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Die troidischen Drei
Teil 6 - Golems
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Informationen
- Story: Die troidischen Drei
- Autor: Leyno
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Fantasy und Mystery
Inhaltsverzeichnis
1
„Was war denn los?“, fragte Siri neugierig, als Duncan auf dem Pausenhof erschien.
„Ich musste noch so eine blöde Medizin nehmen, wegen der Krankheit und das hab ich heute Morgen vergessen“, log Duncan, obwohl er es eigentlich nicht wollte.
„Deine Mutter ist doch sonst nicht so streng“, wunderte sich Angie. „Sie war ja total wütend. Ich dachte schon, sie reißt dir den Kopf ab.“
„Na ja, sie war etwas aufgebracht, weil ich mich so leichtsinnig verhalten hab. Sie hat die Krankheit ziemlich ernst genommen. Außerdem war sie verärgert darüber, dass sie extra noch mal zur Schule fahren musste“, zog Duncan an den Haaren herbei.
„Vielleicht solltest du ja auf den Rat deiner Mutter hören, sonst nimmt es noch ein böses Ende mit dir“, schwarzmalte Sari gekünstelt streng und zeigte tadelnd auf ihn. Darüber mussten sie alle lachen.
Entgegen jedes Glücks unterbrach Chris das Gelächter und sagte, nach dem Auftritt von Duncans Mutter neu ermutigt: „Musste Mami gucken, ob es dem Kleinen gut geht?“
Duncan fiel es schwer, sich nun zusammenzureißen. Er dachte darüber nach, was er alles kontern könnte, wenn ihm kein Schweigen über seine Kräfte auferlegt worden wäre. Der Gedanke daran musste ihm genügen.
„Wenn du meinst!“ Damit ließ er Chris einfach links liegen.
2
Es hatte Duncan bereits gewundert, dass seine Untat ohne Konsequenzen sein sollte. So überraschte es ihn nicht, dass er sich am Nachmittag im Wohnzimmer eine gehörige Moralpredigt von seinem Vater anhören musste und daraufhin als Strafe das Verbot bekam, seine Geburtstagsfeier mit Siri zusammenzulegen. Im Grunde genommen wurde ihm eine Feier ganz und gar versagt.
„Aber Papa, wieso das denn? Ich mach es bestimmt nicht wieder“, versuchte Duncan Droy umzustimmen, wobei er allerdings vermutete, dass es bei ihm keinen Sinn machte.
„Es bleibt dabei und wenn du weiterhin diskutierst, dann feierst du gar nicht mehr!“, versuchte Droy das Gespräch zu beenden.
„Das ist unfair“, protestierte Duncan jedoch weiter. „Es ist doch überhaupt nichts passiert und meine Lektion hab ich auch gelernt.“
„Umso besser für dich. Und jetzt ist genug. Du feierst nicht mit deinen Freunden und das war mein letztes Wort.“
Wütend stapfte Duncan aus dem Wohnzimmer, stieg die Treppe hoch und verschwand in seinem Zimmer. Zornig nahm er ein kleines Kissen von seinem Bett und warf es gegen die Wand. Nachdem er es zu Boden fallen sah, ließ er sich auf sein Bett fallen.
Er gab Chris die Schuld an allem. Wenn er nicht gewesen wäre, wenn er ihn nicht provoziert hätte, dann wäre das alles nicht so gelaufen.
Als er sich beruhigt hatte, musste er jedoch einsehen, dass Chris nicht allein Schuld hatte. Immerhin waren es Duncans Kräfte gewesen, die unberechtigterweise benutzt wurden. Er hatte die Kräfte und nicht Chris. Dieser Gedanke beflügelte seine Stimmung ein wenig.
Am späten Nachmittag, als auch Dine von der Arbeit zurück war, startete Duncan einen neuen Versuch seine Eltern davon zu überreden, dass seine Feier wichtig war. Allerdings wusste er nicht, dass Dine und Droy am besagten Tag schon etwas Anderes mit Duncan vorhatten, so dass ihnen das Verbot sehr gelegen kam. Es diente als perfekte Ausrede, um den Tag für Duncan frei zu halten. Aus diesem Grund blieben sie bei ihrer Konsequenz, jedoch lockerte Dine das Magieverbot. Duncan sollte in seinem Zimmer jederzeit üben können, damit er seine Fähigkeiten weiterentwickelte und zu beherrschen lernte. Bevor er die schwierigeren Fähigkeiten anging, sollte er jedoch mit seinen Eltern reden. Die Wirkungen waren schwer kontrollierbar und daher zu gefährlich für Selbstexperimente. Da ihm dazu allerdings die jederzeit verfügbare Verbindung mit der Natur fehlte, kamen diese Übungen vorerst sowieso nicht in Frage.
3
In den nächsten Wochen konnte sich Duncan beherrschen und zauberte in der Schule nicht mehr. Zur Folge hatte dies, dass er gegenüber Chris keinen Vorteil mehr hatte. Allerdings waren sie nach all dem, was passiert war, wieder bei einem Unentschieden angekommen.
Als er seinen Freunden davon berichtete, dass sie weder zusammen, noch dass er überhaupt feiern würde, waren sie sichtlich enttäuscht und auch verärgert, da er ihnen den Grund dafür vorenthielt. Was hätte er auch sagen sollen? Ihm fiel nur die unbefriedigende Ausrede ein, dass er stress mit seinen Eltern hatte. Seine Freunde stachelten ihn zwar ständig an, erneut mit seinen Eltern zu reden und sie umzustimmen, doch er wusste, dass es keinen Sinn hatte. Er erklärte ihnen immerzu, dass da nichts zu machen wäre.
Mit seinen Kräften, so empfand er, kam er nur schleppend voran, obwohl er jeden Tag übte. Das lag auch daran, dass er sich pro Tag nur an eine Fähigkeit machen konnte, da sie ihm so viel Kraft abverlangten.
