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Bring mir dein Lachen bei
Akt 5 - Cue
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Informationen
- Story: Bring mir dein Lachen bei
- Autor: Kida Takahama
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama
Als Tobias zurückkommt, sitze ich gerade auf dem Sofa, in ein Magazin vertieft. Ich höre den Schlüssel im Schloss und habe fast das Gefühl, mich weiter in den Polstern verkriechen zu wollen ... stattdessen bleibe ich einfach sitze, horche auf die Schritte, die in die Küche und in mein Arbeitszimmer führen, dann zum Wohnzimmer ...
„Da bist du ja!“, kommt es und ich bin mir nicht sicher, ob es eher erleichtert als verärgert klingt.
„Ja, da bin ich“, entgegne ich, mache aber keine Anstalten, die Zeitschrift zur Seite zu legen.
„Seit wann bist du zurück?“
„Seit ner Stunde ungefähr.“
„Seit ... ner Stunde? Was habt ihr denn noch gemacht den ganzen Morgen lang?“
„Die Autofahrt dauert seine Zeit.“
Genervt schlage ich nun doch die Zeitschrift zu. Im selben Moment lässt Tobias sich neben mir nieder.
„Er hat dich gefahren?“
„Ja, hast du ein Problem damit?“, frage ich überflüssigerweise, weil ich ja genau weiß, dass es so ist.
„Ja, das hab ich! Du kannst doch auch den Zug nehmen und-“
„Das ist ja wohl mein Ding!“
„Hat er dich angemacht?“
Ich ziehe die Luft scharf ein. Langsam wird das echt zu dämlich!
„Tobias“, sage ich ernst. „Erstens hast du mich betrogen, zweitens gehören dazu immer noch zwei und drittens ist Marcel weder schwul noch an mir interessiert. Ist es so schwer, das in dein Hirn zu bekommen?“
„Aber ... weshalb will dieser Taxifahrer dann plötzlich was mit dir machen?“
„Er studiert, nur so nebenbei. Und hast du schon mal was von Freundschaft schließen gehört?“
„Freundschaft?“ Ein zynisches Lachen entweicht ihm. „Du bist es doch, der mit so was nicht umgehen kann!“
Sprachlos sehe ich ihn an, während in mir etwas zu brodeln beginnt. Ich knalle die Zeitschrift auf den Tisch und stehe auf.
„Das Gespräch ist beendet!“, sage ich kühl und verlasse den Raum.
„Wieso so plötzlich?“, ist Tobias aber schon in der nächsten Sekunde wieder direkt hinter mir. „Weil ich recht habe? Ist doch so! Du hast doch keinen einzigen Freund, du weißt doch gar nicht wie das geht, das-“
Ich unterbreche ihn, als ich mich ruckartig umdrehe, ihn an der Schulter packe und gegen die Wand drücke.
„Reicht das jetzt? Hast du dich ausgekotzt? Sehr schön, dann sei jetzt endlich still!“
Ich werde angefunkelt während meiner Worte ... und ich habe keine Ahnung, ob ich es schaffe, einen ähnlichen Blick zurückzuschleudern. Ich spüre meine Hand zittern, vor unterdrückter Wut, die herausgelassen werden will, es aber von mir nicht wird. Es bringt doch nichts, wenn ich ihn anschreie, wenn ich mit ihm streite ... das bringt überhaupt nichts!
Also lasse ich Tobias los und verschwinde im Arbeitszimmer.
„Ich muss arbeiten!“, sind meine letzten Worte, bevor ich ihm die Tür verschließe.
Die nächsten Minuten arbeite ich nicht. Stattdessen geh ich in dem kleinen Zimmer auf und ab, balle die Hände zu Fäusten und löse sie wieder, tue es erneut ... Ich versuche ruhig zu atmen, die Worte, die Tobias gesagt hat, aus meinem Kopf zu entfernen.
Ob er Recht hat?
Vielleicht ... wahrscheinlich hat er das wirklich ... aber ist es denn wirklich notwendig, solche Worte auch auszusprechen? Ich bin nicht so erzogen worden ... ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.
Irgendwann bleibe ich einfach mitten im Raum stehen. Ich starre vor mich hin, starre meine Schränke an, mit den Unmengen an Büchern, frage mich, was ich jetzt tun soll. Arbeiten ... das habe ich zumindest gesagt ... aber eigentlich habe ich gar keine Lust darauf. Ich will irgendwas anderes machen, irgendwas, das mehr Spaß macht.
