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Rollercoaster
Teil 2
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Informationen
- Story: Rollercoaster
- Autor: Marcos Rojas
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama, Diverses
Holis Leute!
Möchte mich für die Mails bedanken, war wirklich nett von euch. Schließlich braucht man dann auch ein wenig Unterstützung... Einen ganz großen Dank an Timmy, er meistert es immer aus meinen Texten etwas heraus zu holen, was tatsächlich nach Deutsch klingt. Bist der Beste! Auch danke an PetraPan für die lieben Mails und die Unterstützung. Wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen. Und am Ende mich kurz mal anschimpfen oder konstruktiv kritisieren!?! ;-) Marcos
2.
Die Sekunden vergehen, sie scheinen Stunden zu sein. Mein Gesicht ist wenige Zentimeter über seinem. Wir warten.
Langsam öffnet er seine Augen, fast schreit er auf als er mich so nah entdeckt. Wir schauen uns tief in die Augen.
Immer, wenn ich gehört habe, dass sich die Seele von jemandem in seinen Augen widerspiegeln kann, habe ich das für ein Klischee gehalten. Genau wie Leute, die sich einfach nicht zurückhalten können und sich in aller Öffentlichkeit abknutschen müssen. Jetzt aber... Nun ja, wie soll ich das formulieren? In seinen Augen konnte ich in sehr kurzer Zeit so viel entdecken. Die Überraschung wurde zur Angst. Dann kam die oberflächliche Analyse, er wollte meinen Augen und meinem Gesicht so viel entnehmen, wie nur möglich. Wahrscheinlich hatte er Angst. Und Gründe muss er wohl haben. Nicht dass ich ihm jetzt etwas antun würde...
Dann taucht Neugier auf. Schließlich vergehen die Minuten und ich habe nichts getan. Darauf beginnt er mir tief in die Augen zu schauen. Ja, es ist schon wahr, er will mehr von mir wissen, als ich es erlauben möchte. Nur mit einem Blick will er in meinen tiefsten Geheimnissen lesen. Dabei ist er süß, wie er mich forschend anschaut. Etwas muss nun getan werden! Ich lächele verlegen und dabei kommen unsere Gesichter näher. Sofort diese Änderung in seinen Augen... War das jetzt ein Funken?
Eine zusätzliche Kraft setzt ein und ich kann der Gravitation nicht widerstehen. Ich will ihn küssen. Er sieht das, wieder dieser Funken in seinen Augen. Er schließt seine Augen und ein kleiner Spalt erscheint zwischen seinen Lippen. Küss mich...
Doch halt! Das kann ich nicht!!! Man darf nur einen Menschen küssen, den man wirklich liebt. Ich meine, wo habe ich jetzt nur meine so arg verteidigten Prinzipien???
Ich halte inne, er wartet immer noch. Immer noch...
Nicht mehr...
Seine Augen spiegeln die tiefe Enttäuschung wider.
Ich kann das nicht! Rolle runter von ihm und wir blieben wortlos neben einander liegen. Es ist sehr still im Raum und ich kann ihn atmen hören. Unsere Körper berühren sich nicht. Er bewegt sich und ich will wissen, was er macht. Er greift nach seiner Hose, dabei wischt er Tränen von seinen Augen.
Ich würde so gerne etwas sagen. Doch das kann ich nicht. Meine Kehle fühlt sich trocken an, plötzlich verschlägt es mir die Sprache und sitze nur da, schaue mir regungslos an, was dieser schöne Junge anstellt.
Er meidet meinen Blick. Als er sich fertig angekleidet hat, geht er Richtung Tür. Kurz bleibt er stehen, als ob er etwas zu sagen hätte, der innere Kampf folgt, schließlich siegt die Vernunft und mit einem Seufzer öffnet er die Tür.
Im Zimmer herrscht wieder die Stille. In meinem Kopf donnert immer noch die Tür. Dabei hatte er sie nicht einmal zugeschleudert. Ich vermisse ihn...
Schnell lege ich mich auf den Platz wo ein paar Minuten zuvor er noch lag. Doch nichts erinnert mehr an ihn...
Auf diese Welt und zu diesem Leben habe ich nun wirklich keine Lust mehr. Was habe ich denn wieder gemacht? Nicht einmal das konnte ich meistern. Robert, mein lieber, du bist wirklich ein Looser.
Langsam ziehe ich mich an und schließe hinter mir die Tür. Nummer 106... Meine Nummer 106 kann ich nicht vergessen.