Trotzdem machte er ununterbrochen kleine Fortschritte. Nach einer Woche erkannte er, wie man die Schutzhülle ohne Gefahrensituation herbeirief und für kurze Zeit dabehielt. Es gelang zwar noch nicht hundertprozentig, aber er war vorerst zufrieden. Anfangs erschöpfte ihn die Arbeit mit der Schutzhülle sehr, denn bei den Übungen konnte er eine Menge Kraft freisetzen, was bei den anderen Fähigkeiten weniger der Fall war. Mit denen kam er nicht so gut klar. Wegen dem Streit mit seinen Eltern vollzog er seine Übungen neuerdings allein, so dass ihm manchmal eine helfende Hand fehlte. So musste er sich die Gegenstände mit seinem Heräis-Trick selbst zuwerfen, wenn er die Funktion der Schutzhülle testete. Die starken Verausgabungen hatten zumindest eine positive Folge: Seine Energiereserven vergrößerten sich ununterbrochen, so dass er merklich kräftiger wurde und länger durchhielt.
Hartnäckig arbeitete er auch an seiner Fähigkeit unsichtbar zu werden, was nach zwei Wochen weiterhin erfolglos blieb. Das einzige Zeichen auf ein Vorhandensein von dieser Fähigkeit, war die hellere Farbe seiner Haare, die er nun ohne Mühe zustande brachte. Das Aufhellen seiner Haare war jedoch keinesfalls sein Ziel, also musste er sich mehr anstrengen.
Am Montag, zwei Wochen, nachdem er das erste Mal die Verbindung zur Natur hergestellt hatte, passierte ihm dann etwas Ungewöhnliches. Der ganze Tag war für Duncan schrecklich verlaufen. Chris hatte ihn beim Sport um ein Wesentliches geschlagen, und ihn danach auch noch durchgängig damit aufgezogen, dann hatte er einen Streit mit Siri gehabt, in dem es darum ging, dass Siri ihre Feier wegen Duncan jetzt auch ausfallen lassen wollte und zu guter Letzt war er aus Versehen auf Sarahs Jeans getreten, wobei diese einriss. Durch all das mächtig aufgewühlt und zornig kam er missgelaunt nach Hause. Seine Eltern wollte er in dieser Stimmung um jeden Preis meiden, immerhin schob er ihnen die meiste Schuld an dem Streit mit Siri zu. Hätte es einen Hintereingang gegeben, wäre das die beste Gelegenheit gewesen, ihn zu nutzen, doch da es keinen gab, musste er durch den Garten zum Vordereingang gehen. Im Haus lief er schleunigst zur Treppe und hoffte, keinen von seinen Eltern zu sehen. Es kam, wie es kommen musste. Gerade als Duncan auf der Mitte der Treppe war, hörte er, wie jemand sich auf dem oberen Flur bewegte. Er verwünschte diesen Tag und sah absichtlich unhöflich auf den Fußboden, so dass er sich ohne Konversation an seinen Vater, den er auf dem Treppenansatz erkannt hatte, vorbeischleichen konnte. Er lief zügig hoch und erwartete von seinem Vater eigentlich eine Begrüßung, doch es kam nichts. Droy ging einfach die Treppe herunter und beachtete ihn nicht. Duncan sah ihm jetzt verwundert ins Gesicht, doch sein Vater erwiderte den Blick nicht. Er ging stattdessen unachtsam weiter, so dass er mit seiner Schulter gegen Duncan stieß. Plötzlich drehte er sich blitzschnell um und ging wie ein aufgescheuchter Löwe in Angriffsstellung, mit einem Energieball in der Hand. Er sah dabei suchend die Treppe hinauf, ohne von seinem erschrockenen Sohn Kenntnis zu nehmen. Er blickte einfach durch ihn hindurch, als wäre er gar nicht direkt vor seinen Augen. Als Duncan schließlich an sich heruntersah, wusste er, was los war. Er war unsichtbar. Doch das bedeutete, dass Droy nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte, also würde er ihn vielleicht für einen Angreifer halten. Er war in Gefahr, wenn er sich nicht sogleich zu erkennen gab. Reflexartig rief er, kurz nachdem er es begriffen hatte, dass er unsichtbar war: „Warte! Ich bin’s, Papa!“ und aktivierte im selben Moment seine Energiekugel, um sich notfalls vor einem Fehler seines Vaters zu schützen. In Folge dessen verschwand seine Unsichtbarkeit, da er noch nicht zwei Fähigkeiten auf einmal benutzen konnte.
Droy sah nun, dass es Duncan war, woraufhin sein Energieball erlosch. Einerseits freute er sich, dass Duncan jetzt eine weitere Fähigkeit beherrschte, doch andererseits fühlte er sich hintergangen. In seinen Augen wollte Duncan sich damit an ihm vorbeischleichen und somit die Regeln über den Kräftemissbrauch verletzen.
„Ich hab’s endlich geschafft“, brach Duncan in Freudensprünge aus und ließ seine Schutzhülle verschwinden. Seine schlechte Laune war auf der Stelle verflogen.
„Das ist wirklich großartig“, sagte Droy. „Ich hoffe aber, du wolltest dich nicht an mir vorbeischleichen, denn du hast immer noch Zauberverbot außerhalb deines Zimmers.“
„Ich weiß nicht, wie ich das gemacht hab. Es ist einfach so passiert“, erklärte Duncan hastig, um zu klären, dass er nichts falsch gemacht hatte.
„Na dann ist gut“, meinte Droy lächelnd. „Ich wollte dich nur daran erinnern. Wenn du weiter so schnell mit deinen Fähigkeiten zurechtkommst,...“, er überlegte, wie er seinen Satz zu Ende bringen sollte, „dann müsstest du bald deine Verbindung beständig erhalten können.“
Duncan wusste nicht, warum Droy gezögert hatte, aber er hatte den Verdacht, dass er eigentlich etwas ganz Anderes sagen wollte, doch er war so glücklich über den neuen Erfolg, dass er es schnell vergaß.
