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Chaos und Ordnung

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Die Barke des Sonnengottes war schon weit in Richtung Süden gewandert, als Kutari in den wohltuenden Schatten der Tempelanlage trat. Die Übungen auf dem Kampfplatz heute Morgen hatten besonders lange gedauert und nun war er vollkommen verschwitzt und verdreckt. Obwohl er kein Priester war, würde er es niemals gewagt haben, in diesem Zustand vor seinen Gott zu treten. Nach einem ausgiebigen Bad und mit einem frischen, blendend weißen Leinenschurz bekleidet, begab er sich in Richtung des Allerheiligsten des Tempels. Das Allerheiligste selbst durften nur die Priester betreten und so verharrte er im Vorraum, direkt neben den Säulen des Durchganges.

Der Schrein des Gottes Amun war wieder geschlossen worden, denn die morgendliche Reinigungszeremonie war schon eine Weile vorüber. Die Priester gingen jetzt anderen Aufgaben nach, so dass Kutari fast ungestört niederknien konnte um, wie jeden Tag einmal, dem Gott für seine Güte zu danken, dass er dieses Leben führen durfte.

Kutari wurde geboren im 31. Jahr der Regierung des göttlichen Pharao Mencheperre, lang möge er leben, im Frauenhaus des Großen Hauses, als Sohn einer Gefährtin des Herrschers, die ihm als Tribut und Unterpfand geschenkt worden war. Doch entweder hatte seiner Mutter das Frauenhaus und der Tempel nicht genügt oder die Götter hatten sich mit ihm einen grausamen Scherz erlaubt, denn bei der Geburt war seine Haut so hell wie Papyrus und seine Haare so golden wie der Weizen auf den Feldern.

Seine Mutter war kurz nach der Geburt gestorben und sie hatte vorher niemandem verraten wollen, wer der Vater des Kindes war. Er selbst verdankte sein Leben nur der Fürsprache des Hohepriesters des Amun, der das Neugeborene als ein Zeichen seines Gottes ansah und für den Dienst an Amun reklamierte.

Die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte Kutari weiterhin im Frauenhaus. Er wurde, wie die anderen zahlreichen Kinder dort, unterrichtet und lernte lesen und schreiben. Dann wurde er dem Tempel des Amun überstellt, doch zu seiner Überraschung durchlief er nicht die Ausbildung zum Priester, wie andere Jungen seines Alters. Er lernte zwar die Rituale und Mysterien des Gottes Amun, doch niemals trug er den Umhang eines Priesters noch wurde ihm der Kopf kahl geschoren.

Dies wäre jedoch unbedingt notwendig gewesen für die höheren Weihen, denn ein Priester musste rituell rein sein und Haare störten die absolute Reinheit.

Stattdessen begann nach einiger Zeit, eine für Kutari sehr verwirrende Ausbildung. Im Haus des Lebens lernte er die Grundbegriffe der Medizin, im Haus des Todes brachten ihm Anubispriester bei, wie die Toten für ihre Reise durch die Unterwelt vorbereitet wurden. Im Tempel der Maat unterrichteten ihn Schreiber in fast sämtlichen Gesetzen des Landes und als ob das nicht genug gewesen wäre, begann er eine Ausbildung an Waffen wie Speer, Bogen oder dem Kampfstab.

Jede seiner zahllosen Nachfragen nach diesen seltsamen Anordnungen beantworteten die Priester lediglich mit den immer gleichen Worten.

„Es ist der Wille des Herrn Amun.“

Jetzt, mit zwanzig Jahren, war Kutari immer noch im Dunkeln über den Willen seines Gottes, aber er hatte nie aufgehört, ihn jeden Tag bei einem Gebet danach zu fragen.

„Du suchst immer noch nach Antworten?“

Die Worte klangen fest und selbstsicher, obwohl der Sprecher seiner Stimme nach schon ein hohes Alter erreicht haben musste.

Kutari erhob sich aus seiner knienden Haltung in Sichtweite des Götterschreines, um sich nur kurze Zeit später tief vor dem Hohenpriester zu verneigen.

Mencheperreseneb war seit fast zwanzig Jahren Hoherpriester des Amun. Er musste in seiner Jugend ein wahrhaft imposanter Mann gewesen sein. Das Alter hatte Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, aber seine Gestalt stand gerade wie ein Obelisk und er überragte Kutari fast um eine halbe Handbreite, obwohl dieser schon sechseinhalb große Spannen maß und damit alle übrigen Priester des Tempels überragte. Der kahle Schädel des Hohenpriesters glänzte frisch eingeölt über einem schmalen Gesicht mit grauen Augen. Noch jetzt konnte man dem Mann ansehen, dass er einst muskulös und sportlich gewesen sein musste. Gekleidet war er in einen tadellosen weißen, vielfach gefalteten Leinenschurz und das offizielle, als Umhang gearbeitete Leopardenfell. In der Hand hielt er einen schmucklosen, fast mannshohen Stab.

