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Train Stop
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Informationen
- Story: Train Stop
- Autor: Mokkelchen
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Kurzgefasst
Das kommt dabei heraus, wenn man am Bahnhof steht und auf den Zug wartet, während der liebe Herr Durchsagetyp mit seinem „Verehrte Fahrgäste…“ anfängt und man selbst nebenbei über den Tod nachdenkt… ;)
Kalt. Es ist kalt. Verdammt kalt. Nicht so ein kalt, wo man ein bisschen friert, vielleicht eine rote, triefende Nase und schmerzende Ohren hat, nein, es ist so kalt, dass ich weder meine Füße spüre, noch meine Hände. Im Grunde spüre ich keines meiner Körperteile, so kalt ist es. Ich fühle mich wie ein Eskimo. Eingepackt in ungefähr tausend Lagen Stoff, die jedoch absolut nicht dazu beitragen, meinen Körper auf eine vernünftige Temperatur zu bringen. Stattdessen schlottern meine Beine, und meine Zähne klappern unaufhörlich seit etwa eineinhalb Stunden aufeinander.
Ich stehe, leider, am Bahnhof und warte auf meinen verfluchten Zug, der irgendwie der Meinung ist, bereits seit einer Dreiviertelstunde Verspätung zu haben. Das ist ziemlich mies, denn meinen Anschlusszug habe ich bereits verpasst. Großartig! Das hat mir gerade noch gefehlt. Genau die Angst, die ich immer schon gehabt habe und auch heute und jetzt noch pflege wie bekloppt, ist wie ein Albtraum über mir zusammen gebrochen. Es ist so grausam, dass ich noch nicht mal weiß, ob die Nässe in meinem Gesicht nun dank des grässlichen Windes Tränen hervorgerufen hat, oder ob ich wirklich am flennen bin – in aller Öffentlichkeit!
Neben mir stehen noch ein paar andere Leute auf dem Bereich vor dem Gleis und… scheinen nicht zu frieren. Zumindest tippt ein junges Mädchen mit nackten Händen munter auf ihrem verdammten Handy herum, welches ständig irgendwelche scheußlichen Töne von sich gibt. Am liebsten würde ich es ihr aus der Hand reißen und es auf die Gleise schmettern.
Der alte Opa trägt einen dünnen, grauen Parkamantel und keinen Schal. Auch keine Mütze. Das spärlich vorhandene graue Haar auf seinem Schädel sieht auch nicht sonderlich wärmend aus. Und der steht allen Ernstes pfeifend da und trippelt leicht mit dem Fuß herum.
An mir geht gerade eine Frau vorbei. Eine recht junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, Anfang dreißig, ich kann so was ziemlich schlecht einschätzen. Verschiedene Gerüche von Deo, Parfüm, Make Up und Shampoo steigt mir in die Nase, dass mir schlecht wird. Sie ist… ziemlich spärlich bekleidet. Stiefel mit einem schrecklich schwindelerregendem Absatz, einen kurzen, knatschroten Minirock und unter ihrer kurzen Hüftjacke (die auch nicht gerade sonderlich warm aussieht) sehe ich kein Oberteil hervorblitzen. Nur leicht gebräunte Haut und ein Bauchnabelpiercing. Ich muss unbedingt noch dringender frieren. Da kriegt man ja beim bloßen Hinsehen schon Frostbeulen!
Okay, ich verfluche ungefähr zum tausendsten Mal diese verdammte Bahn und starre andauernd auf die große runde Uhr. Ich weiß, wieso ich öffentliche Verkehrsmittel hasse. Nicht bloß deshalb, weil ich panische Angst vor ihnen habe und mir in diesen Dingern schlecht wird, nein, sie haben auch andauernd Verspätung! Sie führen immer wieder dazu, dass man Termine nicht einhalten kann, zu spät zur Arbeit oder zur Schule oder zu einer Verabredung kommt, wenn man auf sie angewiesen ist. Normalerweise bin ich weder auf Busse, noch auf Bahnen angewiesen. Nicht mal in ein Taxi steige ich ein. Sobald ich in einem geschlossenen Fahrzeug sitze, kriege ich übelste Beklemmungen, Angstzustände und mir wird furchtbar schlecht. Ich habe echt wahnsinnige Angst, das kann sich keiner vorstellen.