Ich zucke zusammen, als ich in meinem Kopf fast schon Marcels Worte höre. Wie bescheuert ist das denn bitte?
Die Gedanken abschütteln setze ich mich. Ich schalte den Computer an, hole einen Ordner aus meiner Tasche hervor und schlage ihn auf ... Trockene Worte starren mich an und ich starre zurück.
Fast zwanzig Minuten vergehen, in denen ich nichts Produktives tue. Als es dann an der Tür klopft, ist auf meinem Bildschirm noch immer das Windows-Login-Fenster zu sehen.
Ich zögere einen Moment. Eigentlich habe ich keine Lust, mit ihm zu reden.
„Komm rein“, sage ich schließlich dennoch.
Langsam wird daraufhin die Tür geöffnet.
„Bist du sauer?“, kommt es, als er zu mir an den Tisch getreten ist.
Ich drehe mich um, sehe ihn an, schüttle den Kopf.
„Wirklich nicht?“
„Sollte ich es sein?“
Ein rasches Kopfschütteln und im nächsten Moment sinkt er mir um den Hals. Ich halte ihn fest, lasse zu, dass er sich auf meinen Schoß setzt. Dann küsst er mich.
„Es tut mir leid, ich hätte das nicht sagen sollen ...“, drückt er sich fester an mich heran.
Ich verkneife mir eine Antwort. Welche denn auch? Er soll einfach aufhören, darüber zu reden.
Schnell wird sein Kuss heftiger, als er merkt, dass ich darauf eingehe. Er schlingt die Arme fester um mich, presst seinen Unterkörper gegen mich. Ich nehme die Einladung an, indem ich vom Stuhl rutsche, mit ihm zusammen zu Boden gehe. Nun wird er ungestüm, zieht mir das Hemd über den Kopf, greift mir mit festen Fingern in die Haut und küsst mich leidenschaftlich. Sein Körper vollführt anziehende Bewegungen, die mich darauf immer mehr eingehen lassen. Die Hosen schnell beseitigt, drängt er sich noch näher an mich, stöhnt, reibt sich an mir ... macht schnell klar, was er genau jetzt will, was auch ich will.
Unter lautem Stöhnen seinerseits dringe ich in Tobias ein. Seine Fingernägel krallen sich in meinen Rücken und er wirft den Kopf zurück, schreit unterdrückt auf. Dann bewegen wir uns, schnell, schneller ... Auch ich beginne zu stöhnen, stoße in ihn, schließe die Augen und lasse mich treiben. Flackernd sehe ich einen Moment lang, wie ich Tobias und diesen Jungen erwischt habe ... dies Gefühl treibt mich nur noch mehr an, lässt mich noch tiefer in die Empfindungen eingehen.
Für ein paar Sekunden vergesse ich alles, denke an nichts außer an dieses Gefühl ... bis es mit einem Lauten Schrei aus mir heraus bricht und so schnell verschwindet, wie es gekommen ist ...
Als ich die Augen wieder öffne, sehen mich zwei befriedigte Augen lächelnd an. Tobias streckt sich und küsst mich.
„Das war toll“, lächelt er, als wir uns beide aufgesetzt haben.
„Hm“, mache ich nur und sehe ihn einen Moment lang an. Soeben noch das Gefühl der Befriedigung verspürt, ist es auch schon wieder verschwunden als sei es nie dagewesen. Ich weiß nicht wirklich, weshalb das so ist, aber eigentlich war es immer schon so ...
„Ich liebe dich“, küsst Tobias mich erneut und in diesem Moment frage ich mich, worüber er eigentlich mit mir hatte reden wollen. Ich frage nicht danach.
Der restliche Tag vergeht recht harmonisch. Abends kocht Tobias für uns und zusammen verbringen wir die Zeit vor dem Fernseher. Ob ich es genieße? Keine Ahnung ... Wenigstens gibt es gerade nicht wirklich etwas, das ich lieber machen würde.
Fragen, worüber er mit mir hatte reden wollen, tue ich auch die restliche Zeit nicht. Er scheint es selbst nicht mehr zu beabsichtigen… wieso sollte ich also den Punkt aufbringen? Wie ich ihn kenne, wäre es eh kein besonders freudiges Thema gewesen.
