zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Wer Swing kauft hat noch lange nicht Jazz

Weihnachtschallenge 2008

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

"Streng Dich mal ein wenig an", wisperte mir Nadine zu und nuckelte eine Sekunde später wieder an meinen Lippen.

"Oh man, Mü, kannst Du nicht mal 5 Minuten von der Schlampe lassen?", lallte jemand hinter mir.

"Oh, oh", raunte eine andere Stimme.

Betont langsam löste sich Nadine von meinen Lippen, nicht ohne noch einmal vorher mit der Zunge provozierend über meine Lippen zu streichen. Aufreizend lässig strich sie ihre Locken hinter das linke Ohr und schmiegte sich an mich.

"Frankiboy, haste es mit dem Handbetrieb heute morgen nicht hinbekommen?", hauchte sie mitfühlend nach hinten. Ein unterdrücktes Kichern war eine logische, aber nicht gerade zweckdienliche Reaktion unserer weiteren Begleiter.

"Dir gehört es mal richtig besorgt", knurrte Frank hinter uns und seine Zunge stieß immer noch leicht an. Mit Nadine in meinem Arm blieb mir gar nichts anderes übrig, als ihre Drehbewegung mitzumachen und nun standen wir vor unserer Truppe oder sollte ich sagen, meiner Clique. Frank glotzte uns aus trüben Augen an und das zeigte mir, dass das Lallen nur der Anfang war.

"Hast Du Dir ne Penisvergrößerung machen lassen?", hörte ich meine Freundin fassungslos neben mir. Das Grinsen auf den Gesichtern unser anderen vier Begleiter wurde noch breiter und Franks Kopf purpurn.

"Mü, wenn das nicht deine Sch…", zischte er mir wütend zu.

"Es reicht", unterbrach ich ihn knurrend. Und wie immer wirkte es wie ein Wunder. Frank zuckte zurück und verbiss sich eine weitere Bemerkung, Nadine schmiegte sich noch enger an mich und ihre Hand wanderte in meine hintere Hosentasche. Mich nervte es wie immer, aber diese Auseinandersetzung ging schon ewig. Das hing wohl damit zusammen, dass diese Clique schon seit der Grundschule bestand. Und seitdem sich wir Jungs etwas aus Mädchen machten – war Frank auf Nadine heiß.

Tja und Nadine war einfach zu intelligent für ihn. Nein, Frank war nicht dumm, aber ein Idiot in seiner Grundeinstellung "Weib sei zu meinem Dienste". Diese altertümliche Einstellung wurde ihm zuhause eingeimpft und vor allem jeden Tag vorgelebt.

Gleich sein erster Annäherungsversuch ging voll in die Hosen und seitdem Nadine mich erwählt hatte, war er jedenfalls soweit in der Lage, seine Chancen real einzuschätzen. Diese lagen im zweistelligen Minusbereich.

"Mü, ich hol uns noch was zu trinken", murmelte er zahm und trottete davon.

"Wie machst Du das nur immer?", flüsterte mir meine Angebetete ins Ohr.

"Was?", fragte ich zerstreut.

"Das alle Dir einfach so aus der Hand fressen?" Ich zuckte leicht mit der Schulter, denn die Antwort kannte ich wirklich nicht. Seit ich denken konnte, tanzten die Leute nach meiner Pfeife. Nicht das ich mich dafür anstrengen oder verstellen musste – es war einfach so. Ein Wort, ein Blick und ich hatte die Lage in Griff, die Leute machten einfach, was ich wollte.

Alle?

Nein, es gab Ausnahmen…, eigentlich nur eine Ausnahme, aber die nutzte ihre Macht nicht. Bei dem Wort "Macht" musste ich leicht kichern.

"He, das war ne ernsthafte Frage!", knurrte sie.

"Sagen wir mal so 'Die Macht ist stark in mir'", grinste ich schief zurück. Verwundert fuhr ihre Augenbraue nach oben und ein ganz kleines fieses Grinsen eroberte ihren vollen roten Mund.

"Mein kleiner Ani", säuselte sie mir augenklimpernd zu.

"Grr" Das war eine ganz sichere Methode, mich sauer zu machen und ich funkelte sie an. Nadine war jedenfalls nicht die vorher angesprochene Ausnahme und drückte mir einen entschuldigenden Kuss auf die Lippen.

"Du hast damit angefangen", murmelte sie leise.

"Mich nerven eure Streitereien", grummelte ich weiter.

"Dann sag dem Penner, dass er einfach das Maul halten soll", zischte sie nun ziemlich angepisst. Nachdenklich schaute ich sie an, diese Ausdrucksweise war einfach nicht ihr Ding.

"Nadine, wer ist der Intelligentere von euch Beiden?"

"Mü, hier Dein Bier", störte uns Frank und drückte mir einen Becher in die Hand. Nach einem verächtlichen Blick auf meine Freundin und einem entsprechenden Rülpser dazu wandte er sich wieder den anderen zu. Im Pulk schlenderten wir dann weiter. Nadine und Martina waren vorgestern der Meinung, dass wir heute am Samstag ruhig mal wieder den Flohmarkt besuchen könnten. Seit zwei Jahren hatten die Beiden so eine Macke und suchten alten Krimskrams auf vergammelten Märkten. Obwohl der Vorschlag von seiner Erzfeindin kam, war Frank ebenfalls dafür und ich hatte nichts Berauschendes vor. Außerdem konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – erstens ich ging einer eventuellen Konversation am Samstag mit meinen Eltern aus dem Wege und konnte einer kleinen Leidenschaft von mir frönen. Ich sammelte alte Schallplatten, die auch nur einen Hauch von Jazz ausstrahlten. Joe, Martinas Freund war natürlich auch von der Partie und Sandra und Marc hatten auch nichts vor, womit der harte Kern der Clique versammelt war.

Mittlerweile war der frühe Abend angebrochen und der Wind pfiff eisig über den Flohmarkt obwohl wir es erst Anfang Oktober hatten. Die Weiber blieben an fast jedem Stand stehen und mir taten von der quälend langsamen Lauferei die Füße weh. Gerade brachen sie wieder in ein verzücktes "Ah" und "oh" aus, da hörte ich durch den allgemeinen Besucherlärm ein paar leise Töne, die mir so bekannt vorkamen, anderseits durch den ganzen Krach eher wie eine Halluzination erschienen.

"Mü, wie lange…", brummte mich Frank an, aber eine kleine harsche Handbewegung brachte ihn zum Schweigen. Leider waren die Laute verstummt und für mich war es nicht möglich, die Richtung, aus der sie gekommen waren zu bestimmen.

"Ja, Frank?", wandte ich mich ihm zu. Er war mehr als etwas angeheitert. In letzter Zeit übertrieb er es mit dem Alkohol, aber mit seinen 20 Jahren sollte er eigentlich alt genug sein.

"Ich hab kein Bock mehr und von diesem sinnlosen Herumgedackel tun mir die Botten weh", grummelte er.

"Wenn Du wegen des Bieres nicht alle halbe Stunde auf das Klo müsstest, wären Dir mehrere Kilometer erspart geblieben", mischte sich Nadine süffisant ein. Sie hatte ihre Ohren halt überall.

"Anders als im Suff ist Dein Anblick halt nicht zu ertragen", lächelte Frank sie fies an.

"Auch wenn Du mich doppelt siehst, bleibt für Dich keine von uns Beiden übrig", konterte sie eisig. Franks trüber Blick flammte kurz auf und seine aufkeimende Wut wurde greifbar.

"Da ich gegen 20 Uhr eh zu Hause sein sollte, bleiben uns noch ca. 30 Minuten, dann müssten wir los. Ich würde gern noch einmal da hinten zu dem Schallplattenstand", ging ich gar nicht auf die Auseinandersetzung ein, gab aber die Richtung für die nächsten Minuten vor. Langsam schlenderten wir zu dem erwähnten Stand, da wehte der Wind mir wieder ein paar Rhythmen zu. Lauschend versuchte ich, die Richtung zu ergründen, aus der mir die Töne entgegenbrandeten. Und wieder war es nur ein kurzes Intermezzo, das viel zu schnell verklang, um die Quelle zu orten. Enttäuscht zog ich meine Stirn kraus und knurrte. Das war ich nicht gewohnt – meistens bekam ich das, was ich wollte.

"Darling, was ist denn?", fragte Nadine an meiner Seite.

"Hast Du die Musik gehört?"

"Nein"

"Meinst Du das Saxophon?", hörte ich Joe an meiner Seite. Und nun war mir auch klar, wie ich die Töne einzuordnen hatte.

"Ja", antwortete ich und sah ihn erwartungsvoll an.

"Ich glaube, das kam von da hinten", murmelte er und wies in die entgegengesetzte Richtung. Ich war viel zu neugierig, als dass ich dem Geheimnis nicht auf die Spur kommen wollte.

"He, wo willst Du denn jetzt noch hin?", murrte dementsprechend Frank.

"Keine Ahnung, will nur mal was schauen", gab ich kurz angebunden eine Antwort.

"Okay, ich muss eh auf Klo und komme dann nach", maulte er und trottete davon.

Joe gab nun, zwei Schritte vor mir mit Martina im Arm, die Richtung vor und je näher wir kamen, desto klarer wurde die Musik. Da spielte jemand Saxophon und wenn das keine Aufnahme von einer CD war, war diese Person sehr gut.

Woher ich das so gut einschätzen konnte?

Ganz einfach – das Saxophon spielte heiße Jazzrhythmen.

Dann erreichten wir unser Ziel, in einer toten Ecke zweier Stände hatte sich eine schlanke Person aufgebaut und verzauberte mit seiner Musik die umstehenden Leute. Hier spielte jemand live und das war kein Anfänger. Verstohlen lies ich meinen Blick schweifen, ob er technische Geräte zur Unterstützung seiner Musik herumzustehen hatte. Außer dem Koffer für das Instrument und einer kleinen Schale vor sich, in dem schon ein paar Münzen lagen, war nichts zu erblicken. Ansonsten war nicht viel von der Person zu sehen. Auf Grund der Statur würde ich auf einen jungen Mann tippen, aber sicher war ich mir nicht. Die Hände waren in Handschuhe gesteckt, von denen das erste Drittel der Finger abgeschnitten war, damit man ein besseres Gefühl beim Spielen des Saxophons hatte. Normale Snicker, keine Markenware, eine dunkle Jeans, darüber ein Anorak unter welchem noch ein dunkles Kapuzensweatshirt aufleuchtete und die Kapuze war weit über den Kopf gezogen, so dass man nicht sah, wer da spielte. Das wurmte mich aber tierisch. Ich änderte meinen Standpunkt ein wenig, so dass die Person mir nun frontal gegenüber stand. Gleichzeitig spielte er gerade eine aberwitzige Passage, die eigentlich als Duett geplant war, aber er brachte sie sehr gut alleine herüber. Dabei hob sich der Kopf und ich konnte einen Blick auf das Gesicht werfen.

Erschrocken zuckte ich zurück und verzog mich wieder ein Stück nach hinten. Nadine hatte meine Reaktion natürlich mitbekommen, denn sie hing ja immer noch an meinem Arm und sah erst mich, dann den Musiker und dann wieder mich nachdenklich an.

Zu behaupten, ich wäre verwirrt – wäre maßlos untertrieben. Ihre linke Hand, die noch immer in meiner hinteren Gesäßtasche ruhte, wanderte weiter nach vorne und ihre Finger schoben sich nun in die vordere linke Tasche meiner Jeans. Ich schaute sie provozierend an und sie lächelte amüsiert und wissend zurück. Dann ließ sie wieder ihren Blick zu dem Saxophonspieler wandern und musterte ihn neugierig.

Denn der Musiker war ein Kerl. Nun ja, Kerl war wohl etwas übertrieben, eher ein Junge in unserem Alter. Seine Augen hatte er aus Hingabe zu seiner Musik geschlossen, aber sein Gesicht strahlte eine Zufriedenheit und Glück aus, dass es fast greifbar war. Ein paar pechschwarze Haare lugten unter der Kapuze vor, die langen schwarzen Wimpern hätten jede Frau neidisch gemacht, die Wangen waren leicht gerötet, ob von der Kälte oder seinem Spiel, war nicht zu erkennen. Er war etwas kleiner als ich, aber nicht viel. Mehr war zu meinem Leidwesen nicht zu erkennen.

Er kam an das Ende des Stückes und die letzten Töne verklangen. Ein paar Leute um uns herum applaudierten und warfen einige Geldstücke in die Schale. Sein schmaler Mund mit den jedoch vollen Lippen verzog sich zu einen leichten fast schüchternden Lächeln und dann öffnete er seine Augen.

Ich versteifte mich umgehend und eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper. Sein Blick war unmittelbar auf mich gerichtet und obwohl wir ein paar Meter auseinander standen, sah ich genau, wie sie sich einen kurzen Augenblick weiteten. Seine Augen wanderten kurz zu Nadine, dann wieder zurück und ein spöttisches aufreizendes Lächeln umspielte seine Lippen.

Von einer Sekunde auf die andere war ich stocksauer und zog mich mit Nadine noch ein, zwei Schritte nach hinten. Eine Stimme in meinen Kopf machte mir unmissverständlich klar, sofort von hier zu verschwinden, aber die Katastrophe nahm seinen Lauf.

"Man was steht ihr denn hier immer noch so rum", krakeelte Frank aus einiger Entfernung und kam leicht schwankend näher.

'Man, der hatte eindeutig zuviel gesoffen. Das schrie nach Ärger', ging mir noch durch den Kopf, da blieb er schon bei dem Musiker stehen und mit einem fiesen Grinsen schaute er auf die Schale.

"Na da hat sich der Tag wohl doch noch gelohnt", murmelte er hämisch und bückte sich. Mittlerweile waren wir mit dem Jungen alleine und dieser beobachtete argwöhnisch Frank.

"Ich würde das lassen", ertönte auf einmal seine Stimme und diese jagte mir den nächsten Schauer über den Körper. Sie war jung, hatte einen etwas rauchigen Klang, aber gerade zitterte sie vor Ärger.

"Sagt wer?", grunzte Frank und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Dazu musste man wissen, dass wir Beide seit ca. 5 Jahren regelmäßig das Fitnesscenter besuchten. Somit brachte er mit seinen knapp 1,90 wohl um die 30 Kilo mehr auf die Waage als sein Gegenüber und das war definitiv kein Fett. Davon ließ sich der Kleine jedoch nicht einschüchtern und sah Frank herausfordernd an. Auf die Aussage von Frank machte der Boy eine kleine Handbewegung und ich musste mir arg das Grinsen verkneifen. Nadine hatte nicht aufgehört, uns Beide zu beobachten und bekam das Fingerspiel und meine Reaktion darauf hin sehr wohl mit.

"Was hat er gesagt?", raunte sie mir zu. Verblüfft sah ich sie an und mein Grinsen wurde noch breiter.

"Arschloch", murmelte ich genauso leise zurück.

"Zeichensprache?" Zustimmend nickte ich und wandte mich wieder dem Jungen zu. Er hatte keine Chance gegen Frank, aber das schien ihm total egal. Frank hatte die kleine Handbewegung nicht mitbekommen und bückte sich selbstsicher, um die Schale zu plündern. Vorsichtig, fast zärtlich stellte der Musiker sein Saxophon nach hinten an die Bretterwand und ballte danach seine Fäuste.

"Willst Du mich schlagen, Kleiner?", fragte Frank breit grinsend. Jetzt war es Zeit einzuschreiten und ich machte einen Schritt nach vorne, aber der Junge erstickte meine Bemühungen im Keim. Sein Fuß schnellte blitzartig nach vorne und traf Frank an delikater Stelle. Dieser wollte den Fußstoß abwehren, konnte sich jedoch nicht rechtzeitig wegdrehen. Auf jeden Fall bewirkte seine Ausweichbewegung, dass der Boy ihn wohl nicht richtig traf und dieser bekam umgehend die Folgen zu spüren. Franks Faust stieß nach vorne und erwischte ihn unterhalb der Nase. Sein Kopf schleuderte durch die Wucht zurück und er stürzte nach hinten. Sein Instrumentenkoffer gab unter seinen Gewicht nach und wir hörten ein lautes Knirschen.

"Fraaaaank", schrie Nadine aufgebracht neben mir. Ich schaute wie gebannt auf den Jungen. Seine Lippe war aufgeplatzt und seine Augen sahen nicht Frank an sondern waren vorwurfsvoll auf mich gerichtet. Dieser Blick ging mir durch und durch.

"Komm Schwuchtel, versuch mich doch noch einmal zu treten", forderte Frank ihn wütend auf.

Wie aus dem Nichts stand auf einmal ein wahrer Hüne zwischen uns und packte Frank am Kragen.

"Kommst Dir wohl sehr stark vor, Kleinere zu schlagen", grollte eine tiefe Stimme über uns. Der Kerl war noch einmal ein halben Kopf größer als Frank und neben ihm sah er nun wie ein schmächtiges Kerlchen aus.

"Pack das Geld sofort wieder zurück und ein paar Scheinchen für den kaputten Koffer kannst Du gleich mit dazu legen!" Frank war wohl damit nicht so einverstanden und wollte seine Meinung kundtun, aber der Riese verstärkte seinen Griff an dem Kragen und Frank schnappte mühevoll nach Luft. Dabei öffnete sich seine Faust und die paar Geldstücke verstreuten sich zu seinen Füssen.

"Devin, ich habe Dir doch gesagt, Du sollst vorsichtig sein", wandte sich der Hüne jetzt an den Musiker und seine Stimme hatte einen sanften, fast liebevollen Klang bekommen. Der hatte sich mittlerweile aufgerappelt und die verstreuten Münzen eingesammelt. Dann schnappte er sich mit der einen Hand das Saxophon und mit der anderen den fast zerstörten Instrumentenkoffer. Er richtete sich nun vollständig auf und durch eine schnelle Kopfbewegung rutschte seine Kapuze ins Genick. Kurzes schwarzes und leicht gewelltes Haar war unter der Kapuze versteckt gewesen und gab ihm nun ein wildes Aussehen. Seine Augen blitzten wütend, aber meine Augen waren erschüttert auf seine aufgeplatzte Lippe gerichtet, aus der einzelne Bluttropfen herausquollen und auf seinen Anorak tropften. Der Hüne zog scharf die Luft ein und fing Frank an, unmerklich zu schütteln.

"Devin, Du musst zu einen Arzt."

"Geschenkt und Lars", wandte sich dieser an den Riesen.

"Ja", murmelte der vorsichtig.

"Ich habe gesagt, lass mich zufrieden und es auch so gemeint", hörte ich Devin leise aber bestimmt sagen. Seine Stimme hatte einen harten Klang bekommen und seine Augen drückten Ablehnung aus.

"Aber…" Doch die blitzenden Augen des Boys ließen ihn verstummen. Er klemmte sich den Koffer kurz unter den Arm und zog sich die Kapuze wieder über den Kopf. Dann wandte er sich ab und beim Vorbeigehen, bohrten sich seine Augen noch mal in meine und das kleine spöttische Lächeln war wieder da. Meine Augen verfolgten ihn solange wie es möglich war. Irgendwas in mir wünschte sich, dass er sich noch einmal umdrehen sollte – anderseits wollte ich so weit wie möglich von hier weg sein.

Die anschließende halbe Stunde wurde noch einmal etwas anstrengend. Der Hüne stellte sich als solche Art Security auf diesen Markt heraus und bereitete uns nun einigen Ärger. Unsere Daten wurden aufgenommen. Lars, so wurde er ja von dem Boy genannt, hatte eine tierische Wut auf Frank und ließ ihn das durch eine sehr unsanfte Behandlungsmethode auch spüren. Mit der Drohung, dass er Devin eine Anzeige wegen Körperverletzung ans Herz legen würde, verabschiedete er uns dann. Die Fahrt nach hause war eine sehr unentspannte Angelegenheit, weil Nadine Frank ziemlich für sein arschiges Verhalten zur Sau machte. Mir ging der Streit verdammt am Allerwertesten vorbei, denn vor meinen Augen tanzten nur dunkle spöttische Augen, die mich aus dem sehr hübschen aber lädierten Gesicht wissend anschauten.

Vor der Haustür von Nadine beugte sie sich zu mir herüber und drückte mir einen Abschiedskuss auf die Wange. Dabei streiften ihre Lippen mein Ohr und ich hörte sie:

"Das ist also Dein Typ."

Devin

"Au, au, au, au, auuuuuuu", jaulte ich auf. Das Sepso, was Silke da über mich ergoss, hätte eine ganze Kompanie steril werden lassen.

"Männer sind doch sooooone Memmen", brubbelte sie leise, tupfte jedoch spürbar sanfter die Flüssigkeit von meiner Oberlippe.

"Kennst Du denn welche?", nuschelte ich hinter meiner aufgeplatzten Lippe.

"Was?"

"Männer?", grinste ich sie anzüglich an.

"Nur welche, die an sich oder an anderen Kerlen herumspielen", kam postwendend ihr Konter.

"Grmpf"

"Oder soll ich Dir lieber Claudio holen?", fragte sie süffisant. Da ich sicher wusste, dass er heute seinen freien Tag hatte, lächelte ich provozierend zurück.

"Natürlich weiß mein kleiner Herzensbrecher hier, dass meine Drohung nichts wert war. Verdammt, warum musst Du nur immer so die Kontrolle über alles haben, wobei…", brubbelte sie vor sich hin und schaute mich dann forschend an.

"…das hier war wohl nicht geplant?"

"Dieses besoffene Arschloch wollte mir meine paar Kröten klauen", knurrte ich sauer.

"Nähen brauchen wir es nicht. Der Riss ist nicht so tief, Du solltest die Oberlippe die nächsten Tage nicht zu sehr belasten. Ach, hatte ich ja ganz vergessen…", lächelte sie hinterhältig und ich schaute sie misstrauisch an.

"Zum Küssen haste ja gerade nichts an der Hand", grinste sie breit.

"Na vielen Dank", grummelte ich. Aber wo sie Recht hat, hat sie Recht. Vorsichtig fuhr ich mit meiner Zunge wiederholt über meine obere Zahnreihe, aber die saßen zum Glück alle fest an Ort und Stelle.

"War Lars denn gar nicht in Deiner Nähe", stocherte sie weiter.

"Doch, deshalb habe ich ja nuuuuuur eine aufgeplatzte Lippe", murmelte ich.

"Oh, dann möchte ich Deinen Gegner nicht sehen", entfuhr es ihr.

"Keine Ahnung, ich bin da verschwunden. Musik machen ist mit der Lippe unmöglich, außerdem war mir der Spaß mächtig vergangen", antwortete ich leicht abwesend.

"Jazz?"

"Hm."

"Devin?", wurde ihr Ton drängender und riss mich aus meinen Gedanken.

"Ja?"

"Da war noch mehr, oder?"

"Wie kommste denn darauf?", versuchte ich abzuwimmeln.

"Nenn es weibliche Intuition", schaute sie mich herausfordernd an.

Silke etwas vorzumachen war fast unmöglich, dafür kannte sie mich einfach zu lange und zu gut. Sie war so was wie die große Schwester, die ich wohl nicht hatte. Ja, ich wusste nicht, ob ich eine Schwester hatte. Das konnte mir nur eine Person sagen, die aber als erste Handlung als Pseudomutter mich in eine Babyklappe geschoben hatte. Somit würde ich wohl nie herausfinden, wer ich war, anderseits wusste ich genau, was ich war!

Ein Junge, mit einer gewissen Begabung für die Musik und dem Faible für Jazz.

Ein Mensch, dem die Sympathien seiner Mitmenschen nur so zuflogen und der diese nach Belieben beherrschen konnte.

Ein Kerl, der wusste, was er wollte und das auch nach außen hin vertrat.

Aber auch ein Boy, dem etwas Entscheidendes fehlte – nämlich die Person, die er lieben, der er vertrauen und mit der er leben wollte.

Ach und nicht zu vergessen, sozusagen zu guter Letzt, war ich schwul.

Und diese Liebe zum eigenen Geschlecht hatte mich heute ziemlich aus der Bahn geworfen. Eigentlich war es mir am Morgen viel zu kalt gewesen, um überhaupt auf dem Flohmarkt aktiv zu werden. Ich war eine absolute Frostbeule und hasste den Winter mit all seinen Facetten. Aber mein Geldbeutel meinte etwas anderes und wer konnte dem Lockruf des Goldes schon widerstehen. So hatte ich mich am frühen Nachmittag an meinen Stammplatz begeben und fror mir den Arsch ab. Da konnte ich mich noch so dick einmümmeln, wenn erst die Füße und Finger kalt waren, hatte ich den sinnlosen Kampf gegen die Schweinekälte verloren. Zum Glück ging mir Lars nicht auf den Sack. Als er von irgendwem gesteckt bekommen hatte, dass ich mehr auf das Fortpflanzungsorgan von "m" und nicht "w" stand, versuchte er bei mir zu landen und das auch noch äußerst plump. Nur war er so der Antityp für mich wie selten jemand, groß, steroid verseucht, nicht sehr intelligent und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Er war ja ein lieber, netter Kerl, aber einfach bääääh. Jedoch meine letzte Abfuhr muss deutlich genug gewesen sein, denn ich sah ihn heute nur ab und zu von weitem.

Nach knapp drei Stunden hatte ich von der Kälte die Schnauze gestrichen voll und spielte mein obligatorisches Abschiedsstück. Wie immer versank ich in dieses Lied und spielte ein paar Variationen. Zum Ende merkte ich trotz geschlossener Augen, dass mich jemand intensiv musterte. Ich schloss das Stück mit ein paar wagemutigen Akkorden ab und genoss den Beifall der umstehenden Leute mit einem kleinen Lächeln. In mir stieg jedoch die Spannung, wer mich da so intensiv betrachtete und unruhig öffnete ich meine Augen.

Ich brauchte nicht lange zu suchen, denn mein Blick fiel unmittelbar auf ihn. Mein Denken setzte für Bruchteile einer Sekunde komplett aus. Ich weiß nicht, ob das DER Traumtyp war, aber er kam diesem Ideal jedenfalls gefährlich nahe. Er war etwas größer, hatte halblanges braunes leicht gelocktes Haar, eisgraue relativ große Augen, einen süßen Schmollmund, der nur nach Küssen zu lechzen schien und er hatte eine FREUNDIN, die sich gerade sehr eng anschmiegte. Ich ließ noch kurz meine Augen über seine Figur streifen. Da er aber mindestens genauso dick eingepackt war wie ich, konnte man da so gar nichts erkennen. Dann musterte ich kurz seine Freundin, die verdammt hübsch aussah, aber der Reiz für mich ging eindeutig von ihm aus. Die Situation, in der er sich mir hier präsentierte war so eindeutig, dass ich sein Verlangen in den Augen nicht verstehen konnte. Da mein Gehirn mittlerweile wieder auf Betriebstemperatur war, was bei den Außentemperaturen schon eine fantastische Leistung darstellte, versuchte ich mit der ganzen verwirrenden Lage locker umzugehen und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Seine Reaktion kam umgehend und sie war für mich ein ziemlich eindeutiges Nein. Sein Blick wurde abweisend, fast wütend und die Distanz zwischen uns vergrößerte er auch unmerklich, in dem er ein paar Schritte nach hinten ging.

Und dann kam dieser Vollpfosten!

Er musste zu dieser Gruppe gehören, denn sein Gelalle war an sie gerichtet. Warum die Leute sich auf einen Flohmarkt so die Kante geben mussten, war mir nach wie vor schleierhaft. Und sein Gehirn musste der Alkohol vollends aufgeweicht haben, wenn der Proll jemals eins gehabt haben sollte. Bückte er sich doch nach meinen paar Münzen, die sich da nach stundenlangem Herumzittern angesammelt hatten.

Die Folge war jetzt, dass Silke immer noch an mir herumtupfte und ich Lars wohl einen Gefallen schuldig war – ich war begeistert!

"Deviiiiiin!"

So riss sie mich mit ihrer zarten Stimme aus meinen Überlegungen. Als Antwort rollte ich demonstrativ mit meinen Augen.

"Okay, dann also doch nähen!", drohte sie und ging zu meiner steigenden Unruhe zu einem abgeschlossenen Schränkchen.

"Ähm", brubbelte ich nervös durch meine lädierte Lippe.

"Wer nicht hören will, muss eben fühlen", lächelte sie mich diabolisch über die Schulter an und fummelte für mich uneinsehbar im Schrank herum.

"Das nenn ich Erpressung", grummelte ich nun schon fast panisch.

"Ich weiß doch, wie ich meinen kleinen Jazz zum Reden bringen kann", hörte ich sie kichern und dann drehte sie sich mit versteckten Händen hinter dem Rücken zu mir um. Dieses komische Grinsen und vor allen die nichteinsehbaren Hände steigerten meine Fastpanik in eine ausgewachsene Panik.

"Ich find das nicht lustig. Du weißt, was ich von Spritzen und solchem Mist halte", kiekste ich nun schon etwas hysterisch.

"Och, mein kleiner immer so cooler und alles so locker beherrschender Jazz, Du hast doch nicht etwas Angst?" Meine weit aufgerissenen Augen sollten als Antwort genügen.

"Dann gestehe, mein Kleiner."

"Okay, da gab es Jemanden, der ganz passabel aussah", gab ich mich auf den Behandlungsstuhl windend leise zu.

"Passabel?"

"Na gut, er sah einfach umwerfend aus, aber…", unterbrach ich meine Ausführungen und musste an seinen ablehnenden Blick denken.

"Er war das doch wohl etwa nicht", zog Silke die falschen Schlussfolgerungen und ich konnte mir gut vorstellen, wie sie ihn gerade in Gedanken teerte, dann federte und mit einem verächtlichen Grinsen anzündete.

"Nein, wohl nur ein Kumpel von ihm, aber er hatte ein Mädel im Arm", seufzte ich niedergeschlagen und hatte die drohende "Oberschwester" vor mir verdrängt.

"DAS sollte für unseren Herzensbrecher doch kein Problem darstellen", grinste sie mich spitzbübisch an. Mein mehr als verzweifelter Blick sollte auch hier als Antwort genügen.

"Oh", murmelte sie und sah mich prüfend an.

"Dafür hast Du dir aber eine Belohnung verdient, mein kleiner Jazz", offenbarte sie mir nun wieder ernst und ich bog aus Reflex meinen Oberkörper soweit es der Stuhl zuließ von ihr weg. Die Gefahr ihrer versteckten Hände und vieler spitzer Gegenstände, die sie mit Wonne in meinen Körper stechen wollte, war nun sehr nahe – viel zu nahe.

"Wolla", trompetete sie und hielt mir grinsend einen kunterbunten Kinderlolli unter die Nase. Fassungslos sah ich sie an.

"Dieses Gesicht entschädigt mich für so Einiges", lächelte sie mir zu und hauchte mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Da sie so nett gewesen war, den Lutscher vorher auszupacken, schnappte ich ihn mir und schob ihn mir nun wieder etwas beruhigter und selbstsicherer grinsend in meinen Mund.

"Zufrieden wie ein Kater", stellte sie fest und setzte sich auf die Liege gegenüber.

"Na ja", seufzte ich.

"So schlimm?"

"Ne, außerdem seh ich den eh nicht wieder", schloss ich das Kapitel für mich ab. Ein paar Minuten später verabschiedete ich mich von ihr und stürzte mich wagemutig zurück in die klirrende Kälte. Mein Saxophon hatte ich mehr recht als schlecht in dem demolierten Koffer untergebracht. Achim würde mir die Ohren lang ziehen, wenn er das sah.

Zum Glück waren meine vier Wände nicht zu weit vom Krankenhaus entfernt. Trotzdem legte ich mich erst einmal für eine halbe Stunde in die Wanne, die bis oben hin mit heißen Wasser gefüllt war. Aufgewärmt, mit einer pochenden Lippe und wirren Gedanken setzte ich mich danach an meinen PC und checkte erst einmal meine Postfächer. Auch das Surfen danach auf meinen Lieblingsseiten beruhigte meine Nerven nicht wirklich. Mit diesen sexy eisgrauen Augen vor meinem geistigen Auge und den aberwitzigen Gedanken, was sich unter seiner dicken Bekleidung so verbergen könnte, fand ich nur unruhig in den Schlaf.

In den nächsten Tagen hetzte ein Termin den nächsten und sie waren selten angenehm. So wechselten sich Behördengänge mit Abendschule ab und zur Krönung verlor ich auch noch meinen Aushilfsjob beim Discounter um die Ecke. Dadurch waren die finanziellen Möglichkeiten auf einmal rapide zusammengeschmolzen und meine Reserven würden mich kaum ausreichend über den Winter bringen. Ein neuer Aushilfsjob war zurzeit nicht zu finden. Auf Grund einer fehlenden Lehre bzw. überhaupt einer beruflichen Begabung war ein richtiger Job auch kaum drin, außerdem lag meine ganze Konzentration auf der Abendschule, weil ich unbedingt die Voraussetzungen für mein Musikstudium schaffen wollte.

'Fast ein ganzes Jahr noch, Jazz', seufzte ich still vor mich hin, als ich mich in meinen Sessel fallen ließ. Das wird hart. Wenn ich das Abi erst hatte, war die Zulassung zum Studium eigentlich nur ein Klacks – wozu hatte man denn so seine Beziehungen.

"Ich will nicht in die Scheißkälte da raus", fluchte ich leise vor mich hin. Anderseits war es eine Möglichkeit, meine ausgefallenen Übungsstunden aus dieser Woche vor mehr oder minder geneigten Publikum nachzuholen. Ein schlechtes Gewissen hatte ich auch, ohne dass mir Achim die Hammelbeine lang zog. Die ganze Woche war ich nicht zum Spielen gekommen, jedoch hatte diese Pause meine Lippe fast vollständig abheilen lassen. Die Kombination "kaputte Lippe" und mein Blick auf den lädierten Instrumentenkoffer ließen vor meinem inneren Auge wieder ein verdammt hübsches Gesicht entstehen. Ich hatte den Anblick von ihm nicht verdrängt, aber ziemlich weit hinten in meinem Gehirn abgelegt.

'Wieso konnte ich mir diesen Typen nicht aus den Kopf schlagen?', grübelte ich. Seine Abweisung an mich war doch eindeutig – warum akzeptierte ich es nicht einfach?

Weil ich diesen ersten sehnsüchtigen Blick nicht vergessen konnte!

Okay, es half nichts. Ich musste wieder in diese unmenschliche Kälte da hinaus. Dick eingepackt war ich dann doch etwas von der Kraft der Sonne überrascht, die auf meinen Kopf schien. So kam ich ziemlich verschwitzt bei dem Flohmarkt an und suchte meine Lieblingsstelle auf. Da es hier windstill war und die Sonne die nächsten Stunden kein Erbarmen mit mir haben würde, entfernte ich wieder ein paar Lagen meines Bekleidungsschutzes. Einige Versuche mit meinem Saxophon zeigten mir, dass mir meine Lippe keine großen Probleme mehr bereiten würde. Kaum hatte ich das Mundstück am Mund, umschlossen meine Finger liebevoll den Klangkörper und fanden ganz alleine die nötigen Tasten. Als die ersten Töne erklangen, driftete ich in meine kleine Traumwelt ab und gab mich ganz meiner Musik hin.

"Hey Devin", wurde ich sachte aus meiner Ekstase gerissen. Unwillig öffnete ich meine Augen und sah einen strahlenden Lars vor mir.

'Super, nun musste ich zwangsläufig Konversation mit ihm machen', fluchte ich in Gedanken.

"Oh, mein Lebensretter", begrüßte ich ihn sachlich. Ich wollte ihm bloß keine Hoffnungen machen.

"Möchtest Du etwas zu trinken haben?", fragte er vorsichtig und es war mir fast peinlich, wie verlegen er wirkte. Lars flirtete doch wirklich mit mir. Zu dieser unmöglichen Situation gesellte sich noch ein Gefühl, welches jetzt, nachdem ich aus meiner Traumwelt wieder aufgetaucht war, stärker geworden war.

Ich fühlte mich beobachtet!

Unauffällig ließ ich meine Augen herumhuschen, aber ich konnte nichts genau ausmachen. Das Gefühl war jedoch nach wie vor da und das machte mich nervös. Zuerst musste ich jedoch meinem Lebensretter einen noch eindeutigeren Korb geben, damit das zarte Pflänzchen der Zuneigung mir gegenüber nicht zu einer Katastrophe mutierte.

"Nein Lars, ich möchte nichts zu trinken. Und für letzte Woche bin ich Dir echt dankbar", fing ich vorsichtig an. Ich konnte ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und den Dank war ich ihm wirklich noch schuldig. Na toll, nun strahlte er mich an wie ein Honigkuchenpferd.

"Vielleicht können wir ja mal zusammen…", plapperte er postwendend aufgeregt los.

"Lars", unterbrach ich ihn leise aber bestimmt.

"Ich weiß, dass Du denkst: ich steh auf Männer und Du scheinst ja auch welche zu mögen und schon könnten wir Freunde werden, aber so läuft das nicht bei mir. Du bist ein netter Kerl, aber mehr als ab und an mal ein paar Worte zwischen uns wird es mit mir nicht geben."

Seine Gesichtzüge verloren das Lächeln und nun schaute er hilflos aus der Wäsche.

"Es tut mir leid, aber ich wollte Dir keine Hoffnung machen und die Sache klären", schob ich noch hinterher.

"Na ja, wer nicht fragt, bekommt auch keine Antwort. Auch wenn sie einem nicht gefällt", brummte er und der Satz war schon fast zu intelligent für ihn. Hatte ich mich vielleicht ein wenig in ihm getäuscht? Aber auch, wenn er seinen IQ in meinen Augen eben gerade verdoppelt hatte, war er immer noch nicht mein Typ. Zum Glück verzog er sich dann und ich konnte wieder ans Geldverdienen denken.

Leider war meine Konzentration weg und ich fand nicht mehr so richtig zu meinem Spiel. Außerdem war das Gefühl, beobachtet zu werden, immer noch da und ich konnte es nicht abschütteln. Seufzend packte ich die Münzen ein und verstaute mein Saxophon. Eine halbe Stunde später fiel meine Haustür ins Schloss und ein langer unspektakulärer Abend vor der Glotze stand mir bevor.

Ich zählte die paar Kröten, die ich heute eingenommen hatte – ein Vermögen von knapp 26 Euro offenbarte sich mir. Okay, dafür hatte ich ca. 4 Stunden meiner Liebe zur Musik frönen können, aber Flohmarkt war nur einmal in der Woche und eine Hochrechnung brachte keine Lösung meiner finanziellen Probleme.

Nun gut, dann konnte ich meine verdienten Millionen von heute auch auf den Kopf hauen. Ein kurzer Anruf bei Claudio und die Planung war klar. Außerdem war mein Telefonat mit ihm nicht ganz uneigennützig. Er hatte letztens so eine komische Andeutung für einen Nebenverdienst gemacht, dem wollte ich heute mal nachgehen.

Klamottenwahl war einfach, denn ich hatte nur eine passable Jeans – aber laut O-Ton meiner großen "Schwester" saß sie viel zu sexy auf meinen Hüften. Die etwas einseitige Kleiderwahl wollte ich mit ein bisschen Pepp in meinen Haaren ausgleichen, jedoch machten die wieder was sie wollten mit mir. Okay, nach einem letzten Blick in den Spiegel war ich nicht sehr begeistert, aber ich wollte ja eigentlich keinen Fick für heute Nacht klar machen, eigentlich…

"Jazz, Du gehörst verboten", knurrte Claudio mir zur Begrüßung entgegen. Verwundert sah ich ihn an.

"Auch Dir einen schönen Abend", brubbelte ich zurück.

"Ist doch wahr, neben Dir seh ich so scheiße aus und das, nachdem ich Stunden im Bad verbracht habe."

"Aus nem Kaktus wird nun mal keine Orchidee", grinste ich ihn fies an.

"Blödes Arschloch", zischte er, musterte mich aber mit eindeutigen Blicken.

"Na ja, ist auch egal, wenn Du nachher in meinem Bett landest", säuselte er und seine Hand verirrte sich rein zufällig auf meinen Hintern.

"Süßer, das wird doch eh nichts", hauchte ich ihn diabolisch in sein Ohr. Claudio zuckte zurück und riss seine Finger von mir. Sein Gesicht hatte eine leicht rötliche Farbe angenommen und seine Augen versprühten zornige Blitze. Er wusste, er hatte keine Chance, aber er versuchte es immer wieder. Das komische daran war, dass er mich in der allerersten Nacht abgeschleppt hatte. Er war schon eine Sahneschnitte, sportlich und sehr anziehend. Tja und dann lagen wir in seinem Bett und er brachte es nicht. Ihm war das so unendlich peinlich und ich kugelte mich vor Lachen. Er ist der absolute Hengst, das haben mir nun schon genügend Exfreunde von ihm garantiert, aber an dem Abend ging einfach nichts. Dafür wurde in diesen Minuten etwas anderes geboren – unsere Freundschaft. Er ließ natürlich nichts unversucht, um seinen Makel der ersten Nacht wieder auszumerzen, aber mir war die Freundschaft mittlerweile wichtiger als ein schneller Fick mit ihm. Wir wussten Beide, dass es danach nicht mehr so einfach sein würde – aber er war trotz allen nur ein Kerl, der zu oft mit seinen Schwanz dachte. In solchen Momenten wirkten ein paar Worte wie eine kalte Dusche.

"Du gibst mir ja auch keine Chance der Wiedergutmachung", grummelte er noch ein wenig vor sich hin, aber so ganz ernst meinte er das nicht. Im Grunde war es nur ein Spielchen von ihm, um sich so richtig geil aufzupuschen und er wusste, dass ich das wusste. Das Flirten lag ihm zudem noch im Blut. Ein halbe Stunde später saßen wir irgendwo in einer dunklen Ecke unserer Stammkneipe und ich hatte einen Drink vor ihm abgestellt. Verwundert zog er eine Augenbraue hoch.

"Der chronische Pleitegeier gibt mir einen aus?", grinste er etwas spöttisch.

"Jo, die Millionen sind mir heute beim Konzert auf dem Flohmarkt nur so zugeflogen", murmelte ich düster.

"So schlimm?", hakte er vorsichtig nach.

"Hab meinen Aushilfsjob verloren letzte Woche."

"Scheiße"

"Tja und da kommst Du nun ins Spiel", lächelte ich ihn erwartungsvoll an.

"Ähm, wie?", schaute er verwirrt zurück.

"Na, Du hast da letztens so eine Andeutung gemacht und nun wollte ich mal nachhaken, was Du damit gemeint hast?" In Claudios Gesicht dämmerte die Erkenntnis, aber genauso schnell waren Zweifel sichtbar.

"Das war nur so mal hingeworfen", versuchte er sich herauszureden.

"Drucks nicht rum!"

"Okay, aber wenn das Silke herausbekommt bzw. sie erfährt, von wem Du die Idee hast, bin ich tot", antwortete er sichtlich unbehaglich.

"Man, nun sag es schon!"

"Du siehst geil aus, bist jung und zum Sex mit Kerlen muss man Dich bestimmt nicht zwingen, oder?", warf er mir an den Kopf.

"Ähm, wie?", schaute ich ihn nun ziemlich verwirrt an.

"Escort", brachte er nach einigem Zögern hervor.

"Waaaas?", stieß ich total überrascht heraus. Ich sollte meinen Körper verkaufen, Claudio hatte sie doch nicht mehr alle! Dementsprechend sauer sah ich ihn auch an.

"Ich weiß, eine totale Schnapsidee, aber ein Kumpel von mir macht das auch und schwärmt in vollen Zügen", versuchte er sich zu rechtfertigen.

"Du bist total bescheuert", fauchte ich ihn an und verschwand umgehend aus der Kneipe.

Eine Woche später stand er reumütig vor meiner Haustür mit einer Flasche Wein und wollte sich entschuldigen. Bei mir hatte sich jedoch wieder einiges ereignet, so dass ich die Idee immer noch ziemlich schräg fand, aber schon seit Tagen nicht mehr sauer auf ihn war. Ein neuer Aushilfsjob war einfach nicht zu bekommen und heute hatte es den ganzen Tag geregnet, somit war mein Flohmarktbesuch sprichwörtlich ins Wasser gefallen. So ließ ich Claudio noch ein wenig in seinem Saft schmoren, aber so ganz behutsam fragte ich ihn über seinen Kumpel aus.

"Du, sag mal Jazz", stutzte er dann nach einer Weile.

"Ja", tat ich ahnungslos.

"Kann es ein, dass Dich die Sache nun doch interessiert?"

"Ähm", druckste ich herum und lief rosa an.

"Man, verlegen biste noch niedlicher", flirtete er nun offen mit mir.

"Ich muss diese blöde Durststrecke bis zum Beginn des Studiums überbrücken und dachte mir, ich könnte mir wenigstens die Sache mal anhören", murmelte ich leise. Ich hatte mir in den letzten Tagen wirklich ein wenig den Kopf darüber zerbrochen. Tatsache war, dass ich wirklich sehr gerne Sex hatte – anderseits, wenn ich mir vorstellte, dass ich dann mit alten Kerlen ins Bett sollte, bääääh. Claudio konnte wohl ein Teil meiner Zweifel aus meinem Gesicht ablesen.

"Jazz, Du sollst ja kein Profistricher werden und Dich an einen Zuhälter verkaufen", warf er mir knallhart an den Kopf und ich schaute ihn entsetzt an.

'STRICHER!' Worüber dachte ich hier nur nach?

"Scheiße, vergiss es", entfuhr es mir fast angewidert.

"Okay, lass uns mal ein paar Profile anschauen und ich zeige Dir, was ich gemeint habe", schlug er vor. Sekunden später saß er an meinem PC und surfte zu GR. Da rief er die Escortsuchfunktion auf und zeigte mir die Profile aus der Umgebung. Größtenteils waren das normale Profile, nichts außergewöhnliches. Es gab richtig hübsche Kerle, aber auch Ruinen, die nicht einen Blick lohnten.

"Pass auf Jazz. Es gibt ein paar Grundsätze, die Du unbedingt einhalten solltest. An allerallererster Stelle – nur geschützten Sex. Such Dir Deine Leute aus, lass Dir ein Foto zukommen und vor allen eine Telefonnummer, damit Du nachprüfen kannst, dass Dich keiner verarscht. Und höre auf dein Bauchgefühl, sagt das nein, dann lass es. Auf die paar Fakten hat mich mein Kumpel hingewiesen."

Grübelnd schaute ich auf meinen Monitor und kämpfte mit meinen kleinen Einflüsterern, die da hießen: Hemmungen, Selbstwertgefühl, Achtung und Stolz. Mein Blick streifte über die Preisangaben und ich musste unwillkürlich schlucken.

'Du willst deinen Körper verkaufen?', heulte es in meinen Kopf.

'Dich für Geld fetten alten Kerlen hingeben?', hallte es hämisch aus einer anderen Ecke.

'Ihr habt alle gut reden – irgendwie müssen wir über den Winter kommen und die finanzielle Lage sieht mehr als bescheiden aus!', versuchte ich mich zu wehren.

"Jazz?", hörte ich Claudio leise. Sehr durcheinander und zweifelnd sah ich ihn an.

"Ich will Dich nicht dazu überreden müssen", stellte er fest.

"Hm", seufzte ich.

"Wenn ich vor dieser Entscheidung stehen würde, wäre es einfach. Ich würde es versuchen. Du magst Sex und kannst dir die Kunden aussuchen. Ich hab Dich schon ein paar Mal gegenüber fremden Leuten erlebt und Du wickelst sie problemlos um den Finger. Und wenn es Dir nicht gefällt, kannst Du jederzeit aufhören."

Claudios Argumente waren eigentlich auch die, die ich in meinem inneren Kampf angeführt hatte. Die Entscheidung war im Grunde gefallen, nur die letzte Hemmschwelle wollte ich noch nicht überschreiten.

"Wenn Du willst, bin ich Dein erster Kunde", grinste er mich anzüglich an.

"Du kannst mich gar nicht bezahlen", konterte ich umgehend.

"Pff", verzog er eingeschnappt seinen süßen Schmollmund.

"Also willst Du es versuchen?", hakte er noch einmal nach.

"Nur wenn Du mir bei der Erstellung eines Profils hilfst", wollte ich ihn in die Sache mit einbinden.

"Gerne", kam es postwendend und mir entging dieses kleine lüsterne Glitzern seiner Augen.

"Bin nur noch einmal kurz weg", sprang er dann überraschend auf und warf sich schnell seine Jacke über.

"Waaas?"

"Denk dir schon mal nen Nicknamen für das Profil aus", hörte ich noch von der Tür.

Und dann saß ich vor meinem PC und kämpfte wieder mit den nervigen Stimmen in meinem Kopf. Ich schloss mit mir einen Deal. Erst einmal nur schauen und mit normalen Leuten, die mir auch etwas gefielen und vor allem nur bis zum Beginn des Studiums. So richtig glücklich war ich damit nicht, aber ich hatte für mich erst einmal eine Entscheidung gefällt. Kurze Zeit später war Claudio wieder da und dieses Mal fiel mir sein anzügliches Grinsen sehr wohl auf.

"Und hast Du einen Namen?"

"He?"

"Oh man, wo hast Du nur Deine Gedanken", brubbelte er.

"Also wir müssen mit einem Namen anfangen."

"Bitte nicht so was wie 'Sweety" oder "Sexydream"", schüttelte ich mich.

"Klemmschwester?", grinste er frech vor sich hin.

"Waaaas??", ging ich ihm prompt auf den Leim.

"Devin oder Jazz geht auch nicht", grübelte Claudio weiter vor sich hin.

"Vielleicht eine Abwandlung davon?", sah er mich fragend an.

"Swing", antwortete ich ihm.

"He", sah er mich nun unwissend an.

"Swing ist eine Art des Jazz", erklärte ich ihm.

"Ah, okay, also Swing", legte er fest und gab den Namen ein. Ich hatte noch so eine 0815-Mailadresse, die wir nun nutzten und schon war ich eingeloggt. Die persönlichen Daten waren schnell eingegeben.

"Schwanzgröße?", griente mich Claudio anzüglich an.

"M", nuschelte ich.

"Soll ich nachmessen?", bot er sich aufopfernd an. Meine wütenden Blicke sollten Antwort genug sein. Die üblichen Aussagen und den Angebotstext ließen wir ziemlich nichtssagend. Eigentlich fand ich das Profil fertig, aber…

"So mein Süßer, nun kommen wir zum delikaten Teil", grinste er schon wieder frech und fummelte an seiner Tasche herum.

"Ausziehen mein kleiner Jazz", trompetete er vergnügt und hielt mir eine Digicam unter die Nase.

"Du hast doch nen Arsch offen!"

"War das ein Angebot?", fragte er süffisant. Allein dafür verdiente er meinen Stinkefinger.

"Jazz, ohne Fotos hast Du kaum eine Chance und verstecken brauchst Du Dich nun wirklich nicht", redete er auf mich ein.

"Pff, Du willst Dich ja nur aufgeilen", konterte ich und seine sehr gesunde Gesichtsfarbe untermauerte seine heimlichen Absichten.

"Okay, keine Nacktfotos, dann halt ein paar andere und manchmal heizen leicht bekleidetet Boys die Fantasie viel mehr an", versuchte er den nächsten Vorstoß.

"Du gibst nicht auf?", gab ich mich fast geschlagen.

"Nöööö", feixte er und dann ging die Knipserei los. Claudio brachte mich dazu, mit nacktem Oberkörper zu posieren und meine Jeans hing verdammt tief auf meinen Hüften. Man sah ihm an, dass er es zunehmend genoss und bei mir blieb sein Gefummel an meinem Körper nicht so ganz ohne Wirkung.

"Oh man, Jazz, hast Du eine Ahnung, wie heiß Du bist?", nuschelte er. Dabei musste er zum wiederholten Male den Inhalt seiner Hose richten.

"Ok, fertig", brubbelte ich und zog mir wieder das Sweatshirt über sowie meine Hose hoch. Wir hatten hier eine ziemlich aufgegeilte Situation geschaffen und ich musste einfach auf die Bremse treten. Ich wollte NICHT mit Claudio ins Bett! Sein Schmollmund, den er gerade zog, war auch nicht gerade abtörnend.

"Lass uns mal schauen, was wir so haben", versuchte ich die Kurve zu bekommen. Also die Kamera an den PC angeschlossen und die Bilder herunter geladen.

'Oh je, ich seh so scheiße aus', zweifelte ich an mir. Und am Ende der Bilderserie saß meine Hose verboten tief auf den Hüften, viel zu tief. Man sah einen Teil meiner Schambehaarung.

"Das ist so geil", juchzte Claudio auf und es fehlte nur noch, dass ihm der Sabber beim Betrachten der Bilder aus den Mundwinkeln floss.

"Also das und das und dieses stellen wir in Dein Profil", markierte er die betreffenden Bilder und natürlich war das Bild, auf dem ich mehr zeigte als verdeckte dabei. Nebenbei fiel mir auf, dass er kein Bild wählte auf dem mein Gesicht richtig zu sehen war. Entweder waren die Aufnahmen von oben oder unten, so dass mein Face verdeckt oder im Dunklen lag.

"Keins mit meinem Gesicht", fragte ich ihn auch dann.

"Die pack Dir mal in Dein Album und gib es nur heraus, wenn Du Dir sicher bist, dass es kein Faker ist und zu einem Treffen kommen könnte. Ich weiß, ich habe Dich auch ein wenig überrollt und Dir ist es nach wie vor nicht angenehm, aber bitte sei vorsichtig. Und wenn Du Dir gar nicht sicher bist, lösch das Profil wieder. Jedoch…", unterbrach er einen Vortrag und schaute mein Profil an. Aus seiner nachdenklichen Miene wurde eine lüsterne und ein schüchterndes, schiefes Lächeln umspielte seine Lippen.

"Jedoch?"

"Ich würde Dich sofort buchen und das für ein ganzes Jahr", kam es etwas stockend von ihm.

"Soviel Kröten könntest Du nie im Leben auftreiben", grinste ich frech zurück und versuchte mein Unbehagen, welches immer noch in meinem Magen herumgrummelte, damit zu unterdrücken.

"Upps, hätten wir ja fast vergessen – die Preisangaben", murmelte er und sah mich fragend an.

"He, frag mich nicht. Ich habe davon keine Ahnung", versuchte ich mich aus dieser Peinlichkeit herauszureden.

"Am Besten Du machst keine Preisangaben und wir schreiben "VB"", kam es von ihm.

"VB?"

"Verhandlungsbasis"

"Na toll, Du weißt ganz genau, dass ich eine absolute Pfeife bin, wenn es ans Feilschen geht!", grummelte ich los.

"Die Preise variieren hier zwischen 100 und 150 Duplonen, sagen wir dazwischen. Wenn Dich jemand fragt, gib einfach 130 an und lass Dich auf max 120 herunterhandeln", philosophierte er ganz locker vor sich hin. Zweifelnd sah ich ihn an. Das bekam ich nie und nimmer auf die Reihe.

Das Ganze war eine verdammte Schnapsidee!

"So fertisch und mein süßer Jazz, äääähm Swing ist on!", trompetete er dann und sah mich beifallheischend an.

"Silke verarbeitet uns zu Mus, wenn sie auch nur einen Schimmer hiervon mitbekommt", rutschte mir als Antwort heraus.

"Also ich sach nüx", sagte er, sah aber selbst nicht mehr sehr überzeugend aus.

"Taataaa", trötete es aus den Lautsprechern neben dem Bildschirm und fassungslos sah ich auf meinen Posteingang.

Es waren gerade mal knapp 2 Minuten vergangen, seit dem mein "Escort"-profil on war.

Anakin

"Ja komm, zeig's mir", stöhnte es lustvoll unter mir.

"Aaaaaah", keuchte ich und ergoss mich mit einem letzten tiefen Stoß in das Kondom. Erschöpft brach ich über den anderen Körper zusammen und genoss die Wärme und seine samtene Haut.

"Du hattest es aber heute nötig", murmelte es unter mir und Finger spielten mit meinem Haar. Die Worte rissen mich aus meiner Fantasie, denn bei meinem Orgasmus war ich ganz woanders gewesen.

"Lass das", knurrte ich und erhob mich. Mit einer fließenden Bewegung entfernte ich das Kondom und säuberte mich mit dem bereitliegenden Handtuch. Außerdem wischte ich mir den Schweiß vom Körper. Mein Blick wanderte über den Körper auf dem Bett und mein bestes Stück dachte gar nicht daran, schlapp herumzuhängen.

"Komm Andy, Du scheinst noch Saft in Dir zu haben", wurde ich lustvoll aufgefordert.

"Nein", brummte ich.

"Oder soll ich Dich ficken?", fragte er sehnsüchtig.

"Heute nicht", antwortete ich gereizt. Ich war sehr gerne passiv, aber heute hatte ich den aktiven Part genossen. Jedoch richtig befriedigt fühlte ich mich nach wie vor nicht. Fast mechanisch schlüpfte ich in meine Sachen und konnte ein kurzes enttäuschtes Aufflackern bei ihm sehen.

"Ich meld mich", murmelte ich und warf ihm ein paar Scheine auf den Nachttisch. Mein Abgang war eher eine Flucht als eine vernünftige Verabschiedung. Ich hatte dieses Date dringend gebraucht, denn seit über zwei Wochen spielten meine Hormone verrückt.

Und an allem war nur dieser bescheuerte Saxophonspieler auf dem Flohmarkt schuld. Der Kerl ging mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. Diese dunklen Augen, die roten Lippen, wenn auch teilweise blutig, sein ganzes Auftreten sprachen eine eindeutige Sprache – ich begehrte ihn.

"Scheiße!"

Mein Leben war so schon nicht einfach, aber das hier verkomplizierte alles noch einmal um den Faktor 10. Seit ca. 5 Jahren war mir klar, dass ich schwul war und seit 3 Jahren kämpfte ich auch nicht mehr dagegen an, denn ich hatte die Sinnlosigkeit dessen eingesehen. Seit einem Jahr lebte ich sogar meine "Liebe" zum eigenen Geschlecht intensiv aus. Na ja, von Liebe konnte man nicht wirklich sprechen, denn es war nur der reine Sex.

Und den kaufte ich mir.

Es war praktisch und vor allen anonym. Unter keinen Umständen durfte das hier herauskommen und da gestaltete sich gekaufter Sex unter falschen Namen am unproblematischsten. Wenn meine Familie auch nur ein Hauch meiner sexuellen Begierden herausfinden sollte, dann war ich geliefert. Mein ganzes Umfeld würde sich in einem Nichts auflösen und ohne diesem war ich dann genau dieses Nichts.

Seit ein paar Monaten war ich sogar so was wie ein Stammfreier bei dem Typen, den ich eben gevögelt hatte, denn mein Bedürfnis nach Sex mit Männern nahm langsam aber stetig zu. Geld spielte keine Rolle, davon hatte ich genug.

Jedoch nur solange wie ich mein Umfeld hatte…

"Verdammte Scheiße!", fluchte ich laut.

Dieser Junge brachte alles, aber auch einfach alles durcheinander. Und je mehr ich ihn verfluchte umso mehr begehrte ich ihn. Am letzten Samstag war ich sogar heimlich alleine zum Flohmarkt gegangen, in der Hoffnung IHN zu sehen. Seit dem frühen Mittag stromerte ich von einer zur anderen Ecke – nur finden konnte ich ihn nicht. Langsam fing ich schon an, mich über meine Dummheit lustig zu machen, da hörte ich die unverwechselbaren Klänge eines Saxophons. Auch wenn mein Kopf mir befahl, sofort die Flucht zu ergreifen – meine Beine hatten ihren eigenen Willen. Fast im Laufschritt strebte ich den Klängen entgegen. Ein bisschen Verstand bewahrte ich mir und konnte kurz vor dem Ziel gerade noch rechtzeitig in Deckung gehen. Kurz verschaffte ich mir einen Überblick und wählte dann in sicherer Entfernung eine Lücke zwischen zwei Ständen, um ihn ungestört zu beobachten. Gerne wäre ich noch etwas näher heran gegangen, aber ich wollte mich hier auf keinen Fall von ihm erwischen lassen. Die Gefahr bestand jedoch kaum. Er versank total in seine Musik und er war gut, verdammt gut. Da die Sonne es heute zum Ende des Herbstes noch einmal gut meinte, war er auch nicht so dick angezogen wie vor einer Woche. Er trug eine dunkle Jeans und ein dünnes langärmliges Sweatshirt. Darunter offenbarte er eine schlanke, sportliche Gestalt. Er hatte unglaublich lange Beine, für die ihn jede Frau eiskalt umbringen würde. Mehr Einzelheiten konnte ich leider nicht erkennen, denn dafür war die Entfernung zu ihm einfach zu groß. Zweimal wechselte ich meine Position, denn die Standbesitzer musterten mich nach einer Weile sehr komisch.

Dann tauchte dieses Riesenbaby von Aufpasser auf und unterbrach ihn beim Spielen. Er schrak aus seiner Musik auf und wirkte auf einmal unruhig. Nervös schaute er sich um und ich konnte im letzten Moment noch abtauchen. Der Riese verwickelte ihn in ein Gespräch und für mich waren die Gesten eindeutig. Er flirtete mit dem Jungen, mit meinem Boy! Mit Genugtuung sah ich, dass dieser sofort eine Abwehrhaltung einnahm und sehr wenig Begeisterung versprühte. Entweder schnallte das sein Gesprächspartner nicht oder wollte es nicht sehen.

Ich fing an zu kochen. Irgendwie verstand ich mich ja selbst nicht, aber dieses Herumgeflirte mit dem süßen Boy machte mich tierisch eifersüchtig. Nach ein paar Minuten schien er deutlicher zu werden und der Riese trollte sich. Mister Saxophon fing wieder an zu spielen, aber seine Konzentration war wohl hin. Sein Gesichtsausdruck war eindeutig frustriert und verstohlen schaute er sich noch einmal um. Dann packte er sein Instrument ein und war innerhalb von Sekunden verschwunden. Eigentlich hatte ich vor, ihm zu folgen, aber ich stand gerade wie vom Donner gerührt regungslos herum.

IHN hatte gerade ein KERL angemacht!

Okay in meiner dreckigen Fantasie trieb ich ihn eh durch das Bett und das bestimmt nicht im angezogenen Zustand. Aber träumen und Träume eventuell wahr werden lassen, waren zwei paar Schuhe und meistens waren die ein paar Nummern zu groß. Aber die Flirterei eben stieß bei ihm nicht auf Ablehnung im eigentlichen Sinne – sondern ihn schien der Typ nicht anzumachen.

Das hieß, er war höchstwahrscheinlich schwul!

Und somit wurden meine wahnwitzigen Sehnsüchte nur noch geschürt. Es bestand eine kleine Chance, dass ich mit ihm im Bett landen könnte.

WOW!

Das Alles und noch eine dreckige Sachen mehr durchfluteten mein Gehirn in Bruchteilen von Sekunden und ich starrte ihm fassungslos hinterher.

Die darauf folgende Woche war eine einzige Katastrophe. Ich sehnte mit jeder Stunde, ach was sag ich, mit jeder Sekunde den Samstag herbei. Und dann stand ich im strömenden Regen wieder auf den Markt und er tauchte nicht auf.

ER kam nicht!

Das konnte er mir doch nicht antun. Meine ganze Sehnsucht, diese sexuelle Gier nach ihm mündete dann in diesen hemmungslosen Fick mit dem Escort. Meine Hormone kochten auf Höchsttemperatur, aber nun eine Stunde nach dem Date musste ich mir eingestehen, dass es mich nicht befriedigt hatte. Nein, eher das Gegenteil – jetzt war meine Gier nach IHM noch größer.

Nach 30 Minuten zügiger Autofahrt bog ich scharf in die Auffahrt zu meinem Zuhause. Im Grunde hätte ich mir finanziell locker eine eigene Wohnung leisten können, aber bei den Eltern zu wohnen, förderte gewisse faule Aspekte meines Lebens. Ich hatte in der großzügigen Villa eh mein eigenes Reich und meine Eltern ließen mich größtenteils zufrieden. Der Letzte, der mir die Wahrheit ins Gesicht gezischt hatte, lief jetzt mit einer krummen Nase herum. Es änderte jedoch nichts an seiner Aussage.

Ich war von Beruf SOHN.

Und ich genoss es – nur wenn mir das Jemand vorwarf, wurde ich fies, verdammt fies. Eigentlich war es eine Familientradition, denn mein Vater war seit Kindesbeinen nichts anderes. Mich hatte nie gekümmert, woher wir das Geld hatten – es war einfach da und erleichterte das Leben ungemein. Ich besaß, seit ich Kleinkind war, einen Vermögensfond, aus dem mir monatlich eine nicht unerhebliche Summe zu persönlichen Verwendung gezahlt wurde. Bis zu meinem 25. Lebensjahr waren meine Eltern die Verfügungsberechtigten über mein Vermögen und ich hatte größere Investitionen mit ihnen abzusprechen. Nach diesem Zeitpunkt war ich dann gänzlich unabhängig, wenigstens finanziell.

Aber das interessierte mich gerade einen Scheiß, denn ich hatte ganz andere Probleme. All mein Geld nutzte nichts, um mir diesen Boy jetzt herbeizuzaubern. Und nach dem Misserfolg heute auf dem Flohmarkt schien die letzte klitzekleine Verbindung zu ihm wie abgerissen. Dementsprechend gefrustet betrat ich das Haus. Aus dem Salon erklangen leise Klaviertöne. Meiner kurzen Einschätzung nach ein Stück von Mozart, aber als die Tür laut ins Schloss fiel, schwenkte der Künstler um.

Eine ziemlich flotte Jazzmusik ertönte und zudem noch eine sehr bekannte. Eigentlich war dies das heimliche Zeichen des Künstlers, dass er wusste, wer da gerade gekommen war und wollte mir wenigstens guten Tag sagen. Missmutig rollte ich die Augen, denn zu einer Konservation war ich gerade nicht fähig, aber diese Aufforderung, wenn auch nur eine musikalische, zu missachten, ging nicht. Langsam schlenderte ich in Richtung des Salons und stieß genervt die Tür auf. Zwei blaue Augen strahlten mich an, die langen schlanken Finger wanderten jedoch weiter virtuos über die Tasten.

Mein Bruder schaffte es innerhalb von Sekunden meine Sorgen als Lappalie aussehen zu lassen. Er war bisher diese einzige Ausnahme, über die ich einfach keine Macht hatte. Außerdem war er schon immer mein großer Held gewesen. Jetzt mit knappen 19 Jahren himmelte ich ihn natürlich nicht mehr so offen an, aber wir verstanden uns einfach unglaublich gut. Dementsprechend runzelte er auch seine Stirn, als er mir in meine Augen schaute.

'Was ist denn mein Großer?'

"Nichts", murmelte ich nervös. Auch wenn wir uns blendend verstanden, mein kleines Geheimnis kannte er nicht. Prüfend huschten seine Blicke über mich und dann machte er eine kleine einladende Geste, um ihm Gesellschaft auf der Bank zu leisten.

'Lass uns was zusammen spielen, dann rückst Du vielleicht später mit dem "Nichts" heraus' , forderte er mich auf und grinste mich schelmisch an. Leise seufzend setzte ich mich neben ihn. Aufmunternd stupste er mir mit den Ellbogen in die Seite und ließ ein paar Klänge ertönen. Natürlich hatte er sich ein vierhändiges Klavierstück ausgesucht und mein Part war der Schwierigere. Wir mussten zwei, dreimal neu anfangen, aber mit der Zeit fand ich in das Stück hinein und meine innere Anspannung löste sich.

'Und?' , formulierten seine Finger die Frage und er sah mich erwartungsvoll an.

"Jetzt geht es mir besser", grinste ich ihn frech an. Spielerisch gab er mir eine Kopfnuss und schüttelte nur amüsiert den Kopf. Verstohlen musterte ich ihn aus den Augenwinkeln.

Also wenn das nicht mein Bruder wäre…

Überrascht und ein wenig entsetzt zuckte ich zurück, aber der Gedanke blieb. Er war ein verdammt hübscher Mann, jedenfalls in meinen Augen. Zwar nicht so ganz mein Typ war er eine Handbreit kleiner als ich und fast auf den Tag genau drei Jahre älter. Er hatte halblange blonde Haare und strahlend blauen Augen, war sportlich schlank, hatte jedoch nicht solche ausgeprägte Muskulatur wie ich und sein Gesicht hatte einen leicht femininen Touch. Ein nicht gerade zarter Knuff holte mich aus meinen Überlegungen.

'Ein Goldstück für Deine Gedanken.'

Um mich wieder zu fangen und ihn nicht in meinen Augen irgendetwas lesen zu lassen, starrte ich auf seine Finger, die wiederum seine Gedanken gerade formuliert hatten. Mein großer Bruder hatte ein Handicap – er war stumm. Somit lernte ich die Zeichensprache fast eher als selbst zu sprechen. Es gab sogar eine Zeit in meiner frühen Kindheit, da wollte ich nicht sprechen – mir kam es unsinnig vor, weil mein großer Held ja auch nicht reden konnte. Diese Flausen hatte er mir jedoch schnell ausgetrieben und das war einer der ganz wenigen Augenblicke, wo ich ihn wirklich wütend erlebt habe. Aber wir Beide brauchten meistens keine Worte, denn er konnte in mir zum größten Teil wie in einem offenen Buch lesen. Und er hatte diese Macht über mich, die ich sonst über alle anderen hatte – jedoch, er hatte sie noch nie genutzt. Aus all diesen Gründen und noch ein wenig mehr war ich bestrebt, dieses eine Geheimnis, was ich vor ihm hatte, tief vor ihm zu vergraben, denn ich hatte Angst…

…Angst, ihn maßlos zu enttäuschen und dadurch zu verlieren.

‚Tim?‘

"Ja, Tom", kicherte ich leise. Ich hatte mich soweit gefangen und getraute mich, ihn wieder anzuschauen. Erst grinsten wir uns an und dann lachten wir los, ich laut – er lautlos.

"Sind die Eltern schon wieder zurück?", fragte ich ihn.

'Nein, frühestens übermorgen.' , kam seine Antwort. Dann stutzte er kurz, angelte nach seinem Palm und surfte ein wenig herum. Mit einem kleinen Grinsen wandte er sich wieder mir zu.

'Eher erst nächste Woche', formulierten seine Finger. Überrascht sah ich ihn an und er hielt mir sein Palm unter die Nase.