„Ich gebe nicht auf, so lange zu suchen, bis ich eine befriedigende Antwort gefunden habe, Herr.“

„Eine interessante Antwort. Zum einen wirft es einen interessanten Blick auf deinen Charakter, zum anderen ist es wohl gerade jetzt an der Zeit, ein paar Fragen zu beantworten, wenn auch nicht alle.“

Der alte Mann gab Kutari ein Zeichen sich zu erheben. Ausgiebig studierte er die Gesichtszüge des Jüngeren, dann seufzte er leise. Sich langsam umsehend winkte er Kutari mit der Hand.

„Folge mir. Selbst hier haben die Wände Ohren.“

Sich erstaunt umsehend folgte Kutari dem alten Mann durch den Tempel hinaus in den umgebenden Garten. Am Teich der Meditation setzte sich der Hohepriester auf eine Steinbank und bedeutete Kutari, sich neben ihn zu setzen.

„Hier sollten wir einigermaßen ungestört sein. Es sei denn, eine der Enten könnte uns belauschen.“

Kutari lachte, doch der Hohepriester fasste kurz einige der Enten nachdenklich ins Auge, als ob sie sich verdächtig gemacht hätten. Dann begann er leise zu erzählen.

„Ich habe dich gesehen, kurz nach deiner Geburt, als die Frauen kopflos durcheinander liefen, der Oberste der Ärzte zitternd in einer Ecke saß und der Wesir wutentbrannt den Raum verließ um seiner Göttlichkeit zu berichten. Ich habe in deine Augen gesehen und wusste, du bist ein Zeichen Amuns.“

Kutari schlug seine Augen nieder, die so blau waren, wie das Strahlen des Himmels.

„Wusstest du, dass Gott Amun blaue Augen hat?“

Oh, ja. Er wusste es. Am ersten Tag im Tempel, bei der ersten Versammlung bemerkte er, wie andere Akolythen mit dem Finger auf ihn zeigten und leise miteinander wisperten. Scheue und auch furchtsame Blicke wanderten hin und her zwischen ihm und dem Schrein des Gottes.

„Ich habe unserem göttlichen Pharao dein Leben abgerungen, um es Gott Amun zu weihen, für einen ganz bestimmten Zweck.“

Die Pause wurde länger und Kutaris Gesichtsausdruck erwartungsvoll, ja gespannt, denn jetzt würde er hoffentlich mehr erfahren über den Plan eines Gottes – oder den eines Menschen.

„Beim letzten Sed-Fest hat unser göttlicher Pharao seinen Sohn, Prinz Amenhotep, zu seinem Mitregenten bestimmt, denn er fühlt, dass seine Zeit wohl bald gekommen ist.“

Kutari konnte sich an das Fest noch gut erinnern, war es doch erst ein paar Tage her. Prinz Amenhotep kannte er ebenfalls gut, denn er war mit ihm die ersten Jahre zusammen zur Schule gegangen, der Prinz war nur knapp ein halbes Jahr jünger als er selbst. Jetzt war Amenhotep ein stolzer Krieger, groß gewachsen und stark. Ein meisterlicher Bogenschütze. Draußen vor den Toren, auf dem Kampfplatz, hatte er ihn des Öfteren gesehen bei seinen täglichen Waffenübungen.

Der alte Hohepriester drehte sich ein wenig und sah Kutari direkt ins Gesicht.

„Gibt es etwas, das dich an deiner Loyalität zu unserem göttlichen Pharao, lang möge er leben, zweifeln lässt? Du weißt, er hat dich damals zusammen mit deiner Mutter in die Ewigkeit eingehen lassen wollen. Er war sehr traurig als sie starb, denn er war ihr sehr zugetan. Er hat dich für ihren Tod verantwortlich gemacht.“

Noch einmal sah der Hohepriester Kutari prüfend an.

„Damals war ich noch Oberster Priester am Schrein des Amun im Palast. Ich sollte die Nachfolge des alten Serutef antreten, der damals Hohepriester unseres Herrn Amun war und der Pharao hörte schon damals auf manchen Ratschlag…“

Mencheperreseneb unterbrach sich, räusperte sich und fuhr fort.

„Egal, jedenfalls konnte ich dein Leben nur retten, weil ich dem Pharao damals angedeutet habe, dass vielleicht, aber nur vielleicht, Gott Amun selbst seine Hand im Spiel gehabt hat.“

Vollkommen verblüfft starrte Kutari den alten Mann an. Seine Gedanken rasten und er kam zu einigen unangenehmen Schlüssen.