Und ausgerechnet heute, am verfluchten ersten Dezember, werden meine schlimmsten Albträume wahr: Fahrrad schrott, Eltern nicht da weil mit dem Auto weg, Freunde besitzen auch kein Auto, Verwandte wohnen nicht in der Stadt… und ich muss zu einem verfluchten Gespräch in die nächst größere Stadt fahren – mit dem Zug! Zug fahren ist mit Abstand das Schlimmste, was es in meinem Leben gibt. Es ist sogar viel schlimmer als zu fliegen. Was ich bisher nur einmal bin, also geflogen. Ich hab mich dabei angekotzt, was nicht sonderlich appetitlich gewesen ist. Wenn ich daran denke, wird mir direkt wieder schlecht.
Okay, Adrian, komm jetzt langsam runter und beruhig dich. Der Zug wird gleich eintrudeln. Ganz bestimmt. Du bist einundzwanzig Jahre, wohnst noch bei deinen Eltern, studierst und weißt, dass eins und eins zwei ergeben. Okay. Hirn funktioniert noch. Die Ohren auch, denn eine Gruppe von Teenies schlendert laut kreischend an mir vorbei. Kurz darauf habe ich ein leises Pfeifen im Ohr.
Ich hasse Kälte!!
Ich hasse Bahn fahren!!
Und ich wünsche mich – verdammt noch mal – am liebsten sofort wieder nach Hause in mein warmes, kuscheliges Bett, heißen Schokocappuccino trinken und London After Midnight hören. Und wenn ich schon dabei bin, mir was zu wünschen, dann möchte ich auch noch Folgendes dazu haben, quasi als Entschädigung für mein Leiden hier am Gleis!
Neben mir im Bett soll ER liegen. Dieser schöne Mensch mit seinem blau-schwarzem Haar, giftgrünen Augen und rosig weichen Lippen, die untere davon mit einem silbernen Ring gepierct. Schmales, sanftes Gesicht, schlanke Statur. Eine Stimme, die immer wie ein wenig erkältet klingt. Einen wunderschönen Sahnekaramellgeruch, den man ständig einatmen muss und der einen betörend um die Nase wabert.
Mir wird schon ganz anders, wenn ich bloß an ihn denke. Das ist er nämlich – mein Traumtyp! Ja, ich bin einer von dieser Sorte, die noch so was wie einen Wunschpartner haben. Die genaue Vorstellung, wie der Freund sein soll. Natürlich weiß ich, dass man im Leben nie wirklich das kriegt, was man sich wünscht, aber… die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt, oder nicht?! Und so lange es Menschen gibt, die mit dem absoluten Glück gesegnet sind, glaube ich daran, dass ich es ebenfalls sein werde! Wann das allerdings sein wird, steht noch nicht fest und das ist ziemlich frustrierend, weil ich bereits seit einundzwanzig Jahren drauf warte. Mir wird mal wieder bewusst, wie lang das eigentlich ist. Einundzwanzig Jahre! Kann sich das einer vorstellen? Ich habe den Mauerfall miterlebt. Na ja, zumindest nicht bewusst, denn mit drei Jahren hat man ja noch nicht so den Sinn dafür, was in der Welt abgeht. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Es geht schlichtweg darum, dass ich mit einundzwanzig immer noch Jungfrau bin. Ja, ja, lacht ruhig. Ich finde das nicht zum Lachen, sondern eher zum Heulen. Aber was soll ich bitte machen? Ich habe mich eben nicht dafür interessiert, mit irgendwem in die Kiste zu hüpfen, den ich nicht bis in den Schwachsinn liebe. Und geküsst habe ich bisher auch noch niemanden. Nicht mal dieses ausprobieren hat’s bei mir gegeben. Ich warte noch. Auf den Richtigen.