An der Rezeption grinst man mich frech an. Wahrscheinlich entspreche ich aber nicht dem allgemeinen Profil, denn ich werde immer wieder von Damen angesprochen. Nein danke, das wäre jetzt wirklich zu viel.
Draußen ist es schon recht kühl. Keine Ahnung wie viel Zeit vergangen ist. Durch den Wind empfinde ich es noch kälter, doch diese kleine Qual will ich mir antun. Irgendwie ist es auch angenehm, wie er mit meinen Haaren spielt. Wie es wohl gewesen wäre, wenn ER...
Der Gedanke ist hier aber nicht erlaubt! Was war, darf nicht angesprochen werden, bedauern darf ich nichts! Man lebt ja nur einmal, und die Zeit ist viel zu kurz um ständig zurück zu schauen. Aber auf was bitte zurück schauen? Und wofür ist die Zeit zu kurz?
Die Straßen sind leer, kein Verkehr. Ich liebe die Nächte, wenn man alleine ist und nachdenken kann. Ich liebe die Stadt und ich liebe den Strand. Auch wenn die Brandung hier in Süden nicht so stark ist, wie an der Atlantikküste, trotzdem mag ich das. Einfach die Wärme des Wassers und die Frische des Windes gleichzeitig zu spüren, mit den Schuhen in den Händen entlang des Strandes zu spazieren. Wie schön wäre es, wenn ich das nicht allein machen müsste...
Schon als kleines Kind war ich in jedem Sommer hier im Süden. Nur für Ferien. Und nur um das Leben zu sehen. So richtig mitfeiern konnte ich nie. Dazu bin ich zu germanisch...
Aber sich einfach anzuschauen, wie viel Spaß es machen kann bei der Feria, einem Volksfest zu tanzen, ja das ist schon etwas Schönes. Einfach schön.
Irgendwie fühle ich den Drang zur Burg hoch zu laufen. Die Steuerlichter und die Leuchttürme leuchten überall noch grün. Ab und an rot. Die Fischer sollen so langsam zurückkehren.
Einen Lieblingsplatz hatte ich schon immer hier oben. Glücklicherweise laufen die Arbeiten hier nicht so schnell, wie in Deutschland. Alles hat seine Zeit. Aus maurischen Zeiten hatte man geerbt, das „La prisa mata“. Ja, die Eile kann wirklich töten.
Alles, was ich wollte, ist mehr und mehr und mehr. Aber, dass dabei Jahre, einfach die schönen Jahre vergehen, daran habe ich ja nie gedacht.
Die ersten Sonnenstrahlen erscheinen, doch die Stadt schläft weiter. Schließlich ist es Sonntag. Día del Diós. Ja, der Tag Gottes. Vielleicht sollte ich in die Kirche gehen. Gott und ich hatten mal so einen Pakt geschlossen. Ich ging nicht wirklich in die Kirche, aber an ihn habe ich schon immer geglaubt.
Die Glocken brechen das angenehme Hintergrundgeräusch des Hafens. Die Fischerboote sind alle zurück, ein Luxusliner nähert sich dem Terminal. Das Leben beginnt, und ich brauche mich nicht zu beeilen. Mein Handy ist aus, und so soll es bleiben. Mama weiß eh nicht, was ich mache. Wahrscheinlich denkt sie ich habe mal endlich ein nettes Mädchen kennen gelernt. Ob sie mit zwei oder drei Enkelkindern rechnet? Hm...
Alte Damen nähern sich der Kirche. Ich mag sie. Schon als Kind habe ich sie bewundert. Ein Leben lang haben sie gearbeitet, gefeiert, und auch in ihrem vorgeschrittenen Alter scheinen sie noch so graziös zu sein. Das liebe ich. Wie sie sich anziehen.
Einige kenne ich, sie sind aus unserem Bezirk, doch kommen sie hierher in die alte Kirche. Gewohnheit, sagten sie mal. Eigentlich wollen sie es sich beweisen, dass sie es noch schaffen, hier hoch zu laufen. Und das ist gut so.
Werde ich es jemals erleben, an der Seite von jemandem alt zu werden? Wird mich jemand in die Kirche begleiten, weil wir sonntagmorgens einfach nichts anderes zu tun haben werden? Schwule Beziehungen sind sowieso nur immer nur auf das Eine eingestellt. Komisch, dass ich von alten schwulen Pärchen nie etwas gehört habe. Soll das die Aufgabe meiner Generation sein? Einen schönen Jungen in dieser uralten katholischen Kirche zu heiraten, von der Sonne Málagas gestreichelt zu werden, wenn wir aus der Kirche kommen...
