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Christmas Hustle

Teil 1 - Heiligabend, später nachmittag

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

17:04 Uhr, Heiligabend

Bobby drückte seinen Rücken durch und lief ein paar Schritte die Straße hinauf, drehte sich um und ging denselben Weg wieder zurück. Es war siebzehn Uhr und nichts war los. Obwohl es nicht besonders kalt wurde in Los Angeles, selbst um diese Jahreszeit nicht, verbarg er seine Hände in den Taschen seiner dünnen ausgefransten Jeans, die er immer trug, wenn er Geld verdienen ging.

Mit undurchdringlicher Miene lehnte er sich an die Hauswand, an der er immer lehnte, während er wartete. Sein iPod dudelte das aktuelle Album seiner Lieblingssängerin, das er eigentlich längst nicht mehr hören konnte. Aber er hatte weder neue mp3s, noch einen Computer, an dem er sie hätte austauschen können, sondern musste froh sein, wenn er bei irgendeinem Freier das Ladegerät benutzen konnte.

Immer noch ohne eine Miene zu verziehen nahm Bobby die Position ein, die alle Jungs einnahmen, die sich auffällig unauffällig zu allen Tages- und Nachtzeiten in dieser Gegend von Los Angeles am Straßenrand herumdrückten: Die Schultern gegen die Mauer irgendeines Hauses oder eine Laterne gelehnt, ein Bein angewinkelt, mit dem Fuß an der Mauer, die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen auf die Straße gerichtet. Mit zusammengekniffenen Augen, die seine Anspannung demjenigen verraten hätten, der in sie hineingeschaut hätte, beobachtete er die Straße, versuchte abzuschätzen, welches der Autos so langsam fuhr, weil es zu irgendeinem weihnachtlichen Verwandtenbesuch wollte und welches hier war, um Besuch der besonderen Art zu organisieren.

Ein Chrysler 300 in hässlichem weinrot fuhr die Straße jetzt bereits zum dritten Mal hinunter. Mit jedem Mal wurde der Wagen langsamer. Bobby wusste, dass das ein Zeichen dafür war, dass es sich um einen Kunden handelte. Leider konnte er im Dämmerlicht der untergehenden Dezembersonne nicht erkennen, wer in dem Auto saß. Das Auto war ihm völlig unbekannt, obwohl er jeden Tag hier an der Ecke stand, vor allem jetzt im Winter.

17:10 Uhr, Heiligabend

Der Wagen hatte angehalten, kaum dass sich so etwas wie eine Parklücke ungefähr auf der Höhe aufgetan hatte, auf der Bobby stand. Niemand stieg aus.

Heute war es ein Jahr her, seit er aus seinem Heimatkaff in Wyoming hier angekommen war. Ein verdammtes Jahr ohne Familie, Freunde oder irgendwen in dieser gottverdammten Stadt, den er hätte um Rat fragen können. Mit Macht schob Bob diesen Gedanken bei Seite und konzentrierte sich auf den Wagen.

Nach kurzem Zögern beschloss er, die Straße entlang zu schlendern und zu schauen, was er von dort aus würde erkennen können.

17:15 Uhr, Heiligabend

Der rote Chrysler hatte sich nicht bewegt, aber an dem leuchtenden Glimmen einer Zigarette konnte Bobby zudem erkennen, dass sich offenkundig jemand in dem Fahrzeug befand.

“Also gut, game on”, sagte er sich.

Er ging langsam aber zielstrebig in Richtung des Autos und stellte sich wieder in Pose, unter eine der Straßenlaternen, während er das Auto und seinen Insassen fixierte.

Tatsächlich stieg, nach einem kurzen Moment, in dem wieder nur das Glimmen einer Zigarette im Wageninneren zu sehen war, jemand aus. Ein Mann von etwa Mitte vierzig mit dunkeln Haaren, bekleidet mit einem grauen Anzug.

“Kann ich dich irgendwo hin mitnehmen?”, fragte der Mann, als er Bobbys Standort erreicht hatte.

“Weiß nicht”, erwiderte der und sah dem Fremden ins Gesicht. “Aber ich hätt gern ne Zigarette.”

Wortlos und offensichtlich nicht überrascht reichte der Unbekannte ihm ein silbernes Etui, in dem sich Zigaretten befanden. Bobby nahm eine und reichte dem Typen das Etui zurück.

“Feuer?”

“Feuer!”

