüber, wo er sein T-Shirt vermutete.

Als sie später gemeinsam im Bett lagen, Jan, mit seiner sexy Brille auf der Nase und einem seiner komplizierten Bücher, und Kai, leeren Blickes und vollkommen befriedigt und ausgefickt, meinte Jan leise: "Warum war Henri da, Kai? Was war los, das du mir nicht sagen wolltest?"

Unruhig wandte Kai sich von ihm fort: "Ich...".

"Lukas war hier, hast du gesagt?" Jan lehnte sich dichter und strich ihm mit der flachen Hand einmal über den Rücken, dann zog er ihn an der Schulter herum: "Was war? Hast du dich vor einem Motorrad erschreckt? Im November?"

Kai fühlte sich mit einem Mal fehlerhaft. Missmutig schüttelte er den Kopf. Dann gab er Jans Finger nach und rollte weiter zu ihm herum. "Ich hatte eine Panikattacke, neulich, als du zum Fußballturnier mit deiner Jugend warst. An dem Wochenende, Norbert war gerade zum Haus."

Jan blinzelte ihn an. "Panikattacke?", flüsterte er schließlich, es klang zutiefst erschrocken. "Wie schlimm?"

"Schlimm", gab Kai endlich zu und sah unglücklich auf seine Finger. "Ich konnte nach der Dusche nicht mehr atmen, musste... weinen... konnte nicht mehr aufhören." Er atmete zittrig durch, die Erinnerung war anstrengend. 'Alles geht immer nur Schritt für Schritt', dachte er verzweifelt und stellte fest, dass es half. Scheiß Henri, kannte sich echt aus. Er dachte es noch zwei Male, dann redete er weiter. "Lukas ist sofort gekommen, hat mir Kaffee gekocht, mir zugehört und mich heulen lassen", listete er so nüchtern wie möglich auf.

Jan seufzte leise. "Ich hatte das Handy aus, das wird immer mal so sein, Kai. Deswegen bin ich froh, dass du Lukas hattest."

"Hm. Aber?"

"Aber, verheimliche sowas nicht vor mir, bitte."

"Ich wollte nicht mehr daran denken."

"Bitte. Ich will dir auch helfen dürfen, ja? Für dich da sein. Weswegen war die Panik denn? Wegen Leeve?"

Kai nickte unglücklich, fühlte sich mit einem Mal wieder so wund und schutzlos. Die Erinnerung daran, wie Lukas ihm sagte, dass sein Sohn ihn im Griff haben würde, tauchte ungebeten auf. Im Hirn breitete sich die neue Abteilung: Panik und ihre Verursacher aus.

Jan seufzte noch einmal. "Es tut mir so leid, Kai. Dass alle um dich her sich freuen können und das von dir verlangen."

"Niemand verlangt es so direkt von mir, aber... aber sollte ich nicht... irgendwie..." Verwirrt stockte er.

"Du musst gar nichts. Tini und du, ihr habt über die Verantwortung gesprochen, Termine bei dem Uni-Hort, dem Kinderarzt und so weiter. Aber du musst gar nichts, das hat sie doch gesagt. Du bist der einzige, der das von dir verlangt, Kai."

"Weil es so sein muss. Ich bin verantwortlich, Jan. Ich muss..." Er ballte eine Hand zur Faust. "Ich werde mich kümmern, okay?"

"Auch, wenn es dir nicht gut tut? Wenn es dich krank macht?"

"Wird es nicht. War nur zu viel auf einmal, glaub ich. Lukas meinte, dass es mir gut tun wird, eines Tages. Darauf warte ich jetzt." Er sah zu Jan rüber. "Wenn Ding da ist, dann... ich möchte trotzdem auch mal nur mit dir zusammen sein, okay?"

"Nur wir zwei? Der Wunsch geht in Ordnung, Kai." Er lächelte. "Nur wir zwei... das will ich auch."

Kai seufzte und warf einen zweifelnden Blick auf seinen Freund. Jan. Immer fröhlich, gern selbstsüchtig und zugleich dann wieder für ihn da, nur für ihn. Würde ihnen das nach der Explosion der Riesentonne verloren gehen? Würde Kai seinen Freund nicht an eine Frau sondern an ein Ding verlieren?

Jan fing seinen Blick auf. "Hey, so bleibt es, okay? Hab keine Angst, dass Ding da etwas ändert." Er streckte sich. "Wehe. Das war so geil eben. So geil! Soll ich dir nicht doch noch einen blasen?"

Kai lächelte und schüttelte den Kopf. "Nee, heute nicht. Morgen früh vielleicht." Er zögerte und betrachtete Jan. "Hey." Mit einigen etwas unbeholfenen Bewegungen robbte Kai dichter zu seinem Freund. "Ich..."

Jan betrachtete ihn. "Hm?"

"Ich, Jan, ich... " Kai holte Luft und ärgerte sich über sich selber, dann ballte er eine Hand zur Faust. "Ich wollt nur sagen, du schmeckst geil, ich mach das gern wieder."

"Und?"

"Was und?"

"Und was wolltest du wirklich sagen?" Der Lehrerblick durch die Brille machte Kai schärfer als er wollte. Hastig blickte er zum Fenster rüber. Er raffte die Decke um sich und schob sich gegen Jans warmen Körper. "Ich..., ach, ich liebe dich." Fast hätte Kai noch die Arme verschränkt.

Jan küsste ihn und zog ihn dichter, um ihn im Nacken zu streicheln. "Weiß ich doch."

Die sicheren, etwas kühlen Worte wurden durch Jans weichen Blick Lügen gestraft. Und durch sein Schweigen. Im nächsten Moment küsste er Kai einmal fest auf die Schläfe und dann auf den Mund. Als Kai allmählich einzuschlafen begann, flüsterte er "So soll es bleiben."

Jan fuhr mit den Fingerkuppen an seinem Hals entlang zum Ohr. "Ja", flüsterte er dann zurück. "Immer."

188

Am nächsten Donnerstag goss es tagsüber in Strömen. Am Abend wandelten sich Teile des Regens in Schnee. Die Welt war grau und ekelig. Es war unangenehm kalt. Das machte alle missmutig. Und somit schleppte Kai sich fröstelnd auf die Arbeit in LPP. Er freute sich schon auf das Wochenende. Kai hatte aber auch nichts weiter vor als ein wenig zu lernen. Kein Norbert, der ihn nervte, kein Lolli und hoffentlich keine Tini mit Renovierungsplänen. Jan verplante sich, wie immer natürlich. Vielleicht konnte er in Ruhe einen Film sehen.

Doch das Schicksal hatte etwas gänzlich Anderes mit seinem Wochenende vor. Es begann damit, dass in der Spätschicht, gleich zu Anfang, der Eingang vom LPP durch den Schneeregen und Sturm nass war. Derart nass, dass die eine Kellnerin samt ihrem Tablett ausrutschte und das Tablett dann auch noch an den Kopf bekam. Sie hatte eine kleine Platzwunde und wurde von Leon mit stoischem Gesichtsausdruck zur Notfallklinik gefahren. Pax übernahm daraufhin das Kellnern für sie und Kai musste die Theke ganz allein schaffen. Basti hatte frei nach Frühschicht.

Außerdem war eine Feier der Designstudenten im benachbarten Galeriegebäude. Zu später Stunde drifteten leider eine ganze Reihe der Partybesucher zum LPP rüber, um sich noch einen Cocktail zu genehmigen. Kai kam aus der Arbeit kaum noch heraus.

Als sie um halb Eins dann endlich alle aus dem Laden gekehrt hatten, war das Aufräumen noch nicht erledigt. Pax rief gar einen seiner Lover an, weil der letzte Bus gefahren war. Und eine halbe Stunde später, als Kai die letzte Spülmaschinenladung ausräumte, stand Thies vor der Tür. An diesem Tag nicht mit Lieferwagen und Tischlerklamotten, sondern einem ziemlich teuer aussehenden schwarzen Geländewagen und Designerjeans zu einem feinen Oberhemd und einem sehr schicken schwarzen Wollmantel.

"Bärchen? Können wir Kai mit rumfahren? Sein letzter Bus ist auch schon weg und Leon ist noch mit Mia im Krankenhaus, die hat nicht nur die Platzwunde, sondern auch eine Gehirnerschütterung abbekommen. Auweia, die Ärmste." Pax kletterte auf einen Barhocker und von dort Thies in die Arme, der ihn scheinbar mühelos hochhob und an sich drückte.