„Vergiss alles, was du jetzt gerade gedacht hast. Ich weiß, dass unser Pharao etwas - nun sagen wir - abergläubisch ist und ich konnte mir auf die Schnelle keine andere Geschichte einfallen lassen, die ihn überzeugt hätte.“

Kutaris Gesichtsausdruck wechselte von Verblüffung zu Erstaunen. Der alte Mann seufzte schwer und fuhr leise fort.

„Ich kannte deine Mutter. Sie kam aus einem fernen Land jenseits der Insel Keftiu. Ich gehörte zu der Delegation, die sie von dort zusammen mit dem Tribut hierher nach Khemet brachte. Bei dieser Reise hierher waren noch weitere lokale Prinzen und Prinzessinnen auf unserem Schiff. Ich erinnere mich besonders an einen. Er war jünger als du heute, groß gewachsen, blaue Augen und das Haar in der Farbe des Sandes der Wüste.“

Kutari fuhr von seinen Sitzplatz hoch.

„Wer war er? Könnte es wirklich sein, dass die beiden…?“

„Setz dich wieder hin. Wer er war? Ich weiß es nicht. Das Große Haus heißt nicht umsonst so. Viele Menschen leben dort, auch solche von außerhalb unseres Landes. Als ich nach deiner Geburt begann, Nachforschungen anzustellen, erfuhr ich, dass er kurz nach seiner Ankunft bei einer Übung unter einen Streitwagen gekommen und gestorben war. Und ob die beiden etwas miteinander hatten?“

Der alte Mann lachte leise.

„Sie war ausgesprochen schön, etwas hellhäutig, exotisch mit braunen Augen wie die Herrin Hathor. Und er, nun ja, nicht nur die weiblichen Wesen schienen ihm hinterher zu starren.“

Kutari war von den Äußerungen des Hohepriesters immer verwirrter geworden. Einige seiner Fragen schienen beantwortet worden zu sein, doch unendlich viel mehr Fragen waren aufgetaucht. Alles verlor sich anscheinend wie im Schlamm eines aufgewühlten Flusses.

Dann die leichte Andeutung, dass anscheinend ein Mann auch einen anderen Mann begehren konnte. War diese eine beiläufige Bemerkung gewesen oder wusste der alte Hohepriester, was Kutari manchmal umtrieb?

„Wie dem auch sei, genau zehn Mondzyklen nach der Ankunft hier im Palast wurdest du geboren und egal ob Zufall oder göttliche Fügung, du warst und bist ein Geschenk des Gottes. Was deine Mutter betrifft, so hätte sie ohne weiteres eine Nebenfrau des göttlichen Pharao werden können und du wärst jetzt ein Prinz, doch unser Herr Amun hat anders entschieden. Die königliche Gemahlin Isis hat dem Pharao kurz darauf einen Sohn geboren und er war zufrieden. Er hat seitdem sein Land lange und weise regiert, ihm neue Gesetze gegeben und seine Feinde bis weit in ferne Länder zurückgeworfen. Sein Sohn wird bald regieren und es wird für diesen nicht gerade einfach werden.“

Kutari konnte dem Redefluss des alten Mannes kaum folgen. War er eben noch bei Kutaris Geburt, machte er einen Bogen zu den Gesetzen Khemets, um bei den Leistungen und Großtaten des göttlichen Pharao zu enden. Die Feldzüge des Herrschers waren legendär. Die Beute hatte er verwendet um viele der Tempel zu verschönern und neu auszustatten, insbesondere das Heiligtum des Amun hier in Karnak. Doch was hatte das mit Prinz Amenhotep zu tun?

Wieder ein Blick in ein völlig ratloses Gesicht und ein tiefes Seufzen.

„Ich sehe schon, ich muss ein wenig weiter ausholen. Um es einfach zu beschreiben: Wenn der göttliche Pharao in die Ewigkeit eingeht, werden alle eroberten Länder glauben, sie seien der Tributpflicht ledig. Amenhotep wird es zu Beginn sehr schwer haben und wahrscheinlich viele Kriegszüge in ferne Länder durchführen müssen, um die Stärke Ägyptens erneut zu beweisen.“

Kutari nickte. Das war wohl voraussehbar und so wie Amenhotep sich vorbereitete, schien er auch gute Aussicht auf Erfolg zu haben.

„Was nicht vorhersehbar ist, ist die Reaktion der Gaufürsten. Wenn sich die militärische Macht nach außen wendet, ist das Land in seinem Inneren abhängig von der Loyalität der Gaue. Der Herrscher muss sich auf die Gaufürsten verlassen können. Wie du vielleicht weißt, ist das Amt eines Gaufürsten inzwischen erblich und innerhalb nur kurzer Zeit sind zwei dieser Herrscher in die Ewigkeit eingegangen und ihre Söhne haben die Regentschaft angetreten.“

Kutari hob erstaunt die Augenbrauen. Was hatte der Tod zweier lokaler Herrscher, so tragisch er auch sein mochte, mit ihm zu tun?