"Star Wars Convention" stand da über den Zeitraum von eine Woche eingetragen. Diese Veranstaltung sagte einfach alles über unsere Eltern. Sie waren nicht nur Fans dieser Filme sondern wahre Koryphäen und die Resultate dessen waren in gewisser Weise auch wir. Mein Bruder hieß Luke und ich…

Schweigen wir lieber drüber! Kaum den Windeln entwachsen und des Sprechens, ähm eher der Zeichensprache, endlich fähig, schlossen mein Bruder und ich einen Pakt und gaben uns zum großen Ärger unserer Eltern neue Namen. Er war Tom und ich Tim. Mit zunehmendem Alter akzeptierten wir unsere richtigen Namen, aber wer verzichtet schon gerne darauf, seine Eltern ab und an so richtig auf die Palme zu bringen? Vor allen, wenn sie so durchgeknallt waren wie unsere!

"Möge die Macht mit ihnen sein", grinste ich ihm hämisch zu.

'Sie ist viel mächtiger in Dir, Aniiiii', kam postwendend seine Reaktion.

"Komm zu mir auf die dunkle Seite der Macht, mein Sohn", versuchte ich bei meiner Antwort das unverkennbare schwere Atmen von Darth Vader nachzuahmen, was aber durch das Lachen einfach unmöglich war.

'Nein, Papi', zeichnete er in die Luft und wieder gab es kein Halten für uns. Luke hielt sich die Seiten vor Lachen und ich bekam auch nur noch knapp Luft. Vor sich hinlächelnd klimperte er dann sachte auf dem Klavier herum. Seine Augen forderten mich zum Mitmachen auf, aber diesmal ließ ich mich nicht verleiten. Lieber sah ich ihm zu, denn gegen ihn war ich nur ein Stümper. Die musikalische Veranlagung lag wohl in der Familie, aber außer ein wenig Klavier und Gitarre spielen, hatte ich nie die richtige Begeisterung dazu aufbringen können. Anderseits konnte ich in diesem Vergleich mit Luke nur auf der Verliererseite stehen. Ich kannte persönlich keinen, der ihm bei seinem musikalischen Gespür das Wasser reichen konnte, wobei…

In meinem Kopf ertönten sachte Saxophonklänge und vor meinem geistigen Auge formte sich eine schlanke Figur, die hingabevoll sein Instrument spielte. Die Variationen und Interpretationen, die er gespielt hatte, waren schon teilweise genial zu nennen und mit Jazz kannte ich mich ein wenig aus.

Womit ich wieder bei IHM angekommen war!

Das Klavierspiel verstummte und mein Blick wanderte zu meinem Bruder.

'Da ist wieder das "Nichts" in Deinen Augen.'

Wenn ich mich hier noch länger aufhielt, würde es über kurz oder lang aus mir herausbrechen und das durfte unter keinen Umständen passieren.

"Ich leg mich mal ein Stündchen hin, bin hundemüde", versuchte ich mich herauszureden. Bei diesen Worten stand ich auf und wandte mich zur Tür. Beim Abwenden sah ich Luke's zweifelnden Gesichtsausdruck und in seinen Augen kurz einen Schimmer der Enttäuschung aufleuchten, aber dann nickte er mir zum Abschied leicht zu. Er beherrschte es meisterlich, seine Stimmung und das, was er so gerne sagen würde, mit der Musik auszudrücken. Und so begleitete mich eine traurige und nachdenkliche Weise auf den Weg in mein Reich.

Verwirrt, erschöpft, sexuell total überdreht und mit einem schlechten Gewissen warf ich mich auf mein Bett. Minuten später war ich wirklich in einen unruhigen Schlaf gesunken.

Die nächsten Tage schleppten sich nur so dahin. Zwischen Schule, Fitnessclub und Clique blieb immer noch genug Zeit, um mir den Kopf über den Typen zu zerbrechen. Mittlerweile war ich ja soweit, dass ich ihn nur noch einmal sehen wollte.

"Fährst du Samstag wieder nach Mannheim?", hörte ich Nadine neben mir. Verwundert sah ich sie an. Wir saßen beide alleine in unserem Stammclub. Die Anderen waren noch nicht eingetrudelt.

"Bis jetzt habe ich noch nichts ausgemacht", brummte ich angefressen.

"Und wann weißt du Bescheid?", drängelte sie weiter.

"Gar nicht", knurrte ich.

"Mü, was ist denn mit Dir los. Seit Tagen rennst Du mit einem Gesicht herum, als würdest Du auf einmal auf Frauen stehen", zog sie mich ein wenig auf. Nadine war die Einzige, die von meinen Neigungen wusste. Okay, die Einzige neben den Kerlen, mit denen ich ins Bett stieg. Unsere Freundschaft war nur platonisch und für uns Beide ein Deckmantel.

"Sowenig wie Du auf Kerle", kam meine Retourkutsche. Prompt zog sie einen Flunsch, aber ihre Augen glitzerten gefährlich.

"Kann es sein, dass Dir EIN Kerl nicht aus dem Kopf geht?", fragte sie lauernd. Mein kurzes erschrockenes Zucken war ihr Antwort genug.

"Schau an, schau an, den kleinen Ani hat es erwischt", murmelte sie mehr zu sich selbst.

"Hat es NICHT!", zischte ich angepisst. Das wurde mir hier zu dumm. Normalerweise konnte ich mich mit ihr über solche Sachen gut unterhalten, zumal es ihr kaum anders ging. Sie fühlte sich mehr zu Frauen hingezogen und so galten wir Beide als das Traumpaar schlechthin, aber gingen in Wirklichkeit unseren heimlichen Neigungen nach.

"Darauf hab ich kein Bock. Ich sag Dir morgen Bescheid, was mit Samstag ist", schob ich noch hinterher und schnappte mir meine Jacke.

"Man Mü, das war doch nicht so gemeint", versuchte sie den Abend zu retten.

"Geschenkt", knurrte ich und war schon fast aus der Tür. Ich hatte eh keine Lust auf das dumme Geschwätz von Frank und außerdem hatte mir Nadine eben eine Eingebung geschenkt. Durch die ständige Anschmachterei des Saxophonisten war ich fast dauergeil und ein kleiner ONS am Samstag würde mir vielleicht ein wenig Druck nehmen. Nur würde ich mir diesmal einen neuen Escort suchen.

Vielleicht einen, der ein wenig Ähnlichkeit mit ihm hatte.

Auch wenn mich diese Idee erst ein wenig irritierte, wuchs mit zunehmender Dauer meine Begeisterung. Vielleicht konnte ich ja so ein wenig meine unmöglichen Träume ausleben.

Zuhause war ich alleine, denn Luke war zu irgendeinem Konzert und konnte mir somit keine unangenehmen Fragen stellen. Schnell war der Rechner hochgefahren und ich bei GR eingeloggt. Da ich ja meinen festen Escort hatte, war ich schon eine Weile nicht mehr in dieser Rubrik gewesen. Die Suchabfrage für meine Umgebung war schnell eingegeben – speziell interessierte mich Mannheim. Die Stadt war ca. 80 km weg und über die Autobahn gut zu erreichen. Da tummelten sich dann um die 20 Escort auf meinem Bildschirm, die gerade online waren. Wirklich was Interessantes war nicht dabei und hübsch in meinen Augen war gar keiner. Seufzend wollte ich das Portal schon wieder verlassen, da kam mir noch eine andere Idee und ich startete eine neue Suchabfrage. Diesmal ließ ich mir nur die neuen Angemeldeten anzeigen, egal ob on- oder offline. Na ja viel besser sah dies auch nicht aus und genervt klickte ich auf die zweite Seite und scrollte gelangweilt die Liste herunter. Meine anfängliche Begeisterung hatte sich fast in ein Nichts aufgelöst. Und dann…

…las ich einen Nicknamen und mein Mund wurde staubtrocken.

Da stand "Swing" auf meinem Bildschirm. Die Verbindung zu einem Saxophonspielenden entstand innerhalb von tausendstel Sekunden. Okay, irgendwo in meinem überstrapazierten Hirn hatte ich mit dieser Möglichkeit geliebäugelt, aber das hier wirklich zu lesen, war der HAMMER.

'Ruhig, Mister Müller, ganz ruhig', rief ich mich innerlich zu Ordnung. Das hier konnte alles mögliche bedeuten, noch lange nicht, dass von mir so heiß Ersehnte. Es war erst einmal NUR ein Name. Mit einem Bauchkribbeln öffnete ich das Profil. Der erste Blick glitt zu dem Besucherzähler. Knapp über eintausend hatten ihn bisher angeklickt. Das war nicht allzu viel, somit schien dieses Profil noch nicht lange zu existieren. Im Profil war ein Bild on gestellt. Enttäuscht brummte ich vor mir hin, denn man konnte kein Gesicht sehen. Die Aufnahme war jedoch gut gemacht. Ein super schlanker sportlicher Typ war von oben aufgenommen und man konnte mehr erahnen als man sah. Er stand da zwar mit nackten Oberkörper, aber alles nur andeutungsweise. Seine Stats waren sehr ansprechend, 181 groß 62 kg schwer, schwarze Haare, braune Augen – vor meinen geistigen Auge entstand das Bild des Saxophonisten und es passte. Es stimmte einfach sehr gut überein, zu gut?

Der Profiltext war 0815, aber wenigstens schien der Ersteller ein gutes Deutsch zu beherrschen. Preisangaben gab es keine und ins Gästebuch hatte auch noch keiner etwas geschrieben. Aber es existierte ein Album und meine Nervosität stieg wieder an. Schnell öffnete ich es und es offenbarten sich mir 6 weitere Bilder…

Verdammter Mist, wieder kein Facepic – ich bekam noch die Krätze. Jedoch waren die Bilder einfach geil. Nein, es gab keine vollständigen Nacktbilder, nur wieder welche mit freiem Oberkörper. Auf einem saß seine Jeans so tief auf den Hüften, dass man ein Teil eines dunklen Schattens unter dem Bauchnabel sehen konnte – mir wurde es schlagartig sehr eng in meiner Hose. Der Junge hier machte mich tierisch an. Er war kein Muskelpaket, eher fast schon zu schlank und was mir sofort aufgefallen war, waren seine ultralangen Beine. Zwar kaschierte das die tiefsitzende Jeans auf den Fotos etwas, aber auch diese Übereinstimmung mit IHM konnte doch kein Zufall sein.

'Oh je, was machte ich nur?', grübelte ich vor mir hin. Das Organ in meiner Hose sprach eine sehr eindeutige Sprache, aber anderseits hatte ich Hemmungen, ihn zu schreiben. So was kannte ich nicht von mir, aber das Kribbeln war einfach da.

Ich wollte ihn wiedersehen und das hier schien meine einzige Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten, wenn er es denn war – wenn nicht, konnte es auf Grund des Aussehens von dem Escort nur ein geiles Date werden. Auf alle Fälle wollte ich vorher jedoch ein Facepic haben, entschloss mich aber gleichzeitig, ihm keins zu senden. Mit etwas zittrigen Fingern schrieb ich dem Escort mit Namen Swing eine kleine private Message und bekundete mein Interesse. Nun kam es eh auf ihn an. Fast eine halbe Stunde stöberte ich immer und immer wieder durch die vorhanden 7 Bilder, aber eine endgültige Übereinstimmung mit meinen kleinen Musiker konnte ich trotz intensiven Starrens immer noch nicht ableiten. Dafür machten sie mich immer mehr an und zum Schluss half nur eine Erleichterung mittels Handbetrieb. Der Orgasmus war über alle maßen kräftig und ich sehr befriedigt.

Ich ließ den Abend über zwar die Homepage von GR oben, aber er kam nicht on. Der letzte Einloggtag war vorgestern gewesen – hoffentlich kam er überhaupt noch einmal on. Eigentlich war meine Chance, dass genau ER dieser Escort war, sehr gering und je länger der Abend dauerte, desto bewusster wurde mir das.

Trotz allem hoffte, wünschte und betete ich, dass er es doch war…

Am nächsten Morgen vor der Schule musste ich zuerst bei GR nachschauen, aber ich hatte keine Post. Meine Hoffnung blieb, aber sie war wieder ein Stückchen kleiner geworden. Die nächsten Stunden im Lerninstitut waren die Hölle. Ich wollte mir einfach nicht ausmalen, dass der Escort sich nicht meldete - tat es trotzdem und das in den schillernsten Farben. Zum Glück ließen mich alle zufrieden, sogar die Lehrer. Und so konnte ich in meinem Stumpfsinn verharren. Ziemlich niedergeschlagen schlug ich dann am frühen Nachmittag zu Hause auf. Zögernd saß ich vor dem PC, denn solange ich ihn nicht einschaltete, hatte ich wenigstens dies kleine bisschen Hoffnung.

'Man, Anakin, was ist denn nur mit Dir los? Der Typ macht Dich ja ganz konfus!', schalt ich mich in Gedanken. Entschlossen betätigte ich den Anschaltknopf und ging mir was zu trinken holen. Zurück an meinen Schreibtisch surfte ich gleich zu GR und das Bild baute sich eindeutig zu langsam auf! Zur Beruhigung nahm ich einen tiefen Schluck aus dem Glas…

…prompt verschluckte ich mich, hustete und verteilte einen nicht unerheblichen Teil über die Tastatur. Ich hatte eine PN. Da traf ich doch beim ersten Klick nicht das Feld – man, war ich durch den Wind und dann las ich.

Hallo!

Vielen Dank für Deine Nachfrage. Grundsätzlich habe ich schon Interesse an einen Date, sonst würde ich hier ja kein Profil haben ^^. Zeit habe ich fast jeden Tag, am liebsten in den Abendstunden. Den Ort des Treffens müsstest Du bestimmen, bei mir ist es nicht möglich. Des Weiteren bin ich nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil.

Bitte teile mir mit, wann und wo wir uns treffen könnten und was Du Dir so vorstellst – meine Vorlieben kannst du ja aus dem Profil ablesen.

Bis dann

Swing

Er hatte geantwortet und wollte sich mit mir treffen. Etwas fassungslos schaute ich auf seine Zeilen. Mein Wunsch war die letzten 2 Tage so übermächtig geworden, dass ich es nun nicht richtig begreifen konnte. Heute hatten wir Dienstag und ich hatte ja vor, am Samstag genau deswegen nach Mannheim zu fahren. Ich las mir noch einmal intensiv sein Profil durch. Hm, Schwanzgröße sollte "m" sein und cut, das hörte sich sehr gut an. Bei seinen Vorlieben war mir so, als hätte er bei dem Punkt AV den Status von aktiv/passiv auf "eher aktiv" geändert. Verdutzt registrierte ich, dass er einen Eintrag im Gästebuch hatte. Der war auf jeden Fall gestern und auch heute Morgen noch nicht da gewesen. Natürlich war ich viel zu neugierig, um den Eintrag nicht zu lesen.

Dieser Boy ist ein kleiner Abzocker und mieser Faker.

Uff, das war ein Schlag in die Magengrube. Alles nur ein Traum bzw. Albtraum? Zweifelnd stierte ich auf den Bildschirm. Anderseits, was hatte ich zu verlieren? Somit schlug ich ihm ein Treffen am Samstagabend in Mannheim vor. Als Örtlichkeit schwebte mir ein Hotelzimmer vor, das hatte ich bisher meistens so gehalten und wusste somit, wo wir hingehen konnten. Dann kam ich ein wenig ins Stocken. Wider Erwarten schämte ich mich ein wenig, meine Wünsche zu formulieren. Das artete hier langsam nicht in Lust sondern in Stress aus und ich benahm mich gerade wie eine Klemmschwester.

'Du wolltest Sex, also mach nicht mehr daraus!'

Minuten später war meine Antwort auf Reisen und nun war ich gespannt, wann seine kommen würde. Ich ließ wiederum den ganzen Abend die HP offen, aber er kam nicht on. Der nächste Tag in der Schule war ruhiger. Ich war zwar immer noch irgendwie nervös, aber nicht mehr in Bezug einer Antwort sondern ob der Escort ER war. Nadine sagte ich für Samstag zu, nur den genauen Zeitpunkt konnte ich ihr noch nicht mitteilen. Dies schien ihr relativ egal und ihr Lächeln war ziemlich anzüglich. Darauf konnte ich nicht weiter eingehen, denn ein unsichtbares Band zog mich nach der Schule nach Hause.

Und wieder hatte ich Post. Er war mit Samstag gegen 19 Uhr einverstanden. Auch mit meinen Wünschen hatte er keine Probleme. Daraus resultierend legte er nun auch seinen Stundentarif offen. Ich hatte gegen die 130,00 EUR nichts einzuwenden, denn es war nur Geld. Zum Schluss wurde es knifflig. Er wollte ein Pic vorab haben.

DAS musste ich auf jeden Fall unterbinden, sonst würde es nie zu einem Treffen kommen, wenn ER es war. Ich ging in die Offensive und sprach ihn auf den Gästebucheintrag an. Da dieser nicht gerade ein Pluspunkt für ihn war, verlangte ich ein Facepic von ihm und gab ihn als Geste meines guten Willens eine Handynummer. Ich hatte mir vor zwei Jahren ein Kartenhandy genau für solche Sachen zugelegt.

Am Donnerstagmorgen schaute ich gar nicht mehr nach, da ich so eine Ahnung hatte, dass er erst wieder gegen Mittag antworten würde. Als ich dann nach der Schule ins Postfach schaute, hatte ich immer noch keine Post. Meine Nervosität war sofort wieder da. Diese steigerte sich mit fortlaufendem Abend, weil er nicht on kam. Ich hatte mir sein Profil in die Favoriten gelegt, damit mir sein Erscheinen umgehend angezeigt wurde.

Deprimiert gestand ich mir dann am Freitag vor der Schule ein, nach einem Blick in mein leeres Postfach, dass ich den Bogen wohl überspannt hatte. Er hatte sehr wohl meine Nachricht gelesen, aber nicht darauf geantwortet. Somit lief der Freitag in der Schule genauso beschissen wie der erste Tag der Woche. Leider waren die Lehrbeauftragten diesmal nicht der Meinung, mich in meinem Trübsinn zu belassen und nervten mich. Ich machte drei Kreuze, als ich das Schulgelände verließ – anderseits graute es mir, zu Hause meinen PC anzuschalten. Zuerst weigerte ich mich in meinen vier Wänden nur an das Internet zu denken, aber mein Blick wanderte immer wieder zum Computer. Ich stürzte mich in alle möglichen und unmöglichen Aufgaben, um ja nicht in die Versuchung zu kommen. Sogar Aufräumen und Putzen waren darunter, leider beruhigte ich meine Nerven dadurch kein bisschen. Fast zufällig fiel mir dabei mein anderes Handy in die Finger.

'Blöder Trottel', beschimpfte ich mich. Ich hatte das Gerät ausgeschaltet! Kaum erwachte der Kasten zum Leben, signalisierte es mir eine SMS.

Wehe Du verarscht mich!

Dieser eine Satz ließ mein Herz fast aussetzen und an einem Fernbleiben vom PC war nun gar nicht mehr zu denken. In fliehender Hast schaltete ich die Kiste an.

'Scheiße, was rödelte die Festplatte denn heute so lange', fluchte ich vor mir hin. Endlich war der Weg ins Internet geebnet und ich rief die Homepage von GR auf. In meinem Fach tummelte sich eine Mail und sie war mit einem Anhang versehen.

Ich hatte es mir so gewünscht, so erhofft, aber als ich das Bild in der Nachricht sah, war ich wie erschlagen. Der Boy war der Wahnsinn!

Und ER war es.

Irgendwo tief in meinem Hirn formulierte sich eine Frage, die ich aber nicht greifen konnte oder besser gesagt, gar nicht hören wollte. Bei Betrachten dieses Gesichtes war meine sexuelle Gier sofort wieder geweckt. Fast schmerzhaft meldete sich etwas in meiner Hose. Diese dunklen unergründlichen Augen, die verlockenden Lippen, die zu einem kleinen Lächeln verzogen waren und in seinen Wangen die Andeutung von Grübchen malten, die überaus süße Stupsnase und das dichte schwarze, jedoch kurze Haar, welches alles abrundete.

Schnell beantwortete ich seine SMS, damit er nicht annahm, dass ich ihn linkte. Den Rest des Abends schwelgte ich der Erwartung auf das heiße Date morgen.

Nun kurvte ich hier in Mannheim in der Nähe unseres Treffs herum und suchte einen Parkplatz. Ich war um eine Stunde zu früh dran, aber zu Hause hielt ich es einfach nicht mehr aus. Etwas länger hatte ich heute im Bad gebraucht, um mich vorzubereiten, aber als ich dann Nadine abgesetzt hatte, war immer noch massig Zeit. Nach einigem Suchen fand ich einen gebührenfreien Stellplatz und schlenderte zum vereinbarten Treffpunkt. Nadine hatte mich schon während der ganzen Fahrt genervt, warum ich so eine Superlaune hatte. Das band ich ihr bestimmt nicht auf die Nase, aber mein Grinsen wollte einfach nicht weggehen. Ich war heiß auf den Typen, freute mich tierisch, jedoch war ich auch ziemlich nervös.

Am Treffpunkt angekommen, suchte ich mir einen Platz, von dem ich ungestört alles überblicken konnte und schwelgte dabei in meinen Wunschträumen. Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit fiel mir eine schlanke Person auf, die langsam aber zielstrebig diesem Punkt immer näher kam. Bekleidet war sie mit einer dunklen Jeans, Anorak und darunter wieder das Kapuzenshirt. Die Kopfbedeckung war tief in das Gesicht gezogen, so dass ich nicht eindeutig aus machen konnte, ob er das war. Kurz verweilte er an Ort und Stelle und sah sich prüfend einmal um. Dann lehnte er sich gelangweilt an einen Laternenmast, die Hände tief in den Taschen vergraben. Ich beobachtete ihn erst einmal. Zwar spürte ich, dass er das dort war, aber ganz sicher konnte ich nicht sein. Gegen 19 Uhr ließ er wieder den Blick umherstreifen und schien etwas unruhig zu werden. Seine Finger angelten ein Handy aus der Hose hervor und mir war klar, was jetzt kommen musste.

'Okay, Herr Müller, auf in den Kampf!', murmelte ich und mein Bauchkribbeln wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Ich näherte mich ihm, blieb zwei Meter hinter ihm stehen und holte tief Atem.

"Hey Swing"

Devin

'So ein verdammte Scheiße', schimpfte ich immer noch vor mich hin. Ich stand hier unter der Dusche und schrubbte wie wild an mir herum. Mich schüttelte immer noch ein unglaublicher Ekel. Wenn Claudio gerade greifbar gewesen wäre – ich würde ihn eiskalt abservieren.

'Wozu hatte ich mich hier nur hinreißen lassen??'

Dieses bescheuerte Profil bei GR würde ich nachher sofort löschen – es war einfach nur eine Schnapsidee.

Dabei war der Anfang gar nicht so schlecht gewesen...

Am ersten Abend wurde mein Postfach regelrecht überflutet von Anfragen. Mir war jedoch schnell klar, dass viele sich nur aufgeilen wollten und die wenigstens wirkliches Interesse hatten. Ständige Anfragen nach weiteren und vor allen XXL-Bildern löschte ich zum Schluss nur noch kommentarlos. Nach einigem Hin- und Hergechatte blieben noch zwei ernsthafte Interessenten übrig. Beide waren schon um 40, aber was hatte ich denn wirklich erwartet. Auf den Bildern schauten sie ganz ansprechend aus, so dass mir der Sex mit ihnen nicht schwerfallen sollte. Im Notfall konnte ich ja an einen braungelockten Boy mit großen eisgrauen Augen denken.

Das war auch so eine Sache, die mir zunehmend Kopfzerbrechen bereitete. Komischerweise hatte ich gestern Nacht einen ziemlich feuchten Traum, in dem dieser Typ eine Hauptrolle spielte und seit dem ging er mir nicht mehr aus dem Kopf. Allein schon der Gedanke an ihn ließ mein bestes Stück durchstarten. Auf jeden Fall machte ich die ersten zwei Termine aus. Und dann das vor einer Stunde.

Der Typ kam pünktlich zum verabredeten Treffpunkt, aber sein Aussehen stimmte mit dem versandten Bild nicht mehr sehr überein. Das Pic hatte er wohl vor einigen Jahren gemacht, als er noch sportlicher und vor allen jünger ausgesehen hatte. Ich hätte sofort die Reißleine ziehen sollen, aber ich zögerte einen Moment zu lange. Er schien meine Ablehnung wohl zu spüren, denn er redete ununterbrochen freundlich auf mich ein. So ließ ich mich mehr oder weniger überzeugen, doch mit ihm mitzugehen. Der Kerl hatte ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe genommen. Als ich jedoch die heruntergekommene Absteige sah, wurden meine Zweifel wieder angeheizt. Irgendwie schien der Typ Gedanken lesen zu können und erhöhte sein "Honorar" auf 130,00 EUR die Stunde. Und ich Trottel ließ mich von der Kohle blenden. Das wurde sogar noch gesteigert, als er mir im versifften Hotelzimmer die ersten 50,00 EUR in die Tasche schob. Seine plumpen Finger fuhren unsanft zwischen meine Schenkel und massierten hart meine Beule. Ein Stöhnen entwich seinen Lippen und mir fiel so dicht das erste Mal sein Mundgeruch auf. Dann warf er sich in den einzigen Sessel und sah mich gierig an.

"Komm lass die Hüllen fallen, mein Kleiner", hauchte er lüstern und massierte nun seine eigene Beule. Wie paralysiert zog ich mich langsam aus und die Gier in seinen Augen wurde immer größer. Nach einigen Minuten stand ich nackt vor ihm.

"Man Du bist noch geiler als auf den Bildern. Komm her, Süßer", forderte er mich auf. Der Kerl machte mich so überhaupt nicht an und mein bestes Stück zeigte das sehr offen. Als ich nah genug war, schoss seine Hand nach vorne und griff mir roh an meine Kronjuwelen. Gequält stöhnte ich auf, aber er schien das falsch aufzufassen.

"Ach das gefällt Dir, Schwuchtel", zischte er und er widmete sich meinem Schwanz. Mit der anderen Hand griff er mir ins Genick und zog meinen Kopf zu sich herunter. Seine Lippen öffneten sich und er wollte mich wirklich küssen. Angeekelt riss ich meinen Kopf gerade noch so zurück.

"Man ziert sich also gerne ein bisschen. Okay, dann zeig ich Dir mal, was Dich gleich erwartet", knurrte er jetzt und jede Freundlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden. Er ließ mich los und öffnete seine Hose. Mit einem Ruck zog er sie sich herunter und was ich da zu sehen bekam, holte mich umgehend aus meiner geistigen Umnachtung zurück. So was versifftes und unhygienisches war mir noch nie untergekommen.

"Das ist nicht Dein Ernst?", murmelte ich fassungslos.

"Keine Bange, der wird noch größer", grinste er mich schmierig an. Angeekelt drehte ich mich um und sammelte meine Sachen auf.

"He, was soll das?", hörte ich ihn verärgert hinter mir.

"Na was glaubst Du denn?"

"Du kleiner Pisser wirst mir jetzt schön den Schwanz lutschen", knurrte es auf einmal hinter mir und seine Hand umschloss grob meinen Oberarm. Er schleuderte mich fast herum. Angewidert stieß ich ihn von mir und er plumpste unbeholfen wieder in den Sessel.

"Pass auf Alter, das wird hier nichts. Du könntest mehr als ein Bad vertragen und dann würde ich immer noch keinen bei Dir hoch bekommen", fauchte ich ihn wütend an. Der Kerl war zwar bestimmt 50 Kilo schwerer als ich, aber durch meine Vergangenheit und Kindheit im Heim wusste ich mich meiner Haut zu erwehren. Ich hatte keine Ahnung, ob ich nackt solche imposante Erscheinung war, aber er knickte ein und sank fast verschüchtert in dem Sessel zusammen

"Aber Du hast doch schon Geld genommen", versuchte er noch einmal aufzubegehren. Auf einem Bein hüpfend, weil ich in meiner nervösen Hektik das rechte Hosenbein nicht auf Anhieb fand, angelte ich den Fünfziger heraus und schmiss ihn auf den Boden.

"Hier, kauf Dir mal Seife davon", ätzte ich noch, als ich endlich die Hose an hatte. Die restlichen Sachen klemmte ich mir unter den Arm und verließ fluchtartig das Zimmer. Im Flur zog ich mich schnell vollständig an und Sekunden später stand ich vor Wut und Dummheit zitternd auf der Strasse.

Auf dem ganzen Heimweg konnte ich mich nicht so recht beruhigen und auch jetzt unter der Dusche vibrierten meine Nerven immer noch. Übermorgen hatte ich den zweiten Termin, aber diesen Fakt blendete ich komplett aus. Halbnass und nur mit einer Short bekleidet schnappte ich mir mein Saxophon und musizierte mir den Frust vom Leib. Wie immer geschah das Wunder und schnell war ich in meiner musikalisch-heilen Welt versunken. Die Kälte in meinem Zimmer holte mich einige Zeit später aus meinen Träumen und ich bibberte kläglich, ob es nur von der Kälte kam, wagte ich zu bezweifeln. Ziemlich niedergeschlagen verkroch ich mich in mein Bett.

Am nächsten Tag hatte ich mich zwar beruhigt, aber den Escortdienst wollte ich an den Nagel hängen. Ich loggte mich ein und schrieb meinen nächsten Termin an. Kurz teilte ich ihm mit, dass ich das Date nicht wahrnehmen könnte. Als ich auf meinen Kalender neben dem Bildschirm schaute, übermannte mich jedoch ein großer Teil Verzweiflung. Ich kannte den genauen Wert meiner finanziellen Reserven und auch wenn ich sehr, sehr sparsam war, kam ich maximal noch anderthalb Monate weit. Entschlossen schnappte ich mir meine Jacke und machte mich auf den Weg, um noch einmal die potentiellen Auftraggeber für Aushilfsjobs abzuklappern.

Es war zum Verrücktwerden – die meisten lehnten sofort ab, das Beste war noch eine Vertröstung auf das kommende Frühjahr. Das war verdammt deprimierend und ich sah nicht mal den Ansatz einer Lösung. Eigentlich war ich ein sehr optimistischer Mensch, eigentlich…

So kam es, dass ich am späten Abend wieder vor meinen PC saß und verzweifelt auf die Antwortmail meines abgesagten Dates schaute. Die Zeilen waren sehr freundlich gehalten, aber das war der Penner von gestern auch gewesen. Mehr ins Grübeln brachte mich der Inhalt. Er schlug vor, dass wir uns erst einmal nur treffen, ein paar Worte wechseln und dann neu entscheiden sollten. In mir kämpfte die Vernunft mit den miserablen finanziellen Aussichten der Zukunft. Zum Schluss siegte die Gier, knapp zwar, aber die Entscheidung war gefallen. Somit bestätigte ich unseren Termin nun wieder – die Antwort kam sofort und aus den Worten sprach eine große Freude und Herzlichkeit. Ich kam nicht umhin, dem Typen Sympathie entgegen zu bringen.

Knapp 24 Stunden später saß ich mit einem Mann, der knapp über 40 war und locker mein Vater sein könnte, jedoch aussah wie Mitte 30, in einem ziemlich vornehmen Restaurant. Ich kam mir in meinen alten Klamotten schon etwas schäbig vor, da die meisten hier auch im Anzug oder langem Kleid herumsaßen, aber mein Gegenüber nahm mir jede Scheu. Er selbst war in ausgewaschenen, teilweise eingerissenen Jeans und mit lässigem Sweatshirt bekleidet, die wohl einen Gammellook darstellen sollten, aber in Wirklichkeit nur sauteure Markenklamotten waren. Außerdem schien er den Eigentümer des Restaurants zu kennen, denn einige Minuten nach unserem Aufsuchen dieses Gourmettempels erschien ein jüngerer Mann im Zweireiher und begrüßte ihn herzlich. Trotz allem bemerkte ich seinen prüfenden, abwertenden Blick, den er mir zuwarf. Mein Kunde ließ sich nicht dadurch stören und plauderte locker mit mir. Als wir uns vor knapp einer Stunde getroffen hatten, merkte ich gleich, dass dieser Mann eine besondere Aura ausstrahlte und seine Freundlichkeit nicht nur aufgesetzt war. Ich war nach wie vor sehr misstrauisch, aber als er fragte, ob wir einfach mal Essen gehen oder uns wieder trennten sollten, entschloss ich mich umgehend, ihn zu begleiten.

Etwas ratlos sah ich nun auf meine Karte.

'Das konnte man alles essen?'

Ich konnte die Namen nicht mal lesen, geschweige denn aussprechen und war mir nicht sicher, ob das wirklich die Speisekarte oder nicht die Weinkarte war. Von meinem Gegenüber hörte ich ein vergnügtes Glucksen. Verwirrt schaute ich auf.

"Vertraust Du mir?", fragte er. Mein zweifelnder Blick ließ ihn wohl den Doppelgedanken erahnen, der sich gerade hinter meiner Stirn formulierte.

"Moment, ich meinte dies gerade nuuuur auf das Essen bezogen!", grinste er mich jetzt ziemlich frech an. Ich konnte nicht behaupten, dass ich auf Grund dieser Aussage nun ruhiger wurde. Nein, meine Zweifel waren jetzt weg, aber es gesellte sich eine Spur Nervosität in meine Gedanken.

"Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig", murmelte ich leise und ließ meinen Blick über das unverständliche Kauderwelsch gleiten.

"Du hast immer eine Wahl", hörte ich ihn nun ernster sagen. Verdutzt schaute ich ihn wieder an. Er musterte mich nachdenklich, aber der Schalk blitzte hinter seiner Brille aus den Augen.

"Hungrig nach Hause oder vollgestopft…", foppte er mich und ließ den Rest des Satzes in der Schwebe hängen.

"Dann wählen Sie für mich", gab ich mich geschlagen. Ich war einfach hungrig und wir waren ja zum Essen hierher gekommen.

"He, ich könnte zwar Dein Vater sein, aber meine Name ist Bernd", lächelte er nun wieder leicht und zwinkerte mir zu. Das wurde hier immer verwirrender.

"Hans-Ulrich", rief er halblaut und schnipste mit den Fingern. Einige Gäste schauten pikiert in unsere Richtung, aber das perlte an ihm einfach ab.

"Hast Du gewählt?"

"Ja. Bring mir mal bitte Menü 2 und für den jungen Mann hier die Spezialität des Hauses", gab er die Bestellung auf und irgendwie wurde sein Grinsen noch breiter.

"Zu Trinken?"

"Magst Du Wein?", wurde ich von Bernd gefragt. Oh man, der Billigwein, den ich bisher ab und an mal getrunken hatte, konnte sich doch nicht hiermit messen. So richtig dran besaufen konnte man sich damals auch nicht, deshalb hatte ich dieser Sorte von Getränk noch nie etwas Positives abgewinnen können.

"Weiß nicht", murmelte ich.

"Bring uns mal einen passenden Roten zu dem jeweiligen Essen", setzte er sich über meine Unsicherheit hinweg. Als der Chef des Hauses den Tisch verlassen hatte, musterte mich Bernd intensiv. Dieser Blick störte mich nicht so sehr wie die ganze Umgebung hier.

"Entschuldige, Du fühlst dich nicht wohl hier?", fragte er mich dann nach einer Weile. Auch wenn es stimmte, hatte ich ja wohl kaum das Recht, dieses zu bemängeln. Immerhin war ich der Escort und er der Kunde und dieses Restaurant war mir tausendmal lieber als so ein verdrecktes Hotelzimmer wie beim letzten Date. Somit zuckte ich nur leicht mit den Schultern und sah mich unauffällig ein wenig um. Wir saßen an einem runden Tisch in der Ecke, der sich ein wenig von den anderen Tischen absonderte. So waren in unserer unmittelbaren Umgebung keine Gäste und man konnte sich ungestört unterhalten.

"Das ist für mich so eine Art Stammrestaurant und das Essen ist halt vorzüglich, leider zu vorzüglich…", fing er eine Erklärung an, um dann zum Schluss abzubrechen. Dabei glitten seine Finger über den Bauch und er grinste etwas schief. Mir war seine sportliche Figur vorhin aufgefallen, aber ebenso war der leichte Bauchansatz nicht zu übersehen.

"Na ja, bei mir setzt nichts an, da kann ich essen, was ich will", rutschte mir heraus.

"Komm mal erst in mein Alter", grummelte er, aber die Augen verloren nicht den gutmütigen Spott.

"Ach komm, Du siehst doch gut aus und vor allen viel jünger als 50", grinste ich ihn nun frech an.

"FÜNFZIG?", knurrte er nun, konnte sich aber das Lachen kaum verkneifen.

"Was - noch älter?", tat ich entsetzt.

"Schau an, schau an, der Junior taut auf", murmelte er vergnügt. So kurzweilig vergingen die nächsten Minuten. Dann kam eine Vorsuppe, die ich mit sehr viel Brot regelrecht herunter schlang. Das hatte zwei Gründe. Erstens hatte ich wirklich Hunger und zweitens schmeckte sie sehr gut. Der Salat, der danach an den Tisch gebracht wurde, verschmähte ich erst einmal. Mit solchen Grünzeug konnte man mich gewöhnlich jagen.

"Ah, auch kein Karnickel", lächelte er wieder über den Tisch. Ich verharrte beim Herumstochern im Salat und lief knallrot an. Das Wort Karnickel hatte bei mir eben eine andere, dafür eindeutige Assoziation hervorgerufen.

"So was versautes", kicherte er und schüttelte amüsiert den Kopf. Er konnte ja nun nicht minder versaut sein, wenn er bei meiner gesunden Gesichtsfarbe an das Selbe dachte wie ich.

"Iiiich, nööö. Niemals beim Essen, aber sonst…", flötete ich anzüglich in seine Richtung und nun wechselte er eindeutig die Gesichtsfarbe. Ich fühlte mich immer wohler. Daran war Bernd zum größten Teil schuld, denn er hatte erst gar keine unangenehme Stimmung aufkommen lassen und ich musste zugeben, der Kerl interessierte mich ein wenig. Ich sah ihn schon eine Weile nicht nur mehr als Kunden, sondern irgendwie schwammen wir trotz des Altersunterschieds ein wenig auf einer Welle. Meine Gedanken wurden durch den Hauptgang unterbrochen, der nun an den Tisch gebracht wurde. Als ich sah, was auf dem Teller lag, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf und mein Gegenüber konnte sein Lachen nur mühsam verkneifen.

Gut, es war nur ein Teller und der war auch nicht überfüllt mit irgendwelchen Sachen sondern in der Mitte lag nur ein Stück Fleisch. Es waren die Dimensionen dieses Stückes, die mich mühsam schlucken lassen.

"So, die Spezialität des Hauses. 600 Gramm feinstes Rindfleisch", stellte der Ober den Teller vor mir ab und lächelte breit. Er hatte sich von der Heiterkeit Bernds anstecken lassen. Die Beilage in Form von Kartoffelgratin fiel regelrecht mickrig neben dem Haufen Fleisch aus. Nachdem er noch die Weingläser gefüllt hatte, verschwand er. Mein Blick irrte zu dem Teller von Bernd. Dort lag auch ein Stück Fleisch, nur wenn ich die beiden Stücke miteinander vergleichen sollte, dann aß er den kleinen David und ich einen doppelten Goliath.

"Lass es Dir schmecken", hörte ich ihn kichern.

'Na warte', dachte ich mir noch so und nahm mein Besteck auf. Das Fleisch war so zart, das es einem regelrecht auf dem Gaumen zerging. Eins war mir jedoch von vornherein klar - ich durfte hier nicht so schlingen, wie ich es sonst tat, denn dann wäre ich umgehend satt. So ließ ich mir Zeit beim Essen und trank ab und zu sogar einen Schluck Wein. Als ich die Hälfte des Stückes vertilgt hatte, war ich froh, dass die Beilage nur so klein war. Trotz aller Tricks machte sich die Masse des Fleisches doch langsam bemerkbar, außerdem hatte Bernd sein Mahl beendet und schaute mir amüsiert zu. Nicht das mich sein Blick stören würde, aber er machte mich auf eine Weise nervös, die mich durcheinander brachte. Er schien jede Einzelheit von mir aufzusaugen und mir gefielen die schmeichelnden Blicke sehr. Zu guter Letzt mundete mir der Wein zu dem Essen hervorragend und ich begriff wohl zum ersten Mal im Leben, was "Gutes Essen" bedeutete. Mehr als satt schob ich dann den leeren Teller zufrieden lächelnd von mir.

"Respekt Swing, das hätte ich so nicht erwartet", lobte mich Bernd.

"Danke"

"Und noch einen kleinen Nachtisch?", neckte er mich postwendend. Erschrocken sah ich ihn an und musste den Drang unterdrücken, vehement den Kopf zu schütteln.

"Willst Du mich mästen?"

"Ne, ne, ich mag den sportlich schlanken Typen um einiges lieber", hauchte er mir leise zu. In seiner Stimme schwang solche Lust mit, dass wir beide rötlich anliefen. Bei mir lag die Ursache in seinem Begehren nach mir und bei ihm wohl in der Vorstellung, es mit mir zu treiben. Diese Worte holten mich in die Realität zurück, aber es war mir nicht unangenehm. Mit dem Kerl da Sex zu haben, stellte ich mir sehr spannend vor und vor allem erregte es mich. Irgendwie hatten die letzten Minuten eine Atmosphäre bei mir geschaffen, die sich in ein großes Vertrauen Bernd gegenüber ausdrückte. Ich wusste einfach, dass ich mich bei ihm fallen lassen und vor allem, dass ich mich ihm hingeben könnte. Das brachte mich zu dem Punkt, dass ich zwar wusste, dass seine sexuellen Vorlieben im ganz normalen Bereich lagen, aber wir nicht die aktive bzw. passive Rolle geklärt hatten.

"Und?", hörte ich ihn. Fragend sah ich ihn an.

"Nachtisch?", grinste er wieder so frech. Da gab es nur eine Antwort.

"Türlich!" Irgendwie schien ihn das nicht wirklich zu überraschen, denn seine Augen blitzten kurz auf. Er orderte beim Ober die Dessertkarte und nun kämpfte ich mich wieder durch die unaussprechlichen Kalorienbomben. Obwohl ich versuchte, ein gleichgültiges Gesicht zu machen, schien er meinen Konflikt mal wieder spielerisch zu erahnen.

"Und haben die Herren gewählt?", hörte ich den Ober. Mein Blick zuckte kurz hoch und wie sollte es anders sein, seine blauen Augen ruhten auf mir.

"Kann mich nicht so recht entscheiden", antwortete ich.

"Okay, bringen Sie uns bitte zweimal die Dessertvariationen und jeweils noch ein Viertel Rotwein", gab Bernd die Bestellung.

'Oh, oh noch mehr Rotwein. Ich war nach dem ersten Glas schon etwas angeheitert. Wollte mich da einer besoffen machen?', fuhr mir durch den Kopf. Bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen konnte, meldete sich meine Blase. Dumm war nur, dass sich ein gewisses Teil seit einiger Zeit in Aufruhr befand, weil ich mir so ein paar Sexpraktiken mit Bernd durch das Hirn hab gehen lassen. Als ich aufstand, versuchte ich unauffällig die Sache zu richten, aber die hochgezogene Braue und das lüsterne Aufleuchten in seinen Augen überzeugten mich schnell davon, dass ich nach wie vor unter intensiver Beobachtung stand. Auf dem WC beglückte ich mich mit ein paar Händen kalten Wassers, die mir wieder einen etwas klareren Kopf verschafften. Dieses Date hier war das genaue Gegenteil von dem vor ein paar Tagen.

Das hier machte Spaß, bis zum jetzigen Zeitpunkt sogar großen Spaß!

Als ich wieder bei unserem Tisch ankam, stand schon die "Dessertvariation" auf meinem Platz. Ich sah nur einen riesigen Teller mit sehr vielen unterschiedlichen Sachen darauf. Das hatte ich nun von meiner vorlauten Klappe. Innerlich aufstöhnend setzte ich mich hin und öffnete unter dem Tisch unauffällig den obersten Knopf an meiner Hose. Bernd schien auf jeden Fall den Nachtisch zu genießen und wie er gerade seinen Löffel ableckte, war in meinen Augen auch nicht sehr jugendfrei. Mit solchen Gedanken kämpfte ich mich durch meinen Dessertteller. Es schmeckte fast alles davon, aber mein Mageninhalt stand mir mittlerweile kurz vor dem Kehlkopf – ich konnte einfach nicht mehr.

"Na noch ein kleines Stückchen Kuchen?", hörte ich ihn süffisant fragen, als ich endlich den letzten Löffel in meinen Mund schob. Entsetzt sah ich ihn an.

"Gnade", flehte ich und erntete ein Grinsen. Von einem Kaffee war er jedoch nicht abzubringen. So saß ich vollgefressen bzw. gestopft wie eine Weihnachtsgans zufrieden in einem Nobelrestaurant und beobachtete mein Gegenüber. Das Gespräch plätscherte sachte dahin und Bernd war verdammt neugierig. Als ich zwischendurch einmal auf meine Uhr schielte, erschrak ich doch etwas. Wir trieben uns hier schon drei Stunden herum.

"Gehen wir?", hörte ich Bernd dann neugierig fragen. Sofort war eine gewisse sexuelle Spannung in der Luft. Er stand auf und schnappte sich seine Jacke. Eine kurze Verabschiedung vom Chef und schon standen wir vor der Tür.

"Ähm?", wunderte ich mich.

"Ja?"

"Wann hast Du bezahlt?"

"Bezahlen? Ich dachte, Du machst die Abwäsche?", foppte er mich.

"Wenn sie neues Geschirr brauchen, gerne", konterte ich.

"Ganz schön frech. Nein, ich bekomm hier eine Monatsrechnung", erklärte er mir.

"Aha"

Dann saßen wir in seinem Auto und Bernd lenkte den Wagen flott aber umsichtig durch den Verkehr. Vollgefressen wie ich war, die aufkommende Wärme im Innenraum und der gemütliche Autositz ließen eine gewisse Müdigkeit aufkommen. Fast erschrocken fuhr ich auf, als das Auto zum Halten kam. Etwas desorientiert schaute ich mich um und stellte erstaunt fest, dass wir wieder am Ausgangspunkt angekommen waren.

Fragend sah ich ihn an. Bernds Blick war unergründlich. Langsam zeichnete sich ein kleines Lächeln ab.

"Ich wünsch Dir noch einen schönen Abend Swing", hörte ich ihn.

"Willst du denn kein…", fragte ich ihn echt verwirrt.

"Sex?"

"Ja"

"Heute nicht, Swing", murmelte er.

"Gefall ich Dir denn nicht", fragte ich enttäuscht. Ich hatte mich mit zunehmendem Abend doch auf meinen "Job" gefreut, denn der Mann interessierte mich.

"Du mir nicht gefallen?", amüsiert schüttelte er den Kopf.

"Oh Swing, am liebsten würde ich Dir hier schon im Auto die Kleider vom Leib reißen und es stundenlang mir Dir treiben, aber…", fuhr er fort.

"Ja?", wisperte ich.

"Du bist mir für eine schnelle Nummer, seit dem ich Dich ein wenig kennen lernen durfte, viel zu schade. Ich würde Dich gerne noch etwas studieren und mit Dir etwas mehr Zeit verbringen."

"Oh", entfuhr es mir überrascht.

"Sieh es mal so. Kleiner, Du machst mich so scharf, dass ich seit über drei Stunden mit einem Dauerständer herumlaufe. Ich würde dieses Gefühl noch ein wenig mehr ausreizen, damit ich später umso ungehemmter über Dich herfallen kann…", grinste er mich nun wieder frech an und sah mich wissend an.

"…oder Du über mich", fuhr er dann fort.

Ich wusste nicht so recht, wie ich darauf reagieren sollte. Ein Typ, der nun wirklich mein Vater sein konnte, flirtete ziemlich offen mit mir. Meistens machte ich die Boys an, mit denen ich dann einen Moment später im Bett landete.

Nur was hatte ich zu verlieren? Bernd war mehr als in Ordnung und ziemlich witzig.

'Und ab und an Fressen bis zur Besinnungslosigkeit kam mir gerade recht', grinste ich in mich hinein.

"Okay, Du hast ja meine Handynummer und kennst mein Profil bei GR. Ich fand den Abend sehr nett und würde mich über ein Wiedersehen freuen", erklärte ich mich einverstanden. Seine Freude über meine Antwort schien sehr aufrichtig.

"Komm mal her Kleiner", wisperte er mir zu und zögernd beugte ich mich zu ihm. Seine warmen Finger glitten sanft über meine Wange.

"Hast Du eigentlich eine Ahnung, wie süß Du bist", flüsterte er erregt und hauchte mir einen Kuss auf meine Lippen. Eigentlich wollte ich in diesem Job das Küssen umgehen, weil dazu für mich ein wenig mehr gehörte als Geld auf den Tisch zu legen. Nur war mir dieser Kuss nicht unangenehm.

"Auf Wiedersehen Bernd und vielen Dank für den kleinen Snack", löste ich mich von ihm und grinste ihn frech an.

"Cu Swing, Du kleiner Lügner", lächelte er und dann fiel die Tür ins Schloss. Beim Einfädeln in den Verkehr sah ich ihn noch kurz winken und Sekunden später stand ich alleine in der Kälte. Wie unterschiedlich doch Menschen sein konnten. Der erste Freier wollte mich beherrschen, dominieren und hatte die pure Befriedigung gesucht und Bernd…

…ihn als Freier zu bezeichnen wurde ihm nicht gerecht. Er war sehr zuvorkommend gewesen und höflich. Sexuell schien er sehr beherrscht, obwohl es bei der Verabschiedung im Wagen schon heftig geknistert hatte. Irgendwie mochte ich ihn.

Verdammt, ich hatte das Ganze angeleiert, um ein paar Mäuse zu verdienen und das Ganze entwickelte sich äußerst kompliziert. Ich hatte heute einen schönen Abend verbracht, aber Geld war nicht dabei herumgekommen. Als wirklichen Verlust sah ich das jedoch trotz allem nicht, da ich erstens ein fantastisches Essen bekommen hatte und zweitens ich während des Treffens nicht einmal an die Kohle gedacht hatte, nicht mal bei der Verabschiedung. So verwirrt entledigte ich mich meiner Sachen, fiel in mein Bett und schlief sofort ein. Mein übervoller Magen bescherte mir zwar keine sehr ruhige Nacht, aber dieses kleine Opfer für meine Fresssucht nahm ich gerne in Kauf. Dafür schlief ich am nächsten Tag bis in den späten Vormittag hinein.

Mit einer frisch aufgebrühten Tasse Kaffee setzte ich mich nach meiner Morgendusche an den PC. Im Postfach bei GR tummelten sich im Escortprofil wieder ein paar Nachrichten. Auch von Bernd hatte ich Post. Die anderen löschte ich ausnahmslos, die meisten las ich nicht einmal richtig. Nur an Bernd seiner blieb ich sehr viel länger hängen. Er bedankte sich noch einmal für den wunderschönen Abend und entschuldigte sich, dass er die nächsten Tage keine Zeit finden würde. Da wollte mich jemand wohl schnellstmöglich wieder treffen. In meiner Antwort pflichtete ich ihm bei, dass es auch für mich ein sehr schöner Abend war und ich mich über ein Wiedersehen freuen würde. Als Bedingung formulierte ich, dass ich jedoch nicht als Mastschwein enden wollte. Dann schaltete ich die Kiste aus und machte mich auf den Weg zu Achim. Die letzten beiden Wochen hatte ich mich darum gedrückt, aber heute war ich einfach guter Stimmung, dass ich sein Gezeter wegen des Instrumentenkoffers hinreichend ertragen konnte.

In meinem kleinen Flur zog ich mir die Jacke über und blieb dabei an der Innentasche hängen. Verwundert schaute ich auf die Tasche, aus der ein Kuvert herausstand. Wie war das denn dahin gekommen? Verwirrt zog ich es heraus und hielt einen einfachen Briefumschlag ohne jegliche Kennzeichnung in der Hand. Als ich hineinsah, traf mich fast der Schlag. Da lagen drei grüne Scheine drin und eine kleine Karte. Vorsichtig zog ich diese heraus und las:

Hallo Swing!

Auch auf diesem Wege wollte ich mich noch einmal für den herrlichen Abend bedanken. Etwas verwundert habe ich schon registriert, dass Du kein Wort über Dein Honorar verloren hast. Da Du diesen Abend nicht nur mit mir verbracht hast, weil ich so umwerfend aussehe ^^, sondern andere Gründe Deine Motivation waren, möchte ich Dich auf keinen Fall um Deinen mehr als verdienten Lohn prellen. Du hast Dir jeden Cent verdient und aus Deinen sparsamen Worten konnte ich mehr oder weniger heraushören, dass Du es auch gut gebrauchen kannst.

Lieben Gruß

Bernd

Jetzt war ich doch sehr sprachlos. Ich hatte keine Ahnung, wann er mir heimlich diesen Umschlag zugesteckt hatte, aber 300 EUR waren der Hammer. Zuerst schlemmte ich im wahrsten Sinne des Wortes den ganzen Abend und dann bekam ich für meinen "Esseinsatz" auch noch Geld. Plötzlich meldete sich mein schlechtes Gewissen. Das kam mir nicht sehr fair vor – so geldgeil und abgebrüht war ich nicht. Somit setzte ich mich wieder an meinen PC und fuhr diesen hoch. In meiner Nachricht bedankte ich mich herzlich, machte ihm jedoch klar, dass ich es nur als eine Art Anzahlung für das nächste Mal sah. Das Essen für die kurzweiligen drei Stunden war mir Bezahlung genug. Als die Nachricht auf Reisen war, verfrachtete ich das Geld in meine Brieftasche. Soviel Bargeld hatte ich äußert selten darin gesehen, wenn ich so richtig darüber nachdachte, eigentlich noch nie. Als mein Finger zum Ausschaltknopf des PC glitt, trötete mein Posteingang wieder auf. Bernd hatte umgehend geantwortet.

Mein lieber Swing!

Ich hätte ja nicht gedacht, dass Du sooo billig zu haben bist, denn bei Deinen ersten Verhandlungen warst Du ziemlich hartnäckig und knallhart gewesen ;-). Nein, ich sehe es nicht als Anzahlung an. Escort bedeutet nicht, dass Du Dein Honorar ausschließlich im Bett abarbeiten musst, sondern die kurzweilige Unterhaltung oder Deine Begleitung zu irgendwelchen Anlässen gehört genauso dazu. Und glaube mir, mit Dir kann man sich überall sehen lassen.

Außerdem sehe ich diese Bezahlung für mich nicht als Last an, denn Du hast es mehr als verdient. Bitte nimm es ohne ein schlechtes Gewissen und geh doch einfach heute mal gut Essen *fg*.

Lieben Gruss

Bernd

PS: Und glaube mir, Du wirst Dir Dein Geld im Bett noch ausreichend und schweißtreibend erarbeiten müssen^^.

Beim Lesen des Schlusssatzes wurde mir sehr warm und sehr viel Blut wanderte in meine Lendengegend. Mein schlechtes Gewissen war nicht ganz beruhigt, aber die Sache schien geklärt. Natürlich konnte ich das Geld sehr gut gebrauchen, aber…

…Essen würde ich davon bestimmt nicht gehen. Der Typ war einfach witzig und so kicherte ich immer noch vor mir hin, als ich schon längst das Haus verlassen hatte. Eine halbe Stunde später schlug ich bei Achim auf. Noch in der Tür fiel sein Blick auf meinen Instrumentenkoffer und seine Augen wurden schmal. Aus den kleinen Schlitzen feuerte er mir wütende Blitze entgegen.

'Bist Du bescheuert? Seit wann gehst Du so nachlässig mit dem Instrument um?'

"Auch einen schönen guten Tag, Achim", eröffnete ich von meiner Seite das Gespräch sehr höflich.

'Leck mich!'

"Achim, dürfte ich die Sache vielleicht erst einmal erklären?", versuchte ich mich halbherzig meiner Haut zu erwehren. Er hatte ja Recht und mir ging der Schaden auch nahe, aber das Gerät war ja zu diesem Zeitpunkt nicht in dem Koffer gewesen.

'Ich habe kein Interesse an Deinen Ausreden!' , stellte er unwirsch klar.

"Bitte", murmelte ich und unterstützte es zusätzlich mit der entsprechenden Geste. Verwundert schaute er mich dann doch an, denn unsere Kommunikation verlief meistens nach dem gleichen Muster. Ich redete – er ließ seine Finger, Augen oder Gesicht sprechen. Trotz allem hatte ich nach unserer ersten Begegnung die Zeichensprache schnell gelernt, denn manchmal konnten Worte Gesten nicht das Wasser reichen. Da Achim stumm war, hatte er nur diese Möglichkeit der Kommunikation. Manchmal hatte ich es schon verdammt, dass ich nun seine Wutausbrüche so glasklar mitbekam. Er war ein sehr strenger Lehrer und litt unter heftigen Wutausbrüchen, wenn ich mich einfach zu blöd anstellte. Aber mein gutes Spiel verdankte ich neben meinem Talent vor allen der Knute von Achim. Verärgert wies er auf den Sessel und setzte sich mir gegenüber.

In ein paar Worten schilderte ich ihm den Tathergang des Nachmittags. Ich beschönigte nichts, aber ich ließ gewisse Aspekte weg, wie zum Beispiel den süßen Kerl mit den eisgrauen Augen und seiner Freundin im Arm. Wieso kam mir der nun gerade wieder in den Sinn?

'Und damit kommst Du jetzt erst?' Das war seine ganze Reaktion auf meinen kleinen Vortrag.

"Ich hatte eine aufgeschlagene Lippe und konnte das Instrument nicht spielen", flüchtete ich mich in eine Ausrede. Eigentlich hatte viel mehr genau diesen Ausbruch hier gefürchtet.

'Ich seh nichts', widersprach er und blitzte mich angriffslustig an.

"Ok, ich kann ja wieder gehen", gab ich mich geschlagen und stand auf.

'STOP!'

'Nichts da Bürschchen, Du wirst heute einen Teil der versäumten Übungen nachholen', machte er mir mit ein paar ärgerlichen Gesten klar und Minuten später quälte er mich mit meinen sooo geliebten Atemübungen. Nach zwei Stunden war ich fix und foxy. Achim grinste wissend in sich hinein, aber er schien halbwegs zufrieden, was schon einem Wunder glich. Trotz seiner sehr grummeligen Art mochte ich den älteren Herrn. Er war knapp Anfang 60, Pensionär und mit Leib und Seele Musiker. Wenn wir beide ein Duett spielten, wurde er beim Eintauchen in die Musik ein ganz anderer Mensch. Angefangen hatte das schon vor Ewigkeiten. Damals war ich noch ein Kind in einem Heim und er war bei irgendeiner Weihnachtsaufführung zu Gast. Da jedes Kind dort irgendein Beitrag bringen musste, nutzte ich die Gunst der Stunde und malträtierte die Anwesenden mit meinem Saxophonspiel. Zum Glück verließen nicht alle schreiend den Saal und Achim fing an, Erkundigungen über mich einzuholen. Ein halbes Jahr später schlug er mir vor, mein Talent ein wenig zu fördern und seitdem triezte er mich. Wie schon angedeutet, auch wenn seine Art manchmal sehr anstrengend war, wusste ich ganz genau, was ich ihm zu verdanken hatte. Außerdem war er für mich so eine Art Freifahrtschein zur Musikhochschule, denn er hatte aus seinem Berufsleben sehr gute Kontakte dahin. Eine Empfehlung von ihm öffnete mir dort sämtliche Türen.

Diese Empfehlung bekam ich jedoch nur, wenn er mit meinen Leistungen zufrieden war. Das hatte er mir einmal klar gemacht und nie wieder ein Wort darüber verloren. Das ich sie bekommen würde, da war ich mir ziemlich sicher, nur diese Art von Selbstzufriedenheit trieb er mir immer wieder schnell aus. Er war halt ein gnadenloser Lehrer.

'Wehe, Du lässt mich wieder so lange ohne eine Nachricht warten', war dann auch seine liebevolle Verabschiedung, als ich die heiligen Hallen verließ.

Die nächsten Tage schleppten sich dann so hin. Claudio erkundigte sich einmal neugierig, wie das Geschäft denn so lief. In knappen Worten schilderte ich mein erstes Date und er war entsetzt. Er bot mir doch wirklich an, mich das nächste Mal zu begleiten und erst, wenn alles klar ist, zu verschwinden. Wenn ich da nicht so einen komischen Ton herausgehört hätte und mir der vage Verdacht kam, dass er heimlich auf einen flotten Dreier und das auch noch gegen Bezahlung spekulierte, hätte man seinen Vorschlag fast aufopferungsvoll nennen können. Ich machte ihm jedoch klar, dass ich diesen Escortjob eigentlich wieder an den Nagel gehangen habe, was er mir nun wieder nicht so recht glauben wollte. Am Wochenende war ich nicht auf dem Flohmarkt – diese Kälte wollte ich mir nicht antun und die immer noch knapp 200 EUR in der Brieftasche gaben mir ein trügerisches Gefühl der Sicherheit.

Am Samstag war Bernd seit Tagen wieder online und schickte mir eine kurze Nachricht. Er entschuldigte sich, dass es die nächste Woche nichts werden würde, aber ab nächsten Sonntag wäre er voll einsatzbereit. Mit einem Dauergrinsen hakte ich dann doch einmal nach, ob diese Einsatzbereitschaft alle Eventualitäten abdeckte – zurück bekam ich nur einen frechen Smiley. Alle anderen Anfragen wimmelte ich nur noch ab. Am Sonntag und Montag schaute ich gar nicht in mein Escortprofil, weil zum ersten mich meine "große" Schwester auf Trab hielt und den ganzen Sonntag beschäftigte. Sie war der Meinung, ich müsste beim Ausmisten ihres Kellers helfen und am Montag musste ich mich von der Quälerei erholen.

Okay, Dienstagmittag wollte ich wenigstens mein Posteingang aufräumen und war so fröhlich beim Löschen der Nachrichten, als mein Finger auf einmal verharrte. Zwischen den Messages der ganzen alten notgeilen Knacker, anders konnte ich die Anfragen mittlerweile nicht mehr bezeichnen, fiel mir diese PN regelrecht ins Auge. Sie war relativ kurz gehalten und bekundete das Interesse. Aufgefallen war sie mir, weil der Nickname "Andy1989" lautete. Ein rascher Klick auf das Profil und meine Vermutung wurde bestätigt. Der Typ war knappe 19 Jahre alt, also der mit Abstand jüngste Kunde, der mich hier angeschrieben hatte.

Mein prüfender Blick wanderte über seine Daten im Profil. Er war 1,88 groß und sollte 84 kg wiegen, hatte braunes Haar, Augenfarbe war nicht angegeben, dafür hielt er sich für unbehaart. Ansonsten gab die Karte nicht sehr viel her, keine Interessen, keine Sexvorlieben, blabla als Profiltext – hätte er sich auf mein normales Profil gemeldet, wäre er als Faker sofort durch mein Raster gefallen.

Warum hatte er es nötig, mit 19 Jahren einen Escort anzuschreiben? War er hässlich? Sein Gewicht konnte durchaus auf eine unsportliche Figur schließen, aber fett schien er nicht zu sein. Seine Anfrage war höflich, hatte in meinen Augen aber einen routinierten Anstrich – so als hätte er das schon öfter gemacht. Irgendwie erwachte bei mir das Interesse und ich antwortete ihm. Die Zeilen hielt ich relativ neutral. Solange ich nicht wusste, ob seine erste Anfrage nur ein Strohfeuer war, hielt ich mich mal ein wenig bedeckt.

Am nächsten Tag hatte ich eine Antwort: Er schlug ein Treffen am Samstag vor und für die Örtlichkeit würde er sorgen. Seine Wünsche waren ganz normal, bei AV hielt er sich zurück. Ich hatte da meine Angaben beim letzten Mal etwas abgeändert. Nachdem ich wusste, was er sich so vorstellte, teilte ich ihm den Preis von 130 EUR mit. Diesmal war der für mich nicht verhandelbar, aber soweit waren wir ja noch nicht. Des Weiteren wollte ich ein Bild von ihm, kein Nacktbild, einfach nur ein Gesicht, damit ich keinem Faker auflief.

Seine Antwort am nächsten Tag war etwas seltsam. Er wollte mir kein Bild schicken und wies mich auf meinen Gästebucheintrag hin. Überrascht registrierte ich, dass er Recht hatte und las mir diesen durch. Der Eintrag war kurz, aber sehr schlecht und er war natürlich von meinem ersten Freier. Ich hatte mich schon gewundert, dass die stete Flut von Anfragen in den letzten Tagen spürbar nachgelassen hatte. Auf meinen Preis ging er gar nicht ein, nein er verlangte vielmehr ein Facebild von mir – sozusagen als guten Willen und um den Eintrag im Gästebuch zu widerlegen. Als Zeichen seines Vertrauens teilte er mir zum Schluss eine Handynummer mit.

Nun hatte ich ein Problem. Wollte ich dieses Date weiterverfolgen, dann musste ich ihm mehr vertrauen, als ich zurzeit vermochte. Irgendwie reizte mich der Typ, wobei sein Alter dabei keine unerhebliche Rolle spielte. Mit einen knackigen Boy in die Kiste springen und dafür noch bezahlt werden, hörte sich nun wirklich nach leicht verdientem Geld an.

Wenn er denn sooo jung war!

Wenn er denn knackig war!

Wenn…

Man, die nächsten beiden Tage kämpfte ich echt mit mir. Am Freitag war es dann höchste Zeit, die Sache zu entscheiden, denn morgen wollten wir uns ja treffen. Nur, was hatte ich zu verlieren? Zur Not konnte ich das Date nach den ersten Sekunden immer noch abblasen. Also bestätigte ich ihm nochmals unser Date und hängte ein Bild von mir an. Fast zeitgleich schickte ich ihm eine SMS auf die angegebene Handynummer. Irgendwann am Abend trudelte dann seine Bestätigungs-SMS ein und jetzt kam es auf den Samstag an.

Ich hatte denselben Treffpunkt wie vor knapp anderthalb Wochen mit Bernd gewählt. Man, der Winter kam immer näher und es war schweinekalt draußen. Als ich aus dem Bus stieg, zog ich mir die Kapuze über den Kopf und vergrub mich tief in den dicken Anorak. Langsam schlenderte ich meinem Ziel entgegen. In seiner Nähe war noch niemand zu sehen, aber laut Uhr beim Busbahnhof war es auch erst 10 Minuten vor der vereinbarten Zeit.

"Na super, nun muss ich auch noch in der Kälte warten", brubbelte ich vor mich hin. Gelangweilt lehnte ich mich erst einmal an die Laterne, aber nach ein paar Minuten kroch die Kälte an den Füßen nach oben. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es gleich 19 Uhr war. Suchend sah ich mich noch einmal um, konnte aber nach wie vor niemanden entdecken, der zu mir wollte. Na gut, dann ließen wir mal das Handy klingeln. Ich suchte seine SMS und wollte gerade auf "anrufen" drücken, da…

"Hey Swing", hörte ich eine dunkle aber jugendliche Stimme hinter mir. Schnell drehte ich mich um und mir entglitten sämtliche Gesichtzüge. Vor mir stand mein braungelockter Held mit diesen riesigen eisgrauen Augen. Seine vollen Lippen hatten sich gerade zu einem nervösen Lächeln verzogen, aber das bemerkte ich gar nicht richtig.

"Das ist nicht Dein Ernst", stieß ich sauer hervor. Sein Lächeln erstarrte und die Augen weiteten sich kurz. Dann nahm sein Gesicht einen trotzigen Ausdruck an. Das machte ihn fast noch begehrenswerter. Der Typ war heiß, eine absolute Sahneschnitte, jedoch…

…so einer brauchte doch keinen Escort!

"Du verarscht mich, oder?", fuhr ich ihn giftig an. Er zuckte zurück, schüttelte jedoch energisch den Kopf.

"Nein!"

"Wieso willst Du Dir dann den Sex kaufen?", schrie ich. Das war schon fast eine Schutzreaktion von mir, denn der Boy machte mich nervös, verdammt nervös.

"Weil…, weil…", stotterte er und sah sich dabei hektisch um.

"Bist du überhaupt schwul?", brüllte ich ihn an. Seine Blicke wurden panisch.

"Man halt endlich die Fresse", zischte er nun mächtig angepisst. Verdutzt verstummte ich, denn ich spürte auf einmal eine bestimmende Aura, die mich zu beeinflussen schien. Meistens war ich es ja gewohnt, meinen Willen durchzusetzen, aber das hier war auf einmal die Umkehrung dessen. Anderseits war ich auch noch viel zu sehr durch den Wind, weil genau ER mein Kunde war. Schweigend stierten wir uns herausfordernd an.

Wollte ich mit diesem Typen ins Bett??

Allein bei dem Gedanken daran, meldete sich mein bestes Stück und gab die Richtung vor. Jede Flucht von hier würde ich mir heute Nacht nicht mehr verzeihen. Dieser Boy war jede Sünde wert!

"Und nun?", fragte ich süffisant. Seine selbstsichere Miene zeigte ein paar Risse und die Augen flackerten unruhig.

"Das Hotelzimmer ist nach wie vor gebucht und bezahlt, also liegt es nur an uns", murmelte er leise und sah sich wieder unauffällig um. Wir waren im Umkreis von mehreren Dutzenden Metern allein auf weiter Flur, aber ihm schien das hier unangenehm zu sein und mich ritt irgendwie der Teufel. Ich wollte ihn provozieren. Der Boy war so geil, angepisst war er noch geiler.

"Aber ficken lass ich mich nicht von Dir", stellte ich trocken und sehr laut klar. Oh Gott, jetzt lief er noch rot an, wie süß.

"Geht das auch eine Spur leiser?", bat er mich nervös. Ich konnte einfach nicht widerstehen, auch wenn ich gerade auf Messers Schneide balancierte.

"Und die Stunde kostet dich nun 150 EURO nach dieser Aktion", knurrte ich gespielt böse. So langsam entglitten ihm die Gesichtszüge, aber dann glitzerten seine Augen gefährlich. Jetzt war Vorsicht geboten, denn ich war dabei, den Bogen zu überspannen. Anderseits wusste ich jedoch, dass seine Reaktion nicht auf das Geld bezogen war.

"Bist du fertig?", fragte er eisig. Seine Nervosität schien verflogen und nun beherrschte er die Situation wieder.

"Weiß noch nicht, mal überlegen", konnte ich es nicht lassen. Er fixierte mich kurz und drehte sich dann um. Scheiße, er ließ mich hier stehen wie einen kleinen Jungen.

"Das Geld bekommst Du nur, wenn Du mitkommst", hörte ich ihn herablassend sagen. Jetzt hatte er sich endgültig gefangen und schien ein eiskalter Engel zu sein. Diese Bemerkung ließ mich dann doch schlucken – so knallhart hatte mir noch keiner meine Käuflichkeit vorgeworfen.