Als wir gegen elf Uhr ins Bett gehen, fragt Tobias zum ersten Mal, was Marcel und ich eigentlich gemacht haben und natürlich reagiert er genau so, wie es zu erwarten war.
„Das ist ungerecht!“, sitzt er sofort aufrecht da und grinst mich an. „Du ... DU in einem Fußballstadion!! Wieso? Oh ist das gemein!!“
Ich versuche sein Grinsen zu erwidern und das Licht zu ignorieren, das er wieder angeschaltet hat und das mir nun in den Augen brennt.
„Es war ein gutes Spiel“, ziehe ich ihn auf, was ihn natürlich noch etwas mehr ärgert.
„Wieso läd’ er dich dazu ein?“, knurrt er schließlich.
„Er kommt billiger an die Karten ...“
„Echt? Glaubst du, er kann mir mal eine besorgen? Das wäre klasse!“
Jetzt muss ich tatsächlich grinsen. „Ich werd ihn fragen. Soll ich ihm bei der Gelegenheit dann auch gleich sagen, dass du ihn nicht mehr hasst und er einen neuen besten Freund hat?“
„Blödmann!“, knufft Tobias mich in die Seite, lacht dann aber und strahlt bis übers ganze Gesicht.
Dass einen die Aussicht auf Fußballkarten so glücklich machen kann, begreife ich nicht.
„Und danach?“, reißt er mich aus meinen Gedanken hervor.
„Was danach?“
„Was habt ihr dann gemacht?“
„Dann waren wir was trinken und haben geredet.“
„Worüber?“
„Willst du mich jetzt schon wieder ausfragen?“, sehe ich ihn skeptisch an.
„Ich ... das ... Stört es dich?“
Ich zucke die Schultern. „Ich würde eigentlich gerne schlafen.“
„Schlafen! Apropos! Wo hast du geschlafen?“, kommt es schnell.
„In seinem Bett“, schalte ich das Licht aus und bin schon auf den größten Ausbruch der Menschheitsgeschichte gefasst.
„In ... IN SEINEM BETT?“, will Tobias sofort zum Lichtschalter zurück. Ich halte seinen Arm fest.
„Auf dem Sofa“, sage ich dann beruhigend. „Wirklich, ich wollte dich nur ärgern.“
„Du wolltest mich ... ärgern?“
„Macht man das nicht?“, drehe ich mich um, kuschle mich endlich in die Decke ein.
„Doch ... schon ... aber du?“
Ich erwidere nichts darauf sondern schließe die Augen und schweige demonstrativ. Schließlich begreift er scheinbar, dass ich auf diese Art von Gespräch nicht schon wieder Lust habe und legt sich ebenfalls hin. Ein leises „Gute Nacht“ wird durch die Dunkelheit geflüstert, das ich gähnend erwidere, bevor ich ziemlich schnell einschlafe.
Die ersten Tage dieser Woche vergehen sehr gleichmäßig, so wie immer halt. Ich gehe zur Arbeit, komme nach Hause, esse zusammen mit Tobias, schaue fern und gehe ins Bett. Nichts wirklich Spannendes – wie immer halt. Tobias ist die meiste Zeit über sehr gut gelaunt, woher auch immer das kommen mag. Er ist nicht auf Streit gebürstet, worüber ich froh bin. Nur ab und an lässt er einen zweifelhaften Spruch los, doch ich ziehe vor, dies zu ignorieren.
Eigentlich läuft im große und ganzen bis Mittwochabend tatsächlich alles wie immer ... und dann kommt dieser Anruf.
„Telefon für dich!“, kommt Tobias ins Wohnzimmer und hält mir den Hörer hin. Sein Blick ist aussagekräftig, doch ich verstehe ihn nicht.
„Hallo?“, melde ich mich, irgendwie fast erwartend, dass Marcel am Ende der Leitung ist ... doch stattdessen meldet sich eine Frauenstimme.
„Vivian.“ Wie auf Knopfdruck ist meine Stimme unterkühlt.