Thies nickte Kai zu: "Gern, aber dann los jetzt, ich bin hundemüde. Heute war doch mein OP-Tag."

Kai hatte sich schon umgezogen und warf sich die Jacke über: "OP? Hattest du eine OP?"

Thies lachte und schüttelte den Kopf. Er stellte Pax wieder auf die Füße und sah ihnen beim Abschließen zu: "Nein. Einmal in der Woche hab ich Sprechstunde, einmal in der Woche OP-Tag. Ich bin Arzt."

"Arzt?!"

"Hm. Orthopäde. Bin auf Wirbelsäulen spezialisiert. Es war mir zu viel geworden. Stand mal kurz vorm Burn-Out, wie man so schön sagt. Deswegen bin ich jetzt, an allen anderen Tagen der Woche, Tischler."

Kai schlappte gähnend hinter Pax und Thies her, die, widerlich verliebt, Händchen hielten und hoffte, dass er sich bei der Abrechnung nicht vertan hatte. Die Zwei anderen diskutierten, ob Pax zu Thies mit nach Hause kommen, oder doch lieber in die eigene Wohnung fahren sollte. Die Diskussion beinhaltete eine Vielzahl an Gründen für und wider jede Entscheidung und Kai döste auf dem Rücksitz fort. Er war froh, dass er keine Unterhaltung mehr machen musste. Als Thies vor seinem Haus hielt, war Kai schon kurz davor, einzuschlafen.

Jan schlief bereits, als Kai sich mit klammen, steifen Gliedern zu ihm schob. Er murmelte nur etwas Undefinierbares und schlief weiter. Kai war wenig drauf im Koma.

Doch die Nacht war noch nicht zu Ende. Kai war gerade im Tiefschlaf angekommen, als ihr Telefon ihn aus einem erotischen Traum riss: "Lolli! Du Arschlo..."

"Geh einfach ran, okay?" Jans Stimme war nur ein heiseres, genervtes Knurren.

Das Klingeln hörte auf, als Kai sich gerade ins Wohnzimmer geschleppt hatte. Fluchend kehrte er um und kroch wieder unter seine Bettdecke. Dann begann es im nächsten Moment, auf Jans Handy, erneut zu klingeln. "Hm. Nicht Lolli, der hat meine Nummer gar nicht." Jan meldete sich mit: "Es ist halb drei in der Nacht!" Doch dann lachte er, mit einem Mal gar nicht mehr grummelig, und reichte Kai das Handy weiter: "Für dich."

Kai blinzelte dumm, nahm das Handy auf und wurde sofort von Lena angeschrien: "Du musst herkommen, Kai! Ding kommt und wie! Tini schreit das ganze Haus zusammen!"

"Was?! Wie?!" Kai bekam unangenehmes Herzstolpern.

"Na Ding! Die Geburt! Ist im Gange, Mann! Beeil dich mal, weil Tini mir sonst noch das Trommelfell zerreißt und die Finger bricht!"

Kais Herz machte einen schmerzhaften Satz: "Ding kommt?" Er konnte nur flüstern. Es war zu früh, er war nicht bereit dafür.

"Ja, Mann! Los jetzt! Nicht so tranig!" Doch dann hörte Kai ein Kichern, das in Lachen überging. Lenas mieses Lachen. Sie verarschten ihn. Im nächsten Moment war Tini dran.

"Tut mir so leid, Kai..., tut mir leid! Lenas Idee. "

"Was?! Und dafür weckt die mich?! Was soll die Scheiße denn?! Ding kommt gar nicht?!"

Tini kicherte noch mal, dann sagte sie ernsthaft. "Nein, Ding kommt nicht mehr..., er ist schon da!"

Kai knipste das Licht auf dem Nachttisch an und blickte auf seinen, Dank Bianca, noch fast neuen Funkwecker. Elfter November, halb drei am Morgen. Seine Rhythmusstörungen wurden schlimmer. "Was?!"

"Ja. Gesund und fit, 3290 Gramm, 49 cm, Kopfumfang hab ich vergessen, fühlte sich aber echt nach mehr an, als es dann war. Es ist alles dran, alles perfekt, Bestnoten im ABGAR. Kai, er ist..., er ist wunderschön, und..., und...". Sie begann zu weinen.

Lena war im nächsten Moment wieder am Apparat: "Hör mal. Komm her hier und übernehm jetzt mal. Holger ist auch schon unterwegs. Ich muss ins Bett, wir sind seit über zehn Stunden schon hier und ich hab morgen, heute mein ich, Kurs."

Kai gähnte, grübelte, gähnte, dann murmelte er: "Ich komme so schnell ich kann, okay?" Hastig legte er auf und starrte Jan an. Der grinste unverschämt glücklich: "Uns leevste is all doa. Nimm die Seekuh, ich hol dich einfach von der Klinik nachher ab und wir fahren zusammen zur Uni durch."

"Scheiße! Heute ist Testat beim Schröderchen! Scheiße! Okay. Bis nachher."

Sie küssten sich rasch, Kai zog sich an, dann schaltete er das Nachtlicht aus und verließ leise das Schlafzimmer, Jan war schon wieder eingeschlafen, als er zum Bett zurück blickte.

Es war kalt in der Wohnung, fröstelnd tappte Kai durch den dunklen Flur. Er hatte gerade seine Winterjacke und die Stiefel für blödes Wetter an, als es an der Tür klingelte. Matt ging er an die Gegensprechanlage. Es war Holger. "Biste schon soweit, Kai? Ich fahr dich."

"Ich bin gleich unten, sag nur Jan Bescheid."

Hastig informierte Kai seinen Freund über die Mitfahrgelegenheit, dann schlich er sich im Dunkeln die Haustreppe hinunter und legte, wegen ekelhaftem Schneeregen, einen Sprint zu Holgers eingedrecktem Geländewagen hin. Kai schob ein paar Arbeitshandschuhe im XL-Format vom Beifahrersitz und warf eine Jacke nach hinten, nachdem er sich hinein gerettet hatte. Auf dem Rücksitz wartete die Autoschale, die Kai mit hatte auswählen müssen. Eine Tasche mit Sachen stand daneben, mit extra flauschiger Fleecedecke in orange-rot, mit kleinen Sternchen obenauf.

Holger folgte Kais Blick kurz, dann fuhr er an. "Tini wollte nix vom Baby dabei haben bei der Entbindung, Aberglaube oder so. Ich bring ihr alles jetzt hin." Er sah Kai an der nächsten Ampel kurz an und grinste. "Es ist gut gelaufen, glaub ich. Sie hat vorhin noch nicht viel verraten, aber...". Er atmete einmal durch: "Es ist gut gelaufen."

Kai nickte dröge, atmete nach Felix' Anweisungen gegen die eben gerade aufkommende Panik an und versuchte nicht zu sehr zu gähnen, weil er Angst hatte, Holger damit anzustecken. Sie schwiegen die restliche Fahrt, die Scheibenwischer waren die einzige Unterbrechung, das beruhigende Brummen des Wagens wie Hintergrundmusik.

Holger fuhr an die Notaufnahme der Klinik heran, wo eine beleuchtete Tür den Hilfesuchenden den Weg wies. Davor standen zwei Pfleger in blauen Kasaks samt nackter, tätowierter Arme und rauchten. Kai hechtete aus dem Wagen, musste dann noch die Autoschale und Tasche mitnehmen und lief hastig auf die beiden Pfleger zu, während Holger wendete, um weiter hinten nach einem kostenlosen Parkplatz zu suchen.

Mehr um höflich zu sein, fragte Kai "Komm ich hier auch zur Wochenstation rüber?"

Tini hatte ihm schon den Weg von der Notaufnahme beschrieben, aber es war besser, als schweigend an den beiden vorbei zu stapfen. Die Pfleger hoben die Brauen, sahen von ihm zur Babyschale und nickten dann. Einer öffnete mit dem Ellenbogen per Knopf die Tür.

Kai rettete sich in die Wärme. "Danke."

Die Pfleger folgten ihm hinein. "Hm. Herzlichen Glückwunsch, ja?"

