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Sometimes it is better to know nothing

Kapitel 2 - Oder die Frage: Wie kommen wir hier raus?

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„Nouri?“

Ich höre ein leises Grummeln und das Geraschel der Bettdecke.

„Nouri, schläfst du schon?“

„Ich bin wach“, flüstert mein Bruder leise und rückt ein Stück näher an mich heran. Wir teilen uns eine große Matratze in einem Nebenraum der Speisekammer. Es ist feucht, richtig kalt und stockfinster. Ich kneife die Augen zusammen, in der Hoffnung, die Silhouette meines Bruders zu erkennen, doch ich sehe kaum die eigene Hand vor Augen.

Tastend suchen meine Finger den Boden neben mir ab und dann finde ich endlich, was ich erhoffte. Meine Hose, mit dem Feuerzeug in der Tasche. Wenige Sekunden später entzünde ich die kleine Kerze, die an unserem Kopfende steht, und warmes Licht erhellt den kahlen Raum.

Nouri liegt auf der Seite, den Kopf in die rechte Hand gestützt und sieht mich an.

„Wir müssen hier weg“, stelle ich fest und ich weiß, dass mein Bruder mir beipflichtet, auch wenn er nicht antwortet.

Eine Weile erfüllt bedrückendes Schweigen die kalte Nacht.

„Wie stellst du dir das vor? Wir haben kaum Geld und kein Auto. Hier fährt kein Bus, kein Zug. Der nächste Flughafen ist Teheran, das sind 1600 Kilometer, oder Khasab, was mit einem Auto auch über 3000 Kilometer weit weg ist. Wenn wir vielleicht ein Boot bekommen würden, dann könnten wir direkt über den Persischen Golf in die Vereinigten Arabischen Emirate. Nur was willst du denen denn da sagen? Wir fliehen, weil unsere Eltern uns verheiraten wollen? Oder wir wollen Urlaub machen?“

„Wir sind deutsche Staatsbürger Nouri. Was wollen die denn mit uns machen? Einsperren? Wofür denn? Und ganz ehrlich: Lieber lande ich da im Gefängnis, was ich stark bezweifle, dass es so kommen wird, als hier zu bleiben. Du weißt selbst, wie das hier ausgehen könnte. Vergiss das nicht: Wir sind im Iran.“

Nouri seufzt leise, rückt noch ein Stück dichter und ich spüre seine Hand auf meiner Wange.

„Wir sollten versuchen zu schlafen und morgen lassen wir uns etwas einfallen, ja? Wir könnten auch erst einmal versuchen, mit den Eltern zu reden.“

„Ich bezweifle, dass das etwas bringt, aber lass uns morgen überlegen, wie wir hier rauskommen.“

Die Arme meines Bruders umfassen meinen Körper, ziehen mich eng an seine muskulöse Brust und seine weichen Lippen berühren meine. Ich zucke zurück. So ganz habe ich ihm seinen One-Night-Stand mit Jordi noch nicht verziehen und war für solche Zärtlichkeit nicht empfänglich, doch Nouri bleibt unbeirrt. Sanft streicheln seine Fingerspitzen über meine Haut und ich seufze auf.

„Weißt du noch, damals … als wir aus dem Iran flohen und nach Deutschland kamen?“, flüstert er leise.

„Ja, natürlich. Das hat sich in meinen Erinnerungen festgebrannt. Damals war es irgendwie so wie unsere Ankunft gestern. Staubige Straßen, im Nebel versteckte Berge, dann diese Trockenheit und der Staub. Und es war so unendlich heiß. Und ich hab wirklich gedacht, wir fahren in den Urlaub, so wie Vater uns das gesagt hat.“

„Ja, dachte ich auch, aber wir waren ja auch noch klein.“

Ich kichere leise. „Mir war sehr kalt, als wir dann ankamen.“

„Es lag Schnee, erinnerst du dich? Und ich dachte, es wäre Zuckerwatte.“

„Du warst auch schon früher ein Depp“, grinse ich leicht, und spielerisch kneift Nouri mir in den Arm.

Sofort schlingen sich seine Arme jedoch wieder um mich und seine Lippen suchen meine. Diesmal wehre ich ihn ab.

„Nouri nicht. Nicht heute und schon gar nicht hier. Bitte.“

Mein Bruder streichelt beruhigend meinen Rücken.

„Du hast die Zuckerwatte übrigens auch gekostet“, sagt er dann leise und ich lache auf.

Es stimmte.

Es ist dunkel draußen, als der Wagen stoppt und ich sehe benommen nach draußen. So etwas hatte ich noch nie gesehen. So viel Licht. Aufgeregt wecke ich Nouri und Fadi und blicke mich weiter um. Wir stehen vor einem großen Gebäude auf der Straße. Auf einer richtigen Straße. Nicht staubig und holperig wie zu Hause, sondern ganz schwarz und glatt, mit einem leuchtenden weißen Streifen in der Mitte und an einigen Stellen war es weiß und glitzerte. Am liebsten möchte ich aussteigen und über den Belag streicheln , ob er sich wirklich so schön anfühlt, wie er aussieht, aber Fadis schwerer Körper lehnt sich gegen meinen und ich bin eingeklemmt.

„Wir sind da“, sagt meine Mutter und dreht sich zu uns um. „Hier werden wir ein wenig bleiben.“

„Was bedeutet ein wenig, Mama?“

„Euer Vater wird hier arbeiten und es wird uns viel besser gehen als zu Hause. Wir haben mehr zu essen und ihr beiden könnt in eine Schule gehen. Jetzt seid ihr ja alt genug. Und Fadi kann auch wieder zur Schule.“

Ich kuschle mich an meinen Zwillingsbruder. „Hast du gehört, wir können hier in die Schule.“

Nouri antwortet nicht, sondern guckt starr nach draußen.

„Darf ich aussteigen, Mama?“, fragt er und Sekunden später nach dem Nicken meiner Mutter, fliegt auch schon die Tür auf und Nouri fällt mitten in die weiße Zuckerwatte.

„Kian, schau! Zuckerwatte! Aber warum ist das so kalt? Komm her, wir probieren sie mal!“

Ich krabble aus dem Auto und friere sofort erbärmlich. Zu Hause wird es nachts auch immer kalt, aber hier ist es eisig. Ich nehme eine Handvoll der süßen Watte.