„Überrascht?“
„Ein bisschen tatsächlich.“ Ich lasse die Zeitschrift sinken, in der ich zuvor gelesen habe, mein Körper scheint von Kälte erfüllt zu werden. „Was willst du?“
„Darf ich nicht einfach mal mein Bruderherz anrufen?“
„Wir wissen beide, dass du das nicht einfach mal so machst. Also?“
„Ich habe mit Mutter gesprochen.“
„Fast hab ich es geahnt. Und? Was sollst du mir ausrichten? Dass ich aus dem Familienstammbaum gestrichen wurde?“
„Ich soll dich bitten, eine Therapie zu ma-“
„Oh Vivian, nett, dass du anrufst. Wolltest du sonst noch was? Ansonsten beende ich dieses Gespräch auf der Stelle.“
„Jetzt warte doch mal!“, kommt es hektisch von meiner jüngeren Schwester.
„Worauf? Ich habe besseres zu tun, als mir diesen Unfug anzuhören.“
„Vater wird dich enterben, wenn du es nicht tust!“
„Das weiß ich schon. Es ist mir egal.“
„Aber ... du kannst doch nicht ...“
„Kann ich nicht? Jetzt hör mal zu, Vivian, selbst du, mit deinen achtzehn Jahren solltest langsam begriffen haben, dass es den beiden nur um sich geht. Sie haben uns nur gezeugt, um uns vorzeigen zu können. Und nun, da ich nicht mehr vorzeigbar bin, werde ich aus ihrem Plan gestrichen. So einfach ist das, um mehr geht es ihnen nicht.“
Während ich spreche und dabei ein wenig lauter in der Stimme werde, sehe ich aus den Augenwinkeln Tobias ins Wohnzimmer kommen. Fast spüre ich seinen besorgten Blick, den ich ihm am liebsten schon wieder sonst wo hinstecken würde.
„Aber-“
„Kein Aber! Ich habe schon lange keine Lust mehr, diese Farce mitzuspielen. Wenn du und Kenneth das könnt, ist das eure Sache, aber lasst mich damit in Ruhe.“ Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter und entziehe mich ihr sogleich wieder. Den Hörer presse ich etwas stärker ans Ohr.
„Nathanael ... bitte ... denk doch wenigstens darüber nach ... du könntest ja auch nur so tun als ob-“
„Und was soll mir das bringen? Geld brauche ich nicht und mit ihrer falschen Anerkennung können sie machen, was sie wollen!“
Ich stehe auf, als Tobias mich erneut berühren will, und trete von ihm zurück. Noch sorgenvoller werde ich angesehen, während ich zur Balkontür gehe. Ich weiß nicht weshalb, aber ich muss an Marcels Worte denken ... ... zwischenmenschlich eine Niete ...
„Aber ... wir sind doch eine Familie ...“
„Du weißt gar nicht, was eine richtige Familie ist, Vivian. Wir wissen das alle nicht! Sie haben uns unfähig gemacht, es zu wissen. Sie haben uns zerstört! Merkst du das denn nicht? Du tanzt schon seit achtzehn Jahren ihren perfekten Tanz und merkst nicht, wie steif er ist! Wach endlich auf!“
Stille.
Ich habe meine freie Hand zu einer Faust geballt und empfinde das Bedürfnis, auf irgendwas einzuschlagen. Schon länger hatte ich ein solches Gefühl nicht mehr.
Ist es das, was Marcel meinte, als er von Wut sprach?
„Du ... machst also keine Therapie?“, kommt es schließlich, was mir nur noch mehr das Gefühl gibt, irgendwo gegen laufen zu wollen.
„Sag mal, geht’s noch? Hörst du mir nicht zu?“, werde ich etwas lauter. „Sag ihnen, dass mir ihre beschissene Erblinie egal ist, dass sie machen können, was sie wollen! Sie sollen mich nur in Ruhe lassen, wenn ich ihnen ein Dreckfleck auf der weißen Weste bin! Lasst mich einfach in Ruhe!“
„Natha-“
Ich lege auf. Mit zitternder Hand entferne ich den Hörer von meinem Ohr, starre ihn an.
Wut ... warum jetzt? Warum bin ich plötzlich so aufgebracht? Ich kenne das gar nicht.
„Nate, was ist denn-“
„Nichts!“, zische ich, setze mich in Bewegung und gehe an Tobias vorbei.