Schweigend folgte ich ihm und auch diese Geste zerrte an meinem Selbstbewusstsein. Dann blieb er bei einem Auto stehen, das wohl seins war. Unsicher verharrte ich an der Beifahrertür. Sollte ich wirklich einsteigen?

"Na was ist? Hast Du Deine große Klappe verloren?", fragte er gehässig. Seine Worte ließen mich leicht zusammenzucken. Die unsympathische Seite dieses Jungen fing langsam aber sicher an zu überwiegen.

Er wollte sein Geschäft erledigt haben? Ok, das würde er bekommen und kein bisschen mehr! Betont langsam stieg ich ein. Er warf mir noch einen undefinierbaren Blick zu und startete den Wagen. Die Stimmung im Auto war schlecht und die Spannung spürbar.

Da geisterte mir seit unserem Zusammentreffen vor ein paar Wochen immer mal wieder sein Gesicht in meinen Träumen und Gedanken herum und nun saß ich hier mit ihm im Wagen. Mein Wunsch aus diesen Träumen wurde nun wohl wahr – ich hatte Sex mit dem Kerl. Nur zu welchen Bedingungen…

Auf irgendeinem Parkplatz hielten wir an und er stieg aus. Meine innere Stimme machte mir eindeutig klar, dass ich hier sehenden Auges in eine Katastrophe schlitterte. Das würde in keinen geschäftlichen Fick ausarten, nein, gewisse Gefühle fingen langsam aber sicher an, eine Rolle zu spielen. Zögernd öffnete ich die Tür und stieg aus. Er stand schon mit einem spöttischen Grinsen ein paar Meter entfernt. Und wieder musste ich ihm folgen. Allen Anschein war das ein Hotel, aber er kannte sich hier wohl gut aus, denn wir nahmen die Hintertür. Ein Stockwerk höher öffnete er mir eine Hotelzimmertür und schlüpfte hinter mir in das Zimmer. Lautlos fiel die Tür ins Schloss und er trat dicht, sehr dicht an mich heran.

"Na Swing, Du willst mich also ficken?", flüsterte er heiser. Diese Stimme, die Augen, der Geruch und die verführerischen roten Lippen brachten mich total aus dem Konzept. Ich wollte mit dem Boy ins Bett und das sofort!

"Und willst Du Dein Honorar vorher haben, oder…", lächelte er mich höhnisch an und ließ den Rest im Raum stehen. Diese Worte waren die sprichwörtliche kalte Dusche und mein Traum zerplatzte. Ich erstarrte und schloss meine Augen. Er sollte darin nicht sehen, was ich wirklich gerade spürte – grenzenlose Enttäuschung, Scham und noch einiges mehr. Seine Auslegung meiner Reaktion war jedoch eine vollkommen andere.

"Ich leg das Geld hier auf den Tisch. Mal schauen, ob Du die dreihundert Piepen wert bist", stellte er vollkommen emotionslos fest. Niedergeschlagenheit machte sich in mir breit, wobei eine leise Stimme in meinem Kopf flüsterte:

'Du bist doch zum größten Teil selbst schuld, warum musstest du ihn so grundlos reizen?'

Die Antwort gab ich mir umgehend selber.

'Weil er so unsicher und fern der Rolle, die er gerade jetzt so meisterhaft beherrschte, viel begehrenswerter und…' Weiter wollte ich diesen Satz gar nicht denken.

"Los fang endlich an, die Zeit ist kostbar."

Okay, Jazz, lass uns diese Episode hier mit etwas Anstand zu Ende bringen. Die Genugtuung, einfach kommentarlos zu gehen, würde ich ihm nicht geben – außerdem kam mir gerade ein wirklich diabolischer Gedanke. Des Weiteren war der Typ nach wie vor geil und der Sex mit ihm sollte mich nicht vor sehr große Herausforderungen stellen. Entschlossen öffnete ich meine Augen und ließ meinen Blick prüfend über ihn gleiten.

"Los zieh Dich aus, Süßer", hauchte ich ihm zu und seine Augen leuchteten gierig auf.

"Warum machst Du das nicht für mich", murmelte er heiser. Seine Wangen röteten sich leicht und seine Lippen waren leicht geöffnet, als ich näher trat. Der Kerl war der Hammer, aber ich hatte meine Gefühle sehr tief in meinem Herzen weggeschlossen. Seine Jacke zog er sich noch selbst aus und ich schlüpfte ebenfalls aus meiner. Dann standen wir uns Aug in Aug gegenüber, nur getrennt durch eine Handbreit Luft. Seine Lippen kamen meinen näher und meine Finger glitten unter seinen Pulli. Bevor er den Kuss vollenden konnte, schob ich sein Kleidungsstück ganz nach oben, so dass sein Oberkörper frei lag. Er hatte nichts weiter darunter und meine Finger strichen über nackte Haut.

Mit Mühe konnte ich ein Aufstöhnen unterdrücken und war heilfroh, dass er durch den Pullover über seinen Augen mit Blindheit geschlagen war. Ansonsten hätte er meine Gier in meinen Blicken sofort erkannt, denn was sich mir hier zeigte, war Wahnsinn! Glatte, unbehaarte und leicht gebräunte samtene Haut luden regelrecht zum Liebkosen ein. Noch mehr aus der Fassung brachte mich jedoch der Aufbau seines Oberkörpers. Dieser Kerl ging regelmäßig in einen Fitnessclub, wobei er kein steroidverseuchter überzüchteter Mr. Univerum war. Seine Brust war wohlproportioniert und der Waschbrettbauch, der sich ihr anschloss, lud regelrecht zum Träumen ein. Ich musste wirklich meine ganze Kraft aufbringen, um nicht MEINEN Willen zu verlieren.

'HÖR auf zu SABBERN!', wies ich mich streng zurecht.

Nun zottelte er sich den Pullover selbst vom Körper, denn ich hatte mitten in der Aktion natürlich absichtlich abgebrochen.

"Gleiches Recht für alle", hörte ich ihn lüstern hauchen und seine Hände glitten unter mein Sweatshirt. Erstaunlicherweise waren sie sehr sanft und streichelten zart über meine Brust. Fordernd aber vorsichtig zog er mir mein Sweatshirt aus und seine Finger streiften fast andächtig über meinen Oberkörper. In seinen Augen war die Gier durch einen träumerischen Ausdruck ersetzt worden. Die linke Hand wanderte tiefer und tiefer. In meiner Hose bäumte sich etwas auf und ich wartete gespannt, dass seine Finger endlich dort ankamen.

"Also doch geil der Kleine", murmelte er selbstzufrieden vor sich hin, als sich seine Finger massierend um die Ausbeulung schlossen. Und wieder hatte er mit ein paar Worten die von mir überhaupt nicht gewollten Gefühle im Keim erstickt. Trotz meiner ganzen Vorsätze war ich gerade im Begriff gewesen, ihn doch nicht nur als Kunde zu sehen. Fast ärgerlich schubste ich ihn auf das Bett, dabei fiel mir aus den Augenwinkeln auf, dass auf dem Tischchen neben dem Bett nicht nur das Geld lag, sondern schon Kondome und Gleitgel bereitlagen.

'Der Bastard hatte wirklich alles haarklein geplant!' Und obwohl mich dieser Gedanke ja nicht stören sollte, wenn jemand so vorausschauend war, stachelte das meinen Ärger noch mehr an. Trotz der Abneigung, die ich ihm immer mehr entgegen brachte, konnte ich nicht aus meiner Haut und von diesem göttlichen Körper lassen. Meine Lippen wanderten über seine zarte Haut und meine Finger streichelten immer tiefer. Sie verharrten dann an seinem Hosenbund und öffneten den Knopf. Über mir hörte ich ein leises Stöhnen. Seine Laute nahmen an Stärke zu, als ich fast gierig die Hose herunterzog. Unter der Short zuckte etwas erwartungsvoll und ich konnte mich nicht so beherrschen, wie es geplant war. Mit einem kräftigen Ruck befreite ich ihn von seiner Unterwäsche und zog ihn damit komplett aus. Die Sau war vollständig rasiert, obwohl auf seinem Körper eh nicht viele Haare waren. Sein bestes Stück war Durchschnitt, jedenfalls von der Größe her, aber es lag knochenhart auf seiner angespannten Bauchdecke. Die Form war sehr schlank, aber irgendwie passte es zu seiner ganzen Erscheinung. Fordernd umschloss ich sein heißes Fleisch und ein sehr lautes Stöhnen entwich seiner Kehle. Prüfend ließ ich einen Blick über ihn gleiten und sog jede Einzelheit in mir auf. Er bekam meine aufflackernde Lust nicht mit, denn seine Augen waren geschlossen und die Zunge huschte nervös zwischen seinen feuchten Lippen hin und her.

Dieser Junge wäre jede Sünde wert gewesen und noch ein bisschen mehr…

Unterdrückt seufzend schloss ich das Kapitel "Jazz verfällt Traumboy" ab und machte mich an die Arbeit. Auch wenn ich im Stillen jede meiner Handlungen genoss, hielt ich mir mein Ziel und meine daraus resultierende Rache stetig vor Augen. Ich geilte ihn immer mehr auf. Sanft bearbeitete ich seinen harten Schwanz, massierte seine Kronjuwelen, meine Finger streichelten seine herrliche Brust und so schaukelte ich ihn in seiner Lust immer höher, aber auch ich hatte zwischendurch meine Hose schon längst geöffnet und bearbeitete mein bestes Stück. Sein Stöhnen wurde immer lauter und lustvoller.

"Komm Devin, fick mich", keuchte er und ich erstarrte.

"Wie hast Du mich genannt?", murmelte ich.

"Dachtest Du, ich hätte Deinen Namen vergessen?", kam es nervös von ihm. Jetzt schrillten bei mir sämtliche Alarmglocken, da war in seinen Worten und vor allem in den leuchtenden eisgrauen Augen kein Schimmer mehr von Überheblichkeit und Häme. Sein Blick flackerte noch einmal kurz auf, brach und dann war da wieder der eiskalte Engel.

"Besorg es mir endlich. Mach Deinen Job", zischte er und stöhnte laut auf, weil ich vor Schreck über diese plötzliche wiederholte Sinnungswandlung, ihn zu hart an seiner empfindlichen Stelle anfasste.

'Hatte ich das eben nur geträumt?', fragte ich mich verwirrt. Sein abschätzender Blick, der meinem Körper hinunterwanderte und mit einem kleinen überheblichen Aufleuchten an meinem harten Schwanz hängen blieb, holte mich endgültig in die Realität zurück.

"Dreh Dich um", knurrte ich und er legte sich folgsam vor mir auf den Bauch. Schnell schob ich meine Hose in die Kniekehle, schnappte mir ein Kondom vom Tisch und streifte es über. Mit dem Gleitgel sparte ich nicht, denn mein prüfender Finger hatte schnell herausgefunden, dass er sehr eng war. Dann drang ich langsam, aber stetig in einem Zug in ihn ein. Zischend stieß er unter mir die Luft aus und ich gab ihm einen Moment.

Ich brauchte nur ein paar Sekunden und ich fing es an zu genießen. Wenn ich mir den ganzen Kerl so ins Gedächtnis rief, hätte ich ihm die passive Rolle nicht zugetraut, aber es schien ihm sehr zu gefallen. Ich variierte mein Tempo, denn ich wollte ihn langsam aber sicher kurz vor den gewissen Punkt bringen. Ich musste mir selbst die hässlichsten Menschen vorstellen und meine ganze Willenskraft aufwenden, um nicht mein Ziel aus den Augen zu verlieren. Das war bei dem Body, den ich hier bearbeitete fast unmöglich.

Sein Stöhnen wurde immer lauter, seine Hand hatte mir ins Genick gegriffen und zog mich auf ihn. Ich musste einfach an seinem Hals knabbern. Dann sah ich, dass er seine Finger in die Bettdecke verkrallte und sich mir noch mehr entgegendrängte. Ich presste ihn auf die Decke und verhielt mich absolut passiv.

"Komm bring es zu Ende", keuchte er.

"Nicht so schnell", hauchte ich ihm zu. Nach einer Weile richtete ich mich etwas auf und verpasste ihm ein paar tiefe Stöße.

"Jaaa", stöhnte er laut.

Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen. Fast unsanft zog ich mich zurück, denn das hier nicht zu beenden, war fast schon schmerzhaft, aber meine Wut beherrschte mich jetzt vollkommen. Enttäuscht brummte er und drehte mir seinen Kopf zu. Betont langsam zog ich mir das Kondom herunter und warf es auf den Boden. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen.

"Wenn Du Druck hast, nimm Deine Finger", ätzte ich und zog mir die Hose hoch. Die Lust in seinen Augen verschwand und eine große Unsicherheit und Verletzbarkeit trat an ihrer Stelle. Diesen Blick würde ich so schnell nicht vergessen können und meine Rache kam mir auf einmal sehr schal vor. Wütend und verwirrt riss ich meine Jacke vom Stuhl und verschwand wortlos.

Anakin

Da lag ich nun nackt und unendlich verwirrt auf dem Bett in einem fremden Hotelzimmer. Gerade hat der süßeste Junge auf diesem Planeten die Zimmertür hinter sich zugeschmissen, nachdem er mich bis vor den Höhepunkt gefickt hatte. Diese so herablassende Geste, mit dem er sich das Kondom abgezogen hatte und vor allem die Wut in seinen Augen, hatten meine Erregung innerhalb von Sekunden in ein Nichts aufgelöst. An eine Befriedigung war gerade überhaupt nicht mehr zu denken.

'Verdammt, was war hier so schief gelaufen', fuhr es mir durch das wirre Hirn. Dieser Boy hatte sich genau als der Traum entpuppt, der mir schon seit Wochen im Kopf herumgeisterte. Angefangen bei seinen herrlichen so verträumt schauenden rehbraunen Augen, diese Grübchen in seinen Wangen, die man leider nur sehr selten sah, sein betörender Geruch, die herrlich schlanken Finger, die Wunderdinge auf meiner Haut anstellten und dann der Sex eben – WAHNSINN. Der Typ konnte mit seinem besten Stück umgehen, holla die Waldfee. Nicht, dass ich Unmengen an Erfahrungen hatte, aber was und vor allen wie er das WAS gemacht hatte, ließ meinen Körper jetzt noch vibrieren.

Und dann diese eiskalte Dusche. Wie konnte man sich sooo beherrschen, dass man einfach aufstand und ging. Das er erregt, hochgradig erregt gewesen war, hatte man nun wirklich nicht übersehen können, jedoch das Kondom vor mir auf dem Boden war zwar genutzt aber nicht benutzt. Das brachte mich unweigerlich zu dem Schluss, dass die Aktion von ihm irgendwie geplant war.

Nur WARUM?

Dabei hatte alles so schön angefangen. Nachdem er sich nach meiner Begrüßung zu mir umgedreht hatte und ich in seinen Augen sehen konnte, dass er mich erkannte, hatte mein Herz komischerweise einen Sprung gemacht. Okay, die Freude schien sich bei ihm in Grenzen zu halten und er zog doch wirklich sehr laut über unsere sexuelle Orientierung her. Aber sein Blick war nicht abweisend, eher schien er positiv überrascht, mit wem er gleich ins Bett steigen sollte. Zudem schaffte er es doch wirklich, mich kurzzeitig vollkommen aus dem Konzept zu bringen. Der Kerl war verdammt selbstbewusst und war sich dieser Wirkung sehr wohl bewusst.

Und er provozierte gerne und damit brachte er mich dann wieder in die Spur. Außerdem zog der Kleine mal frech den Preis an, aber damit konnte ich gut leben – zumal er sich den kleinen Aufpreis für mein Versteckspiel verdient hatte. Auch wenn er hier als Escort auftrat, schien ihm das Geldverdienen in dieser Form unangenehm zu sein. Und bei dieser Scham setzte ich an und brachte seinem Selbstbewusstsein die ersten kleinen Risse bei. Im Hotelzimmer wandelte sich dann alles und ich konnte sehen und vor allem auch spüren, wie ihn das Ganze anmachte. Mein kleiner Saxophonist sah so niedlich aus, seine schlanke sportliche Figur törnte mich total an und was seine schmalen Musikerhände auf meinen Körper anstellten, brachte mich fast um den Verstand.

SCHEIßE!

Je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr wollte ich ihn. Mit ihm stundenlang durch das Bett toben, unersättlichen Sex genießen und…

…mehr?

Erschrocken zog ich die Luft ein.

Nein, das durfte nicht sein, niemals.

Während meiner Überlegungen hatte ich mich angezogen. Sein Honorar lag noch immer auf den Tisch und sagte damit mehr als tausend Worte. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die Scheine beim seinen Abgang zu schnappen. Anstatt in meine wirren Gedanken etwas Licht zu bringen, wurde meine Konfusion immer größer.

Devin war ein verdammt interessanter Boy.

"Devin…", murmelte ich leise vor mich hin. Das hatte ihn sehr überrascht, dass ich seinen Namen kannte. Aber so sicher, wie ich ihn ausgesprochen hatte, war ich gar nicht gewesen. Als er mich auf dem Bett regelrecht vernaschte, war mir auf einmal der Name durch den Kopf geschossen und ich wusste sofort, wo ich ihn hin zu stecken hatte.

Man, ich wollte diesen Boy wiedersehen und das am Besten jetzt noch.

Jedoch, gab es überhaupt noch eine Möglichkeit an ihn heranzukommen? Entschlossen machte ich die Probe aufs Exempel – ich rief ihn an. Während das Handy am anderen Ende so lustig vor sich hinbimmelte, fragte ich mich, was ich machen würde, wenn er wirklich ran geht. Diese Sorge wurde mir genommen – am anderen Ende erklang nicht seine Stimme. Mein Anruf wurde abgewiesen und beim nächsten Mal war sofort die Mailbox dran. Nach über einer Stunde kam ich ziemlich deprimiert zu Hause an. Ich war fast über die Autobahn geschlichen, weil ich intensiv nach irgendwelchen Lösungen suchte.

Nachdem ich über sein Handy nicht weiterkam, blieb mir nur die Homepage von GR. In den nächsten Tagen schrieb ich jeden Tag eine Nachricht an ihn. Der Grundtenor war immer der Selbe. Ich wollte wissen, warum er das gemacht hatte und hoffte, wenn er auf ein Gespräch oder idealerweise auf ein Treffen einging, dass mir dann schon irgendwas einfallen würde. Meine letzten Nachrichten öffnete er nicht einmal mehr, obwohl er jeden Tag on ging.

Verdammt, ich hatte bisher immer meinen Willen durchgesetzt und ich wollte mit diesem Kerl ins Bett. Irgendeine Stimme in mir meinte zwar, dass das krank war, aber ich war süchtig nach dem süßen Musiker. Ab Samstag ging ich noch einen Schritt weiter. Auch wenn die Vernunft meinte, dass es keinen Sinn hatte, fuhr ich zum Flohmarkt. Das Wetter war zwar klar, aber sehr kalt. Nach über drei Stunden war ich mir sicher, dass er heute nicht auftauchen würde.

'Er hatte ja jetzt auch einen anderen sehr lukrativeren Job', dachte ich gehässig bei mir. Es waren einfach alle Möglichkeiten der Kommunikation zu ihm abgeschnitten und damit war er nur noch ein Geist, eine Erinnerung in meinem Kopf. Ich hatte es nicht mehr selbst in der Hand und diese Hilflosigkeit machte mich wütend und sehr traurig.

Mit solch trüben Gedanken und verzweifelt einen Schlussstrich unter dieses sehr verwirrende Kapitel ziehend, schlenderte ich durchgefroren wieder zu meinem Auto.

"Passen Sie auf", schrie es schräg hinter mir.

"Mööööööööööööööp", trötete eine Autohupe sehr laut vor mir – eigentlich viel zu laut und vor allem viel zu nah. Diese zwei Sachen rissen mich aus meinen Gedanken, aber da sah ich schon etwas Rotes auf mich zurasen. Ich kam noch dazu, etwas hochzuspringen und mich so klein als möglich zu machen, als ich auch schon quer über eine Motorhaube rauschte und auf der anderen Seite auf die Straße knallte. Der Sturz wäre relativ harmlos gewesen, wenn ich nicht mit meinem Kopf zuerst aufgeschlagen wäre. Benommen richtete ich mich auf, einen Schmerz verspürte ich nicht.

"Junger Mann bleiben Sie bitte liegen", hörte ich eine tiefe Männerstimme.

"Ich rufe den Krankenwagen und die Polizei", meinte eine Frauenstimme.

'Meinten die mich?' Mir ging es doch bestens. Da ich wirklich dieser Meinung war, richtete ich mich noch mehr auf und merkte, dass mir etwas die Sicht nahm. Verwunderte wischte ich mit meiner Hand über meine Augen und erstarrte, als ich erkannte, was an meinen Fingern klebte.

BLUT!

Diese rote Flüssigkeit schien von mir zu sein. Total durcheinander führte ich einen Finger an meine Lippen und leckte ihn ab. Der leichte Geschmack nach Kupfer überzeugte mich davon, dass es wirklich Blut war. Dann verschwamm alles vor meinen Augen und es wurde dunkel, stockfinster.

"Schwester Silke würden Sie sich bitte darum kümmern, dass dieser Patient auf ein Zimmer verlegt wird", drang einen Moment später eine energische Männerstimme an mein Ohr. Ich spürte, dass ich auf irgendwas lag und nahm den typischen Geruch eines Krankenhauses in mir auf.

"Herr Oberarzt, das kann ich doch auch erledigen", hörte ich eine um einige Oktaven höhere und vor allem jüngere männliche Stimme direkt neben mir.

"Hatte ich Ihnen keine andere Aufgabe gegeben", grollte der Oberarzt und ich hörte jemanden davongehen.

"Kümmer Dich mal erst um die andere Sache, ich werde ihn Dir schon nicht auffressen", flüsterte eine Frauenstimme über mir. Die Worte ergaben keinen Sinn für mich und ich versuchte meine Augen zu öffnen. Das fiel mir nicht so leicht, denn in meinem Kopf waren tausend kleine Ameisen unterwegs. Irgendwie schaffte ich es doch und grelles Licht blendete mich so, dass aus den kleinen Ameisen Bauarbeiter mit Presslufthämmern wurden. Ein freundliches Lächeln aus einem sehr hübschen Mädchengesicht strahlte mich aufmunternd an.

"Na, Herr Müller, weilen wir wieder unter den Lebenden", fragte sie spitzbübisch.

"Nicht so richtig", murmelte ich.

"Keine Sorge, der Oberarzt persönlich hat Ihnen die Wunde genäht", gab sie schnippisch von sich.

"Ob das für den Patienten gut war, werden wir noch feststellen", konnte ich mir nicht verkneifen.

"Hihi"

So langsam lichtete sich der Nebel in meinem Kopf und ich konnte mich an etwas Rotes erinnern, was mich auf den Boden befördert hatte. Und da war noch was Rotes gewesen… Blut…, ja mein Blut. Jetzt machte das Wort Nähen auch einen Sinn. Trotz allem muss mein Blick wohl sehr fragend auf ihr geruht haben.

"Sie haben eine Platzwunde am Kopf und eine mittelschwere Gehirnerschütterung. Der Oberarzt hat uns angewiesen, Sie für heute in ein Einzelzimmer zu verlegen, damit Sie zur Beobachtung über Nacht bleiben können", erklärte sie mir unaufgefordert.

"Ich habe vorhin versucht, Angehörige von Ihnen zu erreichen. Bei der angegebenen Adresse ist zwar jemand ans Telefon gegangen, aber es hat sich keiner gemeldet", schob sie noch stirnrunzelnd hinterher.

'Das wäre auch schwierig geworden', lächelte ich in mich hinein. Luke nahm in Notfällen zwar das Telefon ab und alle, die die Umstände kannten, redeten dann einfach drauf los. Anderseits bedeutete das jedoch auch, dass meine Eltern mal wieder nicht zu hause waren. Erleichtert atmete ich auf.

"So da wären wir", sagte sie und schob mich in ein Krankenzimmer. Nachdem das Bett an Ort und Stelle war, sah sie mich noch ein wenig neugierig an.

"Einen schönen Vornamen haben Sie", nahm sie das Gespräch wieder auf.

"Oh je", knurrte ich. Da hatte sie das schlechteste Thema gewählt, was möglich war.

"Das war wohl ein Fettnäpfchen", murmelte sie zerknirscht.

"Der Name mag für Außenstehende schön, vielleicht auch niedlich sein", fing ich an und beim Wort "niedlich" blitzten ihre Augen belustigt auf.

"Aber meine Eltern haben sehr viel dafür getan, dass ich mir mehr wie eine Actionfigur vorkomme", murmelte ich leise weiter und fragte mich gerade, warum ich ihr das erzählte.

"Tut mir leid", hörte ich es ernst von ihr.

"Sie können ja nichts dafür", entgegnete ich.

"Nennen Sie mich Silke", lächelte sie und zeigte auf ihr Namensschild am Kittel.

"Anakin, für Fans Ani", grinste ich sie frech an und sie kicherte leise.

"Und für Feinde Darth Vader", brummte ich mit tiefer Stimme und schob noch hinterher "oder für Menschen, die es länger mit mir aushalten wollen und müssen, einfach Mü."

"Hallo Mü"

"Hi Silke"

"So, nun muss ich aber weiter. Nachher kommt mein Kollege Claudio und bringt Dir etwas zu essen", verabschiedete sie sich und grinste mich ziemlich frech an, fast anzüglich. Ich tat das als eine Illusion in meinem kaputten Kopf ab und die Müdigkeit übermannte mich wieder.

"… man, quatsch nicht dumm rum, komm einfach her. Das muuuuusssst Du sehen und außerdem wollten wir heute Abend eh in den Club gehen", riss mich die junge männliche Stimme von vorhin aus meinen leichten Schlaf. Neugierig öffnete ich meine Augen und sah noch, wie ein junger Mann sein Handy wegsteckte.

"Hallo Herr Müller, etwas geschlafen?", wandte er sich dann höflich an mich. Dabei musterten mich seine Augen ungeniert und mein erster Gedanke war.

'Ein sehr hübscher Kerl und schwul!'

"Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit zu Essen mitgebracht. Soll ich Ihnen dabei helfen?", fragte er und sah mich erwartungsvoll an.

"Am liebsten würden Sie mich doch noch waschen", grummelte ich. Er zuckte ertappt zurück und lief rosa an. Der Typ war süß, aber nicht ganz mein Fall. Außerdem ging es nun wirklich nicht, dass ich schon im Krankenhaus von einem Boy angemacht wurde.

"Hätte ja sein können", hörte ich ihn leise murmeln und enttäuscht einen Flunsch ziehen.

"Sie können das Essen hier lassen. Ich schaff das ganz gut alleine", brubbelte ich weiter, um gar keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen. Etwas heftig stellte er das Essen auf den Tisch und drehte sich murmelnd ab. Auf den Weg zur Tür war mir so, als wenn ich die Worte "eingebildet" und "Macho" hören würde. Ich verwarf es jedoch als Halluzination und schrieb es meinen immer noch dumpfen Kopfschmerzen zu. Die Kost, die er mir serviert hatte, war eine leichte Suppe und duftete nicht mal schlecht. Als ich fertig war, grübelte ich über meinen Krankenpfleger nach. Kaum wurde ein Klischee so gut bedient wie hier – Krankenbruder, schwul, zickig, aber auch sehr gepflegt und hübsch. Meine Gedanken wurden unterbrochen, weil jemand die Tür vom Zimmer öffnete. Leider konnte man das nicht einsehen, weil die Nasszelle die Sicht versperrte.

"Los beeil Dich, sie brauch das nicht mitbekommen", hörte ich meinen Pfleger. Die Tür schloss sich leise und ich hörte noch gedämpft aus dem Flur.

"Claudio, was soll das?"

Dann bog jemand um die Nasszelle und stand im Zimmer.

Mein süßer Saxophonist!

Da versuchte ich seit Tagen, Kontakt zu ihm aufzunehmen und ihn in Mannheim irgendwie aufzuspüren und dann das hier. Ich glaube nicht, dass sich unsere Gesichtszüge gerade sehr unterschieden. Mit schreckensweiten großen braunen Rehaugen sah er mich an.

"Du", stieß er hervor. Wenigstens war er in der Lage zu sprechen, meine Kehle war zu trocken dafür. Der Boy war noch um einiges schöner als in meinen verqueren Erinnerungen. Das kam vielleicht auch daher, dass ich ihn das erste Mal in solch hellem Licht und so nah richtig sah. Dann wurde die Tür wieder aufgerissen und eine aufgebrachte Frauenstimme fauchte.

"Claudio, Du hast doch den Arsch offen. Wenn das der Grimm mitbekommt, gibt es einen riesigen Ärger."

"Silke, wir sind gleich verschwunden", hörte ich ihn kleinlaut sagen und das Zimmer füllte sich langsam. Wir Beide stierten uns jedoch immer noch an. In seinem Gesicht vollzog sich nun eine blitzschnelle Wandlung - sämtliche Farbe entwich ihm und der Schrecken weitete sich von seinen Augen über das ganze Face aus.

"Macht sofort, dass ihr verschwindet. Ich mache den Rest hier", zischte Silke verdammt sauer. Nur war das alles um mich nicht wirklich, meine Augen hingen wie gebannt an diesem Albtraum meiner Seele, der süßesten Versuchung, seit dem ich es mit Kerlen trieb. Ich sehnte mich nach irgendwas von ihm. Jetzt schien die besondere Stimmung auch den anderen Beiden aufzufallen.

"Jazz?", hörte ich sie alarmiert.

Wer war Jazz?

Jetzt hatte er wohl auch seine Sprache verloren.

"Deviiin??", wurde die Ansprache von der Krankenschwester schon etwas drängender. Mit der Verspätung von mehreren Minuten sah ich ihn jetzt auch körperlich zusammenzucken.

"Ja?", murmelte er und wandte sich von mir ab.

"Du siehst aus, als hättest Du ein Gespenst gesehen", redete sie beunruhigt auf ihn ein.

"Mir geht es gut", brummte er, seine Augen wanderten jedoch wieder verstohlen zu mir. Mister Vorzeigetucke zog die einzig richtige Schlussfolgerung da raus.

"Du kennst ihn", stellte der Krankenpfleger verblüfft fest. Jetzt zuckten wir Beide zusammen.

"Ja…, NEIN!", stotterte Devin nervös herum und seine Augen nahmen einen flehenden Blick an. Innerhalb von Sekundenbruchteilen traf mich die Erkenntnis und sah ihn herausfordernd an. Mein Blick wanderte zu der Krankenschwester, weiter zu dem Pfleger und zurück zu ihm und ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen. Aus seinem stummen Flehen wurde ein trotziges Glitzern und mein Lächeln wurde ein Spur fieser, dann brach sein Blick und eine Leere trat an ihre Stelle. Schweigend wandte er sich ab und verschwand wortlos.

"Jazz?", rief Silke ihm beunruhigt hinterher. Da keine Reaktion kam, wandte sie sich an den Pfleger.

"RAUS! Wir reden später", fauchte sie ihn an und er verdrückte sich umgehend. Dann bekam ich ihre ganze Aufmerksamkeit zu spüren und dieses Klischee "Blond und blöd" erfüllte sich jetzt so gar nicht.

"Wenn Du meinem Kleinen auch nur ein Härchen krümmst, dann bist Du für mich Darth Vader!", zischte sie mich eisig an und stiefelte aus dem Zimmer.

Hier waren auf mich innerhalb von wenigen Minuten so viele Informationen eingeprasselt, dass ich ziemlich benommen in meinem Bett lag. Zudem hatten sich meine dumpfen Kopfschmerzen wieder verstärkt und das wiederum störte mich beim intensiven Nachdenken. An allererster Stelle prangte der Gedanke.

Ich hatte IHN gefunden, endlich!

An solchen Zufall konnte ich einfach nicht glauben, der mir hier wohl in meine Karten gespielt wurde. Auch wenn sich meine Kopfschmerzen wieder verstärkten, nahm ich sie jetzt lächelnd in Kauf, denn eine Folge meines Unfalles hatte einen süßen Kussmund und bettelnde große braune Augen. Wie das hier alles wirklich zusammen wirkte, würde ich noch herausfinden – auf jeden Fall spielte die Krankenschwester keine kleine Rolle bei unserer nächsten Aussprache. Mit einem zufriedenen Lächeln schlummerte ich dann doch wieder weg.

Der nächste Morgen war anstrengend. Ziemlich unhöflich holte mich eine Krankenschwester am Morgen, eher mitten in der Nacht, aus meinen süßen Träumen. Dann musste ich eine Visite über mich ergehen lassen, dessen Ergebnis die sofortige Entlassung aus dem Krankenhaus war. Die Nacht war sehr erholsam gewesen und wenn ich mich auch nur vage an ein paar Träume erinnerte, auch sehr erregend. Meine Kopfschmerzen waren fast verschwunden und ich fühlte mich voller Tatendrang. Das Frühstück nahm ich noch mit, denn mein Magen knurrte seit dem Aufwachen. Da heute Sonntag war und ich für die nächste Woche sogar eine Krankschreibung bekommen hatte, konnte ich mich voll und ganz auf DIE eine Sache stürzen. Ich ließ mir sehr viel Zeit nach dem Frühstück und plauderte mit ein, zwei Schwestern. So bekam ich heraus, dass Schwester Silke diese Woche Spätschicht hatte, aber erst am Montag wieder im Hause war. Somit würde ich meinem kleinen Musiker heute nicht mehr näher kommen und machte mich auf den Weg. Zuerst einmal musste ich schauen, wie ich am besten zum Flohmarkt kam, denn mein Auto stand ja noch dort herum, hoffte ich jedenfalls.

Oh man, war das eine Schweinekälte. Der eisige Wind ging mir sofort durch und durch. Suchend sah ich mich nach einem Taxi um, denn das wäre die schnellste Möglichkeit, um zu dem Markt zu kommen.

"Halt, stehenbleiben", hörte ich jemand hinter mir mit vor Wut bebender Stimme sagen. Betont langsam drehte ich mich um, denn ich hatte sofort herausgehört, wer mich da ansprach. Vor mir stand ein durchgefrorener, jedoch nicht nur vor Kälte zitternder verdammt begehrenswerter süßer Kerl. Wenn ich diesen Jungen sah, egal in welcher Situation, konnte ich fast nur an eins denken.

"Guten Morgen Devin oder sollte ich lieber Swing sagen", wollte ich ihn höflich begrüßen, konnte mir aber die kleine Provokation nicht verkneifen. So sehr ich den Typen auch innerlich anschmachtete, sein Auftreten alarmierte mich immer sofort und ich wollte ihn nur provozieren. Als Antwort blitzten seine Augen noch wütender und sein Mund war schmal zusammengekniffen.

"Wenn Du irgendwas…", zischte er verdammt sauer.

"Was soll ich NICHT sagen?", fragte ich betont liebenswürdig, aber mein Ton ließ kaum eine Spekulation zu.

"Vergiss mich einfach und verpiss Dich wieder in Deine heile kunterbunte Mami-Papi-wir-bezahlen-und-ich-bekomm-Alles-Welt!", fauchte er mich so feindlich an, dass ich zurückzuckte. Dermaßen aggressiv und offen hatte man mir meine Lebenssituation noch nie an den Kopf geworfen. Zögernd wandte ich mich ab, denn der Unterschied zwischen meinen Träumen und der Wirklichkeit war gerade ins Unüberwindbare gewachsen.

Ich wollte doch nur…

Warum reagierte er…

Seit wann ließ ich mir sagen, was ich zu tun hatte! Der kurze Moment der Schwäche war verflogen und mir war klar, was ich wollte – und zwar IHN, egal wie.

Und ich bekam IMMER, was ich wollte!

"Nein", stieß ich trotzig hervor und wandte mich ihm wieder zu. Ich konnte nicht anders und musste diesem Boy einfach hinterher sabbern. Diese Aggressivität, die er mir gerade entgegenschleuderte, machte mich noch mehr an.

"Ich will unser letztes Date fortsetzen", warf ich ihm an den Kopf. Seine Augen weiteten sich kurz und mein Wunsch schien ihn echt aus der Fassung zu bringen.

"Nein", kam es nun trotzig von ihm.

"Nein?", lächelte ich ihn provozierend an. Unsere Blicke bohrten sich ineinander, der Typ war so faszinierend und ich genoss jede Sekunde in seiner Nähe.

"Kein Interesse", blaffte er, aber seine Augen flackerten kurz nervös auf.

"Irgendwie glaube ich, ist das nicht wirklich Deine letzte Antwort", grinste ich ihm überheblich zu und mein Blick wanderte zum Krankenhaus. Seine Augen weiteten sich noch ein wenig mehr, die Nervosität in ihnen ging in Panik über. Er hatte sofort verstanden, worauf ich anspielte und dann senkte er den Kopf. Davor konnte ich jedoch neben der Nervosität eine Spur Resignation erkennen und er sank etwas in sich zusammen.

"Was willst Du genau?", murmelte er sehr leise. Im Stillen genoss ich meinen Sieg, in dem sich, für mich etwas unverständlich, ein kleiner fader Nachgeschmack mengte.

"Was werde ich denn konkret von Dir wollen, SWING?", kostete ich meinen Sieg weiter aus.

"Heute geht es nicht", hörte ich ihn kaum und seine Zähne klapperten aufeinander. Sein Blick schweifte kurz nach oben und ich konnte erkennen, dass er jämmerlich zitterte. Jegliche Wut war aus seinen Augen gewichen und anstatt Feindschaft war da nur Traurigkeit. Unter normalen Umständen hätte ich den Grund erkannt, aber zwischen uns war es seit Anbeginn nie normal gewesen. Schweigend wandte er sich ab und ging ein paar Schritte.

"Meld Dich", flüsterte er über seine Schulter und verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.

'Yes, ich hatte mein Ziel erreicht!', jubelte ich innerlich und machte mich mit einem überheblichen Grinsen auf den Weg zu meinem Auto. Mein Hochgefühl hielt die ganze Heimfahrt an und ich wusste auch schon ziemlich genau, was ich ihm nachher schreiben würde. Da ich die Woche ja frei hatte, konnte ich die Zeit nutzen, wie ich lustig war. Zum Glück waren meine Eltern immer noch nicht zurückgekommen und Luke schaute zwar etwas skeptisch, als er meine Kopfwunde sah, aber verfiel nicht in Panik. Ruhig erklärte ich ihm, wie es passiert war und verschwand in mein Zimmer. Dort setzte ich endlich die kleine Nachricht auf, die ich mir so schön ausgedacht hatte. Dienstagabend würde er zuerst einmal seinen "Job" vom letzten Mal beenden und dann würden wir ja sehen, wie standhaft er danach noch war. Seine Antwort war ein schlichtes "ok" …

Mittlerweile waren fast 4 Wochen vergangen und ich fieberte jeden Termin immer mehr entgegen. Der Sex mit ihm war abartig geil und ich lernte seinen Körper immer besser kennen. Ausgepowert lagen wir nebeneinander. Er hatte bei unseren Zusammenkünften die aktive Rolle behalten und trieb mich ständig aufs Neue in ungeahnte Höhen. Eben hatte er mich, ein Blick auf die Uhr bestätigte es, sage und schreibe fast eine Stunde in den unterschiedlichsten Stellungen bearbeitet. Der Junge war und blieb ein Traum. Ich hatte seinen Kopf auf meine Brust gezogen und spielte mit seinem dichten kurzen Haar. Am liebsten würde ich ihn ja küssen, aber das verweigerte er vehement. Sein Geruch stieg mir in die Nase und ich vergrub mein Gesicht in seine Haare. Ich mochte einfach alles an diesem Kerl – nur seine Aufsässigkeit, seine Überheblichkeit vom ersten Treffen war spurlos verschwunden.

Er war der TRAUMescort, erfüllte mir alle sexuellen Wünsche und vor allen, wie er mich befriedigte, war einfach Wahnsinn. Aber genau da lag der Haken.

Ich mochte seine Aufsässigkeit, seinen starken Willen. Genau diese Punkte hatten mich von Anfang in den Bann gezogen – sie waren verschwunden. Fügsam machte er, was ich sagte und las mir mittlerweile die Wünsche von den Augen ab. Aber ich wollte mich mit ihm fetzen, streiten, küssen…

…lieben?

"Devin?", flüsterte ich. Das war auch so eine Sache. Ich war dazu übergegangen, ihn bei seinem richtigen Namen zu nennen. Ich fand den Namen einfach schön, aber ihm war es egal, ob ich ihn Devin oder Swing nannte. Mich hatte er nicht einmal nach meinem richtigen Namen gefragt. Er manövrierte um jeden Namen herum und wenn sich es gar nicht vermeiden ließ, benutze er meinen Nickname von GR… Andy…

Es waren diese Kleinigkeiten, die mich immer mehr verwirrten und zum Schluss verärgerten. Ich wollte mit dem Boy nur hemmungslosen Sex haben und den hatte ich wirklich, aber irgendwas in mir wollte mehr. Wir sprachen nie über private Sachen. Ich wusste kaum etwas über ihn und hätte doch gerne viel mehr wissen wollen. Gerne hätte ich ihn Saxophon spielen gesehen oder ihm stundenlang dabei zugehört, all das passierte nur in meinen Träumen. Ich konnte ja nicht mal sagen, ob er Spaß an dem Sex mit mir hatte. Das es ihn erregte, war nicht zu übersehen, aber was fühlte er?

Er zottelte sich unter meinen umschlingenden Armen hervor und sah mich wieder einmal mit diesem unergründlichen Blick an. Die Augen waren der Wahnsinn. Beim zweiten Treffen hatte ich festgestellt, was sie so unglaublich machten. In seiner braunen Iris waren kleine grüne Sprenkel, die manchmal wie kleine Sterne leuchteten. Er erhob sich vom Bett und suchte seine Sachen zusammen. Verträumt bewunderte ich, was da vor mir herumturnte. Diese herrlichen langen schlanken Beine, die in einem absoluten knackigen kleinen Hintern endeten, sein Rippenbogen, der immer etwas herausstand, der schmale Busch an Schambehaarung, der pechschwarz über dem Teil leuchtete, was mir schon sehr viel Lust bereitet hatte und jetzt gerade wieder hart und fordernd vom Körper abstand. Ich grinste dreckig in mich hinein.

'Wir hatten es doch gerade heftig getrieben und er konnte schon wieder!' Allein der Gedanke und diese Aussichten ließen meinen Schwanz durchstarten. Ich kannte diesen Körper da in jeder Einzelheit, aber kannte ich ihn?

"Devin?", wiederholte ich leise. Verwundert wandte er mir seinen Kopf zu und sein Blick wanderte an meinem Körper herunter. Als er die Auswirkungen sah, die er gerade selbst verursacht hatte, verzogen sich seine Mundwinkel kurz nach oben. Das Lächeln erreichte jedoch nie seine Augen.

"Sorry ich muss los", sagte er und schlüpfte schnell in seine Short.

"Macht es Dir denn überhaupt keinen Spaß?", rutschte es mir nun doch heraus und war gleichzeitig erschrocken über meine Aussage.

"Spaß?", murmelte er und erstarrte in seinen Bewegungen.

"Ja, unsere gemeinsamen Stunden, der abartig geile Sex zwischen uns, die…", fing ich an aufzuzählen bis ich seinen Blick auffing. Eiskalt lief mir auf einmal ein Schauer über den Rücken, denn ich sah abgrundtiefe Abneigung.

"Du hast keine Ahnung, was du gemacht hast, oder?", stieß er heiser hervor.

"Gemacht?", fragte ich verständnislos. Seine Abneigung in den Augen wandelte sich, aber bevor ich es richtig deuten konnte, schaute er weg. Er schlüpfte in seine Schuhe und warf sich die Jacke über.

"Du erpresst mich, Anakin", flüsterte er tonlos und verschwand.

Anakin? Woher hatte er meinen Namen? Ich wusste nicht, ob ich deshalb in Panik verfallen oder ob ich mich freuen sollte, dass er mich so persönlich angesprochen hatte. Seine letzte Aussage hatte mich in einen tiefen Abgrund gestoßen. Nur einmal, ein einziges Mal hatte ich eine Andeutung in diese Richtung gemacht und das war, als er so überheblich und aggressiv vor dem Krankenhaus auf mich losgegangen war. Was bildete er sich eigentlich ein? Als ob ich jedes Mal mit seiner Silke gedroht hätte, wenn er irgendetwas machen sollte.

Leider war ich unfähig, die Puzzlestücke an die richtige Stelle zu setzen und war ziemlich angepisst über seine Aussage. Als mein Blick auf den Nachtisch fiel, sah ich noch ein weiteres Puzzle – nur erkannte ich es ebenso nicht, wie all die anderen. Seufzend steckte ich mein Geld bzw. sein Honorar ein, welches er mal wieder vergessen hatte. Ich betrog ihn nie um seinen Lohn, gab ihm eher immer noch ein wenig mehr, da er für mich wirklich jeden Cent wert war, aber ihm schien das total egal zu sein.

"Herr Müller?", wurde ich an der Rezeption aus meinen Gedanken gerissen.

"Ja", antwortete ich zerstreut.

"Die nächsten drei Wochen haben wir wegen Renovierung und danach ist wegen Weihnachten und Silvester geschlossen", teilte mir die Dame höflich mit.

"Na super", knurrte ich und verließ das Hotel. Nun musste ich mir für die nächsten Treffen ein neues Hotel suchen. Dieses hier war so angenehm diskret gewesen und verfügte über einen Hintereingang. So übellaunig traf ich dann zu Hause ein und hatte völlig verdrängt, dass heute ja ein Familienabend anstand. Mein Bruder fing mich in meinem Zimmer schon ab.

'Du bist sehr spät dran', begrüßte er mich ruhig, aber ernster als sonst.

"Mir egal", schimpfte ich. Verdrossen wandte ich mich zu meinem Schrank, um mich umzuziehen. Luke legte seine Hand auf meine Schulter und zog mich langsam aber bestimmt wieder herum.

'Was hast Du, mein Großer?' Zusätzlich zu seinen Zeichen schaute er mich sorgenvoll an.

"Nichts", murmelte ich, nur zog das bei ihm nicht.

'Gut, dann schilder ich Dir mal dieses Nichts. Du bist die ganzen Tage unruhig, ständig in Dich gekehrt, sehr nachdenklich, dann gehst Du mit einem kleinen Lächeln aus dem Haus. Verschwindest für ein paar Stunden. Wenn Du zurückkommst, scheinst Du ausgepowert und seltsam befriedigt und Deine Augen leuchten geheimnisvoll, aber am nächsten Morgen geht die ganze Sache von vorne los.'

Keiner hätte besser meine Stimmungslage seit Wochen, nein konkret, seit dem ich es mit IHM trieb, beschreiben können. Obwohl es der Wahrheit entsprach, zuckte ich erschrocken zurück und nahm eine ablehnende Haltung ein.

'Anakin, ich bin es – Dein Bruder!' , gestikulierte er auf einmal hektisch – er, den sehr selten etwas aus der Ruhe brachte. Seine Augen bohrten sich in meine und ich brach den Kontakt ab.

Ich konnte ihm das nicht sagen, unter keinen Umständen.

'Sie warten auf uns', teilte er mir dann mit, als ich nach einer Weile immer noch nicht auf seine Frage reagiert hatte. Traurig wandte er sich ab und ging schon mal vor. Eigentlich mochte ich diese Familienabende. Auch wenn mein Bruder stumm war, beherrschte er alle mit der Ausdruckskraft seiner Gesten und meistens konnte ich mich teilweise vor Lachen nicht mehr halten. Es waren immer ein paar Freunde von ihm, mir und meinen Eltern anwesend, und wir spielten irgendwelche Gesellschaftsspiele. Irgendwann konnte sich mein Bruder dann nicht mehr beherrschen und gab ein oder zwei Stücke auf dem Klavier zum Besten. Danach wussten alle, was passieren würde. Er quengelte solange, bis ich mit einstieg. Und da ich ihm nichts abschlagen konnte, saß ich dann entweder mit ihm am Klavier oder wozu er mich eher seltener in der Öffentlichkeit brachte, mit einer Gitarre neben ihm und sang ein wenig. Diese Gesangseinlagen waren mehr eine Sache zwischen uns Beiden, denn er liebte meine Stimme – vielleicht auch, weil er selbst keine hatte. Ich selbst fand mein Singen grottenschlecht, nur stand ich mit dieser Meinung ziemlich allein auf weiter Flur. Meine Eltern und vor allen Nadine, die sonst kein Blatt vor den Mund nahm, wollte immer wieder die eine oder andere Ballade von mir hören. Gerade deutsche Lieder hatten es ihr da angetan und in meinem Bruder hatte sie bei ihren Wünschen einen sehr starken Verbündeten.

Nur heute war mir bestimmt nicht nach spielen und schon mal gar nicht nach singen. Dementsprechend düster wurde der Abend. Alle merkten die Spannung, die zwischen Luke und mir in der Luft lag. Der Einzige, der die Situation hätte auflockern können und mich zur Vernunft bringen konnte, saß selbst dumpf vor sich hinbrütend herum. Nach einer Stunde war mir das alles zu dumm und ich verschwand wortlos in mein Zimmer. Ich hatte die meiste Zeit eh über das Unterkunftsproblem nachgedacht und nun die vermeintliche Ideallösung gefunden. Eigentlich ärgerte ich mich, dass ich nicht schon eher darauf gekommen war. Ich wollte meinen kleinen Musiker doch persönlich näher kennen lernen, was lag da näher….

Hey Devin!

Unser Hotel hat bis zum Jahresende geschlossen und da hätte ich eine Idee. Vielleicht könnten wir ja die Treffen bei Dir machen. Ich würde Dich gern wieder am Mittwoch sehen.

Gruss

Laut seinem Profil war er sogar on, trotzdem dauerte es sehr lange bis ich eine Antwort bekam.

Wenn das Dein Wunsch ist

Das war seine ganze Reaktion.

Ja, wäre es und ich würde mich sehr freuen.

Diesmal musste ich nicht so lange warten, jedoch mehr als ein "ok" und eine Adresse bekam ich nicht zurück. Wie schon angedeutet, ich war unfähig, zwischen den Zeilen zu lesen. Und so fuhr ich, wie hatte mein Bruder so treffend festgestellt, mit einem kleinen Lächeln am Mittwoch nach Mannheim. Gegen 19 Uhr klingelte ich bei Schmidt und er öffnete mir die Tür.

"Hallo Devin", begrüßte ich ihn. Wortlos nickte er mir zu und lief vor mir in seine Wohnung. Nachdem ich meine Jacke und Schuhe ausgezogen hatte, folgte ich ihm in das wohl einzige Zimmer. Neugierig schaute ich mich um. Die Wohnung war spartanisch eingerichtet, keine Bilder oder Poster an der Wand, keine Grünpflanze, in der einen Ecke stand ein Schreibtisch, an welchen er sich gerade gesetzt hatte. Ein Teil des Zimmers war durch einen langen Schrank etwas abgeteilt. Ich nahm an, dass sich dahinter das Bett befand. In einer Seitennische war eine kleine Küche. Ansonsten war alles sauber und aufgeräumt, die einzige individuelle Note war ein Keyboard und das Saxophon, welches in einer Ecke stand. Der kleine Fernseher thronte auf einen Sideboard, in dem sich eine alte HiFi Anlage befand. Der Klang der Anlage war aber ziemlich gut, denn sie dudelte gerade relativ laut vor sich hin. Ich schlenderte zu ihm und meine Finger verirrten sich wie automatisch in sein Haar.

"Moment noch", murmelte er leicht abwesend und schloss einige Augenblicke später den Internetbrowser. Fasziniert starrte ich auf sein Hintergrundbild. Ein junger Mann mit nacktem durchtrainiertem Oberkörper posierte auf dem Bildschirm. Halblanges braunes Haar hing ihm wild im Gesicht, die Daumen seiner Hände hatte er in die sehr tief sitzende Jeans eingehakt und lächelte verführerisch in eine imaginäre Kamera. Was mich jedoch so aus der Fassung brachte, war die Ähnlichkeit…

…die Ähnlichkeit mit mir!

Fast fahrig schaltete er den Bildschirm aus, obwohl der PC noch an war und stand abrupt auf. Nun stand er ganz dicht vor mir und sein unverkennbarer Duft stieg mir in die Nase. Seine Wangen waren leicht gerötet und seine sonst ausdruckslosen Augen blitzten mich an. Dann verschwand das kurze Auflodern und seine Finger glitten unter mein Sweatshirt.

"Hui", zuckte ich zusammen.

"Sorry", murmelte er. Er hatte eiskalte Hände.

"Ist dir kalt?", fragte ich verwundert.

"Ja etwas"

"Lass uns heiß duschen", hauchte ich ihn lüstern zu. Wortlos nahm er meine Hand und zog mich hinter sich her.

Eine halbe Stunde später saß ich nur mit einer Short und kurzärmliges T-Shirt bekleidet auf einem Stuhl und schaute ihm beim Kaffeekochen zu. Sex unter der Dusche hatten wir noch nie gehabt und nach dem Hammerorgasmus, den ich eben gehabt hatte, würde es nicht bei dem einen Mal bleiben. Er war, wie immer, ebenfalls gekommen und hatte sich dann wortlos abgetrocknet.

"Du hast letztens Dein Geld vergessen. Ich habe es mit dem heutigen vorne auf die Kommode gelegt", versuchte ich ein Gespräch zu beginnen. Er zuckte leicht zusammen, so als wenn ich ihn aus irgendwelchen Gedanke gerissen hatte.

"Milch und Zucker?", fragte er.

"Schwarz", murmelte ich.

"Wie lange spielst du schon Saxophon?", fragte ich ihn neugierig. Verwundert sah er mich an, aber eine Antwort bekam ich nicht.

"Und spielst du nur Jazz oder magst du auch andere Sachen?", ließ ich nicht locker.

"Alles, was sich mit einem Saxophon vereinbaren lässt", antwortete er gepresst.

"Und Keyboard kannst du auch spielen?" Seine Reaktion war ein leichtes Nicken.

"Würdest du mir etwas auf den Saxophon vorspielen?", bat ich ihn höflich.

"Nein!"

"Auch nicht, wenn ich Dich auf den Keyboard begleite?", gab ich nicht so schnell auf. Seine Augen leuchteten überrascht auf, aber seine Ablehnung war körperlich klar und eindeutig.

"Schade", murmelte ich enttäuscht. Alles, was ich mir so schön ausgemalt hatte, ging bei ihm wieder nicht in Erfüllung. Okay, das stimmte so nicht ganz, der Sex vorhin war einfach überwältigend. Aber ich hatte die Hoffnung gehabt, dass ich in seinen vier Wänden ein wenig mehr über oder von ihm erfahren könnte. Enttäuscht stand ich auf und griff mir meine Sachen. Mit einem Stirnrunzeln beobachtete er mich.

"Ich melde mich wieder bei Dir", seufzte ich und wandte mich mit einem letzten Blick auf ihn ab. Sonst war allein sein Anblick die Garantie dafür, dass ich ihn sofort ins Bett zerren wollte, nur jetzt gerade…

…das Hintergrundbild hatte mir mehr Stoff zum Nachdenken gegeben, als alle anderen Sachen bisher.

"Was nur eine Nummer heute?", hörte ich ihn leise hinter mir und der Spott war zwar nicht hörbar, aber er traf mich doch eiskalt. Wortlos verschwand ich. Heute kam ich nicht erschöpft und befriedigt mit einem Grinsen nach Hause, sondern verwirrt und sehr, sehr nachdenklich.

Die nächsten beiden Treffen bei ihm verliefen dann in etwas entspannterer Atmosphäre. Das gemeinsame Duschen wurde fast ein Ritual zwischen uns. Devin war eine kleine Frostbeule und hasste den Winter – wieder eine kleine Gemeinsamkeit von uns Beiden. In seiner Wohnung war es jedoch auch immer etwas kühl, lange konnte man da eh nicht unbekleidet herumlaufen. Somit war es also kein Wunder, dass er immer etwas durchgefroren war. Nur auf seinem Saxophon spielte er mir nach wie vor nichts vor und das Hintergrundbild war beim Date darauf vom Bildschirm verschwunden. Aber diesmal tat ich diese kleinen Zeichen nicht einfach so ab, denn die Zweifel waren gesät und der Stachel bohrte sich immer und immer tiefer. Leider hatte ich nicht den geringsten Blassen, worauf der Stachel zielte.

Ruuuums!

Mit einem lauten Knall schmiss ich die Tür zu meinem Reich hinter mir zu. Ich war auf 180, denn meine Eltern hatten eben meine Pläne für die nächsten drei Wochen einfach als Hirngespinst abgetan und gar keine weitere Diskussion aufkommen lassen. In 10 Tagen war Weihnachten und ich hatte dieses Jahr einfach keine Lust, sie zu begleiten. Ich würde freiwillig, Wärme und Sonne gegen Kälte, Schnee und Dunkelheit eintauschen, FREIWILLIG! Und das hatte alles nur einen Grund…

Devin!

Ich wollte während der Feiertage bei ihm sein. Er wusste zwar noch nichts von seinem Glück, aber soviel hatte ich schon herausgefunden, dass er keine Familie hatte und somit die Festtage alleine verbringen würde. Eigentlich hatte ich meine Eltern in der Tasche, aber eben hatte ich nicht die Spur einer Chance gehabt. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, nein, Luke hatte mich das erste Mal in meinem Leben im Stich gelassen und mir nicht geholfen. Unser Verhältnis war seit dem damaligen Abend etwas angespannt und wir gingen uns irgendwie aus dem Weg.

Traurig sah ich zu meinen Schrank hoch, auf den ein eingepacktes Geschenk lag. Bei einer unser Treffen hatte ich den demolierten Instrumentenkoffer gesehen und lange nach einen Ersatz gesucht, der meinen Ansprüchen genügte. Genauso lange hatte ich bei der Auswahl der CD's gebraucht, denn ich wollte ihm wirklich sehr gute Jazz-CD's mit Schwerpunkt Saxophon schenken. Ich hatte ihn zu Weihnachten damit überraschen wollen, aber nun…

Entschlossen schnappte ich mir das Geschenk und schwang mich in mein Auto. Unser nächstes Treffen wäre in drei Tagen gewesen, aber ich hielt es hier nicht aus und fuhr nach Mannheim. Ich wollte jetzt einfach bei ihm sein. Der Kerl hatte mich süchtig gemacht, so süchtig, dass mir die Zeit zwischen unseren Wiedersehen immer länger vorkam.

Ich redete mir ein, dass ich ihn nur kurz sehen wollte…

…und dann stand ich vor seiner Tür und keiner machte auf. In Gedanken schalt ich mich solch einen Idioten, aber anderseits heulte ich vor Enttäuschung auf. Meine Wünsche und Hoffnungen in Bezug zu ihm schienen sich immer seltener zu erfüllen und das fing mich an zu überfordern. Trotzdem wollte ich nicht so schnell aufgeben und setzte mich in mein Auto. Was sollte ich denn zu Hause? Mich mit meinen Eltern wieder streiten, meinem Bruder weiter aus dem Weg gehen, mit der Clique irgendwo abhängen und zudröhnen – so sinnlos. Sinn hatte das Warten hier auch nicht, aber ich hatte die klitzekleine Hoffnung, dass er vielleicht doch noch auftauchte.

Ein dunkler großer Audi erregte nach einer Stunde meine Aufmerksamkeit. Solch ein Wagen passte nicht in diese Gegend. Gekonnt parkte der Fahrer in eine fast zu kleine Lücke ein und es tat sich eine Weile nichts. Als sich die Beifahrertür öffnete, machte mein Herz einen heftigen Sprung und blieb dann fast stehen.

Mein kleiner Musiker…

Und so hatte ich ihn noch nie gesehen. Er hatte ein offenes Lachen in seinem Gesicht, so wie seine ganze Haltung Glück und Zufriedenheit ausstrahlte. Sein Anblick versetzte mir einen kleinen Stich. Dann öffnete sich die Fahrertür und ein sportlicher Mann stieg aus. Ich schätzte ihn auf Mitte Dreißig, sehr gut gekleidet und es war jemand, der wusste, wie er wirkte. Nervös und überaus misstrauisch beobachtete ich die Beiden. Mein Verstand wollte nicht akzeptieren, was ich da sah. Meine Position war ideal zum Beobachten, ohne das man mich sehen konnte. Der Typ gab Devin zum Abschied die Hand und der zog ihn mit in den Hauseingang. Und dann geschah das Unfassbare. Mein Süßer schob sich ganz dicht an den Kerl und küsste ihn, erst vorsichtig, aber es entwickelte sich ein leidenschaftlicher Kuss daraus. Meine Zähne knirschten vor Wut, meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt und die Knöchel traten weiß hervor. Mir verweigerte er jeden Kuss und entzog sich immer rechtzeitig und einen Kerl, der trotz jugendlichen Aussehens sein Vater sein könnte, knutschte er in aller Öffentlichkeit ab.

Ich fühlte mich so betrogen und schloss meine Augen, denn ich konnte das nicht weiter mit anschauen. Zitternd vor Wut, Enttäuschung und Eifersucht saß ich in meinem Auto und war mir in meinen ganzen Leben noch nie so betrogen vorgekommen.

Das ließ ich mir nicht bieten!

Der Audi war mittlerweile verschwunden und ich sammelte mich noch ein paar Minuten, versuchte meine aufgeputschten Nerven in den Griff zu bekommen. Nicht mal halbwegs in der Verfassung, in der ich eigentlich für ein vernünftiges Gespräch sein sollte, stieg ich aus meinem Auto. Mechanisch nahm ich sein Geschenk und stieg die Treppe zu seiner Wohnung hoch. Zuerst klopfte ich an seine Tür, nachdem darauf keine Reaktion erfolgte, klingelte ich. Auch da tat sich nichts, also läutete ich Sturm. Auf der anderen Seite der Tür rief jemand und ich nahm den Finger vom Klingelknopf. Stürmisch wurde die Tür aufgerissen und sein Anblick verschlug mir die Sprache. Nur mit einem schmalen Handtuch um den Hüften, feuchten Haaren in der Stirn, leuchtenden braunen Augen und einem so süßen Lächeln auf seinen Lippen, das mein Herz schon wieder drohte auszusetzen, stand der schönste Kerl des Planeten vor mir. Als er erkannte, wer da vor seiner Tür stand, erlosch sein Lächeln sofort und seine Augen kniff er angespannt zusammen.

"Hatten wir ein Date?", fragte er nachdenklich. Ich war noch immer viel zu erschlagen von seinem Anblick und der so rasch verzogenen Wandlung, dass ich einfach unfähig war, irgendein Ton zu sagen. Er wartete noch ein paar Sekunden und wandte sich dann achselzuckend ab. Die Tür freigebend ging er zurück in seine Wohnung und ich folgte ihm.

"Soll ich mir noch was anziehen, oder wollen wir gleich loslegen?", fragte er emotionslos.

"Bringst Du es denn noch?", rutschte mir dann doch angepisst heraus.

"Wie bitte?"

'Reiß dich zusammen, Müller!', rief ich mich innerlich zu Ruhe. Zu meiner Beruhigung streckte ich ihm mein Geschenk entgegen.

"Hier für Dich", murmelte ich.

"Was ist das?", hörte ich ihn verwundert.

"Mein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für Dich, ich bin zu den…", wollte ich ihm erklären. Dabei schaute ich ihn verlegen an und konnte sehen, wie sein Blick flackerte, zwar kurz, aber es war keine Einbildung. Dann zog er seine Stirn kraus und unterbrach mich.

"Ich will es nicht", murmelte er.

"Wie bitte?", war ich total perplex.

"ICH WILL ES NICHT!"

Peng, das war eins mit dem Vorschlaghammer. Und meine Eifersucht, Wut und Enttäuschung, die ich versucht hatte so mühsam zu unterdrücken, kochten über.

"Und besorgt er es Dir wenigstens ordentlich", zischte ich ihn an. Seine Augen weiteten sich.

"Was meinst Du?", flüsterte er leise, dabei wusste er ganz genau, was ich meinte.

"Vor meinen Lippen scheinst Du Dich ja zu ekeln, aber einen Typen, der Dein Vater sein könnte, knutscht Du in Grund und Boden", fuhr ich ihn wütend an.

"Das geht Dich nichts an", murmelte er sehr, sehr leise und seine schreckensweiten Augen nahmen einen unendlichen traurigen Ausdruck an.

"Du gehörst mir", zischte ich ihn eifersüchtig an.

"Dir?", hauchte er fast unhörbar und eine einzelne Träne löste sich aus seinem Auge. Und wieder geschah etwas mit ihm, denn er zuckte wie unter einen Stromschlag zurück, sein Blick wurde hart.

"Dir?", kam es jetzt schon lauter.

"Diiiiiirrrr?", schrie er mich an.

"Ja", fauchte ich zurück.

"Ich bin ein Escort", antwortete er mir jetzt ruhig, zu ruhig.

"War mir ganz entfallen", ätzte ich zurück, aber er schien es gar nicht zu hören.

"Du kannst das", dabei zeigte er auf seinen Oberkörper,

"und das", seine Finger wiesen auf seine Beine,

"das natürlich auch", seine Hand klatschte laut auf seinen Knackarsch,

"und Dein liebstes Stück möchte ich nicht vergessen", dabei riss er sich das Handtuch von den Hüften und präsentierte mir seinen Schwanz.

"kaufen!"

Ich war zu keinem Wort mehr fähig – ich verlor langsam aber sicher die Kontrolle.

"Verstehst Du das, KAUFEN!", sagte er so emotionslos, dass sich mein Körper mit einer unangenehmen Gänsehaut überzog. Dann trat er nah an mich heran und griff nach meiner Hand. Seine Finger waren eiskalt, seine Hand zitterte leicht und er legte meine Finger auf seine Brust, etwas oberhalb seines Herzens und ich fühlte es schnell schlagen.

"Aber das, Anakin, das kannst Du nicht kaufen", flüsterte er heiser.

"Das gehört nur mir."

Dann löste er die Verbindung zwischen uns und hob das Handtuch wieder auf. Erstarrt und völlig unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, sackte ich in mich zusammen.

"Und nun möchte ich Dich bitten zu gehen", hörte ich ihn nun wieder vollkommen neutral.

"Aber…", murmelte ich total durcheinander.

"Verschwinde"

"SOFORT!"

Der Befehl und die eisige Kälte, die aus seinen Worten strahlte, ließen mich ohne einen Abschied flüchten. Jeder mögliche und unmögliche Traum, den ich in Verbindung mit ihm gehabt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase und über allem stand das Unfassbare…

Er hasste mich!

Alles, was ich mir eingebildet, was ich mir immer wieder eingeredet hatte, war ein jämmerliche Lüge und die Unfähigkeit, das zu akzeptieren, weil ich immer alles, einfach alles bekommen hatte, stürzte mich in einen nicht endenden Abgrund.

Apathisch verbrachte ich die nächsten Tage. Meine Welt war so grundsätzlich aus den Fugen geraten, dass ich nicht den geringsten Halt fand. Um wenigstens ein kleinen Teil meines bisherigen Lebens zu retten, musste ich noch einmal mit ihm reden, musste ihm alles erklären.

Und er machte nicht auf. Ich klopfte, hämmerte an der Tür. Klingelte mir die Finger wund, aber die Tür blieb zu. Sein Handy war ausgeschaltet – ich kam nicht an ihn heran. Irgendwann hatte eine Nachbarin ein Erbarmen und teilte mir mit, der der junge Herr Schmidt sei seit vorgestern über die Feiertage verreist.

Er war weg…

…fort…

Devin

Ich hatte den Penner gerade rausgeschmissen. Endlich hatte ich meinen ganzen Mut zusammen genommen und fühlte mich…

Zuerst musste ich Ordnung in meine Gedanken bringen, die ganze Entwicklung in den letzten Wochen war so ein Chaos… so unglaublich… eine einzige Katastrophe.

Aus den Fugen drohte meine Welt zu geraten, als Claudio wieder mal eine seiner berühmten Ideen hatte, die aus seiner Geilheit, dem Denken seines Schwanzes herrührte. Ich sollte in das Krankenhaus kommen und unbedingt einen Patienten mit ihm anschmachten. Nach seiner überzeugten Meinung war der Kerl der Traum schlechthin. Da wir eh danach noch in den Club wollten, konnte ich den kleinen Umweg in Kauf nehmen und ihn von der Arbeit abholen.

In einem Punkt konnte ich ihm ungestraft Recht geben. Der Typ war einer der geilsten Kerle mindestens in dieser Stadt, wenn nicht sogar auf dem ganzen Planeten und ich wollte Claudio unbedingt die Fresse polieren.

Der Typ war mein persönlicher Albtraum…

…da lag er in einem Krankenbett und schaute mich fassungslos an. Diese Augen zogen mich sofort wieder in seinen Bann. Ich hatte die letzten Tage alles, wirklich ALLES getan, um das da im Bett zu vergessen. Seine Anrufe ignoriert, seine Nachrichten gelöscht, mich persönlich gegeißelt, wenn sein hübsches Gesicht und was noch viel schlimmer war, sein Wahnsinnskörper, sein muskulöser Hintern vor meinen Augen auftauchte.

"Du kennst ihn", trompetet dann Claudio auch noch los.

"Ja…, NEIN!", murmelte ich völlig konfus und fast gleichzeitig traf mich die Erkenntnis mit so einem großen Keulenschlag, dass sich Panik in mir ausbreitete.

Dort lag ein Kunde von mir!

Unweigerlich sah ich ihn flehend an, denn wenn das Silke erfuhr, dann war ich geliefert, aber so was von. Und er begriff sofort, was hier los war. Seine Lippen verzogen sich zu einen fiesen Lächeln, seine Augen wanderten kurz zu Silke und dann wurde sein Lächeln noch eine Spur fieser. Ich hatte verloren und saß unrettbar in einer Falle fest. Wortlos wandte ich mich ab und verschwand aus meiner persönlichen Hölle, nur, dass sie mich nicht losließ.

"Jazz, was war das eben?", fragte mich Claudio einen Moment später. Verdammt sauer sah ich ihn an.

"Was glaubst du wohl?", fauchte ich.

"Woher kennst du den Kerl?"

"Bist du wirklich sooo beschränkt!" Verwundert sah er mich an – er hatte keinen Schimmer.

"Escort", presste ich zwischen meine Lippen hervor und seine Augen weiteten sich augenblicklich.

"Der Typ?", fassungslos sah er mich an.

"Bei dem Aussehen und wenn der nur einen halbwegs passablen Body hätte, würde ich den tagelang umsonst ficken", posaunte er seine Meinung heraus.

"Du hast keine Ahnung, wie passabel", entfuhr es mir und sofort biss ich mir auf die Zunge.