Kai hob die Schultern. "Hm. Sowas in der Art. Danke." Sie lachten beide, Kai gähnte und wandte sich ab. Das Schöne am Krankenhaus war die Anonymität trotz intimer Informationen. Niemandem machte es was aus, dass er in der Nacht auf die Wochenstation gehen musste. Man nahm es wahr, hakte es ab und kümmerte sich um die Intimitäten, mit denen man an diesem Tag sein Geld verdiente.

Den restlichen Weg durfte Kai unbehelligt hinter sich bringen. Der Geruch der Flure, das dämmrige Licht überall, die relative Stille, nur unterbrochen von ein-zwei Schwestern oder Pflegern, die auf Fluren Bettenwagen schoben. Kai atmete durch. Ein Krankenhaus, damit kam er zurecht. Auf der Wochenbettstation war natürlich etwas mehr Betrieb. Es herrschte auch eine andere Atmosphäre. Kai schob die Glastür zur Station auf, ein Storch grinste ihn merkwürdig notgeil an. Kai starrte auf das Bild und machte spontan ein Foto, für Lolli und die Meiersche.

Eine scharfe Erinnerung daran, dass Babys Monster waren, die nie schliefen, folgte gleich drauf. Überall waren Stimmen zu hören, Gequake, jemand sang leise. Der leicht notgeile Storch starrte Kai von jeder Zimmertür an, statt Baby im Tuch hielt er die Zimmernummern. Zwei Mütter schoben Plastikschalen vor sich her und flüsterten miteinander, Fläschchen und Tücher in den Händen. Eine dicke Schwester im rosa Kasak kam aus einem mit 'Badezimmer' beschrifteten Raum und schob einen Wäschewagen.

Kai kam nicht dazu, nach dem Weg zu fragen, Lena trat aus einer Tür und erblickte ihn. Sie grinste breit. "Kai! Das war ja was! Alter, ich sage dir. Da hättest du wirklich dabei sein müssen. Eine Geburt ist..."

Kai hob müde die Hand: "Ja, nein. Danke. Ist Tini hier drin?"

"Kai, das ist das Gäste-WC." Lena lachte gemein, dann lehnte sie sich an die Wand neben der Tür und blickte ihn gespannt und lauernd an. Wie immer, wenn ihre miese Seite gewann. "Wie fühlste dich?"

"Müde. Hatte Spätschicht, morgen Testat in Kardio, ich brauch eigentlich Schlaf."

"Morgen..., heute meinst du? Ist doch Freitag, da kannste doch dann schön das Wochenende schlafen. Anders als Tini." Sie überkreuzte die Beine und Kai fiel auf, dass sie eine Strumpfhose, hohe Stiefel und einen knappen Rock trug. Kein Dali-Modus? "Geht es Tini gut?"

"Hm. Bilderbuch-Entbindung, meinte die Hebamme. Markus hat Zuhause mit uns angefangen und sie dann am Abend reingeschickt. Hier lief es so glatt weiter. Kleine Dammnaht, aber sonst nix. Emotional ist sie. Das war sie ja schon immer, erst nah am Wasser, dann himmelhochjauchzend und so, aber heute. Die heult dauernd. Krass." Sie stieß sich von der Wand ab. "Ari ging es gleich super. Süß ist er, Kai. Ganz der Papa, muss ich sagen." Sie lachte leise, auf diese miese Art, die sie so drauf hatte. "Viel Spaß dann. Ich bin wech."

Kai sah ihr kurz hinterher, dann rief er leise: "Hey! Lena!" Sie sah sich über die Schulter um und er trat noch einmal zu ihr.

"Was ist eigentlich aus dem Tattoo geworden? Haste das jetzt machen lassen?" Ohne ihn, so wie er es gehofft hatte.

"Noch nicht. Aber du hast das Bild maßgeblich beeinflusst. Tanja schenkt mir einen Teil davon zu Weihnachten. Machen wir jetzt bald, ich melde mich, wenn ich dich doch noch mal brauche dafür."

"Okay, ja. Danke. Dass du das gemacht hast. Die Geburt mein ich."

Sie lächelte. "Kai. Gern." Sie gähnte und kramte nach Zigaretten. "Es war Leben. Pur, ungefiltert und... und... mächtig irgendwie, größer, wichtiger als alles andere. Bin jetzt Patentante, Tini wollte das unbedingt. Okay, ich muss mir dringend einen Kaffee besorgen und rauchen. Man sieht sich." Abrupt wandte sie sich ab und ging auf leicht quietschenden Sohlen davon. Fast meinte er, dass sie weinen musste.

Kai seufzte, stählte sich und blickte den Flur entlang. Noch immer nix von Holger zu sehen. Aber dafür stieß die dicke Schwester jetzt auf ihn nieder: "Name?" Sie kramte einen Belegungszettel aus dem Kasak, schob eine ekelige Lesebrille auf und starrte, in der freien Hand schüttelte sie ein Babyfläschchen auf.

"Von mir?"

"Nee, für wen sind Sie hier?" Schmale Augen blickten ihn abwartend und zugleich unpassend neugierig an.

"Tini, ähm Ann-Christin Kehrenberg. Hat eben... ich meine...".

"Entbunden heißt das. Zimmer neun. Wer sind Sie?"

"Kai Hellmann."

"Ah. Sie werden schon erwartet. Wollten das nicht mitmachen, hm?" Sie hielt das Fläschchen gegen das Licht, schüttelte weiter und sah ihn von der Seite her an.

Kai fühlte sich bewertet, abgewertet und verachtet, weil er bei der Entbindung nicht dabei war. "Nein, wir sind nicht zusammen. Sie wollte nicht", riss er Tini gnadenlos mit rein: "Ich geh denn mal."

Rasch rettete er sich in Zimmer neun hinein. Tini lag allein, das wusste er schon. Der Vorteil der Privatversicherung ihrer Eltern. Sie lag, mit Trainingsanzug bekleidet, mit überkreuzten Füßen samt rot-geringelter Wollsocken auf dem ersten Bett an der Tür, im Arm ein Bündel, vermutlich Ari. Neben dem Bett stand noch ein freies Bett, auch bezogen, vielleicht für Gäste... vermutlich für Lena vorgesehen. Dahinter am Fenster stand ein Ohrensessel, daneben ein Esstisch mit drei Stühlen. Es sah gemütlich aus und teuer. Mechanisch desinfizierte er sich am Automaten neben der Tür die Hände. Als sie Kai erblickte, strahlte Tini ihn an. "Kai! Du bist da!"

Kai verschränkte die Arme. "Hm. Ja, natürlich." Unsicher trat er dichter an das Bett und sah auf das Bündel herunter. Das erste, was er sah, waren dunkle Haare, nicht wenig davon, die unter einer schiefen weißen Mütze hervorquollen. Erleichtert blickte er Tini an. "Nicht rothaarig."

Sie lachte leise und hob den Blick, dann flüsterte sie ehrfurchtsvoll. "Schau mal diese kleine Hand an."

Kritisch betrachtete Kai die Fingernägel. "Werden die mit langen Nägeln geboren?"

Tini rappelte sich ein wenig auf und nickte. Dann wies sie neben sich. "Komm zu mir, dann kannst du ihn halten und ich mach die ersten Fotos für Olli und Holger, Jan, Norbert und Martina." Sie seufzte. "Meine Eltern mach ich später."

"Oh Gott!" Kai trat vom Bett zurück und sah zum Spiegel über dem Waschbecken. Nach dem Spätdienst hatte er geduscht, aber natürlich nicht über Haare oder deren Sitz nachgedacht. Glättend strich er sich über den Kopf. "Muss das sein? Ich seh total scheiße aus..."

Tini schüttelte den Kopf. "Spinnst du?! Schau mich an! Ich bin vollkommen fertig nach zehn Stunden Schmerzen und Atmen und Schwitzen und..,. komm jetzt her und lass dich knipsen, Kai!"

Er streifte die Jacke ab und ließ sie auf dem Sessel, die Schuhe schob er darunter, dann krabbelte er vorsichtig auf das Bett. Ari trug einen Strampelanzug in dunkelblau, der ihm viel zu groß war. Die Ärmel waren umgekrempelt, er war mit einer Fleecedecke eingewickelt, die vermutlich der Klinik gehörte, in verwaschenem Altrosa, mit Pinguinen. Kai erschauderte.