„Aber-“
„Lass mich in Ruhe!“
Damit verschwinde ich im Schlafzimmer, gebe aber dem Bedürfnis, die Tür zu knallen, nicht nach. Stattdessen schließe ich sie ruhig und atme so tief durch wie möglich ... schleudere dann den Hörer, den ich noch immer in der Hand halte, aufs Bett.
„Die hat sie doch nicht mehr alle!“, schüttle ich den Kopf, spüre das Zittern in meiner Stimme.
Ich beginne wieder damit, im Zimmer herumzulaufen, versuche meine Atmung zu beruhigen, mich zu beruhigen. Ich wusste ja, dass Vivian sehr nach der Pfeife unserer Eltern tanzt, aber dass sie sich jetzt schon dazu herablässt, ihre Nachrichten zu übermitteln ... und dass Mutter es noch nicht mal schafft, mich selbst anzurufen.
Das ist doch alles lächerlich!
Das Klingeln des Telefons lässt mich im Schritt erstarren. Misstrauisch wende ich meinen Blick darauf, funkle es förmlich an. Sie versucht es tatsächlich noch mal ... ich glaub’s nicht!
Schnell habe ich den Hörer an mich gerissen, die Annahmetaste gedrückt und die Worte „Was noch?“ unfreundlich herausgebracht.
Sekundenlang bleibt es still und gerade will ich Vivian erneut anfahren, als sich die Person am anderen Ende doch zu Wort meldet.
„Ähm ... Sorry, wenn ich störe ...“
„Marcel!“, halte ich in jeglicher Bewegung inne. „Oh Mist, tut mir leid.“ Ich versuche ein gezwungenes Lachen. „Ich hab nur grad mit meiner Schwester telefoniert. Sie sollte mich fragen, ob ich nicht doch zu einer Therapie will. Man, das ist so lächerlich! Aber soll ich dir was sagen? Hiermit hast du nun doch die erste Sache, die mich aus der Ruhe bringt! Ich bin doch tatsächlich grad-“
„Nathanael! Nathanael, warte doch mal!“, hält er mich nach mehrmaligem Rufen auf.
„Ja?“
„Ich bin nicht Marcel. Ich meine ...“
„Melvin?“ Wie vor den Kopf gestoßen sinke ich auf mein Bett nieder, kann ein Lachen nicht unterdrücken. „Das wird ja immer schlimmer. Tut mir leid!“
„Quatsch! Mir tut es leid!“
„Du kannst doch nichts dafür, dass ich dich verwechsle!“
„Doch klar, ich hätte mich mit Namen melden können, und ich-“
„Melvin?“, unterbreche ich ihn grinsend.
„Ja?“
„Es ist okay. Lass uns das einfach vergessen, ja?“
„O ... Okay“, höre ich sein Lächeln.
Dann ist es kurz still, merkwürdig, peinlich still.
„Wieso hast du angerufen?“, frage ich nach ungefähr einer halben Minute.
„Oh! Natürlich!“ Ein nervöses Lachen. „Sorry, hab ich ganz vergessen ... Wir wollten fragen, ob du Lust hast, am nächsten Wochenende was mit uns zu machen ... Ich meine, am Samstag.“
„Samstag?“ Kurz gebe ich vor zu denken, beschließe aber, ihn nicht zu lang auf die Folter zu spannen, da seiner Stimme anzuhören ist, wie nervös er ist. „Ja, ich habe Zeit. Was habt ihr denn vor?“
„Marcel sagt, du sollest dich überraschen lassen ...“
„Hätt’ ich mir denken können“, grinse ich in den Hörer, lasse meine Stimme dann etwas weicher werden. „Sagst du es mir trotzdem?“
„Nur wenn du trotzdem kommst ... Es ist nichts so Spannendes“, spricht er unsicher.
„Versprochen.“
„Wir wollten mit Carolin und Jeanette Bowlen gehen ... naja, und Marcel kam die Idee, dass du daran bestimmt auch Spaß hättest ... Ich meine ... ich weiß nicht, ob du darauf Lust hast, aber-“
„Ich hab’s versprochen, oder?“
„Ja.“
Ich lächle. „Also komme ich auch.“
„Das ... das ist toll!“, kommt es begeistert.