„Warum schmilzt die denn, Nouri?“

Mein Bruder zuckt nur mit den Schultern, nimmt eine Handvoll der weißen Köstlichkeit und stopft sie sich in den Mund.

Ich fang an zu lachen, denn das Gesicht verzieht sich im selben Augenblick. Er hustet und spuckt alles wieder aus.

„Das schmeckt ja eklig!“

Ich überlege, ob ich ihm das glauben soll, vielleicht will er ja mich nur davon abhalten, auch mal zu probieren, damit er alles alleine essen konnte? Ich nehme noch einmal ein bisschen in die Hand.

Es schmeckte wirklich überhaupt nicht!

Fadis polternde Stimme erschreckt uns.

„Was macht ihr denn da?“

„Fadi, das ist Zuckerwatte, aber die schmeckt gar nicht.“

Unser großer Bruder hält sich den Bauch vor Lachen.

„Ihr seid wirklich dumm. Das ist Schnee. Wisst ihr denn gar nichts? Bei uns ist es zu warm, aber hier wird es im Winter so kalt, dass der Regen im Himmel gefriert und Flocken anstatt Regentropfen fallen, dann schneit es. Ihr seid Kindergartenkinder, aber selbst so was müsst ihr doch schon wissen.“

Nouri fängt an zu weinen und ich bin wütend auf Fadi. Wie sollen wir so etwas auch wissen? Wir hatten es ja noch nie gesehen.

„Fadi ist echt ein Idiot“, sage ich leise und meine Fingerspitzen gleiten über Nouris Arm. Ich betrachte die feinen dunklen Haare, die sich unter meinem Streichen aufstellen. Mein Bruder antwortet nicht und als sein gleichmäßiger Atem den Raum erfüllt, weiß ich, dass er eingeschlafen ist. An Schlaf ist bei mir jedoch nicht im Geringsten zu denken. Es ist lange her, dass ich Nouri so im Arm hielt oder mit ihm ein Bett teilte. Noch vor ein paar Wochen war das schöne Regelmäßigkeit, doch sein One-Night-Stand mit Jordi veränderte viel. Ich bin verliebt in Nouris besten Freund und hatte gehofft, dass er mir wieder das Vertrauen in die Liebe zurückgibt, doch meine Hoffnungen sollten sich wohl nicht erfüllen. Ich ziehe Nouri ein Stück dichter an mich heran, bette meinen Kopf auf seinem Arm und schließe die Augen. Hoffe, dass der Schlaf mich bald übermannt.

Es ist bereits früh am Morgen unerträglich heiß. Schwitzend strample ich mir die dünne Decke vom Körper. Nouri ist bereits aufgestanden und ich nutze die kurze Zeit des Alleinseins, um mich ausgiebig zu strecken und mit der Hand über meinen flachen Bauch zu streicheln.

„Netter Anblick“, höre ich ein leises Raunen, und ich rolle mit den Augen.

„Nouri, hör auf damit, ja?“

„Warum eigentlich? Ich meine …“, mein Bruder lässt sich neben mir aufs Bett fallen und streichelt meine Brust, „… wir haben das doch schon öfter getan.“

„Nouri, das hier ist nicht Berlin, nicht unsere Wohnungen. Und was noch wichtiger ist: Das hier ist nicht normal. Klar, war es toll, aber …“

„Hör auf zu reden, Kian. Ich hab dich lieb.“

Mit diesen Worten steht er auf und verlässt den Raum, lässt mich seufzend und meine Schläfen reibend zurück.

Bedächtig falte ich etwas später den kleinen Zettel auseinander, den ich ständig mit mir herumtrage, streiche die Falten im Papier glatt. Die Handschrift ist fein und sauber, und meine Augen versuchen das Farsi zu entziffern. Als es mir gelingt, lächle ich leicht. Es ist der Zettel, den Yasouf mir zugesteckt hat, bevor er in der Dunkelheit des Irans verschwand. Er will mich auf dem Basar in unserem Dorf treffen und sofort kehren Erinnerungen aus der Kindheit zurück. Geschäftiges Getümmel, Stände mit Gewürzen, Stoffen, Blumen …

Schon als kleiner Junge liebte ich den Basar und das hat sich bis heute nicht geändert.

Gähnend betrete ich die Küche des Hauses und finde Fadi vor, der auf einem der kleinen, runden Polster sitzt und einen Kaffee trinkt.

„Ausgeschlafen?“, fragt er und sieht mich durchdringend an.

Ich hasse ihn.

„Sicher. Ich meine, es war ein bisschen eng, aber ist schon okay, dass du als einziger ein Doppelbett zur Verfügung hast.“ Meine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus und auch Fadi entgeht das nicht.

„Hast du ein Problem damit?“, fragt er ärgerlich und baut sich vor mir auf.

Ich weiche instinktiv einen Schritt zurück. Die Situation war mir allzu bekannt und ängstlich reagiere ich sofort defensiv.

„Hör auf, Fadi. Ich lass dich in Ruhe und du mich auch, okay? Du weißt, ich mag das nicht so besonders.“

„Nur weil dich dieser dämliche Türke verprügelt hat? Wahrscheinlich warst du sogar selber dran schuld. Du bist echt wie eine Tussi! Hör auf zu flennen, jedes Mal, wenn man dich mal schärfer angeht. Du solltest dich mal langsam wehren, wenn dir jemand dämlich kommt.“

„Und bei dir fang ich dann gleich an, oder wie?“ Ich kann mir die Antwort nicht verkneifen, auch wenn sie eine unangenehme Gänsehaut verursacht.

Fadi funkelt mich nur grimmig an und ich verzichte darauf, ihm die Wahrheit über den „dämlichen Türken“ zu erzählen.

In Griffweite liegt eine dieser köstlichen, gefüllten Datteln, ich schnappe mir eine davon und schlendere leise summend aus dem Haus. Sollte Fadi doch weiterhin ein hirnloser Idiot sein, ich mache mich lieber auf den Weg zum nahegelegenen Markt.

Es ist wie damals. Es riecht nach Safran, Zimt und Kurkuma, nach Thymian und Schnittlauch. Dazwischen duftet es nach Nougat und süßen Pfannkuchen und an einem Stand finde ich, was ich gesucht habe: Paschmak, echte iranische Zuckerwatte. Ich grinse. Wenn es hier schon keinen Schnee gab, dann muss ich mich wohl dieser weißen Köstlichkeit widmen. Ich kaufe mir ein Stäbchen mit der weißen Watte und muss dann erschrocken feststellen, dass ich nur Euro in der Tasche habe; Geld, das hier zwar anerkannt wird, aber womit die Menschen wenig anfangen können, denn etwas anderes können sie sich für die Euro auch nicht kaufen.