Später in seinem Zimmer versuchte er erneut unsichtbar zu werden, doch auch mit allen Tricks, die er gelernt hatte, konnte er den Erfolg nicht wiederholen, außer dass er zum ersten Mal strohblond wurde. Es war wie bei der Schutzhülle. Unbewusst führte er die Fähigkeit in den passenden Situationen aus, doch später konnte er es nicht mehr. Trotzdem war es ein Fortschritt, denn er hatte nun eine gewisse Ahnung, was er anstellen musste, um auch diese Fähigkeit unter Kontrolle zu bringen.
Mit den naturellen hatte er es auch künftig noch schwerer, da er erst die Verbindung aufrecht erhalten musste. Seit dem ersten Verbindungsaufbau, den er so beschwingt in Erinnerung hatte, gab es öfter kurze Momente, in denen er die Verbindung wieder spürte, aber nie blieb sie. Eine Woche vor seinem Geburtstag gelang es ihm endlich, sie festzuhalten und nicht mehr loszulassen. Danach hatte er einen ganzen Tag diese wundervolle Empfindung des Glücks im Bauch, weswegen ihn an diesem Tag nichts aus der Fassung bringen konnte und er ohne vorsehbares Ende fröhlich war. Über die Nacht verklang diese Stimmung jedoch, aber die Verbindung bestand weiterhin. Duncan spürte sie im Innern ganz stark, doch beeinflusste sie seine Gefühle nicht mehr.
Da er seit dem Durchbruch mit seiner Unsichtbarkeit wieder ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern hatte, verkündete er seiner Mutter noch am selben Tag aufgeregt, dass die Verbindung jetzt endgültig vorhanden war. Droy war am Nachmittag noch nicht zu Hause, deswegen erzählte er es ihm später.
„Na perfekt!“, sagte Dine freudig, während sie in der Küche den Einkauf auspackte. „Dann können wir ja nun deine naturellen Fähigkeiten trainieren. Die sind von allen eigentlich am schönsten. Das finde ich jedenfalls. Na, du wirst schon sehen.“
„Warum ist Einfrieren bzw. die Macht über Eis eigentlich eine naturelle Fähigkeit? Wozu brauch ich da die Verbindung? Bei Feuer ist mir das klar. Es ist ja eines der Elemente, aber Eis?“ Duncan lief diese Frage schon länger im Kopf herum, doch er war bisher noch nicht dazu gekommen, seine Eltern danach zu fragen. Entweder hatte er es vergessen oder er war seinen Eltern gegenüber missgestimmt gewesen.
„Nun, Frost ist eigentlich nur das Gegenstück zur Feuerfähigkeit. Bei beiden basiert das Grundprinzip auf der Temperatur. Du veränderst ja die Temperatur und bringst dadurch etwas entweder zum Gefrieren oder zum Brennen. Und das gehört natürlich zur Natur, wie die Pflanzen, die Tiere und auch das Wetter. Reicht dir das als Erklärung? Besser kann ich es dir jetzt auch nicht sagen.“
Duncan reichte es. Er konnte sich nun gut vorstellen, warum er dazu die Verbindung benötigte. Am selben Tag noch begann sein Vater mit ihm zu üben. Sie wählten die Frostfähigkeit, weil sie weniger Schaden im Haus anrichten konnte. Feuer müsste Duncan dann in ähnlicher Weise benutzen. Zum Trainieren benutzten sie einen Eiskübel. Duncan wusste zuerst nicht richtig, wozu er den brauchte, denn eigentlich hatte er gedacht, dass er jemanden einfrieren sollte, bis Droy ihm die Aufgabe schilderte.
„Also, das Eis in diesem Kübel sollst du zum Schmelzen bringen.“ Duncan sah ihn verdutzt an. Droy verstand, warum er unschlüssig war. „Das sollst du tun, damit du einen Eindruck von der Temperatur bekommst. So kannst du langsam die Temperatur ändern und dich somit stetig an deine Fähigkeit herantasten. Wenn das Wasser geschmolzen sein sollte, ob nun mit Zauberkraft oder ohne, dann probier es andersherum und lass es gefrieren, verstanden!? Am Anfang ist es einfacher, wenn man Eis abkühlt, weil die Außentemperatur noch mithilft.“
„Ich glaub, das kann ich machen“, meinte Duncan munter.
„Okay, dann viel Glück. Ich geh runter ins Wohnzimmer, mich brauchst du ja dazu nicht, aber wenn irgendwas ist, dann gib Bescheid! Du kannst übrigens froh sein, dass du mit einem Eimer trainieren kannst. Deine Mutter musste damals für ihre naturelle Gewitterfähigkeit im Regen üben, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Das muss erst mal eine Tortur gewesen sein.“ Er ging einen Schritt in Richtung Tür. „Ach so, bevor du anfängst, stell vorher sicher, dass die Verbindung zu dem Eis besteht.“
Er verließ den Raum und ließ Duncan in seinem Zimmer allein. Unsicher starrte er auf den Kübel. Wie von seinem Vater angeraten, prüfte er die Verbindung und spürte eine eisige Kälte in ihm aufkommen, deren Härte allmählich nachließ.
Dass das Eis schmolz war nach einer halben Stunde immer noch nicht ihm zu verdanken, so dass es ihm genügte und er es für den ersten Versuch dabei beließ. Später probierte er es zwar weiter, doch es zeigten sich keine Anzeichen von Magieeinwirkungen. Auch als er aus dem später vorhandenen Wasser Eis machen wollte, funktionierte es nicht.
An einem anderen Tag war ihm, als ob die Oberfläche des Eises viel schneller als sonst geschmolzen wäre, doch ganz sicher war er sich dessen nicht. Ein weiteres Mal verflüssigte er den Eiswürfel in seiner Cola, wonach er sogar überzeugt war, dass er das getan hatte, doch es klappte unglücklicherweise kein zweites Mal. Was er nach einiger Zeit allerdings gut konnte, war das Wasser kälter zu machen, als es vorher war. Um das festzustellen benutzte er ein Thermometer, das von 20° Zimmertemperatur auf 5° abfiel. Er schaffte diesen Unterschied allerdings nur ein einziges Mal. Leider würde ihn das im Kampf mit einem Dämon überhaupt nicht weiter bringen, weshalb er fleißig weiterarbeitete.