"Komm erzähl", sah er mich erwartungsvoll an. Ich hatte meine kurze sexuelle Gier sofort verdrängt und wütend starrte ich ihn wieder an.

"Um es kurz zu machen, er ist ein Arsch und ich habe ihn das spüren lassen. Jetzt hat er mich wieder gefunden und zudem Silke kennen gelernt…", knurrte ich und ließ den Rest in der Luft hängen. Endlich war ein Teil seines Verstandes von seinem Schwanz zurück in das Gehirn geströmt. Erschrocken schlug er sich mit der Hand vor den Mund und kiekste auf – manchmal war Claudio so eine Tucke. Aber wenigstens hatte er begriffen, in welchen Dilemma wir, nein wohl eher ich steckte.

"Sie bereitet mir die Hölle hier…", murmelte er entsetzt.

"Und das ist nur ein winziger Teil dessen, was mich erwartet", seufzte ich. Mit einen Wutausbruch von ihr hätte ich leben können, aber sie würde mich mit tiefster Verachtung strafen – nein, ich mochte mir das nicht ausmalen und noch weniger erleben. Ich musste handeln, irgendwie.

Einen halben Tag später lungerte ich vor dem Krankenhaus herum. Claudio hatte in Erfahrung gebracht, dass er heute Morgen entlassen werden sollte. Hier oben pfiff der Wind fürchterlich und verstärkte die gefühlte Kälte um ein Vielfaches. Und dann kam er. Man der Kerl war SEX pur, scheiße, ich war nicht deswegen hier.

"Halt, stehen bleiben", fuhr ich ihn von hinten an und die Katastrophe zündete die nächste Stufe…

Zitternd vor Wut, Scham und Verzweiflung lag ich etwas später zu Hause in meinem Bett.

Dieser verdammte MISTKERL hatte mich eben knallhart erpresst!

Ich hatte mir fest vorgenommen, ihn so vor den Kopf zu stoßen, zu provozieren, zu verunsichern, dass er es einfach aufgab. Ich warf ihm offen ins Gesicht, wofür ich ihn hielt. Sein Panzer bekam Risse, er schien verwirrt und diese Augen schauten so unsicher und sehnsüchtig, aber dann machte es Klick und alles perlte an ihm ab.

Und nun war ich gefangen in meiner Lüge…

Vier Wochen waren seit diesem Tag im Krankenhaus vergangen. Mein Leben hatte sich in dieser Zeit zu einem Chaos entwickelt. Überall entstanden Baustellen, sie tauchten schneller auf als ich sie beseitigen konnte. Natürlich hatte Silke mitbekommen, dass der Typ im Krankenhaus irgendeine Rolle in meinem Leben spielte – zum Glück tappte sie immer noch im Dunklen, welche das war. Und sie war wie ein Bluthund, verbiss sich und würde mir keine Ruhe lassen, bis ich mit allem herausrückte. Deshalb ging ich ihr aus dem Weg. Eine Information hatte ich ihr jedoch noch entlocken können.

Meine Escorttätigkeit war im Grunde beendet – ich hatte zwei Freier und die verlangten alles ab. Bernd war auch so ein Thema. Seit dem Essen hatten wir noch zwei Treffen, in der wir alles Mögliche gemacht hatten, nur im Bett sind wir nicht gelandet. Es knisterte gewaltig zwischen uns, aber er machte einfach nicht den ersten Schritt. Nicht, das mich das sehr störte, denn die Treffen waren sehr unterhaltsam und vor allem wieder kalorienreich. Die Stimmung zwischen uns brachte mich aber zunehmend durcheinander, es wurde langsam aber sicher mehr als ein Job.

Tja und dann ER…

Anakin!

Den Namen hatte ich Silke entlockt und als ich ihn das erste Mal hörte, fand ich ihn einfach niedlich. Er passte so gar nicht zu ihm und doch wieder. Natürlich kannte ich die Star Wars Filme. Und der süße kleine blonde Junge aus dem 1. Teil war er definitiv nicht, dem hübschen jungen Mann aus dem 2. Teil kam er im Aussehen schon sehr nahe, aber charakterlich verkörperte er genau das, was er im Film wird – Darth Vader!

Er war so von sich eingenommen. Er hatte alles und bekam immer seinen Willen. Geld bedeutete ihm nichts, weil er den Wert nicht kannte.

Sein Selbstbewusstsein war unermesslich und er wusste um seine Wirkung.

Er spielte mit seinen Mitmenschen – vor allem spielte er mit mir.

Nein, er hatte mich nie direkt erpresst und nie wieder ein Wort über Silke verloren, aber seine Augen blitzten immer mal wieder hämisch auf. Seine ganze Körpersprache war auf Beherrschung ausgerichtet und dann ließ er sich ficken…

Das passte NICHT!

Und obwohl er Macht über mich hatte, forderte er nie den aktiven Part ein. Nein, er genoss es, der Passive zu sein. Der Sex mit ihm war einfach hammermäßig. Was ich schnell merkte, war…

Er hatte nicht sehr viel Erfahrung im schwulen Sex. Und so wurde er zu einer Art Versuchskaninchen, mit dem man eine Menge Spaß im Bett haben konnte. Denn ich machte mir nichts vor, dieser Körper machte mich willenlos. Ich kannte mittlerweile jede Stelle seines Traumbodys und so passierte jedes Mal genau das, was mich so fertig machte.

Ich liebte den Sex mit dem Kerl – nur wenn ich daran dachte, war ich sofort auf 180. Und ihm ging es nicht anders. Er fuhr total auf meinen Körper ab, auch er kannte jede Stelle und hatte mit seinen Fingern Sachen angestellt, darüber nachzudenken würde unweigerlich dazu führen, dass wir heute gar nicht mehr aufhörten.

Um es deutlich zu sagen – wir waren das Traumpaar im Bett…

…und sonst?

Genau das bereitete mir immer mehr Sorgen. Ich verhielt mich außer im Bett ihm gegenüber vollkommen neutral, bot keine Angriffsfläche, ging auf seine persönlichen Fragen überhaupt nicht ein. Ich wollte mich nicht mit ihm privat verbinden, aber lange würde ich das nicht mehr durchhalten. Bald musste es zum Knall kommen, dieses Verstellen kostete einfach zuviel Kraft.

Nur wenn ich ihm zeigte, wie ich wirklich war, musste das zwangsläufig mit seinem Selbstbewusstsein kollidieren und wer daraus als Sieger hervorging, war mehr als offen.

"Devin", murmelte er unter mir. Das mit dem Vornamen war auch so eine Masche von ihm. Vor zwei Wochen hat er damit angefangen und wollte wohl eine Reaktion der gleichen Art bei mir provozieren. Manchmal war er so berechenbar! Ich umging jede direkte Ansprache und wenn es sich doch nicht mehr umgehen ließ, nutze ich diesen total bescheuerten Nickname "Andy". Er hatte mich vorhin nach dem sehr heftigen Fick auf sich gezogen und seine Finger spielten diesmal nur mit meinem Haar. Allein die Nähe zu ihm, sein Geruch, seine Finger, seine Wärme – ich hätte schon wieder über ihn herfallen können. Entschlossen entwand ich mich seinen Armen und suchte meine Sachen zusammen. Seine Blicke merkte ich sehr wohl, und den gierigen, unersättlichen Ausdruck kannte ich zur Genüge.

'Warum musste er so sein?', formulierte sich in meinem Kopf mal wieder diese Frage, die immer öfter auftauchte und ich jedes Mal aggressiver bekämpfte. Über so was wollte ich NICHT nachdenken!

"Devin", wiederholte er sich. Der passende Blick zu meiner gerade gedanklichen unmöglichen Frage wanderte zu ihm und bei dem Anblick schoss noch mehr Blut in meine Lendengegend. Sein bestes Stück startete augenblicklich durch und ich liebte seinen Schwanz, wenn er doch mal…

'Scheiße, was war denn heute mit mir los?' Als Reaktion lächelte ich ihm zu.

"Sorry, ich muss los", versuchte ich unsere aufkommende Lust halbherzig zu ersticken und schlüpfte schnell in meine Short.

"Macht es Dir denn überhaupt keinen Spaß?"

"Spaß?"

Was sollte diese Frage von ihm?

"Ja, unsere gemeinsamen Stunden, der abartig geile Sex zwischen uns, die…", zählte er verträumt auf. Mein Blick fiel während seiner Aufzählung auf den Nachttisch, wo er das Geld schon deponiert hatte. Und wieder rieb er mir unbewusst meine Käuflichkeit unter die Nase. Augenblicklich kochte der Hass in mir hoch und ich blitzte ihn an.

"Du hast keine Ahnung, was Du gemacht hast, oder?", stieß ich heiser hervor. Und sein ungläubiger Blick zeigte mir, dass er wirklich gerade keine Ahnung hatte.

In welcher Welt lebte er eigentlich?

"Gemacht?", bekräftigte er sein Unwissen. Wie ich ihn da so liegen sah, fast etwas verletzlich, da wandelte sich mein Blick zwangsläufig. Nein, das durfte nicht sein. Schweigend zog ich meine Schuhe an und nahm meine Jacke.

"Du erpresst mich, Anakin", murmelte ich leise und flüchtete.

Das war genau der Punkt, das war das größte Problem zwischen uns. Trotzdem hätte mir dies eben nicht passieren dürfen, seinen Namen zu nennen.

Und seine Rache ließ nicht lange auf sich warten, das nächste Treffen sollte bei mir zu Hause stattfinden. Da passierte mir der nächste Fehler. Ich blöder Trottel hatte nicht an mein Hintergrundbild gedacht. Ich hatte nächtelang danach gesucht, bis ich etwas gefunden hatte, dass meinen Vorstellungen entsprach. Es war mein Traum…

…und es hätte auch ein Bild von ihm sein können. Er war viel zu schlau, um nicht die richtigen Schlüsse zu ziehen. Seine Augen strahlten mich regelrecht an und seine Nähe machte mich noch mehr verrückt als sonst. Dass ihn irgendetwas mächtig beschäftigte merkte ich dann daran, dass er nach nur einer Nummer nach Hause ging. Das Geld, welches er mir auf die Kommode gelegt hatte, packte ich zu dem ganzen anderen Geld, welches ich bisher von ihm bekommen hatte. Ich hatte noch nicht einen Cent davon angefasst. Es war total hirnrissig, denn ich konnte mir kaum noch etwas leisten, die Heizung war abgestellt und ich lebte zurzeit nur von dem Geld, das ich von Bernd für unsere paar Treffen erhalten hatte. Anakin betrog mich nie um mein Honorar, eher legte er immer noch etwas drauf, aber ich wollte sein Geld nicht!

Und dann folgten 14 Tage, die kaum noch zu überbieten waren. Ein sehr negatives Ergebnis dieser zwei Wochen war, ich hatte ihn eben hochkantig rausgeschmissen. Dieser Ausdruck gerade in seinen Augen wollte mich nicht mehr loslassen. Mittlerweile war mir klar geworden, dass er mich vorhin mit Bernd gesehen haben musste.

Bernd…

Die letzten zwei Wochen waren, was ihn betraf, unglaublich – eigentlich viel zu fantastisch, um wahr zu sein. Nachdem wir uns fast drei Wochen davor nicht gesehen hatten, meldete er sich sehr überraschend und wollte mich noch am gleichen Tag treffen. Mir blieb fast keine Zeit, mich etwas zu stylen. Mehr als eine kurze Katzenwäsche war nicht drin und er schleppte mich natürlich wieder zum Essen. Da hatte ich langsam jedoch Übung drin, was mich nicht hinderte, zu schlemmen. Bernd tat wiederum genau das, was er so langsam perfektioniert hatte – mich beobachten. Irgendwie hatte er sich ein wenig verändert, aber ich kam einfach nicht darauf, was es war. Zwei Stunden später saß ich satt und sehr zufrieden auf meinen Stuhl und spielte ein wenig mit dem Weinglas.

"Und hast du Lust, mich heute zu begleiten?", hörte ich auf einmal Bernd und verwundert sah ich ihn an. Er lächelte leicht verlegen, aber seine Augen glitzerten eindeutig.

'Huch, sollte es heute endlich soweit sein?', durchfuhr es mich und wurde nun nervös.

"Na dann lass uns verschwinden", hauchte er mir zu. Während der Fahrt schwiegen wir. Lieber wäre mir gewesen, wenn er ununterbrochen geredet hätte, denn ich wurde immer nervöser. Zum ersten Mal fühlte ich mich in Sachen Sex ein wenig unsicher, denn ich hatte keine Ahnung, was Bernd von mir erwartete. Immerhin war er ein gestandener Kerl, kein solch ein Boy, wie ich sie bisher im Bett hatte. Dann parkte er das Auto in einer Tiefgarage. Zögernd stieg ich aus. Auf einmal stand er neben mir.

"He Swing, ich bin genauso nervös wie du, glaub mir", flüsterte er mir leise zu. Frech grinste ich ihn an.

"Tz, tz und das in dem Alter."

"Pass bloß auf Junior", knurrte er und wie aus Versehen landete seine Hand auf meinen Hintern. Ich kicherte leise in mich hinein. Nachdem wir den Fahrstuhl im obersten Stock verlassen hatten, landeten wir in einem kurzen Flur, von welchem nur zwei Türen abgingen. Bernd zog irgendeine Karte durch einen Schlitz und die Tür sprang mit einem leisen Klicken auf. Okay, durch das teure Essen in den Restaurants hatte ich nicht gerade eine Absteige vermutet, aber als das Licht dezent aufflammte, machte ich doch sehr große Augen. Der Eingangsbereich trat übergangslos in einen sehr gemütlichen Wohnbereich über. Am Auffallendsten waren die Fenster, die anderthalb Wände die gesamte Raumhöhe ausmachten. Man hatte eine fantastische Sicht über das Lichtermeer der Stadt. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Eine große offene Küche mit einer Theke davor, die ein wenig den Bereich abtrennte, eine sehr gemütliche Sitzecke stand vor der Fensterwand und man konnte von da auf einen ultragroßen Fernseher schauen. Bernd stand an einer Wand und werkelte da herum, ein paar Sekunden später wurde der Raum von leiser Musik erfüllt.

"Möchtest Du etwas trinken?", unterbrach er mich in meinem Staunen.

"Ein Wasser oder so", murmelte ich.

"Keinen Wein mehr?", neckte er mich.

"Ne, aber ich hätte da eine Bitte", antwortete ich verlegen.

"Bin ganz Ohr."

"Könnte ich kurz unter die Dusche springen? Das ging vorhin alles etwas schnell", erklärte ich unsicher.

"Klar", antwortete er in meinen Augen ein wenig zu schnell.

"Komm mit", forderte er mich dann auf und ging vor. Gut, das Bad war wohl so groß wie meine Wohnung und mit einer großen Eckbadewanne ausgestattet.

"Also die Dusche siehst Du ja, ich hol Dir noch schnell einen Bademantel und dann kannst Du Dich hier austoben."

Mein anzüglicher Blick wanderte zur Badewanne und er ging amüsiert-kopfschüttelnd hinaus. Schnell schlüpfte ich aus meinen Sachen und stellte mich unter die Dusche. Oh man diese vielen Düsen und Hähne, es dauerte eine Weile, bis ich das Wasser so zum Laufen gebracht hatte, wie ich es wollte.

"Das übertrifft alles", hörte ich es hinter mir. Ich hatte sehr wohl mitbekommen, dass sich die Duschkabinentür geöffnet hatte, wollte ihm aber die Entscheidung lassen. Langsam drehte ich mich um. Bernd stand mir mit leuchtenden Augen gegenüber, jedoch noch voll angezogen. Sein Blick wanderte an mir herunter und als er meine Erregung sah, wanderte seine Augenbraue anerkennend nach oben.

"Schau an, schau an, was hat Dich denn so erregt, Swing", neckte er mich.

"Du", murmelte ich und das war die Wahrheit. Seit ich unter der Dusche stand, hatte ich mir ein paar Sachen mit ihm vorgestellt und gefragt, wie er wohl ausschaut ohne seine Klamotten.

"Das ist ungerecht", knurrte ich und griff in sein Hemd. Verdutzt sah er mich an, aber sein Lächeln wurde immer breiter, als ich ihn zu mir in die Dusche zog…

"Oh man Bengel, Du schaffst mich", murmelte jemand neben mir. Grinsend sah ich zu Bernd hinüber. Obwohl wir eben in der Dusche über die Anfänge nicht hinaus gekommen sind, war es verdammt heftig gewesen und der Orgasmus hatte uns beide sehr zugesetzt – ich schien es jedoch etwas besser wegzustecken. Jetzt hatten wir uns auf die urgemütliche Couch gepflanzt und ich nahm gerade einen tiefen Schluck aus dem Glas. Im Hintergrund dudelte immer noch die leise Musik und über den Bildschirm des Fernsehers flimmerten irgendwelche Fußballspiele. Sittsam hatten wir uns wieder mit Bademänteln bekleidet, wobei sich Bernd wirklich nicht zu verstecken brauchte. Das brachte mich auf einen Gedanken.

"Du, Beeeernd???", fragte ich lauernd.

"Jaaa?"

"Ach ne, lass mal", wimmelte ich ab.

"Nun frag schon", knurrte er gespielt böse.

"Irgendwie kamst du mir bei unserem ersten Treffen nicht so schlank vor", grinste ich ihn frech an. Er wirkte irgendwie sportlicher, schlanker und dynamischer und vor allem lief er jetzt rot an.

"Wusste gar nicht, dass Du so genau hinschaust", murmelte er verlegen.

"Dann war meine Vermutung richtig?", fragte ich verwundert.

"Ja, frag nicht, was ich die letzten Wochen für Muskelkater geschoben habe, aber irgendwie wollte ich mich für diesen Moment vorbereiten. Du hast wirklich in mir den Ehrgeiz geweckt, wieder wenigstens ein wenig in Form zu kommen. Hab mich die letzten Jahre etwas gehen lassen", erklärte er mir ganz offen.

"Und dann bist Du so fertig?", neckte ich ihn.

"Gewisse Körperpartien, die man so beim Sex braucht, konnten auf Grund fehlender Übungspartner nicht ausreichend trainiert werden", dozierte er sehr trocken.

"Das können wir ja jetzt nachholen", flüsterte ich ihm zu und schob mich näher an ihn heran. Und es war mir ernst damit, denn der Mann reizte mich. Ich musste mir nicht irgendwelche süßen Boys vorstellen, um es mit ihm treiben zu können. Mir gefiel der Gedanke, so einen gestanden Kerl einfach zu verführen. Meine Hand wanderte unter seinen Bademantel und fuhr durch die Brustbehaarung. Bisher hatte ich sehr viel Wert darauf gelegt, keine behaarten Typen zu erwischen, aber das hier war ziemlich erotisch.

"Oh man Swing, du machst mich verrückt", murmelte er, aber blieb nicht untätig. Seine Finger nestelten an meinen Badenmantel herum und öffneten ihn. Zärtlich befreite er mich von dem Ding und schwups saß ich auf seinen Schoss. Als auch sein Kleidungsstück fiel, ließ ich mich nach vorne auf ihn sinken und als sich unsere Körper berührten, stöhnten wir beide auf. Seine heißen Küsse bedeckten meinen Körper und wanderten immer tiefer. Eigentlich wollte ich ihn doch verführen und verwöhnen, aber irgendwie waren die Rollen gerade vertauscht. Was seine Finger und Zunge mit mir anstellten, ließ meine Nerven vibrieren. Meine Hand wanderte zwischen seine Schenkel und was ich da erkundete war nicht zu groß und nicht zu klein.

'…eigentlich genau passend', lächelte ich in mich hinein. Bernd legte sich mit mir auf die Couch, so dass ich unten lag, aber sein Gewicht störte mich nicht. Ziemlich schnell hatte er zielsicher die Stellen gefunden, die mich laut stöhnen ließen und noch geiler machten.

"Und mein Kleiner, was möchtest Du?", hörte ich ihn heiser flüstern, während seine Finger sanft in meiner Lendengegend herummassierten. Verwundert öffnete ich die Augen.

'Sollte ich das nicht fragen?' Seine Augen glitzerten lüstern über mir und wanderten bewundernd über meinen nackten Körper.

"Fick mich", hauchte ich ihm zu.

Und das tat er dann auch. Bernd war ein sanfter, zärtlicher Liebhaber, der sich sehr viel Zeit ließ und einen Sex praktizierte wie ich ihn bisher selten erlebt hatte. Es war genau das Gegenteil meiner harten und fast hektischen Ficks mit Anakin und damit meinte ich nicht nur die Rollenverteilung.

Und es gefiel mir, es gefiel mir sogar sehr. Ich kam sehr heftig, aber da war ich nicht der Einzige.

Diesmal brauchte ich etwas länger, um wieder zur Ruhe zu kommen. Er hatte mich indessen zärtlich gesäubert und musterte mich nun neugierig. Mir war das unendlich peinlich, dass ich so abgegangen war.

"Sorry", murmelte ich nervös.

"Warum das denn?", fragte er verblüfft.

"Naja, eigentlich sollte ich…", druckste ich herum.

"Moment mal, nur weil es Dein Job sein sollte, muss es doch noch lange nicht nur ein Job sein. Mir hat das eben fantastischen Spaß gemacht und mich freut es tierisch, dass es Dir wohl nicht anders ging. Ehrlich gesagt, hatte ich ein wenig so was gehofft…", fing er an zu erklären und seine Augen hielten meinen Blick fest.

"…gehofft, dass der Sex für Dich noch keine Routine ist und wir den Faktor Geld ausblenden können. Swing, Du bist ein Vulkan und den würde ich gern noch etwas näher erkunden", grinste er mich dann zum Schluss frech an.

"Aber…", wandte ich halbherzig ein.

"Kein aber. Lass uns einfach Spaß haben. Der Einzige, der hier ein schlechtes Gewissen haben müsste oder sich schämen sollte, bin ja wohl ich. Nämlich dafür, dass ich mir so was Hübsches wie Dich kaufen muss. Umso mehr überrascht war ich, dass wir von Anfang so einen guten Draht zueinander gefunden haben und das I-tüpfelchen ist nun, dass ich Dir vor dem Sex keine Drogen verabreichen muss, damit Du bei mir einen hoch bekommst", kicherte er am Ende.

"Du unterschätzt Deine Wirkung, Bernd. Du bist sehr geil, wenn auch zugegebenermaßen nicht mein Traumtyp, und Du weißt ganz genau, wie Du mich willenlos machst", knurrte ich nun gespielt, aber meine Komplimente waren ernst gemeint.

"Nicht Dein Traumtyp, jaaaa?!", murrte er, aber sein Spott war sehr greifbar.

"Ne, steh so mehr auf Mittfuffziger, graumeliert, Bierbauch und schlechten Atem", foppte ich ihn weiter.

"Das ganze Training für den Arsch", brubbelte er und seine Hand wanderte schon wieder zu delikaten Stellen.

"Komm mal ein Stück näher, mein Kleiner", hauchte er. Nun stahl sich doch ein Zweifel in meine Augen.

"Du magst nicht küssen, stimmts?", fragte er sanft. Sachte schüttelte ich den Kopf.

"Nicht böse sein", murmelte ich.

"Nein, bin ich nicht, wirklich nicht. Dann muss ich halt an anderen Körperteilen knabbern", grinste er wieder frech und das kurze Aufleuchten der Enttäuschung war verschwunden. Ich wusste gar nicht, dass meine Ohrmuscheln auch eine so erotische Zone war. Mehr als kuscheln und schmusen war jetzt aber erst mal nicht drin. Verblüfft registrierte ich so nebenbei, dass die Musik, die da hoch- und runterspielte, deutsche Popmusik war.

Jetzt, wo mir das aufgefallen war, verfolgte ich es näher. Da spielten Interpreten, die in den letzten Jahren Hits gehabt hatten.

"Stehst Du auf deutsche Rock und Popmusik?", rutschte mir dann doch neugierig heraus. Seine Hand, die sich gerade wieder an einer unmöglichen Stelle befand, verharrte kurz und verblüfft sah er mich an.

"Das ist alles, woran Du denken kannst, wenn ich hier solche Sachen mache", grinste er und seine Finger bohrten sich tiefer in mein Fleisch.

"Ooooh", stöhnte ich auf.

"Warte mal", murmelte er auf einmal nachdenklich und löste sich zu meinem Bedauern von mir. Nackt lief er zu der Wand mit den Bedienelementen seiner Anlage und ich musste zugeben, dass er ziemlich knackig aussah. Der Sport, in den letzten Wochen, hatte seinem Körper wohl sehr gut getan.

"Hier, diese CD hör ich zurzeit fast nonstop. Da gibt's einige Lieder, die mit ihren Texten so einiges zu erzählen haben. Und ja, ich liebe deutsche Musik, weil ich mich da ungeschminkt und sofort mit dem Inhalt auseinandersetzen kann." Dann drückte er auf Wiedergabe und laute Musik erfüllte den Raum. Die rauchige Stimme kam mir bekannt vor, und die Bässe ließen das Zwerchfell vibrieren.

"Lindenberg?", wunderte ich mich jetzt und grinste sehr frech.

"Jo, ein alter Mann mit Hut, aber achte mal auf diesen Text hier, so schön zweideutig und auf mich ganz passend", lächelte er etwas nachdenklich.

Die ersten Klänge von "Ganz anders" erfüllten den Raum. Zuerst hörte ich auf den Text, aber schnell glitten meine Gedanken in eine ganz andere Richtung ab.

"He, träumst Du?", hörte ich Bernd und schrak aus meinen Überlegungen.

"Und wie findest Du den Text?", fragte er neugierig. Unsicher sah ich ihn an.

"Du hast gar nicht zugehört", murmelte er nun doch enttäuscht.

"Ja und nein", sagte ich endlich etwas. Nun schaute er unsicher.

"Ich höre da etwas ganz anderes. Kann ich es Dir vielleicht das nächste Mal zeigen?", fragte ich ziemlich begeistert.

"Wann bist Du denn soweit körperlich wieder hergestellt, das es ein nächstes Mal geben kann?"

"Gestern?"

"Angeber, aber das schau ich mir lieber gleich noch einmal an", knurrte er und landete mit einem Satz dicht neben mir auf der Couch…

Drei Tage später musterte mich Bernd verdammt neugierig , als ich meinen Instrumentenkoffer in sein Auto verstaute. Heute war er viel zu süchtig nach dem Sex, so dass er das Essen ausfallen ließ und mich sofort und hemmungslos auf die Couch warf. Lachend zottelte ich ihm die Klamotten herunter und nach der ersten sehr heftigen Runde lag er schnaufend halb auf mir.

"Nicht so doll, sonst bekommste noch nen Herzkasper", neckte ich ihn.

"Frecher Bengel", knurrte er und seine Hand klatschte auf meinen Hintern.

"Au, der braucht Liebe", murmelte ich entrüstet.

"Die hat er doch gerade bekommen, oder nicht", lächelte er spitzbübisch. Nicht sehr überzeugt zog ich einen Flunsch.

"Na warte Freundchen, gib mir nur ein paar Minuten", brubbelte er.

"Eher wohl Stunden", griente ich und sah mitleidig auf sein bestes Stück. Er rutschte noch näher an mich heran und seine Nähe und die vorwitzigen Finger auf meinen Körper ließen mich sofort reagieren.

"Na, mein Kleiner scheint da nicht solche Probleme zu haben", hauchte er mir ins Ohr.

"Du kennst mich mittlerweile schon viel zu gut, um genau zu wissen, wo Deine Finger so was anstellen können", stöhnte ich leise.

"Dann zeig mir, wie gut Du aktiv bist", hörte ich es lüstern und schaute ihn überrascht an. Seine Augen glitzerten vor Verlangen.

"Ist das Dein Ernst?", musste ich dann doch nachhaken.

"Ich bin gern mal passiv und bei so was Hübschem wie Dir und dem hier", murmelte er und massierte dabei meinen harten Schwanz, der dabei noch härter wurde "male ich mir das schon seit unseren ersten Treffen in den schillernsten Farben aus." Immer noch verwundert musterte ich ihn.

"Wenn Du denn überhaupt magst?", fragte er jetzt unsicher.

"Ich bin sehr gerne aktiv, eigentlich öfter als passiv", gestand ich ihm.

"Na dann zeig mal, ob Du Deinen Mann stehst", neckte er mich, aber seine Augen leuchteten vor Gier auf und ich zeigte es ihm. Und wieder war es so ganz anders als mit meinem Albtraum, den ich beim Sex irgendwie beherrschen wollte. Bei Bernd war ich zwar aktiv, aber führen tat er mich. Es war eine Mischung aus Sanftheit und purer sexuellen Gier und wir zögerten die Erlösung immer wieder heraus. Und dann explodierten wir fast zeitgleich und mir schwanden kurz die Sinne…

"Na, wer hier wohl den Herzkasper bekommt", foppte er mich zärtlich, als ich ausgepowert auf ihm zu liegen kam.

"Oh man war das geil", keuchte ich immer noch kurzatmig.

"Du warst unglaublich, mein süßer Swing", murmelte er.

"Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wenn Du mal auf Deinen Traumtypen triffst", philosophierte er weiter. Seine Aussage führte jedoch dazu, dass ich mich kurz versteifte, denn zwei sehnsüchtig blickende Augen tauchten vor mir auf.

"Du hast ihn schon gefunden?", hörte ich ihn überrascht.

"Eher meinen Albtraum", flüsterte ich leise.

"Zeigst Du ihn mir mal? Mich interessiert es ziemlich, auf was mein kleiner Escort so steht."

"Das, was ich Dir zeigen könnte, wäre der "Traumtyp" im körperlichen Sinne, was die inneren und charakterlichen Werte betrifft…", murmelte ich nervös und sah ihn eindeutig an. Oh je, nun wurde ein gestandener Mann echt verlegen, denn er hatte meine Blicke richtig gedeutet. Um meine trüben Gedanken abzuschütteln, fiel mir gerade ein, was ich eigentlich heute noch vor hatte. Sanft befreite ich mich von dem "alten" Mann und stand auf.

"Hm, lecker", hauchte jemand hinter mir. Ich konnte gar nicht anders und wackelte mit meinem Allerwertesten.

"Bring mich nicht in Versuchung, Bürschchen", knurrte Bernd. Als Antwort griff ich mir meine Jeans und schlüpfte schnell hinein.

"Och neeee"

Ich hatte jedoch kein Ohr für meinen quengelnden Kunden, denn ich war in Gedanken schon ganz woanders. Zielstrebig ging ich in den Eingangsbereich und schnappte mir meinen Instrumentenkoffer. Mit dem in der Hand und die Melodie im Kopf abrufend, tauchte ich dann im Wohnzimmer wieder auf.

"Upps, das hatte ich ja ganz vergessen", gab Bernd überrascht zu.

"Hast Du Dich nicht gewundert, dass ich Dir die deutschen Songs als MP3 aus den Rippen geleiert habe?", fragte ich ihn.

"Eigentlich nicht, vielleicht dachte ich ja auch, dass es Dir doch einigermaßen gefällt", kam von ihn.

"Gefallen schon, aber nicht in der Art und Weise, wie Du es annimmst", lächelte ich. Bernd sah jedenfalls sehr, sehr neugierig aus.

"Darf ich Dir etwas vorspielen?", fragte ich vorsichtig. Aus dem neugierigen Gesicht wurde ein nachdenkliches.

"Swing, ich sag Dir gleich, ich bin verdammt anspruchsvoll. Warum das so ist, bekommst Du früher oder später auch noch heraus. Aber mach das bitte jetzt nur, wenn Du wirklich davon überzeugt bist", kam es verdammt ernst von ihm.

"Ich glaub, das kann ich riskieren", antwortete ich ziemlich selbstsicher. Auch wenn Bernd mich im Bett bzw. beim Sex auf den einen oder anderen falschen Bein erwischt hatte, meiner Musik war ich mir wirklich sehr sicher. Somit packte ich mein Saxophon aus und Bernds Augen wurden noch eine Spur größer.

"Mal schauen, ob Du meine Interpretation erkennst", lächelte ich ihm schelmisch zu und begann mit dem Lindenberg Stück. Bei den ersten Klängen von "Ganz anders" vor ein paar Tagen drängte sich ein Solo mit dem Saxophon regelrecht auf. Zuerst waren meine Augen noch auf ihn gerichtet und ich konnte das wachsende Erstaunen darin sehr gut lesen, aber dann nahmen sich mein Ehrgeiz und die Begeisterung für das Spiel ihr Recht. Ich schloss meine Augen und sank vollkommen in die Musik ein – nur so konnte ich meine Variationen voll auskosten. Ein paar Minuten später verklangen die letzten Töne und ich öffnete meine Augen. Der Ausdruck in seinem Gesicht war Dank genug und sagte mehr als tausend Worte.

"Oh Gott, was für ein Talent", murmelte er heiser. So richtig konnte ich den Ausdruck in seinen Gesicht, der neben der Begeisterung zu sehen war, jedoch nicht deuten.

"Spiel bitte noch irgendwas", flüsterte er erwartungsvoll. Ich lächelte leicht siegesgewiss, denn ich wusste, dass ich eben einen neuen Fan gewonnen hatte. Achim hatte mir mal erklärt, was das Besondere an meinem Talent war. Ich hatte es nie so gesehen, denn für mich war es ja immer da. Neben meiner Begabung, dem Saxophon meinen "Willen" aufzuzwingen, hatte ich so etwas wie ein absolutes musikalisches Gehör. So wie manche Menschen ein photographisches Gedächtnis hatten, brauchte ich nur einmal eine Melodie zu hören und hatte sie abgespeichert. Das ging jedoch noch ein Stück weiter, denn ich konnte dieses Stück fast umgehend auf meinem Instrument wiedergeben – natürlich musste ich es ein oder zweimal üben, aber meistens interpretierte ich es beim zweiten Mal schon. Zu Hause hatte ich mich ein wenig mit der Lindenberg CD beschäftigt und versuchte es jetzt mal mit einem langsameren Stück.

"Unglaublich", entfuhr es Bernd und dann musterte er mich lange und intensiv. Mein siegessicheres Lächeln wandelte sich. Ich wurde nervös, sehr nervös. Dazu trug auch bei, dass Bernds Miene grimmig wurde. Er stand wortlos auf und zog sich fast hektisch an. Immer noch schweigend ging er in den Küchenbereich und machte sich erst einmal einen Kaffee. Eigentlich stand ich ziemlich verloren in dem großen Raum und meine Finger umkrampften nervös mein Instrument.

'Was war hier gerade passiert?', grübelte ich und kam nicht mal ansatzweise auf irgendeine Lösung. Mit einem Kaffee in der Hand lehnte er lässig an der Theke und schaute mich finster an.

"Warum bist du Escort?", knurrte er wütend. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was er wollte.

"Bengel, hast Du wirklich keine Ahnung, wie gut Du mit dem da bist?", fuhr er mich an. Sein Ton war so aggressiv, dass ich erschrocken zusammen zuckte. So kannte ich ihn nicht. Seine ganze Art jetzt forderte regelrecht meinen Trotz heraus.

"Mein Saxophon bringt mich nicht über den Winter", antwortete ich ihm angefressen. Es reichte mir, wenn ich mein schlechtes Gewissen selbst immer und immer wieder besänftigen musste, da konnte ich solche Vorhaltungen überhaupt nicht gebrauchen.

"Hast Du es überhaupt versucht?", schnappte er zurück.

"Versucht?"

"VERSUCHT??" So langsam wurde ich richtig sauer.

"Leck mich!" Hier war jedes Wort Verschwendung. Ich drehte mich um und verstaute mein Instrument. Wortlos schlüpfte ich schnell in meine anderen Sachen.

"Ich dachte, Du wärst was Besonderes, nicht nur irgendein Freier. Alles nur geheuchelt. Mir meine Käuflichkeit vorwerfen ist einfach nur erbärmlich, gerade wo Du sie ja gesucht hast. Ich zeig Dir voller Hoffnung meine große Leidenschaft und Du…" Auch wenn ich verdammt sauer war, verstand ich es immer noch nicht. Mit einem zornigen Blick wandte ich mich ab und stiefelte zur Tür.

"Halt!", knurrte es hinter mir, erschrocken fuhr ich herum, denn ich hatte ihn nicht kommen hören.

"Komm mit", fauchte er und seine Hand umschloss kraftvoll meinen Oberarm. Ich wollte mich losreißen, aber er schob ein "Bitte" hinterher. Wir verließen die Wohnung, aber strebten nur auf die Tür im selben Flur zu. Wieder öffnete eine Keycard dieses Reich. So gemütlich seine Wohnung aussah, so geschäftlich wirkte der erste Eindruck hier. Ein großer Konferenzraum befand sich rechter Hand und die komplett verglaste Fensterfront war auch hier ein echter Hingucker. Aber Bernd zerrte mich noch ein Stück weiter und stieß eine weitere Tür auf. Fast gleichzeitig glomm dezentes Licht auf, das den Raum in eine helle aber warme Atmosphäre tauchte. Benommen zuckte ich zurück. Das Besondere an diesem Raum war nicht der große elegante Schreibtisch, auch nicht die die komplette Wand mit Büchern, in die ein großer Plasma und eine luxuriöse HiFi Anlage integriert waren, nein der Hammer war die Ecke, in der über zwei Wände schwarz-weiß Bilder hingen. Es waren ausschließlich zweifarbige Bilder und deren Ansichten ließen mich schlucken. Eine Konstante hatten die Bilder und die war das Gesicht von Bernd, auf einigen etwas jünger, aber unverkennbar – tja und die Partner auf den Bildern waren durchgehend Pop- und Rockgrößen deutscher aber auch internationaler Herkunft. Ziemlich verwirrt und durcheinander begaffte ich die Fotos, dann drehte ich mich um und sah Bernd finster mit verschränkten Armen am Schreibtisch lehnen.

"Was machst Du eigentlich?", fragte ich unsicher. Seine finstere Miene hellte sich ein wenig auf.

"Privat oder beruflich?", hörte ich ihn lauernd fragen. Jetzt war es sehr offensichtlich, dass er mit mir spielte – die Frage war im Moment jedoch, wie lange schon.

"Privat natürlich", stieg ich mit ein.

"Verdammt süße Saxophonisten vernaschen", knurrte er, grinste frech, aber wurde dann wieder schlagartig ernst.

"Swing, ein Viertel davon hat nicht mal ein Zehntel Deines Talentes, aber sie haben es weit gebracht. Sie sind soweit gekommen, weil sie ein unerschütterliches krankhaftes Selbstbewusstsein haben, penetrant sind, jede noch so kleine Möglichkeit in ihrem Leben schamlos ausgenutzt haben und einfach manchmal nur gekämpft haben…"

Schlagartig war mir klar, worauf er hinauswollte.

"Vielleicht hatte ich diese eine kleine Chance in meinem Leben ja schon und habe nur einen anderen Weg gewählt. Was weißt Du schon von mir?" Und wieder blitzte ich ihn zornig an. Dieser Kerl hatte es nicht nur sexuell drauf mich aus der Bahn zu werfen, nein, mit ein paar Worten und Gesten lockte er mich aus meiner Reserve.

"Dann erzähl es mir?", forderte er mich auf einmal sanft auf. Zweifelnd sah ich ihn an.

'Scheiße, die ganze Sache war zum Geldverdienen gedacht und in beiden Fällen verlor ich die Kontrolle über mein Handeln.'

Stockend übernahm mein Mund die Entscheidung und fing an zu berichten. Ich gab ihm einen kurzen Abriss über meine Kindheit, den ständig wechselnden Heimen, den laufenden Kampf, bis Silke sich meiner annahm und für mich der Halt in meinem jungen Leben geworden war, Schule, das Kennenlernen von Achim, mein Outing, meine Abendschule und natürlich mein Wunsch, ab nächstes Jahr Musik zu studieren. Lange saßen wir uns nach meinen letzten Worten schweigend gegenüber.

"Bitte entschuldige meinen Ausbruch vorhin. Du bist sehr wohl ein Mensch, der weiß was er will", fing er leise an.

"Na ja, das mit dem Escort war von Anfang an eine Schnapsidee und überfordert mich eigentlich ziemlich", gab ich seufzend zu. Überrascht sah er mich an.

"Damit Du mich nicht falsch verstehst, ich liebe den Sex mit Männern oder Boys und ich hatte in den letzten Jahren sehr reichlich davon. Aber ich kann das einfach nicht auf einer beruflichen Ebene halten…", unterbrach ich mich.

"…ich hab ja nur zwei Personen, die mich buchen, aber trotzdem wird es immer komplizierter… Du verwirrst mich, Bernd, der Sex mit Dir ist nicht mehr nur mit Geldverdienen zu erklären", murmelte ich sehr leise weiter.

"Wollen wir unsere "Geschäftsbeziehung" beenden?", hörte ich ihn vorsichtig fragen, aber ich konnte ihn nicht anschauen. Die vernünftige Antwort wäre ein sofortiges und endgültiges Ja gewesen. Aber ich konnte, nein, vor allem wollte ich das nicht und der Grund war nicht das Geld.

"Ich weiß es nicht", gab ich verzweifelt zu.

"Swing?"

"Ja"

"Schau mich bitte an." Langsam hob ich meinen Kopf und sah in blaue unergründliche Augen. In seinem Gesicht konnte man nichts ablesen.

"Solch einen Menschen wie Dich kann man nicht kaufen, egal ob er sich Escort nennt oder nicht. Dass es Dir nicht im Blut liegt, mich gegen irgendwelchen Sex abzuzocken, habe ich in der ersten Minute gespürt, dafür bist Du viel zu ehrlich. Deshalb habe ich mich auch sehr gewundert, als wir dann doch zusammen im Bett gelandet sind – ich hatte es selbst als einen schönen aber unerreichbaren Traum abgehakt. Was ich von unserem Sex halte, hast Du sehr gut mitbekommen, aber ich will es Dir in aller Deutlichkeit noch einmal sagen. Du bist ein Traum für mich, egal ob nehmend oder gebend, in solcher Intensität habe ich den Sex bisher sehr, sehr selten erlebt. Aber da ich neben Deinem himmlischen Körper vor allem den Menschen kennen und schätzen gelernt habe, mache ich Dir folgenden Vorschlag."

'Was hatte er vor? Ich wollte diesen Mann irgendwie nicht verlieren, egal ob es die Gespräche oder der geile Sex war!'

"Ich möchte Dich sehr gerne weiter buchen, um es mal in diesen Escortslang zu sagen, aber ich zahle nicht mehr für den Sex, sondern einfach für Deine Anwesenheit oder was mir auch sehr am Herzen liegt, für ein paar Proben Deiner Musik. Das Flirten mit Dir werde ich nicht bleiben lassen können, dafür weckst Du viel zu viele Fantasien in mir, aber wie weit es geht, entscheidest nur Du, vollkommen ohne Zwang und Verpflichtung", erklärte er mir ernst und verdammt ehrlich. Die Entscheidung war bei mir schon längst gefallen, aber ich ließ ihn aus Rache ein wenig schmoren.

"Antworte, Kerl", knurrte er dann auch dementsprechend. Sehr ernst nahm ich seine Hand und zog ihn mit mir zum Konferenzzimmer, ein sehr teuflischer Gedanke war in meinem Hirn gerade aufgeblitzt.

"Man bist Du ein versautes Früchtchen", stöhnte er auf, als er sich unter meinen sanften Stößen ergoss.

"Reicht Dir so ein Ja", lächelte ich ihn frech an und entzog mich ihm vorsichtig.

"Fickt mich der Kerl auf meinen Konferenztisch", lächelnd schüttelte er seinen Kopf, sah aber sehr zufrieden aus. Minuten später saßen wir frisch geduscht zusammengekuschelt auf der Couch. Ich fühlte mich immer mehr geborgen bei diesem Mann.

"Warum warst Du vorhin so sauer?", wollte ich dann doch wissen.

"Weil Du viel zu schade für diesen Job bist", hörte ich ihn leise.

"Na ja", kommentierte ich nicht sehr überzeugt.

"Ich meinte es mit meiner Äußerung, bevor Du angefangen hast mit dem Saxophon zu spielen, sehr ernst, aber als ich dann merkte, was für ein Talent Du bist, konnte ich nicht begreifen, warum Du Deinen Körper verkaufen musst. Ich kenn so einige Talente, die alles in den Arsch geblasen bekommen – HÖR AUF ZU KICHERN! – und trotzdem keinen geraden Ton herausbekommen. Und ich war sauer auf mich, weil ich mir den Sex mit Dir gekauft habe."

"Hast Du nicht", murmelte ich.

"Das habe sogar ich mittlerweile kapiert."

"Trotzdem war ich gar nicht so sehr auf Dich wütend, sondern nur auf die ungerechte Welt im Allgemeinen. Ich hab Dich ziemlich in mein Herz geschlossen, nein sag nichts dazu, aber das macht die ganze Sache nicht gerade einfacher. Lass uns einfach die Zeit, die wir uns geben, genießen", fuhr Bernd fort.

"Damit kann ich leben, auch wenn ich mich schäme, bei Dir hierfür Geld zu nehmen", gestand ich ihm.

"He, das war geklärt. Für den Sex zahl ich nicht, dafür bist Du einfach zu schlecht", lächelte er.

"Ha, ha sehr witzig Herr Fast-Kreislaufkollaps", murmelte ich müde und kuschelte mich noch dichter an ihn. Langsam driftete ich in den Schlaf, die letzten Stunden war doch etwas anstrengend gewesen, geistig wie körperlich. Als er mich dann Stunden später mitten in der Nacht nach Hause brachte, war es draußen bitterlich kalt, der Winter stand nun wohl endgültig vor der Tür. Über die ganze Nacht wollte ich nicht bleiben und er versuchte mich auch nicht zu überreden.

"Brr" schüttelte ich mich, als ich aus dem Auto stieg.

"Man Swing, Du bist aber auch eine jämmerliche Frostbeule", neckte er mich.

"ICH HASSE den Winter", knurrte ich.

"Den Winter oder nur die Kälte?", hörte ich ihn.

"Winter ist Kälte, Dunkelheit, schlechtes Wetter und Trübsinn", murrte ich.

"Nicht unbedingt, mein süßer Swing, der so verfroren einfach zum Anbeißen ist", grinste er frech.

"Mein Name ist Devin und meine Freunde nennen mich Jazz", gab ich einen weiteren Teil meiner Identität preis.

"Hm, sehr einfallsreich, von Jazz auf Swing…", murmelte er nachdenklich und dann glitzerten seine Augen so komisch.

"…anderseits ist Swing nur ein Teil des Jazz… Somit könnte die Wahl des Nicknamens auch sehr hintergründig sein", sprach er weiter, schien dabei aber in Gedanken versunken.

"Ja, Swing ist einfach eine Vermarktungsvariante und Jazz ist viel, viel mehr", griente ich ihn nun frech an. Er stutzte kurz, dann beugte er sich leicht zu mir herüber.

"In Doppeldeutigkeiten bist Du kaum zu schlagen, mein kleiner Jazz", flüsterte er und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Dann wandte er sich um und verschwand mit seinem Wagen.

Das waren im Großen und Ganzen die letzten vier Wochen, wobei ich den heutigen Tag bisher sorgsam ausgespart hatte. In ihm kamen all die positiven und negativen Aspekte der Zeit davor konzentriert zusammen.

Am frühen Vormittag hatte mich Bernd angerufen und wollte mich dringend sehen. Er tat ziemlich geheimnisvoll und lud mich zum Mittag ein. Diese kulinarische Aufforderung konnte ich nun wirklich nicht ablehnen. Bei dem Nachtisch ließ er dann die Bombe platzen.

"Sag mal, Jazz, was machst Du über die Feiertage?", fragte er ziemlich harmlos.

"Frieren", grummelte ich.

"Hm"

Genau dieses "Hm" bzw. der Ton, in dem es ausgesprochen wurde, machte mich stutzig. Ich setzte meinen Durchbohr-Dusagstmiralles-Blick auf und schaute ihn sehr intensiv an. Da saß die unschuldigste Miene vor mir, nur wie er gerade mal wieder den Löffel ableckte, zeigte mir, dass da gerade nichts Jugendfreies in seinem Hirn herumspukte.

"Menno", quengelte ich. Irgendwas führte er doch im Schilde.

"Hättest Du Lust, mich zu begleiten?", fragte er vorsichtig.

"Als Escort?", rutschte mir postwendend heraus. Nachdenklich musterte er mich.

"Eigentlich wollte ich den kleinen Jazz mitnehmen, aber wenn ab und an der süße Swing das Zepter übernimmt, hätte ich auch nichts dagegen", flachste er dann herum.

'Und er erzählte mir etwas von Doppeldeutigkeit!', grinste ich in mich hinein.

"Devin, ich lade Dich ein, mich die Feiertage zu begleiten. Der Punkt mit dem Sex war für mich geklärt und dieses Angebot zählt auch nur, wenn Du nichts anderes vor hast bzw. nicht mit Freunden feierst. Die Kosten der Reise übernehme ich und gebe Dir auch ein kleines Taschengeld, aber ich möchte mir nicht Deine Dienste erkaufen sondern Dich freundschaftlich einfach einladen", schob er jedoch ein paar Sekunden sehr ernst hinterher. Da gab es nicht viel nachzudenken, denn ich würde die Tage eh alleine zu Hause in den kalten vier Wänden verbringen. Das brachte mich umgehend zur nächsten Frage.

"Und wo geht es hin?", fragte ich neugierig.

"Grönland", kam es trocken zurück. Mein Gesicht musste mehr als tausend Worte sagen, denn Bernd konnte sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen.

"Also kommst Du mit?"

"Erst wenn ich weiß, WO es hingeht!", quengelte ich nun wieder.

"Hast Du einen gültigen Reisepass?", kam die Gegenfrage.

"Ja, habe ich, denn Silke…", brach ich ab und fasste mir gedanklich an den Kopf. Erst jetzt wurde mir klar, was sich hier gerade anbahnte und die Folgen, die daraus entstehen würden. Zwar war ich die letzten Jahre, seit dem ich aus dem Heim heraus war, zu den Feiertagen alleine, aber am 2. Weihnachtsfeiertag und zu Neujahr unternahm ich mit meiner großen "Schwester" immer etwas zusammen.

"Scheiße", murmelte ich.

"Was ist?"

"Ich muss es ihr sagen", flüsterte ich niedergeschlagen.

"Oder Du kommst nicht mit und bleibst Weihnachten wieder alleine?!", legte mir Bernd die andere Möglichkeit da.

"Nein, ich würde gerne mitkommen. Irgendwann hätte sie es eh herausbekommen, aber mir schien es halt noch in soooo weiter Ferne", seufzte ich. Während der Fahrt zu mir nach Hause grübelte ich intensiv, wie ich am besten die Sache erklären konnte. Leider wollte sich der ultimative Geistesblitz nicht einstellen. Bernd begleitete mich zur Haustür und verabschiedete sich dann.

"Ich ruf Dich morgen an, ok?" Er gab mir die Hand und ich reagierte sehr emotional. Kurz schaute ich mich um und zog ihn mit mir in den Hauseingang. Dann trat ich dicht an ihn heran und seine blauen Augen hinter der schmalen Brille wurden immer größer. Ich wollte ihn jetzt küssen, einfach so. Sachte legte ich meine Lippen auf seine, die heiß und trocken waren. Als ich meine Zunge sachte über sie gleiten ließ, entspannte sich Bernd ein wenig und öffnete seine Lippen. Nach Sekunden übernahm er die Initiative und es entwickelte sich ein sehr stürmischer Kuss. Etwas atemlos lösten wir uns wieder. Seine Augen glitzerten.

"Mein lieber Jazz, Du bist doch immer wieder für eine Überraschung gut", lächelte er mich an.

"Ich melde mich", schob er noch hinterher und verschwand. Unter der Dusche fiel mir dann ein, dass er mir immer noch nicht gesagt hatte, wo es hingehen sollte. Na ja, morgen bei dem Telefonat musste er spätestens Rede und Antwort stehen. Und dann klingelte einer Sturm an meiner Tür, nein nicht einer, sondern…

…ER!

Ich hatte schnell begriffen, dass er mich eben mit Bernd gesehen haben musste. Was tauchte er hier auch so unangemeldet auf? Außerdem hatte ich gar keine Lust auf Sex, aber ein Blick in sein Gesicht und der Zorn, den ich darin sah, weckte meine Begierde. Erst sein Satz "Du gehörst mir" hatte mich sehr aus der Bahn geworfen. Diese Eifersucht, die in seinen Augen glühte war mir unbegreiflich und brachte etwas ganz anderes in mir zum Schwingen. Meine Gefühle brodelten in mir, aber als ich den anderen Ausdruck in seinem Face erkannte, der dort genauso lauerte, erstickte ich es im Keim.

Vor mir stand nur ein trotziger verwöhnter Bengel, der bisher alles in seinem Leben bekommen hatte, was er wollte und den holte ich jetzt erbarmungslos in die Realität zurück. Trotz einer gewissen Genugtuung tat es mir weh, deshalb warf ich ihn im Anschluss auch hochkantig heraus – ich war mir meiner Gefühle nicht mehr sicher, überhaupt nicht mehr.

Der nächste emotionale Tiefpunkt stand mir zudem auch noch bevor, denn Silke hatte einem gemeinsamen Abend zugestimmt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich anfangen sollte. Wir trafen uns auf dem Weihnachtsmarkt. Wortlos schlenderten wir die ersten Minuten dahin. Bei mir wanderte schon wieder die Kälte die Beine hoch.

"Jazz, Du frierst ja jetzt schon. Komm, ich geb Dir nen Glühwein aus", brach Silke die Stille.

"Ich lad Dich ein", murmelte ich. Verwundert sah sie mich an. Ein paar Minuten später umschlangen meine Finger einen heißen Plastikbecher und die ersten Schlucke erwärmten mich langsam von innen.

"Jazz, was ist mit Dir los?"

"Nichts"

"Hör auf damit", brubbelte sie.

"Ich kenn das zu Genüge von Dir. Wenn Du pleite bist oder Dich irgendwas beschäftigt, dann vergräbst Du Dich und man kommt kaum an Dich heran. Da Du mir aber gerade einen Glühwein ausgegeben hast, kann es nicht das Geld sein", sagte sie. Nervös schaute ich sie an, das wurde hier noch schwerer als von mir schon angenommen. Ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen sollte.

"Und seit dem Tag im Krankenhaus gehst Du mir aus dem Weg. Ist ER der Grund?", bohrte sie jetzt nach und sah mich durchdringend an. Ganz konnte ich mein Zusammenzucken nicht verhindern und ein kleines triumphierendes Lächeln zierte ihr Gesicht.

"Ein hübscher Kerl ist es jedenfalls", versuchte sie mich endlich zu einer Reaktion zu ermuntern und grinste mich frech an. Leider war sie jedoch mit Anlauf in ein Fettnäpfchen gesprungen, nur wusste sie es nicht, noch nicht…

"Es ist sehr viel komplizierter, als Du Dir nur vorstellen kannst", murmelte ich unbehaglich.

"Du hattest recht mit Deiner Vermutung, dass ich pleite bin…, hm war…", fing ich stockend an und wandte mein Blick auf den Becher Glühwein vor mir.

"Devin?", hörte ich sie alarmiert.

"Ich habe meinen Aushilfsjob verloren und es war einfach nichts anderes zu bekommen. Dann hat mir jemand vor ein paar Wochen eine Möglichkeit gezeigt, ein paar Mäuse zu verdienen", murmelte ich weiter und wurde immer leiser.

"Ja?", kam jetzt von ihr schon etwas schriller.

"Leider hat mich das Ganze in ein totales Chaos gestürzt", hauchte ich nun fast tonlos.

"Jazz, WAS machst Du?"

"Klaust Du, vertickst Du Drogen… Schau mich bitte an!", sagte sie ziemlich aufgebracht. Vehement schüttelte ich bei ihrer Aufzählung den Kopf, aber ansehen konnte ich sie trotzdem nicht.

"Ich arbeite seit ein paar Wochen als Escort", presste ich mühsam zwischen meine Lippen hervor.

"Oh", hörte ich sie sehr leise. Düsteres Schweigen senkte sich über uns. Nach einer Weile schaute ich dann doch auf, aber sie hatte ihren Blick gesenkt und spielte mit ihrem Glühweinbecher.

"Warum bist Du nicht zu mir gekommen?", flüsterte sie und wich meinem Blick aus.

"Weil Du gerade genug verdienst zum Leben."

"Aber das Du Deinen Körper…, ähm Dich…", stotterte sie etwas vor sich hin.

"Verkaufst", nahm ich ihr dann die Entscheidung, das richtige Wort zu sagen, ab und ihr Kopf schoss nach oben. Niedergeschlagen und traurig sah sie mich an.

"He, es war meine Idee."

"Nein, wohl eher nicht und ich kann mir denken, wer dahinter steckt, aber das ändert nichts daran, dass ich mich wie eine Versagerin fühle. Seit dem ich Dich das erste Mal gesehen habe, als tollwütiger kleiner Kobold im Heim, habe ich Dich in mein Herz geschlossen und fühle mich verantwortlich. Nur wird mein kleiner Jazz wohl langsam erwachsen", murmelte sie niedergeschlagen.

"Silke", flehte ich fast, denn ich konnte ihre Wehmut körperlich fühlen.

"Nein, lass mich ausreden. Ich kann Dein Handeln nicht kontrollieren und will es auch nicht, aber ich hätte mir gewünscht, dass Du vorher mit mir redest und wir vielleicht gemeinsam eine Lösung suchen", fuhr sie ernst fort. Alles wäre leichter zu ertragen gewesen, jedes Herumgeschreie oder ein zorniges Kopfwaschen, als diese maßlose Enttäuschung in ihrem Gesicht, aber ich hatte es ja schon geahnt.

"Es war eh eine Schnapsidee gewesen", murmelte ich.

"Jazz verkauf mich bitte jetzt nicht für dumm", hörte ich sie nun doch ärgerlich.

"Wie bitte?"

"Ich kenn Dich viel zu lange, um nicht zu wissen, dass Du mir es nie gebeichtet hättest, wenn nicht irgendwas passiert wäre", durchschaute sie mich mühelos.

"Ja ist es, aber ein Schnapsidee war es trotzdem", antwortete ich trotzig. Schweigend sah sie mich an und stockend fing ich an zu erzählen. Dabei informierte ich sie nur über Bernd, Anakin ließ ich einfach weg. Ich hätte nicht gewusst, wie ich dieses Verhältnis beschreiben sollte.

"Und was willst Du nun von mir hören?", kam ihre Reaktion, als ich meinen kleinen Monolog beendet hatte. Auf diese Frage hatte ich keine Antwort und hielt lieber meine Klappe.

"Jazz, Du bist alt genug und wenn Du denkst, dass der Mann okay ist, dann fahr mit ihm", sagte sie niedergeschlagen. Das war alles – das sollte ihre ganze Reaktion sein. Verblüfft schaute ich sie an.

"Ja, was hast Du denn gedacht, was ich jetzt mache? Das ich hier herumschreie, Dir die Reise verbiete?", fuhr sie auf, als sie mich ansah.

"Du erzählst nicht die ganze Wahrheit, ich kenn den Mann doch gar nicht und außerdem willst Du doch meine Meinung gar nicht hören…", redete sie weiter und ihr Ton wurde um einiges aggressiver.

"…sonst wärst Du vorher gekommen. Wenn Du bereit bist, mir alles zu erzählen, welche Rolle zum Beispiel Anakin bei der Sache spielt, dann ruf mich an", schloss sie ernst ihre Ansprache und drehte sich um.

"Warte", murmelte ich tonlos. Zögernd blieb sie stehen.

"Können wir irgendwo ins Warme gehen, es ist eine längere und vor allem kompliziertere Geschichte", bat ich sie.

Gut zwei Stunden später hatte ich mich bei ihr zu Hause vollkommen ausgekotzt und fühlte mich leichter. Sie hatte mich nicht einmal unterbrochen und ihre Miene war regungslos.

"Fahr mit diesem Bernd wo auch immer hin. Er scheint in Ordnung zu sein und Dir werden die paar Tage gut tun und Dich auf andere Gedanken bringen", sagte sie dann sehr warmherzig. Etwas erstaunt sah ich sie nun doch an und sie zuckte leicht lächelnd mit ihrer Schulter.

"Das ist zwar das erste Mal nach fast 12 Jahren, dass wir beide Weihnachten nicht zusammen feiern, aber ich werde es verkraften", meinte sie und das Lächeln wurde etwas schief.

"Dann feiern wir eben nach", versuchte ich sie aufzumuntern.

"Tja und Anakin, mein lieber Jazz, Du liebst ihn", haute sie mir dann ziemlich ernst um die Ohren.

"Waaaas?", fuhr ich erschrocken auf.

"Spinnst Du!"

Ihr Lächeln hatte sich in ein kleines wissendes gewandelt.

"Das kann, nein, dass darf nicht sein", flüsterte ich total erschüttert, aber tief in mir spürte ich, dass Silke der Wahrheit sehr nahe kam.

"Das ist doch total verrückt", seufzte ich verwirrt, als mir die Bedeutung klarer wurde.

"Denk darüber nach und dann klär es mit Anakin. In Deinem Vortrag ist er wirklich nicht gut weggekommen und er mag auch ein Arschloch sein, aber irgendetwas zieht ihn zu Dir, ansonsten würde er nicht immer und immer wieder bei Dir aufschlagen", riet sie mir.

So vernünftig sich das auch alles anhörte, aber zurzeit wollte ich diesen Typen nicht wiedersehen.

"Und wehe, Du schreibst mir keine Ansichtskarte", brubbelte sie dann bei der Verabschiedung und drückte mir einen feuchten Schmatzer auf die Wange.

"Mal schauen", grinste ich spitzbübisch und weg war ich. Die Nacht verlief dann doch sehr unruhig. Dies resultierte nicht aus meiner Aufregung vor der bevorstehenden Reise sondern lag vielmehr in den Worten von Silke zu Anakin begründet. Am nächsten Tag meldete sich Bernd und war sehr erfreut, als ich nun mein endgültiges Einverständnis gab. Leider war ihm das Reiseziel kurzfristig entfallen, behauptete er doch frech am Telefon. Er konnte froh sein, dass er nur am Telefon war, sonst hätte ich das mit sexueller Verführung schon aus ihm herausgekitzelt. Der einzige Hinweis war – Badehose!

Na super! Wenigstens schien es doch nicht nach Grönland zu gehen, dem Mann traute ich mittlerweile alles zu. Dann ging alles verdammt fix. Am nächsten Tag holte er mich am frühen Morgen mit dem Auto ab und weiter ging es zum Flughafen nach Frankfurt. Die Boardkarte gab er mir nicht – ich bekam einfach nicht das ZIEL heraus. Dafür hatte er mich doch wirklich gebeten, mein Saxophon mitzunehmen. Im Flieger beugte er sich leicht zu mir herüber, aber ich schaute weiter aufmerksam aus dem Fenster. Immerhin war das mein erster Flug und ich wollte nichts davon verpassen.

"Und mein süßer Jazz gar nicht neugierig, wo es hingeht?", hörte ich ihn leise in mein Ohr flüstern, dabei knabberte er doch wirklich an den Ohrläppchen. Okay, die erste Klasse war nicht sehr ausgelastet, aber solch offene Zuneigungsbekundungen war ich nun von ihm nicht gewohnt. Aber zuerst blitzte ich ihn mal wegen seiner Aussage an.

"Oh je, so ein wenig wütend bist Du noch viel begehrenswerter", hauchte er. Diese Aussage rief in mir eine Frage hervor.

"Wie soll ich eigentlich auftreten, da wo wir hinfliegen, wo auch immer das sein mag?", knurrte ich.

"Wie meinst Du das?"

"Na ja, bist Du geoutet und soll ich Dich öffentlich niederknutschen oder vielleicht im Pool ein wenig…?", grinste ich ihn frech an. Bernd lief doch wirklich rosa an.

"Ich lebe nicht versteckt, binde es aber auch nicht jedem auf die Nase. Da, wo immer es auch ist…", fing er an und neckte mich ein wenig.

"…fahr ich seit mehreren Jahren zu den Feiertagen hin und man kennt mich dort, aber ich war noch nie in so süßer und hübscher Begleitung wie dieses Jahr. Trotzdem würde ich unsere Liebesbekundungen, welcher Art auch immer und falls Du überhaupt möchtest, auf unsere Apartments beschränken. Das hat zwei Gründe, erstens stoßen wir dort keinen vor den Kopf und zweitens habe ich Dich als Freund zu der Reise eingeladen und nicht, um es täglich mit Dir im Whirlpool zu treiben", grinste er mich nun frech an. Schon bei seiner Behauptung von "süß und so" war ich ein wenig rot angelaufen und wie er das Wort Whirlpool aussprach, zeigte mir, dass es wohl doch dazu kommen würde.

"Also ist das Urlaubsziel dort eher ein Altersheim", konnte ich mich dann nicht zurück halten.

"Jo, ich bin mit Abstand das Knackigste da", konterte er sofort. Seine Augen glitzerten gefährlich. Ihm machte das tierischen Spaß, mit mir zu spielen.

"Pff", machte ich und sah wieder aus dem Fenster.

"Genieß den Flug, mein Kleiner und lass Dich überraschen", hörte ich noch und dann schnappte er sich ein Buch. Nach einer Stunde fing der Flug an, mich zu langweilen. Außer einer Wolkendecke war nichts zu sehen. Somit schnappte ich mir meinen MP3-Player und vertiefte mich noch einmal in die Musik von Bernd. Da gab es doch wirklich ein paar Lieder, die man wunderbar mit dem Saxophon interpretieren konnte. Zwischendurch gab es was zu Essen, man konnte ein paar Filme anschauen, gab es wieder was zu essen und ich schlief beim Musikhören immer mal wieder ein. Irgendwann fummelte Bernd an mir herum und legte mir den Gurt an.

"Hmmm", murmelte ich im Halbschlaf.

"Wir landen gleich."

Die Aussage weckte meine müden Lebensgeister und neugierig schaute ich wieder aus dem Fenster. Tja, dumm gelaufen, tiefste Dunkelheit empfing mich. Ein paar Lichter waren ganz weit unten schon zu erkennen, aber draußen war es Nacht. Hinter mir kicherte jemand ziemlich schaden froh.

"Meine lieben Fluggäste in wenigen Minuten setzen wir zur Landung auf Male an. Ich hoffe, sie hatten einen angenehmen Flug und die Crew wünscht ihnen einen angenehmen Aufenthalt auf den Malediven", ertönte es auf einmal aus den Bordlautsprechern und mein Grinsen wurde immer breiter.

"Grr", grummelte nun dieser schadensfrohe Typ ärgerlich neben mir.

"Was wir wohl auf den Malediven wollen?", fragte ich süffisant.

"Jedenfalls nicht frieren!", antwortete er und hatte schon wieder Oberwasser. Die Abfertigung ging ziemlich schnell von statten.

"Mister Konrad?", wurden wir höflich angesprochen.

"Yes", antwortete Bernd.

"Wenn es in zwei Stunden hell wird, können wir weiter. Wünschen Sie noch irgendwo einen Zwischenstopp zu machen?"

"Ja, bringen Sie uns zu einem gemütlichen Cafe, damit wir eine Kleinigkeit frühstücken können und nach dem Gesöff im Flieger einen ordentlichen Kaffee bekommen", gab er seine Anweisungen.

"Würden Sie mir bitte folgen", meinte der junge Mann und in seinem Schlepptau erreichten wir einen Van. Als wir den klimatisierten Flughafen verließen, traf mich die Wärme völlig unvorbereitet. Mein Körper war noch immer auf Winter und Kälte eingestellt. Innerhalb von Sekunden schwitzte ich, aber das war mir tausend Mal lieber, als die Schweinekälte bei unserem Abflug. Als ich mir in dem Cafe, was eher ein Hotel war, eine große Portion Rühreier auf den Teller schaufelte, grinste Bernd nur ziemlich anzüglich.

"Wer weiß, was mich noch alles erwartet", nuschelte ich. Der Morgen kam dann sehr schnell, innerhalb von Minuten war es hell. So was wie einen Übergang in Form der Morgendämmerung schien es hier nicht zu geben. Und obwohl es ja noch sehr früh war, hatte die Sonne schon Kraft und brannte mir auf den Pelz. Eine halbe Stunde später saßen wir in einem Wasserflugzeug und flogen über ein paar Inseln oder Atolle, wie man wohl auch dazu sagte. Nach dem ruhigen Flug in der großen Maschine war das Durchschütteln in diesem kleinen Wasserfloh sehr gewöhnungs- und magenbedürftig. Allein die herrliche Aussicht aus dem Fenster entschädigte ein wenig. Das Wasser war so strahlend blau und kristallklar, die meisten Atolle von so weißem Sand gesäumt, dass das hier das sprichwörtliche Badeparadies schien. Bernd gab mir noch ein paar Tipps, wie die ersten Tage nicht zuviel nackte Haut zu zeigen, damit ich dem obligatorischen Sonnenbrand bestmöglich aus dem Weg ging. Kein FKK, wobei er ziemlich dreckig grinste, das sei hier strikt verboten. So verging der Flug schnell und wir landeten vor einem dieser herrlichen Sandstrände. Das Flugzeug machte an einem langen Steg fest und endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füssen. Da Bernd sich hier wie zu Hause fühlte und das Personal ihn sehr höflich wie einen alten Freund begrüßte, kam mir die Umgebung zwar immer noch etwas unwirklich vor, aber ich fühlte mich sofort wohl. Die Unterkunft war einfach eine Wucht, zwei Apartments direkt neben einander, mit gemeinsamer Terrasse, riesigem Bad und Verbindungstür. Anschließend führte mich Bernd in der Anlage herum und meine Augen kamen mit dem Aufnehmen der ganzen Schönheit gar nicht hinterher. Natürlich hatte die Anlage ihren direkten Zugang zum Strand, allein von unserer Terrasse waren es nur ein paar Meter zum Wasser. Ein Eintauchversuch mit dem Zeh zeigte mir, dass auch Weltmeere warm sein können. Der Sand unter meinen nackten Füssen war warm und obwohl mir die Sonne nun schon sehr auf den Kopf knallte, fand ich die Luft angenehm und nicht schwül. Ein Highlight in meinen Augen war jedoch die Poolanlage. Wie es wohl anders nicht sein konnte, prangte eine Bar mitten im Wasser. Faszinieren tat mich jedoch eine kleine Halbinsel, die in den Pool hineingebaut worden war. Unter Palmen und einem weißen Zeltdach stand ein herrlicher weißer Flügel.

