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Hürdenlauf

4. Kapitel

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Etwas kitzelt an meinem Bauch. Ich will mich kratzen, doch als meine Finger sich meinem Bauch-nabel nähern, stoßen sie an eine Hand. Nicht meine Hand.

Ich spüre keinen Kater, nur vom Schlaf ist mein Kopf noch etwas benebelt.

Vorsichtig strecke ich mich, dann öffne ich langsam die Augen. Ein braun-blonder Schopf schmiegt sich an meine Schulter, eine große Hand, an deren Mittelfinger ein silberner Ring steckt, liegt auf meinem Bauch, ein nacktes Bein hat sich über die Decke und zwischen meine Beine geschoben.

Mein Herz macht einen Satz.

„Dani!“, sage ich und erschrecke, als ich merke, dass ich den Namen nicht nur gedacht, sondern auch ausgesprochen habe. Ob er jetzt aufwacht?

Nein. Ganz ruhig liegt er da, atmet gleichmäßig. Süß sieht er aus, wie er friedlich schläft, sacht streichele ich über seine Wange. Ich fühle ganz feine Bartstoppeln in seinem Gesicht.

Ich vergrabe meine Nase in seinem Haar, atme tief ein. Er riecht gut. Sein Haar duftet nach Haar-gel und Mandeln.

Als ich ihn berühre, bewegt er den Kopf ein wenig, seufzt zufrieden und reibt seine Stirn an meiner Schulter. Ich lege meinen Arm um ihn, halte ihn fest, drücke ihn an mich.

Wir haben miteinander geschlafen. Und wir haben beide keine Angst gehabt! Ob das bedeutet, dass wir jetzt bereit für eine Beziehung sind?

Will ich denn überhaupt eine Beziehung mit ihm? Ich bin nicht sicher…

Aber eins weiß ich genau: Ich habe Durst. Ein leckerer, heißer Frühstückskaffee wäre jetzt nicht schlecht, aber ich möchte Daniel nicht wecken. Ich überlege eine Weile, wie ich mich am besten aus dem Bett bewege, ohne den hübschen, jungen Mann neben mir aus den Träumen zu reißen. Dann nehme ich meinen Arm von ihm, schiebe behutsam seinen Kopf von meiner Schulter. Nackt rutsche ich aus dem Bett, husche lautlos aus dem Raum in die Küche und setze Kaffee auf.

Das dampfende, duftende Getränk scheint besser als sonst zu schmecken. Ob das an Dani liegt? Noch nie habe ich mich nach einer gemeinsamen Nacht mit einem Mann so gut gefühlt.

Mit meinem Kaffeebecher in der Hand gehe ich wieder in mein Schlafzimmer, lehne mich am Tür-rahmen an und beobachte den schlafenden Daniel.

Langsam wacht er auf. Er scheint gar nicht zu bemerken, dass niemand neben ihm liegt, und er merkt auch nicht, dass ich in der Tür stehe und ihm zusehe. Verschlafen streckt er sich, dreht sich in die Decke ein, kuschelt sich ins Kissen.

„Guten Morgen!“, lächele ich. Erschrocken zuckt Dani zusammen, dreht sich zu mir um und sieht mich an.

„Oh… Joni!“ Er grinst, kneift die Augen zusammen, reibt sich mit den Händen übers Gesicht und gähnt.

„Möchtest du auch einen Kaffee?“, frage ich und lege den Kopf schief. „Oder lieber was scharfes zum Frühstück?“

Danis Wangen bekommen eine leichte Rotfärbung, doch er schaut mich verschmitzt an, als wolle er sagen: „Worauf wartest du noch, Baby? Komm her!“

Ich setze mich zu ihm ans Bett, drücke ihm einen Kuss auf den Mund und meinen Kaffeebecher in die Hand.

„Trink, der ist ganz frisch. Ich hab erst einen Schluck genommen.“

Doch Dani stellt die große Tasse auf das Nachtkästchen, das ich vor 4 Jahren selbst gebaut habe, und legt seine nackten Arme um mich. Er ist ganz warm, und seine Lippen, die er jetzt auf meine drückt, schmecken verführerisch nach mehr…

Er kann nicht lang bleiben. Nach einer gemeinsamen Dusche und einem späten Frühstück muss er gehen.