In den Wochen, in denen er seine Fähigkeiten erforschte, stellte er sich immer öfter die Frage, wann wohl der nächste Dämon angreifen würde. Doch merkwürdigerweise trafen die Prophezeiungen seiner Eltern nicht ein, die besagten, dass es gefährlich werden würde und er ständig der Gefahr ausgesetzt war, angegriffen zu werden. Durch das glückliche Fehlen von Dämonen in seinem Umfeld konnte er sich jedoch nicht an ihre Existenz gewöhnen. Seine Eltern schienen den Mangel an Vorsicht, der dadurch entstand, zu bemerken und erinnerten ihn täglich an die Gefahr. Allmählich empfand Duncan es aber nur noch lästig, jeden Morgen zu hören, dass er vorsichtiger sein müsse. Wie es im Leben allerdings so war, konnte Leichtsinn einen nur allzu schnell ins Verderben bringen.
4
Der Geburtstag von Duncan rückte nun immer näher, doch dieses Jahr freute er sich nicht sonderlich darauf, da er nicht mit seinen Freunden feiern durfte und es somit recht langweilig für ihn werden würde. Außerdem hatten seine Eltern keine Planung in irgendeiner Weise erwähnt, so dass ihm ein ganz normaler Tag bevorstand. So etwas wie eine Überraschungsparty konnte er sich bei seinen Eltern auch nicht vorstellen, denn sie zogen es normalerweise vor, ihn auf andere Weise hinters Licht zu führen. Auf die Geschenke von seinen Freunden, die er auch ohne Feier bekommen würde, freute er sich am meisten, denn sie ließen sich bei jedem aus der Clique immer etwas ganz Besonderes einfallen. Das würde wahrscheinlich auch der Höhepunkt des Tages werden. Nach seiner Vorstellung würde er den Rest mit Fähigkeitentraining verbringen.
Als der Tag schließlich heranbrach, ging Duncan zur Schule, ohne irgendetwas von dem, was seine Eltern vorhatten, zu ahnen. Er überlegte den ganzen Weg, was seine Freunde ihm wohl schenken mochten. Bis es endlich so weit war. Einer nach dem anderen kamen sie und gratulierten ihm zum Geburtstag, indem sie ihn umarmten und alles Gute wünschten. Sie waren alle etwas früher erschienen, um so wenigstens ein wenig mit ihm zu feiern. Die Geschenke hatten sie alle mitgebracht und überreichten sie dem aufgeregten Duncan, der sich gierig daran machte, das Geschenkpapier von jedem Paket zu lösen. Jade hatte vorsorglich eine Tüte mitgebracht, in die sie den Abfall hineinwarfen.
Siri schenkte ihm eine CD von seiner Lieblingsgruppe, von Angie bekam er ein tolles Buch über Mystisches, das er sich von ihr gewünscht hatte, von den Sarahs, die zusammengelegt hatten, mehrere kleine, lustige Dinge, über die er sich sehr freute und von Jade das schönste Geschenk und zwar eine Sammlung von Hundefiguren und ein paar Sachen von Raubkatzen. Er fand das von Jade am besten, weil er Tiere, besonders Hunde, richtig gern hatte und sich auch ein Haustier wünschte, doch seine Eltern waren gegen jegliche Tierarten. Bevor der Unterricht begann, verstaute er alle seine schönen Geschenke im Schließfach, um sie später unbeschadet mit nach Hause nehmen zu können.
Der Unterricht langweilte ihn an diesem Tag besonders und kam ihm noch öder als sonst vor. Aus diesem Grund war er froh, als er es hinter sich hatte. Anders als üblich verabschiedete sich Duncan schon vor dem Raum, in dem sie die letzte Stunde verbracht hatten, weil er, bevor er ging, noch mal auf die Toilette musste. Das fand er zwar irgendwie merkwürdig, da er bis jetzt noch nie nach der letzten Stunde dieses Bedürfnis gehabt hatte, doch es war auch nicht zu ändern.
„Viel Spaß heute noch!“, sagte Siri und umarmte ihn zum Abschied wie immer.
Duncan antwortete sarkastisch, aber auch irgendwie traurig: „Na sicher, als wenn heute noch etwas los wäre.“
Als nächstes umarmte er Jade, die ihm auch noch einen schönen Tag wünschte. Genau in diesem Augenblick hatte er ein seltsames Gefühl, das er nicht beschreiben konnte. Es war wie eine Vorahnung, doch er wusste nicht, was sie bedeutete. Er drückte Jade etwas stärker, was sie erwiderte. Bei Angie und den Sarahs hatte er genau dasselbe Empfinden und verabschiedete sich inniger von ihnen als üblich.
Sie riefen ihm alle noch ein „Bye“, „Tschau“ oder „Bis dann“ entgegen, drehten sich um und liefen zur Treppe. Duncan sah ihnen hinterher, wobei sich das Gefühl, was ihn dazu veranlasst hatte, sich intensiver von ihnen zu verabschieden, in etwas Schlechtes und Unheimliches verwandelte. Es war, als würde er von einer Vorahnung zur nächsten übergehen, die beide mit seinen Freunden zu tun hatten. Darüber machte er sich Sorgen, doch konnte er nichts unternehmen, bevor er es nicht irgendwo einordnete.
Sie waren nun aus seinem Blickfeld verschwunden, er hörte nur noch ihre angeregte Unterhaltung, also drehte er sich um und lief den Gang entlang zu den Toiletten. Vertieft in Gedanken über diese undeutliche Vorahnung wurde sein Gefühl mit einem Mal noch schlimmer. Kurz vor dem Ende des Ganges war ihm, als würde er eine weitere Vorahnung haben. Langsam fand er es sehr merkwürdig und setzte seine Stirn in Falten. Irgendetwas war hier faul. Seine Blase drückte doller, also beeilte er sich.
Bei den Toiletten befand sich ein weiterer Treppengang und als Duncans Blick auf die Treppe fiel, bekam er einen kleinen Schock. Er dachte nun zu wissen, was die letzte Vorahnung zu bedeuten hatte, denn Chris stieg sie gerade empor und steuerte ebenfalls die Toilette an. Duncan stellte kurze Zeit später jedoch fest, dass das nichts mit seiner Vorahnung zu tun hatte. Das spürte er irgendwie, auch wenn er nicht wusste, was es zu bedeuten hatte.