Ansonsten war die Anlage sehr weitläufig, aber für nicht so viele Gäste vorgesehen. Die Möglichkeiten waren fast unbegrenzt, von Tauchen, Jetski, Beachvolleyball über Minigolf, Fitnessgeräten, Poolbillard zu einem ständigen Fressen an einem herrlichen Büffet mit Südfrüchten, Fisch, Fleisch – es schien nichts zu geben, was es nicht gab. Und auch wenn alles sehr exklusiv war, die Stimmung war locker und das Personal sehr freundlich und zuvorkommend.

"Oh man, das ist der absolute Wahnsinn", murmelte ich, als wir am Strand an der zweiten Bar saßen und irgendein exotisches Mixgetränk schlürften. Mich beschäftigte ein wenig mein schlechtes Gewissen, denn diesen Urlaub hatte ich so nicht verdient. Dementsprechend müssen wohl meine Zweifel auch in meinem Gesicht abzulesen gewesen sein.

"Jazz, genieß einfach die Zeit hier. Ich will auch keine Dankesorgien hören oder Dich hieraus zu irgendetwas verpflichtet sehen – Deine strahlenden Augen sind mir Dank genug. Deine Anwesenheit hier war von mir ersehnt und ich habe bis jetzt noch keine Sekunde bereut. Ich glaube, das wird mein kurzweiligster Urlaub hier, den ich je hatte", lächelte er mir aufmunternd zu. Und dann beschäftigte er mich den ganzen Tag. Ich hatte nicht gedacht, wie viel Energie in soooo einen "alten" Mann stecken kann. Jedenfalls fiel ich abends todmüde ins Bett und schlief wie ein Murmeltier. Am frühen Morgen rächte ich mich dann ein wenig, als ich ihn in seinem Bett überraschte, aber so unter einer sommerlichen Sonne machte der Sex um einiges mehr Spaß…

Die nächsten drei Tage flogen nur so dahin und auf Grund der Tipps von Bernd gewann ich langsam aber ohne einen Sonnebrand an Farbe. In die Grundzüge des Schnorcheln wies er mich auch ein, zockte mich beispiellos beim Billard und Minigolf ab und aus "Rache" schubste ich ihn ein paar Mal vom Jetski. Kurzum, ich genoss die Stunden in vollen Zügen und die Sonne vertrieb meine trübe Stimmung. Die Anlage füllte sich auch langsam, fast halbtäglich landete das Wasserflugzeug oder legte ein Boot an und spuckte neue Gäste aus. Zu meinem Wunder war es doch wohl kein verkapptes Altersheim sondern eine gesunde Mischung durch alle Alterschichten. Nur so was richtig Schnuckliges war nicht dabei bzw. Bernd beanspruchte mich doch sehr, wobei der Anstoß immer von mir kam. Die Sonne ließ einfach die Hormone viel mehr kochen.

Wir hatten heute den 21. Dezember und nur noch 3 Tage bis Heiligabend. Anderseits wollte gar keine rechte Weihnachtstimmung aufkommen bei diesen Klimaverhältnissen. Ich bekam gerade wieder eine Lehrstunde beim Poolbillard und quengelte mit Bernd herum. Mit einem trotzigen Gesicht versuchte ich ihn aus seiner Ruhe zu bringen und meine Finger neckten ihn.

"Hör auf Bengel, ich muss Dir doch mal den Hintern versohlen", knurrte er und konzentrierte sich neu.

"War das ein Angebot?", fragte ich lauernd.

"Jazz, nicht schon wieder", stöhnte er gespielt auf.

"Ich weiß gar nicht, woraaaaan Du schon wieder denkst!", grinste ich ihn frech an.

"Du suchst ja nur eine Beschäftigung, wo Du mithalten kannst", kam die prompte Antwort.

"Pff", zickte ich herum, aber nun brachten mich seine Finger zum Lachen. Er hatte die Stellen schon längst verinnerlicht, an denen ich verdammt kitzlig war. Mit Tränen in den Augen und kaum Luft bekommend, entwand ich mich ihm endlich und konnte mich nur langsam beruhigen. Mein Blick wanderte zum Eingang und mein Lachen brach wie abgeschnitten ab. Benommen schüttelte ich meinen Kopf, denn was ich da sah, war nicht möglich…

…auch wenn die großen eisgrauen Augen hinter einer schmalen Brille fassungslos in meine Richtung, seine halblangen braunen Haare ihm wild im Gesicht hingen, war mein erster Gedanke…

'Man sah er sexy mit der Brille aus!'

Und dann schlug die Bombe endgültig bei mir ein.

Er war HIER.

ER…

Anakin

Drei Tage waren nun seit unserem letzten Zusammentreffen vergangen. Und zwei Tage seit dem ich bei ihm vor der verschlossenen Tür gestanden hatte. Ich wusste nicht, was mit mir los war...

Und wieder ein Lüge!

Ich wusste sehr wohl, was mit mir los war.

Mir hatten schon mehr Personen mehr oder weniger ungeschminkt die Wahrheit gesagt - nur war das damals nicht wichtig, weil es durchweg Pissnelken waren. Dieser Junge jedoch...

'…ist ein Stricher!', rief ich mich innerlich zu Ordnung und lachte hämisch auf. Er verkaufte sich für Geld!

Und warum war ich dann so tierisch eifersüchtig, warum nur??

Scheiße, ich vermisste seinen Körper, seine Finger. Ich sehnte mich nach seinem besten Stück, wie gerne würde ich ihn jetzt in mein Bett zerren, weg von hier, mit ihm allein sein...

Und da waren sie wieder! Mein Wünsche, meine Träume, all das was mit der Realität so unbarmherzig kollidierte. Seit dem ich Devin kannte, lebte ich in zwei Welten und er hatte diese knallhart aufeinanderprallen lassen, hatte meine Illusionen zerstört.

Genau das war mit mir los! Das erste Mal in meinen Leben bekam ich nicht, was ich wollte. Natürlich gab ich IHM die Schuld dafür. Und genau an diesem Punkt trafen die Welten wieder aufeinander - ich gab ihm die Schuld für einfach alles, aber sehnte mich nach ihm, ich verzehrte mich regelrecht. Gequält stöhnte ich auf.

"Mü?", hörte ich Nadine leise neben mir. Mit trübem Blick sah ich sie an. Das war heute eine bekloppte Idee gewesen, mit den Anderen in den Club zu gehen. Aber ich wollte einfach auf andere Gedanken kommen, weg von den bescheuerten süßen Rehaugen.

"Was ist mit Dir nur los?", fragte sie vorsichtig. Zweifelnd sah ich sie an - so wie ich die letzte Zeit immer mürrischer geworden war, schien sie regelrecht aufzublühen.

"Wollen wir irgendwo hingehen und reden?"

'Worüber sollte ich denn mit ihr reden?' Andererseits kam Frank gerade wieder auf uns zugeschwankt und seine dummen Sprüche würden heute mit großer Wahrscheinlichkeit noch zu einer unfeinen Angelegenheit werden.

"Okay", nahm ich ihr Angebot an und wir waren schnell verschwunden. Frank lallte uns noch irgendetwas hinterher, aber seine zunehmende Alkoholsucht interessierte mich Null. Eine halbe Stunde später saßen wir in einem MC-Doof und ich spielte mit einem Pappbecher Kaffee.

"Und was verhagelt Dir so die Suppe?", fragte sie neugierig.

"Und was lässt Dich wie ein Honigkuchenpferd seit Tagen erstrahlen?", brubbelte ich zurück.

"Gut, dann fang ich an", gab sie sich geschlagen. Wenigstens schien es bei ihr noch zu funktionieren, meine wohl gerühmte Macht über andere.

"Ich habe vor Wochen Jemanden in Mannheim kennen gelernt", strahlte sie mich an.

'Oh Gott, bitte verschon mich mit deinem Glück', stöhnte ich innerlich auf.

"Sie ist einfach wunderbar. Wir haben uns von Anfang an verstanden und ich liebe sie", fuhr sie total entzückt fort.

"Bitte, nicht", brach es aus mir heraus. Ich wollte das nicht mehr hören.

"Anakin, sprich mit mir", kam es dann sanft von ihr.

"Was soll das bringen?", murmelte ich gequält.

"Vielleicht noch mehr Schmerzen, noch mehr Trübsinn, aber eventuell auch etwas Erleichterung. Anakin, ich kenn Dich nun schon so lange und gerade die besondere Situation zwischen und mit uns beiden, hat mir eine Seite gezeigt, die Andere nie kennenlernen durften. Du hast keinen, mit dem Du über gewisse Sachen reden kannst außer mir", redete sie weiter leise auf mich ein.

"Eigentlich ist es nichts aufregendes", fing ich langsam und stockend an. Aufmunternd zwinkerte sie mir zu, aber ich senkte meinen Blick wieder auf meine Finger.

"Du erinnerst Dich an den kleinen Saxophonisten auf dem Flohmarkt?", fragte ich leise zweifelnd.

"Der süße Schwarzhaarige mit den fantastischen brauen Rehaugen", brach sie fast in Verzückung aus. Überrascht sah ich sie nun wieder an, das war Wochen her?!

"Also Mü, ich steh zwar auf Frauen, aber wenn ich zwischen ihm und Dir wählen sollte, tja...", lächelte sie leicht.

"Na vielen Dank", knurrte ich. Das gab mir doch schon wieder einen kleinen eifersüchtigen Stich.

"Er arbeitet als Stricher", kam meine gehässige Antwort.

"Wie bitte?", entwich ihr und sie sah mich entsetzt an. Mein fieses Grinsen sollte reichen.

"Ich hatte ja noch nie sehr viel Verständnis für Deine Art des praktizierenden Sex's, aber sie war praktikabel und ihr Männer denkt nun mal mehr mit eurem besten Stück. Außerdem ist das ja nun wirklich Dein Geld und Deine Sache, aber der Süße...", schob sie nach.

"Von wegen Süßer...", zischte ich und zog dann mächtig vom Leder. Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, aber ich ließ nicht viel Gutes an Devin. Zu meinem ganzen Frust, meiner Eifersucht kam die Enttäuschung darüber, dass er meine Träume platzen ließ. Als ich endlich fertig war, lächelte mich Nadine an.

"Hast Du ihn mal gefragt, warum er das macht?"

"Was macht?", fragte ich verständnislos.

"Den Escortdienst?"

"Natürlich des Geldes wegen", stellte ich gehässig fest.

"Das scheint auf der Hand zu liegen", antwortete sie, sah mich nun aber ernst und herausfordernd an.

"Und davon hat er reichlich von mir bekommen!", schnappte ich zurück.

"Wirklich?"

"Also 150 die Stunde find ich nicht wenig."

"Okayyyy", zog sie das Wort so lang, als dass es alles andere als in Ordnung war. Finster blitzte ich sie weiter an.

"Und wofür genau, nach Deiner Ansicht, brauch er das Geld?", hakte sie nach. Jetzt stutzte ich doch ein wenig.

"Na wofür schon, Klamotten, CD's, allen möglichen Schnickschnack", antwortete ich, aber nicht so richtig überzeugt.

"Also, mein lieber Herr Müller, zwei Sachen habe ich ziemlich genau vor Augen, dass war eine kleine Schale mit Münzen, die er mit einer blutigen Lippe standhaft gegen einen Kerl, der 5 Nummern größer war als er, heroisch verteidigt hat und...", machte sie eine kleine Pause und sah mich herausfordernd an.

"Im Gegensatz zu Dir schaue ich auf eine Hose, nicht um die Größe seines Schwanzes zu erkunden, sondern um die Klamotten zu taxieren. Diese waren zwar sauber aber haben alle schon bessere Zeiten gesehen", setzte sie mir nun verdammt zu.

"Seine Schwanzgröße konnte man damals nicht mal erahnen", verteidigte ich mich halbherzig, aber mein Trotz verfing nicht. Genervt verdrehte sie die Augen.

"In meinen Augen braucht der Boy das Geld für lebenswichtige Sachen und deshalb...", brach sie unvermittelt ab.

"Ja?", rutschte es mir dann doch neugierig heraus.

"Man schalte mal Dein Hirn ein, Anakin. Wenn er so auf das Geld angewiesen war, warum ließ er Deines öfter mal liegen?"

"Weil er mich reizen wollte, weil..., weil..., ach was weiß ich", antwortete ich verwirrt.

"Dich reizen? Hm, könnte auch sein, aber ich denke da an etwas anderes. Was mich nun zwangsläufig zu Deiner Person bringt!", ließ sie nicht locker.

"Zu mir?"

"Ja! Warum hast Du Dich denn immer und immer wieder mit ihm getroffen, wenn er doch so ein Arsch war!", stieß sie den Dolch ganz leicht in meine Brust.

"Warum wolltest Du sogar zu ihm nach Hause und hast es da mit ihm getrieben?", übte sie mehr Kraft auf den Dolch aus, so dass er fast mühelos vorwärts glitt.

"Und warum bist Du so verdammt eifersüchtig, wenn jemand, egal ob dieser ältere Kerl oder ich, über DEINEN Süßen ein positives Wort verliert oder ihn leidenschaftlich küsst?", traf sie jetzt unvermittelt mein Herz und ich konnte mich nicht wehren.

"Weil Du ihn liebst!", sagte sie mit sanfter Stimme, drehte aber gleichzeitig den Dolch in meiner Brust herum.

"Waaaaaaaaaaaaas?", keuchte ich entsetzt auf. Ihr Lächeln drückte soviel Verständnis aus.

"Du spinnst doch!"

"Und ich habe da so eine leichte Vermutung, dass Dein Süßer auch...", fing sie schon wieder an.

"HÖR AUF!", schrie ich sie an. Erschrocken zuckte sie zurück.

"Es können nicht alle so frisch verliebt und glücklich durch die Gegend laufen. Ich hab mir nen Escort gekauft und er hat mich verarscht. PUNKTUM!", zischte ich weiter. Diesen Unsinn hörte ich mir nicht länger an.

"Nimm Dir nen Taxi", fauchte ich zum Abschied und ließ sie einfach sitzen. Das hatte ich nun davon, dass ich jemanden mein Herz ausschüttete. Was hatte ich denn auch erwartet? Die Lösung meines Problems?

Mein Problem hatte schwarze Haare, eine süße Stupsnase, schmale Kusslippen, die wohl WIE schmecken würden, lange schwarze seidenen Wimpern und braune Rehaugen - um nur mal auf den Kopf einzugehen.

Verdammt ich wurde noch bekloppt! Das würde das beschissenste Weihnachten werden seit dem ich denken konnte. Da er nun ja gerade nicht greifbar war, mir einfach weggelaufen war - konnte ich auch mit meinen Eltern verreisen. Wenigstens musste ich hier nicht in der Kälte ausharren und konnte unter der Sonne meine Rachepläne schmieden.

"Ani, hast Du Deine Sachen schon gepackt?", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.

"Nein, Mum", brubbelte ich zurück.

"Du weißt ganz genau, dass es morgen früh los geht und keine Diskussion mehr", kam es genervt zurück. Verwundert schaute ich auf und sah Luke die Augen verdrehen.

"Ich hatte keine Ahnung, dass wir noch einmal darüber sprechen wollten", gab ich eisig zurück.

"Anakin!", grummelte mein Dad.

"Ihr habt mir doch Eure Wünsche nachdrücklich klargemacht. Ich hatte eigene Vorstellungen und durfte sie nicht mal erklären. Vergesst es! Ich komme mit und nun lasst mich meine Sachen packen", entlud ich ein Teil meiner Wut über ihre Häupter. Sonst war ich der Sonnenschein und wickelte sie mit meinem Charme mühelos um den Finger. Meine Eltern sahen mich entsetzt an, nur Luke schüttelte nachdenklich seinen Kopf und gab mir ein Zeichen.

'Hör bitte auf!'

Da ich eh fertig mit meiner kleinen Ansprache war, verschwand ich in mein Zimmer und warf ein paar Minuten später meine Sommersachen ziellos in den Koffer. Etwas verhalten klopfte jemand an meine Tür. Nur einer würde es wagen, jetzt hier aufzutauchen.

"Luke, kann das nicht bis morgen warten?", fragte ich erschöpft. Das alles kostete einfach zuviel Kraft. Diesmal schien er jedoch nicht stumm sondern taub zu sein und trat in mein Zimmer. Leicht lächelnd setzte er sich auf mein Bett und schaute mir bei meinen Bemühungen zu. Entnervt gab ich nach einer Weile auf und ließ mich zu ihm auf das Bett sinken.

'Wir sind uns ziemlich lange aus dem Weg gegangen, Bruderherz', fing er an.

"Hm"

'Ich kann verstehen, dass Du sauer bist, und das vor allem auf mich. Aber auch Dein großer Held macht ab und an Fehler', malten seine Finger in die Luft. Zögernd sah ich ihn an und schaute in traurige blaue Augen.

'Ich hätte erkennen müssen, dass dahinter viel, viel mehr steckt und Dich scheinbar immer mehr zerreißt.'

"Luke, es ist egal. Die Zeit hat mir die Entscheidung abgenommen", murmelte ich.

'Nein, die Entscheidung musst Du alleine fällen. Jetzt komm erst einmal mit uns, ärger Deinen großen Bruder mit Deiner Wut und lass es nicht an den total überforderten Star Wars Hippies aus.'

"Luke ich kann es Dir nicht sagen", wisperte ich tonlos.

'Noch nicht, mein Kleiner.' Gebannt schaute ich auf seine Finger, nur in die Augen konnte ich nicht blicken.

'Aber irgendwann wirst Du mir das Nichts erklären.'

"Vielleicht", murmelte ich. Er legte seine Hand auf mein Herz.

'Höre darauf, es kennt den Weg.' Dann wuschelte er mir noch einmal mit den Fingern durch mein Haar und war verschwunden. Gedankenverloren saß ich eine Ewigkeit bewegungslos da und in meinem Kopf war Leere, einfach nichts. Fast mechanisch packte ich nach dieser Zeit den Rest in den Koffer und fiel danach total erschöpft ins Bett. Den letzten Gedanken, den ich greifen konnte war...

...du liebst ihn...

Der nächste Morgen verlief wie immer bei solchen bevorstehenden langen Reisen sehr chaotisch. Ich blieb so lange als möglich im Bett und erst als mir Luke mehr oder weniger sanft die Bettdecke mopste, war auch ich dem Wahnsinn ausgeliefert. Da es noch mitten in der Nacht und ich einfach zu faul war, schnappte ich mir nur meine Brille. Eigentlich war ich viel zu eitel für das Drahtgestell und setzte es nur in Notsituationen auf, aber in diese noch schlafenden und verkleisterten Augen bekam ich meine Ein-Tageslinsen nicht hinein. Außerdem gab es auf diesen Flug und garantiert in der Star-Wars Kommune, die mich erwartete, nichts, bei der ich meine Eitelkeit pflegen konnte. Meine Eltern verbanden die Weihnachts- und Silvester/Neujahrstage immer mit einen Treffen alter Bekannter und ihren Familien und aus welchem Bereich sollten die schon sein?

Bei einer Zwischenlandung klingelte das Handy meiner Mutter und ihre Miene verfinsterte sich von Minute zu Minute. Etwas schadenfroh griff ich in mein Handgepäck und wollte mir meine Linsen angeln. Die Brille störte mich jetzt, nachdem ich die Halbschlafphase endlich überwunden hatte. Jedoch griff ich ins Leere.

"Scheiße", fluchte ich laut.

"Anakin", hörte ich meinen Vater vorwurfsvoll.

"Verdammte SCHEIßE!"

Erwartungsvoll sah ich meinen Dad an, aber jetzt kam nichts. Nach einem Blick auf meine Mutter konnte ich sein Schweigen jedoch nachvollziehen, denn diese stand mit hochrotem Kopf vor uns und die Augen blitzen unheilvoll. Der zweite Ausbruch stammte von ihr. Nur Luke schien sich nicht daran zu stören und forderte unseren Dad grinsend mit einer Geste auf, seine Frau zu ermahnen. Mir fiel es sehr schwer, ein ernstes Gesicht zu wahren.

"Dir wird das Lachen schon noch vergehen, mein lieber Sohn", meckerte sie dann los.

"Schatz, würdest Du uns bitte erleuchten", redete mein Vater beruhigend auf sie ein.

"Unser Hotel ist abgebrannt!"

"Na super, ab nach Hause", kommentierte ich das trocken. Mir war es scheißegal.

"Nichts da, Umbuchungen sind schon getätigt", konterte meine Mutter giftig und hatte nun wohl ein neues Opfer in meiner Person gefunden.

"Wenn Du Dein Arschlochverhalten wieder eingestellt hast, dann lass es mich wissen. Ansonsten halt einfach Deinen Mund", blaffte sie mich an. Erstaunt schaute mein Vater sie an und auch ich hatte mir kräftig auf die Zunge gebissen, um ihr nicht meine Antwort an den Kopf zu knallen.

"Herr Gott, Michaela, jedes Jahr das selbe. Du bist gespannt wie ein Flitzebogen und machst bei der Anreise jeden an, der nicht schnell genug flüchtet", wies mein Vater sie nun doch in ihre Schranken.

"Wie Du siehst, nicht ganz zu unrecht", polterte sie weiter.

"WO IST DEIN PROBLEM? Die neuen Unterkünfte sind gebucht, in ein paar Stunden liegen wir unter der warmen Sonne..."

"Nichts ist in Ordnung. Unsere Freunde verteilen sich über drei Hotels. Wir haben Platz mit den Eriksons in einem Apartmentressort gefunden, aber die Mehrzahl befindet sich in einem benachbarten Hotel, wo man nur mit dem Boot hinkommt!", hatte sie in ihren Mann das nächste Opfer gefunden.

"Und das ist ALLES? Wir wohnen in einem super Hotel, dürfen jeden Tag Boot fahren und sehen unsere Freunde, wann wir wollen. Komm endlich mal wieder runter und lass den Jungen zufrieden", knurrte er sie jetzt an und der Ton brachte sie wohl zur Besinnung.

"Entschuldige Ani", wandte sie sich dann an mich, war aber in Gedanken schon wieder ganz woanders. Mir stand es jedoch mittlerweile bis zur Oberlippe. Ihre Aussagen hatten mir zum wiederholten Male etwas auf die Nase gebunden, was ich sonst einfach so hinnahm, aber ich war gerade ja ein wenig von der Rolle und kochte vor Wut.

"Vergiss es! Deutlicher hättest Du nicht sein können. Das Wohl Deiner Star Wars Freunde liegt Dir mehr an Herzen, als Deine Söhne. Und keine Bange, ich werde meinen Mund halten, denn mein Arschlochverhalten hat nichts mit Deinen Problemen zu tun", brach es jetzt aus mir heraus. Entsetzt riss sie die Augen auf und mein Vater stand ihr darin nicht nach, nur einer schaute sehr traurig in die Runde – Luke. Ich hatte noch vielmehr auf der Zunge, verbiss es mir aber und schnappte mir mein Handgepäck. Wütend knallte ich die Klotür hinter mir zu und kramte in meiner Tasche. Ich verblödeter Trottel hatte meine Kontaktlinsen vergessen. Auch eine intensive Durchsuchung förderte sie nicht zu Tage. Ich wusste ganz genau, wo sie herumlungerten – im Schränkchen neben dem Waschbecken.

'Na super, 14 Tage als Brillenschlange herumlaufen', fluchte ich vor mir hin, denn das kratzte sehr an meiner Eitelkeit.

"Ani", hörte ich jemanden leise hinter mir.

"Ich bin seit über einen Jahr volljährig", antwortete ich genervt, wandte mich jedoch meinem Vater zu.

"Sind wir als Eltern wirklich so schlecht?", hörte ich ihn traurig fragen.

"Objektiv betrachtet wohl nicht, denn wir scheinen ja ziemlich wohlgeraten", wich ich seiner wirklichen Frage aus.

"Und subjektiv?", gab er nicht auf.

"Verlang bitte gerade jetzt darauf keine Antwort", seufzte ich.

"Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich kenne unsere Schwächen als Eltern, unsere Flucht aus Eurer Erziehung, Eure Probleme mit unserer ach so heilen fiktiven Welt, aber ich bin stolz auf meine Söhne. Verdammt stolz auf diese beiden doch so unterschiedlichen Brüder, die seit Anbeginn eine untrennbare Einheit bilden und allen Gefahren, ob elterliche oder reale, tapfer trotzten. Umso mehr schmerzt mich der Riss, der sich seit Wochen zwischen Euch aufgetan hat und die Familie aus den Gleichgewicht bringt", gestand er mir offen. Erstaunt sah ich ihn an, denn so sensibel für gewisse Schwingungen hätte ich ihn nicht eingeschätzt.

"Schau nicht so erstaunt, mein Sohn. Ich liebe meine Kinder und diese Liebe lässt mich nicht erblinden. Auch wenn Ihr Euer Problem nur alleine lösen könnt, stehe ich Dir als Vater und wenn du möchtest, als ausgeflippter Freund für jedwedes Gespräch zur Verfügung…", fuhr er fort und sein Blick bohrte sich in meine Augen.

"Anakin, Du kannst mit mir über ALLES reden", schloss er dann ganz ernst und verschwand. Oh man, alle wollten mit mir reden, aber wenn ich ihnen dass erzählte, blieb ihnen die Antwort im Halse stecken. Auf jeden Fall schien mein Vater nur für sich gesprochen zu haben, denn meine Mutter würdigte mich keines Blickes. Da ich meine Worte vorhin jedoch ziemlich ernst meinte, sah ich keine Veranlassung zu einer Entschuldigung. An Luke schien das wieder alles abzuprallen und er stocherte solange nach bis ich ihm den Grund für meinen Ausbruch davor steckte. Oh je, da hatte ich ja was getan, nun foppte er mich mit meiner Brille und ritt auf meiner Eitelkeit herum. Wenigstens riss mich seine Albernheit aus meinen trüben Gedanken und den restlichen Flug nahm ich nicht mehr richtig war.

Da diese Reise uns ja seit über 12 Jahren jedes Jahr zu den Feiertagen ereilte, war der Ablauf zu einer allgemeinen Routine geworden. Seit 4 Jahren fand das ganze Gedöhns auf den Malediven statt und das Hotel war soooo langweilig. Entweder trieben sich da Star Wars Fans herum oder ältere Herrschaften, die Freizeitmöglichkeiten waren auch sehr beschränkt, außer Sonne, ein murkliger Pool und Strand gab es sonst nichts – jedoch das Hotel war abgebrannt. Somit kribbelte es doch ein wenig in Erwartung der neuen Unterkunft. Viel langweiliger konnte es ja nicht werden! Schon die Anreise zu dem Hotel war anders. Anscheinend traute der Pilot seinem Wasserflugzeug mehr zu als ich mit geschlossenen Augen. Der Flug war, sagen wir mal gewöhnungsbedürftig. Luke griente über meinen etwas grünlichen Gesichtsausdruck und mein Stinkefinger nach dem Aussteigen galt liebevoll ihm. Meine Mutter stolzierte vorneweg und wollte wohl gleich Luft ablassen über unsere zukünftige Bleibe. Auf mich war der erste Eindruck jedoch überraschend positiv. Auf jeden Fall schien nicht nur mir die Poolanlage, an der wir auf dem Weg zur Rezeption vorbei schlenderten, zu gefallen, denn Luke's Augen leuchteten begeistert auf. Eine genauere Inspektion in ein paar Minuten war zwischen uns mit einem einzigen kleinen Blick beschlossen und wir folgten etwas widerwillig den Eltern. Irgendwie mussten wir ja zu unseren Zimmerschlüsseln gelangen. Somit betrat ich ein paar Meter hinter Luke das exklusive zweistockige Gebäude im Kolonialstil. Ein Lachen riss mich aus meiner Vorfreude. Ich kannte diese Stimme, nur hatte ich sie noch nie Lachen gehört. Benommen strebte ich diesem Lachen entgegen und bog um eine Ecke. An einem Poolbillardtisch standen zwei Personen und hatten was anderes im Kopf als Billard spielen. Der sportliche Mittdreißiger hatte sich einen schlanken Boy geschnappt und kitzelte ihn ab, dabei umspielte ein freches Grinsen seine Lippen…

Mir entglitt jede Fähigkeit zu denken.

Hier am anderen Ende der Welt traf mich sein fröhliches Lachen mitten ins Herz.

Dieser hübsche Kerl mit dem süßen Lächeln auf seinen Lippen, den strahlenden braunen Augen, leicht gebräunt und nur mit einer Short bekleidet, war mein kleiner Saxophonist.

'Wie grausam konnte einem das Schicksal mitspielen?'

Ich verging seit Tagen nach ihm, hatte nichts unversucht gelassen, um ihn wiederzusehen und hier, hier, wo er gar nicht sein dürfte – da stand er mir nur in ein paar Metern gegenüber. Fast liebvoll entwand er sich den kitzelnden Fingern und richtete sich atemlos auf. Er hatte meine Anwesenheit gespürt und sein Blick irrte in meine Richtung. Sein Lachen brach ab und etwas verwirrt schüttelte er seinen Kopf. Da seine Halluzination nicht verschwand, musterte er mich intensiv. Seine Augen leuchteten auf und das Glitzern nahm an Intensität zu. Mechanisch machte ich einen Schritt nach vorne, zum Sprechen war ich einfach nicht in der Lage.

"Swing?", hörte ich eine Stimme leise, aber alarmiert.

"Anakin", kam es hinter mir, nicht minder alarmiert. Ich konnte immer noch nicht begreifen, was hier gerade geschah.

Träumte ich?

Total durcheinander schaute ich über meine Schulter und sah meinen Vater, der nachdenklich die Stirn kraus gezogen hatte und einen verwunderten Bruder. Wie magisch angezogen, musste ich ihn wieder anschauen. Er hatte meinen Blick verfolgt und sah mich jetzt unergründlich an. Als er sich sicher war, dass er meine ganze Aufmerksamkeit hatte, schauten seine Augen wieder kurz an mir vorbei und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Und wie schon einmal erreichte dieses Lächeln nicht seine herrlichen Augen, denn diese loderten.

Erschrocken zuckte ich zurück, nicht vor seinem Anblick, denn genau so wild und aggressiv kannte ich ihn aus meinen Träumen. Nein, die Erkenntnis traf mich mit voller Wucht.

Ich war für ihn nicht mehr anonym!

Benommen wandte ich mich ab und torkelte an meinem Vater und Bruder vorbei ins Freie.

Aus und vorbei!

Mein Leben lag in seiner Hand und sein Hass auf mich würde die Rache fürchterlich werden lassen.

Mit einem mehr als fragenden Blick drückte mir mein Bruder den Zimmerschlüssel in die Hand und zeigte mir dann unsere Unterkunft. Wir hatten beide so ein Art Strandhaus. Wie in Trance öffnete ich meine Tür und verschloss sie hinter mir umgehend wieder, die Fensterläden hielt ich geschlossen und warf mich voll bekleidet auf das Bett.

So lag ich regungslos und wartete auf die Auswirkungen seines Rachefeldzuges.

Jeden Moment würden sie kommen und über mich herfallen…

…würden mein bisheriges Leben in ein Nichts aufgehen lassen…

Aber all das beschäftige mich nicht so sehr, wie meine Eifersucht, wie sein herrliches Lachen, seine lodernden braunen Augen…

Das Chaos war perfekt. Meine Sehnsucht nach meinen kleinen Musiker führte einen aussichtslosen Kampf mit meiner Angst, meiner Unfähigkeit zu akzeptieren, was ich war.

Wir hatten den 21. Dezember und nur 3 Tage bis Heiligabend oder ganz anders betrachtet standen mir 12 Tage in meiner privaten Hölle bevor.

Minute um Minute verstrich und nichts geschah. Keiner kam, niemand riss mich aus meinen Ängsten und ließ die Blase platzen.

Als es dann endlich doch klopfte, zuckte ich panisch zusammen. Es war jedoch nur mein Bruder und wollte die angekündigte Inspektion durchführen. Mühsam redete ich mich mit Nachwirkungen unseres kleinen Inselflugs heraus und mein Anblick war wohl dementsprechend, denn er akzeptierte ohne zu murren. Den gesamten restlichen Tag verbrachte ich in der Dunkelheit des Apartments, erging mich in meinen wirren Angstphilosophien und wartete einfach, dass es endlich passierte.

Nichts geschah und eine trügerische Ruhe breitete sich in mir aus. Ich schöpfte ein wenig Hoffnung, auch wenn es aberwitzig war, denn er musste sich einfach für meine Erpressung rächen. Er hatte mich so vollkommen in der Hand, dass es schon wieder fast egal war. Natürlich blieb die Angst, aber ob ich mich hier im Zimmer verbarg oder draußen herumwanderte, ändern konnte nur er das. Außerdem nahm meine Unruhe mit jeder Minute zu, denn ich sehnte mich nach ihm. So irrwitzig es auch war, aber ich wollte ihn sehen, hören…

…wollte mich in meiner Eifersucht suhlen, die jede Sekunde stärker wurde.

Wenn ich nicht schon verrückt war, würde ich es bestimmt in den nächsten Tagen werden – seine Nähe trieb mich dem Wahnsinn immer näher.

Und in diesen Wahnsinn stürzte ich mich am Abend. Mehr recht als schlecht versucht ich mit kaltem Wasser meine Anspannung aus dem Gesicht zu waschen. Ein wenig schien es gelungen, denn Luke stutzte nur kurz, als ich ihn zum Abendessen abholte. Begeistert berichtete er mir mit weitausholenden Gesten von seinen Erkundungen und seine Augen strahlten über die Möglichkeiten, die dieses Hotel bot.

Der Speiseraum war nicht allzu groß und relativ gut gefüllt. Die Anlage schien zwar weitläufig, aber keine Massenunterkunft zu sein. Unsere Eltern warteten schon an einem 4er Tisch auf uns und das Büffet lockte mit einem reichhaltigen Angebot. Es hätten die leckersten Kostbarkeiten dort aufgetischt sein können, mein Auge suchte jedoch nur eine menschliche Versuchung. Als ich mit einen wahllos gefüllten Teller zu unserem Tisch zurückkehren wollte, trat er mit seiner Begleitung durch die Tür. Sein Blick musste mich nicht suchen, denn er ruhte schon auf mir. Nur einen kurzen Moment musterte er mich intensiv und wandte sich mit einem spöttischen Lächeln dem Mann an seiner Seite zu. Ich musste mich zwingen, ihn nicht anzustarren und schlenderte zu unserem Tisch.

'Bruderherz, seit wann isst Du Grünzeug?' , amüsierte sich Luke köstlich über meine Essenzusammenstellung.

'Oh je, von den Sachen auf meinen Teller, waren über ein Drittel für mich nicht genießbar.'

Tja, und meine Mutter - sie meckerte permanent an allem herum. Wie schön die Anlage wäre, wo die meisten ihrer Freunde untergebracht waren. Wie poplig das hier doch alles sei, so klein und ohne Pepp. Dass sie schon in Auftrag gegeben hätte, sobald dort etwas frei sei, wir wieder umziehen würden. Das brachte dann Luke auf den Plan und er machte ihr sehr deutlich klar, dass er hier bleiben würde, weil es ihm sehr gut gefiel. Ich hielt lieber meinen Mund, bevor mir das Falsche herausrutschte.

"Schatz schau Dir doch mal die Leute hier an. Alle ein wenig komisch oder etwa nicht?", sah sie meinen Bruder nach Zustimmung heischend an.

'Gerade sie musst den Mund wegen komisch und so aufreißen', fuhr es mir sofort durch den Kopf.

'Ich bleibe auf jeden Fall hier und ich glaube Ani bewegst Du auch keinen Meter von hier weg', konnte ich im Augenwinkel von seinen Fingern lesen, denn mein Blick war gerade wieder gewandert. Prompt verschluckte ich mich und das Salatblatt, was eh schon widerwillig zum Mund geführt worden war, legte sich im Hals auch noch quer. Natürlich beobachtete ich ihn die ganze Zeit verstohlen, aber ich erwischte ihn nicht einmal, dass er in meine Richtung schaute. Vielmehr amüsierte er sich köstlich und seine Finger streiften ab und an seinen Begleiter. Nachdem ich meinen Hustenanfall etwas kurzatmig beenden konnte, grinste mich Luke frech an. Bevor hier irgendetwas Falsches gedacht oder angenommen wurde, ging ich in die Initiative.

"Ich glaub, ich begleite die Eltern morgen mal und schaue mir das andere Hotel an. Vielleicht gefällt es mir ja", konterte ich die Aussage meines Bruders. Meine Mutter strahlte sofort triumphierend und Luke's erstaunter Ausdruck führte mir sofort die Unsinnigkeit meiner Antwort vor Augen, aber ich kämpfte hier um die Zukunft, so wie ich sie kannte. Ich konnte ihm morgen einfach nicht den ganzen Tag hinterher sabbern, irgendwann würde es zur Konfrontation kommen.

"Siehst Du Luke, Dein Bruder schaut es sich das wenigstens mal an", musste sie ihren Erfolg dann auch noch in Worte fassen. Mein Bruder winkte nur resigniert ab.

"Wo sind eigentlich Deine Linsen, Ani?", fragte sie völlig überraschend, was wiederum ein freches Grinsen bei Luke hervorzauberte.

"Vergessen", brubbelte ich.

"Die Brille ist zwar nicht sehr modern, aber sie steht Dir", bohrte sie weiter in meiner eitlen Wunde und das Lachen meines Bruders wurde sehr viel breiter. In dem Moment erschallte ein paar Tische weiter ein herrliches jugendliches Lachen und ich zuckte wissend zusammen. Nur einmal wollte ich ihn durch mich so lachen hören.

"Auch so komische Leute", flüsterte meine Mutter mit einmal leise, so dass sie auch wirklich keiner hören konnte.

"Wieso?", mischte sich mein Vater das erste Mal in die Konversation mit ein.

"Na, wie sein Sohn sieht der junge Mann nicht aus", stellte meine Mum überraschend logisch fest und mein Vater hob nur fragend die Augenbraue.

"Eigentlich ziemlich eindeutig, wenn ein älterer Mann mit einem jungen Boy seinen Urlaub verbringt!"

Drei Augenpaare schauten mich sehr unterschiedlich an, denn ich hatte diese Worte gerade verlauten lassen. Meine Mutter sah sehr pikiert aus, mein Vater irritiert und Luke schaute so nachdenklich, dass ich die Räder in seinen Köpfchen rattern hörte. Ich hatte mir vor Schreck auf die Zunge gebissen, denn diese Worte waren nicht nur aus meinem Munde gekommen, sondern hatten dazu noch einen ziemlich gehässigen Ton gehabt. Meine Eifersucht, die immer stärker in mir brodelte, hatte das Zepter übernommen und diese total überflüssige Bemerkung in unsere familiäre Runde geworfen.

"Anakin, Du glaubst doch nicht, dass der junge Mann mit dem Älteren ins…", brach sie entsetzt ihre Aussage ab und ließ einen sehr eindeutigen Blick zu den entsprechenden Tisch wandern.

'Scheiße, was hab ich getan?', verfluchte ich mich, aber wenn ich IHN nicht haben konnte, gönnte ich es auch niemanden sonst.

"Michaela, auch wenn es so wäre. ES geht uns NICHTS an!", grollte mein Vater.

"Aber Thomas…", widersprach sie entrüstet.

"KEIN ABER!" Und diesmal war das nicht leise. Sogar so laut, dass Devin kurz herüberschaute und seine herrlichen Augen einen Moment auf mir ruhten. Wütend hielt meine Mutter den Mund, schob ihren Teller von sich und stolzierte davon.

"War das nötig?", fragte mein Vater mich ruhig. Ich schluckte meine Antwort hinunter, bevor die Eifersucht mich wieder das Falsche sagen lassen würde.

"Wir fahren morgen früh sehr zeitig los. Wenn du wirklich mit willst, sei um kurz nach 7 beim Frühstück", erklärte er mir dann noch und folgte langsam meiner Mutter. Mein Blick irrte zu Luke und ich sah Ablehnung. Die Erkenntnis über meine beispiellose Dummheit erhellte meinen eifersüchtigen Geist immer mehr. Mehr oder weniger outete ich hier Devin als das was er war und nur eine kleine Bemerkung von ihm ließ meine Aussage in einem ganz neuen Licht erstrahlen.

'Man war ich bescheuert!'

'Seit wann denkst Du überhaupt nicht mehr nach, wenn Du den Mund aufmachst?'

"Wie meinst Du das?", fragte ich trotzig.

'Das hier ist nicht MEIN Bruder!' , machte er mir zornig klar und wütend schob er seinen Stuhl nach hinten.

'Bleib mir fern, ich verzichte erst einmal auf Deine Gesellschaft. Und…'

'…hab morgen Spaß mit den anderen Träumern in Euer fiktiven Welt, ANI!'

Wumm, das hatte gesessen. Ob zufällig oder nicht, Luke ging provozierend an dem Tisch mit Devin vorbei, obwohl der nicht mal annähernd auf seinem Weg zum Ausgang lag. Sie schauten sich beide an und mein süßer Saxophonist lächelte etwas schüchtern, dann wanderte sein Blick verstohlen zu mir. Lukes Worte geisterten immer noch in meinem Kopf umher, denn seine Aussage war eindeutig. Hatte er mit voller Absicht von "euer fiktiven Welt" gesprochen?

Was ahnte er?

Mein Weg führte mich in einen weiten Bogen an diesem ominösen Tisch vorbei. Ich zwang mich sogar, nicht noch einmal dahin zu schauen und spürte doch seine Augen auf mir ruhen. Die Nacht war kurz, sehr kurz. Den Wecker, den ich mir auf kurz nach 6 Uhr gestellt hatte, hätte ich nicht gebraucht, denn ich lag seit den sehr frühen Morgenstunden einfach wach da. Mir ging soviel im Schädel herum. So viele Gefühle, Emotionen, Gedanken, Aussagen von Bezugspersonen von mir und Sehnsüchte, dass ich es nach kurzer Zeit aufgab, Ordnung da hineinzubringen und mich einfach nur treiben ließ. Lukes blitzende blauen Augen wurden von süßen Rehaugen abgelöst, ein lächelndes begehrenswerte Gesicht mit angedeuteten Grübchen von der herrischen Grimasse meiner Mutter, die symbolisch helfende Hand meines Vater von seinen kalten Fingern, die meine Hand auf sein pochendes Herz legten, Nadines "…du liebst ihn" führte zu einen eifersüchtigen Stich in meinem Herzen, wenn ich daran dachte, was er jetzt gerade tun könnte…

…und ich hatte erst einen Tag in dieser Hölle überstanden. Seufzend stand ich auf und begab mich total körperlich und geistig erschlagen zum Frühstück. Meine Eltern schwiegen sich an, was mir zeigte, dass ihre Meinungsverschiedenheit nach dem Essen noch weiter gegangen war. Meine Mutter blühte jedoch auf, als wir mit dem Boot in der anderen Hotelanlage eintrafen. Oh je, worauf hatte ich mich da nur eingelassen, denn die Freunde meiner Eltern kannten natürlich mich auch, nur hatten mein Bruder und ich uns die letzten Jahre sehr rar gemacht, wenn die örtliche Fleischbeschauung anstand. Zu allem Überfluss lernte ich nun die ganzen anderen Anakine und Lukes kennen, die mit mir in die Fußstapfen ihrer Eltern treten sollten. Die älteren Kinder hatten sich zu ihrem Glück rechtzeitig verkrümelt, so dass ich nun der Babysitter für ein dutzend Rotzgören war.

Einfach super! Die Krönung war das gemeinsame Schmücken eines Weihnachtsbaumes, der eine PALME war und mit seinen Lichterketten eher wie ET mit vielen glühenden "Ich will nach Hause" Fingern aussah. Es fehlte nur noch, dass ich den Weihnachtsmann spielen sollte und angewidert schüttelte ich den Kopf. Seit Jahren fragte ich mich schon, wie man unter einer prallen Sonne, bei 30 Grad im Schatten ohne Schnee in Weihnachtsstimmung kommen konnte. Um das zu erleben, war ich wohl in der falschen Familie, auf jeden Fall assoziierte mir dieser komische Weihnachtsbaum nichts dergleichen und ich setzte mich danach erfolgreich ab. Den Rest des Tages verbrachte ich relativ einsam am Strand und sah meine Flucht vor ihm als gescheitert an – morgen würde ich mich dieser Star Wars Spaßwelt hier nicht mehr aussetzen. Lieber nahm ich die Qualen in Kauf, ihm hinterher zu schmachten. Auf der Rückfahrt erklärte ich meinen Eltern das Experiment, der kleine Ani wird ein tapferer Jediritter, als gescheitert. Genau mit diesen Worten geschah es und meine Mutter schaute mich entgeistert an, mein Vater grinste sich einen. Er legte sogar noch eine Schippe drauf und teilte ihr mit, dass er morgen einen Tag mit seinen Söhnen in unserem Hotel verbringen würde. Nun war sie sprachlos und würdigte uns auf der ganzen Fahrt zurück keines Blickes mehr.

'Morgen lassen wir die Sau raus!', teilte er mir hinter ihrem Rücken mit und ich musste mir echt das Lachen verkneifen. Sehnsüchtig schaute ich zu unserer Insel, die einfach nicht richtig näher kam. Endlich legte der Kutter am Steg an und meine Mum rauschte als erstes davon. Suchend glitt mein Blick über den Strand und mein Herz fing an zu rasen. Dort spielten doch wirklich mein Bruder und Devin Beachvolleyball und das nicht gegeneinander sondern zusammen. Gegner waren der sportliche Begleiter von Devin und einer der Animateure des Hotels.

"Ah, da ist Dein Bruder, los komm, lass uns ihn anfeuern", forderte mein Vater mich auf, nachdem er ihn auch entdeckt hatte. Er wartete gar nicht auf meine Antwort und ging einfach los. Was blieb mir anderes übrig, zumal ich mich den ganzen Tag ja nach dieser Gelegenheit verzehrt hatte. Noch einmal tief durchatmend und mein letztes bisschen Mut zusammenkratzend, folgte ich ihm. Und mein Begehren nach Devin wurde mit jedem Schritt mehr angestachelt. Nur mit einer Badeshort bekleidet, sprang er elegant am Netz herum. Sein Körper war mit einer feinen Schweißschicht überzogen, an der an einigen Stellen der weiße Sand haftete. Gerade hatten sie wohl einen Punkt errungen, denn mein Bruder und Devin klatschten sich ab und lachten beide glücklich.

Wieder ein Stich mehr in mein weidwundes Herz.

Dabei erkannte Devin, wer da als Zuschauer zu ihnen strebte und ein kurzer Schatten huschte über sein Gesicht als seine Augen kurz auf mir ruhten. Luke winkte uns dafür lächelnd zu und forderte uns auf, näher zu treten.

'Devin, das ist mein Vater und mein Bruder', stellte er uns vor. Derweil waren die Gegner auch näher getreten.

"Hallo, wie Luke schon gesagt hat, ich bin Devin und das ist mein Freund Bernd", stellte er uns dann seinen Begleiter vor.

"Schön Sie kennen zu lernen, Herr Müller. Ihr Ältester ist verdammt begabt und mit meinen kleinen Wirbelwind hier, halten sie uns alte Männer ganz schön auf Trab", schloss sich Bernd dann der Unterhaltung an und seine Stimme war angenehm und tief. Wenn ich nicht so schwer beschäftigt mit mir gewesen wäre, mich zusammen zu reißen, dann hätte ich die leicht rötliche Verfärbung beider Gelobten sehr süß gefunden.

"Hat Dein Bruder auch einen Namen, Luke?", hörte ich ihn fragen und seine Stimme zauberte eine Gänsehaut auf meine Haut.

'Den soll er Dir lieber selber sagen', formulierte Luke und kicherte lautlos in sich hinein. Verärgert blitzte ich ihn an, wofür er mir seine Zunge zeigte.

"Anakin", murmelte ich tonlos.

"Ach der kleine Aniiii also", neckte er mich und mein Blick bohrte sich in seinen. Spott und noch etwas Anderes, für mich nicht greifbares, sah ich darin.

"Oh, oh Devin, das hört mein Sohn überhaupt nicht gern", mischte sich mein Vater ein.

"Das wusste ich nicht, Entschuldigung", grinste er mich frech an. Genau diesen Kerl wollte ich, aufsässig, frech, provozierend, einen Boy mit dem ich mich zoffen konnte. Die Erkenntnis, dass es ihn doch gab, das alles andere bisher eine fast perfekte Verstellung war, traf mich gerade sehr unvorbereitet. Sprachlos starrte ich ihn an.

"Luke, der Redselige bist Du wohl in der Familie", wandte er sich dann an meinen Bruder und der zwinkerte ihm zu.

'Komm, wir müssen die alten Männer noch besiegen', forderte Luke ihn auf.

"Vielleicht willst Du ja lieber mit Deinen Bruder gegen mich und Bernd spielen?", fragte Devin ihn. Entsetzt rollte mein Bruder mit den Augen, denn in Ballsportarten war ich eine totale Niete.

'Du willst ja nur auf die Gewinnerseite wechseln und mich leiden sehen. Devin, tu mir das nicht an!', fiel er vor ihm theatralisch auf die Knie. Dieser winkte ihm huldvoll sein Einverständnis zu und sein kurzer Blick, der mich wieder neckte, suggerierte mir, dass er einen ganz anderen Müller vor sich auf den Knien herumrutschen sehen möchte. Verwirrt schüttelte ich den Kopf über meinen irrwitzigen Gedanken.

"Herr Müller, helfen sie mir, den frechen Burschen eine Lektion zu erteilen", forderte Devins Begleiter meinen Vater auf.

"Thomas bitte, Bernd?"

"Also bist Du dabei?"

"Logisch, wollte meinen Sohn schon lange mal wieder die Hammelbeine lang ziehen", knurrte mein Vater gespielt böse. Devin und Luke grinsten über beide Backen und gaben sich einen freundschaftlichen Knuff. Das wurde hart für die Beiden, denn mein Vater war sehr sportlich und hatte seine Begabung in Sachen Bällen nur nicht an seinen jüngsten Sohn weiter gegeben. Somit blieb mir die Zuschauerrolle und ich beargwöhnte das vertraute Zusammenspiel von meinem Bruder und Devin.

Das hielt jedoch nicht lange vor, denn bald lief mir sprichwörtlich der Sabber beim Beobachten von meinem Kleinen. Das Spiel entwickelte sich spannend, aber ich hatte nur Augen für ihn. Ich kannte jede Kleinigkeit an seinem Körper, seine etwas herausstehenden Rippenbögen, die kleinen Vorhöfe, die schlanken, langen jedoch so kraftvollen Beine, die in diesen so süßen knackigen Hintern endeten, wovon durch die Short nur Andeutungen zu erahnen war, der nur schwache schmale Streifen schwarzer Haare, der vom Bauchnabel nach unten wanderte und heute in seiner Short verschwand. Wie gern würde ich meine Finger daran entlang streicheln und sie tiefer wandern lassen. Mir wurde warm und sehr eng in meiner Hose bei diesen Gedanken. Am Faszinierendsten fand ich aber sein herrliches Lachen, seine strahlenden Augen, das leicht gerötete Gesicht vor Erregung und Anstrengung - all das zeigte mir den Jungen, von dem ich bisher nur geträumt hatte. Ich hätte ihn direkt vom Spielfeld in mein Bett zerren können, so sehr machte er mich an. Schmerzhaft wurde mir klar, was mir die letzten Tage gefehlt hatte, dieser Traumtyp auf meinem Körper.

Abrupt stand ich auf und flüchtete von dem Spielfeld. Meine Gefühle spielten einfach verrückt und machten mich unberechenbar. Irgendwann fand ich mich am Pool an diesem herrlichen weißen Flügel wieder und klimperte ein wenig auf den Tasten herum. Sanft schob sich eine Person auf die Bank neben mir und gab meinem Geklimpere eine Melodie. Verstohlen schaute ich aus dem Augenwinkel zu meinem Bruder hinüber, denn wer sonst hätte es sein können. Immer noch leicht verschwitzt, ein paar Strähnen klebten in seiner Stirn und die Augen strahlten – er war die pure Energie, das genaue Gegenteil zu meiner Kraftlosigkeit.

"Und gewonnen?"

Er nickte begeistert.

'Dieser Devin kann einfach nicht aufgeben. Es war zum Schluss sehr knapp, aber wir haben es gedreht', teilte er mir lachend mit.

"Dir gefällt es hier?"

'Es ist einfach super und wie war Dein Ausflug zu der dunklen Seite der Macht', grinste er mich frech an. Als Antwort verdrehte ich die Augen und steckte mir einen Finger in den Hals.

"Dad will morgen hier bleiben und etwas mit uns zusammen unternehmen."

'Ich weiß. Komm spiel ein wenig mit mir', forderte er mich auf. Große Lust hatte ich nicht, zumal das hier nicht unser vertrauter Rahmen war, aber den bittenden Augen meines großen Helden konnte ich kaum widerstehen. Außerdem war es mit die beste Möglichkeit, unsere atmosphärischen Störungen zueinander aus der Welt zu schaffen. Wie immer dauerte es ein paar Minuten und Anläufe bis wir unser beides gemeinsames Tempo gefunden hatten. Nach einem total verkorksten Ende lächelte mich mein Bruder schief an.

'Du bist total aus der Übung', neckte er mich. Das mag in seinen Augen der Grund gewesen sein, aber bei mir war es ein anderer. Ich fühlte mich seit einiger Zeit beobachtet und ließ meinen Blick nervös streifen. Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht, denn an der Bar im Pool lümmelte sich Devin herum und beobachtete uns ungeniert. Als ich ihn entdeckte und er mitbekam, dass ich ihn bemerkt hatte, wandelten sich mal wieder sein Ausdruck und sein ganze Haltung. Aus einem verträumten nachdenklichen Blick wurde ein spöttisches Grinsen und eine kleine Geste seiner Finger ließ mich erstarren.

'Feigling'

Schnell schaute ich zu Luke, aber er hatte es wohl nicht mitbekommen, denn seine Finger streichelten schon wieder die Tasten am Klavier. An dem Abend geschah dann nicht mehr sehr viel, außer das Devin wie vom Erdboden verschwunden war. Ich stromerte durch das ganze Areal, aber traf ihn nicht mehr. Auf der einen Seite wünschte ich mir sehnlichst, ihn einmal allein anzutreffen, anderseits hatte ich vor der direkten Konfrontation Respekt, denn mein kleiner Saxophonist hatte sich geändert…

…oder war er hier nur er selbst. Und wieder hatte ich eine unruhige Nacht, die als Krönung mit einer feuchten Shorts endete. Das war mir ja schon seit Jahren nicht mehr passiert, aber der Traum mit ihm im Bett war verdammt real. Beim späten Frühstück saß ich alleine an unserem Tisch. Meine Mutter war schon gar nicht mehr in der Anlage und mein Bruder befand sich nicht mehr in seinem Zimmer. Ich brauchte jedoch nicht lange zu suchen, denn ich fand den männlichen Teil unserer Familie am Pool und die Gesellschaft von ihnen ließ mein Herz sofort rasend schlagen. Da schienen wohl ein paar Leute Gemeinsamkeiten entdeckt zu haben, aber ob mir das wirklich so gefiel, war mir noch nicht richtig klar. Mein Vater diskutierte mit Bernd und Luke unterhielt sich angeregt mit Devin. Als Luke mich sah, winkte er mich lachend zu ihnen.

'Wir wollen Schnorcheln gehen. Kommst Du mit?' Da wir die letzten Jahre ja ständig in diesen Gewässern waren, hatte ich mir das aus Langeweile angenommen und konnte mich somit kaum herausreden, zumal mein Bruder wusste, dass ich eine Wasserratte war.

"Gibts denn hier gute Gebiete?", fragte ich in die Runde.

"Ja, nicht weit von hier ist ein Korallenriff. Devin und ich wollten eh nachher mit dem Boot hinfahren und wir haben noch ein paar Plätze frei", kam die Antwort von Bernd. Wie unter Zwang musste ich IHN anschauen und wieder schaute er mich belustigt an.

"Und Ausrüstung?", murmelte ich nervös, denn ich stand sehr nah bei ihm und sein Geruch stieg mir in die Nase.

"Ich sprech gleich mit dem Personal. Wir machen eh nichts professionelles, denn Devin hat noch nicht so oft geschnorchelt", erklärte Bernd weiter.

"Ah, ein blutiger Anfänger", lächelte ich ihn etwas hämisch an.

"Nicht in allem, Aniiii", konterte er sehr frech.

"Für Dich mindestens Anakin", maulte ich zurück und wir blitzten uns gegenseitig an. Zwischen uns knisterte es und das gewaltig. Bernd und Dad hatten sich abgewandt und suchten jemanden vom Personal, die ihnen Auskunft geben konnten. Jedoch mein Bruder musterte uns beide sehr neugierig und sah mich zum Schluss fragend an.

"Okay, ich geh mich umziehen und treff Euch dann am Steg", sagte ich zu meinen Bruder, ließ aber Devin nicht aus den Augen. Mein Abgang war danach doch eher eine Art Flucht, denn seine Nähe machte mich verrückt. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie das nachher auf dem kleinen Boot funktionieren sollte. Eine halbe Stunde später hatten wir beide die größtmögliche Entfernung auf dem Kahn zwischen uns gebracht. Die Fahrt war wirklich nicht sehr lang und ich schwang mich als Erster ins Wasser, um noch mehr Abstand zwischen uns zu bringen. Zum Glück war das Riff groß genug, damit man sich aus dem Weg gehen konnte und nach ein paar Minuten genoss ich die Unterwasserschönheit. Nach einer Weile gesellte sich Luke zu mir und gemeinsam erkundeten wir das gesamte Riff. Das Wasser war herrlich warm und die Stille beruhigte etwas meine aufgeputschten Nerven. Irgendwann lotste mich Luke langsam aber stetig in die Nähe der Anderen. Nun zeigte sich wieder einmal, wer der größere Quatschkopf von uns war, denn er alberte mit Devin herum. Für meinen Kleinen war das Wasser wohl nicht so das ideale Element, denn seine Schwimmbewegungen wirkten etwas hölzern und Schnorcheln tat er wirklich noch nicht sehr lange. Des Öfteren tauchte er prustend an die Oberfläche, weil er Wasser verschluckt hatte. Aber er gab nicht auf und versuchte es immer und immer wieder. Als ich ein paar Mal elegant unter ihm durchtauchte, schoss er trotzige Blicke auf mich ab und strengte sich noch ein bisschen mehr an.

Und er lernte schnell. Gerade folgte er mir und wollte vor mir den kleinen Korallenüberhang erreichen. Ich nahm ein wenig Schwung aus meinen Vorwärtstrieb und er schoss an mir vorbei. Triumphierend drehte er sich am Ziel zu mir um und grinste mich herausfordernd und frech an. Die Folge dessen war so logisch, denn er verschluckte sich umgehend und anstatt dem Drang zu widerstehen, wollte er tief Atem holen. Seine Bewegungen wurden etwas hektischer, aber wirkliche Gefahr war noch nicht vorhanden. Trotzdem handelte ich vollkommen automatisch und schlang ihm meinen Arm um die Hüfte. Zuerst wehrte er sich etwas, aber als mein Griff fester wurde, ließ er sich mit an die Wasseroberfläche ziehen. Total unterschätzt hatte ich die Wirkung, die sein Körper so Haut an Haut mit mir anstellte. Ich hatte nun seit Tagen keinen Sex mehr gehabt und innerhalb von Sekunden war mein bestes Stück knochenhart. Als wir die Wasseroberfläche durchstießen, riss er sich die Maske vom Gesicht und sah mich wütend an.

"Ich brauch Deine verdammte Hilfe nicht", zischte er sehr angepisst.

"Keine Ursache, gern geschehen", antwortete ich und versuchte meinen Ton so neutral wie möglich zu halten. In Wirklichkeit kochte ich und damit nichts anderes überkochte, hatte ich mich blitzschnell von ihm gelöst.

"Oder wolltest Du eigentlich nur etwas ganz anderes", hauchte er mir lüstern zu und ich fühlte wie seine Finger über meine Brust immer tiefer wanderten.

Das würde er nicht wagen!

Und ob! Sanft, fast schon zärtlich schlossen sich seine Finger um mein pochendes heißes Stück Fleisch und massierten es gekonnt.

"Du hast es ja verdammt nötig. Wohl niemand hier, den Du kaufen kannst?", grinste er mich hämisch an und seine Finger lösten sich bei diesen Worten von mir. Schneller hätte eine kalte Dusche auch nicht wirken können, denn sämtlich Lust war aus mir gewichen. Er war schon dabei, seine Tauchmaske zu richten und wollte wegschwimmen.

"Warum machst Du das mit mir?", murmelte ich fassungslos. Sein Kopf schoss wieder zu mir herum und wütend blitzte er mich an.

"Weil ich niemandem etwas schuldig bleibe und wir sind noch lange nicht quitt!", fauchte er und schwamm weg. Geschockt konnte ich mich mit Mühe über Wasser halten.

Was sollte das? Hatte ich etwa meine Dienste bei GR angeboten und MICH verkauft? Er war der Escort und ich hatte nur seine Dienste in Anspruch genommen.

'Machst du es dir nicht ein wenig zu einfach?', flüsterte eine spöttische Stimme in meinem Kopf.

'Was ist denn daran kompliziert? Ich habe ihn nie um einen Cent betrogen, nichts abartiges verlangt – wohl eher den hemmungslosen überirischen Sex mit ihm gehabt!', stritt ich mit mir herum.

'Hast du nicht eine Kleinigkeit vergessen?', ließ mir die Stimme keine Ruhe.

"Verdammt, was sollte das sein?", rief ich sauer und nicht gerade leise. Erschrocken zuckte ich zusammen und schwamm langsam zum Boot zurück. Das ging ja mal gar nicht, dass ich hier mit mir selbst herumstritt. Jedoch half mir das bei dem eigentlichen Problem kein Stück weiter. Je mehr er hier herum zickte, desto mehr Reiz ging von ihm aus.

'Ach man, wären wir doch endlich wieder zu Hause und alles würde seinen gewohnten Gang gehen', seufzte ich im Stillen und erschrak. Zwei Sachen gab es, die diese Situation ausschlossen. Zuerst einmal würde er sich mir nie wieder für Geld hingeben, dessen war ich mir sicher. Aber anderseits und das irritierte mich sehr, wollte ich das auch gar nicht. Sex mit ihm würde es nur noch geben, wenn wir es Beide wollten und er es mit mir trieb, weil er mich begehrte.

ICH wollte IHN dafür nicht kaufen müssen – genau mit diesem frechen und widerspenstigen Kerl, der mir hier vor und auf der Nase herumtanzte wollte ich in die Kiste.

'…wirklich nur Sex?', kicherte diese Stimme wieder in meinem Kopf.

"Nein…, auch…, keine Ahnung", murmelte ich und verwarf diesen verrückten Gedanken wieder. Zuerst einmal musste ich einen normalen Kontakt mit ihm hier aufbauen, auch wenn die unterschwellige Angst, dass er mich jederzeit ans Messer liefern konnte, ständig präsent war. Nur wie ging man mit einem Menschen normal um, den man so intim kannte, eigentlich nur sexuell kannte? Womit wir beim nächsten Problem wären.

Wie flirtet man mit einem Kerl? Zumal es ja nicht offensichtlich werden durfte, dass ich mit ihm flirte!

"Na Sohnemann, gar nicht mehr im Wasser? Bist du krank? Sonst mussten wir Dich doch immer gewaltsam an Land holen", riss mich mein Vater aus meinen wirren Gedanken, als er sich an Bord schwang.

"Keine Lust mehr", murmelte ich abwesend und mein Dad sah mich erstaunt an. So nach und nach trudelten auch die Anderen ein. Ich machte mich behilflich und unterstützte sie beim Hineinklettern in das Boot. Nur Devin übersah großzügig meine helfende Hand und schwang sich elegant in den Kahn. Diesmal hatte ich mir einen Platz in seiner Nähe gesucht, aber nun traf er die Wahl, sich eine andere Sitzmöglichkeit zu suchen, die wiederum am weitesten von mir weg war. Luke schien einen Narren an ihm gefressen zu haben, denn er gesellte sich zu Devin und sie unterhielten sich lebhaft. Das gab mir die Möglichkeit, ihn unbemerkt zu beobachten, da er voll und ganz in das Gespräch mit meinem Bruder vertieft war. Aus dem Beobachten wurde schnell wieder ein innerliches Sabbern – auch wenn er sich jetzt ein T-Shirt übergeworfen hatte und zum weiteren Schutz vor der prallen Sonne sogar sein hübsches Köpfchen unter ein Basecap versteckte, war der Junge für mich immer noch Sex pur.

Kaum hatten wir am Steg angelegt, verschwand Bernd mit meinem Vater und die anderen Beiden schlenderten langsam der Hotelanlage entgegen, immer noch in ein angeregtes Gespräch vertieft. Ich kam mir etwas wie das 3. Rad am Motorrad vor, aber unangenehm war es mir nicht. Am Pool belagerten wir die Bar im Wasser und ich trank mich durch die Cocktailkarte, womit ich nur Drinks ohne Alkohol zu mir nahm. Die waren einfach nur lecker und sehr erfrischend bei der Wärme. Dass ich von meinen Begleitern durchaus bemerkt wurde, wobei mein Augenmerk nicht so sehr bei meinem Bruder lag, zeigte mir eine kleine Episode. Total aus dem Zusammenhang gegriffen, schnappte sich Devin auf einmal mein Cocktailglas. Ich tat es als eine Verwechslung ab, aber als er sich mir kurz zuwandte und verdammt frech zugrinste, war mir klar, dass dies mit voller Absicht geschehen war. Und wie er an meinem Strohhalm nuckelte, war alles andere als jugendfrei.

Was bezweckte er damit? Wollte er mich irgendwie aus der Reserve locken? Andererseits gefiel es mir, dass er mich nicht nur dumm anmachte – nein, man hätte es durchaus als eine Art Flirterei bezeichnen können. Außerdem faszinierte mich viel zu sehr das Gespräch, welches Luke mit ihm führte. Mein Bruder war sehr neugierig und stellte Devin Fragen, die er mir noch nie beantwortet hatte. Über Bernd war ihm nicht mehr als "ein Freund" zu entlocken, dafür erzählte ein wenig mehr über seine Kind- und Jugendzeit, die er durchweg in Heimen verbracht hatte. Über sein Elternhaus wusste er überhaupt nichts, weil er als frischgeborenes Baby sofort in einer Babyklappe abgelegt wurde. Das ließ mich dann doch schlucken. Der Vorname "Devin" war in die Babydecke eingestickt gewesen, so dass man annahm, dass dies sein Name sein sollte. Einen Nachnamen konnte man nicht finden und so wurde "behördlich" einfach Schmidt festgelegt. Ein wenig erzählte er von seinen Missetaten im Heim – er schien ein ziemlicher Rabauke und rotzfrech gewesen zu sein, wovon er seine Frechheit mindestens bis in die heutige Zeit hinübergerettet hatte. Bis sich ein Mädchen seiner annahm, das ein paar Jahre älter war. Sie machte ihm gleich klar, dass es so nicht weitergehen könnte und zog ihm nach ein paar weiteren Schandtaten die Hammelbeine lang. Auf jeden Fall schaffte sie es, ihn ein wenig zu zähmen und als Luke nach dem Namen fragte, kam:

"Silke", leise von ihm und unter seinen langen Wimpern blitzte er mich kurz aufsässig an. Irgendetwas fing in meinem Kopf ganz leise an zu klingeln, denn ich verstand auf einmal, dass dieses Mädchen seine ganze Familie war. Innerhalb von einer Stunde hatte ich bedeutend mehr herausgefunden als bei unseren häufigen Dates. Aber dies war für mich nicht sehr verwunderlich, denn ich kannte meinen Bruder sehr gut. Das war eine seiner Stärken, Leute zum Reden zu bringen. Obwohl er mit dem Handicap "stumm" geschlagen war, konnte er verdammt gut zu hören und gab dem Gegenüber das Gefühl, sehr wichtig zu sein. Er hatte diese Macht und die Leute vertrauten ihm, deshalb war es für mich auch so schwer, mein kleines Geheimnis vor ihm weiter zu bewahren. Was mich jedoch verwunderte, war, dass Devin mit seinen Aussagen so freizügig in meiner Gegenwart war.

'Wollte er damit etwas bezwecken?', grübelte ich und nahm nur unterbewusst die nächste Frage von Luke war.

'Und hast Du eine Freundin?'

Das war der Kracher und ich war umgehend hellwach, denn die Reaktion darauf interessierte mich brennend.

"Nein", antwortete er und seine Stimme hatte einen gewissen trotzigen Klang. Ein undefinierbarer Blick streifte mich kurz. Meinen Bruder war die besondere Stimmlage bei ihm nicht entgangen, denn zwischen den Zeilen zu lesen, konnte er besonders gut. Neugierig musterte er meinen kleinen Saxophonisten, stellte aber keine weitere Frage. Nur schien mein Kleiner auch gut im Mienenlesen zu sein.

"Frag ruhig", kam es fast ein wenig aufsässig.

'Ich will Dich nicht in Verlegenheit bringen', sah ich meinen Bruder formulieren und sein Blick wanderte kurz zu mir.

"Es ist kein Geheimnis", antwortete er fast zu schnell.

'Du machst Dir nichts aus Mädchen?' , eierte mein Bruder nun etwas herum.

"Klar", grinste er Luke frech an und der zog verwirrt die Stirn kraus.

"Aber ich kann mit Kerlen im Bett mehr anfangen", schob er dann noch breiter grinsend hinterher. Diesmal blieben seine Augen auf Luke gerichtet, wobei ich gerade jetzt einen Blick fast sehnsüchtig von ihm erwartet hatte.

'Blöder Arsch', meckerte Luke, lächelte aber in sich hinein.

"Na ja, die Hübschen im Bett sagen über mein Hinterteil etwas anderes", hauchte er meinem Bruder lüstern zu und wieder ignorierte er mich vollkommen. Eigentlich hätte er ja rot anlaufen müssen, aber diese Veränderung betraf nur mich. Sogar Luke blieb vollkommen cool und grinste nur amüsiert zurück.

'Und einen Freund?' , wollte er dann wissen. Ich saß hier wie auf Kohlen – das hielt ich einfach nicht mehr aus!

"Vielleicht", murmelte er.

'Komische Antwort'

"Manchmal will man selbst und kann nicht und der Andere kann, will aber nicht", gab er eine mehr als kryptische Antwort.

'Was war das denn für nen Scheiß?', fluchte ich vor mir hin und erwartete sehnsüchtig die nächste Frage von Luke, der bestimmt keine Ruhe gab. Nur musterte dieser Devin intensiv und schwieg.

Okay, er schwieg ja IMMER, aber seine Hände ruhten bewegungslos in seinem Schoß.