Hm...
Ich schaue auf den Glockenturm und denke kurz nach. Das Kreuz steht für so vieles, und mich scheint es anzulocken... Na, das wird doch nie gehen. Lieber nicht. Die Kirche lassen wir doch mal aus dem Pakt.
Es wird eh Zeit, dass ich heimgehe. Einen letzten Blick auf die nun lebendige Stadt, Sonnenbrille auf und ab nach Hause.
Eine ältere Dame versucht vergeblich die Kirche zu erreichen. Sie schaut so verzweifelt in alle Richtungen. Aber keiner ist da um ihr zu helfen. Es ist Sonntag... Ich helfe ihr, die Treppen sind wohl zu viel. Ich versuche sie zu beruhigen, dass es nun nicht das Ende der Welt ist, wenn man sich verspätet. Dabei erzählt sie mir von ihrem Enkelkind, dieses soll heute hier heiraten, und sie wollte noch ein letztes Gebet sprechen.
Die eigene Tochter kann sie angeblich nicht ausstehen, weil sie die Braut nicht mag. Sie ist einfach nichts für ihn. Er ist ja auch viel zu jung, um zu heiraten. Aber seine Eltern wollen nichts davon hören. Sie hatte damals auch mit 25 geheiratet. Sie galt als ein Kuriosum in der damals noch kleineren Stadt. Erst mit 25 traf sie ihren Traummann, einen Mexikaner, mit dem sie 56 Jahre zusammenlebte. Seit zwei Jahren ist sie nun Witwe, aber die Erinnerung an ihn zwingt sie weiter zu machen. Eigentlich hat sie keine Lust mehr zu leben...
Ich muss mit ihr in die Kirche, sie will jemanden bei sich haben, bis die Hochzeit beginnt. Also gehe ich heute in die Kirche. Zwar bin ich nicht katholisch, trotzdem kann mich die Art faszinieren, wie wichtig die Religion für diese Menschen ist und wie tief sie das Leben beeinflusst.
Die alte Dame, Consuelo, wie ich erfahren habe, glaubt felsenfest daran, dass Gott etwas machen wird, um diese Katastrophe von Hochzeit zu verhindern.
Die Kirche leert sich langsam, eigentlich passiert nur ein Austausch. Die kleinen schwarzen Zwerge verlassen die Bänke, elegant gekleidete Damen und Herren prägen nun das Bild der Gläubigen.
Irgendwie fühle ich mich komisch. Wahrscheinlich wegen der letzten Nacht. Es passiert ja ab und an, dass ich nicht schlafen kann, doch dann muss ich immer am nächsten Tag arbeiten und ohne Kaffee geht da nichts. Jetzt fühle ich mich wirklich eigenartig. Ohne Kaffee spüre ich eine Lebenskraft. Erstaunlich, was das Nervensystem meistern kann. Ich brauche diese Abwechslung.
In einem Stillgebet habe ich mir vorgenommen, heute genau so unkonventionell zu leben, wie gestern Abend. Was ich am vorigen Tag tun wollte, die Nacht am Strand und hier oben waren unüblich für mich, dennoch geht es mir so gut, wie damals als ich noch klein war, und die Last der Entscheidungen meine Schultern nicht belastete. Warum soll ich eigentlich heute nicht alles einholen, was ich jahrelang verdrängt habe? Warum kann ich es heute nicht herausfinden, wie es sich anfühlt viele Sachen zu machen, die ich immer in die Kategorie „unter meiner Würde“ eingeteilt hatte?
Consuelo muss ich schwören, dass ich nicht fortgehe. Danach darf ich nach hinten.
Zu viele Eingeladene sind es nun mal nicht. Die Gesichter sind auch nicht zu fröhlich. Wer will schon seinen Sonntag wegen einer Hochzeit aufopfern? Das ist aber sehr untypisch für den Süden.
Man spricht Spanisch und Französisch, leider nur Französisch vor mir. Gerne würde ich jetzt mal fragen, was die Dame mit dem grünen Hut gesagt hat. Aber das wäre sooo frech. Nein, das werde ich in der Kirche und bei einer Hochzeit nicht ausprobieren. Lieber analysiere ich die Menschen noch ein wenig. Wie bei der Modeschau... Soso, höhere Schichten.