Eine Weile rauchten sie schweigend und trotz des immer geringer werdenden Tageslichts konnte Bobby fühlen, wie die Blicke des Fremden seinen Körper taxierten, ihn taxierten. Bobby seinerseits nahm sich nun erstmals die Zeit, sich seinen künftigen Klienten genauer zu betrachten. Er war ungefähr einen Meter neunzig groß, von sportlicher Statur und mit einem kantigen Gesicht. Seine eng zusammenstehenden, blauen Augen umfing ein Ausdruck von Willensstärke und Einsamkeit.

“Wieviel?”, fragte der Unbekannte unvermittelt.

“Ficken und blasen sechzig, ohne Gummi das Doppelte”, entgegnete Bobby, der die Frage erwartet hatte und dem die Antwort mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen war. Sein Arsch war fünfzig Dollar wert. Mindestens.

Ein feines Lächeln umspielte die Mundwinkel des Fremden.

Mit sonorer Stimme sagte er: “Fünfzig.”

Bobby entnahm dieser Äußerung, dass der Typ ein Gummi benutzen wollte. Um sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, nickte er nur.

“Na dann, lass uns gehen”, der Fremde machte eine einladende Geste zu seinem Auto.

Bobby nickt erneut nur und folgte dem Fremden.

17:30 Uhr, Heiligabend

Die Luft im Wagen war wärmer, als die Luft draußen, was umgehend dazu führte, dass Bobby sich entspannte und in die ohnehin schon teuflisch weichen Sitze einsank.

Der Fahrer, der sich ihm als Daniel vorgestellt hatte, betrachtete den Jungen im Sitz neben ihm lächelnd und fragte:

“Wie alt bist du eigentlich, Bob?”

“Einundzwanzig”, sagte der Angesprochene automatisch, obwohl ihm völlig klar war, dass niemand, der einigermaßen bei Verstand war, ihm diese Lüge abnehmen würde. Er war achtzehneinhalb und sah keine Sekunde älter aus.

“Mmmm-Hmmm”, nickte Daniel, während er auf den Freeway einbog und Gas gab. Bobby kam nicht umhin sich zu fragen, ob der Fremde ihm diese Lüge nun abgekauft hatte, oder ob er sich einfach seinen Teil dachte. Bob hatte viele Männer gesehen in diesem letzten Jahr, seit er angefangen hatte, zu “hustlen”, wie er es nannte - und dieser hier machte nicht den Eindruck, als könne man ihm viel vormachen. Andererseits - warum sollte es den Typen großartig kümmern. Juristisch war er ab jetzt auf der sicheren Seite.

Während das Gespräch im situationsüblichen Schweigen sanft entschlief, verglich er seinen Freier mit all den Typen, die er bislang am North Orange Drive kennengelernt hatte. Meist ältere oder dicke Typen, die in der unüberschaubaren Vielfalt der Schwulenszene von Los Angeles keinen Kerl abschleppen konnten. Ab und an auch mal Familienväter - die waren, wenn man Bobby fragte, die unangenehmsten Kunden, weil sie darauf bestanden, in ihren Autos zu vögeln.

“Du stehst aber nicht auf irgendwas Spezielles, oder so?”, fragte Bob, weil es ihm in den Sinn gekommen war - und er gerade an einem Bekannten gesehen hatte, wie unangenehm es werden konnte, wenn man sich nicht genügend rückversicherte.

Der lachte wieder. “Fällt dir ja früh ein, das zu fragen.” Und nach einer Pause fügte er fast vergnügt hinzu: “Nein, keine Sorge.”

Wieder Schweigen, während sie durch die abendlichen Vororte davonfuhren.

18:20 Uhr, Heiligabend

Sein Haus sah beruhigend aus. Groß, aber nicht zu groß, als dass es für eine Person protzig ausgesehen hätte. Er wohnte hier tatsächlich alleine, das hatte Bobby schnell festgestellt, eigentlich direkt nachdem Daniel den Wagen in die Garage gefahren hatte: Es war eine Single-Garage, mit Platz für nur ein Auto. Hätte Daniel hier mit jemandem zusammengewohnt, egal, ob Mann oder Frau, hier hätte mehr Platz sein müssen. Das Haus selbst war sehr wohnlich, aber mindestens ebenso gewöhnlich. Mittelschicht.

Daniel leitete ihn ins Wohnzimmer.

“Was darf's sein? Coke? Wasser?”, fragte er freundlich und wies mit einer ausladenden Handbewegung auf einen Sessel, der in einer Zimmerecke stand. “Setz dich.”

Bobby tat wie ihm angetragen und nahm Platz.

“Was darf's denn nun zu trinken sein?”, wiederholte Daniel seine Frage.

“Hast du nen Kaffee?”, fragte Bob.

Dan nickte und verschwand in der Küche.