Tini zupfte daran, dann legte sie Kai das Baby in den Arm. Überrascht lehnte Kai sich an das Kissen zurück und hob den Arm einmal prüfend. "Der wiegt fast nix."

"Ja, das hab ich auch gedacht. Wofür war all diese Schlepperei mit dem riesen Bauch, wenn da so ein kleines Nichts dann heraus kommt?" Sie kletterte vom Bett und knipste ein paar Fotos, verschickte auf dem Handy tippend einige sofort, knipste weiter. Kai hielt Ari, schob ihn sich schließlich etwas sicherer auf dem Arm zurecht und hob ihn dichter, um das kleine Gesicht zu betrachten.

Er fühlte sich müde. Er war darüber erstaunt, dass alles gut gelaufen war. Er war erstaunt darüber, dass Ari nicht rothaarig geworden war. Vom Universum hätte er das anders erwartet. Aber fühlte er etwas für Ari? Kai versuchte Liebe zu spüren, Stolz, Ehrfurcht. Nichts. Er war müde, der Kleine wog nicht viel und schien sonst medizinisch gesehen in Ordnung, die Armhaltung wurde trotz dem Leichtgewicht unangenehm. Sonst fühlte Kai nichts.

Doch dann musste er gähnen, konnte wegen Ari die Hand nicht vor den Mund halten und im selben Moment blinzelte Ari, verzog den Mund ein wenig und gähnte auch, dann blinzelte er Kai verschlafen und deutlich uninteressiert aus tiefblauen Augen an. Gelassen irgendwie, als wollte er sagen 'Ist okay, bin da, mein Part ist perfekt gelaufen. Du bist da, machst dich auch nicht so schlecht'. Kai starrte zurück, dann grinste er. Doch... sie sahen einander zum ersten Mal, er fühlte weder Liebe noch Ehrfurcht, aber Ari war sein Kumpel. Er ließ ihn nicht hängen..., würde das auch außerhalb von Tinis Bauch nicht tun. Sie betrachteten einander ein Weilchen, dann gähnten sie erneut, gleichzeitig dieses Mal.

Im nächsten Moment flüsterte Tini etwas und Kai sah hoch und bemerkte, dass sie heulte. "Hey... alles okay?"

"Ich bin so glücklich, Kai!" Sie kniete sich etwas unbeholfen zu ihm auf das Bett und beugte sich über seinen Arm. "So stolz und glücklich." Sie hob den Blick und sah ihm in die Augen. "Das haben wir gut gemacht, du und ich."

"Du warst das ... ich hab betrunken still gehalten", erinnerte er milde tadelnd. Sie sahen sich an, dann gab Kai nach und lehnte sich über dem Babybündel dichter zu ihr, um sie kurz auf die feuchte Wange zu küssen. "Du hast das gemacht", meinte er noch einmal leise, dieses Mal tatsächlich mit der passenden Ehrfurcht.

Genau diesen Moment wählte die dicke Schwester, um zur Blutdruckkontrolle zu Tini zu kommen. Außerdem brachte sie Holger mit, der Tini ebenfalls küsste und von ihr dann langatmig und tränenreich die Geschichte der Entbindung erzählt bekam. Dann musste Holger Ari für Fotos halten.

Kaum war Kai Ari los, als er sich auf den Stillsessel zurück zog und die Füße auf einen der Stühle hochlegte. Tinis Stimme verschwamm im Hintergrund genau wie Holgers Brummeln und schon war Kai eingeschlafen.

Stimmen kamen ihm zu Bewusstsein, bevor er so richtig wach wurde. Kai gähnte, streckte sich und stellte fest, dass er im Sessel so richtig eingeschlafen sein musste, jemand hatte ihn zugedeckt. Er bewegte den Nacken hin und her und stöhnte leise, dann blinzelte er. Die Stimmen wurden lauter. Tini und jemand, den er nicht kannte. "Mache ich es so richtig? Oh... ja, er geht ran! Au, das tut weh! Ist das okay?"

Kai blinzelte noch mal, dann sah er sich zum Bett um. Dort saß Tini, hatte Ari auf dem Arm und zeigte ihm ihren blanken Busen. Von Holger keine Spur. Eine Schwester in weißem Kasak beugte sich dichter und schob Aris Kopf dichter. "Ja, wenn dir das zu anstrengend wird, dann kannst du einfach noch ein Kissen hier unter den Ellenbogen schieben. Schon bald wird der kleine Mann stark genug sein, um sich selbst an die Brust zu drehen."

Tini bemerkte, dass Kai wach geworden war. "Kai! Schau mal, Ari geht schon richtig gut an die Brust!"

"Ey, Tini! Geht's noch?! TMI, aber sowas von!" Kai erhob sich und tappte zu Tinis Waschbecken rüber, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen.

Die Schwester schob an ihrer Brille und starrte Kai böse an. "Ist dein Freund gegen das Stillen?"

"Nein." Tini lachte. "Kai ist nicht mein Freund. Er mag Busen nicht so", vertraute sie dann auch noch der Schwester an.

"So? Aber das ist das natürlichste auf der Welt. Ich möchte wetten, dass du auch gestillt worden bist." Offenbar war das eine der Schwestern, die jeden duzte.

Kai schüttelte den Kopf. Er trocknete sich mit Tinis Handtuch das Gesicht ab, dann versetzte er: "Meine Mutter hatte eine atone Nachblutung, ist notfallmäßig operiert worden, hat einige Tage auf Intensiv gelegen und ich bin von da an mit der Flasche groß geworden."

Die Schwester zischelte leise, aber verabschiedete sich brüsk und verschwand, mit ihrer Belegungsliste raschelnd.

Nachdenklich nagte Tini an ihrer Unterlippe, dann grinste sie und meinte: "Flaschenkind. Das erklärt so einiges, Kai."

"Wie spät ist es? Ich hab heute Testat beim Schröderchen."

"Sieben Uhr durch. Jan kommt dich gleich holen. Hab grad mit ihm telefoniert."

"Hm. Okay", Kai blickte sie unsicher an: "Muss ich jetzt was machen?"

"Was machen?"

"Helfen irgendwie."

Tini zuckte mit den Schultern. "Erstmal nicht, glaub ich. Ich bin noch bis übermorgen hier, dann läuft die U2 und ich werde entlassen. Kommst du mit zur nächsten Untersuchung beim Kinderarzt?"

"Meinetwegen." Rasch setzte Kai sich zum Gästebad zum Pinkeln ab.

Als er wieder ins Zimmer kam, war Ari mit Busenbetrachtungen fertig. Tini stand auf und legte ihn in den Plastikwagen, packte endlich ihren Busen weg und richtete sich auf. "Ich konnte nicht schlafen", murrte sie. "Hormone vermutlich. Ich geh blitzschnell duschen, dann hol ich uns ein Frühstück vom Büffet. Bleib bitte bei Ari, lass ihn nicht aus den Augen, okay?"

"Natürlich." Mechanisch desinfizierte Kai sich die Hände, dann fühlte er sich ausreichend gewappnet.

Tini schlüpfte in ihre Hausschuhe, nahm ein Handtuch und Wäsche aus der Tasche und verschwand. Kai ließ sich neben der Plastikwanne nieder und blickte mit leerem Kopf auf den schlafenden Inhalt. Ari machte ein schnorcheliges Geräusch, begann mit einem Mal zu husten, dann noch mehr zu husten und Kai nahm ihn reflexartig hoch, hielt den Kopf dabei, wie sich das gehörte und nahm sich dann rasch, in Ermangelung eines Spucktuchs, einfach Tinis Gästehandtuch.

Die Entscheidung stellte sich als gut heraus. Im nächsten Moment erbrach Ari die mühsam genuckelte Milch auf Kai, sich selbst und das Handtuch. Kai grummelte Fluchworte, Ari quakte und außerdem war er mit sauer riechender Milch vollgesaut.

"Nicht in Ordnung, Kumpel. Das üben wir noch mal. Milch nur aus Tini und auf Tini zurück. Ich will damit nix zu tun haben, verstanden?!"

Ari verzog verständnislos das Gesicht und schlief röchelnd wieder ein als sei nichts gewesen. Kai legte ihn in die Plastikschale zurück, wusch sich fluchend die Hände und wischte seinen Pulli sauber, dann warf er das Handtuch in den Wäschesack in Tinis Schrank. Er sah rasch den Flur entlang. Von Tini keine Spur.