"Na Jungs, Ihr sauft doch wohl nicht etwa am helllichten Tag?", hörte ich auf einmal unseren Vater neben uns. Vor Schreck zuckte ich wie ertappt zusammen. Natürlich schnappte er sich nun mein Glas und schnüffelte. Das war so klar, dass er mich verdächtigte und Luke so was nicht zutraute. Dementsprechend angepisst rollte ich auch mit meinen Augen.

"Anakin, schau nicht so. Was glaubst Du denn, was eure Mutter sagt, wenn sie heute Abend kommt und ihr besoffen durch die Anlage torkelt?", kam es sehr ernst von ihm.

"Keine Ahnung, aber ich glaube auch nicht, dass ihr das auffallen würde", brubbelte ich zurück und mir entging der überraschte Blick von Devin nicht.

"Tz, DAS würde ihr auffallen, glaub mir. Aber was viel schlimmer wäre, ich dürfte nie wieder mit Euch einen Männertag verbringen", lächelte er beruhigend und blitzte mich spöttisch an.

'Darfst Du denn noch ein Tag bei der Götterverehrung fehlen?' , fragte mein Bruder und grinste unseren Dad sehr frech an.

"Lausebengel", knurrte dieser zurück, lächelte aber vergnügt.

"Was Deine auch?", kam nun eine weitere tiefe Stimme aus unserem Rücken. Lächelnd gesellte sich Bernd zu uns und roch an Devins Drink. Nun rollte er theatralisch mit den Augen und wir konnten uns kaum halten.

"Sagt mal, was haltet ihr von einer kleinen Wette?", fragte Bernd lauernd. Sofort schrillten bei mir sämtliche Alarmglocken. Auch Devin sah ziemlich skeptisch aus der Wäsche.

"Was schwebt Dir denn so vor Bernd?"

"Ich hatte eben ein kleines Gespräch mit dem Hotelmanagement, welches ich ganz gut kenne und da kam mir so eine Idee", lächelte er spitzbübisch vor sich hin. Erwartungsvoll sahen ihn zwei Augenpaare an, die anderen vier Augen schauten nun noch skeptischer.

"Mir schwebt da ein kleiner Wettbewerb vor", warf er in die Runde.

"Ha, bei Beachvolleyball fegen wir Euch vom Platz", stieß mein kleiner Saxophonist triumphierend hervor und Luke knuffte ihn zustimmend.

"Ne, ne Du Softdrink gedopter Sportler, diesmal betätigen wir uns auf einen anderen Feld", schürte Bernd die Neugierde immer weiter.

"Man spuck es endlich aus", brummte mein Vater.

"Okay, ich habe gestern Deinen Ältesten auf dem Flügel dahinten etwas spielen hören und kenne mich in der Branche etwas aus. Von dem musikalischen Talent meines jungen Begleiters konnte ich mich auch schon einmal überzeugen und da kam mir eine Idee. Ich stelle mir einen kleinen Wettbewerb zwischen Luke und Devin vor und das Publikum soll den Sieger ermitteln", erklärte er uns freudestrahlend.

"Nein"

"Nein"

Fast zeitgleich hatten Devin und ich dieses Wort ausgerufen. Überrascht sahen wir uns an. So gern ich Devin auch spielen hörte, aber in einem Wettstreit mit meinem Bruder wollte ich ihn nicht sehen. Er war gut auf seinem Saxophon, aber mein Bruder hatte eine professionelle Ausbildung und auch schon ungezählte Auftritte hinter sich. Ich fand das unfair und wollte ihn vor einer Niederlage bewahren.

"Ich möchte nicht gegen Luke antreten", tat er dann auch selbst kund.

"Warum nicht? Ich halte das Ende des Wettstreits für mehr als offen", sagte Bernd und seine Stimme klang sehr ehrlich. Verwundert sah Devin ihn an.

"Glaub mir, die Herausforderung lohnt sich", schob Bernd dann noch nach.

"Vielleicht sollten wir erst einmal den Einsatz hören?", warf mein Vater in die Runde.

"Huch, hab ich ja fast vergessen", grinste Bernd nun sehr frech.

"Also, ich habe da einen Deal mit dem Personal ausgehandelt. Der Verlierer darf morgen den…", unterbrach er sich und sah uns erwartungsvoll an. In Devins Gesicht sah ich nur Unwissenheit, denn er hatte meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

"…für die Kinder der Hotelgäste hier den Weihnachtsmann spielen", setzte er dann nach der dramatischen Pause seine Erklärung fort.

"Das ist nicht Dein Ernst, oder?", fragte Devin fassungslos.

"Klar!", grinste Bernd frech zurück.

'Dann bin ich raus aus dem Rennen', zeichnete mein Bruder mit den Fingern.

"Warum das denn?", kam es verblüfft von Bernd.

'Falls es Dir entgangen sein sollte, aber ich kann mich schlecht artikulieren', kam es von Luke und er grinste etwas schief. Eine gewisse Traurigkeit glomm in seinen Augen.

"Ach das, dafür habe ich doch eine Lösung parat", kommentierte Bernd die Aussage und grinste schadenfroh. Mein Kleiner schien ihn ziemlich gut zu kennen und stutzte kurz.

"Sagst Du uns diese Möglichkeit auch vor dem Wettstreit?", fragte er vorsichtig.

"Jo, ich dachte mir, dass die Wettschuld in der Familie bleibt und der kleinere Bruder sie dann einlöst", antwortete Bernd lächelnd. Irgendwas störte mich an dieser Aussage, aber der Sinn erschloss sich mir nicht sofort.

"Ich bin dabei", trompete Devin auf einmal fast begeistert und da rastete bei mir der Gedanke von Bernd ein.

"WIE BITTE?"

"War nur so eine Idee", kam es vorsichtig von Bernd, denn ich hatte mein Einwand sehr aggressiv geäußert.

"Kneifst Du?", hörte ich nun Devin mit zuckersüßer Stimme.

'Super, ich war das Pfand, um das Sie hier spielten!', fluchte ich innerlich und kam mir ziemlich überrollt vor.

"Ich hol mal schnell mein Instrument", griente mein Kleiner frech und stob regelrecht davon.

'Glaubst Du etwa nicht an mich?' , fragte mich mein Bruder. Zweifelnd sah ich ihn an und konnte Unglaube darin erkennen.

Natürlich war ich mir unseres Sieges sehr sicher, aber anderseits hatte ich Devin schon spielen gehört. Irgendwie hatte ich Angst, dass der Kleine verlieren könnte und danach unberechenbar reagierte. Was mich irritierte, war seine anfängliche Abneigung gegen den Wettbewerb und dann seine fast begeisterte Zustimmung, als ICH als Preis präsentiert wurde.

"Ehrlich gesagt, denke ich, dass Devin kaum eine Chance hat, aber ich lass nicht gern über mich durch Andere, ohne mich vorher zu fragen, bestimmen!", grummelte ich. Die letzten Worte waren an Bernd gerichtet, nur lächelte der sehr geheimnisvoll.

"Komm Ani, sei kein Frosch", munterte mich mein Vater auf. Auf Grund seiner Verniedlichung meines Namens blitzte ich ihn nur an, aber die Entscheidung war schon längst gefallen. Zumal mir aufgefallen war, dass die Animateure die Gäste auf irgendwas aufmerksam machten und sich die ersten um den Flügel einfanden.

"Mach mir bloß keine Schande", grummelte ich mit meinem Bruder, aber der grinste nur siegessicher.

'Was spielt Devin überhaupt?'

"Saxophon", knurrte ich und biss mir vor Schreck auf die Lippe. Bernd sah mich auch sehr überrascht an.

'Scheiße, wie konnte ich mich nur so verraten?', jaulte ich still auf.

'Was Du so alles weißt?' , sah mich mein Bruder lächelnd an und mich überlief es heiß und kalt.

"Spiel Dich mal ein wenig ein, denn wir scheinen doch den einen oder anderen Zuschauer zu haben", versuchte ich das Thema zu wechseln und wies auf die wachsende Menge an Hotelgästen, die sich am Flügel einfanden.

'Ich geh mir mal etwas anderes anziehen. So mit nasser Short spielt es sich nicht besonders', teilte uns mein Bruder mit und verschwand ebenfalls.

"Hm, ich hoffe, Dein Begleiter erlebt kein Fiasko", äußerte mein Vater nun.

"Wir werden sehen", antwortete Bernd mit einem kleinen Lächeln. Und genau dieses Lächeln ließ mir mehrere Schauer über den Rücken laufen. Als erstes kam Devin zurück. Als ich den ramponierten Instrumentenkoffer sah, durchfuhr es mich siedendheiß. Mein Geschenk an ihn hatte ich wieder auf meinem Schrank deponiert, aber viel mehr geisterten in meinem Kopf nun seine letzten Worte im kalten Deutschland herum. Traurig schaute ich ihn an, denn gerade tat sich wieder ein unüberwindlicher Abgrund zwischen uns auf. Er erwiderte meinen Blick und lächelte ziemlich nervös. Ich schob es jedoch auf seine Anspannung. Schnell schaute ich wieder weg, denn diese herrlichen braunen Augen machten mich gerade handlungsunfähig. Dabei blieb ich bei meinem Vater hängen, der nun etwas abwertend den Koffer musterte und sich ein kleines überlegendes Lächeln gönnte. In der Zwischenzeit hatte sich Bernd zu dem Flügel bewegt und hielt dort eine kleine Ansprache. Auf den Wetteinsatz ging er überhaupt nicht ein, bat die Zuhörer aber um ein ehrliches Urteil nach dem Auftritt von beiden Künstlern. Mein Kleiner hatte sich etwas abseits aufgebaut und bereitete sich wohl ein wenig vor. Nun fehlte nur noch mein Bruder. Als ob er die Anspannung im Publikum mitbekommen hatte, betrat er nun die kleine Bühne. Ich hatte meinen Platz an der Bar nicht aufgegeben, denn mein Blick auf den Flügel war ungehindert. Viel wichtiger war mir jedoch, dass ich von hier ungestört beobachten konnte und mich die unmittelbare Nähe von ihm nicht so verdammt nervös machte. Von Devin war jede Nervosität abgefallen und er machte einen sehr professionellen Eindruck. Sogar meinen Bruder schien das zu überraschen, denn er musterte ihn nun neugierig und mit einem gewissen Maß an Respekt. Der Anblick der Beiden so unmittelbar nebeneinander versetzte mir jedoch einen eifersüchtigen Stich, denn…

…sie waren ein verdammt hübsches Paar – der vollkommene Kontrast. Mein blondgelockter Bruder, der sich zu allen Überfluss auch noch in Schwarz gekleidet hatte und mein kleiner schwarzhaariger Albtraum, der etwas Helles anhatte. Sie schienen sich geeinigt zu haben, wer anfing, denn Luke setzte sich an den Flügel.

Ich wusste, dass mein Bruder gut war, aber hier unter der Sonne des Südens an diesem herrlichen weißen Flügel war er einfach fantastisch. Anfangen tat er mit einer kleinen Abwandlung des Flohwalzers, gefolgt von ein paar Variationen von klassischen Stücken und zum Schluss spielte er ein Medley aus aktuellen Rock- und Popstücken. Ich ließ meinen Blick über das begeisterte Publikum schweifen, welches ihre helle Freude an dem Auftritt von Luke hatte. Zum Schluss blieben meine Augen, wie sollte es schon anders sein, an Devin hängen. Er war die Ruhe selbst und verfolgte sehr aufmerksam das Spiel meines Bruders. Ihn schien das überhaupt nicht zu beunruhigen, vielmehr hatte ich den Eindruck, als wenn es ihn in den Fingern jucken würde, in das Solo von Luke einzustimmen. Mit einer sehr frechen Interpretation eines gerade aktuellen und ziemlich bekannten Songs schloss er seinen Auftritt und das Publikum klatschte begeistert. Ich kannte ja das Talent meines Bruders, aber eben hatte er sich mal wieder übertroffen und Devin es sehr, sehr schwer gemacht, das zu überbieten. Dieser hatte sich jedoch dem donnernden Beifall angeschlossen und Luke aufrichtig gratuliert. Ich schaute kurz zu Bernd, denn ich war gespannt, was sein Gesicht ausdrücken würde, denn er schien ja Devins Künste ein wenig zu kennen. Der schaute jedoch ziemlich nachdenklich auf Luke und hielt sich etwas abseits. Mein Vater hatte sich zu Luke gesellt und klopfte ihm breit lächelnd siegessicher auf die Schultern. Die Zuhörer beruhigten sich wieder etwas und Devin schnappte sich sein Saxophon. Er schien wirklich die Ruhe selbst zu sein und stellte sich aufreizend lässig vor den Flügel.

Aufgeregt war nur ich, denn endlich würde sich ein weiterer Wunsch von mir erfüllen – ich durfte ihn spielen sehen und hören. Gebannt folgte ich den ersten Tönen, die er seinem Saxophon entlockte und schaute überrascht zu meinem Bruder. Devin hatte die letzten Akkorde von ihm aufgenommen und spielte das Lied einfach in seiner Fassung weiter. Die Augen von Luke weiteten sich unmerklich. Und dann schien es bei meinen Kleinen Klick zu machen, er schloss seine Augen und gab sich voll seinem Spiel hin. Ohne Übergang spielte er dem Publikum ein paar Variationen des Jazz vor und innerhalb von Sekunden hatte er das Publikum für sich eingenommen. Begeistert fing es an, die Rhythmen mitzuklatschen. Als er dann in eine sanfte Ballade abglitt, wurde es mucksmäuschenstill und die Zuhörer waren wie gebannt. Ich konnte es nicht beschreiben, denn sein Spiel machte mich sprachlos. Es war die vollkommene Hingabe, mit der er spielte, die mich so erschütterte – diese Liebe zur Musik, zu seinem Saxophon, diese Liebe, die ich so gern einmal gespürt hätte. Seine Töne änderten sich wieder und nun gab er ein aktuelles Lied der Hitlisten zum Besten. Er spielte "Ganz anders" von Lindenberg und er war überirdisch. Meine Augen wanderten kurz zu meinem Bruder und seine Augen waren mittlerweile tellergroß aufgerissen. Er war vollkommen überrascht von dieser Leistung. Fast magisch wurde mein Blick jedoch wieder von dem kleinen Wirbelwind da vorne angezogen. Das Publikum war nun endgültig aus dem Häuschen und unterstützte Devin da vorne mit jedem möglichen Körperteil, der zu Lauten fähig war. Im gleichen Maße, wie sich die Begeisterung bei allen steigerte, wurde ich ruhiger und trauriger. Mir war eben etwas sehr klar geworden…

…die letzten Töne erklangen und der frenetische Beifall der Menschen brandete nur an uns beiden vorbei, denn Devin hatte seine Augen geöffnet. Sein Blick ruhte so wissend, so überlegen auf mir, dass ich mich wortlos abwandte und ging. Denn ich hatte verloren…

…so absolut verloren.

Damit meinte ich nicht diesen kleinen Wettbewerb. NEIN, damit meinte ich meinen Kampf, mein Ringen um ihn und schlussendlich gab ich auf. Es hatte keinen Sinn, denn Träume blieben nun mal immer nur Träume.

Tief erschüttert, aber auch ein wenig erleichtert, schlenderte ich zum Strand und über den langen Steg. So bekam ich nicht mit, dass mein Bruder sich vor Devin tief verbeugte und keine weitere Abstimmung um den Sieg nötig machte.

Für mich würde es in Zukunft nur die Erinnerung an einen hübschen, sehr begehrenswerten Jungen geben, die ich lieber ganz weit in meinen Herzen wegschließen sollte, denn sonst würde es mich zerreißen. Die Gewissheit der Unerreichbarkeit dieses süßen Kerls erleichterte mich, wie schon angedeutet, auch ein wenig, weil eine Entscheidung gefallen war – vor dem unermesslichen Schmerz in meinem Herz schützte sie jedoch nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich so in Gedanken versunken auf dem Steg saß, aber meine Einsamkeit wurde vorsichtig aber nachdrücklich gestört.

'Tut mir leid, dass wir verloren haben', entschuldigte sich mein Bruder und lächelte etwas schief. Verwundert sah ich ihn an, denn ich hatte den Wettbewerb und die Schuld daraus vollkommen verdrängt.

'Ich helf Dir morgen auch', bot er mir unsicher an, denn ihm war meine Verwirrtheit nicht entgangen. Das brach den Bann und mir fiel der Weihnachtsmann für morgen wieder ein.

"Nein, ist schon okay. Das habe ich wohl verdient?!", murmelte ich.

'Wieso verdient? Du hast ja nicht so schlecht gespielt!' , zeichnete er zwischen uns in die Luft und sah sehr niedergeschlagen aus.

"Luke, Du warst fantastisch. Selten habe ich Dich so gut spielen gesehen", versuchte ich ihn ein wenig aufzubauen. Es reichte ja ein Sohn in der Familie, der sich gerade in Selbstmitleid suhlte.

'Der Kleine ist der Wahnsinn. So was habe ich bisher noch nicht erlebt und habe schon einige Künstler spielen sehen', brach es auf einmal begeistert aus meinen Bruder hervor und seine Augen leuchteten.

'Du hast keine Ahnung, wie süß und begehrenswert dieser "Wahnsinn" ist', dachte ich wehmütig.

"Luke, lass mich bitte ein wenig alleine. Mir geht es nicht so…", unterbrach ich meinen Bruder sanft, verschluckte jedoch den Rest meiner Aussage. Erstaunt sah er mich an, erhob sich jedoch kommentarlos und verschwand. Alleine blieb ich zurück und das Plätschern der Wellen, die sich an den Pfählen des Stegs brachen, hatte eine einschläfernde Wirkung auf mich. Das Gefühl der Einsamkeit überkam mich immer mehr und um es voll auszukosten, schlich ich mich in meine Unterkunft und warf mich auf das Bett. Auf das Klopfen am frühen Abend an meiner Tür reagierte ich nicht und mein Bruder ließ mich diesmal zufrieden. So schlummerte ich mehrere Stunden in einem leichten Schlaf vor mich hin und war dann auf einmal mitten in der Nacht putzmunter.

'Na super', schoss mir durch den Schädel, als ich einen Blick auf meine Uhr riskierte. Sie zeigte mir etwas kurz nach 3 Uhr mitten in der Nacht an und an Schlafen war nicht mehr zu denken. Da ich immer noch meine Short und ein verknittertes T-Shirt anhatte, tauschte ich meine Klamotten durch frische aus und verließ mein Zimmer. Die Nacht war sehr angenehm, nicht zu kühl und durch die Winde vom Meer roch es nach diesem. Die Hotelanlage schien verlassen, was ja auch um diese Uhrzeit nicht sehr verwundern sollte. Trotzdem war das Gelände durch ein paar Laternen in ein samtenes Licht gehüllt und ließ mich die Umgebung problemlos erkennen. Ziellos schlenderte ich herum – irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass die frische Luft wieder eine gewisse Müdigkeit aufkommen lassen würde.

"Nun komm schon rein", wehten ein paar Worte zu mir herüber. Sie waren nicht laut gesprochen, eher der Hauch eines Flüsterns, aber diese Stimme elektrisierte mich sofort. Da floh ich, vergrub mich in mein Hotelzimmer und mitten in der Nacht traf ich auf IHN. Es war zum Heulen. Obwohl meine innere Stimme mich anflehte, sofort die Flucht zu ergreifen, wurde ich wie von einem unsichtbaren Band von dieser Stimme angezogen.

"Jazz, Du bist unmöglich", hörte ich eine tiefere Stimme amüsiert kichern. Auch diese konnte ich umgehend Bernd zu ordnen und meine innere Stimme wurde sehr viel lauter. Ich konnte mich dem Zwang, ihn einfach zu sehen, jedoch nicht erwehren und schlich leise näher.

"Das brauchen wir hier nicht", kam es von Devin heiser. Zögernd blieb ich hinter einen Strauch stehen, denn ich hatte den von ihnen besuchten Ort ausfindig gemacht.

"Oh je, wenn hier jemand vorbeikommt, kann das sehr peinlich werden", murmelte Bernd halblaut und stöhnte leise auf.

"Wer soll sich denn um diese Zeit hier herumtreiben?", grummelte Devin entrüstet.

'Ich musste einfach sehen, was da geschah!'

Die letzten Schritte machte ich dann doch etwas zögerlich und hielt mich im Schatten des Strauches vor mir.

"Jazz, nicht…", versuchte sich Bernd wohl noch einmal aufzulehnen, aber der Rest ging in leicht schmatzenden Geräuschen unter. Jetzt hatte ich den Busch umrundet und konnte ungehindert auf die Szene vor mich blicken. Selbst sollte ich in dem Halbdunkel nicht zu sehen sein, zumal das Licht um den Whirlpool um einiges heller leuchtete und sich mir keine Einzelheit verbarg. Nur, ob das so erstrebenswert für mich gerade war, wagte ich zu bezweifeln. Devin hatte Bernd den Mund mit einem stürmischen Kuss verschlossen. Dieser saß im Pool und nur die Schultern einschließlich Kopf schauten heraus. Devin schob sich auf seinen Schoß, ohne die Lippen von ihm zu lösen. Die sachten kreisenden Bewegungen, die er da mit seinem Unterleib fabrizierte, waren sehr eindeutig. Atemlos lösten sie sich von einander.

"Du machst mich verrückt, Bengel", knurrte Bernd und seine Augen blitzten lüstern.

"Ich oder mehr das hier?", fragte er schelmisch und seine Bewegungen wurden intensiver. Beide stöhnten fast zeitgleich auf.

"Jazz, niiiiicht. Wir haben nichts dabei", keuchte Bernd auf.

"Sicher?", grinste Devin ihn sehr frech an und angelte neben sich nach etwas, was auf dem Poolrand lag. Jetzt erkannte ich es als eine Badeshort und er kramte in ihr herum. Triumphierend hielt er Bernd ein Kondom unter die Nase.

"Das glaub ich nicht, Du hast das geplant?", hörte ich Bernd fassungslos, zog den Kopf seines Begleiters jedoch zu einem weiteren sehr stürmischen Kuss zu sich heran.

"So Moment bitte, der Herr", hauchte Devin ihm diabolisch zu und verschwand mit seinem Kopf unter Wasser. Man konnte nur erahnen, was sich da gerade abspielte. Bernd hatte seine Augen geschlossen und das Gesicht war lustverzerrt. Prustend tauchte Devin nach einer Weile auf. Dann setzte er sich wieder auf den Schoß.

"Und hast Du überhaupt Lust?", fragte er Bernd scheinheilig.

"Bengel, das hast Du doch wohl eben sehr deutlich gesehen", knurrte dieser zurück und sah ihm dabei tief in die Augen.

"Aaaaah, Moment, langsam", stöhnte Devin auf und warf seinen Kopf zurück. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Devin war passiv, okay passiv stimmte nicht ganz, denn er fing Bernd gerade an, vorsichtig zu reiten. Es waren eher sanfte Bewegungen, aber sie waren eindeutig. Dass ich mich der Handlungen dort ein paar Meter von mir entfernt nicht verschließen konnte, machte mir mein bestes Stück schmerzhaft klar. Während ihres Aktes waren sie in einen langen zarten Kuss versunken. Nach einer kleinen Ewigkeit lösten sie sich.

"Ich halt das nicht mehr aus", brummte Bernd und umschlang Devins Hüften mit seinen Armen. Vorsichtig stand er auf und drehte sich mit ihm um. Devin legte seine Beine um Bernds Hüften und lächelte ihn ziemlich frech an.

"Bringst Du es denn noch?", zog er ihn auf.

"Du bist so ein versautes Früchtchen, Jazz", brummte er und presste Devin an die Poolwand. Dann stieß seine Hüfte nach vorne und Devin keuchte lustvoll auf.

'Du SPANNER!', erschall eine Stimme durch mein vernebeltes Gehirn. Erschrocken zuckte ich zusammen und hätte mich mit einem lauten Ausruf fast verraten. Rechtzeitig erkannte ich, dass es meine eigene innere Stimme war. Nichts desto trotz hatte sie Recht. Und so erregend es auch war, diese Handlungen da zu beobachten, gesellte sich zu meinem schlechten Gewissen auch eine weitere Erkenntnis. Wir beide hatten nun wirklich schon sehr viele Stunden zusammen im Bett verbracht, aber so hatte er sich mir noch nie hingegeben. Nicht das ich seinen aktiven Part nicht genoss, nein, es war die Art und Weise, mit der er den Sex eben auslebte. Bei mir war er so neutral und distanziert und hier?

Wenn ich es nicht schon gestern Nachmittag begriffen hätte, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen – dieser Junge war für mich nicht erreichbar, weshalb auch immer!? Vorsichtig zog ich mich zurück, wobei ich versuchte keinen Laut zu verursachen. Anderseits glaubte ich nicht, dass die Beiden noch etwas von ihrer Umgebung wahrnahmen. Die Laute zeigten einen Grad der höchsten Erregung und Devins lustverzerrter Gesichtsausdruck brannte sich in meinem Hirn ein.

Einen deprimierenderen und schlimmeren Abschluss dieser ganzen Angelegenheit hätte es nicht geben können. Wie ich die Tage bis zu unserem Abflug einigermaßen über die Bühne bekommen sollte, wurde eine immer größere Herausforderung. Auf jeden Fall würde ich ihm so viel wie möglich aus dem Weg gehen und da Luke ja einen Narren an ihm gefressen zu haben schien, würden meine Tage wohl sehr einsam werden. Mit diesen Vorsatz gönnte ich mir nun doch noch ein paar Stunden Schlaf, denn eine tiefe Erschöpfung hatte sich meiner bemächtig.

Am nächsten Morgen, es war schon eher Mittag, stand ich wie erschlagen auf. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sich durch meine Entscheidung gegen Devin, mein Selbstbewusstsein etwas erholen würde und ich wieder zuversichtlicher in meine Zukunft schauen würde, aber…

Bei eindeutigen Handlungen an mir selbst unter der Dusche spielte ein schwarzhaariger Junge mit trotzig blickenden aber wunderschönen braunen Augen keine kleine Rolle. Somit entschloss ich mich, etwas zu tun, was bisher immer geholfen hatte – die körperliche Geißelung!

Mit einer kurzen Sporthose und einem Muskelshirt bekleidet, betrat ich den Fitnessraum, der sehr üppig ausgestattet war. Zum Glück war ich ganz alleine und gab mich den Geräten völlig hin. Lange hatte ich mich nicht mehr so ausgepowert wie heute und die körperliche Erschöpfung tat mir gut. Zum Abschluss wollte ich noch einmal eine Serie stemmen und war wohl etwas zu zuversichtlich bei der Gewichtszuteilung gewesen. Auf jeden Fall hatte ich bei den letzten beiden Versuchen mächtig zu kämpfen, aber aufgeben gab es nicht - nicht hierbei! Ächzend wuchtete ich das letzte Mal die Hantel hoch und der Adrenalinausstoß verschaffte mir ein lang vermisstes Glücksgefühl. Zufrieden und erschöpft blieb ich auf der Bank mit geschlossenen Augen liegen.

"Hey", hörte ich leise jemanden von der Tür.

'Nein, bitte nicht!'

Unwillig öffnete ich meine Augen. Ich war nicht hierher gekommen, um mich schon wieder mit IHM auseinanderzusetzen. Sein Anblick ließ meine Gefühle sofort vibrieren und völlig überrascht war ich von seinem schüchternden, verlegenen Lächeln. Er schien unsicher zu sein, aber ich hatte mich nicht gerade körperlich so verausgabt, um ihm wieder zu verfallen. Ich wollte nicht mehr - nein ich konnte nicht mehr.

"Was willst Du?", fauchte ich. Sein Lächeln war wie weggewischt und der Glanz in seinen Augen erlosch.

"Hatte ja keine Ahnung, dass der kleine Ani sich hier versteckt", zischte er zurück.

"Und Swing, besorgt er es Dir gut?", fragte ich gehässig. Seine Augen weiteten sich ein wenig und seine Wangen nahmen etwas mehr Farbe an. Mir tat meine Frage sofort leid, es war zum verrückt werden. Dieser Kerl reizte mich einfach bis aufs Blut.

"Na Andy, Du hast es wohl arg nötig. Vielleicht sollte ICH es DIR mal wieder richtig besorgen!", konterte er trocken und lächelte mich anzüglich an.

"Was willst Du von mir?" resignierte ich. Je schneller wir das geklärt hatten, desto eher hatte ich meine Ruhe.

"Wollen? Ich von Dir. ICH werde dafür bezahlt, dass ich mache, was die Kunden wollen, nicht Andy?", ätzte er weiter und seine Augen glühten jetzt unheilvoll.

"Vielleicht will ich Dir nur ein Gefühl vermitteln?", kam es eisig von ihm, nachdem ich ihm nicht geantwortet hatte.

"Gefühl?", murmelte ich tonlos.

"Dein Bruder ist sehr gut im Zuhören", hörte ich ihn leise und sanft sagen, viel zu sanft. Als der wahre Inhalt hinter den Worten mich endlich erreichte, schaute ich ihn erschrocken, nein regelrecht panisch an.

"Das wagst Du nicht", wisperte ich.

"Was sollte mich davon abhalten, Anakin?", antwortete er mir. Seine Lippen hatten einen harten Zug angenommen, aber faszinierend waren wieder mal seine Augen. Der Ausdruck darin passte nicht zu seiner Aussage - er brachte mich total durcheinander. Sprachlos starrte ich ihn an. Ertappt zuckte er zurück und brach den Blickkontakt ab.

"Schöne Feiertage noch Anakin", murmelte er und verschwand.

'Die ganzen letzten Stunden der Quälerei hier waren vollkommen für die Katz', fluchte ich vor mich hin. Fünf Minuten mit ihm alleine hatten ausgereicht, meine ganzen Grundsätze über den Haufen zu werfen. Entsetzt war ich natürlich über seine angedeutete Erpressung, aber vielmehr beschäftigten mich die letzten Augenblicke mit ihm.

Was war das in seinen Augen?

Konnte da vielleicht....

Benommen schüttelte ich den Kopf und stellte mich im Apartment erst einmal unter die kalte Dusche. Es half alles nichts, meine Gedanken kreisten ununterbrochen um den schwarzhaarigen Saxophonisten.

Warum konnte ich mir den nicht aus den Kopf schlagen?

'Weil er Dich magisch anzieht!', wisperte eine Stimme in Selbigem und es war eine weibliche.

'Weil Du ihn liebst!', schob sie noch hinterher und ich wusste nun, woher ich sie kannte.

'Wenn ich ihn wirklich liebte, warum endete jedes Gespräch in Streit, warum brachte er mich so auf die Palme?', erwiderte ich trotzig.

'Weil ihr euch beide vielleicht ähnlicher seid, als du jemals angenommen hast!', antwortete mir eine andere Stimme, die ich noch besser kannte, denn es war meine.

"Ähnlich?", verwirrt verfolgte ich den Gedanken halblaut.

'Ihr wollt euch beide aneinander reiben, euch fetzen, aber auch wieder vertragen und lieben. Ihr seit wie Feuer und Eis, sosehr ihr euch abstoßt genauso doll zieht ihr euch an!' Dieser Gedankenblitz traf mich vollkommen unvorbereitet, denn er erklärte viele Rätsel.

Sollte es so einfach sein?

Jedoch wie sollte ich mit diesen Gedanken, der so logisch klang, in der Realität klarkommen. Eine Geste, ein Wort von ihm konnte bei mir verheerende Wirkungen haben.

Und zu guter Letzt gehörten zu so was immer zwei! Unabhängig von seinem letzten Blick war sein Verhalten bisher nie aufmunternd gewesen und an die Auseinandersetzung mit meiner Familie wollte ich nicht mal denken.

Probleme, über Probleme – da schien ein Weglaufen der einfachste Weg, nur bitte wie sollte ich das auf einer kleinen Insel wie dieser hier anstellen?

Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ich stand immer noch nackt in meinem Hotelzimmer, weil meine wirren Überlegungen sämtliche normalen Handlungen blockiert hatten.

"Moment bitte", rief ich und stürzte zu meinen Kleiderschrank. Es konnte eigentlich nur mein Bruder sein, aber dieser kleine schwarzhaarige Teufel hatte allein schon bei den Gedanken an ihn, ein gewisses Körperteil etwas anwachsen lassen – DAS musste Luke nun nicht unbedingt sehen.

"Ja?!", gab ich dann nach ein paar Sekunden, sittsam bekleidet, laut genug von mir. Die Tür wurde aufgestoßen und Luke kam beladen hinein. Ich konnte nicht genau erkennen, was es war, aber es war rot. Schnaufend warf er das Bündel auf die Couch und grinste mich frech an.

'Na alter Weihnachtsmann', kam es von ihm und sein Lachen wurde noch breiter.

"Ich soll doch wohl das Zeug bei der Hitze nicht anziehen?", fragte ich entsetzt.

'Also ein Weihnachtsmann in Badehose und dann auch noch so muskulös wie Du es bist, das nimmt uns keiner ab.'

"Na Super", knurrte ich.

‚Ich helf Dir auch beim ankleiden und Bart ankleben‘.

Oh man, das wurde ja immer besser. Zusammen durchstöberten wir die Klamotten. Wenigstens waren sie frisch gewaschen und nicht allzu dick. Schwitzen würde ich trotzdem wie ein Schwein. Etwas später gesellte sich auch noch kurz unser Vater zu uns und erklärte mir, dass die Animateure mir beim Geschenke verteilen helfen würden. Sie wüssten bei den Kindern, wer was bekommen durfte und ich solle nur den "bösen" Weihnachtsmann spielen. Das gab mir eine fiese Eingebung und Minuten später war mein Bruder als Knecht Ruprecht verhaftet. Sehr begeistert sah er nicht aus, aber nun hatte ich ein Hörleiden und schlecht sehen konnte ich auch auf einmal ganz gut. Sein Flehen und Jammern nützte nichts, er würde den "Bösen" von uns beiden spielen müssen.

'Wie ich mich doch mal wieder geirrt hatte!!!', fluchte ich leise vor mich hin. Am frühen Abend unter der prallsten Sonne saß ich am Strand und hatte gerade einen 5jährigen Knirps auf dem Schoß. Den "Bösen" spielte ich und Mr. Rupprecht brachte die Kinder mit seinen Grimassen zum Johlen. Der Kleine zupfte mir gerade am Bart herum und ich brummte ärgerlich. Der Schweiß lief mir in Sturzbächen am ganzen Körper hinab, aber es machte ziemlichen Spaß mit meinen Bruder hier die Kinder zu unterhalten. Das mit den Geschenken klappte reibungslos, denn die Animateure hatten herrlich vorgearbeitet und amüsierten sich selbst köstlich über das Weihnachtspaar. Die Zeit verflog regelrecht und ein paar Bedienstete hatten derweil in unserem Rücken zum Meer hin einen großen Haufen Holz aufgeschichtet. Die Kinder waren mittlerweile alle verarztet, aber Luke und ich hatten so einen durchschlagenden Erfolg, dass nun die Erwachsenen ihre Geschenke an sich auch über uns abwickelten. Ich musste mir ein paar Mal das Lachen sehr verkneifen, denn wenn sich eine Frau Ende Dreißig auf meinen Schoß verirrte und mir von ihren "Schandtaten" erzählte, dann lief ich zum Einen rot an und mein "Ho ho ho" kiekste so komisch.

Mit einem Mal war die Sonne verschwunden und der angenehme Wind vom Meer trocknete ein wenig meinen Schweiß, jedoch nicht sehr lange. Mit dem Sonnenuntergang war sofort die Dunkelheit hereingebrochen. Ein paar Laternen, die das Personal aufstellte, erhellten den Strand, aber das größte Licht warf das große Lagerfeuer und es "erwärmte" mich auch wieder. Irgendwann war mein "Albtraum" aufgetaucht und hatte sich mit Bernd in unserer Nähe niedergelassen. Mein Vater hatte sich zu ihnen gesellt, meine Mutter hatte es mal wieder nicht für nötig befunden, den Abend bei ihrer Familie zu verbringen. Devins freches Grinsen, als er mich in der Verkleidung sah, ließ bei mir schon wieder die Gefühle und Nerven vibrieren. Sein herrliches Lachen, hervorgerufen durch die Eskapaden die Luke so trieb, war ansteckend. Seine Augen strahlten.

Es war der Junge, den ich so sehnsüchtig begehrte…

Wir hatten mittlerweile alle Schenkungswilligen abgefrühstückt und ich wollte mich zurückziehen, denn Devin machte mich verrückt. Auf einmal warf sich Mr. Rupprecht vor meine Füße und flehte mich an. Mein Bruder hatte eindeutig heute zu lange in der Sonne gestanden. Da natürlich die Umsitzenden auf das Schauspiel gespannt waren, ging ich darauf ein.

'Lieber, lieber Weihnachtsmann, der kleine Luke hat auch einen ganz, ganz großen Wunsch', schauspielerte mein Bruder theatralisch. Der vor mir kniende Luke assoziierte mir etwas anderes und ein verstohlener Blick ging zu Devin. Dabei erwischte ich ihn, wie er mit verträumten Augen zu mir schaute und ich genau diesen Ausdruck von heute Mittag wiedererkannte.

"Und was will der Knecht von seinem Meister?", brummte ich tief.

'Etwas, was nur dieser Weihnachtsmann für mich tun kann', flehte er noch herzzerreißender. Ein Mensch mit einer Stimme hätte das mit Worten nicht so gut hinbekommen.

"Ah und was soll der Weihnachtsmann für Dich tun?"

'Singen!' , strahlte mich mein Bruder nun sehr frech an. Da war ich ihm ja schön auf den Leim gegangen und zuerst einmal sprachlos.

"Das ist nicht Dein Ernst", murmelte ich halblaut zu Luke, aber der zwinkerte mir nur verschwörerisch zu.

"Lieber Herr Weihnachtsmann, Sie können dem kleinen Luke doch nicht seinen einzigen Wunsch verwehren", mischte sich nun eine tiefe männliche Stimme ein. Fassungslos sah ich meinen Vater an, denn niemand anderes hatte das eben gesagt. Er hielt mir eine Gitarre vor die Nase und sein Grinsen unterschied sich nur in Nuancen von dem Lukes. Meine Augen, die kurz Devin streiften, sahen einen sehr erstaunten Jungen. Diese Sache war zu zufällig, um nicht geplant gewesen zu sein.

Mir blieben ja nur zwei Möglichkeiten – entweder wortlos aufstehen und gehen, oder mich meinem Schicksal fügen. Als mein Blick wieder kurz zu Devin wanderte und ich diesen süßen Kerl sah, fasste ich einen spontanen Entschluss.

"Okay, ein Lied mein kleiner Luke", stimmte ich dem Wunsch von ihm zu und schnappte mir das Instrument von meinem Vater. Diesen blitzte ich nur an. Ein paar Sekunden zupfte ich die Saiten, um mich etwas einzustimmen. Das Lied hatte ich schon längst ausgesucht und auch wenn es Lukes Wunsch gewesen war, es war nicht für ihn bestimmt. Leise, etwas unsicher fing ich an – wo würde mich das hier hinführen? Ein wenig änderte ich den Song für meine Bedürfnisse…

Frag nicht nach morgen

Denn er bleibt Dir verborgen

Frag nicht was gestern war

Wir ziehen unsere Kreise

Auf unserer Reise

Wo eben noch Sonne war

Wir ertrinken alleine in unseren Worten

Ertrinken alleine in Einsamkeit

Irgendwann im Dezember

Irgendwann im Dezember

Zu lang

Zu weit

Zu viel passiert

Irgendwann im Dezember

Meine Stimme war fester geworden und ich fühlte mich sicherer. Die Augen, die ich bei den ersten Zeilen geschlossen hatte, öffnete ich einen Spalt und sah einen fassungslosen Devin.

Wir verlieren uns im Regen

Auf endlosen Wegen

Warum lässt Du mich im Stich

Wir ziehen immer weiter

Denn wir sind Schattenreiter

Auf unserem Weg ins Licht

Wir ertrinken zu zweit in unseren Worten

Ertrinken zu zweit in Einsamkeit

Irgendwann im Dezember

Irgendwann im Dezember

Zu lang

Zu weit

Zu viel passiert

Egal was noch kommt

Egal was Du sagst

Auch wenn Du jetzt schweigst

Ich habe versagt

Seine Augen waren riesengroß geworden. Er hatte verstanden, was ich mit diesen Zeilen bezweckte…

Devin

Da saß dieser Machotyp und sang…

Und er sang für mich, nur für mich. Seine Augen sprachen eine eindeutige Sprache.

Egal was noch kommt

Egal was Du sagst

Auch wenn Du jetzt schweigst

Ich habe versagt

Ich habe versagt

Ich weiß ich habe versagt

Denn es ist Juli

Denn es ist Juli

Denn es ist Juli

Irgendwann im Dezember

Irgendwann im Dezember

Irgendwann im Dezember

Irgendwann im Dezember werd ich gehen

Irgendwann im Dezember ob Du es willst oder nicht

Irgendwann im Dezember werden wir uns nicht mehr sehen

(Juli – November * leicht abgewandelt)

Kaum waren die letzten Töne verklungen, brandete lauter Beifall auf, denn seine Stimme war gigantisch. Wie er diese Ballade herübergebracht hatte, war einfach fantastisch. Nur bekam ich das nur im Unterbewusstsein mit, denn seine Augen brannten sich durch bis in meine Seele. So unsicher, so zerrissen schauten diese klaren eisgrauen Sterne mich an, dass sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper ausbreitete. Mühsam riss ich meinen Blick von ihm los, denn länger konnte ich mich seiner Frage, die ebenso in den Augen glimmte, nicht aussetzen.

'Dazu war ich nicht bereit!', wehrte ich mich mit Händen und Füßen innerlich gegen das Gefühl, welches immer mehr Besitz von mir ergriff.

"Das gibts doch nicht", brubbelte Bernd neben mir.

"Was?", fragte ich ihn, damit ich mich ja nicht länger mit meinen Gefühlen auseinandersetzen musste.

"Da muss ich tausende von Kilometern fliegen, um auf einer kleinen Insel zwei ungewöhnliche Talente zu finden", brummte er weiter.

"Thomas, Du hast zwei sehr begabte Söhne", wandte er sich dann an Anakins und Lukes Vater.

"Nur das hier bei meinem Jüngsten kannst Du gleich wieder vergessen", seufzte er.

"Wieso?"

"Ich hätte nicht gedacht, dass er sich dazu überreden lässt. Normalerweise wäre er aufgestanden und wortlos gegangen, denn wenn er singt, dann nur im engsten Familienkreis und immer nur auf ausdrücklichen Wunsch seines Bruders. Irgendwas hat ihn hier über seinen Schatten springen lassen", kam es leise von Thomas. Und ich war mir sicher, dieses "Irgendwas" sehr gut zu kennen.

"Schade, die Stimme hat wirklich Potential", lächelte Bernd etwas wehmütig.

"Tja, Du kennst den Dickkopf von Anakin nicht. Gegen den hat nur einer eine Chance und der verschwört sich meistens mit ihm gegen alle anderen", grinste Thomas zurück. Gespannt verfolgte ich dieses Gespräch, denn so einiges hatte ich mir ja schon selbst zusammen gereimt, aber so aus erster Quelle waren die Informationen natürlich viel interessanter. Verstohlen wanderte mein Blick immer wieder zu dem "Weihnachtsmann", der sich nun seinem Bruder zugewandt hatte.

"Sei froh, dass sich Deine Söhne so gut verstehen", kam es von Bernd.

"Das bin ich, auch wenn meine Frau davon nicht so begeistert ist, weil sie gegen diese verschworene Einheit kaum ankommt. Ani ist die letzten beiden Jahre auch nicht einfacher geworden. Er ist es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Aber wie ich ihn hier die letzten Tage erlebt habe, das macht mir doch etwas Sorgen", murmelte Thomas mehr zu sich.

"Ahnst Du etwas konkretes?", hakte Bernd vorsichtig nach und Thomas sah ihn erstaunt an. Dann begriff er wohl, dass er seine Gedanken laut geäußert hatte und zuckte leicht mit den Schultern.

"Mir kommt es so vor, als ob hier etwas ist, was ihn total aus der Bahn wirft. Sein Verhalten ist völlig gegensätzlich seines sonstigen Handelns."

Und ich wusste sehr wohl, was den kleinen Ani so aus der Bahn warf. Als er vor ein paar Tagen so völlig aus dem Nichts im Billardzimmer auftauchte, hielt ich es für einen sehr schlechten Scherz. Aber als ich sah, dass er mit seiner kompletten Familie hier auftauchte, konnte ich mir ein fieses Grinsen nicht ersparen – vor allem weil sein Flehen in den Augen so wohltuend war.

Endlich durfte ich ihm sein arrogantes Verhalten unter die Nase reiben, seine Erpressung an mich mit gleicher Münze heimzahlen…

…und dann konnte ich es nicht. Ich konnte ihn einfach nicht verraten, jedoch hielt mich das nicht davon ab, mit ihm zu spielen. Dieses überhebliche Lächeln aus seinem Gesicht mit ein paar Worten einfach auszulöschen, hinterließ bei mir ein ungeahntes Triumphgefühl…

…mit einem kleinen ekligen Beigeschmack. Ich wollte es nicht zugeben, aber ich war diesem Typen hemmungslos verfallen. Sein Körper war einfach der Wahnsinn und die Brille, die er hier trug, stand ihm ausgesprochen gut. Auf der einen Seite wollte ich ihn dominieren, ihn einfach reizen, anderseits verzehrte ich mich nach ihm. Nach einem Lächeln, einer Berührung, halt irgendetwas, was nur für mich bestimmt war. Als er mich beim Tauchen umfasste und fast zärtlich an die Wasseroberfläche schob, wäre ich fast über ihn hergefallen. Nur sein überhebliches Lächeln verhinderte es, aber ich konnte fühlen, wie es um ihn stand.

Und dann heute Mittag, als er ausgepowert, nur mit einem Muskelshirt und einer knappen Short bekleidet im Fitnessraum lag, da überkam mich die Sehnsucht nach diesen Körper. Er hätte alles mit mir in diesen Moment machen können, aber er giftete mich sofort an. Da ging es mit mir durch und ich drohte ihm das erste Mal relativ offen. Die Resignation, die dann von ihm ausging, störte mich gewaltig – ich wollte, dass er kämpfte. Ich wollte mit ihm streiten…

…Scheiße!

Und nun sang er dieses Lied…

…nur für mich…

'Jazz, Du liebst ihn', hörte ich wieder einmal Silke in meinem Kopf und dieses Mal wehrte ich mich nicht sehr gegen diese Aussage. Unter seiner ganzen Selbstherrlichkeit schlummerte etwas ganz anderes und einen Teil hatte er mir eben gezeigt. Vielleicht waren sich die Brüder ähnlicher als ich bisher erkennen konnte.

Mit Luke hatte ich mich sofort angefreundet. Der Kerl war einfach witzig, charmant, überaus intelligent und sah dazu auch noch umwerfend aus. Wenn ich jedoch die Wahl zwischen den beiden Brüdern hätte, dann würde ich mir den Körper des Idioten und den Charakter des Ältern zu einem Idealfreund zusammen basteln.

Da saß also der schwule Weihnachtsmann, von dem nur ich wusste, dass er auf Elfen und nicht auf Elfinnen stand, in seinem bescheuerten roten Kostüm und hatte mit seinem Lied eine mächtige Bresche in meine Antipathie ihm gegenüber geschlagen.

Das konnte nie und nimmer gut gehen!

Seufzend stand ich auf und wandte mich zum Meer.

"Jazz?", hörte ich Bernd fragen.

"Ich mach einen kleinen Strandspaziergang", murmelte ich.

"Soll ich Dich begleiten?", fragte er und seine Augen funkelten eindeutig.

"Nein, mir schwirrt da was, ähm… eine Melodie im Kopf herum", wand ich mich und verdrückte mich zügig. Ich fühlte seine Blicke auf meinen Rücken brennen. Der Ausflug entlang des Wassers verschaffte mir nicht wirklich einen klaren Schädel. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Vor allem hatte ich keine Ahnung, wie ich mit so einem "Freund" umgehen sollte. Wir lebten doch in zwei total unterschiedlichen Welten, waren so verschieden…

'Waren wir das wirklich?'

Dieser Gedanke beschäftigte mich am meisten. Warum reizte es mich so, mich mit diesem Kerl zu zoffen, ihn zu reizen, ihn beim Sex zu dominieren? Weil wir uns ähnlicher waren als wir beide wahr haben wollten? Er hatte einen starken Willen, war selbstbewusst, liebte den Sex – das kam mir alles sehr bekannt vor.

Als ich zum Feuer zurückkehrte, saßen zwar noch ein paar Gäste dort, aber Bernd und die anderen waren verschwunden. Somit machte ich mich auf den Weg zu unserer Unterkunft. Dort fand ich Bernd auch nicht, aber ich hatte keine große Lust mehr, den Abend an einer Bar ausklingen zu lassen. So warf ich mich nach einer Dusche nackt auf mein Bett und schlummerte mit einem Lied in den Ohren und zwei eisgrauen Sternchen vor dem geistigen Auge ein. Mein Schlaf war sehr unruhig, denn ich kämpfte immer noch mit meinen wirren Gedanken. Irgendwann in der Nacht kuschelte sich jemand an mich und ich wurde merklich ruhiger. Der Körper, der sich sehr begehrlich an mich presste, strahlte eine gewisse Ruhe aus.

Lippen, die an meinem Nacken knabberten, holten mich dann am frühen Morgen aus dem Schlaf. Auch wenn die ersten Stunden sehr unruhig waren, fühlte ich mich erfrischt und erholt.

"Wenn Du Hunger hast, lass uns frühstücken gehen", brummte ich verschlafen.

"So was Leckeres finde ich da nie", hörte ich einen ziemlich munter wirkenden Bernd hinter mir. Ich schob mich noch enger an ihn und seine Arme umschlangen mich zärtlich. Wie es um ihn bestellt war, spürte ich schon seit meinem Erwachen.

"Wie kann ein alter Mann nur so dauergeil sein?", neckte ich ihn leise.

"Bürschchen", hörte ich ihn warnend in meinem Ohr flüstern und seine Finger wanderten auf meinen Oberkörper tiefer. Als sich seine Finger um meine Erregung schlossen, stöhnte ich leise auf.

"Was Du kannst, kann ich schon lange", hauchte er mir zu und rieb sich sanft an mich.

"Schade, dass es für den Pool keine angemessene Zeit ist", kicherte ich leise vor mir hin.

"Das, mein lieber Jazz, war gestern Nacht der absolute Hammer", stimmte er mir zu und seine Finger wurden fordernder. Da konnte ich ihm absolut zustimmen. Der Sex mit Bernd wurde immer besser. Er hielt sein Versprechen und hatte in dieser Richtung an mich überhaupt keine Erwartungen, aber das hielt mich nicht davon ab, ihn jeden Tag etwas zu verführen. Was mich so faszinierte, war das fast absolute Vertrauen ineinander und das er genau wusste, wie ich es mochte.

"Du bist mir doch nicht böse?", hörte ich ihn dann nervös fragen.

"Warum sollte ich?"

"Na ja, ich bin heute Nacht einfach so zu Dir ins Bett gekrochen, aber wie Du Dich da so nackt auf dem Bett hin- und hergeworfen hast, da konnte ich nicht anders", erklärte er mir verlegen.

"Nein, Du hast mir sogar eine ruhige Nacht damit geschenkt", gab ich ehrlich zu und mir war es wirklich nicht unangenehm.

"Und bereit für mehr?", flüsterte er und knabberte wieder an meinem Ohr.

"Frag nicht so blöd und tu es!", forderte ich ihn heiser auf.

"Jazz, Du machst mich verrückt", stöhnte Bernd leise, als er in mich eindrang. Es wurde ein sanfter Akt, aber irgendwann ist die Erregung nicht mehr zu bremsen. Er schob sich endgültig auf mich und presste mich mit seinen langen Bewegungen fest auf das Bett. Und dann geschah es…

In mir blitzte die Vorstellung auf, das ein muskulöser junger süßer Kerl auf mir lag und es mir genauso besorgte wie Bernd. Allein der Gedanke daran ließ mich laut lustvoll aufstöhnen und gleichzeitig schüttelte mich ein wahnsinniger Orgasmus. Das war dann auch für Bernd zuviel und nach Sekunden der Ekstase sank er erschöpft auf mich. So fantastisch der Orgasmus eben für mich auch war, so beschissen fühlte ich mich jetzt.

'Du betrügst Dich doppelt, mein lieber Jazz!', höhnte eine unangenehme Stimme im Kopf. Ich traute mich gar nicht weiterzudenken, aber das übernahm mein Gewissen.

'Du willst Sex mit Anakin und treibst es mit Bernd und während des Ficks denkst Du an den Kerl, den Du nicht bekommen kannst. Wie verdorben ist das denn??!!'

'Wieso nicht haben kann?', wehrte ich mich halbherzig.

'Dann versuch es doch, Du Feigling!', lachte jemand hämisch in meinem Kopf.

Bernd hatte sich mittlerweile zurückgezogen und seine Finger streichelten sanft über meinen Körper.

"Devin, Du bist ein Traum für mich", murmelte er leise. Ich blieb auf den Bauch liegen, wandte aber meinen Kopf zu ihm. Seine Augen musterten mich neugierig, aber eine gewisse Traurigkeit war ebenfalls darin zu erkennen.

"Ich bin nur ein junger Kerl, der kein Geld hatte, sich selbst angeboten hat und dann verdammt viel Glück hatte", antwortete ich ihm leise.

"Du nennst es Glück, mit einem Typen im Bett zu liegen, der Dein Vater sein könnte?", fragte er verblüfft.

"Mach Dich nicht älter als Du bist", konterte ich. Fragend zog er nur eine Augenbraue hoch.

"Ja, ich hatte Glück, Dich zu treffen. Um ehrlich zu sein, habe ich vorher nie daran gedacht, dass Sex mit Opis so geil sein kann", grinste ich ihn frech an. Seine Finger, die sich in meinem Haar verirrt hatten, zogen leicht an meinem Ohr.

"Frechheit", knurrte er.

"Nein, mal ehrlich Bernd. Ich finde es schade, dass wir uns so kennen gelernt haben, aber ansonsten hätten wir uns wohl nie getroffen. Ich wäre froh und stolz, Dich einen Freund nennen zu dürfen", gab ich dann sehr ernst von mir.

"Freund", murmelte er leicht abwesend.

"Gerne", stimmte er dann zu.

"Und lass uns das hier solange genießen, wie es dauert", blitzte er mich schon wieder lüstern an. Nun sah ich ihn mehr als fragend an.

"Jazz, ich mach mir nichts vor. Irgendwann wirst Du Deinen Traumtypen überzeugen, dass Du das Opium für ihn bist und dann sind wir wirklich nur noch Freunde", erklärte er mir nun ernst und wie er "Freunde" aussprach, schloss jeden weiteren Sex danach aus.

"Mal schauen", flüsterte ich nervös.

"Aber nun will ich doch mal sehen, ob der Devin wirklich schon richtig wach und fit ist", grinste er frech und seine Hand verirrte sich zwischen meine Schenkel. Gespielt genervt stöhnte ich auch und rollte ergeben mit meinen Augen. Und dann zeigte ich den "alten" Mann, wozu so ein junger Kerl aktiv in der Lage war – diesmal ohne an jemand Bestimmten zu denken.

Danach blieben wir bis in den späten Vormittag im Bett liegen. Irgendwann knurrte mein Magen so stark, dass wir doch zum verspäteten Frühstück gingen. Bei Einigen war wohl schon Mittagszeit, so dass der Speiseraum ziemlich gut gefüllt war. Nur die von mir ersehnte Familie war nicht anwesend. Als wir vom Essen, dass wir nahtlos in ein Brunch ausarten ließen zum Pool schlenderten, kamen uns ein verschlafener Anakin und ein hellwacher Luke entgegen.

"Mahlzeit Jungs", begrüßte sie Bernd. Luke begrüßte uns freudig mit ausladenden Gesten, Anakin schaute mich sehr skeptisch an.

"Na Mr. Weihnachtsmann", neckte ich ihn, nahm aber mit einem offenen Lächeln jegliche Schärfe aus meinen Worten. Seine Augen blitzten hinter seiner Brille kurz auf, aber er schluckte eine giftige Erwiderung herunter.

"Du scheinst jedenfalls nicht brav gewesen zu sein?", brubbelte er zurück. Verdutzt sah ich ihn an und Bernd lachte neben mir halblaut.

"He?"

"Von dem Weihnachtsmann hast Du jedenfalls kein Geschenk bekommen", stellte er trocken fest.

"Vielleicht war ich ja zu artig?", griente ich zurück.

"Wer weiß", murmelte er.

"Aber das musst Du eher den Mr. Rupprecht fragen", schob er dann noch hinterher und zeigte auf seinen Bruder. Der machte ein nachdenkliches Gesicht, tippte mit seinem Zeigefinger an die Lippe und nickte dann sehr ernst.

'Und Bernd, war der kleine Devin artig?', wandte sich Luke an meinen Begleiter. Der wiegte den Kopf.

'He, was war denn hier los? Hatten sich alle gegen mich verschworen?', grübelte ich.

"Eigentlich war er sogar ziemlich böse!", grinste Bernd nun als Antwort sehr frech und sein Lächeln war mir eine Spur zu anzüglich, so dass ich doch wirklich eine knallrote Birne bekam. Es konnte gar nicht unterbleiben und meine Augen huschten kurz zu Anakin. Auch wenn er ein breites Grinsen um die Lippen hatte, konnte ich diesen eifersüchtigen Glanz darin gut erkennen.

'Und lieber Weihnachtmann, was machen wir denn da?'

Gerade fühlte ich mich ein wenig wie ein Spielball zwischen den Parteien und der Schiedsrichter in Person meines persönlichen Albtraumes fing auf einmal an zu grinsen. Dies und das Glitzern in seinen Augen machte mich tierisch nervös und ich blitzte ihn an. Immerhin hatte ICH ihn hier in der Hand. Sein Glitzern wurde noch intensiver und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mein Aufbegehren genoss.

"Ich habe da so eine Idee, wie er seine Vergehen sühnen könnte", brummte er nun mit tiefer verstellter Stimme und die Betonung des Wortes "Vergehen" ließ bei mir nur eine Auslegung zu. Die Folge war, dass ich rötlich anlief.

"Und das wäre wie?", übernahm Bernd das Antworten für mich und schien sich köstlich zu amüsieren.

"Wie wäre es mit einem Duett zusammen mit dem künstlerischen Versager von vorgestern", knurrte Anakin, aber an die Stelle des Glitzerns war nun eine freudige Erwartung getreten. Der Versager namens Luke war sofort Feuer und Flamme und auch mich reizte es, zusammen mit ihm zu musizieren. Nach dem Vorschlag von Bernd vorgestern war ich mir schon ziemlich sicher gewesen, dass ich diesen kleinen Wettbewerb gewinnen würde, aber Luke hat es mir dann doch sehr schwer gemacht. Ich machte einfach, was ich am besten konnte – in meiner Musik zu versinken. Als ich nach meinem Beitrag meine Augen öffnete, bekam ich nur am Rande mit, dass die Zuschauer und Zuhörer vor mir tobten, denn mein Blick ruhte über ihren Köpfen hinweg auf ihm. Und wieder sah ich eine neue Seite von ihm, einerseits war eine gewisse Verzückung zu sehen, anderseits Traurigkeit und Resignation.

Das er den Wunsch hatte, mich spielen zu sehen, war mir schon bei unserem ersten Treffen in meiner Wohnung klar geworden – nur der Grund dafür, warum er ihn hegte, war mir nicht verständlich und auch jetzt konnte ich den wahren Grund nicht erkennen.

"Welche Sünden werden mir dann erlassen?", neckte ich den Pseudo-Weihnachtsmann. Ich konnte es einfach nicht lassen. Amüsiert zog er eine Augenbraue hoch und verschluckte wohl gerade noch seine Antwort.

'Ich kann mir nicht vorstellen, dass Devin viel auf den Kerbholz haben könnte. Dafür ist er doch viel zu ehrlich', mischte sich sein Bruder jetzt ein. Ich konnte einfach nicht anders und musste zwangsläufig wieder zu Anakin schauen, denn seine Reaktion interessierte mich sehr. Aber dieses Mal fasste er seine Gedanken auch in Worte.

"Stille Wasser sind tief und manchmal steckt ein Vulkan darunter", brubbelte er und wieder sah ich diese Eifersucht. Bernd neben mir, der die ganze Zeit schon lachen musste, verschluckte sich nun endgültig. Mir waren jetzt hier langsam viel zu viele Andeutungen im Spiel und vor allem spielte ER mit mir.

'Wo kam auf einmal sein Sinneswandel her? Er hatte ein Stück in sein altes Verhalten zurückgefunden, aber er war nicht arrogant, vielmehr selbstbewusst', grübelte ich so vor mich hin als ich loszog, um mein Instrument zu holen. Ein paar Minuten später fand ich mich bei dem Rest am Pool ein. Luke klimperte schon ein wenig auf den Tasten herum.

"Und was spielen wir?", wollte ich dann von ihm wissen.

'Ich würde mal das eine Stück von Dir gestern gern probieren', antwortete er mir. Fragend sah ich ihn an und seine Finger glitten gekonnt über die Tasten. Die ersten Akkorde von dem Lindenberglied erklangen und zustimmend grinste ich ihn an. Dann stieg ich mit ein und nach ein paar Sekunden harmonierten wir sehr gut miteinander. Vor zwei Tagen hatte ich mich mehr auf meinen Auftritt konzentriert und mich nicht so sehr mit Luke beschäftigt, aber heute merkte ich erst, wie gut der große Bruder von Anakin war. Auf kleine Abweichungen und Variationen von mir ging er sofort ein. Er überließ mir komplett die Führung, verstand es aber meisterlich, mich immer wieder in eine andere Richtung zu lotsen. Wir drifteten sogar in klassische Stücke ab. Die Ansammlung, die bisher nur aus Anakin und Bernd bestanden hatte, wuchs kontinuierlich an und bald hatte sich eine kleine, aber begeisterte Menge um den Flügel herum versammelt. Diesmal versank ich nicht so sehr in mich selbst, sondern genoss den Trubel um uns herum. Ganz besonders überraschte mich die Begeisterung, die ich in den Augen meines eiskalten Engel sah. Immer wieder huschte mein Blick zu ihm und für ihn schien es nur mich zu geben – jede Bewegung saugte er in sich auf. So ganz nebenbei managte er die entzückte Menge und forderte diese auf, Wunschmelodien zu äußern, die wir beiden Sklaven dann umsetzen durften. Das meiste bekamen wir wohl laut Publikum ganz ordentlich hin, denn es tobte ohne Unterlass. Verblüfft war ich nur über die Leichtigkeit, mit der Anakin die Mitmenschen um sich herum für sich einnahm.

Warum mussten wir uns nur immer aneinander reiben?

Irgendwann war mein Mund zu trocken, um noch einen gescheiten Ton aus meinem Instrument zu zaubern und mit einer Geste gab ich Luke zu verstehen, dass ich eine kleine Pause benötigte. Dieser grinste mich an und meinte, seine Finger seinen noch nicht müde. Als Antwort zeigte ich ihm meine Zunge und sein Grinsen wurde noch breiter. Sein aufmerksamer Bruder, der mich ja ständig im Fokus hatte, bekam unser kleines Zwiegespräch natürlich mit und bat bei dem Publikum um eine kleine Pause für die tapferen Musiker. Unter lautem Beifall verbeugte ich mich leicht und bahnte mir einen Weg zur Bar.

"Das war wieder einmal atemberaubend, Jazz", empfing mich Bernd.

"Das war doch kein Jazz", maulte Anakin sofort los und seine Augen glitzerten angriffslustig. Verblüfft schaute Bernd zu ihm.

"Wieso Jazz?"

"Na ich hab nichts von Jazz verlauten lassen", bekam Bernd nun seinen Unwillen zu spüren. Die Verblüffung schien im Gesicht von Bernd noch anzuwachsen, aber dann machte es klick. Ich hielt mich aus dem Gespräch erst einmal heraus, denn erstens wollte ich meine Kehle befeuchten und zweitens hatte ich so eine Ahnung, was Anakin meinte.

"Oh nein, Anakin, das hast Du falsch verstanden", erklärte Bernd nun und sah mich auffordernd an.

"Mit Jazz hat er mich gemeint", äußerste ich mich sehr wortkarg dazu.

"Jazz, - nicht…", konterte er sofort und man konnte sehen, wie er sich wirklich auf die Zunge biss, um sich nicht zu verraten. Zudem lief er leicht rosa an und ich musste ihn einfach frech anlächeln. Seine Augen glühten unheilvoll hinter seinen Brillengläsern.

'Jazz', mischte sich nun Luke ein und riss uns aus unserem stummen Ringen miteinander. Es geschah gerade noch rechtzeitig, denn der Typ machte mich so tierisch an, dass es nur noch einen klitzekleinen Anstoß gebraucht hätte, um ihn einfach mit mir zu schleifen und ihn nach Strich und Faden durchzuvögeln.

"Ja, Personen, die mich persönlich näher kennen und mein Faible für Musik, insbesondere für Jazz kennen, nennen mich so", erklärte ich nun seinem Bruder und da ich ihn nicht wirklich aus den Augen ließ, konnte ich das kurze Zucken bei "persönlich" gut erkennen.

'Soll das heißen, dass Du eigentlich nur Jazz spielst?' , zeichnete Luke verblüfft in die Luft.

"Nein, ich spiele alles, was mit meinem Instrument möglich ist, aber meine Liebe gilt dem Jazz", wandte ich mich nun endgültig Luke zu, denn er hatte das Gespräch an sich gerissen.

'Na so ein Zufall', teilte er mir dann breit grinsend mit. Nun war ich es, der ahnungslos in die Runde schaute.

'Luke, nein', konnte ich in meinen Augenwinkeln eine Geste von Anakin sehen, die wohl auch nicht für mich bestimmt war. Seinen Bruder schien er jedoch nicht so locker im Griff zu haben, wie die Anderen vorhin.

'Anakin ist auch ein fast fanatischer Liebhaber dieser Musikrichtung', ließ Luke dann die Bombe platzen und grinste seinen Bruder sehr frech an. Überrascht wandte ich mich dem kleineren, okay größeren aber jüngeren Bruder zu. Der lief doch nun wirklich rosa an und schaute sehr verlegen aus der Badeshort. Jetzt wurde mir auch so einiges klar. Angefangen bei unserem ersten Treffen auf dem Flohmarkt bis hin zu seinem Wunsch, mich spielen zu sehen und zu hören. Dass die Begabung zur Musik in der Familie lag, hatte er mit seiner Gesangeseinlage am Heiligabend mehr als bewiesen und neben der sexuellen Gier, die ausnahmslos zwischen uns herrschte, schien er ein wirklich echtes Interesse an meinem Saxophonspiel zu haben.

'Er sammelt sogar alte Schallplatten', setzte Luke dann noch einen oben drauf.

"Ach wirklich? Vielleicht auf Flohmärkten und so?", provozierte ich ihn prompt. Oh Gott wie seine Augen loderten. Der Vulkan, wohlweislich ein noch nicht ausgebrochener aber unter der Oberfläche sehr heiß-brodelnder, war eindeutig nun mein eiskalter Engel. Je angepisster er da vor mir saß, desto mehr zog er mich an. Luke schien die Spannung, die zwischen seinem Bruder und mir herrschte nicht wahrzunehmen oder sah großzügig darüber hinweg.

'Woanders bekommt man doch diesen Kram nicht mehr', führte Luke seine Ausführungen fort.

"Na ja, ich lade mir das meist aus dem Internet herunter", gab ich meine Quellen preis. Das Gespräch plätscherte dann so sacht dahin, wobei Anakin sich komplett heraushielt und die Fragen seinem Bruder überließ. Das Lodern in seinen Augen verebbte jedoch kaum.

'Und wieder genug Kraft und Luft zum Blasen', zeichnete Luke auf einmal in die Luft und schaute sehnsüchtig zum Flügel. Zwei Personen von den vier an der Bar liefen knallrot an. Bernd hatte unser Gespräch aufmerksam verfolgt, konnte jedoch aus meinen Antworten nur in etwa auf die Fragen von Luke schließen. Nun sah er mich verblüfft an, denn meine Gesichtsfarbe unterschied sich nur in Nuancen von Anakin seiner. Luke hatte sich mittlerweile wieder uns zugewandt und schaute genauso erstaunt auf seinen Bruder, wie mein Begleiter mich musterte.

'Habe ich was verpasst', kam von ihm und er schaute verdammt neugierig.

"Ne…, nein…, quatsch…", stotterte ich mehr recht als schlecht vor mir hin. Anakin sagte lieber überhaupt nichts.

"Sind denn meine Vergehen nun abgearbeitet, lieber Herr Weihnachtsmann", wechselte ich schnell das Thema und sah meinen Albtraum herausfordernd an.

"Noch nicht ganz", knurrte er.

"Ach, und was fehlt noch?", fragte ich schnippisch.

"Dem Weihnachtsmann wurde noch kein Musikwunsch erfüllt", konterte er brummig und seine Augen blitzten jetzt.

"Und der wääääääre?", fragte ich gedehnt. Als er mir den Song nannte, sah ich ihn fassungslos an. Ich musste ziemlich dämlich ausgesehen haben, denn er lächelte spöttisch und ein Teil seiner Überheblichkeit war zurückgekehrt. Was mich so fassungslos machte, war dieser Wunsch. Das war mein absolutes Lieblingsstück, aber ich spielte es sehr selten und auch nur, wenn ich in einer besonderen Stimmung war. Bei diesem Song gab es so viele Interpretations- und Variationsmöglichkeiten, dass man allein durch die Vielfalt fast jedes Gefühl darstellen konnte. Und ich spielte es eigentlich nur, wenn ich einen sentimentalen Anflug hatte.

"Kennst Du es nicht?", fragte Bernd dann entsprechend überrascht, als er meinen Gesichtsausdruck sah.

"Doch…, doch…", stotterte ich das zweite Mal innerhalb weniger Minuten vor mich hin.

"Es ist ein sehr emotionales Stück und nicht so bekannt", sprang Anakin dann mit einer kurzen Erklärung in die Bresche.

"Und außerdem ist es sehr schwer zu spielen", schob er noch hinterher und sah mich provozierend an. Luke grinste breit hinter ihm und gab mir ein Zeichen, dass er schon mal vorging. Bevor ich ihm folgte, schnappte ich mir noch einmal mein Drink und tat einen langen Zug mit dem Strohhalm, dabei ließ ich ihn nicht aus den Augen.

'Was bezweckte er damit?', ging mir einfach nicht aus dem Schädel. Beim Abwenden und ohne dass es Bernd sehen konnte, gab ich ihm etwas mit meinen Fingern zu verstehen.