„Ich übernehme das“, höre ich im feinsten Farsi, und überraschend taucht Yasoufs Gesicht neben mir auf.

Ich sehe ihn dankbar an und quetsche mir ein: „man dafeye baad pulescho midam“ heraus.

Yasouf lacht.

„Ja, du kannst gerne beim nächsten Mal bezahlen.“

Ich betrachte ihn.

Er ist immer noch wahnsinnig hübsch. Was für ein bescheuerter Gedanke. Warum auch sollte er sich in der Nacht auch zum Negativen verändert haben? Seine braunen Augen strahlen Wärme aus und sein Gesicht ist so glatt und fein, dass es fast wie Porzellan aussieht. Meine Finger zucken, weil sie am liebsten darüber streicheln wollen, doch hier auf dem Markt ist das wohl keine gute Idee.

„Schön, dass du gekommen bist, Kian.“

„Bei so einer netten Einladung konnte ich nicht wirklich widerstehen, außerdem ist der Basar eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen.“

„Dann komm mit“, lacht er, zeigt dabei seine ebenmäßigen weißen Zähne.

Yasouf führt mich entlang der Stände, vorbei an edlen Stoffen und Teppichen. Wir naschen Weintrauben und probieren Käse, genießen die unbarmherzige Sonne auf unseren nackten Schultern. Yasouf trägt, genauso wie ich, nur ein weißes Achselshirt und eine Bermudashort und ich bewundere seinen definierten Oberkörper. Er war nicht sonderlich muskulös, aber dennoch irgendwie fast perfekt.

Kleine, böse, stichelnde Erinnerungen schleichen sich vor mein geistiges Auge, lassen mich an den Türken denken, bevor ich sie mit aller Kraft zurück in den hintersten Winkel meines Kopfes dränge.

Mein Begleiter dreht plötzlich seinen Kopf zu mir, grinst mich verlegen an.

„Du solltest mich nicht so anstarren, Kian. Zumindest nicht hier. Lass uns doch ans Meer fahren, ich kenne da einen schönen Flecken.“

Ich nicke nur. Der Gedanke, mit diesem schönen Mann ans Meer zu fahren, erregt mich.

Kühlender Fahrtwind zerrt an meinem Shirt. Eine wild wechselnde Landschaft fliegt an uns vorbei. Wir fahren entlang der Küste und auf der einen Seite wechseln sich kleine Dörfer, riesige Felsen, hohe Berge ab. Zwischendurch kann ich Dornenbüsche und kleine gelbe Blumen erkennen, deren Duft so stark ist, dass sogar wir ihn riechen können.

Auf der anderen Seite sehe ich bereits das Meer. Die Sonne spiegelt sich auf der rauen Wasseroberfläche, lässt sie mal blau, mal grün erscheinen. Weiße Gischt wird an den Strand gespült und ich kann schon fast den feinen Sand unter meinen Füßen spüren.

Ein paar Minuten später stoppt Yasouf sein Motorrad und schweigend wandern wir den schmalen Weg zwischen den Steinen hinab zum Strand. Er hat eine kleine Bucht ausgesucht, die uneinsehbar ist.

„Bist du gut nach Hause gekommen?“, frage ich und ärgere mich sofort über diese selten dämliche Frage, doch Yasouf lacht nur und nickt.

„Offensichtlich.“

Stumm sehen wir uns an, bis seine Hand sich in meinen Nacken legt und kurz den weichen Flaum an meinem Haaransatz streichelt. Seufzend lasse ich mich in den weichen Sand fallen und Yasouf folgt mir eine Sekunde später. Er betrachtet den wolkenlosen Himmel, plötzlich verändern sich seine Züge und er dreht sich auf die Seite, sieht mich unverwandt an.

„Erzähl mir, wie es ist.“

„Wie was ist?“

„Dein Leben, Kian.“

Ich schlucke hart. Was soll ich da großartig erzählen? Es war ein ganz normales Leben, mit Höhen und mehr Tiefen.

„Was genau willst du denn wissen?“

„Was machst du in Deutschland? Arbeitest du? Wo wohnst du?“

„Ich studiere Wirtschaftsingenieur und wohne mit meinem Zwillingsbruder zusammen in zwei zusammenhängenden Wohnungen.“

Yasouf schweigt einen Moment.

„Ihr steht euch sehr nah, oder?“

„Hm?“

„Du und dein Zwillingsbruder.“

„Woher … weißt du das?“

Yasouf lacht schon wieder.

„Warum so nervös? Ich hab es im Auto gesehen. Du schienst sauer zu sein, doch er hat trotzdem deine Nähe gesucht.“

Ich nicke nur langsam. Hat er nach der kurzen Zeit auch was anderes bemerkt?

„Eine eigene Wohnung“, seufzt er dann, „ das wäre toll. Ich wohne noch bei den Eltern, aber sobald ich etwas Geld gespart habe und eine liebe Frau gefunden habe, werde ich ausziehen und mir ein schönes Häuschen bauen.“

„Eine Frau?“

„Natürlich, was denn sonst?“

„Ich dachte, du … liebst Männer?“

„Bisher fand ich Männer schön, aber ich glaube, ich war noch nie richtig verliebt. Ich weiß ja auch gar nicht, wie das ist, mit einem Mann. Aber was soll ich denn machen, Kian? Mit einem Mann zusammenziehen? Weißt du, was hier los ist? Entweder sie sperren mich ein oder ...“

Beruhigend streichle ich über Yasoufs Arm, als sich kleine glitzernde Tränen in seinem Augenwinkel sammeln. Ich bin traurig, denn ich wünsche mir, dass er nicht hier wohnen muss, sondern so sein kann, wie er will.

„Es geht schon“, sagt er dann.

„Hast du denn eine Frau?“

Zum ersten Mal seit langem lache ich herzhaft.

„Nein! Ich werde niemals eine Frau heiraten. In Deutschland wird schon lange akzeptiert, was hier verfolgt wird, Yassi.“

Der süße Perser lächelt mich offen an.

„Dann wirst du einen hübschen Mann heiraten.“

Ich zucke nur mit den Schultern. So richtig glaube ich nicht daran, doch Yassis lebenslustige Art steckt an und macht mir es unmöglich, ihm zu widerstehen.