Nun stellt sich vermutlich die Frage, wie ich mir dann so sicher sein kann, was ich möchte, wenn ich noch nichts ausprobiert habe. Aber auf diese Frage habe ich eine Antwort: Mädchen interessieren mich gar nicht. Wirklich nicht. Mit zwölf, als sich alle Jungs für Mädchen zu interessieren begannen, habe ich mir beim Onanieren Jungs vorgestellt. Süße, unschuldige Jungs. Hab mir im Internet Bilder angeguckt, Geschichten gelesen, mit anderen Gleichgesinnten geschrieben. Mit fast vierzehn habe ich meinen Eltern eröffnet, dass ich schwul bin und mich Mädchen eben nicht interessieren. Meine Mutter hat’s fast ins Grab gebracht, mein Vater hat daraufhin erstmal einen großen Schluck Whiskey zu sich nehmen müssen. Heute sehen sie das viel relaxter. Mama hängt mir immer in den Ohren, ich solle mich nicht zu sehr auf einen versteifen und doch einfach mal alles auf mich zukommen lassen und Papa ist der Meinung, dass ich was mit Stefan anfangen soll – der Sohn des besten Freundes von ihm. Ich jedoch halte gar nichts von Stefan, weil er ein verfluchter Sunnyboy ist, der alles vögelt, was nicht bei zwei auf den Bäumen ist. Und ich… möchte nicht gevögelt werden. Ich möchte verführt werden. Also: Stefan gleich NO WAY!
Erneut ein Blick zur Uhr. Eine Stunde Verspätung! Mein Magen dreht sich um und… ein Gong ertönt! Oh nein… jetzt sagt der Typ mit seiner nach Erkältung klingenden Stimme sicherlich mal wieder, dass der Zug noch weitere Minuten Verspätung hat oder erst gar nicht kommen wird. Ich möchte sofort sterben.
„Verehrte selbstmordgefährdete Fahrgäste, auf Gleis zwei fährt in Kürze ein Zug durch. Ich wiederhole, auf Gleis zwei fährt ein Zug durch. Bitte stellen Sie alle ihre Wertsachen an den Rand und hinterlassen Sie den Geheimcode für Ihr Konto. Denken Sie obendrein daran, nicht zu früh zu springen, da sonst Überlebenschancen bestehen könnten. Ich werde Sie in meine Gebete einbinden. Vielen Dank.“
Mein Mund klappt auf.
Was zur Hölle war DAS?!
Hat der sie noch alle? Ich glaub ich werde wahnsinnig! Und nicht nur ich, denn die anderen Leute stoßen ebenfalls empörte Laute aus und starren die Sprechanlage an.
Herrgott, ich piss mir vor Angst in die Hosen, in einen verdammten Zug zu steigen und dieser verdammte Typ labert so einen Mist und…! Dem werd ich’s zeigen. Ich reiß den über den Tisch, wenn es sein muss!
Wütend stapfe ich in die Richtung des DB Service Stores und blicke mich um. Links entdecke ich einen Schalter und einen jungen Mann mit ebenholzschwarzem Haar, der sich hinter dem Glas kaputt lacht. Neben ihm steht ein anderer Mann, der ebenfalls vor lauter Lachen fast kaputt geht. In meinem Gesicht spüre ich atemberaubende Wärme – vor Wut!
Noch ein letztes Mal atme ich tief durch, gehe auf den Schalter zu und schlage mit meiner Faust auf den kleinen Tresen, woraufhin mich giftgrüne Augen überrascht ansehen. Die kleinen Löcher zum Sprechen im Glas sind im Kreis angeordnet, unten ist das Glas ein wenig offen um Geld und Fahrscheine hindurch zu schieben.
Der andere Typ grinst sich eine ab und klopft seinem Kollegen auf die Schulter ehe er sich verkrümelt.
„Warst du das gerade eben?“, frage ich ziemlich sauer und vielleicht eine Spur überrascht, weil… wow, der sieht ganz schön gut aus und… ich hab ihn einfach geduzt! So was mache ich normalerweise gar nicht. Au weia.
Der Typ guckt noch einen Moment ziemlich merkwürdig drein, dann grinst er und winkt lässig mit der Hand ab. Wahnsinn, sieht das schön aus…
„War doch nur ein Witz.“
„Ein WITZ?! Du verfluchter Idiot, April ist längst vorbei! Bist du noch ganz bei Trost? Ich warte verflucht noch mal eine Stunde auf meinen Zug, friere mir den Arsch ab, habe zur Hölle noch mal scheiße Angst vor’m Zugfahren und du kommst auf die verdammt blöde Idee, hier so einen scheiß Witz zu reißen?! Tickst du noch ganz sauber?“
Ich glaube, ich habe ihn ganz schön eingeschüchtert, denn er ist in den großen Lederstuhl ein wenig zusammengesunken, seine Augen hat er ein wenig niedergeschlagen und seine Hände abwehrend nach oben gezogen. Oh Gott. Sein Haar liegt ein wenig verwuschelt auf seinem Kopf und sein Gesicht ist schmal und… in dieser Uniform sieht er so wahnsinnig schlank aus. Seine Augen… sind giftgrün. Seine Stimme… klingt wie ein bisschen erkältet.