Auch das war neu für Bobby. Wenige Freier hatten sich bislang die Mühe gemacht, ihm etwas zu trinken anzubieten. Und noch wenigere Freier wären auf die Idee gekommen, ihn in ihrer Wohnung vollkommen unbeobachtet zurückzulassen.

Stimmte hier irgendetwas nicht?

Bevor er näher darüber hätte nachdenken können, war Daniel mit einer Tasse dampfenden Kaffees zurückgekehrt.

“Hier”, sagte er, reichte die Tasse an Bobby weiter. “Wenn du Milch möchtest …”

“Nein, schwarz ist in Ordnung.” Bobby trank den heißen Kaffee und spürte, wie Daniel ihn dabei beobachtete.

“Is was?”

Daniel lachte. Schon wieder. Dieses Lachen würde ihn wahnsinnig machen, weil er nicht verstand, was dieser Kerl von ihm wollte. Naja. Fünfzig Dollar und ein Kaffee waren nicht zu verachten und so wie der Kerl drauf war, war ja vielleicht sogar noch etwas zu essen drin.

18:45 Uhr, Heiligabend

Mit einem ‘Kloink’ stellte Bob die Tasse zurück auf den Untersetzer und beides zusammen auf den gläsernen Couchtisch, der vor seinem Sessel stand. Eigentlich gab es keinen Grund mehr, nicht endlich mit dem anzufangen, für das sie hergekommen waren.

Er sah Daniel an und lächelte. Dieser verstand anscheinend, was er damit sagen wollte, stand auf und lächelte noch breiter.

“Dann wollen wir mal. Das Schlafzimmer ist oben. Aber, versteh mich nicht falsch, ich fänds gut, wenn du zuerst noch duschen gehen würdest.”

Bobby nickte. Er war nicht beleidigt. Viele Freier wollten das von ihm - und weil die Dusche in seiner Bude eher unregelmäßig funktionierte, war er immer ganz dankbar. Er folgte Daniel also die Treppe hinauf und ging duschen.

19:00 Uhr, Heiligabend

Als er aus dem Bad trat und dem Licht, das aus der nur angewinkelten Tür gegenüber kam, folgte, fand er Daniel nackt auf dem Bett liegend vor. Bobby konnte sich nicht helfen, er fand seinen Freier vergleichsweise attraktiv, wie er da so lag. Sportlicher Körper, halbwegs muskulöse Brust, leicht behaart.

Wissend, was von ihm verlangt wurde, warf Bobby seine Kleider bei Seite und legte sich neben Daniel, den Kopf ungefähr auf Höhe seiner Brust. Den Blick niemals von seinem Klienten abgewandt, tastete er mit der Hand nach dessen Schwanz und begann langsam, ihn zu massieren. Ein sanftes Stöhnen verriet ihm, dass er alles richtig machte. Ohne langes Zögern beugte Bob sich vor, und berührte mit ausgestreckter Zunge die Schwanzspitze. Daniel hob sein Becken, so dass sich sein halb steifer Penis weiter in Bobbys Mund schob. Dieser verstand auch diese Aufforderung richtig und begann, zu blasen.

“Wow”, stöhnte Daniel nach einer Weile und schob Bobbys Kopf zur Seite. “Da weiß aber jemand, was er tut.”

Bobby musste sich enorm beherrschen, um nicht allzu zynisch auf diese eindeutig als Kompliment gedachte Äußerung zu reagieren, schluckte seine Bemerkung also hinunter und antwortete nur: “Danke.”

Statt noch etwas zu sagen hob Daniel mit zwei Fingern Bobbys Kinn, schob seinen Kopf an ihn heran und küsste ihn auf die Lippen. Erst langsam, zögernd, schließlich fordernder, so dass Bobby, wollte er nicht zum ersten Mal einen Kundenwunsch zurückweisen, gar nicht anders konnte, als seine Lippen zu öffnen und schließlich das Zungenspiel sogar zu erwidern.

Nach einer Weile zog Daniel ihn vor seine Brust und umarmte ihn von hinten.

“Du bist so schön”, wisperte er in Bobbys Ohr, während seine Hände ihn erforschten und wenige Stellen an seinem Körper ausließen. Was normalerweise ein Grund gewesen wäre, alle Empfindungen möglichst weit weg zu schieben, erreichte Bobby dieses Mal. So sehr er es auch versuchte, dieses Mal spürte er, was sein Freier tat - und er konnte sich nicht helfen, sich einzugestehen, dass er es mochte.

“Du kannst die ganze Nacht hierbleiben, wenn du willst”, flüsterte Daniel ihm ins Ohr, bevor er damit begann, seinen Hals zu küssen.

Und ohne über den Preis zu verhandeln, nein, ohne irgendetwas zu sagen, nickte Bobby.

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