„Möchtest du wissen, wie es ist? Mit einem Mann?“, frage ich.

Als Antwort hebt Yasouf die Hand, legt sie auf meine Wange und streichelt mit dem Daumen darüber.

„Du bist echt schön“, sagt er schon fast ehrfürchtig.

„Du bist auch schön.“

Verlegen senkt er den Blick und ich hebe mit meinem Zeigefinger sein Kinn, zwinge ihn dazu, mir in die Augen zu sehen.

Langsam nähert sich sein Gesicht meinem und unsere Nasenspitzen treffen aufeinander. Yassi kichert leise. Und plötzlich spüre ich seine Lippen auf meinen. Sie sind weich und wie schon gestern, schmecken sie süß.

Nach Früchten.

Yasouf ist zurückhaltend und nach einigen Sekunden zupfe ich leicht an seiner Unterlippe und bitte um Einlass. Er zögert einen Moment und dann lässt er mich hinein. Vorsichtig erkundet meine Zunge seinen Mund und ich höre den Iraner leise aufstöhnen. Auch seine Zunge geht nun auf Wanderschaft.

Nach ein paar Minuten lösen wir uns aus Atemnot voneinander und grinsen uns an.

„Du siehst dämlich aus, wenn du so grinst“, lacht Yassi, legt sich auf den Rücken und blickt wieder in den Himmel. Nervös rücke ich unauffällig meine Erektion zurecht. Verdammt, der Kerl hatte es mir wirklich angetan.

„Es war toll. Darf ich noch einmal?“

Ich ziehe Yassi am Arm etwas dichter an mich heran, beuge mich dann über ihn und streiche durch sein zartes Gesicht.

Wieder küssen wir uns lang, zärtlich und ausgiebig. Seine Hand verfängt sich in meinem Haar und meine Nackenhaare stellen sich unter dem leichten Krabbeln rasch auf. Meine eigene Hand lege ich auf Yassis Brust. So recht traue ich mich noch nicht, sie wandern zu lassen, seinen traumhaften Oberkörper zu erkunden.

Als wir den Kuss lösen, haucht er mir ein: „Bitte streichle mich, Kian“ entgegen und ich komme seiner Bitte nur allzu gern nach.

Meine Fingerspitzen gleiten wieder über sein Gesicht, seinen Hals, hinab zur Brust. Ich kraule ihn eine Weile, betrachte ihn, wie er genießerisch die Augen schließt.

Vorsichtig schiebe ich das Shirt nach oben, berühre die zarte Haut, die feine Haarlinie die von seinem Bauchnabel hinab in den Bund der Shorts verschwindet.

Ich beuge mich wieder hinab, küsse ihn zärtlich.

„Zieh dein Shirt aus“, bitte ich Yassi und etwas verlegen kommt er meiner Bitte nach. Um die unangenehmen Gedanken zu entfernen, tue ich es ihm gleich und bald schon berührt meine Haut seine. Das Gefühl lässt uns kurz aufkeuchen. Es fühlt sich fantastisch an.

Yassis Finger krallen sich in meinen Rücken, als meine Lippen zärtlich seine Schultern küssen.

Yasouf riecht fantastisch.

Nach Vanille.

Und er schmeckt auch so. Süß und unwiderstehlich.

„Darf ich Yassi? Darf ich dich ausziehen und dich küssen?“

Zögerlich nickt er und ich erkunde seinen fantastischen Körper.

Yassi stöhnt auf.

„Was machst du nur?“

„Wenn ich aufhören soll, sag bitte“, flüstere ich und streichle beruhigend seine Oberschenkel.

Yassi windet sich unter mir und ich gebe mir die größte Mühe, den Kleinen nach allen bekannten Regeln der Kunst zu verwöhnen.

Erschöpft liegen wir nebeneinander.

„Ich mag dich.“

Yassis Kopf liegt auf meiner Brust und ich spüre seinen warmen Atem auf meiner kühlen Haut. Es dämmert bereits, doch keiner von uns will sich aufraffen und den engen Kontakt verlieren. Gedankenverloren streiche ich durch sein schwarzes, feines Haar und beobachte die vorüberziehenden Wolken am Himmel.

„Wir sollten zurückfahren, Aziz“, flüstert er leise.

„Hmm, mag nicht.“

Yassi hebt seinen Kopf, damit er mir in die Augen sehen kann und küsst meine Nasenspitze.

„Darf ich dich auch anfassen?“

Ich lächle und nicke nur, spüre kurz darauf seine Fingerspitzen, die Halbmonde auf meine Haut malen und kleine Stromstöße verursachen.

„Ich mag deine helle Haut.“

Ich keuche auf, als Yassi seine Zunge über meinen Hals gleiten lässt und sich am Schlüsselbein festsaugt. Diese Stelle macht mich schier wahnsinnig vor Lust und auch er kichert leise, als er meine steinharte Erektion an seinem Oberschenkel spürt.

„Du bist schon wieder geil!“

Seine Hände streicheln meinen Bauch und die Seiten, kitzeln mich ein wenig, gleiten dann tiefer und berühren den Bund der Hose. Er zögert kurz und ich begegne seinem fragenden Blick.

Sanft verschränke ich seine Finger mit meinen.

„Du musst nichts tun, was du nicht willst, Yassi. Lass dir Zeit.“

„Aber ich will dir auch was Gutes tun!“

„Das kannst du immer noch, Hübscher.“

Dankbar lächelt Yasouf, befreit sich aus der Umarmung und springt auf.

„Na komm, du Faultier. Es wird kalt und ist schon spät. Ich möchte nicht, dass deine Familie sich Sorgen um dich macht.

Er beugt sich wieder hinunter, küsst mich zärtlich auf die Lippen.

„Es war wunderschön. Ich würde dich gerne morgen wiedersehen.“

Ich seufze.

„Ich werde nicht mehr lange da sein, Yassi.“

Sein verständnisloser Blick trifft mich.

„Ihr seid doch gestern erst gekommen?“

„Ja … es … ist kompliziert. Holst du mich morgen ab? Dann erkläre ich dir alles.“ Ich überlege kurz. „Vielleicht kannst du uns auch helfen.“

Es ist mittlerweile schon richtig dunkel, als Yasouf das Motorrad vor dem Haus meiner Großeltern zum Stehen bringt. Langsam löse ich meine Hände von seinen Hüften, hauche ihm einen kleinen Kuss in den Nacken, was ihn kurz erschaudern lässt.