Er überlegte erst, ob er wieder umdrehen sollte, denn zusammen mit seinem Erzrivalen wollte er nicht aufs Klo gehen. Andererseits würde es lächerlich aussehen, wenn er umdrehte, also lief er weiter. Chris sah ihn ebenfalls und schien genauso kurz zu stoppen und zu überlegen, ging dann aber auch weiter.
Duncan erreichte den Eingang als erster und zwängte sich durch den offenen Türflügel. Chris war dicht hinter ihm und betrat den Teil mit den Waschbecken kurz nach ihm. Er spürte seinen beißenden Blick auf sich, was ihm nicht gefiel. Am liebsten würde er nun unsichtbar werden, doch das durfte er nicht. Er lief schneller, um aus Chris’ Blickfeld zu entschwinden. Auf einmal spürte er, wie sich in ihm seine magische Kraft regte. Mit Schrecken stellte er fest, dass sein Unterbewusstsein sein Bedürfnis nach Verborgenheit tatsächlich verwirklichen wollte. Er hatte nur kurz daran gedacht und schon wollte sein Körper dies in die Tat umsetzen. Er wehrte sich dagegen, denn sonst würde alles auffliegen und dieser böse Zauberer würde wissen, wo er sich befand. Duncan kämpfte mit aller Macht dagegen an, aber er konnte die Peinlichkeit, die sein Verlangen nach Unsichtbarkeit erst auslöste, einfach nicht unterdrücken.
Er war bereits an einer von den hinteren Kabinen angekommen und betrat sie eilig. Er konnte es im letzten Moment verhindern, dass er verschwand. Das Verlangen ließ nun etwas nach und er atmete erleichtert auf. Die Schritte vernehmend, hörte er wie Chris in eine Kabine ganz am Anfang ging.
Er erledigte sein kleines Geschäft so schnell wie möglich, wobei es ganz still im Raum wurde, so dass nur die leisen Geräusche der beiden zu vernehmen waren. Durch den widerhallenden, gefliesten Raum hörte man ihre Befreiungen mehr als deutlich, was ihm die Entlastung ganz und gar nicht versüßte. Man hörte dadurch ebenfalls, dass sie allein auf der Toilette waren. Unglücklicherweise waren sie gleichzeitig fertig, wie die eintretende Ruhe erkennen ließ, und öffneten fast parallel die Türen. Sie sahen sich kurz mit verachtendem Blick an, wonach sie sich auf dem Weg zum Waschbecken machten. Duncans Verlangen nach Unsichtbarkeit stieg auf einmal wieder enorm an und obwohl er es vermeiden wollte, verschwand auf einmal sein Arm. Über diesen hatte er seine Macht verloren. Chris sah glücklicherweise gerade in die andere Richtung, denn er war bereits beim Waschbecken und wusch sich die Hände, während er ihn missachtend ignorierte. Duncan, den Arm hinter seinem Rücken, stand derweil vor der Kabine, in der Chris gewesen war, und hoffte, dass der den Raum schnell verlassen würde. Währenddessen kämpfte er gegen sein Verlangen an. Die Angst vor der Enthüllung seines Geheimnisses eroberte den Einfluss seines Unterbewusstseins, so dass er es schaffte, den Arm wieder sichtbar zu machen. Er atmete erleichtert auf, als Chris mit Waschen fertig war und sich gerade zum Ausgang aufmachte.
Plötzlich flog die Tür mit einem lauten Knall zu. Beide blickten erschrocken zum Eingang. Duncan spürte, dass seine Vorahnung sich auf dieses Ereignis bezogen hatte. Er stellte fest, dass es keinen Grund für das Zufliegen der Tür gab. In dem Raum wehte weder Wind, denn kein Fenster war geöffnet, noch hörte man jemanden außerhalb der Toiletten, der dafür verantwortlich gewesen sein könnte.
Chris, der ebenfalls ein bedrückendes Gefühl zu bekommen schien, rannte zu der Tür und versuchte sie zu öffnen, doch er bekam sie nicht auf. Duncan hatte es geahnt. Irgendetwas stank zum Himmel, das wusste er sicher.
Schließlich drehte sich Chris zu Duncan um und sah ihn mit finsterer Miene an. Er schien Duncan dafür verantwortlich zu machen, dass die Tür geschlossen war und er mit ihm dort festsaß.
Er öffnete eben seinen Mund, um etwas zu sagen, als man in dem schallenden Raum einen lauten Aufprall von etwas Matschigem hörte. Ein riesiges schleimiges Monster, das aus einer sich bewegenden Schlammmasse bestand, war hinter Chris wie aus dem Nichts aufgetaucht. Chris’ Gesicht verzog sich vermutend zu einer ängstlichen Grimasse, während er sich vor Furcht langsam umdrehte und dem angsteinflößenden Monster ins Maul sah.
Duncan wusste nicht, was er tun sollte. Chris fing an, sich rückwärts von dem Ding wegzubewegen. Der Schleim des Monsters lief ununterbrochen in Wellenbewegungen nach unten. Es war nur eine einzige Masse aus Schleim ohne Gliedmaßen mit einer Art Gesicht in der Mitte.
Es gab einen tiefen Brülllaut von sich und formte daraufhin aus seinem Körper zwei Arme, die nach Chris griffen, ihn aber verfehlten, da er sich reflexartig duckte und schnell zurück zu den Waschbecken rannte. Die Arme des Monsters prallten zusammen, als sie ihr Ziel verfehlten und spritzten große Stücke Schleim oder Schlamm durch den Raum. Dabei verschmolzen die Arme erst miteinander und dann mit dem Ganzen, so dass ein großer Klumpen zurückblieb.