'Das wirst Du mir büßen!'

Als Reaktion wurde sein kleines spöttisches Lächeln um einiges anzüglicher. Am Flügel erklärte ich Luke, dass dieses Stück wirklich nur ein Solo für ein Saxophon wäre und ich noch nicht wüsste, wo mich meine Interpretation hinführen würde. Deshalb bat ich ihn, einfach nur zuzuhören.

Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich anfangen sollte. Sentimental war ich gerade überhaupt nicht, eher unheimlich sexuell aufgeputscht und auf Streit mit Anakin eingestellt. Meine Augen wanderten noch einmal zu diesem unausstehlichen süßen Kerl an der Bar und wie er da so lässig auf dem Hocker herumlümmelte, mich eindeutig durch seine schmale Brille musterte und seine herrlichen roten Lippen gerade wieder zu einen überheblichen Grinsen verzog, gab mir den letzten Kick. Ich schloss meine Augen und fing an zu spielen. In die ersten Töne legte ich unsere ganze Aggressivität, die zwischen uns herrschte. Den Kampf, den wir so wortlos miteinander ausfochten und der eigentlich nur in dem ultimativen Knall enden konnte, - aber ich beschritt den anderen Weg – meine Musik wurde sanfter, fast liebevoll und verklang zum Ende hin mit sanften leisen Tönen, die für mich den Höhepunkt in einem liebevollen Zusammensein ausdrückte. Etwas atemlos und hochgradig erregt, öffnete ich meine Augen und sah einen total fassungslosen Anakin.

Er hatte meine Interpretation verstanden, nichts anderes drückte sein Gesichtsausdruck aus.

Bernd war schon auf den Weg zu unserer kleinen Musikerinsel und schaute nicht minder begeistert wie mein Albtraum fassungslos.

"Man Bengel, Du überrascht mich immer wieder", gratulierte er mir und auch Luke nickte heftig mit dem Kopf. Nur einer kam nicht, vielmehr registrierte ich am Rande, dass er einfach verschwand. Wortlos, grußlos – er war einfach weg und kam den ganzen Tag nicht wieder. Die restliche Zeit verbrachte ich hauptsächlich mit Luke, aber das Musizieren machte nicht mehr annähernd soviel Spaß. Ich wollte ihn beeindrucken, wollte mich an ihm reiben…

…ich vermisste ihn…

Abends war wieder ein Lagerfeuer. Dieses Weihnachten war so ungewöhnlich, so unglaublich, dass ich mich eigentlich wie mitten im Sommer fühlte, wenn nicht die Weihnachtslichterketten überall herumhängen würden und hier am Strand sowie im Speisesaal ein großer geschmückter Weihnachtsbaum gestanden hätten. Ich genoss das erste Mal in meinen Leben, dass ich zu dieser Jahreszeit nicht bibbernd herumlief und früh in mein warmes Bett verschwinden musste, weil es draußen duster und ungemütlich war. Trotz allem fehlte mir etwas. Und das Komische war, mir fehlte dieses Etwas, obwohl ich es noch nie so richtig besessen hatte.

Der ganze Tag hatte mich so aufgeputscht, dass ich abends sofort zu Bernd in das Bett schlüpfte und unser Sex verdammt heftig ausfiel. Nein, ich stellte mir dabei nicht Anakin vor, diesen Betrug an mir selbst beging ich nicht mehr, aber der Auslöser zu den anstrengenden Stunden im Bett war eindeutig er.

Der nächste Tag war ein einziger Wettlauf – ein Wettlauf gegen meine Gefühle, den ich nicht gewinnen konnte. Die Stimme in meinem Kopf, die sehr große Ähnlichkeit mit der meiner großen Schwester hatte, wurde immer lauter. Und auch, wenn ich mir noch nicht endgültig eingestand, dieses "Scheusal" zu lieben, verfallen war ich ihm allemal. Wir zogen uns an und gleichzeitig suchten wir das Weite, wir provozierten uns mit Blicken, wir verschlangen den Anderen regelrecht mit unseren Augen. Er hatte die Chance, mit seinen Eltern wieder zu diesem Komikertreffen der Star Wars Fans zu fahren, er lehnte dankend ab und lächelte mich dabei provozierend an. Ich horchte dabei Luke über den Tag unauffällig über seinen Bruder aus, kitzelte jede winzigste Information aus ihm heraus. Dabei registrierte ich, dass sie sich beide vergötterten und Luke der einzige Mensch zu sein schien, dem er gehorchte. Wir gingen zu Dritt wieder tauchen, sein Vater war ja mit seiner Frau weg und Bernd musste wegen irgendeiner geschäftlichen Sache nach Male. Obwohl sein Bruder dabei war, ließ die Nähe die Luft zwischen uns knistern. In einem unbeobachteten Moment glitt er im Wasser unter mir durch, so dicht, dass sich unsere Körper berührten. Meine Hand schoss nach vorne und meine Finger umschlossen seinen Knöchel. Sanft, fast zärtlich zog ich ihn zu mir heran. Er schaute mich überrascht an und in seinen Augen glomm Begehren auf. Meine Hand wanderte an seinem muskulösen Schenkel nach oben und verschwand in dem Ansatz des Hosenbeins. Die Auswirkungen meiner Anwesenheit hatte ich sofort heiß und steinhart in der Hand, er war gespannt wie eine Bogensehne. Ihm erging es nicht anders als mir, denn seine Hand hätte genau das Selbe ertasten können. Es übermannte ihn und er wollte aufstöhnen, vergaß jedoch, dass wir uns unter Wasser befanden und schluckte Wasser. Schnell löste er sich von mir und ich hatte meine Finger wieder für mich. Etwas langsamer folgte ich ihm, denn die Aktion von mir eben war nur triebbedingt gewesen. Bisher hatten wir jegliche körperliche Kontakte peinlich vermieden. An der Wasseroberfläche hustete er noch immer und blitzte mich ärgerlich an.

"Mach nichts, was Du nicht zu Ende bringen kannst", zischte er und sah zum Fressen süß aus. Seine nassen braunen Haare, die ihm wirr im Gesicht hingen, seine funkelnden eisgrauen Augen…

…scheiße, ich wollte ihn… hier und jetzt…

Ihm seine verdammte Überheblichkeit austreiben, am besten mit dem, was gerade schmerzhaft in der Hose pochte…

…wollte ihn küssen… und mehr…

Der Augenblick ging jedoch spurlos an uns vorüber, weil wir uns wortlos anstarrten und sein Bruder prustend neben uns auftauchte.

Am Abend gesellte sich dann wieder Bernd zu uns und brachte Luke und mich dazu, das Hotel mit ein paar musikalischen Stücken zu beglücken. Eigentlich war ich ganz froh, ein wenig aus dieser Anspannung zu entfliehen und berauschte mich an seinen verträumt blickenden Augen. Jedoch mein Vorstoß, ihn noch einmal durch seinen Bruder zum Singen zu überreden, verlief komplett im Leeren. Kurz vor Mitternacht übermannte mich eine Müdigkeit, denn der Tag hatte mit all seinen Auswüchsen sehr an meinen Kräften gezehrt, ob körperlich oder geistige. Bernd schien es nicht anders zu gehen und eine halbe Stunde später lagen wir aneinandergekuschelt im Bett. Natürlich konnte ich seine Eifersucht mühelos in den Augen erkennen, als wir uns verabschiedeten. Heute Abend war mir jedoch nicht nach weiterer körperlicher Ertüchtigung, vielmehr genoss ich die Nähe Bernds, der mir eine gewisse Ruhe gab.

"Jazz?", hörte ich ihn leise fragen. Ich hatte meinen Kopf auf seine Brust gelegt und schlummerte sacht vor mich hin. Seine Finger spielten dieses Mal nur mit meinen kurzen Haaren.

"Hmmm", murmelte ich.

"Mich beschäftigt etwas schon seit ein, zwei Tagen", hörte ich ihn mit vorsichtigem Tonfall. Alarmiert sah ich ihn nun doch an.

"Kann es sein, dass sich Dein Traumtyp gerade hier in dieser Anlage befindet?" Seine Stimme war leise, sehr leise, aber die Worte schlugen bei mir mit sehr lautem Knall ein. Entsetzt setzte ich mich auf und schaute ihn panisch an.

"Devin, ich bin nicht blind und so wie Ihr Euch beide beäugt, ist einfach nur süß anzuschauen", lächelte er mir aufmunternd zu. Geschlagen und resigniert sackte ich in mich zusammen.

"Wie lange ahnst Du es schon?", wollte ich leise wissen.

"Eigentlich schon, seit er bei unserem Billardspiel aufgetaucht ist", seufzte er.

"Es tut mir leid", hauchte ich und ich fühlte mich wirklich sehr schlecht.

"Wir wussten Beide, dass dieser Moment irgendwann kommt. Auch wenn ich ihn sehr gerne in weiter Ferne gesehen hätte, kann ich den Lauf der Zeit nicht aufhalten", hörte ich ihn wehmütig sagen.

"Komm her und erzähl mir von ihm", forderte er mich auf und diesem Wunsch verweigerte ich mich nicht. Bernd war mir ein wirklich guter Freund geworden und ich schüttete ihm mein Herz aus.

"In einem möchte ich Deiner Freundin unbesehen Recht geben, Du liebst ihn, mein Kleiner", eröffnete er mir dann nach einem langen Schweigen.

"Und für Deinen Konflikt, den Du wohl in Dir austrägst, dieses Anziehen und Abstoßen gleichzeitig, diesen fast sadomasischen Wunsch, Dich mit ihm zu zoffen und zu lieben, hätte ich auch so eine Idee", murmelte er und ich sah ich erwartungsvoll an.

"Ihr Beide unterscheidet Euch zwar körperlich, aber charakterlich seid Ihr sehr dicht zusammen", fuhr er fort.

"Willst Du damit sagen, dass ich arrogant wäre", fuhr ich ihn entgeistert an.

"Devin, Anakin ist nicht arrogant", antwortete er mir sanft.

"Das kannst Du nach ein paar Tagen gar nicht einschätzen", erwiderte ich schnippisch.

"Moment, lass mich das erklären. Dir gegenüber ist sein Auftreten anders als gegenüber allen anderen. Dieser Junge ist es gewohnt, die Leute zu beherrschen, allein durch seine Aura und vor allem hat er wohl im Leben bisher immer seinen Willen bekommen. Daran mag auch die finanzielle Situation seiner Eltern schuld sein. Der Einzige bisher, der ihn beherrschen konnte, ist sein Bruder, aber da tat sich nie ein Konflikt auf, denn sie vergöttern sich gegenseitig. Und dann kamst Du…", analysierte er seine Beobachtungen und sah mich unergründlich an.

"Ich?", fragte ich heiser.

"Oh ja, Du. Du hast keine Ahnung, wie Du auf uns Männer wirkst, die schwul sind. Devin, Du bist Dynamit, Deine ganze Ausstrahlung ist Sex pur und Du weißt, was Du willst! Auch wenn Du bei unserem ersten sexuellen Kontakt nervös schienst, im Endeffekt hast Du bekommen, was Du wolltest. Und damit kommt Anakin nicht klar, denn er ist es gewohnt, seinen Willen zu bekommen."

"Aber den hat er doch bekommen, als er sich den Sex mit mir gekauft hat", murmelte ich ziemlich durcheinander.

"Warst Du da Du selbst?"

Nachdenklich sah ich ihn an. Dieses Puzzleteil rückte so einiges ans rechte Licht.

"Scheiße, das kann nur in einer Katastrophe enden", fluchte ich halblaut.

"Nicht unbedingt", lächelte mich Bernd leicht an. Erwartungsvoll sah ich ihn an.

"Auch wenn ich mir den Ast absäge, auf den ich sitze, aber Ihr seit ein Traumpaar, zur Zeit jedoch nur optisch. Einen verdammt hübschen Kerl hast Du Dir da ausgesucht…", fing Bernd an.

"…eher er mich", unterbrach ich ihn überrascht.

"Schau nicht so überrascht, Anakin ist zwar nicht so mein Typ, aber er sieht ultrageil aus. Sein Body kommt natürlich hier unter der warmen Sonne sehr gut zur Geltung, dann hat er ein sehr hübsches Gesicht und er ist nicht einfach zu handhaben, was ich persönlich besonders mag…", erklärte er weiter und zog mir bei den letzten Worten spielerisch am Ohr. Entrüstet knurrte ich ihn an.

"Unter der Short scheint ein sehr knackiger Hintern zu stecken und vor allem war er dauergeil. Sein Paket vorne ist nicht von schlechten Eltern, auch wenn er wohl mit einem Dauerständer herumgelaufen ist. Es war phänomenal zu beobachten, wie Ihr still miteinander gekämpft habt, aber Eure Fortpflanzungsorgane sofort durchgestartet sind."

"War das so offensichtlich?", fragte ich nun doch ziemlich entsetzt.

"Nein, keine Bange, aber für mich schon, denn ich weiß, worauf ich bei jungen süßen Kerlen achten muss", grinste er mich frech an.

"Und nun mein Tipp. Versucht Euch nicht zu bekämpfen, ergänzt Euch. Natürlich werdet ihr Euch weiter aneinander reiben, denn die Spannung braucht Ihr Beide, aber versucht, dem anderen nicht den eigenen Willen aufzuzwängen, das geht schief."

"Wenn das das einzige Problem wäre", seufzte ich.

"Ohne Probleme wäre das Leben langweilig", hörte ich ihn.

"Das Problem Familie scheint bei ihm jedoch eine überwindliche Hürde", mutmaßte ich.

"Ach, ich glaube, Luke hat Dich als sein Schwager schon in sein Herz geschlossen", antwortete er amüsiert. Mit offenem Mund sah ich ihn fassungslos an.

"Wie…, wie bitte", stotterte ich nach einer kleinen Pause.

"Wenn einer etwas aus dieser Familie ahnt, dann ist es sein großer Bruder und der scheint nichts dagegen zu haben. Nur das muss Anakin alleine herausfinden", erklärte Bernd mir.

"Ich weiß nicht, was ich machen soll", murmelte ich resigniert.

"Oh doch, mein süßer Jazz, das weißt Du sehr wohl. Jedoch scheinst Du ein wenig Angst vor dem Resultat zu haben, das sich da eventuell herauskristallisieren könnte", redete er mir sanft ins Gewissen. Zweifelnd sah ich ihn an.

"Wenn es darauf hinausläuft, was ich vermute, dann kann das für Euch beide sehr spannend werden. Es wird ein ständiger Kampf in Euer Beziehung sein, jeder mit sich selbst und mit dem Anderen, aber die Erfüllung, die Ihr in dem und mit dem Anderen findet, wird durch kaum etwas zu toppen sein", erklärte er mir.

'Oh je, wollte ich wirklich so was? Mein Leben war doch so schon kompliziert genug!'

"…und an eins mag ich gar nicht denken", druckste er auf einmal herum.

"He?"

"Allein schon die vage Vorstellung, Euch beide zusammen im Bett kämpfen zu lassen, macht mich ziemlich an", hauchte er ziemlich heiser.

"Alter Lustmolch", grummelte ich, aber meine Hand verschwand in tiefere Regionen…

"Danke Bernd", murmelte ich dann schläfrig nach einer anstrengenden Runde im Bett.

"Gerne, Devin. Auch wenn ich das hier in Zukunft mit Dir sehr vermissen werde…"

"Wieso vermissen?", unterbrach ich ihn.

"Na ja, ich habe die eifersüchtigen Blicke Anakins genau registriert und er ist bestimmt kein Kerl, der seinen Freund mit irgendjemanden teilt. Außerdem glaube ich, dass Du ihm nie untreu werden würdest", gestand er mir offen.

"Abwarten", murmelte ich, wusste aber, dass Bernd Recht hatte.

"Nein, Devin, das wird nichts. Dafür bist Du mir viel zu kostbar, als dass ich unsere Freundschaft durch einen Seitensprung Deinerseits aufs Spiel setzen würde", grummelte er unter mir.

"Ich weiß. Mit Abwarten meinte ich eher die Sache zwischen mir und meinem Albtraum."

Der nächste Tag begann sehr ungewöhnlich. Bernd und ich waren relativ früh wach und begaben uns auch zeitig zum Frühstück. Mir gingen natürlich die ganzen Worte von Bernd nicht aus dem Kopf und ich hatte mir vorgenommen, Anakin nicht gleich wieder zum stummen Duell herauszufordern. Dieser Konfrontation wurde ich jedoch erst einmal enthoben. Als wir den Frühstücksraum betraten, fiel mein Blick sofort auf einen hochgradig verärgerten Traumprinzen.

"Das kannst Du vergessen", fuhr er seine Mutter nicht gerade leise an. Diese hatte schon einen roten Kopf, was mir zeigte, dass diese Auseinandersetzung wohl schon eine Weile ging. Die anderen beiden Mitglieder der Familie Müller saßen ruhig auf ihren Plätzen.

"Heute räumen wir das langweilige Hotel hier und verbringen die restlichen Tage bei unseren Freunden", keifte die einzige Frau dieser Familie zurück.

"Du meinst wohl Deine Freunde", grollte Anakin weiter. Seine Stimme hatte deutlich an Stärke verloren, klang nun aber noch gefährlicher.

"Wenn Dir das nicht passt, kannst Du sofort nach Hause fliegen. Ich habe Deine Eskapaden langsam satt", schrie seine Mutter mittlerweile sehr aufgebracht. Da wir eine gute Sicht hatten, bekam ich die Geste von Luke an seinen Bruder mit.

'Lass uns ihnen beim Umzug ins neue Hotel helfen, der Rest findet sich dann.'

Man konnte sehen, dass Anakin noch etwas auf der Zunge lag, aber er schluckte es mühsam herunter. Folge des ganzen Streites war, mein Albtraum war den ganzen Tag verschwunden und das wurmte mich nun tierisch. Außerdem schien seine Abreise ja in greifbare Nähe gerückt und das gefiel mir noch weniger. Abends tauchten dann die drei Männer mit Namen Müller auf. Die Söhne schauten relativ zufrieden aus der Wäsche, nur der Vater machte ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter. Als sich dann die beiden Brüder abends zu uns an das obligatorische Strandlagerfeuer setzten, wurde für die verschiedenen Gemütslagen auch eine Begründung nachgereicht. Anakin schien äußerlich zufrieden, aber seine Augen zeigten mir etwas anderes – er kochte immer noch oder schon wieder, das war leider nicht ersichtlich. Somit setzte er sich nur still zu uns und beobachtete mich aus den Augenwinkeln. Das Erklären übernahm Luke. Seine Eltern hatten sich in dem anderen Hotel einquartiert, wovon der Vater auch nicht sehr begeistert war, denn er wäre mit seinen Söhnen lieber hier geblieben. Des lieben Friedens willen blieb er bei seiner Frau, die nur widerstrebend die beiden Jungs hier ließ. Nur der Intervention von Luke war es zu verdanken, dass es überhaupt zu dieser Lösung gekommen war. Den blitzenden Augen Anakins war für mich zu entnehmen, dass der Streit mit seiner Mutter noch lange nicht ausgestanden war. Auf jeden Fall schien es ihn sehr zu beanspruchen, denn auf meine kleinen Neckereien ging er heute gar nicht ein und ließ mich ziemlich eiskalt links liegen. Das brachte mich nun zum Köcheln und etwas gefrustet beendete ich diesen Tag diesmal alleine in meinem Bett.

Der fehlende Matratzensport wurde jedoch am Morgen umso intensiver nachgeholt. Bernd "überraschte" mich morgens beim Duschen und meine Nassspritzaktion artete in eine Bestrafung aus. Immer noch ziemlich ausgelassen überfielen wir dann das Frühstücksbuffet. Luke forderte uns schon von weitem auf, an ihren Tisch zu kommen. Natürlich verweigerten wir dieses nicht und saßen einen Moment später lachend und quatschend alle zusammen. Obwohl Anakin heute bessere Laune zu haben schien, konnte ich immer mal wieder einen eifersüchtigen Schimmer in seinen Blicken sehen. Als Reaktion grinste ich ihn ziemlich frech an, was bei ihm das Lodern in den Augen wiederum verstärkte. Die Konversation überließ er eh mehr seinem Bruder und mischte sich kaum in unsere Gespräche ein. Schnell verplanten wir den Tag, der zum größten Teil eh nur aus Faulenzen am Pool bestehen sollte.

"Ich muss mir wohl einen Bodyguard besorgen", murmelte mir Bernd zu als wir nach dem Frühstück kurz zu unseren Unterkünften gingen. Fragend schaute ich ihn an.

"Wenn Blicke töten könnten, würde ich als Leiche schon längst im Pool verwesen", grinste er mich an. Mein Kichern sollte ihm als Antwort genügen.

"So was eifersüchtiges wie dieser Kerl ist mir selten unter gekommen", brubbelte Bernd. Ich hielt weiter meine Klappe, denn ich fühlte mich geschmeichelt und genoss die Situation.

"Und Dir gefällt das natürlich", knurrte mein Begleiter und knuffte mich unsanft. So gut kannte er mich nun schon. Als wir etwas später am Pool eintrafen, herrschte dort ziemlich viel Betrieb. Die Hotelanlage war wohl langsam gut gefüllt und die meisten trieben sich nun mal am Pool herum. Und dann geschah etwas, was mich total auf dem falschen Bein erwischte. Gegen Mittag gesellten sich zwei Mädels zu uns, die wohl von unserem jugendlichen Alter angezogen wurden. Der prüfende Blick von ihnen über uns vier ließ sie wohl instinktiv die Hintergründe erahnen und mit einem abschätzigen Lächeln hakten sie mich und Bernd sofort ab. Beide warfen sich mehr oder weniger den Brüdern an den Hals. Okay, sie sahen recht hübsch aus, aber ihr Flirten hier brachte alles, aber wirklich alles durcheinander.

Anakins Blick wanderte unauffällig zu mir herüber und als er wusste, dass er meine ungestörte Aufmerksamkeit hatte – welche er eigentlich immer hatte, ging er sofort auf die kleine Flirterei ein.

Und ich?

Innerhalb von Sekunden war ich ziemlich angepisst. Diese Schlampe warf sich meinem Traumboy an den Hals und der erwiderte das auch noch. Der Tag war gelaufen. Und wenn meine Blicke töten könnten, würde sich zu Bernd noch jemand ganz anderes im Pool als Opfer einfinden. Das Weib merkte es nicht einmal, dass sie sich hier in absolut tödlicher Gefahr befand.

Und er?

Er wusste genau, was mit mir los war. Immer mal wieder warf er mir einen spöttischen Blick zu, um dann umso intensiver herum zu bändeln. Er genoss es, mich hier in meiner Eifersucht kochen zu sehen.

Am liebsten hätte ich ihn mir gegriffen und mit mir gezerrt – irgendwohin, um mit ihm irgendetwas anzustellen!

Und dann verschwand er…

…mit IHR!

Ich wurde fast verrückt vor Eifersucht.

Und Bernd bekam sich nicht mehr ein. Amüsiert schüttelte er nur den Kopf.

"Ihr seid mir so zwei Marken", flüsterte er mir lächelnd zu. Luke hatte sich seiner Begleitung sehr schnell entledigt, denn sie schien ihm wohl doch etwas zu blond zu sein, obwohl sie schwarze Haare hatte. Er wollte ja auch niemanden eifersüchtig machen und hatte es mit der Zeichensprache leichter, ein Verständigungsproblem entstehen zu lassen.

'Was will Anakin denn mit der Trulla?' , fragte er mich, als sein Bruder mit der Tussi verschwand.

'Wieso fragt er mich das? Sag ihm das!', fuhr es mir wütend durch den Kopf. Verdammt, er kam ewig nicht wieder. Was wollte er mit der Frau – er bekam doch eh keinen bei ihr hoch. Oh man war ich sauer. Der sollte mir mal unter vier Augen begegnen! Da er einfach nicht wieder auftauchte, verschwand ich wortlos und kochte in meinem Apartment weiter vor mich hin. Ich wollte mich mit ein wenig Surfen im Internet beruhigen, dachte mir aber lieber diverse Tode für dieses Ekel aus. Irgendwann am späten Abend kam Bernd zurück und setzte sich auf mein Bett, auf welchen ich mich schlafend stellte.

"Devin, ich weiß, dass Du nicht schläfst!", machte er meine Bemühungen sofort zunichte. Mit blitzenden Augen drehte ich mich zu ihm um. Er kam mir als Opfer gerade recht.

"Willst Du jetzt etwa über mich herfallen?", nahm er meinen Gedanken ebenfalls die Luft aus den Segeln.

"Ihr seid mir schon zwei Verrückte", grinste er wieder in sich hinein.

"Der macht mich wahnsinnig", gestand ich dann auch mürrisch.

"Kurz nachdem Du weg warst, kam er alleine wieder zurück. Und als er Dich nicht finden konnte, machte sich eine ziemlich große Enttäuschung in seinem Gesicht breit… Unglaublich, wie man in Euch beiden lesen kann."

"Mir scheißegal", knurrte ich, klang aber überhaupt nicht so. Bernd lächelte nur. Dann stand er auf und schlenderte zur Tür. Kurz bevor er durch die Tür trat, drehte er sich noch einmal leicht zu mir um.

"Jazz, hol ihn Dir. Wir sehen uns morgen zum Frühstück:"

'He, was war das jetzt für nen Spruch?', wunderte ich mich. Der Sinn erschloss sich mir nicht sofort, aber die Zahnräder in meinem Kopf drehten irgendwann in die richtige Position und rasteten hörbar ein.

"Na warte, Freundchen", brubbelte ich vor mir hin, als ich mitten in der Nacht mein Zimmer verließ und durch die Anlage stiefelte. Wo seine Unterkunft war, hatte ich natürlich schon längst ausspioniert. Und so kam es, dass ein eifersüchtiger Boy lautstark gegen 1 Uhr an einer eigentlich fremden Apartmenttür hämmerte. Innerhalb von Sekunden hörte ich eine muntere Stimme hinter der Tür maulen und nach einer weiteren Klopfeinlage meinerseits, wurde sie unwirsch aufgerissen. Mir stand ein ziemlich wacher Anakin gegenüber, der mich wütend anblitzte und kein bisschen überrascht schien.

"Was willst Du?", zischte er mich an.

"Dich ficken!"

Anakin

'Was hatte er eben gesagt?', wunderte ich mich noch, als er mich schon zurück in mein Zimmer stieß und die Tür hinter sich in das Schloss fallen ließ. Eifersüchtig glühte er mich regelrecht an und sah so süß aus. Das Ganze machte mich unglaublich an, aber so einfach ging das nicht, mein Lieber.

"Verschwinde", knurrte ich und meinte genau das Gegenteil.

"Das kannst Du vergessen. Erst zeig ich Dir, was Du bei einer Frau nie finden wirst", fauchte er und schnappte meine Hand. Dann zerrte er mich hinter sich her und schien genau zu wissen, wo das Schlafzimmer war. Dort schuppste er mich auf das Bett und zerrte sich sein T-Shirt vom Oberkörper. Mit lodernden Augen, wirren schwarzen Haar, einen entschlossenen gierigen Zug um den Mund stand im wahrsten Sinne die größte Versuchung für mich auf diesem Planeten vor mir. Mein Blick wanderte sehnsüchtig über seinen Körper und stellte sofort fest, wie es um ihn bestellt war. Seitdem ich ihn hier getroffen hatte und zwangsläufig in seiner Nähe war, nein sie regelrecht suchte, lief ich eh mit einem Dauerständer herum und ihm ging es gerade nicht anders. Er war meinen Augen gefolgt und mit einem kleinen überheblichen Lächeln zog er sich seine Short von der Hüfte, satt klatschte dieses gewisse Etwas gegen seine Bauchdecke, zum Greifen so nah, aber er blieb außerhalb meiner Reichweite neben dem Bett stehen.

"Sag mir jetzt ins Gesicht, dass Dich das hier anekelt", hörte ich ihn siegessicher. War ich denn bescheuert, das da war mein absoluter Traum. Meine Eifersucht hatte mich die letzten Tage fast wahnsinnig gemacht, wenn ich mir vorstellte, was dieser Bernd mit meinem Kleinen da im Bett so alles trieb. Deshalb hatte ich es ihm heute ein wenig mit gleicher Münze heimzahlen wollen.

"Ich weiß ja nicht, ob Du es noch bringst", zog ich ihn auf – ich konnte einfach nicht anders. Dieser Boy war meine persönliche absolute Droge und je wütender er war, umso betäubender war die Wirkung für mich. Seit über einer Woche musste ich auf den Sex mit ihm verzichten und der Entzug davon war grausam.

"Ich habe Dir schon vor zwei Tagen gesagt, dass Du mir dafür büßen wirst!", flüsterte er heiser und stürzte sich auf mich. Wie ein Orkan kam er über mich und fetzte mir regelrecht die Sachen vom Leib. Trotz allem waren seine Finger zart und berührten Stellen, die so lange unberührt geblieben waren. Sanft bereitete er mich vor und als er endlich seine Drohung in die Tat umsetzte, war es schon fast um mich geschehen. Der erste Fick war kurz, denn wir beide waren viel zu erregt, um die Sache auszudehnen, aber er war heute unersättlich und machte einfach weiter. Jetzt ließ er sich alle Zeit der Welt und zeigte mir wirklich, was mir seit einer Weile so gefehlt hatte.

Verschwitzt, körperlich fertig aber total befriedigt lagen wir dann ineinander verschlungen eine Weile später in meinem Hotelbett. Er lag halb auf mir und hatte seine Arme um mich geschlungen. Meine Finger der rechten Hand hatten sich wie selbstverständlich in sein kurzes Haar vergraben und die andere Hand ruhte auf seinem knackigen Hinterteil. Obwohl wir eben sehr intensiven und heftigen Sex gehabt hatten und so eng aneinandergeschmiegt auf dem Bett lagen, spürte ich nun wieder diese Distanz, die unsere Zusammentreffen immer beherrschte.

"Oh Scheiße, was mach ich nur?", hörte ich ihn murmeln. Ich tat es zuerst als eine Halluzination meiner überreizten Sinne ab, aber als er mir sein Gesicht zuwandte und ich diese Frage auch in seinen Augen las, war mir klar, dass ich mich nicht verhört hatte. Diese Augen waren auch ein Bestandteil dieses Wahnsinns, dem ich mich hier hingab. Da er wohl keine Antwort in meinen Augen sah, lächelte er etwas schief.

"Okay, formuliere ich die Frage mal um. Scheiße, was machen wir nun?", flüsterte er und sein Lächeln wurde leicht spöttisch.

'Was sollte denn diese bescheuerte Frage?'

"Das ist einfach, hemmungslosen unglaublichen Sex", antwortete ich etwas überrascht. Nur schien das nicht die Antwort zu sein, die er erwartet hatte. Etwas glomm in seinen Augen auf und erlosch dann wieder. Wortlos drehte er seinen Kopf wieder weg. Schon seit einer Weile ruhte meine Hand nicht nur auf seinem Knackarsch, sondern malte irgendwelche kruden Zeichen auf seine Haut. Ich genoss einfach diesen herrlichen Körper so auf mir, seine warme samtene Haut, konnte hier stundenlang liegen und ihn einfach nur riechen. Ihm schien es nicht so zu gehen, denn auf einmal wurde er unruhig und löste sich von mir.

"Was denn jetzt?", murrte ich unwirsch.

"Na was glaubst Du denn?", fragte er süffisant. Das und das kleine überhebliche Lächeln trieben meinen Puls schon wieder in höhere Regionen.

"Du bleibst hier!", fauchte ich und sein Grinsen wurde noch eine Spur überheblicher.

"Sooooonst….?"

Da stand er nun neben meinem Bett – nackt und eine unglaubliche Versuchung für mich. Dieser Anblick und der Gedanke daran, wo dieser hübsche Kerl jetzt wieder landen würde, heizten meine Eifersucht tierisch an. Mühsam beherrscht und sie kaum unter Kontrolle haltend stand ich ebenfalls auf und stellte mich ganz dicht vor ihm hin. Nur ein Handbreit trennte uns und ich konnte die Hitze seines Körpers spüren. Herausforderung und Spott war in seinen Augen zu lesen.

"Was willst Du soooonst machen, Aniiiii?", wiederholte er heiser.

"Du wirst jetzt nicht zu IHM gehen", zischte ich aufgebracht. Seine Augenbraue wanderte nur spöttisch nach oben – dieser Typ war eine einzige Hormonbombe für mich. Diesmal stieß ich ihn auf das Bett und damit er nicht wieder auf die blödsinnige Idee des Aufstehens kam, legte ich mich gleich auf ihn. Die Wirkung dieses Körpers unter mir, den Kontakt seiner nackten Haut hatte ich total ausgeblendet, aber als ich ihn so spürte, konnte ich mein Stöhnen nicht unterdrücken.

"Willst Du mich hier festbinden?", neckte er mich und schaute mir tief in die Augen. Dieser Blick war anders, dieser Blick glitt tiefer, dieser Blick entfachte etwas in mir, was mich augenblicklich ins Chaos stürzte.

"Nein…", hauchte ich ihm leise zu und in meinem Hals machte sich gerade ein tierisch großer Klos breit.

"Was willst Du denn, Anakin?", flüsterte er und jeglicher Spott war aus seiner Stimme gewichen.

"Dich küssen…."

Seine Augen weiteten sich kurz und die kleinen grünen Sterne in seiner Iris fingen an zu leuchten. Meine Lippen senkten sich langsam, aber nur Zentimeter vor seinen hielt ich an. Diese letzte Barriere konnte ich einfach nicht überwinden, ich wollte ihn nicht zu diesem Kuss zwingen.

Zum ersten Mal wollte ich wohl bewusst bei ihm nicht nur das, was mein Anliegen war.

"Du Dummkopf, mach endlich", knurrte er und seine Hand wanderte in meinen Nacken. Zärtlich zog er mich das letzte Stück zu sich herunter und meine Lippen berührten seine.

Ich hatte noch nie einen Kerl geküsst und nur ganz am Anfang meiner Pubertät mal ein Mädchen, deshalb hatte ich keine Vergleichsmöglichkeit…

…vor allem hatte ich keine Ahnung, was mich erwartete…

Und dann spürte ich diese himmlischen Lippen auf meinem Mund, diese Lippen, die auf meinem Körper schon die unglaublichsten Dinge angestellt hatten und seine vorwitzige Zunge, die noch wahnsinnigere Sachen vollbracht hatte, stieß vorwitzig an meine noch geschlossenen Lippen. Dieser Aufforderung konnte ich mich einfach nicht verwehren und schon huschte sie flink in meinen Mund. Dort neckte sie mich und lockte mich zwischen seine Lippen. Mein Verstand hatte schon längst vor dieser Sinnesüberflutung kapituliert. Aus dem zärtlichen Berühren unserer Lippen war schon längst ein stürmischer Kuss geworden. Ich presste ihn mit meinem ganzen Gewicht auf mein Bett.

Atemlos löste ich mich von ihm und sah in zwei funkelnde Sterne. Fassungslos starrte ich ihn an und meine Zunge strich leicht über meine Lippen. Ich war geschockt, total erschüttert…

…das war das unglaublichste und intensivste Gefühl, was ich je gespürt habe, so intensiv, dass ich fast…

"Dein erster Kuss?", fragte er mich dann auch sanft und seine Lenden kreisten leicht unter mir.

"Ist das immer so?", wisperte ich total durcheinander.

"Nein", brummte er ernst. Aus meiner Fassungslosigkeit in meinen Augen wurde wohl Enttäuschung und aus seinem Ernst ein freches Grinsen.

"Ich hoffe, es wird noch bedeutend besser, denn Du küsst grottenschlecht", feixte er nun. Dieser Kerl spielte auf meinen Nerven wie Luke virtuos auf seinem Klavier. Herausfordernd sah er mich wieder an und auch wenn ich über ihm thronte, gerade schien er die Situation mühelos zu beherrschen. Das Komische war, es machte mir so nah und allein mit ihm überhaupt nichts aus.

"Dann lass uns üben", knurrte ich und verschloss fix seinen süßen Mund, bevor da noch weiterer Mist herauskam. Und er hatte recht, die Küsse wurden immer besser und auch intensiver. Sanft aber unerbittlich steuerten wir einem weiteren Höhepunkt entgegen. Und als seine flinken Finger vorwitzig zwischen uns wanderten, war der berühmte Punkt überschritten. Der Sex mit ihm war ja schon immer abartig geil gewesen, aber diese Art der Intensität war mir vollkommen neu. Unendlich befriedigt und körperlich erschöpft schlummerte ich halb auf ihm liegend bleibend ein. Mich brachte auch nichts aus der Umarmung dieses aufsässigen Kerls weg. Neben dem Küssen war das Zusammenschlafen mit einem anderen Menschen die nächste neue Erfahrung, die ich machte. Sie war ungewohnt, aber dieser warme schlanke Körper, dicht an mich geschmiegt, versetzte mich die Nacht über fast in einen dauererregten Zustand und ich genoss es in vollen Zügen.

Dementsprechend fehlte mir am Morgen etwas, als ich mich nur noch alleine im Bett vorfand. Unwirsch öffnete ich meine Augen, aber die Stelle neben mir war leer und laut dem Tastsinn meiner Hand auch nicht mehr warm.

Er war verschwunden.

Vor ein paar Stunden erst dieses Gefühl des gemeinsamen Einschlafen kennengelernt, fehlte es mir jetzt schon. Vor allem fehlte er mir! Im Halbschlaf ging ich noch einmal die fantastischen Stunden in der Nacht mit ihm durch. Meine Erregung, die in den letzten Schlafstunden immer latent vorhanden war, blühte bei diesen Gedanken regelrecht auf und schon fehlte er mir noch mehr.

'Das könntest Du immer haben', flüsterte eine leise Stimme in meinen Kopf. Erschrocken riss ich meine Augen auf, denn dieser kleine überhebliche Tonfall von ihr war mir verdammt bekannt vorgekommen. Übergangslos glitten meine Gedanken in die nähere Zukunft ab.

Auf keinen Fall durfte das hier bekannt werden!

Verdammt, ich konnte doch nicht händchenhaltend mit einem Kerl durch die Gegend laufen…

…auch wenn das ein sehr süßer Kerl war…

Nein, es war DER Boy!

Und es ging trotzdem nicht.

Mein ganzes Glücksgefühl war innerhalb von Sekunden verschwunden und mürrisch sowie sauer auf mich und auf ihn, weil er an dem Schlamassel schuld war, ging ich zum Frühstück. Dort erwartete mich sofort der nächste Schock. Strahlend und mit Bernd flirtend saß er schon an unserem Frühstückstisch. Mich beachtete er NULL. Als er mir dann doch mal ein Lächeln schenkte, blitzte ich ihn wütend an.

Schon wie er so dicht bei diesem Bernd saß, brachte meine Eifersucht zum kochen. Und das er nach dieser Nacht nicht mal einen Satz für mich übrig hatte, fraß sich tief in mich hinein. Er ignorierte mich, so als ob es die letzten Stunden gar nicht gegeben hatte.

'Bruderherz, gut geschlafen?', kam von Luke. Ich konnte gar nicht anders und musste Devin anstarren. Fragend hob er lässig seine Augenbraue, verriet sich aber mit keiner Silbe.

"So ungnädig wie er ausschaut, war das eher eine unruhige Nacht", kam dann mit einen frechen Grinsen von ihm. Bernd verschluckte sich an seinen Kaffee und fing laut an zu husten. Und ich sah ihn nur fassungslos an. Wie konnte man nur so abgefuckt sein?

Na warte Freundchen, dass zahle ich dir heim. Mich morgens alleine im Bett aufwachen zu lassen und hier kein Wässerchen trüben wollen. Und so ganz nebenbei meine Eifersucht schüren. Immer noch sprachlos funkelte ich ihn an, seine Augen strahlten vergnügt zurück. Und er spielte weiter mit mir...

"Ach Ani, hier bist Du. Zeigst Du mir jetzt die kleine Bucht, von der Du gestern so geschwärmt hast?", ertönte eine angenehme Frauenstimme mit einem kleinen erotischen Einschlag hinter mir. Devins Augen wanderten an mir vorbei und sahen die Person, die ich schon an ihrer Stimme erkannt hatte. Normalerweise hätte ich diese Verniedlichung meines Namens kategorisch von mir gewiesen, aber ich genoss gerade die Wandlung meines süßen Musikers vom überheblichen Fatzke zum angepissten Betthasen.

"Mal schauen, ob wir nachher ein Boot für uns Beide alleine auftreiben können", flötete ich anzüglich über meine Schulter, behielt aber die einzige Person, mit der ich liebend gern diese Bootsfahrt machen würde, genau im Auge. Aus seinem überlegenen Lächeln war ein sehr verkniffenes geworden und nun funkelte er mich an. Ich liebte diese Augen, egal welche Gefühle sie gerade ausdrückten. Und diesen kleinen eifersüchtigen Kerl hätte ich gerade hier an Ort und Stelle vernaschen können.

Natürlich ließ ich mich nicht weglocken und so verbrachten wir alle einen lockeren Tag am Strand, Pool oder an der Bar. Wenn ich von locker sprach, dann bezog sich das nicht auf uns Beide. Mal war der Eine obenauf, mal der Andere. Wir schenkten uns beide nichts und genossen jeder für sich jeden noch so kleinen Triumph. Die Tussi an meiner Seite ging mir langsam aber sicher auf den Keks, und wenn sie nicht einen bestimmten Zweck erfüllen würde, hätte ich sie schon längst in die Wüste geschickt.

"Man, sag Deinem Bruder bloß, dass er Abstand von dem Schwarzhaarigen halten soll", flüsterte sie mir in einem Moment zu, als Devin gerade mit Luke ins Meer stürzte. Fragend sah ich sie an.

"Der ist stockschwul und so wie der hier nach Kerlen schaut, scheint er keine Befriedigung bei dem alten Knacker an seiner Seite zu finden", ätzte sie. Ich musste mir sehr auf die Zunge beißen, um sie nicht zurecht zu weisen, was wiederum zwangsläufig zu meiner Enttarnung geführt hätte. Aber wo nahm sie das Recht her, so über meinen Kleinen zu urteilen. Oh ja, er war schwul und anders wollte ich ihn überhaupt nicht haben. Anderseits schaute er definitiv nicht anderen Kerlen hinterher, sondern war nur auf eine Person hier fixiert.

"Zum Glück lässt Du Dir von ihm nichts gefallen. Der war ein paar Mal ganz schön angepisst, dabei scheint der ziemlich auf Dich abzufahren, was bei Deinem Aussehen auch kein Wunder ist", schwafelte sie weiter und merkte gar nicht, wie sie der Katastrophe immer näher schipperte.

'Wenn eine Fremde sah, dass er auf mich abfuhr, was konnte man denn bei mir alles erahnen?', schoss mir durch den Kopf. Mein logischer zweiter Gedanke war - wie wurde ich sie nun wieder los?

Als Devin mit Luke etwas später aus dem Wasser kam, hatte meine "neue Freundin" zwar mein gespieltes Interesse, aber meine Augen ruhten auf ihm. Theresa, so hieß die Klette, hatte nun eindeutig sehr nahen Körperkontakt zu mir aufgenommen und mir wurde das unangenehm, aber das eifersüchtige Blitzen seiner Augen war mir Lohn genug.

'Das wirst Du mir heute wieder büßen, jede Sekunde', ließ er mich durch seine Finger hinter Lukes Rücken wissen. Herausfordernd grinste ich ihn an, als er sich bei Bernd niederließ. Die Nacht konnte nicht schnell genug kommen. Zuerst einmal mussten wir jedoch den Abend herumbekommen. Luke wurde das Mädchen an meiner Seite einfach lästig und zeigte ihr das auch mit vollkommener Ignoranz. Er suchte eindeutig die Gesellschaft von Devin und ließ mich mit meinem "Glück" alleine. So langsam wurde ich das Gefühl auch nicht los, dass sie mehr wollte, denn ihre Andeutungen und Annäherungsversuche wurden intimer.

Aber wozu hat man einen großen Bruder...

'Was würde wohl Nadine von Deinen Eskapaden hier halten?', empfing er mich am Lagerfeuer, als wir den Abend gemeinsam dort einläuten wollten. Devin, der neben ihm saß, grinste breit. Ich beachtete es nicht weiter, denn gerade war ich wieder eifersüchtig und der temporäre Loser in unserem Spiel. Er thronte gerade ganz oben auf seinem Selbstbewusstsein.

"Oh ja, lieber Aniii, das würde mich auch interessieren", stieg er süffisant in das Thema mit ein. Seine Betonung meines Vornamen traf fast perfekt die Aussprache des Mädels an meiner Seite und seine Augen machten mich schier wahnsinnig.

"Um was geht es denn?", mischte sie sich nun neugierig ein. Meine schlechte Laune richtete sich nun auf Luke, denn das Mädel war zurzeit mein einziges Druckmittel gegen meinen liebsten Feind. Aber bei meinem Bruder war die Toleranzgrenze wohl überschritten und funkelte mich herausfordernd an. Wir hatten nie Streit, waren vielleicht mal unterschiedlicher Meinung und genau dieses Aufbegehren jetzt von ihm, brachte mich wieder auf den Boden.

"Sorry, Theresa, mein Bruder hat mir gerade etwas klar gemacht", wandte ich mich neutral an sie.

"Und?"

"Zu Hause wartet eine Freundin auf mich", gab ich ihr emotionslos zu verstehen.

"Na und, das sind tausende Kilometer und wir sehen uns hiernach eh nicht wieder", konterte sie schnippisch. Na da hatte ich mir ja ein schönes Ei ins Nest gelegt und mein süßer Saxophonist feixte lautlos vor sich hin. Nur mein Bruder war da anderer Meinung. Zornig machte er einen Schritt auf sie zu.

'Schick die Kuh endlich in die Wüste!', forderte er mich unmissverständlich auf und ich war überrascht von seinem prollhaften Ton. Das war eigentlich gar nicht sein Ding.

"Ich glaube, Du solltest Dir einen anderen Zwischensnack hier suchen", flötete mein Betthase, wobei er ja eher das Böckchen war.

"Was geht Dich das denn an? Du willst ja nur eine Kontrahentin aus dem Weg räumen", fauchte sie ihn an. Er grinste nur breit.

"Manche hier machen sich halt nichts aus Frauen, so intelligent sie auch ausschauen möchten", antwortet er ihr butterweich und ich musste mir ein Grinsen wegen der Doppeldeutigkeit mühsam verbeißen. Anderseits war ich auch geschockt, denn das Wort "manche" war in seiner Auslegung nun eindeutig.

"Theresa, keinen Streit bitte. Such Dir jemand anderen und genieß Deine Zeit hier. Ich werde es nicht sein", erklärte ich ihr ruhig. Sie verzog ihr Gesicht und ihr Zorn flammte auf.

"Blöder Penner, das hättest Du mir auch gleich sagen können", zischte sie mich an und wartete auf eine Erwiderung von mir. Jedes weitere Wort war jedoch verschwendet und ich schwieg einfach. Da von mir nun nichts mehr kam, stolzierte sie davon. Meine Augen huschten natürlich wieder zu Devin. Diese Niederlage hatte ich verdient und wollte mir meinen wohlverdienten Lohn aus seinen Augen abholen. Aber anstatt Schadenfreude sah ich da nur eine Spur von Enttäuschung.

"So und nun, sozusagen als Belohnung für den kleinen Bruder, weil er seinem großen Bruder so brav gefolgt ist und seine sexuelle Lust beherrscht hat, wird dieser seinen neuen Freund überreden, zusammen mit ihm zu musizieren. Das wird den kleinen Bruder eventuell wieder gnädig stimmen", knurrte ich Luke an, beobachtete jedoch Devin. Bei einer gewissen Formulierung leuchteten seine Augen begierig auf.

'Sei froh, ich habe Dich aus Deiner geistigen Umnachtung gerettet, junger Skywalker', konterte mein Bruder.

"Ist denn die Macht in ihm stark, junger Padawan?", mischte sich mein Kleiner nun ein.

'Die Macht wohl gerade nicht, eher der Saft!', zeichnete Luke in die Luft und Devin gackerte los.

'Super, mein Bruder verschwor sich mit meinem süßen Albtraum und mir gingen so langsam die Optionen aus', fluchte ich vor mich hin. Zum Glück schienen Beide jedoch von meiner Idee sehr angetan und Devin verschwand, um sein Saxophon zu holen. Die Aussicht, ihn gleich spielen zu sehen und zu hören, entschädigte mich doch um so einiges. Da die alteingesessenen Hotelgäste, die sich hier schon so lange herumtrieben wie wir, ahnten, was gleich folgte, versammelte sich eine ansehnliche Menge um den weißen Flügel. Die Animateure verlegten die Party vom Strand an den Pool und stellten rund um die kleine Insel Fackeln auf. Als die beiden dann auch noch ein paar Balladen spielten, konnte ich mich dem aufkeimenden Gefühl nicht mehr erwehren.

Eine romantische Welle schwappte über mich herein.

Ich saß hier am Pool, saugte jede kleine Bewegung von einen kleinen Genie auf, der gerade hingebungsvoll sein Saxophon spielte und ich wünschte mir, ihn hier jetzt in meinen Armen zu halten und zu küssen.

Erschrocken zuckte ich hoch. Der Gedanke war so real, der Wunsch so übermächtig und unsere Lieblingsbeschäftigung kam darin nicht vor. Ich dachte nicht an Sex mit ihm, nein ich wollte ihn nur hier dicht bei mir spüren. Ziemlich durcheinander schaute ich zu der Ursache meines Gefühlschaos. Seine Augen ruhten auf mir und ich sah denselben Wunsch in ihnen. Es war nur ein kurzer Moment, aber er war da und...

...er erschütterte mich.

Die Kontrolle meines Lebens glitt mir immer mehr aus den Händen und ich war noch nicht bereit, das so einfach geschehen zu lassen. Wütend blitzte ich ihn an, denn er alleine, ganz alleine war an dieser Situation schuld.

Er machte das mit mir!

Sex ja, denn der war mein Elixier und den wollte ich nicht mehr missen, aber mehr...

...nein, mehr war nicht drin! Und so, wie ich in ihm lesen konnte, beherrschte er es ebenso virtuos. Aus seinem sehnsüchtigen Blick wurde Ablehnung und dann ignorierte er mich. Nicht einmal verirrte sich sein Blick mehr zu mir und ich fing immer mehr an zu kochen. Jegliche Romantik war bei mir verflogen.

Da er mir keine Chance mehr gab, mich mit ihm lautlos zu messen, mich mit ihm zu fetzen, ging ich. So schwer es mir fiel, dieser Musik und vor allem seinem Spiel zu entfliehen - aber seine Ignoranz traf mich. Aufgeputscht warf ich mich auf mein Bett. Die Tür hatte ich nur angelehnt, denn ich erwartete ja noch jemanden. Auch wenn ich mich nach den Fick mit ihm sehnte, so leicht würde ich es ihm heute nicht machen. So einfach war ich heute nicht zu bekommen. So in meinen sexuellen Vorstellungen vor mich hinträumend, stieg meine Erregung und Erwartung immer mehr, und er...

...kam nicht.

War das seine Rache an mir heute?

Am Strand hatte er etwas ganz anderes verlauten lassen. Aus meiner Gier nach Sex mit ihm wurde Niedergeschlagenheit und deprimiert schlief ich dann doch irgendwann ein.

Der nächste Tag war schon längst verplant und ließ mir keine Zeit, mich irgendwie mit ihm gleich am frühen Morgen auseinanderzusetzen. Ein Zugeständnis für unsere Freiheit in diesem Hotel ohne den Eltern war dieser Tag. Damit wir auch den morgigen Silvester hier ohne sie verbringen konnten, sollten wir uns heute früh in ihrem Hotel einfinden. Dementsprechend früh warf mich Luke aus dem Bett. Verwundert registrierte er, dass ich noch immer in meinen Klamotten von gestern Abend in der Koje lag. Mein erster verschlafener Blick wanderte auf den Platz neben mir, der natürlich leer war. Der neue Tag fing genauso beschissen an, wie der gestrige geendet hatte.

Griesgrämig folgte ich meinem Bruder zum Frühstück. Eine Stunde später fanden wir uns dann in dem Hotel unserer Eltern ein. Meine Mutter hatte wie immer keine Zeit für uns und ich fragte mich schon nach ein paar Minuten, was wir hier überhaupt suchten. Ich sehnte mich nach ihm. Da war mir jede Ignoranz durch ihn um ein vielfaches lieber als dieser Irrsinn hier. Mein Vater schien dieser Sache hier auch immer weniger abzugewinnen und gesellte sich schnell zu uns. Er versuchte sein bestes, um uns die Zeit zu vertreiben, aber er hatte keine Chance. Der eine Sohn trauerte dem Flügel und der Gesellschaft eines fast genialen Musikers nach, tja und der andere wollte genau von diesem schwarzhaarigen Teufel vernascht werden. Davor wollte dieser Sohn sich aber erst noch mit dem Kerl streiten, ihm seine Ignoranz austreiben und seine Eifersucht pflegen.

Man, wann war dieser Horror hier endlich vorbei? Ich wollte hier weg!

Mein Verbündeter in dieser Angelegenheit war mein Bruder. So griesgrämig hatte ich ihn selten erlebt, aber diese Anlage war genau das, was meine Mutter gesucht hatte und wir auf jeden Fall vermeiden wollten. So was hatten wir die letzten 10 Jahre schon ausreichend genossen und nun in dem anderen Hotel die angenehmen Seiten kennen und schätzen gelernt.

'Dad, ich verschwinde und wenn ich mir die Laune von Anakin so anschaue, werde ich nicht der Einzige sein', ließ mein Bruder gegenüber unserem Vater verlauten.

"Haut ab. Wie gerne würde ich Euch begleiten, aber dann habe ich hier keine ruhige Minute mehr. Ich werde versuchen, Eure Mutter so lange als möglich hinzuhalten", antwortete er uns leise. Ein klein wenig unwohl fühlten wir uns auf Grund der Flucht aus diesem Filmvergötterungswahnsinn schon, aber mein Vater gab mir noch einen Klaps auf den Allerwertesten und brummte uns geheimnisvoll ein "Zischt schon ab" zu und dieser liebevollen Aufforderung wollten wir uns nun doch nicht mehr verwehren. Trotz allem hatten wir schon gegen 15 Uhr und bei unserer Anlage trafen wir ca. eine Stunde später ein. Als wir über den Steg liefen, glaube ich, suchten beide Brüder ein und dieselbe Person, aber mit unterschiedlichen Interessen – hoffte ich zumindest. Leider konnte ich ihn nirgendwo ausmachen und Luke ging es wohl ähnlich. Enttäuschung machte sich bei uns Beiden breit. Ich ging an den einzigen Ort, an welchen ich solchen Frust selbst am besten bewältigen konnte. Zehn Minuten später stemmte ich mit einer gehörigen Wut im Bauch Gewichte und versuchte wenigstens körperlich meinen Körper an die Grenze zu treiben. So sehr ich mich auch auf den Kampf mit den Hanteln konzentrierte, die rehbraunen Traumaugen gingen mir nicht aus dem Kopf. Immer öfter musste ich an meinen Wunsch von gestern denken…

…Devin als Freund an meiner Seite…

Nein, kein Sexfreund, auch keine Freundschaft unter Kerlen – sondern als DEN Freund. Ihn jeder Zeit in die Arme schließen können, seine herrlichen Lippen spüren, oder einfach ihn reizen, bis er über mich herfiel. Verträumt lächelte ich vor mir hin. Und immer wieder wanderten meine Blicke zur Eingangstür, aber ich blieb alleine. Als ich nach einer Stunde körperlich ziemlich am Ende war, wollte ich beim Verlassen des Fitnessraums nur noch entspannt im Whirlpool liegen. Nach einer kurzen Dusche im Apartment und mit eine knappen Badehose bekleidet, schlenderte ich in die gewünschte Richtung. Auf den letzten Metern hörte ich eine jugendliche Stimme lachen, die mir sofort eine Gänsehaut auf meinem Körper bescherte. Da saß mein Süßer im Pool. Aber er war nicht alleine, zu ihm hatten sich mein Bruder und Bernd gesellt. Als ich Devin so dicht bei Bernd sah, flammte sofort ein anderes Bild in meinem Kopf auf…

…es war dunkler…

…es war später…

…es war erotischer…

Meine Eifersucht explodierte förmlich und ich blitzte Devin zornig an. Die geistigen Bilder in meinem Schädel führten jedoch auch noch zu einer anderen körperlichen Reaktion und ich verfluchte meine zu enge Badehose. Devin hatte mich natürlich schon längst bemerkt und als er meine Eifersucht auflodern sah, verzogen sich seine herrlichen Lippen zu einem spöttischen Lächeln. Sein Blick wanderte über meinen Körper und ihm entging meine wachsende Enge in der Hose nicht. Neben seinem Spott konnte ich seine sexuelle Gier nun sehr gut sehen. Schnell tauchte ich in den Whirlpool ein, denn meine Erregung nahm nicht ab – nein, eher noch zu.

'Bruderherz, ich habe eine schlechte Nachricht', empfing mich mein Bruder, als ich mich neben ihm setzte.

"Schlechter als der bisherigen Tag kann es kaum werden", grummelte ich und richtete mir unter Wasser erst mal den Inhalt in meiner Badehose.

'Dieser Kerl hier will mich schon wieder verlieren sehen', fing Luke an zu erklären.

"Oh ein kleiner musikalischer Wettkampf wieder?", äußerte ich mich erwartungsvoll.

"Oh nein, dass nächste Mal werden wir Beide auf dem musikalischen Sektor unsere Kräfte messen, lieber Ani", kam es von der anderen Seite des Whirlpools und Devin grinste mich breit an.

"Vergiss es", fauchte ich zurück.

"Angst zu verlieren?", foppte er mich weiter. Und meine Erregung stieg immer weiter.

"Nein, ich singe nur für meinen Bruder oder sehr enge Freunde", knurrte ich zurück. Seine Pupillen weiteten sich kurz.

'Das stimmt leider, Devin', pflichtete mein Bruder mir bei.

"Das werden wir noch sehen", murmelte Devin so leise, dass es wohl nicht für andere Ohren bestimmt gewesen war.

'Nein, ich soll mit Dir zusammen Volleyball gegen die Beiden hier spielen', platze es dann doch aus meinem Bruder heraus und er sah mich total entsetzt an.

"Der Vorschlag ist genauso hirnrissig wie das Singen", stellte ich dann auch umgehend laut klar. Erstens hasste ich immer noch Bälle und zweitens fühlte ich mich nach der anstrengen Einheit im Fitnessraum körperlich ziemlich erschlagen.

"Komm sei kein Frosch", bat mich überraschenderweise Devin. Erstaunt sah ich ihn an, denn solche bittende Töne war ich von ihm nicht gewohnt. Für mich war klar zu erkennen, dass er mit mir spielte, die Bitte aber ehrlich gemeint war.

"Aber nur, wenn der Verlierer einen Wunsch frei hat", murmelte ich heiser. Damit hatte er nicht gerechnet und Verblüffung machte sich in seinem Gesicht breit. Wie er meinen Wunsch in Gedanken gerade auslegte, konnte ich an seinem gierigen Aufflackern der Augen erahnen.

"In Ordnung", gab er leise sein Einverständnis.

'Super, ich mach mich hier voll zum Obst', maulte mein Bruder nun herum.

"Du wolltest aus dem Hotel der Eltern wieder hierher zurück", grinste ich ihn an. Er zog einen Flunsch, ergab sich dann aber seinem Schicksal. Zuerst ging ich mir jedoch eine Short überstreifen, denn die enge Badehose war einfach zu verräterisch. Wohlweislich ließ ich sie jedoch darunter an, denn nur eine weite Short hätte noch verräterischer werden können.

Unser Spiel war ein Fiasko. Nicht den Hauch einer Chance ließen sie uns. Wobei es mir so vorkam, als wenn Bernd den einen oder anderen Ball abschenkte, um uns nicht ganz so dumm dastehen zu lassen – mein süßer Saxophonist spielte wie entfesselt und schmetterte mit Vorliebe auf mich. Dabei amüsierte er sich köstlich und auch mein Bruder hörte bald auf, sich zu wundern. Luke kicherte in einem fort über meine Ungeschicklichkeit. Mich hob das alles nicht so sehr an, denn ich schwelgte in diversen Vergeltungswünschen und das Funkeln meiner Augen ließ Devin ab und an nachdenklich verstummen. Als er mal wieder mit voller Absicht den Ball über das Netz auf mich schmetterte, versuchte ich zur Seite auszuweichen und blieb mit meinem Fuß im Sand hängen. Dabei knickte ich mit ihm um und ein Schmerz schoss meine Wade hinauf.

"Auuuu", stöhnte ich gequält auf. Seltsamerweise war Devin zuerst bei mir, obwohl er den weitesten Weg von allen hatte. Ungewohnt sanft nahm er meinen Knöchel in seine Finger und sah mich sorgenvoll an. Ich hatte mir nichts Ernsthaftes getan und ein kurzes Wackeln der Zehen bestätigten dieses. Trotz allem verhakten sich unsere Blicke ineinander und mein einziger Wunsch war, dass seine herrlichen langen Finger doch höher wandern sollten. Hektisch, fast rabiat entriss ich ihm meinen Fuß und stand schnaufend auf.

"Es geht schon. Ich habe hier noch ein Spiel zu verlieren", knurrte ich ihn an und er hob spöttisch seine Augenbraue. Ein paar Minuten später war die Niederlage besiegelt und wir fanden uns im Pool wieder. Ich wollte mich im Wasser nur etwas abkühlen, aber Luke und Devin hatten noch nicht genug. Sie tobten ausgelassen herum und Bernd war der Leidtragende. Ich lümmelte mich an der Bar im Wasser und bestellte mir einen Fruchtsoftdrink. Nach einer Weile hatten sie auch genug und kamen zu mir herüber. Unmittelbar vor mir tauchte mein Betthase auf. Seine Wangen waren von der Anstrengung leicht gerötet, die nassen Haare hingen ihm frech im Gesicht und seine Augen leuchteten übermütig.

"Und Dein Wunsch, Anakin", hörte ich Devin lauernd und eine Spur nervös fragen. Fast konnte ich so etwas wie bange Erwartung in seinem Gesicht lesen.

"Heb ich mir auf", grinste ich ihn frech an und nuckelte an meinem Strohhalm.

"Okayyyyyyyyy", krähte er etwas verwirrt und mopste mir doch wirklich meinen Drink. Frech grinsend saugte er nun an meinem Strohhalm und ich blitze ihn wütend an. Und schon war er wieder obenauf. Verstohlen ließ ich meinen Blick schweifen und sah meinen Bruder lächeln. Wie Devin da an dem Strohhalm lutschte – man, mir wurde verdammt heiß. Schnell brachte ich einen Sicherheitsabstand zwischen uns und wie selbstverständlich nahm er meinen Platz ein. Wir führten unseren lautlosen Krieg weiter, wobei meine Karten heute sehr schlecht waren. Ich hatte nichts, womit ich seine Eifersucht schüren konnte - er hatte solche Hemmungen nicht und nutze seinen Vorteil mit Bernd schamlos aus. Es dauerte nicht lange und ich kochte in meinem Saft. Einem schien das aber auch nicht mehr zu gefallen. Als wir vom Abendbrot zurück zum Pool schlenderten, nahm Bernd Devin beiseite und ging mit ihm etwas abseits. Ich versuchte so unauffällig wie möglich die beiden zu beobachten. Leider konnte ich nichts verstehen, denn sie waren zu weit weg, aber Bernd schien ziemlich verärgert. Bisher war er mir eigentlich wie ein angenehmer Zeitgenosse vorgekommen - er konnte ja nun gar nichts für die Rolle, die er heimlich in unserem Drama spielte. Jetzt jedoch schien er meinem kleinen Musiker kräftig die Hammelbeine lang zu ziehen und Devin schaute bedröppelt drein. Nachdem er ihm wohl seine Sicht der Dinge geradegebogen hatte, stiefelte Bernd angefressen davon. Devin stand ziemlich verloren dort herum und sein Blick huschte zu mir. Ich konnte nicht anders und grinste ihn herausfordernd und überheblich an. Gleichzeitig traf mich die Erkenntnis, dass dies die schlechteste Reaktion gewesen war, die zur Auswahl gestanden hatte. Resignierend sackten seine Schultern nach unten und er verschwand in Richtung seiner Unterkunft.

Der Abend hatte eine unheilvolle Wendung genommen und mich um meinen Kleinen bestohlen. Ich hatte aber noch meine Geheimwaffe namens Bruder am Start und ein kleiner Hinweis darauf, dass Musik Devin wieder etwas aufmuntern könnte, ließen seine Augen belustig aufblitzen. Er hatte diese Auseinandersetzung natürlich auch mitbekommen und fand meine Idee wohl Erfolg versprechend. Er verschwand lächelnd. Da ich die Überredungskünste meines Bruders kannte, war ich sehr zuversichtlich, dass der Abend noch nicht vollständig verloren war. Ich suchte mir einen Platz in der Nähe des Flügels, so dass ich im Halbdunkeln saß, aber eine gute Sicht auf die Insel hatte. Ein paar Minuten später kam Luke und klimperte ein wenig auf dem Klavier herum. Und dann tauchte wirklich mein süßer Saxophonist auf. Sein Blick huschte umher, aber er konnte mich nicht ausfindig machen. Das schien ihm nicht zu passen und einen Augenblick sah es so aus, als würde er wieder verschwinden wollen. Luke forderte ihn jedoch mit sanften Tönen am Flügel zum Einstimmen auf und seine Liebe zur Musik gewann den inneren Kampf. Fasziniert beobachtete ich ihn. Er war heute mit einer langen dunklen Jeans bekleidet und einem lockeren T-Shirt. Seine Haare waren etwas länger als bei unserem allerersten Zusammentreffen und hingen ihm wild im Gesicht. Er war wieder vollkommen in seine Musik eingetaucht, was man immer sehr gut daran erkennen konnte, dass er seine Augen geschlossen hatte. So versunken in seinen wunderschönen Anblick erschrak ich tierisch, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich fuhr regelrecht herum und sah in ein sehr ernstes Gesicht.

"Anakin, können wir uns beide mal unterhalten?", fragte mich Bernd leise. Benommen schüttelte ich meinen Kopf und sah ihn zweifelnd an.

"Alleine?"

'Was sollte das jetzt? Bekam ich nun meine Moralpredigt?', fuhr mir durch den Kopf. Seite an Seite schlenderten wir in Richtung Strand und ich wartete ungeduldig, dass er irgendwie anfing.

"Ich glaube, wir kennen Beide das Hobby, welches Swing ausübt", fing er leise an. Allein die Nennung seines Chatnamens ließ mich zusammenzucken und ich sah Bernd erschrocken an.

"Wie..., wie bitte...?", stotterte ich total entgeistert.

"Anakin, es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig etwas vormachen", gab er mir zu verstehen.

"Und was willst Du nun von mir, nachdem er ja nicht die Klappe halten konnte", fauchte ich ihn an. Auch wenn meine Welt kurz davor stand, sich in Luft aufzulösen, war ich stocksauer auf Devin, dass er mich so ins Messer laufen ließ. Bernd sah mich kopfschüttelnd an.

"Oh man, wie ihr beide Euch doch ähnelt", brummte er amüsiert. Trotzig starrte ich ihn an.

"Devin hat Dich nicht verraten", fuhr er nach einer Weile ruhig fort.

"Wer's glaubt", knurrte ich.

"Nein Anakin, für Personen so wie uns beide sind gewisse Sachen bei Kerlen offensichtlich", erwiderte er mir und ich sah ihn zweifelnd an.

"Sagen wir mal so, dass ich vom ersten Moment gespürt habe, dass da etwas zwischen Euch vorgeht. Da ich schwul bin, interessieren mich Männer nun mal etwas mehr als Frauen und wenn solch ein hübscher und süßer Kerl wie Du hier auftaucht und meiner Begleitung komische Augen macht, werde ich neugierig", sah er mich leicht lächelnd an.

"Sorry, ich wollte Dir nicht Deinen Fick ausspannen", ätzte ich angepisst.

"Das ist Devin nur für Dich... Ein FICK?", sagte er auf einmal sehr ernst und seine Augen bohrten sich in meine. Ich fühlte mich sofort äußerst unwohl und versuchte seinem Blick auszuweichen.

"Antworte mir, Bengel!", forderte er mich eisig auf und ich konnte mich seinem Einfluss nicht entziehen.

"Nein", murmelte ich leise und schlug die Augen beschämt nieder.

"Gut", hörte ich ihn nun um einiges sanfter und der Hauch einer Erleichterung war sehr gut herauszuhören.

"Mir ist Devin sehr ans Herz gewachsen und den Status eines Escort hat er schon lange verlassen. Ja, ich gebe zu, dass ich ihn als Escort engagiert hatte, aber hierher hat er mich als Freund begleitet, denn das ist er mittlerweile für mich", gab er mir eine kleine Erklärung, aber ich hörte eigentlich nur eins heraus.

"Als Freund?", murmelte ich tonlos.

"Ich könnte Dich nun weiter schmoren lassen, aber wie gesagt, mir liegt Devin am Herzen", lächelte mir Bernd leicht zu. Argwöhnisch schaute ich ihn an.

"Ich will nicht verhehlen, dass ich mit ihm Sex hatte und wie galaktisch dieser ist, brauch ich Dir wohl nicht sagen", zwinkerte er mir verschwörerisch zu. Entrüstet wollte ich ihn anfahren, aber er legte beruhigend seine Hand auf meinen Arm.

"Leugne nicht, Anakin. Aber Devin ist mir wirklich nur ein guter Freund, das andere scheint er woanders eventuell schon gefunden zu haben", kam er meinem Ausbruch zuvor. Zweifelnd sah ich ihn an.

'Wie war das jetzt gemeint?'

"Es ist einfach amüsant und faszinierend, wie Ihr Euch Beide bekriegt. Für jemanden wie mich, der weiß, worauf er achten muss und der zwischen den Zeilen lesen kann, war es unglaublich, so was zu erleben. Ihr springt beide so auf den anderen an, dass sofort purer Sex in der Luft liegt. Ihr wollt dem anderen nicht den klitzekleinsten Vorteil lassen, anderseits fresst Ihr Euch mit den Augen auf", kam es wieder lächelnd von ihm.

"Und das hast Du ihm vorhin auch gesagt?", rutschte mir heraus. Verwundert sah er mich an.