„Danke für den tollen Tag“, sage ich und steige vom Beifahrersitz.

„Danke dir auch und bis morgen, Kian.“

Suchend blicke ich mich um, kann niemanden sehen, umfasse Yassis Gesicht mit beiden Händen und gebe ihm einen tiefen Zungenkuss.

Mit großen Augen schaut er mich an, lacht dann.

„Wow.“

„Gute Nacht, Yassi.“

Der Perser verabschiedet sich leise und verschwindet, das Motorrad unter ihm laut knatternd, in die nun schwarze Wüste.

Ich drehe mich Richtung Haus und erkenne Nouris Silhouette im schwachen Licht der Laterne auf dem Fenstersims.

Ich weiche seinem Blick aus, kann ihn aber förmlich spüren.

Am liebsten würde er mich wohl verprügeln, oder Yassi. Ich weiß es nicht so genau.

„Wo kommst du jetzt her?“, fragt er dann auch gleich und kann mit Mühe die Wut in seiner Stimme unterdrücken. Mir entgeht sie jedoch nicht und seine Aggression ist wie ein Schlag in die Magengrube.

Ich schweige ihn an.

„Kian, sag mir sofort, wo du warst!“

„Unterwegs“, antworte ich, versuche ruhig zu bleiben, auch wenn es innerlich bereits brodelt.

„Aha. Und mit diesem Polizisten, ja?“

„Sein Name ist Yasouf.“

„Mir egal, wie der heißt. Bisschen gefährlich den ganzen Tag mit jemandem unterwegs zu sein, den du kaum kennst, oder? Ich meine, du weißt gar nicht, wie der so ist. Vielleicht ist er so wie Tarkan und ver…“

„Halts Maul!“, unterbreche ich ihn wütend.

„Yassi ist nicht gefährlich und schon gar nicht wie Tarkan! Ich hatte einen wunderschönen Tag mit ihm auf dem Basar und am Strand.“

„Und habt ihr gefickt?“

Für einen kurzen Moment bin ich sprachlos.

„Wie kommst du darauf?“

„Weil ich dich kenne, Kian. Du lässt doch nichts anbrennen.“

Mit meiner Ruhe ist es vorbei und ich gehe einen Schritt auf Nouri zu, anscheinend wirke ich bedrohlich, denn mein Bruder weicht vor mir zurück.

„Nichts anbrennen lassen? Du hast mit Jordi geschlafen, obwohl du wusstest, dass ich in ihn verliebt bin. Ich hatte bisher nur zwei Beziehungen.“

„Und du hattest jede Menge One-Night-Stands, Kian.“

Ich lache. „Auch nicht mehr als du. Und selbst wenn es so wäre. Ich bin 22 Jahre alt und es geht dich einen Scheiß an. Du bist nicht mein Aufpasser und schon gar nicht mein Freund. Und falls du es wissen willst: Nein, wir haben nicht gefickt, ich hab ihm seinen Schwanz geblasen und es war großartig. Mein Gott, Nouri, du tust ja gerade so, als wärst du eifersüchtig!“

Nouri schweigt und plötzlich begreife ich.

„Du bist eifersüchtig!“

„So ein Blödsinn“, entgegnet er trotzig.

„Nouri … bitte. Das ist nicht normal. Ich liebe dich, aber eben wie einen Bruder. Klar war der Sex mit dir schön und ich genieße auch die Umarmungen und das Kuscheln und vielleicht auch, wenn du mich küsst, aber das muss aufhören. Wir sind Brüder! Das ist nicht normal … Das muss aufhören, Nouri.“

„Du tust so, als wäre ich in dich verliebt.“

„Bist du es?“

Nouri sagt nichts und ich seufze.

Silberne Tränen laufen die Wange meines Bruders hinab. Ich streiche sie mit meinen Fingern fort.

„Liebe mich, Nouri, aber wie einen Bruder.“

Müde lasse ich mich mit Nouri zusammen auf die ungemütliche Doppelmatratze fallen. Ich gähne herzhaft, sehe fragend zu meinem Bruder, der noch einmal aufspringt, aus dem Zimmer geht und mit zwei Tassen heißem Apfeltee zurückkommt. Vorsichtig bugsiert er das kleine Tablett, stellt es auf dem einzigen, wackeligen Stuhl ab und schließt leise die Tür.

„Hier, für dich.“

Dankbar nehme ich die Tasse.

Nouri setzt sich mir gegenüber, starrt mich geradezu an.

„Ist dir an Fadi eigentlich auch was aufgefallen?“, fragt er dann.

„Hm?“

„Er hat uns die ganze Zeit beobachtet. Und dann die Aktion mit Farima. Ich meine, er hat ihr offensichtlich wehgetan, als er sie am Arm packte und dann zu mir zerrte, nur um dann zu sagen, ich soll sie endlich mal kennenlernen? Irgendwas stimmt da nicht.“

„Er schien ziemlich wütend, fast schon angewidert zu sein?“

Nouri nickt.

Leises Rascheln vor der Tür lässt uns beide aufhorchen.

„Hast du abgeschlossen?“, frage ich meinen Bruder.

„Ja. Am besten du löschst auch das Licht, Kian. Und wir sollten flüstern.“

Ich befeuchte meinen Daumen und Zeigefinger mit der Zunge und drücke die Kerze aus. Dunkelheit umgibt uns.

„Darf ich …?“, fragt Nouri und ich streiche als Antwort kurz über seine Schulter.

Er rückt näher und wie schon die Nacht zuvor, kuscheln wir uns aneinander.

„Ich glaube, Fadi weiß etwas, oder zumindest vermutet er etwas. Er benimmt sich bei mir schon seit Monaten so und seit heute Abend ist er echt noch ätzender geworden. Und ich dachte immer, das geht schon gar nicht mehr. Er macht mir Angst, Nouri. Wir müssen hier weg. Ich will es nicht drauf ankommen lassen, dass Fadi mal die Hand ausrutscht. Er ist ein Tier. Nicht nur, was seinen Körper angeht, auch wenn da mehr Fett als Muskeln ist. Er ist auch ein Tier im Kopf, denn viel Hirn zum normalen Denken ist nicht vorhanden. Ich hab das schon einmal durch, Nouri … wir müssen hier weg, bitte.“

„Wie willst du das anstellen?“, flüstert Nouri.