Duncan war sich nicht einig, was er tun sollte. Er müsste in Gegenwart von Chris zaubern, um ihm zu helfen. Er war sich jedoch nicht mal sicher, ob er überhaupt etwas ausrichten konnte. Das Schleimmonster ließ sein gesichtähnliches Gebilde nach innen verschwinden und drückte es an der Körperseite, die Chris zugewandt war, wieder heraus. Der hatte sich bis in die Ecke des Raumes bei den Waschbecken zurückgezogen. Es bewegte sich mit rutschenden und gleichzeitig ineinanderfließenden Bewegungen auf Chris zu, der vor Angst weiter nach hinten zu gelangen versuchte, doch dort war bereits die Wand. Das Monster war verdammt langsam, so dass Chris Zeit hatte zu Duncan zu sehen.
„Was soll das!“, rief er, mit der Vermutung, dass er dahinter steckte.
Duncan hatte diese falsche Annahme wohl verdient, weil er seine Magie gegen Chris angewendet und somit den Grundstein für diesen Verdacht gelegt hatte. Duncans erster Schock war dadurch wie verflogen, denn er musste sein rechtes Bild wieder herstellen. Außerdem war es Notwendig, dass er irgendetwas tat, egal um welchen Preis. Doch als er gerade eine seiner Zauberkräfte einsetzen wollte, versperrte ihm ein weiteres Monster die Sicht auf das Geschehen in der Ecke. Vor Schreck erschuf Duncan die Schutzhülle und verhinderte somit, dass das Monster, welches aus reinem Feuer bestand, mit der Hand von oben nach ihm schlagen konnte. Die Hand wurde mit einem Zischen zurückgeschleudert und der Arm durch die Wucht aus der Schulter gerissen, so dass er irgendwo am anderen Ende des Zimmers landete und dort knisternd weiterbrannte.
Von hinten bemerkte Duncan ein weiteres Zischen und als er sich blitzartig umdrehte, blickte er einem dritten Monster in die Augen, dessen Körper vollkommen aus Wasser bestand. Auch dieses hatte versucht, nach Duncan zu schlagen, wurde aber ebenfalls durch die Schutzhülle gehindert. Der Arm des Wassermonsters, der mit der Hülle in Berührung gekommen war, löste sich in Dampf auf. Sofort floss jedoch neues Wasser vom restlichen Körper zu einem neuen Arm zusammen. Auch das Feuermonster hatte einen neuen Arm aus Flammen erschaffen.
Duncan stellte sich seitlich zu den beiden Monstern und sah sie abwechselnd an, damit er möglichst keinen aus den Augen ließ. Beide probierten weiter mit Schlägen durch Duncans Hülle zu kommen, jedoch erfolglos. Wenn ein Arm erledigt war, nahmen sie den anderen, wobei sich der zerstörte Arm wie von selbst erneuerte.
Er musste etwas unternehmen, denn wusste er nicht, wie lange er die Kraft aufrecht erhalten konnte. Außerdem war Chris dem Schleimmonster schutzlos ausgeliefert und das nur, weil Duncan die Beherrschung verloren und seine Unsichtbarkeit eingesetzt hatte, das war ihm mittlerweile klar.
Keine von den Fähigkeiten, die er beherrschte, war fähig etwas gegen die Monster auszurichten. Er erinnerte sich in diesem Moment daran, wie er die anderen Fähigkeiten das erste Mal eingesetzt hatte. Jedes Mal zeigten sie sich, wenn er sie dringend brauchte. Wenn er Glück hatte, funktionierte das nun mit seiner Frostfähigkeit. Mit dieser würde er es vielleicht schaffen, die Monster zu besiegen. Er musste es versuchen. Das war seine einzige Chance, denn mit der Feuerfähigkeit war er noch zu ungeübte, als dass sie auf anhieb einschlagen würde.
Er hörte Chris schreien, doch der Blick auf ihn wurde von dem Feuermonster versperrt. Seine Flammen schlängelten sich bis hoch an die Decke und ließen seine Umgebung verschwimmen. Duncan musste sich beeilen.
Er nahm all seinen Mut zusammen, griff nach der Verbindung mit der Natur, die in ihm jetzt sehr stark war und versuchte sich an alle Übungsstunden zu erinnern, um das Feuermonster einzufrieren.
Die Fähigkeit schien zu wirken, denn das Monster hörte auf gegen die Hülle zu schlagen und sah sich verwundert an. Etwas passierte mit ihm, das es nicht erwartet hatte. Duncan sah wie die Flammen kleiner wurden, was hieß, dass dem Monster Energie entzogen wurde. Dann warf Duncan noch einmal all seine Macht in die Fähigkeit, um dem Monster den letzten Rest zu geben und schlagartig erstarrten die Flammen zu Eis. Dieses Monster war erledigt.
Doch da Duncan noch nicht stark genug war, um zwei Fähigkeiten auf einmal zu benutzen, verschwand die Schutzhülle bei seinem Angriff und machte den Weg zu Duncan für das Wassermonster frei. Außerdem hatte er dem Wassermonster den Rücken zugekehrt, um es mit dem Feuermonster anzunehmen, so dass er nun einen heftigen, feuchten Schlag auf den Rücken bekam, wobei er nach vorn auf den Boden flog. Er drehte sich rasch um und sah wie das Monster auf ihn zugeflossen kam. Es bewegte sich noch merkwürdiger, als das Schleimmonster. Die Füße schienen über den Boden zu fließen und hinterließen dabei eine Wasserlache, die einem Teich gleichkam.
Bevor es Duncan noch mal mit einem Schlag treffen konnte, setzte er seine Frostfähigkeit ein und ließ auch dieses Monster zu Eis erstarren. Beim zweiten Mal ging es viel schneller als bei dem Feuermonster.
Nachdem er diese zwei Monster erledigt hatte, sah Duncan in die Ecke, wo Chris bis vor kurzem noch gestanden hatte. Nun erblickte er nur noch das Monster und einen Arm, der am Boden lag. Das Monster bedeckte Chris fast vollständig und ließ ihm keine Luft zum Atmen.