„Soll ich dich fahren?“, biete ich ihm an, doch er winkt ab.

„Nein, mach dir keine Mühe. Ich fahr gern mit der U-Bahn.“

Ist das jetzt eine Abfuhr? Oder will er wirklich lieber mit der U-Bahn fahren? Ich bin ein wenig ent-täuscht.

„Sehen wir uns wieder?“, frage ich und fühle mich plötzlich wieder wie der 17jährige Junge, der gerade entjungfert wurde.

Daniel zögert. Eine Millisekunde bloß, doch die ist lang genug, um mein Herz still stehen zu lassen. Aber dann lächelt er.

„Klar!“, antwortet er, und seine blauen Augen blitzen verschmitzt. Er dreht sich der Treppe zu und will gehen, aber er soll noch nicht weg!

„Warte!“, rufe ich ihm hinterher, er bleibt stehen. „Wann? Wann sehen wir uns wieder?“

„Morgen?“, schlägt er vor.

„Nein, morgen muss ich so lange arbeiten… Und Dienstag auch. Mittwoch? Wie findest du Mitt-woch?“

„Mittwoch ist gut!“

Ich bin total zittrig. Ich traue mich kaum, die Tür zu schließen, gern hätte ich ihn noch ein bisschen länger bei mir. Kaum bin ich allein, vermisse ich ihn schon wie verrückt. Mein Herz hüpft vor sich hin, und mein Kopf fühlt sich ganz weich an. Ob ich das alles nur geträumt habe? Nein… Auf dem Esstisch krümeln sich die Beweise.

André gratuliert mir am Telefon. Ich verstehe nicht, wozu. Daniel und ich sind doch kein Paar, bloß, weil wir mal Sex hatten. Und trotzdem war es mit ihm anders… Ich kann ihn nicht in mein Buch eintragen. Er ist immer noch mehr als bloß eine Nummer von hunderten.

„Hoffen wir, dass es diesmal mit dir und Daniel lange hält“, sagt André. Er und Alex liegen noch im Bett. Gemeinsam. Die haben’s gut…

„Wir sind doch gar nicht zusammen!“, wiederhole ich, zum was weiß ich wievielten Mal. „Es war Sex. Guter Sex, zugegeben. Aber dennoch bloß Sex.“

„Ihr seht euch wieder. Das machst du sonst nie.“

„Klugscheißer!“

„Zicke!“ Ich höre ihn grinsen. Und auch ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wie ich es hasse, wenn er Recht hat!

„Ja ja, wir sehen uns wieder. Und ich mag ihn. Vielleicht ergibt sich was, vielleicht nicht.“

„Hatte er gar keine Angst?“

Ich hole tief Luft, lasse sie langsam durch die Nase ausströmen. Ich wusste, dass er das Thema ansprechen würde!

„Nein…“, antworte ich zögerlich. „Er hatte keine Angst. Zwei Jahre machen wohl eine Menge aus…“

Und weil André mal wieder meine Gedanken lesen kann, holt er mich genauso schnell aus der Situ-ation heraus, wie er mich hineingebracht hat: „Pass auf, ich reiß mich jetzt von meinem süßen Schatz los, mache ein Date mit der Dusche aus, such mir was nahrhaftes, um meinen Magen zu füllen, und dann treffen wir uns irgendwo zum Reden.“

„Gut, klingel an, dann komm ich runter.“ Dann drücke ich ihn weg. Lasse mich rückwärts aufs Bett fallen. Und weiß irgendwie nicht, ob ich glücklich oder traurig sein soll. Will ich mich wirklich auf Daniel einlassen, ein zweites Mal? Was, wenn es wieder so endet wie damals, wenn seine Angst wiederkommt? Warum denk ich überhaupt so weit? Vielleicht landet er doch einfach bloß auf der Liste und wird dann aus meinem Leben gestrichen…

Eine Stunde später sitze ich mit meinem besten Freund André in einem Café, je einen leckeren Cappuccino vor uns auf dem Tisch, leise dudeln alte Hits von Eros Ramazotti im Hintergrund. Es ist noch früh am Mittag, die meisten Leute sitzen gerade beim Essen, und so haben wir das Café fast für uns allein.