Vorsichtig lehne ich mich über ihn, höre, wie mein Bruder meinen Duft einatmet und leise keucht. Genau hinter ihm liegt mein Rucksack und mit spitzen Fingern fische ich das Handy aus der Tasche.

Schnell tippe ich eine Nachricht und drücke auf absenden. Der Empfang ist furchtbar schlecht, aber nach schier endlosen Minuten wird dann die SMS doch noch versandt.

„An wen hast du geschrieben?“

„Yassi. Er wird uns helfen.“

„Was macht dich da so sicher?“

„Vertrau mir einfach. Und nun versuch zu schlafen, ja? Ein paar Stunden haben wir und dann brechen wir auf.

„Was? Dann schon? Aber wir wollten doch erst mit den Eltern reden.“

„Über was willst du reden, Nouri? Fadi ist total aggressiv und ich will nicht darauf warten, bis er irgendwas tut. Vater ist herrisch und setzt uns ständig unter Druck. Und Mutter … interessiert sich nur für die Ehre der Familie. Mich kotzt das alles so an. Ich will ein freies Leben. Ich dachte, ich hätte es in Berlin, aber selbst jetzt noch werden wir zu etwas gezwungen. Willst du dich dem wirklich hingeben?“

Nouri seufzt, lehnt sich gegen mich.

„Weck mich, wenn es an der Zeit ist.“

Ich schlafe nicht eine einzige Sekunde, schaue immer wieder auf das Display im Handy, um nach der Uhrzeit zu sehen. Doch die Stunden vergehen endlos langsam. Vorsichtig befreie ich mich aus der Umarmung meines Bruders, küsse ihn kurz auf die Stirn. Sein Mund verzieht sich zu einem sanften Lächeln. Leise stehe ich auf, zünde die kleine Kerze im Raum wieder an und schaue durch den dunklen Vorhang aus dem Fenster. Der tiefstehende Mond erhellt die Straße und kein Licht in den umstehenden Häusern ist zu sehen. Ich bin nervös und kann nicht einfach so rumliegen oder sitzen, und so nehme ich mir unsere kleinen Taschen und Rücksäcke, verstaue alle unsere Sachen. Unser Rasier- und Duschzeug ist noch im Bad und fluchend öffne ich die Zimmertür, taste mir im Dunklen einen Weg zur Toilette. Wenn mich jetzt jemand erwischte, konnte ich immerhin noch sagen, dass ich mal dringend musste. Das Haus jedoch ist ganz still, nur das Schnarchen meines Vaters dringt durch die Räume.

Ich packe auch hier unsere Habseligkeiten in einen kleinen Beutel und schleiche mich zurück ins Zimmer.

Vier Stunden sind vergangen, als das Display meines Handys aufleuchtet und eine SMS ankündigt. Eilig lese ich.

„Nouri …“, ich rüttle an der Schulter meines Bruders.

„Was ist?“, grummelt dieser schlaftrunken.

„Steh auf. Yassi ist in 15 Minuten hier. Ich hab schon alles gepackt. Er holt uns hier ab, sein Motorrad lässt er am Ende der Straße stehen, damit das Geräusch niemanden weckt.“

Nouri scheint etwas überrumpelt zu sein.

„Du hast schon alles gepackt? Aber …“

„Wir waren uns einig, oder? Du hast Zeit noch einen Brief zu schreiben, wenn du willst.“

„Schreibst du keinen?“

„Nein. Wenn du ihnen eine Nachricht hinterlässt, reicht das auch für mich. Sie werden wohl wissen, dass wir beide zusammen weg sind.“

Nouri nickt, kramt Papier und einen Stift hervor und kritzelt schnell ein paar Zeilen.

Dann sind die 15 Minuten auch schon rum und wir nehmen unsere Sachen, gehen auf Zehenspitzen aus dem Zimmer, über den kleinen Flur, aus der Haustür.

Vor dem Haus wartet bereits Yassi, den ich in eine innige Umarmung ziehe und der mich sanft auf die Wange küsst.

„Yassi, das ist Nouri, mein Zwillingsbruder.“

„Hi, Nouri. Ich hab schon viel von dir gehört.“

„Ach ja? Ich von dir nicht.“

Wütend ramme ich meinem Bruder einen Ellenbogen in die Rippen. Konnte er nicht mal freundlich sein? Immerhin riskierte Yassi auch jede Menge für uns.

Dieser nickt jedoch nur und zeigt ein entwaffnendes Lächeln.

„Kommt, das Motorrad steht am Ende des Weges.“

Wir heben die Sachen vom Boden auf, gehen einige Schritte, als eine Stimme uns erstarren lässt.

„Na, wo soll es denn hingehen?“

Nouri nimmt all seinen Mut zusammen, ich spüre es ganz deutlich, und dreht sich langsam um. Fadi, die Hände in die Seiten gestemmt, steht vor uns und sein Blick spricht Bände. Wut und Hass, Abneigung und so etwas Ähnliches wie Verzweiflung ist zu erkennen.

„Wir wollen was unternehmen, Fadi“, stottert Nouri und innerlich haue ich ihm mit der Hand vor den Kopf. Das war ja wohl die dämlichste Ausrede seit langem.

„Und das soll ich euch glauben?“, fragt Fadi dann skeptisch, starrt auch Yasouf lange an.

„Nein, sollst du nicht“, melde ich mich zu Wort und trete einen Schritt hervor. Aus dem Augenwinkel erkenne ich Yassi, der sich neben mich stellt, so als ob er mich beschützen wolle.

„Unsere Eltern wollen uns verheiraten und unter keinen Umständen werden wir das zulassen. Da wir wissen, dass, wenn wir bleiben, es aber so kommen wird, verschwinden wir. Und auch du wirst uns nicht aufhalten können.“

Fadi grinst hämisch, packt plötzlich meinen Arm und dreht ihn mir schmerzhaft auf den Rücken. Nouri und Yassi können im ersten Moment nicht reagieren, sehen nur entsetzt zu.

„Lass mich los, Fadi“, zische ich böse.