Duncan fragte sich schon, ob er zu spät kam. Ohne länger zu zögern benutzte er den Heräis-Trick und schleuderte das Monster von Chris’ Körper. Es landete mit einem Platsch an der Wand und rutschte diese hinunter. Chris atmete erleichtert auf und schnappte schwer nach Luft. Hastig sprang er auf und entfernte hektisch die Überreste des Monsters von seinen Sachen, die hängen geblieben waren. Manche davon bewegten sich sogar noch.
Das Monster war gerade dabei, sich wieder aufzurichten, indem es den Schleim nach oben pumpte, da benutzte Duncan erneut den Frost und ließ ihn genauso erstarren.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Duncan besorgt.
„Ja, es geht schon“, antwortete Chris hechelnd und dankbar. Er hatte begriffen, dass Duncan nichts mit der Attacke zu tun hatte.
Duncan kam vom Boden hoch und sah sich im Zimmer um. Wenn das jemand sehen würde? Die Figuren standen um ihn herum und überall lagen Reste von ihren Körpern. Plötzlich erschrak sich Chris lauthals und ließ Duncan zusammen zucken. Als er zu ihm sah, sah Chris nach unten auf sein Bein. Ein Stück Schleim von dem Monster schlich daran hoch. Er versuchte es abzuschütteln, doch es klebte zu fest. Da griff Duncan ein und sagte: „Schlamm!“, während er mit einer Hand in die Ecke zeigte und dann damit durch den Raum zur anderen Seite wanderte. Der Schleim von Chris’ Bein löste sich und flog zusammen mit den anderen Resten, die überall verstreut lagen, durch den Raum zu der Ecke auf der Duncan mit der Hand stehen geblieben war. Als nächstes ließ er auch diese Reste zu Eis erstarren, damit sie keinen Schaden mehr anrichten konnten.
Weil er sich nicht sicher war, ob das Feuer, welches von den Armen des Feuermonsters stammte, auch weiterlebte, wollte er es ebenfalls unschädlich machen. Da die Gefahr größten Teils gebannt war, wollte er versuchen, das Feuer mit seiner anderen Fähigkeit zu löschen, wie er es auf dem Blatt gelesen hatte. Jetzt, wo er Frost mehr oder weniger beherrschte, müsste Feuer genauso funktionieren, so dachte er. Also richtete er seine Augen auf die Feuerstellen und nahm seine Kraft zusammen und schon wurden die Flammen kleiner, immer kleiner bis sie im Nichts verschwanden.
Um das Wasser des Wassermonsters brauchte er sich nicht mehr zu kümmern, denn das war bereits durch kleine Abflüsse in den Fliesen verschwunden. Er musste nur noch die Figuren erledigen, doch Chris war so verwirrt, dass er anfing Fragen zu stellen. Duncan verstand das sehr gut; er selbst konnte es ja kaum glauben, dass er diese Monster fertiggemacht hatte, also kümmerte er sich vorerst um ihn.
„Wie machst du das? Und was waren das für Dinger?“
Duncan setzte zur Antwort an, doch hatte er keine Zeit zu antworten, denn in diesem Augenblick erschien Droy zwischen den Eisfiguren, in geduckter Stellung, auf alles vorbereitet. Er erkannte, dass in diesem Raum keine Gefahr mehr bestand. Über ihm schwebte eine Gaskugel, in der der Kopf eines älteren Herrn zu sehen war. Duncans Instinkt sagte ihm, dass er diesen Mann kannte oder ihn zumindest schon einmal irgendwo gesehen hatte.
Droy stellte sich aufrecht hin. „Warst du das, Duncan?“, fragte er verblüfft.
Duncan nickte bescheiden und sah aus den Augenwinkeln, dass Chris nun ein noch verwirrteres Gesicht an den Tag legte.
„Kann mir das einer erklären? Woher kommen Sie?“ Er schien langsam wütend zu werden.
„Das erklären wir dir gleich“, sagte Droy zu Chris und wandte sich dann zurück zu Duncan. „Haben euch die Golems auch nichts getan? Keine Kratzer oder andere Wunden?“
„Nein! Diese… Golems waren das also? Der Wassergolem hat mich am Rücken getroffen, ja, aber der ist nur nass. Mir tut nichts weh oder so. Ich weiß aber nicht, ob Chris etwas abbekommen hat.“ Duncan sah zu Chris, doch der schüttelte mit dem Kopf und versicherte, dass ihm nichts fehle.
Nun meldete sich der Mann in der Gaswolke zu Wort: „Ich hab dir doch gesagt, er wird mit so etwas fertig, Droy.“
„Wer ist das denn?“, fragte Duncan seinen Vater.
„Das ist dein Großvater“, meinte Droy lächelnd.
„Das hast du gut gemacht, Duncan. Wir sind stolz auf dich. Übrigens herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, fügte Großvater hinzu.
„Danke“, erwiderte Duncan verlegen. Auch er war jetzt verwirrt. Warum hatte er einen Großvater? Und was war das für eine Wolke, durch die er sprechen konnte? Bevor er diese Fragen laut aussprechen konnte, redete Droy wieder: „Jetzt müssen wir nur noch diesen Saustall aufräumen. Duncan, deine Frostfähigkeit scheinst du ja jetzt zu können, also nutz die Gelegenheit um die Feuerfähigkeit zu üben und lass diese Gestalten verbrennen.“
Chris murmelte „Feuerfähigkeit?“ fragend vor sich hin.
„Ich kann’s probieren“, meinte Duncan skeptisch. „Vorhin hat es kurz funktioniert.“
Er konzentrierte sich auf das Eis im Raum, doch lenkte ihn der Gedanke, dass ihn alle erwartungsvoll beobachteten, zu sehr ab. Es passierte nichts. Die Figuren blieben eiskalt stehen.
„Na gut. Dann üben wir es ein anderes Mal. Trotzdem eine reife Leistung“, sagte Droy kein bisschen enttäuscht.
„Beim nächsten Mal klappt es“, versicherte Duncans Großvater.
Diese Bemerkungen deprimierten Duncan etwas. Er wollte es unbedingt schaffen und gab nicht auf. Als Droy schon dabei war, die Sache mit den Figuren selbst in die Hand zu nehmen, da ging das Ganze Eis im Raum in Flammen auf und schmolz zu Wasser. Es dauerte nicht lange, da war kein Eis mehr übrig, sondern nur noch der Fußboden mit dem ablaufenden Wasser durchtränkt.