Ach du Scheiße!!!
Das ist er.
Das ist ER!!
Hilfe, ich geh kaputt. Au weia, oh scheiße und ich mache hier so eine Szene, dabei ist er doch mein Traumtyp und… oh Gott, mir ist das plötzlich furchtbar unangenehm und die Röte, die mir im Gesicht steht (ich spüre das…!), ist weder Wut noch Kälte, nein, es ist das Ergebnis von der Tatsache, dass mir das alles fürchterlich peinlich ist.
Entschuldigend blicke ich ihn durch das Glas an und spiele nervös mit meinen Fingern. Hilfe! Kann sich bitte unter meinen Füßen ein großes Loch auftun und mich verschlingen? Nein? …verdammt.
„Hör mal, lass es uns so machen: Ich hab jetzt sowieso Feierabend und als Entschädigung lade ich dich auf einen Schokocappuccino ein, okay?“
Ah, er weiß, was ich liebend gerne trinke!! Oh Gott, wenn das mal kein Zeichen ist! Ich bin hin und weg und kriege furchtbar Herzklopfen, meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding und mein Hirn scheint sich auch ein wenig zu verflüssigen. Darf ich bitte alles um mich herum vergessen und sagen, dass ich wahnsinnig glücklich bin?!
Fünfzehn Minuten später sitzen Niklas – so hat er sich vorgestellt – und ich in einem schnuckeligen Café, trinken Schokocappuccino und mir wird jedes Mal ganz anders, wenn er so süß lächelt. Oh weia, bei seinem Lächeln schmelzen echt die Polarkappen. Und er sieht so wahnsinnig gut aus. Hat sich in einem Hinterraum seines Arbeitsplatzes umgezogen und… mhh, er schaut vom Kleidungsstil ein wenig aus wie Ville Valo. Genauso furchtbar schlank und süß und einfach nur anbetungswürdig.
Niklas ist vierundzwanzig und arbeitet bei der Bahn – würg! Nicht gerade sein Traumjob, aber es macht ihm Spaß. Er wohnt alleine in der Stadt, geht abends gerne mal weg, tanzen und so und spielt Flügel. Muss mir schon vorstellen, wie er ein Lied für mich schreibt und es mir vorspielt… mhh, die Wolke, auf der ich schwebe, fliegt immer höher!!
„Hast mir eben echt eine ganz schöne Szene gemacht. So direkt war bisher noch keiner zu mir.“
Er grinst mich an und ich muss dringend rot werden. Oh Gott, das ist mir so schrecklich peinlich…
„Tut mir leid… ich… ich weiß auch nicht, wie ich… oh Gott…“
„Ich hab da eine Idee, wie du das wieder gut machen kannst.“
Ich blicke ihn ziemlich verzweifelt an. Was kommt denn jetzt?
„Du gehst am Samstagabend mit mir aus, okay?“
Meine Augen werden groß, er zwinkert mich an und setzt ein so verführerisches Lächeln auf, dass ich die Schmetterlinge in meinem Bauch flattern höre. Alles, was ich zustande bringe, ist ein total verträumtes Nicken. Niklas nickt ebenfalls.
„Prima, dann haben wir ja ein Date.“
Ich verschlucke mich spontan an meinem Schokocappuccino, wobei ich mir auch die Zunge verbrenne. Date? DATE?! Irritiert blicke ich ihn an.
„Äh… Moment mal, du bist… doch…?“
„Adrian?“
„Mhm?“
„Schokohaare, blaue Augen, Lippen, die zum Küssen nahezu perfekt sind, eine super schöne Stimme und… ein stürmisches Aufeinandertreffen.“
„Äh…“
„Was ich sagen möchte: ich hab dich gefunden.“
Niklas beugt sich über den Tisch und… küsst mich!!
Ich geh kaputt!
Wow, kann der küssen. Und seine Lippen sind so weich und er schmeckt nach Schokocappuccino und… Gott, von ihm geht ein betörender Sahnekaramellgeruch aus!
Oh Niklas… ich hab dich auch gefunden!
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