„Du hast Angst.“

Ich bin ein wenig erschrocken. Dass er so direkt mit der Tür ins Haus fallen würde, hatte ich nicht erwartet. Ihn anlügen hätte auch keinen Zweck. Für André bin ich gläsern.

„Ja“, murmele ich und halte mich an meiner Tasse fest.

„Du willst nicht noch mal so eine Enttäuschung mit ihm erleben.“

„Ich nehme Medikamente, er wird jeden Tag daran erinnert werden, dass ich krank bin! Und dann wird er wieder Angst bekommen.“

„Du bist nicht krank, du bist HIV positiv. Das ist ein Unterschied. Deine eigenen Worte.“

„Warum mach ich mich hier eigentlich verrückt… Das ist doch Unsinn…“, brummele ich, eigentlich eher zu mir als zu André.

„Oh nein, ganz und gar nicht.“ Jetzt ist sein Lächeln offen, nicht mehr frech. Er legte seine Hand auf meine. „Du machst dir Gedanken. Daniel scheint dir wirklich wichtig zu sein.“

„André, ich denk schon den ganzen Tag an ihn. Seit er weg ist, hab ich nur noch ihn im Kopf…“ Ich seufze, lasse den Kopf hängen und schließe für einen Moment die Augen.

Er liegt da, vor mir, auf meinem Bett, nackt. Meine Hand gleitet langsam über seinen Oberkörper, ruht auf seinem Bauch. Seine Lippen sind weich und schmecken süß, ich höre ihn leise keuchend atmen. Mein Herz klopft und ich bin nervös, als ich mich in seinen Schambereich vortaste und sanft über seinen Schwanz streiche. Daniel stöhnt meinen Namen: „Loki… Loki…“

„Loki!“ André holt mich aus meinen Gedanken zurück. „Noch in dieser Welt?“

„Lass uns das Thema wechseln. Bitte“, lenke ich ein. Zu viel Daniel sorgt gerade bloß für noch mehr Verwirrung in meinem Kopf.

André schafft es, mich wenigstens für ein paar Stunden halbwegs abzulenken. Wir holen Mäxchen und Moritz, gehen mit den beiden spazieren, essen ein Eis, liegen in der Sonne. Doch irgendwann ruft Alex an.

„Tut mir Leid, mein Schatz braucht mich“, verabschiedet André sich von mir. „Kann ich dich allein lassen?“

Ich nicke.

„Du meldest dich, wenn was ist. Und sag mir Bescheid, wie’s am Mittwoch gelaufen ist.“

Ich nicke.

„Vielleicht rufst du Daniel einfach mal an, bevor du mir noch durchdrehst.“

Ich nicke.

André nimmt mich in den Arm, drückt mich an sich.

„Du verdienst einen Menschen, der dich liebt“, flüstert er in mein Ohr. „Bis bald.“

Wie überrannt stehe ich da, zwei Frettchenleinen in der Hand, und sehe meinem besten Freund nach, der mit schnellen Schritten Richtung U-Bahn-Station eilt.

Daniel anrufen… Keine schlechte Idee. Wobei… Vielleicht denkt er, dass ich ihm hinterher renne. Wir haben gar nicht ausgemacht, wann und wo wir uns am Mittwoch treffen wollen. Ob es nur eine Ausrede von ihm war? Will er mich vielleicht gar nicht ein zweites Mal treffen und wollte bloß Sex?

Ich kneife die Augen fest zusammen, schnaube wütend. André hat es mal wieder geschafft! Das hat er mit Absicht getan. Jetzt werde ich den ganzen Abend durch meine Wohnung tigern, an Da-niel denken und mir Fragen stellen!

Natürlich kann ich nicht schlafen. Zu viele Dinge spuken in meinem Kopf herum. Daniel hat sich nicht gemeldet, und, ihn anzurufen, traue ich mich nicht. Mittlerweile ist es halb zwölf, und ich sollte längst schlafen. Mein Chef wird den Arbeitsbeginn nicht extra für mich nach hinten verschie-ben.