„Nicht schlecht“, lobte Großvater ihn.
Duncan war erleichtert. Es hatte doch noch funktioniert.
„Wie machst du das?“, wiederholte Chris.
„Das erklärt er dir“, sagte Droy zu ihm und deutete in die Richtung des Großvaters. „Wir müssen gehen?“ Damit meinte er sich und Duncan.
„Aber was ist mit diesem See hier?“, wandte Duncan ein, denn die Abflüsse waren nicht für so viel Wasser ausgerichtet und verstopften.
„Valité!“, rief Droy laut und das Wasser verschwand augenblicklich.
„Na dann“, meinte Duncan dazu.
„Komm her. Ich teleportiere uns nach Hause!“, erklärte Droy.
„Teleportieren?“, fragte Chris, als wenn er es falsch verstanden hätte.
Duncan ging zu seinem Vater, während die Wolke zu Chris hinüberschwebte und Großvater anfing, ihm alles zu erläutern.
Droy nahm Duncan in den einen Arm und sagte zu ihm: „Halt dich gut fest!“
Das letzte, was Duncan von dem Raum wahrnahm, war ein Wortfetzen von seinem Großvater, der sagte: „Du bist also Chris...“ Dann verschwand die Toilette und Duncan fand sich in einer sich kreisenden Welt wieder, die ihn schwindlig werden ließ. So schnell, wie sie aus dem Raum gerissen wurden, so schnell befanden sie sich auch schon in ihrem Wohnzimmer zu Hause. Leicht benommen ließ Duncan seinen Vater los, den er während der Fahrt fest umklammert hatte.
Als er sich erholt hatte, sagte er: „Schade. Ich dachte kurz, du lässt Chris mit dem Spruch auch verschwinden.“
„Wieso? Versteht ihr euch nicht?“
„Nicht so wirklich, ne“, sagte Duncan kopfschüttelnd.
Sie setzten sich hin. Droy in seinen Sessel und Duncan auf die Couch. Duncan dachte daran, dass sich jetzt vieles zwischen ihm und seinem Erzrivalen ändern würde. Er wusste nun von Duncans Fähigkeiten. Er ging davon aus, dass sein Großvater Chris alles erklären und ihn nicht einer Gehirnwäsche unterziehen würde. Zu alledem kam, dass er Chris das Leben gerettet hatte. Er fragte sich, was das für sie bedeuten würde.
Er wurde von seinem Vater aus seinen Gedanken gerissen: „Duncan?“ Sein Vater sah ihn mit einem Mal streng und stirnrunzelnd an. Duncan bekam sofort Schuldgefühle und überlegte, ob er etwas Falsches gesagt hatte.
„Du weißt hoffentlich, warum diese Golems euch angegriffen haben?“
Ach, darauf wollte Droy hinaus. Das hatte er schon längst vergessen.
„Ja, das tut mir leid. Ich wollte nicht unsichtbar werden. Also, mein Körper wollte es, aber ich nicht. Ich habe ja versucht, mich dagegen zu wehren, aber es hat nicht geklappt.“
„Aus welchem Grund wollte dein Körper denn unsichtbar werden?“, fragte Droy verständnislos mit ernster Miene.
„Ich weiß auch nicht“, sagte Duncan. Es war ihm sichtlich peinlich, dass er sich auf der Toilette so unwohl gefühlt hatte. „Wir beide waren da allein und das war irgendwie unangenehm. Ich weiß auch nicht, weshalb, aber es war halt so. Wahrscheinlich, weil wir uns eben nicht leiden können.“
„Das ist dennoch kein Grund, Magie einzusetzen. Erstens in Gegenwart eines Unwissenden, dann in einem öffentlichen Gebäude und zusätzlich mit der Gefahr, dass Er herausfindet, wo du dich befindest, was schließlich auch passiert ist. Das ist ungefähr alles, was man hätte falsch machen können.“
Duncan hörte diese Predigt bereits zum zweiten Mal, also wusste er, was er falsch gemacht hatte, dennoch war er der Meinung nichts dafür zu können.
„Ich wollte ja gar nicht unsichtbar werden. Es ist einfach passiert.“
„Dann musst du deine Fähigkeiten eben kontrollieren lernen.“
Das war einfacher gesagt, als getan. Schließlich arbeitete Duncan schon eine ganze Weile daran, seine Fähigkeiten zu kontrollieren bzw. zu beherrschen.
„Außerdem weiß ich sowieso nicht, was an einem Toilettenbesuch so schlimm ist“, fügte Droy hinzu. „Da musst du über den Dingen stehen.“
„Ich werde es probieren“, versprach Duncan einsichtig.
„Das hoffe ich“, meinte Droy daraufhin, jedoch nicht mehr mit seiner strengen Art, sondern eher ruhig. Er wechselte wieder in Sekundenschnelle seine Stimmung und lächelte sogar ein wenig. „So, jetzt warten wir noch schnell auf deine Mutter. Sie müsste gleich da sein, dann kannst du uns in allen Einzelheiten erzählen, was geschehen ist und wir haben dann auch noch eine Überraschung für dich.“
Bei der Überraschung horchte Duncan auf. Was konnte das bloß sein? Hatten sie etwas geplant? Bekam er ein tolles Geschenk? Vielleicht etwas, was mit Magie zu tun hatte? Als er an Geschenke dachte, fiel ihm plötzlich ein, dass seine Geschenke von den anderen noch in der Schule waren.
„Papa! Ich hab von den anderen noch Geschenke im Schließfach und mein Fahrrad ist auch noch in der Schule. Das brauch ich doch wieder.“
„Keine Sorge. Deine Sachen hole ich nachher, okay!?“
„Gut.“ Er wusste zwar nicht, womit er diese Ehre verdient hatte, doch nahm er sie gerne an.
Während sie warteten, dachte er über einiges nach. Er vermutete, dass seine Mutter von der Arbeit kam, doch da täuschte er sich, denn Dine hatte gekündigt.
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