„Oder was? Willst du dich etwa wehren? Das schaffst du doch eh nicht! Lässt dich von ´nem Türken vermöbeln und seitdem bist du doch nur ein ängstliches, kleines Häschen! Ich wusste, dass hier irgendwas vorgeht. Und soll ich euch was sagen? Ihr seid widerlich! Nicht nur, dass ihr anscheinend Schwanzlutscher seid, ihr liegt auch noch zusammen in einem Bett und treibt es miteinander!“

Ich schließe die Augen und seufze. Ausgerechnet das sollte Yasouf nicht hören. Als ich sie wieder öffne, treffe ich auch sofort auf seinen Blick und purer Schock ist dort drin zu lesen.

Ein paar schweigende Sekunden vergehen.

„Ach, dein neuer Freund wusste wohl nichts davon, hm? Ihr entehrt unsere Familie! Ihr seid pervers und Allah wird euch bestrafen. Ihr seid Abschaum. Aber ich hatte Vater ja gewarnt. Das irgendwas mit euch nicht stimmt. Zwei so hübsche Mädchen, dir mir selbst gut gefallen würden, und ihr seht sie nicht einmal richtig an.“

„Ach, halt die Fresse, Fadi!“, bricht es aus Nouri hervor, doch bevor er weiter sich Luft machen kann, flüstert Yasouf ihm etwas ins Ohr und Nouri nickt.

„Wie habt ihr euch das denn gedacht? Ich hab zu Vater gesagt, dass ich glaube, dass ihr wegrennen wollt und ich hatte ja Recht. Er ließ sich dazu überreden, den Schlüssel zu verstecken, damit ihr hier nicht wegkommt. Ihr könnt ja wohl schlecht zum Flughafen laufen.“

Fadi zieht weiter an meinem Arm, die Schmerzen in der Schulter werden unerträglich und meine Augen tränen vor Wut und Schmerz.

Das scheint zu viel für Yasouf, denn ehe ich es überhaupt registriere, schnellt der Polizist blitzschnell hervor. Ein gezielter Schlag in den Nacken und der eiserne Griff lockert sich, Fadi sackt bewusstlos zu Boden und ich kann mich schnell befreien.

„Wow.“

„Nichts wow, Nouri. Das ist Polizeitraining und nun schnell, wir haben nur ein paar Minuten Zeit, bevor er wieder aufwacht und wir müssen schnell zum Motorrad.“

„Hast du kein Seil?“, frage ich.

„Leider nicht hier. Wir können ihn nicht fesseln, also los, schnell! Die Zeit drängt. Bewegt eure Ärsche!“

In Sekundenschnelle heben wir unsere Sachen auf, wobei der Rucksack meiner Schulter noch etwas mehr zusetzt. Auch Nouri nimmt seine Tasche, dreht sich dann noch einmal zu Fadi um, holt mit seinem Fuß aus und tritt unserem Bruder in den Bauch.

„Das ist dafür, dass du Kian Schmerzen zufügst, du Arschloch“, flucht er aggressiv.

„Nouri!“, Yassi blickt entsetzt zu meinem Bruder.

„Er hat‘s verdient“, sagt dieser nur achselzuckend.

„Das muss doch nicht sein, auch wenn ich es verstehe.“

„Wenn du es verstehst, dann halt doch den Mund und lass uns endlich verschwinden.“

Wir rennen den Weg entlang und ich kann die Umrisse des Motorrades sehen, Yassi startet den Motor und zu dritt quetschen wir uns auf die Sitze.

Die Fahrt ist dunkel, Yassi hat das Licht nicht angemacht, um möglichen Verfolgern nicht zu verraten, wo wir uns befinden, und wahnsinnig riskant. Nur durch den Mondschein geleitet fährt er im Zickzack durch die Wüste und einige Male schrammen wir nur Millimeter an scharfen Felskanten vorbei. Ich sitze in der Mitte, halte mich an Yassi fest und spüre Nouris Umklammerung an meiner Hüfte. Für einen Moment schließe ich die Augen, wünsche uns ganz weit weg von hier.

Es dauert nicht lange und unser Fahrer parkt sein Motorrad hinter einem Felsen, führt uns einen kleinen Steinweg entlang zu einem hübschen, kleinen Haus mit türkisblauen Fensterläden.

Ein paar Laternen säumen den Weg und tauchen das Haus in einen schönen Lichtschimmer.

„Wo sind wir hier?“, frage ich, folge meinem Bruder und Yassi ins Innere des Hauses.

„Das ist das Ferienhaus meiner Großeltern. Sie waren Kaufleute und finanziell ging es ihnen sehr gut. Also haben sie sich irgendwann dieses kleine Schmuckstück gekauft. Hier sind wir sicher. Niemand ist uns gefolgt, dein Bruder ist erst aufgewacht, als wir schon längst weg waren und … es kennt mich ja auch niemand von deiner Familie.“

Yassi führt uns ins kleine Wohnzimmer und ein bekanntes Geräusch erfordert sofort meine Aufmerksamkeit. Auch Nouri spitzt die Ohren und lächelnd öffnet Yassi einen der Fensterläden.

Sprachlos blicken wir nach draußen. Das weite Meer liegt dunkel vor uns. Das Haus steht auf einer kleinen Anhöhe und sofort dahinter geht es etwas bergab zum Strand und zum Meer. Die Aussicht ist fantastisch. Nouris Arm legt sich um meine Hüfte und seufzend lehne ich meinen Kopf auf seine Schulter.

„Es ist wunderschön, Yassi.“

„Ja, das ist es. Heute Nacht bleiben wir hier. Im Dunkeln durch die Wüste zu fahren ist nicht sehr sinnvoll und gefährlich. Also schlafen wir uns aus und morgen werden wir rechtzeitig aufbrechen. Kommt, ich zeig euch die Zimmer.“

Yasouf führt uns kurz durch das Haus. Zwei kleine Räume dienen als Schlafzimmer, auch die mit Blick auf das Meer, ein Bad, das sogar eine richtige Dusche besitzt, eine Miniküche. Es ist nicht groß oder perfekt ausgestattet, aber ich sehne mich nach einem richtigen Bett, so wie ich es in einem der Zimmer gesehen hatte. Auch Nouri streicht sehnsüchtig über die weiche Bettwäsche.

„Na komm, leg dich schlafen“, sage ich leise.

Gähnend nickt mein Bruder und fast im selben Augenblick, wo sein Kopf das flauschige Kissen trifft, ist er eingeschlafen. Ich ziehe ihm die Hose aus, spüre Yassis Blick dabei, decke ihn zu und streichle durch sein Haar.