Die Zeremonie beginnt. In der Kirche ist es angenehm dunkel, und da ich meine Sonnenbrille sowieso immer brauche, strenge ich mich nicht an mich umzudrehen. Die Beiden werde ich vor dem Altar eh beobachten können. Bin sogar höflich genug einem Fotografen zu erlauben, dass er mal von meinem Platz einige Eingangsfotos schießt.
Nun beginnt die eigentliche Feier. Typisch Braut. Der Bräutigam ist klassisch gekleidet, schaut sie aber nie an. Sie schaut immer wieder zu ihm, wahrscheinlich ist sie viel zu aufgeregt. Irgendwann würde ich doch so gerne an ihrer Stelle dort stehen. Einfach zwei Männer in Schwarz gekleidet. Oder in eine andere beliebige Farbe! Wenn man die Grenzen des „Normalen“ sowieso sprengt, warum dann nicht ganz?
Und jetzt kommen wir zum interessanten Teil. Consuelo weint. Sie steht zwar in der ersten Reihe, aber etwas abseits. Ihre Familie ignoriert sie. Mir tut sie Leid. Ganz vorsichtig gehe ich vor und bleibe hinter ihr stehen. Meine Kleidung ist eher unpassend, einige Gäste schauen mich auch verachtend an.
Das junge Paar wird aufgefordert sich einander zuzuwenden. Consuelo zeigt mir ihren Enkel.
Zwei traurige blaue Augen, lange schwarze Wimpern, ein länglicheres Gesicht mit feinen Zügen, eine einfach passende Nase. Dunklere Haut. Etwas scheint mir so bekannt zu sein. Fast wie ein déjà vu...
Er schaut auf Consuelo und entdeckt mich. Jetzt bin ich mir sicher. Es ist ER von gestern Abend. Die Zeit bleibt stehen. Ich bin verloren. Er kann sich nicht auf die Hochzeit konzentrieren, ich noch weniger.
Sie hat bereits ihr Jawort gesprochen. Irgendwie fehlt in der Kirche das Jubeln.
„Möchtest du, André Sebastián García Rodríguez, diese Frau als...“
Mir wird schlecht, die Gefühle der vorigen Nacht kehren zurück. Zwar ist er so weit von mir entfernt, trotzdem sehe ich einen Rollercoaster der Gefühle in seinen Augen. Wie gestern Abend. Was wolltest du mir sagen André? Er zögert... Ich zögere...
Was soll ich machen? Wieder schaut er ganz traurig weg und spricht ein kaum hörbares Ja aus.
In meinem Kopf wurde eben ein Flughafen geöffnet, alles düst davon und landet, die Gedanken prallen aufeinander. Ich sehe nur ihn, und diesen äußerst traurigen Gesichtsausdruck.
„... wenn jemand... so soll er jetzt sprechen!“
Consuelo weint, ihre Tochter wirft einen tödlichen Blick auf sie und ich fühle mich leer.
„NEIN!“ höre ich ganz überrascht meine Stimme.
„NEIN! NEIN! NEIN!“ sage ich mehrmals immer noch in der Trance.
Mein Blick trifft verzweifelte Blicke, die Tochter von Consuelo versucht zu mir zu gelangen, aber ich nähere mich dem jungen Paar. Seine Augen sind weit aufgerissen, sie schaut mich im Horror an.
„Ich liebe diesen Menschen und er liebt mich! Er kann keine Frau heiraten, weil er schwul ist! Folglich kann er nur mit einem Mann glücklich sein! Und dieser Mann bin ich!“ Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich besonders selbstsicher. Ich habe die Initiative ergriffen und jetzt habe ich auch das Sagen. Wie passend das nun mal ist... das dritte Mal klappt es wohl schon!
André steht immer noch da, ganz verblüfft, seine blauen Augen strahlen vor lauter Leben. Unsere Blicke treffen sich und ich lächele kurz. In der Kirche wird es sehr unruhig.
„Komm mit!“ rufe ich und greife nach seiner linken Hand. Er lässt sich führen und wir rennen aus der Kirche heraus.
Jetzt stehen wir vor der Kirche, die Sonne Málagas streichelt uns. Er ist in seinem Smoking, ich in Leinenhose und in einem grünen T-Shirt. Aber das macht nichts. Noch ein Lächeln, sein ganzes Gesicht strahlt. Von hinten nähert sich die ganze Armee der Gäste.
„Ich ENTFÜHRE den Bräutigam!“ schreie ich laut und ziehe ihn mit mir in eine kleine Nebengasse.
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