"Okay, halte durch, du Geysir. Du stinkst, wir stinken. So kann hier im Zimmer gleich keiner frühstücken."

Kurzentschlossen schob Kai Ari samt Plastikschale zum Schwesternzimmer, wurde nach Betrachtung des Malheurs ins Kinderzimmer gewiesen, wo eine Reihe Wickeltische stand. Er bekam einen zugewiesen und sollte unter einer Wärmelampe dann Ari auspacken.

Er stand unentschlossen davor und blickte sich hilfesuchend nach Tini um, als seine Rettung nahte. Markus, Tinis Geburtshelfer. Auf Ökolatschen, mit rötlich-angegrautem Vollbart und über das runde Gesicht lachend.

"Moin, Kai! Na, ich hab mich ja gefreut heute Morgen, dass alles so gut gelaufen ist bei euch!" Markus rieb sich die Hände mit Desinfektionsmittel ein. "Ah, Spuckkind. Das sind die Besten! Dann pack ihn mal aus, ich schau nach der Kadex, ja? Schaffste das? Moin, Daria! Wie geht es dir? Mit Klaus alles in Ordnung?" Die Kinderschwester und er vertieften sich in eine Unterhaltung.

Kai nickte matt und legte Ari aus der Plastikschale auf den Wickeltisch. Die Tage, an denen er in der Entbindungsstation im Notdienst geholfen und das eine oder andere Baby zu versorgen hatte, waren schon ein wenig her, aber eine Kinderschwester, die ihn im Auge behalten hatte, meinte nach kurzem Blick auf seine Handgriffe. "Na, der Papa macht das ja schon super...", sie blinzelte: "Oder ist das Ihr kleiner Bruder?"

Kai schüttelte den Kopf, hasste den Papa-Titel und packte Ari aus den gefühlten tausend Lagen Hemdchen, Body, Anzug und Jacke aus. Am linken Arm trug Ari ein hellblaues Band mit dem Namen, Ari Hellmann, dem Geburtsdatum und der Zimmernummer. Ein Blick in die Windel stellte sich als Fehler heraus. Die Windel selbst war nicht das Problem. Blütensauber, vermutlich spuckte Ari auch sonst sämtliche Nahrung retour. Aber der gammlige Rest von der Nabelschnur lugte hervor und verpasste Kai eine mittlere Herzattacke. "Bäh, Ari. Nicht sexy, gar nicht", murmelte er und schüttelte sich.

Markus materialisierte neben Kai und betrachtete Ari, den gammeligen Nabelschnurrest und Augen, Ohren und den Po voller Interesse. Kurz prüfte er den kleinen Penis auf eine Phimose, die Ari nicht hatte, was Kai erleichterte, weil ihm Jans Narbe einfiel. Markus befand alles für wundervoll normal, erzählte dabei, unerwünscht, viele medizinische Details und strahlte auf seine entspannte Art gute Laune ab. Währenddessen nahm er unkompliziert aus den Körben mit Klamotten einen neuen Body, ein Hemdchen und einen Strampelanzug in dunklem Blau, der leider auch viel zu groß war und außerdem vorn einen dicken grinsenden Elefanten zeigte. Kai musste unter Markus' Aufsicht die Bekleidung in der richtigen Reihenfolge wieder auf Ari drauf pellen, dann meinte Markus, dass er jetzt rasch zu einer anderen Kundin gehen würde, um dann noch im Zimmer nach Tini zu sehen, wenn sie vom Duschen zurück war.

Er grinste Kai an: "Du machst das gut, Kai. Alles bestens bei euch!"

Kai schob die Plastikwanne zurück und blickte missmutig auf das entwürdigende Design vom Strampelanzug und schlug Ari dann vor: "Okay, der Anzug geht gar nicht, den sauen wir gleich mal wieder mit einer Runde Ekel-Milch ein, dann kannste vielleicht was anziehen, was nicht widerliche, fette Tiere drauf hat. Aber mach erst, wenn ich weg bin, ja?" Ari gähnte uninteressiert.

Ein Lachen ließ ihn herumfahren, dann aufstöhnen. In der Tür lehnte Jan und grinste: "Na, Baby und Baby? Allens jut?"

Kai verschränkte die Arme und nickte. "Musste ihn umziehen. Tini ist grad eine Minute zur Tür raus, da kotzt der sich komplett voll. Mann."

"Ich wusste gar nicht, dass du das kannst, Kai." Neugierig blinzelte Jan zu Ari in die Schale rein und machte Fotos vom mittlerweile wieder mal schlafenden Ari. "Ich bin beeindruckt. Babyflüsterer, was? Hey, Leeve! Allens jut?"

Kai gähnte, zuckte mit den Schultern und meinte "Zum Glück ist ihr Geburtshelfer Markus auch schon zur Stelle, der hat mir gezeigt, wie das geht."

Und nachdem Jan ein paar Fotos gemacht hatte, Tini gratuliert, sogar sehr artig mit Blumenstrauß, kam Markus wieder, wollte Tini auf den Bauch fassen, den Busen anschauen und die Dammnaht prüfen und Kai wollte das nicht miterleben. Sie nahmen vor dem Frühstück ihren Abschied und ergriffen die Flucht.

189

Der Unitag war länger als gewünscht. Kai durfte vorher duschen und sich umziehen, weil sie erst ab zehn Uhr Kurs hatten. Das war der Höhepunkt des Tages. In der Uni wussten die relevanten Leute, namentlich Bianca, Thilo, Matze und natürlich Renate schon von der Entbindung. Irgendwie schienen sie alle schon Bilder von Kai mit Baby auf dem Handy zu haben. Es war die Hölle.

Das Schröderchen, ihr Professor in Kardiologie, setzte alles daran, Jan durchs Testat rauschen zu lassen. Jan nahm dies als Kampfansage und setzte sich energisch, unbequem und übermäßig ehrlich zur Wehr. Als Kai dann im eigenen Testat gähnen musste, kam die unangenehme Frage: "Herr Hellmann, langweile ich Sie?"

"Nein. Nein. Ich bin nur...".

Jan sprang ein. "Er ist in der letzten Nacht Vater geworden, Professor Schröder."

Schröders Brauen wanderten hoch: "Wie bitte?"

"Wirklich. Hier... ich habe Bilder." Jan hechtete mit Handy nach vorn und zeigte dem deutlich abgeturnten Professor die Babyfotos, die er am Morgen gemacht hatte.

Das startete eine Diskussion in der Gruppe, wie es sein konnte, dass Kai schon Vater war. Es folgte ein Fachvortrag von Jan zu dem Thema Kinderbetreuung an der Uni und ein Vortrag zum Thema Fahrradanhänger für Babys. Dann war Kai, zu seinem Glück, durch mit dem Kurs und entzog sich weiteren Fragen.

Die Hölle in Form des Mittagessens in der Mensa nahm gleich danach ihren Lauf. Kai hatte sich das vegetarische Essen, Kartoffelpuffer, geholt und sich auf den Tisch hinten in der Fensterecke, ihrem Stammtisch, fallen lassen, als auch schon Renate neben ihm auftauchte.

Sie strahlte Kai an: "Herzlichen Glückwunsch, Kai. Ich hab mich so gefreut, dass jetzt alles gut läuft bei Tini und dir."

Wenn sie das gut nannte. Kai zuckte mit den Schultern und fragte stattdessen nach der Klausurverteilung in Dermatologie.

Renate grinste gütlich: "Hab ich noch nicht nachgesehen. Aber magst du Tini das Geschenk von mir vorbeibringen? Ich bin am Wochenende komplett für Kurse bei meinen Eltern gebucht und, ich..., mag nicht in der Klinik auftauchen, wenn ich nicht eingeladen wurde."

Kai nickte ab, packte ein kleines, weiches Geschenk ein und meinte unbestimmt: "Ich seh Tini aber auch erst nächste Woche..., vermutlich...". In Gedanken fügte er an 'Wenn ich es einrichten kann und nicht noch mal antreten muss.'

Bianca, Franka und Nadine tauchten auf. Erstere ätzend gestimmt auf der Suche nach Jan, letztere ekstatisch über ihren Studienwechsel zum Health Care Management, was zum Teil Kurse in ihrer Vorklinik beinhaltete.