Ruhig liegt mein Handy neben mir auf dem Kopfkissen. Wenn es doch bloß klingeln würde… Oder eine kleine SMS zur guten Nacht… Aber nichts passiert. Bloß die Uhrzeit stellt sich alle 60 Sekunden eine Minute weiter.

„Ruf doch an…“, murmele ich leise vor mich hin. „Ruf doch bitte, bitte an…“

Mit dem Handy in der Hand schlafe ich ein.

Ich erkenne mich selbst nicht mehr wieder. Zwei Tage lang stehe ich völlig neben mir, immer das Handy und das Telefon im Blick, checke alle paar Minuten meine E-Mails. Aber Daniel meldet sich einfach nicht. Wahrscheinlich wollte er wirklich nur Sex…

Geknickt räume ich am Abend meine Sachen zusammen, trotte aus der Bank, setze mich in mein Auto, werfe mein Jackett und meine Tasche auf den Beifahrersitz und fahre nach Hause.

Ich finde einen Parkplatz ganz in der Nähe meiner Wohnung, klemme mir meine Sachen unter den Arm, schließe meinen Wagen durch Knopfdruck. Anrufen werde ich ihn, jetzt sofort, und ihn zur Rede stellen, jawohl!

Aber nein… Ich mache mich nur lächerlich. Er hat mich verarscht, damit muss ich wohl leben.

Im Briefkasten die übliche Post. Ein bisschen Werbung und die neuen Kontoauszüge. Mäxchen und Moritz begrüßen mich, als ich die Wohnung betrete. Daniel ist ganz vernarrt in die beiden gewesen. Ständig hat er sie hochgehoben und gestreichelt…

Ich schüttele mich. Jetzt bloß nicht melancholisch werden! Von so einer Abfuhr geht die Welt auch nicht unter.

Zum Abendbrot gibt es heute Kartoffelsalat aus dem Kühlregal, dazu ein Minibaguette zum Aufba-cken. Als Vorspeise ein bisschen Chemie mit Wasser. Irgendwann werden sie ein Heilmittel finden, und dann werde ich die Pillen nicht mehr brauchen.

Wenn man sich das lange genug einredet, beginnt man, es zu glauben.

Ab und an spielte ich mit meinen Freunden im Kindergarten „Arztpraxis“. Wir benutzten Wasser-spielzeug als Spritzen, Stöcke als Skalpell und Schokolinsen und süßen Tee als Medizin. Ralf, ein kleiner, rothaariger Junge mit hellen, blauen Augen und einer blassen Haut, hat jedes Mal die Rolle des Arztes übernommen. Seine Mutter war Krankenschwester, also brachte er die meiste Erfahrung für diesen Job mit. Die Puppenecke war das Wartezimmer, der Autoteppich der Behandlungsraum. Brav warteten wir Kinder zwischen den Puppen, bis Arzthelferin Lisa, ein blond gelocktes Mädchen und die älteste in der Gruppe, den Patienten zu Doktor Ralf rief.

„Jonas, du bist dran!“

Die Kinder gaben mir den Namen Jonas. Jonathan war ihnen viel zu lang. Dieser Spitzname hat sich bis heute gehalten.

Ich setzte mich vor Doktor Ralf auf den Autoteppich.

„Zieh deinen Pulli aus“, bat er mich. Er hatte einem der weißen Kissen von der Kuschelcouch den Bezug abgezogen und sich als weißen Kittel um die Schultern gelegt. Um seinen Hals hing eine Kastanienkette: Das Stethoskop.

Etwas unbeholfen schälte ich mich aus meinem Pullover. Ralf fuhr mit der kalten, dicken Kastanie über meine Brust.

„Du hast Krebs“, sagte er mit einem Ernst in der Stimme, als wisse er genau, wovon er sprach.

„Krebs?“, fragte ich erschrocken. In meinem Kopf entstand das Bild von einer riesigen Krabbe, die in meinem Bauch hauste. Bisher hatte Ralf harmlose Krankheiten bei mir und den anderen diag-nostiziert, die mit einer Hand voll Schokolinsen und einem Tag Ruhe auf dem Kuschelsofa schnell auskuriert waren. Und mit Schnupfen oder Husten konnte jedes Kind etwas anfangen. Aber Krebs kannte ich bloß aus dem Zoo.