"Nein, wie Devin zu Dir steht, dass brauch ich ihm nicht mehr auf die Nase zu binden. Ich habe ihm nur zu verstehen gegeben, dass ich nicht mehr die Rolle des eifersuchtschürenden Idioten spiele. Nachdem Du Deine Begleitung ja verloren hattest, fand ich die Rollenverteilung etwas ungerecht und in Sachen Eifersucht schenkt Ihr Euch Beide rein gar nichts!"

Über das Thema wollte ich am liebsten schweigen, denn nur der Gedanke daran, was bei Bernd und Devin nachher im Bett abgehen könnte, schürte meine Eifersucht kräftig.

"Genau diesen Ausdruck meinte ich", grinste Bernd mich frech an.

"Entschuldigung, dazu habe ich kein Recht", murmelte ich niedergeschlagen, denn mir war das peinlich, dass ich so einfach zu durchschauen war.

"Oh Anakin, bei so einem süßen Kerl wie Devin hast Du alles Recht der Welt dazu und wenn ich 15 Jahre jünger wäre, würde ich wie ein Löwe um den Kleinen kämpfen. So aber stehen meine Chancen eher schlecht und nur mit Geld kann man diesen Jungen nicht kaufen", antwortete er nun wieder ziemlich ernst. Diese Erfahrung hatte ich selber schon leidvoll erfahren. Mittlerweile wollte ich diese Situation aber nicht mehr zurück, denn so ein aufmüpfiger Devin, wie ich ihn hier erleben konnte, war mir tausend Mal lieber.

"Und warum…, ähm wieso…, weshalb wolltest Du nun mit mir sprechen?", stotterte ich durcheinander.

"Ich treibe mich gerne mit hübschen Kerlen alleine am Strand herum", lächelte er mich nun wieder frech an.

"Oder im Whirlpool", rutschte mir doch wirklich heraus und ich lief knallrot an. Oh je war mir das peinlich. Bernd musterte mich erstaunt und gackerte dann laut los. Es dauerte eine Weile bis er sich wieder etwas beruhigt hatte.

"Das, mein werter Herr Müller, würde mich natürlich auch wahnsinnig vor Eifersucht machen", neckte er mich und seine Augen funkelten belustigt. Ich funkelte zurück, jedoch nicht sehr belustigt.

"Nein, mal wieder etwas ernsthaft. Erstens wollte ich gerne wissen, wo Du stehst und auch, wenn Du Dir nicht viel entlocken lässt, ist mir Deine Gestik genug. Zweitens wollte ich Dir eigentlich nur zu verstehen geben, dass ich kein ernsthafter Kontrahent für Dich bin, aber das mir Devin einiges bedeutet und mir sein Wohl am Herzen liegt."

Das war ja alles gut und schön, aber mir schwirrten gerade nur zwei Sachen im Kopf herum. Die Eine machte mich sehr nervös, weil davon unter Umständen meine Zukunft abhing und die Andere wurde von meiner Eifersucht bestimmt. Beides konnte ich einfach nicht in Worte fassen. Konnte man jemanden mit einem Blick bang und gleichzeitig eifersüchtig anschauen – ein Versuch war es wert. Bernd entpuppte sich weiterhin als sehr guter Menschenkenner, der mich intensiv musterte.

"Keine Sorge, Anakin, von mir wird keiner etwas erfahren. Einen Rat möchte ich Dir jedoch trotzdem geben. Auch wenn es Dir wahrscheinlich am schwersten fällt, aber rede mit Deinem Bruder darüber", kam es dann von ihm. Zuerst spürte ich grenzenlose Erleichterung, denn mein Geheimnis war weiterhin gesichert, aber als er mir den Ratschlag gab, verdrehte ich nur genervt die Augen. Solche Tipps konnte er sich sparen.

"Auch wenn Du die Augen rollst, manchmal lässt ein wenig Lebenserfahrung gewisse Dinge in einen anderen Licht erscheinen", fuhr er mehr als kryptisch fort. Jetzt machte mich nur noch ein Gedanke schier verrückt. Doch Bernd drehte sich ab und schlenderte langsam zurück zum Pool. Ich blieb noch etwas am Strand, denn zuerst wollte ich ein wenig Ordnung in meine wirren Kopf bringen. Kurz bevor er aus Hörreichweite war, drehte er sich noch einmal leicht um.

"Um Deine andere stumme Frage zu beantworten. Wir hatten seit Tagen kein Sex", murmelte er und ließ mich dann alleine zurück.

Genau das war der Grund meiner Eifersucht gewesen, die Vorstellung, was die Beiden in ihren vier Wänden so trieben. Der Gedanke, dass Bernd das hatte, was mir so verwehrt war – zumal ich ja schon einmal Zeuge diverser Aktivitäten gewesen war. Und nun diese kleine Bemerkung.

'Konnte das wahr sein?', geisterte durch meinen Kopf. Eigentlich zweifelte ich nicht an der Wahrheit dieser Aussage, aber der Stachel meiner Eifersucht saß tief. Warum sollte er auf so einen süßen Betthasen wie Devin verzichten? Ich fand keine passende Antwort darauf – vielleicht wollte ich es auch nicht, denn dann hätte sich ja die Grundlage meiner Eifersucht ins Nichts verflüchtigt. Sein Saxophonspiel zog mich wie magisch zurück zum Pool. Kaum trat ich in den Lichtkreis um diese kleine Insel, ruhten seine Augen schon auf mir. Obwohl sich der Junge da vorne in den letzten Tagen nicht geändert hatte, hatten die letzten Tage schleichend aber kontinuierlich zu einer Veränderung meiner Betrachtungsweise geführt. Ich sah ihn in erster Linie nicht mehr als Sexobjekt, als Erfüllung meiner Begierde, der Kerl da vorne war viel mehr als das. Und mein Blick schien ihn nervös zu machen. Der ach so smarte Musiker machte Fehler – zwar nur ganz winzige und nur für den Liebhaber der Jazzmusik herauszuhören, aber sie waren da. Für ihn war der Verursacher dessen schnell ausgemacht und er blitzte mich wütend an. Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und lächelte ihn provozierend an. Auch wenn sich meine Betrachtungsweise geändert hatte, so verärgert und trotzig war er noch begehrenswerter. Er schloss mit finsterer Miene sein Solospiel ab und gab Luke zu verstehen, dass für ihn heute Feierabend war. Mein Bruder schaute etwas überrascht, aber er hatte die Unkonzentriertheiten bei ihm genauso wahrgenommen. Fahrig verstaute er sein Instrument und mit einem wütenden Blick in meine Richtung verschwand er grußlos. Nachdem er weg war, schaute ich zwangsläufig zu Bernd und dieser schüttelte lächelnd seinen Kopf. Bei einem Schlussdrink ließ ich mir noch einmal so ein paar Sachen und Ereignisse von heute durch den Kopf gehen. Da waren einige Dinge vorgefallen, die unserem Verhältnis zueinander eine andere Richtung gaben. Vergnügt vor mich hin pfeifend schlenderte ich dann alleine zurück zu unserer Unterkunft, denn Luke war noch nicht vom Klavier weg zu bekommen. Zufrieden war ich auch, weil ich mir sehr sicher war, dass ich heute Nacht Besuch bekommen würde – seine blitzenden Augen beim Abgang hatte ich noch gut im Gedächtnis. Die Tür schloss ich heute hinter mir, denn er sollte ruhig klopfen, wenn er kam. Da mir die Luft im Wohnraum etwas abgestanden erschien, öffnete ich die Tür zu der Terrasse und trat auf sie hinaus. Ein Geräusch und eine Bewegung aus der dunklen Ecke rechts von mir ließ mich heftig zusammenzucken.

"Na hat der kleine Ani Angst?", hörte ich eine mir wohlbekannte Stimme sarkastisch fragen.

"Vor kleinen angepissten Saxophonisten wohl kaum", flüsterte ich heiser und aus dem Dunklen schoss jemand auf mich zu. Sehr dicht vor mir baute sich Devin auf und das Licht aus meinem Apartment spiegelte sich in seinen Augen, so dass es aussah als glühten sie.

"Du bist mir noch was schuldig", knurrte er gereizt und schupste mich zurück in den Raum.

"Und wenn ich heute keine Lust habe", konterte ich trocken.

"Du und keine Lust", lachte er heiser auf und drängte sich noch näher an mich. Sein Geruch stieg mir unwiderstehlich in die Nase und ich hatte den starken Drang, mein Gesicht in seinem Haar zu vergraben. Soviel zu meinem gestrigen Anliegen, dass ich mich ein wenig wehren wollte. In den nächsten Minuten hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes ein Déjà-vu. Nur diesmal riss ich ihm die Klamotten ein Tick schneller vom Leib als er mir. Als ich dann diesen warmen nackten Körper auf mir spürte, war schon wieder fast alles vorbei. Obwohl seine Augen gierig aufleuchteten als er sich fordernd an mir rieb und seine herrlichen Lippen süchtig an meinen nuckelten, behielt er die Kontrolle und bescherte mir nach einem ständigen Hinhalten einen wahnsinnigen Höhepunkt. Er explodierte regelrecht in mir und brach dann atemlos auf mir zusammen.

"Na war das Volleyballspiel für den jungen Mann doch eine Nummer zu anstrengend", neckte ich ihn.

"Grmpf, wer muss denn hier die ganze Arbeit beim Sex machen", brummte er und schaute mich an. Seine Augen strahlten unglaublich.

"Kerl, Du bist die höllischste Versuchung auf diesem Planeten für mich", knurrte ich.

"Und Du der Albtraum meiner Seele", zischte er zurück und biss mir in meine Unterlippe. Unser stürmischer Kuss ging in eine sanfte Schmuserei über. Und obwohl dieser niedliche Boy auf mich hochgradig erregend wirkte, war seine Nähe gleichzeitig beruhigend. Während ich wegdämmerte, hörte ich ihn noch süffisant murmeln:

"Da pennt er mir glatt unter meinen Fingern weg." Und genau die spürte ich dann auch noch sanft streichelnd über meine Haut wandern. Mitten in der Nacht erwachte ich durch zarte Küsse auf meinem Körper. Seine Zunge hinterließ auf meinem Rücken entlang der Wirbelsäule eine feuchte Spur.

"Und bereit für den nächsten Gang", hauchte er mir erregt in mein Ohr, als er sich sacht auf mich schob. Mehr als ein zustimmendes Stöhnen bekam ich gerade nicht hin. Die nächste Stunde unterschied sich so grundlegend von unseren bisherigen Bettaktivitäten. Zart, man konnte fast sagen liebevoll verführte er mich und langsam schaukelten wir uns immer höher…

Als ich nächsten Morgen alleine in meinem Bett aufwachte, fragte ich mich, ob das alles nur ein fantastischer Traum gewesen war. Diese Art Sex passte nicht zu uns, aber sie hatte mir unglaublich gefallen. In meinen hocherotischen Aufwachträumen mischte sich die bittere Erkenntnis, dass er wieder aus meinem Bett geflohen war. Es deprimierte mich mehr als ich mir eingestehen wollte. Dieser Junge wurde immer mehr zu einer Droge und ein Entzug kam nicht in Frage.

Mit einem Kaffee bewaffnet setzte ich mich auf die Terrasse und ließ das Auge über das Meer schweifen. Für den herrlichen Anblick konnte ich mich gerade nicht begeistern, denn meine Gedanken kreisten. Auch wenn ich immer wieder in die Ereignisse der lustvollen Nacht abglitt, konnte ich etwas nicht abstreifen.

'Wie sollte es weiter gehen?' Diese Frage geisterte jetzt offen da herum. Sie war schon immer da gewesen, jedenfalls seit dem er das erste Mal in der Nacht zu mir gekommen war. Ich konnte mich seiner Faszination nicht mehr entziehen und wollte wenigstens von meiner Seite alles versuchen, um ihn zu gewinnen. Erschrocken zuckte ich zusammen.

'Wollte ich das wirklich?' Die Antwort war eindeutig. Und wieder schrak ich zusammen. Dieses Mal war es jedoch eine körperliche Berührung, die mich aus den Gedanken riss. Mein Bruder musterte mich kurz und setzte sich dann ohne einen Kommentar neben mich. Mir schwirrten fast augenblicklich Bernds Worte im Kopf umher.

'Luke, ich muss Dir was sagen', fingen meine Finger an, die Worte in die Luft zu zeichnen, meiner Stimme war ich mir nicht so sicher. Nachdenklich schaute mich mein Bruder zu mir herüber.

'Du musst mir nichts sagen.'

"Ich möchte aber", murmelte ich leise. Zu diesem Satz war ich noch mutig genug, aber alles danach wollte nicht heraus.

'Ist dieses Nichts eine Person namens Devin? '

Fassungslos schaute ich auf seine Finger. Nur unter größter Kraftanstrengung gelang es mir, meinen Blick höher wandern zu lassen. Vor mir saß ein locker lächelnder großer Bruder, dessen Augen sehr liebevoll strahlten.

'Hältst Du mich für so blind, mein kleiner Ani?' , neckten mich seine Finger.

"Seit…, ähm, seit wann weißt Du es?", stotterte ich benommen vor mich hin.

'Wissen tue ich gar nichts, aber vermuten seit ich Euch beide das erste Mal gesehen habe', erklärte er mir ruhig mit sanften Gesten. Resigniert sackte ich in mich zusammen. Nun war es also heraus.

"Und was vermutest Du?", wollte ich die letzte Gewissheit haben.

'Was sich neckt, dass liebt sich und was Ihr so Beide treibt, aber hallo.'

"Luke, ich li..., ich ..., ach Scheiße, Devin ist ein Kerl!", stotterte ich weiter vor mich hin.

'Ist mir noch gar nicht aufgefallen', entzifferte ich und er grinste mich frech an.

"Verstehst Du nicht, ich treibe es mit einem Typen", schrie ich ihn fast hysterisch an. Diese Reaktion von meinen Bruder hatte ich nicht erwartet.

'Das war die letzte Nacht kaum zu überhören', antwortete er mit seinen Händen ziemlich ruhig und ich lief knallrot an.

'Oh Gott, wie peinlich wurde das denn noch!'

"Luke, bitte", flehte ich.

'Anakin, was willst Du denn von mir hören? ' Nervös zuckte ich mit den Schultern. Das Gespräch entwickelte sich nicht in die von mir geahnte Richtung, somit war ich total hilflos und wusste wirklich nicht mehr weiter.

'Dachtest Du, ich würde Dich verachten, nur weil Du Dir einen hübschen Kerl geangelt hast?' , formulierten seine Finger und er sah mich vorwurfsvoll an.

'Ich kenne das sexuelle Begehren gegenüber süßen Boys sehr wohl…' Erstaunt schaute ich ihn an.

'He ich war auch mal jung und unschuldig', grinste er verdammt frech.

"Willst Du damit sagen, dass Du auch schw…", flutschte mir heraus und erschrocken biss ich mir auf die Zunge.

'Wäre das so furchtbar?' , kam seine Gegenfrage und als mir der Sinn seine Frage klar wurde, lächelte ich schüchtern. Leicht schüttelte ich meinen Kopf.

'Siehst Du und warum sollte ich nun etwas dagegen haben, dass mein Bruder es lieber mit Kerlen treibt als mit Mädels ins Bett zu hopsen?' , provozierte er mich ziemlich ordinär.

"Weil Du lieber selbst ran willst?", rutschte mir dann doch unüberlegt heraus. Luke stutzte kurz und kicherte los.

'Nein, das war nur eine kurze Phase bei mir und ich habe mich wieder der familiären Verpflichtung erinnert. Einer muss sich ja um die Forterhaltung des Namens Müller kümmern', konterte er, nachdem er sich wieder etwas gefangen hatte.

'So nun höre mir mal ganz genau zu, mein liebes Bruderherz. Du bist mein Bruder und durch Deine Liebe, für wen auch immer, wird sich für mich nie etwas Dir gegenüber ändern. Ich kenne Dich und Deinen verdammten Dickkopf nun schon seit fast 20 Jahren. Manchmal ist er schwer zu ertragen, aber ich liebe Dich!'

Ich bin kein Typ, der dicht am Wasser gebaut ist, aber diese Worte brachten mich doch arg zum Schlucken.

"Danke", murmelte ich leise und sah ihn dankbar an.

'Enttäuscht war ich nur, dass Du dieses Geheimnis so lange vor mir verborgen hast.' Bei diesen Worten war eine gewisse Traurigkeit in seine Augen gekrochen.

"Ich hatte Angst, verdammte Angst, Dich zu verlieren", gestand ich ihm ehrlich.

'Ich weiß, aber den ersten Schritt musstest Du gehen, zumal Du eigentlich selbst noch nicht so richtig mit Dir im Reinen warst.'

Verblüfft schaute ich ihn an.

"Wie kommst Du darauf?", machte ich meiner Verwunderung dann auch Luft.

'Hm, ich glaube, Du hast erst hier jemanden gefunden, für den sich Dein Kampf lohnen könnte, oder?'

"Vielleicht", hauchte ich.

'Anakin, Du liebst ihn!'

Genau darüber war ich mir noch nicht so klar. Es gab gewisse Aspekte in meinem Denken, die über den puren Sex schon hinausgingen, aber war das Liebe? Da ich jedoch noch nie einen Menschen geliebt hatte, damit meinte ich nicht die Liebe zu der Familie, und mir meine jetzigen Gefühle ziemlich fremd waren, konnte man eventuell die Brücke dahin schlagen – aber war das sicher?

'Du kanntest ihn schon vor diesem Urlaub hier, oder?' , riss Luke mich aus meinen Überlegungen. Er hatte wohl erkannt, dass ich gerade irgendwie in einer Sackgasse gelandet war. Leider berührte er nun ein Thema, was mir nicht sehr angenehm war.

"Ja", antwortete ich einsilbig.

'War er der Grund für Deine Grinsattacken vor dem aus-dem-Haus-gehen und der Zufriedenheit und körperlich Geschafftheit beim Zurückkommen?' , formulierte er und grinste mich frech an. Natürlich änderte sich meine Gesichtsfarbe. Ich wollte mich hier mit meinen Bruder bestimmt nicht über diverse Sexpraktiken unterhalten. Allerdings schien er sehr neugierig zu sein.

'Komm rück schon raus', hakte er noch einmal nach und versetzte mir einen Knuff.

"Dich interessiert der Kerl?", fragte ich lauernd. Begeistert nickte Luke.

"Sollte ich mir da irgendwelche Sorgen machen?", gab ich meiner Frage einen grollenden Unterton. Vergnügt wackelte er mit dem Kopf. Schlussendlich gab ich mich geschlagen und berichtete ein wenig über Devin und mich. Viel gab es nicht zu erzählen, denn über unsere Hauptaktivität bei unseren Treffen schwieg ich beharrlich. Und ich verschwieg ihm auch – das ich ihn gekauft hatte.

'Na ja, viel war es ja nicht und Du hast ziemlich herumgeeiert', machte er sich dann über meine Ausführungen lustig.

'Aber einen wirklich süßen Boy hast Du Dir da geangelt.' Bei dieser Aussage musste ich ihn einfach eifersüchtig anfunkeln.

'Das spar Dir für ihn auf', grinste er mich an.

"Ich werd ihn schon vor den Klauen meines gierigen Bruders beschützen", warf ich mich theatralisch in Pose.

'Bevor wir uns hier duellieren müssen, möchte ich Dir nur noch sagen. Anakin, Du kannst auf mich zählen!'

"Das ist sogar dem Dickkopf nun klar geworden", grinste ich schief, aber sehr dankbar. Dafür fing ich mir noch eine Kopfnuss ein. Danach schwelgten wir beide in Erinnerung mit dem kleinen schwarzhaarigen Wirbelwind. Wobei meine verträumten Gedanken mehr körperbetont und Luke seine musikalischen Charakters waren. Ich fühlte mich unglaublich erleichtert, fast übermütig – ich hatte die wichtigste Person in meinem bisherigen Leben nicht verloren, nein, mein Bruder hielt zu mir.

So euphorisch folgte ich ihm dann zum Mittagessen, denn nur der Kaffee füllte meinen leeren Körperspeicher nicht auf. Die anderen beiden fanden wir schon da vor und sie hatten das Essen wohl schon hinter sich, denn Devin knabberte an einer Melone herum. Sehr munter sah er nicht gerade aus und blitzte mich herausfordernd an, als ich mich zu ihnen an den Tisch setzte.

Und ich…

…hauchte ihm einen Kuss zu…

Das Gesicht werde ich mein Leben nicht vergessen. Große herrliche Rehaugen sahen mich total entgeistert an und seine süßen Lippen standen halboffen. Mein Bruder neben mir kicherte lautlos vor sich hin und Bernd konnte sich auch ein Lächeln nicht verkneifen.

"Na, gut geschlafen, mein Kleiner?", setze ich dann mit erotischer Stimme noch einen drauf. Mechanisch klappte er seinen Mund zu und zu seiner Fassungslosigkeit kam eine Spur Trotz.

"Spiel nicht mit mir, Anakin!", flüsterte er leise.

"Wer hier wohl mit wem spielt?", stellte ich ruhig fest. Seinen Augen schauten für mich auf einmal sehr gehetzt und er warf die Melonenschale auf den Teller. Plötzlich stand er auf und dass so abrupt, das sein Stuhl nach hinten umkippte.

"Mich kann man nicht kaufen", zischte er ziemlich angepisst und seine Augen blitzen wütend. Ohne meine Antwort abzuwarten, stürzte er aus dem Saal. Ich war total erschüttert.

'Was war das jetzt gewesen?' Ich wollte eine neue Ebene unserer Freundschaft betreten und er bügelte mich so ab. Seit Tagen hatte ich nicht mehr daran gedacht, dass er ein Escort war. Natürlich war diese Botschaft immer unterschwellig in meinem Kopf, aber es war mir nicht wichtig.

'Was meinte er damit?' , fragte mich mein Bruder, denn er schien es ebenso wenig zu kapieren. Immer noch fassungslos sah ich ihn an und zuckte leicht mit den Schultern. Nur Bernd sah sehr nachdenklich aus.

"Bernd?", kam es dann auch von mir zögerlich.

"Ich hab da so eine Ahnung…", murmelte er vor sich hin und schwieg. Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Wenn er nicht sofort mit der Sprache herausrückte, hatte der Staat in den nächsten Sekunden einen Rentenzahler weniger!

Devin

Das konnte er doch nicht machen!?!

Mir war es verdammt schwer gefallen, heute Morgen aus seinem Bett zu verschwinden. Minutenlang stand ich nur neben ihm und habe ihn betrachtet. Er sah so unschuldig aus, wie er da nackt, nur halb mit einem Laken bedeckt, herumlag. Am liebsten wäre ich wieder zu ihm gekrochen und hätte ihn zum dritten Mal innerhalb weniger Stunden vernascht. Der Typ war mein persönliches Viagra. Nicht, dass ich das in meinem Alter schon nötig hatte, aber Anakin nur anschauen reichte oftmals schon. Und jetzt hier so nackt vor mir…

In den letzten Tagen war mir klar geworden, dass ich mehr wollte. Auch wenn er mich ständig reizte und ich ihm am liebsten die herrlichen Augen auskratzen wollte, genoss ich jede Berührung, jede kleine Aufmerksamkeit von ihm. Vorgestern hatte ich mich noch gezwungen, nicht bei ihm aufzutauchen – meine kleine Rache an ihm, die leider total in die Hosen ging. Ich warf mich die ganze Nacht ruhelos im Bett hin und her und stand sogar ein, zweimal an der Tür, um ihn doch aufzusuchen. Und dann war er den ganzen Tag bei seinen komischen Eltern. Ich verging fast vor Sehnsucht und wurde ungenießbar. Die ersten Anzeichen dafür, dass irgendwas passiert war, zeigten sich, als er sich seinen Verliererwunsch nicht entlocken ließ.

Und dann diese Nacht…

Angefangen hatte es wie immer zwischen uns, schnell, überdreht, hektisch, aber trotzdem sehr befriedigend. Und dann pennte er mir doch wirklich unter meinen Fingern weg. Innerhalb von Sekunden schlummerte er in meinen Armen und ließ sich durch den Typen, der immer noch sehr erregt halb auf ihm lag, überhaupt nicht stören. Ich fand keinen Schlaf. Viel lieber fummelte ich an den Boy hier im Bett herum. Sein Geruch machte mich schier verrückt und dieser Körper schrie regelrecht danach, verwöhnt zu werden. Und irgendwann mitten in der Nacht holte ich ihn aus seinem Schlaf…

…es wurde so anders…

Dieses Mal liebten wir uns richtig, dass war weit mehr als die pure sexuelle Lust.

Deshalb fiel es mir auch so schwer zu verschwinden. Aber hier bei ihm zu bleiben, bedeutete auch, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen und ob er dazu schon bereit war? Bernd empfing mich mit einem kleinen Lächeln. Seit drei Tagen war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte. Wir waren nur noch Freunde. Anakins Eifersucht war vollkommen unbegründet, denn Sex mit Bernd kam mir irgendwie wie ein Verrat an meinem Albtraum vor. Zumal mir Bernd gestern auch kräftig den Kopf gewaschen hatte und das zu Recht. Nach dem reichhaltigen Frühstück machte sich die verlorene Nacht bemerkbar. Nun ja, verloren war sie nun nicht gerade, aber auf keinen Fall erholsam für mich. Müdigkeit bemächtigte sich meiner und ich versuchte sie durch Zuführung von Vitaminen zu bekämpfen. Dann tauchte er mit seinem Bruder auf und ich blitzte ihn herausfordernd an, denn er sah natürlich ausgeschlafen aus! Und was machte der Kerl???

Er hauchte mir in aller Öffentlichkeit einen Kuss zu!

So sprachlos war ich wohl selten im Leben gewesen. Das lautlose Kichern von Luke zeigte mir, dass er Bescheid wusste. Als ich dann noch sein "Na, gut geschlafen, mein Kleiner?" hörte, schrillten bei mir sämtliche Alarmglocken. Er spielte mit mir! Das teilte ich ihm auch sofort mit. Und dann schlug die Bombe mit sehr großem Getöse bei mir ein…

…Luke wusste Bescheid…

…über ALLES! Wenn er dachte, dass wir nun wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen würden und er sich einfach sein Recht mit Geld nahm, dann hatte er sich sehr geirrt.

"Mich kann man nicht kaufen", fauchte ich ihn auch dementsprechend an. Die Fassungslosigkeit in seinen Augen passte jedoch nicht zu meiner Aussage, aber ich nahm gar nicht bewusst war, das hier gerade etwas verdammt schief lief.

Was gab ihm das Recht, mich vor seinem Bruder bloßzustellen? Ich mochte Luke sehr, denn unsere Auffassungen von Musik kamen einander sehr nahe. Auf Grund seiner Begeisterung für das Klavier lag sein Interesse mehr im klassischen Bereich, aber sein Wissen war sehr umfangreich. Und sein Spiel auf dem Flügel war fast genial zu nennen. Je mehr ich ihn kennen lernte, desto mehr schätzte ich ihn und konnte mich stundenlang mit ihm über Interpretationen von Stücken austauschen. Das er stumm war, störte mich nicht im Geringsten, da es ja nun schon der zweite Künstler in meinen Bekanntenkreis war, der mit diesen Handicap gezeichnet war. Eigentlich bewunderte ich ihn sogar, denn er brachte ohne Worte mit seinen Gesten und seiner Musik viel mehr Gefühl herüber als viele Dampfplauderer.

Und nun wusste er, dass ich käuflich war – mir war das so peinlich und ich hasste mich für meine Schwäche.

'Dann hättest Du Bernd und Anakin und somit auch Luke nie kennen gelernt!', mischte sich eine Stimme in meine Selbstgeißelung ein.

"Mir egal", zischte ich wütend. Außerdem traute ich der wundersamen Wandlung meines eiskalten Engels keinen Meter. Dafür war er all die Monate zu sehr darauf bedacht gewesen, dass ja nichts herauskam. So in Gedanken wanderte ich ziellos in der ganzen Anlage herum. Am liebsten würde ich ja hier weglaufen, aber wie sollte das bei so einer kleinen Insel gehen. Mein Instrument zu meiner Entspannung konnte ich auch nicht herauskramen, denn das würde unweigerlich wieder Luke auf den Plan rufen.

"Scheiße!", fluchte ich halblaut, denn ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. So saß ich eine ganze Weile alleine ganz weit draußen auf dem Hotelsteg und ließ meine Beine ins Wasser baumeln. Einerseits wusste ich genau was ich wollte – nämlich IHN. Anderseits, wie realistisch war dieses Wollen? Total erschrocken zuckte ich zusammen, als Jemand mir mein Saxophon vor die Nase hielt. Zögernd griff ich danach und schaute dann zu der Person hoch, die mir das Musikinstrument entgegenstreckte. Es war Luke. Verlegen schaute ich wieder weg und meine Finger krampften sich um das Saxophon.

'Spiel etwas, bei mir hilft das immer', konnte ich lesen. Unsicher stand ich auf. Natürlich wollte ich spielen, mich ganz meiner Musik hingeben und die ganze Sache einfach verdrängen. Aber das sollte allein geschehen und genau vor diesem Menschen, dem Bruder meiner persönlichen Apokalypse, versuchte ich zu entfliehen. Erwartungsvoll schaute er mich an und seine blauen Augen hatte sehr viel Ähnlichkeit mit gewissen eisgrauen Sternen. Diesen Ausdruck, die Erwartung auf mein Spiel hatte ich die letzten Tage bei Anakin immer wieder sehen können. Da mein Weglaufen nicht funktioniert hatte, konnte ich nun ebenso mein übliches Konfliktlösungsmittel ausprobieren. Ich schloss meine Augen und setzte das Saxophon an meine Lippen. Die Finger bewegten sich automatisch und ich spielte mein Lied…

…eigentlich war es mittlerweile unser Lied. Eigentlich wollte ich ja dem Irrsinn hier entfliehen, aber der Song stürzte mich tiefer hinein. In meinem Geiste tauchten seine großen eisgrauen Augen auf, die belustigt hinter seiner Brille glitzerten, seine vollen Lippen, die sich langsam aber unaufhaltsam meinen Mund näherten, seine schlanken aber so kräftigen Hände, die mir so unvergleichliche Freuden bescherten, sein wahnsinniger Oberkörper, sein knackiges Hinterteil…

…ich war ihm hemmungslos verfallen, willenlos, abartig geil, angepisst, verletzt, vor Sehnsucht wahnsinnig…

…hoffnungslos verliebt? All dass und noch einiges mehr legte ich in mein Spiel und brach nach einem irrwitzigen Höhepunkt einfach ab. Schwer atmend, ob von meinem Spiel oder meinen Gedanken, hätte ich nicht mit Gewissheit sagen können, fiel mein Blick auf Luke. Seine Augen leuchteten begeistert.

'Du liebst meinen Bruder sehr?'

Wums, und schon hatte mich die Wirklichkeit wieder. Errötend vor Scham schaute ich weg auf das Meer.

'Warum bist Du sauer auf Anakin?' , sah ich ihn in meinen Augenwinkeln mit den Fingern zeichnen.

"Weil…, weil…", stotterte ich leise vor mich hin und bekam keinen richtigen Satz heraus. Jedoch wandte ich mich ihm jetzt zu und sah einen sehr neugierigen Luke.

'Weil?'

"Du nun weißt, was ich bin?", hauchte ich tonlos und senkte meinen Blick auf den Steg.

"Weil er mich verraten hat", stieß ich zwischen meinen zusammengepressten Lippen hervor.

'Devin?' Vorsichtig wanderte meine Augen wieder nach oben.

'Mein Bruder hat mir gar nichts verraten!'

"Aber Du scheinst zu wissen, wie wir Beide zueinander stehen", rutschte mir verblüfft heraus.

'Der Nächste, der annimmt, dass ich neben Stummheit auch noch mit Blindheit geschlagen bin', fuchtelte er mit seinen Händen herum und verdrehte genervt seine Augen.

"Heee?", war mein sehr aussagekräftiger Kommentar dazu.

'Ich habe noch keinen Menschen gesehen, der meinem kleinen Bruder so zusetzt wie Du', grinste er mich dann spitzbübisch an.

"Der Typ macht mich einfach wahnsinnig", murmelte ich zustimmend und vergaß für einen Moment, dass wir über seinen Bruder sprachen.

'Das trifft wohl beidseitig zu.' Zweifelnd schaute ich ihn an. Wenn jemand über das Seelenleben von meinem Albtraum Bescheid wusste, dann wohl Luke.

'Ich habe noch keine zwei Menschen gesehen, die sich gegenseitig so polarisieren. Die sich gegenseitig einerseits nicht den kleinsten Triumph gönnen, anderseits aber auf die kleinste Zustimmung hoffen. Die sich bekämpfen bis aufs Messer und sich jedoch mit den Augen verschlingen. Ihr beide seit alleine schon unglaublich, aber als Paar…' , erklärte er mir und sah mich zum Schluss verträumt an. Innerhalb von ein paar Tagen war Luke nun schon der Zweite, der mein Verhältnis zu Anakin haarklein sezierte.

'Ich habe ziemlich früh geahnt, wie es um Euch Beide steht, aber erst heute morgen hat er mir gestanden, dass er schwul ist', schob Luke nun noch hinterher.

"Das muss ihm schwer gefallen sein", murmelte ich.

'Du kennst ihn ziemlich gut.'

"In manchen Sachen viel zu gut, in vielen ist er mir jedoch fremd", sagte ich mehr zu mir als zu ihm.

'Devin, der Kuss vorhin war zwar ziemlich kitschig, aber er war sehr ehrlich gemeint. Mein Bruder hat einen Entschluss gefasst und ist sich deren Auswirkungen nicht ganz klar, aber er will Dich!'

"Dann hat er es Dir nicht gesagt?", wisperte ich.

'Was?'

"Das, was zwischen uns steht", hauchte ich und verstand das erste Mal wirklich, dass meine Escorttätigkeit immer einen Schatten auf uns werfen würde. Luke schwieg und genau dieses Schweigen ließ mich meines brechen. Ich erzählte ihm schonungslos, was uns erst getrennt und dann wieder zusammen geführt hatte bevor ich mich mit Bernd hierher absetzte. Ich kam bei meinem Monolog nicht sehr gut weg, aber Anakins Rolle fiel noch viel schlechter aus. Demzufolge verdüsterte sich auch Lukes Gesichtsausdruck.

'Das ist ziemlich übel', fuchtelte er verärgert.

"Na ja, verkauft hab ich mich ja", nahm ich meinen ehemaligen Kunden in Schutz.

'Du hattest einen lebenswichtigen Grund dafür. Mein Bruder ist nur den einfachsten Weg gegangen und hat sich genommen, was er mit Geld bekommen konnte – so ein hirnrissiger Idiot', regte er sich weiter auf. Irgendwie waren gerade die Rollen vertauscht.

"Warum bist Du auf Deinen Bruder sauer, er hat doch nichts anderes gemacht, als das Angebot zu nutzen", äußerte ich und konnte nicht glauben, dass ich ihn in Schutz nahm.

'Das mag ja noch gehen, Devin. Aber er verhält sich wie ein Parasit. Das Geld hat er sich nicht selbst erarbeitet, es fällt ihn quasi auf Grund seiner familiären Abstammung in den Schoss. Er ist sich des Wertes nicht bewusst und hat seine Macht dadurch schamlos ausgespielt…' , brach er seine erregte Erklärung ab und seine Augen funkelten unheilvoll. Dieses Glitzern kam mir sehr bekannt vor.

'Und ich dachte, ich kannte meinen Bruder… Aber diese Sache rüttelt sehr an meinem Bild des zwar sehr dickköpfigen aber aufrichtigen Anakins…' , malten seine Finger und seine Gesten waren fahrig, seine Augen schauten jetzt sehr traurig. Diese Sache schien ihm ziemlich zuzusetzen und ich fühlte mich nicht wohl dabei.

"Eigentlich ist die Sache ganz einfach", fing ich verlegen an, denn trotz allen redeten wir über etwas, was mir peinlich war. Luke sah mich unsicher an.

"Dein Bruder stellt irgendwann fest, dass er mehr auf Männer steht. So wie ich es hier mitbekommen habe, ist Eure Familie nicht gerade der ideale Nährboden für ein spontanes Outing, wobei seine Verehrung für den großen Bruder wohl das größte Problem war…", fuhr ich fort und Luke lief doch wirklich leicht rosa wegen meines Komplimentes an.

"Aber er hat eine Möglichkeit, eine Facette des schwulen Lebens zu genießen - den Sex. Gekaufter Sex ist anonym!", schloss ich meine Erklärung ab. Mir war das eben erst selbst klar geworden. Deshalb war er bei meinen Bettexperimenten auch so ein williges Opfer gewesen, er wusste es wirklich nicht besser. Ich hatte ja schon geahnt, dass er unerfahren war, aber zu unbeleckt – na jedenfalls eine Jungfrau war er nicht mehr gewesen. Und auf Grund dieser Gedanken lief ich jetzt rosa, nein knallrot an.

'Und der scheint ziemlich gut gewesen zu sein', zog Luke die richtigen Schlussfolgerungen und grinste nun wieder frech. Und noch mehr Blut schoss in meinen Kopf.

'Du scheinst ihn wirklich sehr zu mögen, so, wie Du versuchst, ihn zu verteidigen', kam es dann wieder ernst von ihm.

"Ich weiß es nicht", murmelte ich.

'Lass uns etwas ausprobieren', forderte er mich auf. Unsicher und neugierig sah ich ihn an.

'Ich kenn diesen Dummkopf nun schon etwas länger als Du, aber ich würde gern wissen, wie ernst es ihm ist. Dieses Mal soll er um das kämpfen, was er will', formulierten seine Finger energisch und grimmig schaute er mich an.

"Und das heißt?", fragte ich vorsichtig und war mir nicht sicher, ob ich das hören wollte.

'Du verstehst es wie kein Anderer, ihn aus der Reserve zu locken. Reiz ihn weiter, knüpf einfach da an, wo Du gestern aufgehört hast. Zusätzlich mach ich ihm auch noch etwas Dampf und dann schauen wir mal.'

Ich schaute sehr skeptisch drein, denn ich kannte das Selbstbewusstsein meines Albtraumes. Natürlich "bekämpften" wir uns hier seit Tagen und brauchten das irgendwie auch. Aber das, was Luke da vorschlug, war eine ganz andere Qualität – es bestand die Gefahr, dass ich eine Grenze überschritt und wo das dann hinführte…

'Du hast Angst, ihn zu verlieren?' Das kam der Wahrheit sehr nahe. Aber wenn Anakin aus der geplanten Provokation unserseits nicht die richtigen Schlussfolgerungen zog, war er es dann überhaupt wert?

"Okay", gab ich meine Zustimmung und meine Stimme klang kräftiger als ich mich fühlte. Und die nächsten Stunden wurden für meinen eiskalten Engel ein Albtraum. Dabei empfing er mich mit einem schüchternen Lächeln als wir wieder zurückkamen. Eigentlich machten mich diese Augen hinter der schmalen Brille willenlos, zumal sie gerade unglaublich verträumt schauten. Aber nun lernte ich Luke von einer ganz anderen Seite kennen.

Er beherrschte seinen Bruder und er nutzte es. Ich brauchte gar nicht viel zumachen, ein paar Gesten, den einen oder anderen Blick und Anakin kochte. Das war für ihn ja nichts Neues, aber das Verhalten seines Bruders überforderte ihn total. Er schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Ziemlich niedergeschlagen saß er dann am frühen Abend im Pool und eigentlich hätte ich sehr zufrieden sein müssen.

Eigentlich…

Nein, ich fühlte mich nicht besonders. Das war nicht der Anakin, den ich begehrte. Das Lodern in seinen Augen war erloschen und den Blickkontakt zu mir suchte er schon eine ganze Weile nicht mehr. Und dann war er verschwunden. Meine Augen wanderten suchend umher, aber ich konnte ihn nicht ausfindig machen. Ich hatte so eine Ahnung, wo ich ihn finden konnte und es zog mich magisch dorthin. Luke erahnte wohl meine Absichten und hielt mich zurück. Traurig schüttelte er den Kopf.

'Jetzt entscheidet es sich', gab er mir zu verstehen, schien aber vom Erfolg unserer Sache nicht sehr überzeugt. Zum Musizieren hatten wir heute Beide keine Lust und überließen den Animateuren die Bühne. Am Pool wollte heute jedoch nicht so die richtige Stimmung aufkommen, weil die große Silvesterparty am Strand stattfand. Da ich mich ja nicht um meinen großen Herzensbrecher kümmern durfte, wollte ich auch zum Feuer am Strand hinüberschlendern. Da hörte ich sich jemand am Mikrofon räuspern. Ich kannte die Stimme und drehte mich blitzschnell herum. Dort saß Anakin auf der Klavierbank, über eine Gitarre gebeugt und seine halblangen Haare hingen ihm ins Gesicht.

Und wieder räusperte er sich. Ein paar Leute, die sich mit mir auf den Weg zum Strand gemacht hatten, verharrten und schauten neugierig zu der Halbinsel im Wasser.

"Der folgende Song ist nicht von mir, aber er…", hörte ich ihn heiser und stockend brach er ab.

"…ich habe die letzten Tage was kapiert und vielleicht…" Er schwieg endgültig und seine Finger streiften sanft die Saiten der Gitarre. Leise Töne erklangen und dann hörte ich seine etwas heisere Stimme…

Der Winter kommt.

Der erste Schnee der fällt

auf unser heißes Herz.

Das hab ich nicht bestellt.

Polare Zeiten nahen

das ist nicht meine Welt.

Auf dieser Autobahn

lass uns nicht weiter fahren.

Die letzte Ausfahrt hier

he komm die nehmen wir

Das ist die letzte Bahn,

das ist der letzte Drink

vor der Grenze da…

Seine Stimme war fester geworden, aber meine Knie waren elendig weich. Benommen setzte ich mich auf den erst besten Stuhl. Ich kannte das Lied und der Refrain erklang.

Was hat die Zeit mit uns gemacht?

Was ist denn bloß aus uns geworden?

Was hat die Zeit mit uns gemacht?

Ein eisiger Wind treibt uns nach Norden

in so ein Land wo weit und breit

nichts ist als Schweigen oder Streit.

Da will ich nicht hin, das macht mich kaputt

Der Himmel über uns, früher war der blau,

heut' stehen Fabriken da, sie produzieren grau

nur noch die Farbe grau.

Ich kann das nicht mehr seh'n

Mir wurde ganz anders. Er sang schon wieder nur für mich und dieses Mal war die Botschaft ebenso klar. Immer noch saß er mit gesenktem Kopf, aber seine Stimme hatte eine Kraft entwickelt. Um uns war es mucksmäuschenstill geworden, auch wenn immer mehr Leute zurück zum Pool strömten. Seine Stimme war einfach der Wahnsinn.

Eh, tu mir das nicht an

Ich krieg' ja so'n Hals.

Egal was ich auch sag' -

alles verstehst du falsch.

Dabei möchte ich so gern...

Wir sind doch beide vom selben Stern.

Was hat die Zeit mit uns gemacht?

Was ist denn bloß aus uns geworden?

Was hat die Zeit mit uns gemacht?

Ein eisiger Wind treibt uns nach Norden

in so ein Land wo weit und breit

nichts ist als Schweigen oder Streit.

Da will ich nicht hin, das macht mich kaputt.

Da will ich nicht hin.

Das macht mich kaputt.

Ich lieb dich immer noch.

(Udo Lindenberg - Was hat die Zeit mit uns gemacht * )

Bei den letzten Zeilen hatte er seinen Kopf gehoben und sein Blick ruhte auf mir. Er traf mich mitten ins Herz, so offen, so sehnsüchtig, so verletzlich…

Dann brandete der begeisterte Beifall auf und er schaute verlegen weg. Da saß ich nur ein paar Meter von ihm entfernt, war aber unfähig diese Entfernung zu überbrücken. Meine weichen Knie erlaubten es einfach nicht. Der Beifall schien ihn gar nicht zu erreichen, denn er stand mechanisch auf und wandte sich wieder zur Flucht.

"Wenn Du Dich nicht sofort zu ihm hinbewegst, dann prügel ich Dich hin", knurrte jemand hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und sah einen lächelnden Bernd vor mir stehen.

"Los geh zu ihm", sagte er sanft und gab mir einen kleinen Klaps. Das riss mich irgendwie aus meinen benommenen Zustand und ich stob ihm regelrecht hinterher. Anakin war mittlerweile wieder von der Bildfläche verschwunden. Bald sah ich ihn mit hängenden Schultern langsam in Richtung seines Apartments schlurfen.

"Stop", rief ich halblaut. Kurz verharrte sein Schritt, dann ging er jedoch weiter.

"Anakin?" Diesmal blieb er stehen, drehte sich aber nicht zu mir um.

"Warum haust Du ab?", fragte ich seinen Rücken.

"Weil meine Botschaft nicht ankam", flüsterte er leise und die Stimme zitterte unmerklich.

"Ani, Du bist so ein Idiot", grummelte ich und er fuhr zu mir herum. Seine Augen glitzerten gefährlich.

"Warum machst Du das mit mir?"

"Weil ich wissen wollte, ob Du nur Swing oder doch den ganzen Jazz willst", antwortete ich sehr ernst.

"Bis vor kurzen kannte ich nur einen Typen namens Swing, dann fiel ein verdammt anstrengender und selbstbewusster Kerl mit Namen Jazz wie ein Wirbelsturm über mich her und stellte mein Leben komplett auf den Kopf, aber…", wisperte er und brach ab.

"Aber?", fragte ich nervös und schaute ihn durchdringend an. Das Glitzern hinter den schmalen Brillengläsern wurde intensiver, aber schwieg weiter. Ich wurde hier fast verrückt.

"ABER??", fauchte ich nun schon wieder und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.

"Nervös Kleiner? Ich will nur diesen verdammt süßen, mich von Null auf Tausend in null Komma Nix bringenden, schwarzhaarigen, nervenden, sexsüchtigen und musikalisch hochbegabten Boy mit seinen fantastischen braunen Rehaugen namens Devin für mich und nur für mich haben", murmelte er und sah mich verdammt eifersüchtig an.

"Kannst Du das wirklich auch aushalten? Wir werden Beide nicht aus unser Haut können", gab ich meine innersten Zweifel preis.

"Wenn wir es nicht versuchen, wird immer die Ungewissheit bleiben, ob wir nicht das Beste im Leben versäumt haben", flüsterte er jetzt sehr sanft.

"Das, mein kleiner Ani, wird verdammt anstrengend", brubbelte ich und seine Augen flackerten trotzig kurz auf.

"Das musst Du erst beweisen, süßer Swing", knurrte er zurück und trat sehr dicht an mich heran.

"Du machst mich verrückt, Jazz", hauchte er heiser.

"Und das ist gut so", lächelte ich schelmisch und verschloss seinen Mund mit einem langen Kuss. Es wurde einer der längsten Küsse in meinen bisherigen Leben. Für mich gab es in diesem Moment nur ihn. Ich hatte keine Ahnung, wohin uns das Ganze treiben würde, aber ein Versuch war es mindestens wert.

Eine Stunde später saßen wir eng umschlungen am Feuer, mussten den einen oder anderen neugierigen Blick über uns ergehen lassen, aber das war uns egal. Wir schwebten eh in unserer eigenen Welt. Mein süßer Albtraum schien sehr zufrieden, zumal es vorhin zu einer "Versöhnung" mit seinem Bruder gekommen war. Luke hatte uns Beiden aufrichtig gratuliert und bei seiner Umarmung von meinereiner musste ich mir wirklich das Lachen sehr verkneifen, denn Anakin schaute ziemlich eifersüchtig auf Grund der Intensität unserer Umarmung. Er ahnte wohl auch langsam, dass Luke den Tag über ein Spiel mit ihm getrieben hatte, aber jeden Anderen würde mein selbstbewusster Freund in Fetzen reißen, seinen Bruder musterte er nur sehr nachdenklich. Das kleine verstohlene "Danke", das wohl nicht für meine Augen bestimmt war, bekam ich sehr wohl mit und Luke strahlte seinen Bruder zufrieden an. Im Übrigen bekam ich ALLES mit, was nur annähernd mit Anakin zu tun hatte. Ich saugte jeden noch so kleinen Schnipsel in mich auf. Dieses Gefühl, hier in seinen Armen zu liegen, eng an ihn geschmiegt, war einmalig. Der unmögliche Kerl hatte seine Hände unter mein T-Shirt geschoben und seine Finger zogen auf meiner Haut eine Spur von Gänsehaut hinter sich her. Oh man, wir saßen hier unter lauter Leuten und seine Hand glitt auf meinem Bauch immer tiefer.

"Lustmolch", flüsterte ich und er kicherte unterdrückt. Er hatte sein Gesicht in mein Haar vergraben.

"Lass uns verschwinden", murmelte er heiser und rieb sich sachte an mir. Ich schaute kurz auf meine Uhr, es waren nur noch ein paar Minuten im alten Jahr. Sachte löste ich mich aus seinen Armen und drehte mich um. So verliebt hatte ich seine Augen noch nie strahlen sehen und er schien wohl dasselbe in meinen zu sehen. Kurz entschlossen setzte ich mich einfach auf seine Oberschenkel und bemerkte amüsiert, wie sich seine Pupillen weiteten.

"Und was will der kleine Ani so ganz alleine mit dem schüchternden Jazz anstellen?", neckte ich ihn.

"Du und schüchtern?", grinste er frech und sah mich herausfordernd an.

"Schuft, das wirst Du büßen", knurrte ich und küsste ihn stürmisch. Um uns wurde es unruhig.

3

2

1

"Happy New Year", wurde kreuz und quer gerufen, aber für mich gab es nur diese eisgrauen Sterne vor mir.

"Auf unser gemeinsames erstes Jahr", hauchte ich ihm verliebt zu.

"Und das es ewig dauern soll", kam es genauso emotional zurück. Dann fielen die Anderen in Form von Bernd und Luke über uns her. Bernd verbiss sich ein anzügliches Grinsen, als wir Beide aufstanden und unsere Shorts gewisse Einsichten in unser Gefühlsleben gab. Zum Glück war es dunkel genug, um meine knallrote Birne etwas abzumildern. Es war jedoch nicht dunkel genug, um Anakins eifersüchtig aufflackern zu sehen, als Bernd mir einen flüchtigen Kuss gab. Fast stürmisch riss er mich in seine Arme und küsste mich fordernd. Bernd kicherte in meinem Rücken leise vor sich hin.

"Keine Bange, der Typ namens Swing ist seit Tagen nur noch eine Karteileiche", flüsterte ich ihm beruhigend ins Ohr. Und was machte der Kerl – er zog einen Flunsch. Seine Miene erhellte sich etwas, als er wohl eine Eingebung hatte.

"Dann gibts den Sex jetzt umsonst", flüsterte er mir doch nun seinerseits frech in mein Ohr. Empört funkelte ich ihn an.

"Umsonst bestimmt nicht, aber kostenlos", antwortete ich schnippisch. Sein Lächeln wurde breiter. Jetzt gab es für mich kein Halten mehr. Ich schnappte mir seine Hand.

"Wir trinken noch ein Gläschen Sekt auf der Terrasse", brubbelte ich zu den Anderen und die durchschauten meine Lüge mühelos. Mir war das gerade so was von schnuppe und zerrte meinen Schatz hinter mir her. Der kicherte leise vor sich hin – man, war der albern.

Als er sein Apartment geöffnete hatte, musste ich ihn doch wirklich durch die Tür schubsen. Er stand einfach da und schaute mich herausfordernd an.

"Und willst Du den Sekt gleich aus der Flasche trinken oder soll ich ein paar Gläser aus dem Schrank holen?", neckte er mich sanft. Egal wie er es auch anstellte, bei diesem Typen drehte ich einfach ab.

"Nix Alkohol, Du bist mir Droge genug", knurrte ich und schob ihn langsam aber sicher zum Bett. Plötzlich sah er mich verdammt schüchtern an. Durch die Brille sah das noch niedlicher aus.

"Devin…", druckste er herum, als ich an seiner Short zottelte.

"Moment, ich habe hier zu tun", grummelte ich. Sanft schlossen sich seine Finger um meine Hand und unterbanden weitere Aktivitäten. Verblüfft sah ich ihn an. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er jetzt keine Lust hatte – sein bestes Stück sagte ganz was anderes.

"Können wir das von gestern Nacht wiederholen?", flüsterte er und seine Wangen waren leicht gerötet. Ich wusste sofort, was er meinte.

"Kleiner Softie", hauchte ich, aber ich hatte es eh vorgehabt. Sanft zog ich ihn mit mir auf das Bett und befreite ihn endlich von all den lästigen Kleidungsstücken und was dann folgte war einfach…

Und in dieser Nacht ereilte mich das Schicksal – danach nahm sich der verlorene Schlaf der letzten Nacht sein Recht und ich schlummerte auf ihm liegend ein. Als er das merkte, lachte er etwas schadenfroh in sich hinein, aber seine Finger kümmerten sich weiter liebevoll um meinen schlafenden Körper. Wirklich richtig zum Schlafen kam ich nicht, denn er konnte nicht von mir lassen.

"Menno", grummelte ich, als ich wieder aus meinem Halbschlaf schrak.

"Ich liebe diesen Körper", flüsterte er leise.

"Nur den Körper", murrte ich.

"Das andere ist mir manchmal arg widerspenstig", grinste er und ich verpasste ihm als Dank einen Knutschfleck.

"He, was soll das und auch noch da", grummelte er.

"Auch ich liebe diesen Körper", konterte ich frech.

"Warum bist Du eigentlich so putzmunter?", maulte ich herum und legte mein müdes Haupt wieder auf seine Brust.

"Mir geht soviel im Kopf herum", hörte ich ihn leise.

"Positives oder Negatives?", murmelte ich und schmiegte mich noch enger an.

"Mit dem hier im Arm nur Lustvolles", hörte ich ihn schon wieder grinsen.

"Deeeeeemmm?", knurrte ich und wurde zusehend wacher. Als ich meinen Kopf hob, konnte ich gar nicht anders als diesen Traum zu küssen. Als wir uns lösten, glitt meine Zunge genießerisch über meine Lippen.

"Hmmm, lecker"

"Devin?"

"Ja?", antwortete ich sehr vorsichtig, denn seine Stimme ließ alle möglichen Alarmglocken erklingen.

"Mir ist da beim Durchdenken während Deines Schönheitsschlafes etwas eingefallen."

"So was habe ich gar nicht nötig", grummelte ich.

"Gut dann eben Erholungsschlaf nach dem bisschen Bettgymnastik", konnte er es einfach nicht lassen.

"Na warte Freundchen", brubbelte ich und verpasste ihm auf Grund der Symmetrie auf der anderen Seite des Halses den zweiten Knutschfleck.

"Menno", nölte er jetzt herum.

"Steht Dir", antwortete ich ihm schnippisch. Seine Augen glitzerten gefährlich.

"Soweit ich mich erinnern kann, habe ich doch noch einen Wunsch frei", ließ er die Katze aus dem Sack.

"Längst verjährt", kam prompt meine Antwort.

"Ne, ne, ne"

"Und was möchtest Du?", fragte ich nervös.

"Whirlpool", hauchte er verdammt lüstern. Sprachlos sah ich ihn an.

"Ne, Du hast nicht wirklich…?", stotterte ich nach ein paar Sekunden, in dem es mir siedendheiß den Rücken herunter lief, herum. Mein großer Betthase lief mehr als rosa an, aber in seinen Augen war hemmungslose Lust zu sehen.

"Du kleiner ekliger Spanner", zischte ich, aber so richtig böse war ich ihm nicht. Vielmehr erhöhte sich mein Herzschlag, wenn ich daran dachte, dass Anakin das mit anschauen musste. Er spürte meine körperlichen Reaktionen sofort und seine Augen leuchteten auf.

"Das treibe ich Dir aus, mein Lieber", fauchte ich weiter und war schon aus dem Bett.

"Moment", murmelte er und ich sah ihn verwundert an. Jetzt schaute er doch wirklich ziemlich verlegen aus der Wäsche, die er gar nicht an hatte.

"Jaaa?" Er stand auf und baute sich vor mir auf. Sanft nahm er mich in die Arme und knabberte an meinem Ohrläppchen.

"Ich würde Dich gerne mal…"

"Ich dachte schon, Du fragst nie", grinste ich ihn als Antwort frech an. Nun war er nicht mehr zu halten und stürmte los. Mich hinter sich herziehend rannten wir fast zum Pool. Zum Glück hatten wir unsere Idee um diese Uhrzeit wohl exklusiv…

Irgendwann am frühen Vormittag erwachte ich bei meinem Engel im Bett und dieses Mal verließ ich es nur, um die Toilette aufzusuchen. Als ich mich wieder zu ihm legte, grummelte er "Das will ich Dir auch geraten haben" und zog mich eng an sich. Ich dachte gar nicht daran, wieder die Flucht zu ergreifen und sank umgehend in den Schlaf.

Lautes Klopfen riss mich nur Sekunden später aus dem Schlaf. Mir kam es so vor, als hätte ich mich eben gerade wieder hingelegt, aber wir hatten schon frühen Nachmittag.

"Ani", hörte ich eine laute Frauenstimme und neben mir wurde es auf einmal hektisch. Dann flog die Apartmenttür auf.

"Ein gesundes neues Ja…", trompete die Stimme nun um einiges lauter. Mein Betthase hüpfte aus dem Bett und zog mir im Aufstehen noch das Laken bis zum Kopf hoch.

"Wieso bist Du nackt?", hörte ich dieselbe Frauenstimme vorwurfsvoll.

"Warum kommst Du unangemeldet in mein Zimmer", konterte Anakin sehr angepisst.

"Immerhin bin ich Deine Mutter", stellte sie klar.

"Sohnemann, ein gesundes neues Jahr", mischte sich nun eine tiefe Männerstimme ein.

"Danke Dad", kam es nun spürbar nervöser von meinem Schatz.

"Michaela, lass uns mal wieder gehen. Ich glaube, der Junge ist nicht alleine", stellte sein Vater lächelnd fest. Ich hielt die Luft an – was würde er machen.

"Du hast ein Mädel im Bett? Was ist mit Nadine?", keifte seine Mutter los.

"Falsch", hörte ich Anakin tonlos.

"Was heißt hier falsch? Wir erwischen Dich hier in flagranti mit irgendeiner Schlampe im Bett. Deine Episoden werden immer abenteuerlicher, Anakin", schrie sie ihn an.

"Nenn meinen Freund nicht Schlampe", fuhr er ihr in die Parade.

"Waaaaas?", kiekste sie.

"Devin?", hörte ich Anakin leise fragen. Na super, ich lag hier genauso nackt im Bett wie er, nur mit dem Unterschied, dass seine Mutter mich noch nie nackt gesehen hatte. Umständlich, das Laken um mich schlingend, stand ich auf und gesellte mich neben ihn. Die Augen seiner Mutter wurden so groß, das man Angst haben konnte, dass sie herausfallen würden. Irritieren tat mich sein Vater – der lächelte doch wirklich. Das nannte ich mal eine coole Reaktion auf das Outing seines Sohnes, denn was anderes kam ja nicht in Betracht, wenn die Schlampe im Bett zwar ein geiler Betthase aber eindeutig männlich war.

"Guten Tag", sagte ich höflich, denn ein wenig Anstand sollte auch nackt sein.

"Eeerrrrrr????", keuchte seine Mutter erstickt auf. Anakins Hand suchte die meine und seine Finger umschlangen sie. Ich spürte ein leichtes Zittern.

"Das ist Devin, mein einzige Liebe", sagte er leise, aber mit fester Stimme.

"Das kannst Du Dir aus dem Kopf schlagen. In 10 Minuten stehst Du mit gepackten Koffern unten am Strand. Du wirst uns in unser Hotel begleiten und morgen reisen wir endgültig ab. DAS da wirst Du nie wieder sehen, verstanden?", stellte sie laut und hysterisch fest.

"NEIN"

"Anakin, das ist keine Diskussion. 10 Minuten", schrie sie, warf mir einen angewiderten Blick zu und wollte davon rauschen. In der Tür hatte sich nur Luke aufgebaut und sah seine Mutter grimmig an. Dann trat er an ihr vorbei und warf mir einen aufmunternden Blick zu, seinem Bruder legte er die Hand auf die Schulter.

'Wir bleiben!' Es waren nur zwei Wörter, dargestellt durch ein paar kleine Gesten, aber für ihre Mutter war es wohl der Weltuntergang. Sie wurde kreidebleich.

"Solange er nicht zur Besinnung kommt, braucht er in meinem Haus nicht mehr aufzutauchen", murmelte sie tonlos und verschwand endgültig.

"Oh je wie prüde", seufzte sein Vater und sah uns neugierig an.

'Dad, was machen wir nun?' , fragte Luke seinen Vater ernst.

"Das, was Du gerade festgelegt hast. Ihr bleibt Beide hier und genießt noch die paar Tage. Euer Rückflug ist gebucht, Ihr seid volljährig, somit stellt das administrativ kein Problem dar", antwortete er und musterte dann seinen Jüngsten.

"Dein Draht zu Deiner Mutter war schon eine Weile nicht mehr vorhanden und Dein hübscher Freund hier war nur der sagenumwobene letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich werde mit Euer Mutter zurückfliegen und noch die eine oder andere Diskussion führen, aber das Tischtuch scheint erst einmal zerschnitten", fuhr er fort.

'Hatte er mich eben als hübsch bezeichnet?', ging mir so durch den Kopf.

"Bis Ihr nach Hause kommt, haben wir noch knapp eine Woche und ich habe da schon so eine Idee. Ich muss noch das Eine oder Andere durchdenken, aber vielleicht ist es die Lösung…", murmelte er vor sich hin.

'Dad, was für eine Lösung?' , wollte Luke dann auch wissen. Anakin war die ganze Zeit sehr ruhig und sagte kein Wort.

"Umschreiben wir es mal so, Luke, Dein Bruder wird flügge", lächelte er verschmitzt. Luke schien wohl so eine Ahnung zu haben, um was es ging und nickte zustimmend.

"Anakin?"

"Ja?"

"Glückwunsch, mein Sohn. Du scheinst endlich auf Deinen Weg zurückgefunden zu haben und hast Dir einen verdammt interessanten Partner gewählt. Enttäusche ihn nicht und kämpfe um Eure Liebe wie ein Jediritter", fing er sehr ernst an und schloss mit einem frechen Grinsen.

"Daaaaad", kam demzufolge auch entrüstet von Anakin.

"Die Macht ist stark in ihm", setzte er noch einen drauf und zwinkerte mir zu.

"Willkommen in unser verrückten Familie, Devin", hielt er mir dann wieder ernst seine Hand hin.

"Danke", murmelte ich und nahm sie erleichtert.

"So dann werde ich mal schauen, ob Eure Mutter noch mit dem Herrn des Hauses spricht", grollte er und wandte sich zur Tür.

"Dad?"

"Ja"

"Danke", flüsterte Anakin und überwand die zwei Schritte zu ihm schnell. Wortlos sahen sie sich an und dann nahm Thomas seinen Sohn fest in den Arm.

"Wir schaffen das", hörte ich ihn leise murmeln und zum Abschied fuhr er Anakin noch einmal durch das Haar.

'Ich lass Euch Beiden mal lieber wieder allein, damit Devin sich endlich etwas anziehen kann', teilte uns Luke mit und grinste sehr anzüglich. Und Sekunden später waren bloß noch wir Beide übrig.

"Anakin?"

"Hm", kam es in Gedanken von ihm.

"Es tut mir leid", murmelte ich traurig. Blitzschnell griff er nach mir und zog mich fest an sich heran.

"Sag so was nicht", knurrte er.

"Ich will Dich und geb Dich jetzt nicht wieder so einfach her", flüsterte er liebevoll, dabei streifte er sanft das Laken von meinem Körper…

***

Nun waren wir schon wieder knapp 6 Wochen zurück in dieser eisigen Kälte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte mir der Winter in Deutschland gestohlen bleiben können. Wir lagen hier auf meinem Bett und kuschelten ein wenig. Ich ließ meine Gedanken ein wenig zurückschweifen. Die letzten Wochen waren so abwechslungsreich und sehr schnell verflogen.

Das Verhältnis zu seiner Mutter hatte sich nicht gebessert und sie wollte ihn nicht mehr im Haus haben. Da sein Vater, vor allem aber sein Bruder bedingungslos zu meinem Schatz hielten, schien ihn das Verhalten seiner Mutter überhaupt nicht zu stören. Thomas hatte dann auch gegen den vehementen Widerstand seiner Frau seine Vorstellungen umgesetzt und als Folge bewohnte Anakin nun eine schnuckelige Drei-Zimmer-Wohnung in Mannheim. Mir gefiel die Wohnung, zumal sie nicht weit weg war, aber er war doch am liebsten bei mir. Zweimal hatte er mir nun schon in den letzten Wochen angeboten, zu ihm zu ziehen, aber irgendwie konnte ich mich bisher nicht durchringen…

…bisher…

Sein Abi wollte er in seiner Heimatstadt machen, so dass er jeden Tag einen strammen Schulweg hatte. Das selbstständige Leben schien ihm jedoch fantastisch zu bekommen, denn er überraschte mich fast jeden Tag mit irgendetwas Neuem – und wenn es nur das Abholen von Achim war.

Und unser Verhältnis?

Es war im ständigen Wandel. Es gab immer wieder Momente, wo wir aufeinander losgingen, uns reizten, stritten, den anderen herausforderten, landeten aber dann zu 99% im Bett und tobten unsere Aggressionen sehr intim aus. Seit meinem Whirlpool-déjà-vu mit Anakin in der Neujahrsnacht forderte er immer mal wieder den aktiven Part ein und ich genoss es. Das eine Prozent, was nicht im Bett endete, trieben uns unsere Freunde wieder aus, denn wir konnten Beide nicht mehr ohne den Anderen.

Tja, unsere Freunde war auch so ein Thema. Seine Freunde waren meine und meine wurden seine. Seine platonische Liebe Nadine hatte ihn nach Mannheim begleitet, weil sie auch ihre Liebe hier gefunden hatte. Ich verstand mich auf Anhieb mit ihr, denn sie war ein unerschöpflicher Quell über die Missetaten meines Freundes. Aber dann lernte sie Silke kennen und schwups hatten wir Beide zwei Aufpasserinnen. Tanzte nur einer von uns Beiden aus der Reihe , hatte er zwei Furien am Hals. Wir waren in ihren Augen das TRAUMPAAR und hatten das gefälligst auch zu bleiben.

Und Bernd? Für mich war das in Gedanken der größte Stolperstein gewesen, aber die Beiden haben sich zusammen gerauft. Natürlich konnte Bernd das Flirten nicht lassen und Anakin war sofort auf Hundert, aber ihr gemeinsamer Nenner war meine Musik. Bernd war ein Förderer geworden und mein Freund mein Zuchtmeister. Manchmal war er schlimmer als Achim, zwar liebevoller aber sehr viel kritischer. Für mich hat sich Bernd als der Lottogewinn in meinem Leben herausgestellt. Ich hatte einen Nebenjob bei ihm, der mit Musik zu tun hatte und Auftritte organisierte er auch für mich. Außerdem sah es so aus, als ob mein Schatz bei ihm in seiner Firma einsteigen könnte und da kam mir dann doch der eine oder andere eifersüchtige Gedanke, denn mein Freund sah nun mal hammermäßig aus und Bernd stand auf Kerle…

Vor knapp drei Wochen hatte ich meinen Süßen doch wirklich überreden können, mit mir zu einer Gaydisco zu kommen. Ich nutzte die Gelegenheit und habe ihn als meinen Freund bei Claudio vorgestellt. Dem lief der Sabber an dem Abend wohl eimerweise aus den Mundwinkeln. Und als er dann mit Anakin offen flirtete, lief der doch wirklich rosa an und schaute sehr verlegen aus seiner Wäsche. Das war für mich quasi die Einladung, ihn auf der Stelle zu vernaschen - ich liebte diesen Kerl einfach. Als Claudio aber ziemlich offen wohl auf einen flotten Dreier spekulierte, wies ich ihn sehr scharf zurecht. Bisher hatte ich die Bemerkungen von Bernd und Luke nicht so ernst genommen, aber ich merkte, dass ich in Sachen Eifersucht meinem süßen Albtraum in nichts nachstand - Anakin gehörte nur mir und keinem anderen.

Tja und mein Escortprofil hat Anakin höchstpersönlich gelöscht…

Draußen war es schon dunkel und Anakin sollte eigentlich nach Hause, weil morgen wieder Schulalltag anstand. Anderseits würde ich mich hüten, ihn zu vertreiben. Diese Stunden liebte ich mittlerweile am meisten. Natürlich war der Sex mit ihm immer noch abartig geil, aber diese Momente, wo wir nur miteinander kuschelten, waren der Himmel auf Erden. Anakin hatte sich als wahrer Schmusekater entpuppt und schnurrte gerade leise vor sich hin, weil ich liebevoll seinen Nacken kraulte.

"Ani??", hauchte ich leise.

"Grrr"

"Hilfst Du mir am Wochenende?"

"Du kannst das, Devin. Aber wir können gerne noch einmal alles durchgehen", murmelte er schläfrig. Anakin war trotz seiner faulen Ader ein sehr guter Lehrer und erklärte mir mit Leichtigkeit Aufgaben, die ich nicht verstanden hatte. Durch ihn hatten sich meine Ergebnisse an der Abendschule sehr verbessert.

"Nein, ich meinte beim Packen?", fragte ich ganz, ganz leise. Erschrocken riss er seine Augen auf und sah mich alarmiert an.

"Packen?", kam es dann auch sehr nervös von ihm. Ich ließ meinen Zeigefinger über seine Stirn, Nase, Lippen und Hals wandern und versank verträumt in seine Augen.

"Na irgendwie müssen wir ja meinen Kram in Deine Wohnung bekommen", flüsterte ich heiser. Als er den Sinn meiner Worte begriff, fingen seine Augen an zu strahlen.

"Du willst es wirklich probieren", wisperte er glücklich.

"Nur wenn Du ab und an mal für mich singst", neckte ich ihn. Er zog so ein süßen Flunsch, dass mir nur eins übrigblieb. Sanft legte ich meine Lippen auf seine und wir versanken in einen liebevollen Kuss…

…Ende…

…das vielmehr wie ein Anfang ausschaut…

* Juli – November
Komponist und Textdichter: Eva Briegel, Jonas Pfetzing, Simon Triebel
Originalverleger: EMI Music Publishing Germany GmbH CO Kg
Udo Lindenberg - Was hat die Zeit mit uns gemacht
Komponist: Simon Triebel
Textdichter: Udo Lindenberg, Simon Triebel, Arezu Weitholz
Originalverleger: EMI Music Publishing Germany GmbH CO Kg
Originalverleger: Regenmacher Musikverlag GmbH

Lesemodus deaktivieren (?)