Während Bianca und Franka mit Kai ein unangenehmes Frage- und Antwortspiel begannen, äugte Nadine nach Thilo und freute sich, als er samt Jan zu ihnen kam.

Die Unterhaltung danach wirkte wie aus einem schlechten Film. 'Jan und seine Ex', könnte er heißen. Es wurde unangenehm direkt darauf hingewiesen, dass Kai sich ja reinhängen konnte wie er wollte, er und Jan konnten keine eigenen gemeinsamen Kinder bekommen.

Kai blinzelte von dieser Feststellung überrascht, war zu müde, um sich zu wehren, aber musste dann den Vortrag von Jan zu den rechtlichen Fragen einer Adoption sowie anderen Familienbildungsmethoden über sich ergehen lassen. Eigentlich waren Kartoffelpuffer immer eher zu knapp bemessen und man wurde nicht satt. An diesem Tag ließ Kai zwei über, um der Diskussion zu entgehen.

Thilo auf seiner anderen Seite musste mit Nadine reden, ihr ausreden, dass sie gut zusammen passten und machte das auf seine persönliche Art, indem er pissige Katzenblicke verteilte und nach jeder persönlichen Frage von ihr, eine Fachfrage zu ihrem Studiengang zurückstellte.

Kai verabschiedete sich rasch vom Tisch, sagte Jan, dass er jetzt durch sei und nach Hause wollte und hörte im Hintergrund noch Bianca von Babys krakeelen, was Jan mit Fachvorträgen zu Kinderwunsch bei schwulen Paaren beantwortete. Kai beschleunigte seinen Schritt aus der Mensa raus.

Thilo tauchte schweigend neben ihm auf und schlug den Weg zum Vorlesungsgebäude, wo sie ihre Klausurverteilung für Dermatologie nachsehen wollten, mit ihm zusammen ein. "Hey, Kai. Herzlichen Glückwunsch. Grüß Tini mal."

"Hm. Danke."

"Wann ist er denn gekommen? Es ist immer noch ein Er, oder?"

"Hm. Ein Junge, war so gegen zwei Uhr in der Nacht irgendwann. Ich bin gegen drei geweckt worden, da war Tini schon fast auf dem Weg vom Kreißsaal in die Wochenstation rüber."

Thilo nickte, zog sein Handy hervor und beantwortete eine Nachricht, dann meinte er: "Dermatologie ist zum Glück leicht, aber kannste mir die Herzrhythmusstörungen noch mal erklären, wenn wir Lerntreffen machen?"

Kai sah ihn dankbar an. Thilo ging zum Tagesprogramm über, machte nicht so einen Wind. "Klar. Nächste Woche Dienstag bei uns?"

"Gegen vier, davor hab ich in der Rechtsmedizin die Leichenschau, danach will ich mit Jan und Holger zum Hallenfußball."

"Geht klar. Ich bin da und will danach auch zu meinem Sportkurs."

Sie nickten beide und schlappten schweigend weiter zur Information vor dem Klinischen Gebäude. Kai notierte sich den Testtermin für Dermatologie in seinen Kalender, Thilo machte ein Bild von dem Plan und schickte den an ihre Gruppe herum. Schweigend wandten sie sich der Bahn zu.

Aber Jan hielt Kai auf: "Kai, warte! Ich nehm dich mit! Thilo, bis Dienstag dann, danke für die Nachrichten."

"Hm, Alter, ohne Kai schaff ich Kardio nicht."

"Ich hab das auch gerafft. Willste dich mit mir zusammensetzen?"

"Du kannst nicht erklären, Mann. Man sieht sich. Schönes Wochenende und so." Thilo wandte sich fort und Kai gähnte erschöpft. "Gott, ich muss schlafen, sowas von schlafen. Musst du nicht zum Sport?"

"Nö. Spring rein, Baby."

Springen war nicht mehr drin. Kai schleppte sich zur Seekuh, ließ sich in den Sitz fallen und lehnte sich an. Die Augen brannten, die Glieder waren schwer. Er schlief ein, während Jan merkwürdigerweise auf den Stadtring hinaus fuhr. Die schräge, etwas melancholische Musik, die Jan so gern hörte, begleitete Kai in merkwürdige Träume von Markus, dem Geburtshelfer, der ihm sagte, dass er jetzt auch ein Kind bekommen müsse, um zu wissen, wie das wirklich sei.

Als Kai aus diesem Alptraum hochschreckte, durchfuhr Jan gerade ein Industriegebiet.

"Jan, wie lang hab ich geschlafen? Moment mal, wo sind wir?"

Jan lachte. "Du hast zwei Stunden geschlafen. Ich hab dich entführt, Baby. Handy ist erst einmal aus, Tini kann allein in der Klinik rummachen, mit Holgi, und wem auch sonst noch. Wir sind gleich am Ferienhaus."

Kai gähnte, dann sah er auf den Rücksitz. Richtig. Jan hatte seine große Sporttasche dort liegen. Das machte er oft, wenn er noch in die Sauna wollte, aber an einem Freitag war es eigentlich verdächtig, weil Jan da eher nach dem Sport saufen ging.

Doch die Entführung war eine richtig gute Idee gewesen. Kai hatte etwas Energie gesammelt und half Jan rasch, im Haus die Heizungen anzustellen und einen kleinen Einkauf in den Kühlschrank zu verfrachten.

Jan machte ihm Brote fertig und brachte eine Flasche Rotwein mit in das Wohnzimmer. Dort steckte er seine Musiksammlung an die kleine Anlage im Bücherregal. Er machte sogar ein ordentliches Feuer im Kamin und schleppte eine Bettdecke runter, damit sie vor dem Kamin rumkuscheln konnten.

Misstrauisch blickte Kai in das Feuer, kaute eine Schnitte mit Käse und nippte einen Schluck Wein. Hinter ihm zündete Jan zwei dicke Kerzen in Windlichtern an und schaltete das grelle Deckenlicht aus. "Okay, du wirst kitschig, Jan. Ich bekomm Angst."

Jan grinste ihn optimistisch an. "Nichts schlimmes, Kai. Wir feiern Leeve zu zweit. Die anderen waren ja vielleicht aufgedreht deswegen."

"Tussis."

"Als ob ich jetzt losrennen und selbst ein Baby machen wollte. Was soll das denn?" Jan ließ sich auf das Sofa fallen und sah Kai von der Seite her an. "Keine Sorge, Baby. Ich will kein eigenes Baby... außer dir."

"Ich mach mir keine Sorgen, aber danke, dass du mich entführt hast. Hast du mein Handy schon wieder ausgeschaltet und versteckt?"

"Hm, klar. Tini braucht uns nicht, aber ich will dich." Er zögerte und grinste dann frech. "Eigentlich will ich endlich mal wieder mit dir schlafen. Ich weiß, dass wir uns das seit Wochen nicht getraut haben. Ich will meine Fehler wieder gut machen."

Das machte Sinn. Jan war romantisch, wenn er was wollte. Das war klar. Kai kaute das Brot ein Weilchen, dann sagte er leise. "Okay. Bist ja richtig romantisch."

Jan strahlte ihn an und nahm sich sein Glas Rotwein. "Ich hatte mir überlegt, dass wir das so versuchen, dass du oben sitzt. Felix mit seiner Kontrolltherapie hat mich darauf gebracht. Dann kannst du das Tempo besser rausnehmen und ich kann dich ansehen. Willst du?"

Kai seufzte und ließ den Kopf hängen: "Jan..., ich nehm das zurück. Unromantischer als du bist, ist echt keiner!"

"Aber willst du? Ich räume hier schon dafür um." Jan schob den Sessel aus dem Weg. "Hab oben alles in der Tasche."

Kai grinste und nickte dann. "Klar. Aber...", er blinzelte und schüttelte den Kopf: "Nein... Nein. Kein Aber. Ich will, Jan."

Sie räumten noch gemeinsam ab und Kai flüchtete sich zum Vorbereiten, vor allem mentalem Vorbereiten noch für eine Weile ins Badezimmer. Als er geduscht und rundherum sauber, außerdem in seinem neuen Schlafanzug zurück in das Wohnzimmer kam, war es dort affenartig warm und Jan lag nackt auf der Decke auf dem Fußboden rum, las im Schein der einen Kerze in einem seiner psychologischen Bücher und hörte Musik.