„Aber, sag mal ... Habt ihr was dagegen, wenn ich Tobias mitbringe? Er ist sonst wieder eifersüchtig und das nervt auf Dauer ein wenig.“
„Deinen Freund?“
„Ja. Aber nur wenn es euch nicht unangeneh-“
„Nein, quatsch, ist es nicht! Natürlich kannst du ihn mitbringen!“
„Gut, danke. Wann sollen wir denn wo sein?“
„Halb Sieben bei uns?“
„Gut. Also sehen wir uns Samstag?“
„Ja.“
„Also Tschü-“
„Warte mal!“, kommt es schnell.
„Ja? Was denn?“
„Ähm ... zwei Dinge noch ...“
„Und die wären?“
„Erstens ... bitte nenn mich Mel ... ich hasse Melvin ...“
„Okay. Aber nur wenn du mich auch nicht Nathanael nennst, das tut nur meine… naja, Familie. Nathan oder Nate ist gut ... oder was anderes, wenn dir was einfällt.“
„Okay, gern, mach ich!“
Ich sehe förmlich das Grübchen in seiner Wange vor mir bei diesem hörbaren Lachen.
„Und die zweite Sache?“, frage ich dann nach.
„Ich ... naja ...“, verschwindet das Lachen und er scheint nicht ganz mit der Sprache herausrücken zu wollen.
„Ja?“
„Vielen Menschen ... fällt es schwer, Gefühle zu zeigen aber ... wenn es um Personen geht, die ihnen wichtig sind ... naja ... dann wieder ist es ganz einfach ...“
Verdutzt horche ich auf.
„Redest du von mir?“
„Irgendwie schon ...“ Ein unsicheres Geräusch am anderen Ende. „Weißt du ... Marcel hat mir gesagt, was für ein Mensch du bist ... aber mir kamst du eigentlich ganz nett und normal vor ... und grade hast du gesagt, dass dich das Gespräch mit deiner Schwester aus der Ruhe gebracht hat ... und da dachte ich ... ich meine ...“ Er bricht ab und ich bin mir aus irgendeinem Grund sicher, dass er knallrot ist.
„Danke“, sage ich deshalb und versuche es so ehrlich klingen zu lassen, wie es nur möglich ist. „Vielleicht hast du Recht.“
„Wenn nicht ... ich meine ... ich wollte es nur loswerden ... Wir ... wir sehen uns am Samstag?“
„Ja, bis Samstag.“
Damit legt er auf, wie mir das Klicken in der Leitung verrät. Ich tue es ihm gleich, grinse den Hörer an und stehe schließlich auf. Irgendwie ist meine ganze schlechte Laune mit einem Mal verflogen. Ich hätte Mel dafür danken sollen.
Als ich das Schlafzimmer verlasse, treffe ich im Wohnzimmer auf einen unglaublich besorgten Blick. Allerdings fragt Tobias nichts, sondern scheint abzuwarten, was ich nun tue.
„Das war Mel“, sage ich, hebe den Hörer in meiner Hand und lasse mich neben Tobias auf dem Sofa nieder.
„Wer ist Mel?“, ist er sofort hellhörig.
„Melvin. Marcels Zwilling. Er-“
„Wieso ruft er dich an?“, kommt es direkt in Angriffsposition.
Augenrollend atme ich tief durch. Ich will mir meine gute Stimmung jetzt nicht schon wieder verderben lassen!
„Er fragt, ob wir am Samstag mit ihnen Bowlingspielen kommen wollen.“ Dabei betone ich das „wir“ besonders stark, beuge mich etwas zu ihm und flüstere leise. „Du kannst deine Krallen einfahren, Kätzchen, er hat auch ne Freundin, okay?“
Ein prüfender Blick, bevor er sich zu mir beugt.
„Okay.“
Dann küsse ich ihn.
ENDE Akt 5
Cue:
Damit wird der Einsatz bezeichnet, wenn ein neuer Abschnitt beginnt, bzw. eine neue Szene. Dies ist wohl mein abstraktester Titel ... Ich orientierte mich hierbei an der anderen Bezeichnung für „Cue“ und zwar „Call“ – und damit kann man übersetzt einen Telefonanruf bezeichnen, von dem Nathanael in diesem Akt zwei bekommt *lach* Wer es weniger abstrakt wünscht, kann natürlich auch den Wechsel zwischen Nathanaels Stimmungen, welche er verspürt, als er mit Vivian und dann mit Melvin telefoniert, als „Cue“ bezeichnen *g*
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