„Lassen wir ihn in Ruhe schlafen.“ Yassi zieht mich sanft aus dem Zimmer, holt eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und lässt sich dann neben mich auf die Couch im Wohnzimmer fallen.

„Magst du heute bei mir schlafen?“, fragt er dann und seine Stimme zittert etwas.

„Gerne.“

Ich weiß nicht, wie lange wir schweigend nebeneinander sitzen, den Blick durch das Fenster auf das Meer gerichtet, das Geräusch der an den Strand schlagenden Wellen genießend.

„Komm mit. Es wird Zeit.“ Bereitwillig lasse ich mich hochziehen, schlüpfe im Schlafzimmer aus meiner kurzen Hose und dem Shirt und steige ins Bett. Yassi zögert einen Moment.

Erst als ich meine Hand nach ihm ausstrecke, legt auch er seine Hose und seinen dünnen Pulli ab und krabbelt zu mir unter die Decke.

„Stimmt das? Was dein Bruder gesagt hat, meine ich“, fragt er nach einer Weile, dreht seinen Kopf zu mir und sieht mich an.

Ich seufze.

„Nouri und ich sind Zwillinge. Aber nicht nur das. Wir sind eine Seele. Wir verstehen uns blind, sind immer für uns da, vertrauen uns. Und ja, als wir Teenager waren und gerade entdeckten, dass wir … schwul sind, wollten wir mal ausprobieren … seufz, das ist eine lange Geschichte, ok? Ich hoffe, du verurteilst uns nicht dafür. Ich liebe meinen Bruder und ich würde fast alles für ihn tun. Aber ich liebe ihn nur wie einen Bruder.“

„Und liebt er dich auch nur wie einen Bruder?“

Ich sage nichts mehr, weil ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll.

„Erzählst du mir die Geschichte irgendwann, Kian?“

„Ja, das werde ich“, sage ich mit einem Lächeln.

Yassi rutscht näher, streichelt mit seinen Fingern über meine Brust. Vorsichtig berühren seine Lippen meine, sanft zupft er an meiner Oberlippe.

„Ich will dich, Kian. Ich konnte an nichts anderes denken.“

Meine Hand umfasst seinen Hinterkopf, zieht ihn zu einem leidenschaftlichen Kuss näher heran.

Meine Zunge dringt in seinen Mund und Yassi stöhnt wohlig auf. Seine Hände streicheln meine Hüfte, stoppen kurz am Bund der Short. Ich zucke zusammen und keuche auf, als er dann jedoch, völlig unerwartet, meine Beule knetet.

Ich löse den Kuss.

„Woher der Mut heute“, frage ich erstaunt.

„Ich hab den ganzen Abend und die ganze Nacht an dich gedacht, Kian. Ich bin so scharf auf dich. Bitte mach das von gestern nochmal und … ich möchte, dass du der Erste für mich bist.“

Ich drehe Yassi wieder auf den Rücken, lehne mich über ihn und küsse ihn tief und innig, lasse meine Zunge seinen Mund erkunden. Seine Hände fahren über meinen Rücken.

Ich löse mich von seinen zarten Lippen, küsse das Kinn und spüre die kratzenden Stoppeln. Ich löse mich kurz, sehe ihn an und versinke in seinen schönen Augen. Zärtlich lege ich meine Hand auf seine Wange, er lehnt sich in die Berührung und schließt die Augen. Meine Küsse erkunden dann seinen Hals, gleiten hinab zu seinem Schlüsselbein, saugen sich dort kurz fest, so wie er es gestern getan hat. Meine Zunge streicht über seine Brust, ich sauge an den harten Nippeln, lasse Yassi aufkeuchen. Er streckt sich mir entgegen und ich knabbere mit meinen Zähnen an der weichen Haut drum herum.

Seine Hände krallen sich in meinem Haar fest und sanft, aber bestimmt drückt er meinen Kopf Richtung Schoß. Ich grinse leicht. Gestern noch traute er sich nicht, mich anzufassen, schämte sich fast für seine Lust, heute war er sogar etwas fordernd. Mir gefiel, dass er sich offensichtlich so fallen lassen konnte. Meine Zunge gleitet von seinen Brustwarzen über das leichte Sixpack des Bauches und stoppt am Bauchnabel. Yassi zieht meinen Kopf zu sich hoch, haucht mir einen Kuss auf die Lippen.

„Bitte … Kian.“

Der hübsche Perser schweigt sofort wieder, doch ich verstehe ihn auch so.

Ich drehe uns beide, so dass ich auf dem Rücken liege und Yasoufs Gesicht über mir schwebt. Ich stelle wieder fest wie wunderschön er ist und sein Gewicht fühlt sich beruhigend und gut auf mir an.

Yassi verteilt tausende sanfte Küsse auf meinem Gesicht und meinen Augenliedern. Ich kichere leise, es kitzelt.

Yasouf erkundet langsam meinen Körper, knabbert hier und da an einer Stelle, verursacht wie gestern ein wohliges Kribbeln auf meiner Haut. Er lässt sich unendlich viel Zeit, küsst jeden Zentimeter meines Körpers. Ich stöhne auf, die Berührungen lassen mich schier wahnsinnig werden.

„Du schmeckst verdammt gut“, haucht er, nachdem er mehr als genug von mir gekostet hat.

„Stopp, Yassi, bitte.“

Fragend sieht er mich an, grinst dann und krabbelt zu mir hoch.

„Sonst was?“

„Das weißt du ganz genau“, lache ich und kneife ihm in die verführerisch aussehenden Pobacken.

Ernst blickt er mich dann an.

„Schlaf mit mir. Ich möchte wissen, wie das ist.“

„Bist du dir sicher?“

„Ich denke schon, aber sei vorsichtig. Dein … also der da, ist nicht wirklich klein.“

Zärtlich küsse ich ihn.

„Ich verspreche es dir, Aziz.“

Sanft drücke ich Yassi auf den Rücken, küsse ihn und streichle seinen ganzen Körper, er reagiert intensiv, keucht und stöhnt leise.

„Kian, mach. Ich bin schon mehr als bereit.“

Erschöpft sinke ich auf Yassi hinab, kuschel mich eng an seinen erhitzen Körper.

„Ich hab dich sehr gern, Kian. Danke sehr … es war wundervoll.“

Ich küsse seine Nasenspitze, kuschle mich eng an ihn, als ich von ihm runter rolle.

Morgen wird ein aufregender Tag und wir brauchen jede Menge Kraft.

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