Kai blieb in der Tür stehen und starrte seinen Freund an. Die Muskeln am Rücken und Hintern waren gerade so leicht angespannt, weil Jan ein Bein über das andere gelegt hatte und sich auf die Unterarme aufgestützt hatte. Kai gab es für sich zu, es war ihm unbegreiflich, wie Jan diesen Körper haben konnte, ohne sich permanent selber zu streicheln und anzufummeln. Er war jedenfalls süchtig nach der Haut, nach dem Gefühl der Muskeln, die sich unter seinen Fingern bewegten, anspannten und gegeneinander verschoben. Er war süchtig nach der Kraft, die Jan ausstrahlte und nach der Wärme.

Kai schlich sich an und ging leise in die Hocke, hielt eine Hand flach über Jans Rücken aus. Ja, er strahlte Wärme aus und er roch schon wieder so unglaublich gut. 'Es ist eben doch eine chemische Reaktion, Liebe.' Ihm fiel wieder ein, wie Jan von seinen Freundinnen geredet hatte, von der Hormonphase. Die Reaktion hatte bei Kai aber schon vor etwa zwei Jahren begonnen und hörte und hörte nicht auf. Im Gegenteil, seit einer geraumen Weile schien sie stärker zu werden, immer mächtiger.

Kai ließ seine Hand sinken und streichelte Jan einmal vom Nacken bis auf den Hintern runter. Seine Lieblingsstelle war gleich unter dem Po, am Ansatz zu den Oberschenkeln. Wenn Kai seinen Freund dort, ein wenig nach innen hin neckte, wurde Jan in sehr kurzer Zeit williges Opfer und wildes Tier zugleich. Eine Mischung, die Kai immer wieder anmachte.

Kai legte seine flache Hand über Jans Hintern, spürte, wie sein Freund sich kurz anspannte und wieder entspannte, dann streichelte er hinab zu seiner Liebingsstelle. Mit den Fingerspitzen tastete er sich eben gerade in der Pofalte entlang, fühlte feine Haare, die man so nicht sah und genoss die Gänsehaut, die sich über Jans Rücken ausbreitete.

Jan hob den Kopf, dann drehte er sich halb zu Kai herum und lächelte, sein Blick zeigte sich bereits träge verhangen. "Hey, zieh dich auch aus, ich hab extra eingeheizt."

Kai lehnte sich dichter und küsste Jan auf den Hals, dann ließ er sich neben ihn auf die Decke sinken, rollte halb unter ihn und sah in sein Gesicht hoch. "Mach du das doch", flüsterte er. Laut zu sprechen erschien ihm irgendwie falsch. Die Musik im Hintergrund gefiel Kai, sonst fühlte er sich nicht selten von Jans Musik eher gestört, aber die weiche Stimme und das langsame Lied stimmten ihn eher noch auf seine Gefühle ein. Er schloss die Augen und hob das Kinn für einen Kuss.

Jans Lippen berührten seinen Mundwinkel, wanderten von dort weiter, bis sie sich richtig küssten. Kai öffnete den Mund, aber Jan brach den Kuss nach einem leichten Streichen mit den Lippen ab.

Er warf das Buch achtlos auf den Sessel rüber und zog Kai noch ein Stück weiter unter sich. Da Kai bereits nur noch den Schlafanzug getragen hatte, war die Aufgabe ihn auszuziehen nicht sonderlich schwierig. Aber Jan schaffte es, ihn auszuwickeln wie ein Geschenk. Er schaffte es, sich zurückzuhalten, das Hemd für ein kleines Stück, dann noch eines und noch eines nur hochzuschieben und immer wieder die neu freigelegte Haut zu küssen und kennen zu lernen, als hätte er Kai seit Ewigkeiten nicht mehr nackt gesehen oder gespürt.

Kai erschauderte, als Jan über die empfindlichen Innenseiten der Unterarme tastete. Jan hatte eine Art, mit den Lippen die Haut entlang zu streichen, als wollte er sich jede Zelle einprägen. Langsam, intensiv und lauschend. Als wartete er auf Geheimnisse, die sich ihm eröffnen konnten, wenn er nur eindringlich genug fragte.

Er arbeitete sich gelassen bis zum Hals hoch, erst dann schob er Kai das Hemd über den Kopf und warf es auf das Sofa rüber. Mit der Wange schmiegte Jan sich einen Moment lang auf Kais Brust, neckte seine Brustwarzen mit den Fingerspitzen entlang. Er hatte die Augen geschlossen, schien auf Kais Herzschlag zu lauschen, oder auch seine Atmung.

Kai streichelte ihm durch die Haare, an den Ohren entlang und wieder auf den Nacken hinunter. Sie hatten so viel Zeit und es war bis auf das leise Lied still umher. Endlich waren sie einmal allein. Wirklich allein. Niemand störte sie, niemand mischte sich ein, niemand bewertete oder richtete darüber, was sie taten. Kai seufzte leise und entspannte sich, mit einem Mal fühlte er sich wie angekommen, am Ziel. Mit Jan.

All die Monate voller Probleme, voller Zweifel und der Angst, ob sie es schaffen konnten, alles war fort. Alles war wie von den streichelnden Händen, von den leisen Worten, die Jan ihm zuflüsterte, weggetragen. Erst in diesem Moment wurde Kai klar, dass er die ganze Zeit zusammen, vom ersten Tag an, immer nur darauf gewartet hatte, dass es schief ging. All das Zaudern, all seine Verschlossenheit, seine Ausflüchte, zu Lukas oder einfach fort von Jan. Er hatte all das nur gemacht, weil er Angst gehabt hatte, sich zu sehr zu verlieben. Dabei war es doch schon zu spät gewesen. Viel zu spät. Mit Blick in Jans Augen, in die funkelnden Fleckchen darin, wusste er es auch so. Er war vom ersten Moment an schon verloren, verfallen gewesen. Er musste nur noch zulassen, dass Jan ihn auffing, ihm vertrauen.

Und das sah Kai mit einem Mal so deutlich, wie er Jan vor sich sah. Erschrocken darüber, dass ein Mensch so fühlen konnte, dass er so fühlen konnte, setzte er sich auf und schob Jan herum. Er hielt es nicht mehr aus, sich von ihm streicheln zu lassen. Er musste selber etwas tun. Und ganz im Gegensatz zu Jans Zärtlichkeit war Kai nicht danach, nur sachte zu streicheln. Das erste, was er tat, als Jan unter ihm lag, war ihn nicht gerade zart in die Schulter zu beißen.

Jan blinzelte verwirrt und starrte ihn an. "Hey!"

"Du gehörst mir, hörst du?" Kai starrte ihn entschlossen an, die Hände fest gegen Jans Schultern gepresst. "Ich geb dich nicht mehr her! Diese ganzen bescheuerten Tussen sollen sich warm anziehen, Jan, verstanden?!"

Jan lachte leise, dann schlang er seine kräftigen Arme um Kais Schultern und zog ihn fest an sich. Sie küssten sich eine ganze Weile, obgleich sie beide bereits mit einer Erektion zu kämpfen hatten, die sich bockig zwischen sie stellen wollte, ignorierten sie es beide. Einander zu schmecken und zu fühlen war wichtiger als zu kommen. Dieses kurze Aufflammen von Gefühlen kam Kai mit einem Mal ohnehin nicht mehr wichtig vor gegen das Feuer, das ihn ausfüllte.

Aber er half sofort mit, als Jan seine Shorts vom Hintern herunter zog. Dann zog er Kai hoch und an sich. Sie landeten tatsächlich unter Küssen und geflüsterten Worten von Jan und gezischten Antworten von Kai so übereinander, wie Jan es geplant hatte. Jan schob seine Hände auf Kais Po hinunter, stützte und lenkte ihn über sich. Er schob einen Unterarm unter Kais Hintern und schob die Finger der anderen Hand zwischen sie, tastete sich in Kai hinein, verschwendete mehr Gleitgel als notwendig, wie immer. Die Bewegungen wurden zielstrebiger und Jan ließ Kai mehr Bewegungsfreiheit, so dass er begann, sich über ihn zu bewegen.

Mit den Fingern probten sie den eigentlichen Akt und Kai war kurz davor, sich zum Höhepunkt zu streicheln, als Jan seine Finger entzog und ihn stattdessen etwas mehr anhob. Mit den Fingern tastete Jan sich erneut vor und half sich beim Eindringen. Kai krallte sich in seine Schulter, schob sein Gesicht dicht an Jans Halsbeuge heran und schloss die Augen. Angespannt lauschte er auf seine Gefühle und Jans Bewegungen.