„Kleine, schwarze Zellen fressen deine Lunge auf. Du musst jeden Tag fünf rote Smarties essen und drei grüne und einen braunen, dann hast du keine Haare mehr, aber das macht die schwarzen Zellen kaputt und du wirst wieder gesund. Meine Oma hat das auch.“

Stocksteif und kreideweiß saß ich da, die anderen Kinder hatten sich um mich herum versammelt. Sie alle redeten durcheinander und wollten mehr über dieses „Krebs“ wissen. Ich nicht. Ich wollte weinen, weglaufen. War wirklich so ein Krebs in mir? Hatte ich die schwarzen Zellen in der Lunge? Und was war überhaupt eine Lunge?

Die Kindergärtnerin löste den Pulk aus aufgeregten Kleinkindern, zog mich verstörten Jungen her-aus und versuchte, mich zu beruhigen, während ihre Kollegin sich um die anderen Kinder kümmer-te. Das Ergebnis der Aktion: Uns wurde das Arztpraxisspiel verboten und ich traute mich bis zum Ende meiner Grundschulzeit nicht mehr, Schokolinsen zu essen, weil ich befürchtete, dadurch mei-ne Haare zu verlieren.

Das Telefonklingeln unterbricht mich beim Abendessen. Bestimmt will André fragen, wann ich mich mit Daniel treffen werde. Wobei er genau wissen müsste, wann ich meine Medikamente nehme und, dass ich danach zu Abend esse.

„Ja?“, schmatze ich in den Hörer, schlucke hastig den Bissen hinunter. „Möller?“

„Hi Joni…“ Erschrocken fahre ich zusammen, ein Stück Brötchen rutscht in meine Luftröhre. Fest klopfe ich mir auf die Brust, huste.

„Hallo“, krächze ich zitternd. Das Brotstückchen löst sich, und mit ihm verschwindet mein Husten. Das nervöse Zittern in meiner Stimme jedoch bleibt. Mit Daniel hätte ich nie gerechnet.

„Ich wollte nur wissen, wann wir uns wo treffen wollen morgen. Du hast gesagt, du hättest Zeit…“

Täusche ich mich, oder klingt er genauso nervös wie ich?

„Und ich dachte schon, du hättest mich vergessen“, grinse ich erleichtert. Er will mich also doch nicht verarschen! „hm… Was hältst du von einem Eis? André und ich haben heute ein nettes Eiscafé entdeckt. Wir könnten uns um fünf am Potsdamer Platz treffen…“

„Okay, das klingt gut“, willigt Daniel ein. „Dann… bis morgen.“

„Ja, bis morgen.“

Kurzes Schweigen. Ich höre ihn atmen.

„Ich freu mich“, fügt er schnell an. „Tschüss!“

Dann knackt es in der Leitung und er ist weg. Benommen starre ich das Mobilteil in meiner Hand an. Hab ich das gerade wirklich erlebt? Mein Herz rast. Und ich fühle mich plötzlich unendlich glücklich.

Was soll ich bloß anziehen? Und wie begrüße ich ihn? Mit einem Kuss? Oder doch lieber bloß die Hand geben? Soll ich ihn einladen oder ihn selbst zahlen lassen?

Dieser junge, geile Kerl sorgt für so ein Chaos in meinem Kopf! Ich kann mich doch nicht so ver-rückt machen!

Aber das ist leichter gesagt als getan. Die ganze Nacht kriege ich kein Auge zu, kann das Ende meines Arbeitstages kaum abwarten, ziehe mich 4x um und mache mich zittrig, nervös aber über-glücklich auf dem Weg zum Potsdamer Platz.

Jetzt, am späten Nachmittag, knallt die Sonne nicht mehr so heiß wie noch am Mittag. Es weht ein leichter Wind, der mein geöffnetes Hemd nach hinten pustet und meinen nackten Oberkörper frei-gibt. Dank Gel und Haarspray muss ich um meine Frisur nicht fürchten.

Mit den Augen suche ich den Platz ab. So viele Menschen hier… Touristen, eine kleine Gruppe Punks, eine Frau mit Hund. Da hinten, der große, schlanke junge Mann mit dem orange-roten T-Shirt, das könnte er sein…

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