Kai hätte es zuvor nicht gedacht, aber diese Position war genau richtig, für ihn, für sie beide. Er fühlte sich sicher, in Kontrolle und Jan war verdammt kräftig, hatte keine Probleme, ihn zu halten. Er ließ Kai auch nicht los, bis er sich von allein sinken lassen wollte, bis er sich von allein bereit fühlte, Jan aufzunehmen. Mit geschlossenen Augen atmete Kai sich durch das leichte Unwohlsein, entspannte sich allmählich, ließ sich endlich mit bewusst entspannten Beinen gegen Jan sinken, ließ sich dichter ziehen und lehnte sein Gesicht an Jans Schulter, um ihn unkonzentriert genießend den Hals entlang zu küssen. Es fühlte sich herrlich an, wie hatte er das all die Male zuvor nicht merken können? Jan in sich zu spüren, ihn zu besitzen. Er seufzte leise.

Jan ruckelte noch ein wenig herum, hob ihn noch einmal leicht an, um seine Beine dichter heran zu ziehen, dann lehnte er sich gegen das Sofa zurück und fragte leise "Und? Geil?"

Mit der Hand streichelte er Kai in kleinen Kreisen über den unteren Rücken und Po, beruhigend gedacht, aber nicht wirklich erfolgreich darin. Es machte Kai noch mehr an, genau wie die schiere Kraft seines Freundes zu spüren, sich von ihm halten zu lassen.

Kai küsste ihn einmal und lächelte. "Wirklich... viel besser als sonst. Tu was. Wenn du jetzt auf Tantra machen willst, Jan, zerkratze ich dir den Rücken."

Jan lachte leise, etwas atemlos. "Wirklich? Das... das will ich nicht riskieren." Er lächelte Kai an. "Aber du musst alles machen, Baby. Du bist Top."

Kai schloss die Augen wieder und ließ sich noch mehr sinken, lehnte sich nach hinten und ließ sich festhalten. Es war wirklich herrlich, als könnte er dahin treiben. Seine Bewegung brachte Jan tief in ihn. Es fühlte sich ungewohnt an, so ausgefüllt zu werden, aber ganz und gar nicht verkehrt. Jans Finger umschlossen seinen Penis fest und strichen Gleitgel darauf, neckten ihn an der Spitze entlang, mit einem Fingernagel sachte in den Schlitz hinein.

Kai schloss die Augen, hörte sich aufstöhnen und begann tatsächlich, sich zu rühren, vorsichtig erst einmal. Nach einer Weile fand er die richtigen Bewegungen heraus. Er lehnte sich endlich dichter an Jan heran, bis Jan seine Hand fortnehmen musste und um Kais Hüfte legte. Mit beiden Armen umschlang Kai Jans Schultern fest, dann begann er sich mutiger zu bewegen. Erst nur mit sachtem Schaukeln, probehalber mal in diesem, mal in einem etwas anderen Winkel.

Recht bald mischte sich Jan mit leisem Aufstöhnen in seinen Rhythmus ein, hob ihn etwas an, um sich in ihn bewegen zu können. Die leisen Worte und Halbworte machten Kai noch mehr an, er wollte sich gern selber streicheln, schneller kommen. Aber das ging nicht. Es war ohne die Stütze auf Jans Schultern zu anstrengend und er lehnte sich stattdessen enger an den kräftigen Körper heran, um sich gegen ihn reiben zu können. Eine sehr gute Entscheidung, auch wenn Jan sich kaum noch rühren konnte. Es gab Kai zugleich mehr Freiheiten für seine Bewegungen als auch mehr Nähe.

Und darum ging es ihm, um die Nähe, so viel wie irgend möglich. Viel mehr als um den Höhepunkt, den er schon fast zu spüren meinte. Eine stetig wachsende Spannung in seinem Inneren, noch nicht auf dem Punkt, von dem es kein Zurück mehr gab, aber so dringlich, dass er sich darauf hin bewegen wollte. Er bewegte sich schneller, hörte Jan aufstöhnen und fühlte, wie der Griff um seinen Hintern fester wurde, fast schon schmerzhaft, als Jan begann ihn zu lenken, mehr für sich als für Kai. Mit den Händen umfasste Jan Kais Hüfte und zog ihn auf sich herunter, beschleunigte ihn. Aber es war gleich darauf egal. Kai küsste Jan, nahm seinen Mund mit der Zunge ein, ließ sich von den kräftigen Händen halten und spürte seinen Höhepunkt durch sich hindurch rauschen. Er musste die Augen schließen und krallte seine Finger fest in Jans Haare, strich mit offenem Mund an seiner Schulter entlang, verpasste ihm noch einen Knutschfleck, um sich vom Aufstöhnen abzuhalten.

Schwer atmend wollte er zu sich kommen, aber Jan schob ihn auf den Rücken, zog seine Beine weiter herum und stieß sofort wieder zu. Kai japste auf, aber verhinderte gleich darauf, dass Jan sich wieder entzog, indem er einen Arm fest um seine Hüfte schlang: "Nicht! Ich will dich...". Er war noch nicht von der Höhe des Orgasmus runter gekommen und die harten Stöße in ihm feuerten das Gefühl der Spannung und Hitze wieder und wieder an. Mit zurückgeworfenem Kopf zog Kai die Beine mehr an und ließ Jan zu, trieb ihn eher noch an, was er sonst nie tat: "Bitte trau dich..., tue es richtig!"

Jan reagierte darauf, nahm ihn rücksichtsloser ein, ihre Körper berührten sich nicht mehr nur sachte, sie wurden hart gegeneinander gestoßen, wieder und wieder und Kai spürte noch, wie Jan kam, wie er aber auch nicht aufhörte, sondern auf Kais angespannten Griff um seine Hüften reagierte und weiter machte, ihn zugleich den Hals entlang küsste und daran entlang leckte.

Kai biss sich auf die Lippen, es fühlte sich fast unerträglich an, diese Anspannung, in seinem Körper, die nur noch mehr zunahm, je mehr Jan ihn reizte. Kai hörte sich leise aufschreien, bevor er ein zweites Mal den Höhepunkt erreichte und vollkommen erledigt keuchend zusammen sackte. Er sah Sterne, sein Mund kribbelte. Jans Flüstern holte ihn zur Wirklichkeit zurück: "Hey, sachte... du hyperventilierst." Besorgte Blicke aus wunderschönen braunen Augen schufen Wärme und Ruhe.

Die Anspannung wich aus Kais Körper, ihre Atmung beruhigte sich, Stille senkte sich über sie. Jan lag ein wenig zu schwer und komplett verschwitzt auf ihm, aber anders als sonst, wenn er sofort nicht mehr angefasst werden wollte, brauchte Kai die Nähe. Er umfing Jans Schultern fest mit einem Arm und rollte herum, über ihn. Er schob ihn mit einer nebensächlichen Bewegung aus sich heraus, aber er hatte keine Kraft und auch keine Lust, unromantisch an ihm herum zu putzen, wie er es sonst immer machte, das überließ er Jan und döste, bis ihr Puls sich verlangsamt hatte.

Lange Zeit war Jans Herzschlag alles, was Kai hörte. Dann kam die leise Musik allmählich wieder durch. Beruhigend und zugleich irgendwie optimistisch. Eine Frauenstimme. Er schloss die Augen, spürte dem Gefühl von Leere in sich nach, als fehlte jetzt etwas, das ihm zugleich nie wieder würde verloren gehen können. Er fühlte sich wie am Ziel, frei und zugleich sicher. Endlich seufzte Kai und stützte sich auf und sah Jan in die Augen. Jan schwieg so lang, das war ungewohnt, machte ihn allmählich nervös.

Wortlos blickte Jan ihn an, die kleinen Funken glommen auf, der Blick war warm und stolz. Kai biss sich auf die Lippen. Er spürte, dass er gleich heulen würde, einfach so und wollte sich gerade dafür schämen, als Jans Arm seinen Kopf wieder an seine Brust zog. Seine Stimme klang rau: "Ist okay. Ist gut, ich... lass dich nicht mehr los. Nie mehr, Baby."

Lesemodus deaktivieren (?)