„Oh, ich sehe schon, ein wenig Ratlosigkeit schleicht sich ein in dein Gesicht. Sollte sie aber nicht. Wie nämlich gestern gemeldet wurde, ist der ehrenwerte Rechmire, Gaufürst von Tanis, nämlich einem Mordanschlag zum Opfer gefallen.“

„Was? Aber ich begreife immer noch nicht was ich damit zu tun habe?“

Der alte Hohepriester seufzte ergeben und schüttelte den Kopf.

„Nun, du wirst im Namen unseres göttlichen Pharao, lang möge er leben, nach Tanis reisen und den Mord aufklären. Der göttliche Pharao wird dich dafür zu seinem persönlichen Gesandten erheben und dir alle Rechte und Vollmachten erteilen. Wenn nötig sogar die, um einen Gaufürsten zu verhaften.“

Kutari entglitten die Gesichtszüge und aufgeregt sprang er von der Bank hoch. Seiner strengen Erziehung war es zuzuschreiben, dass er den Hohepriester nicht mit offenem Mund anstarrte.

„A… aber Herr, ich bin doch nur ein kleiner Beamter im Tempel des Herrn Amun.“

„Du bist Kutari, geboren im Frauenhaus des Herrschers von Ober- und Unterägypten, von einer Gefährtin des Pharao, Beamter des Reichsgottes Amun, ausgebildeter Schreiber und bewandert in den Grundlagen von Recht, Medizin und Kriegskunst. Traust du dir nicht zu, einem Gaufürsten gegenüber zu treten und ihn nach seinen Taten und Motiven zu befragen? Du wirst nach dem ehrenwerten Wesir für eine Zeit lang wohl einer der mächtigsten Männer ganz Ägyptens sein.“

Kutaris Gesicht hatte einen entsetzten Ausdruck angenommen. Doch plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke. Sein Entsetzen wich offenem Erstaunen.

„Ihr habt das alles gewusst. Ihr habt es geplant, seit dem ersten Tag.“

Der alte Mann stand langsam auf und legte Kutari eine Hand auf die Schulter.

„Ja, ich habe es geplant. Am Tag vor deiner Geburt erfuhr ich vom Obersten Arzt des Pharao, dass die Große königliche Gemahlin schwanger war. Dann kam die Aufregung über deine Geburt und als ich die blauen Augen sah, wusste ich, dass ich etwas unternehmen musste. Nun darfst du mich nicht enttäuschen, mich und unseren Herrn Amun.“

Kutari senkte seinen Blick und holte tief Luft.

„Nein, Herr. Ich werde euch nicht enttäuschen, Euch nicht und unseren Herrn Amun nicht. Sagt mir was ich tun soll.“


Vor den Toren des Palastes in Luxor sinnierte Kutari noch über der Formulierung: Folge mir, wir wollen einen kleinen Spaziergang machen.

Der kleine Spaziergang führte sie hinaus aus dem riesigen Komplex des Amuntempels, vorbei an der Tempelanlage der Gattin des Amun, der Göttin Mut, hinüber zum Fähranleger, wo sie zum westlichen Ufer des Nil gelangten. Eine gute Handbreite hatte sich der feurige Wagen des Herrn Re gesenkt, als sie ihr Ziel erreichten. Die Wachen des Palastes schienen nicht sonderlich überrascht, den Hohepriester des Reichsgottes zu Fuß anreisen zu sehen. Ohne Probleme passierten sie die riesigen Tore und alle weiteren Kontrollen und Posten innerhalb des labyrinthähnlichen Palastes.

Kutari kannte hauptsächlich das Frauenhaus und den Schulbereich, in diesem Teil war er jedoch noch nie gewesen. Die Verzierungen und Gemälde an den Wänden waren prachtvoll gearbeitet, so dass es sich um den Bereich einer hochstehenden Person handeln musste. Der Pharao konnte es nicht sein, seine Gemächer waren abgetrennt und extra bewacht von nubischen Kriegern, seiner eigenen Leibwache.

„Wir sind gleich da. Wappne dich mit Ruhe und Geduld.“

Nach dieser etwas rätselhaften Bemerkung traten die beiden Männer durch eine relativ schmale Tür in einen Raum, der erkennbar als Arbeitszimmer eingerichtet war. Auf der rechten Seite stand ein großer Tisch mit einigen Schriftrollen, ein paar einzelnen Papyrusstücken und einem Tintenfass mit Schreibutensilien. Dahinter ein großer, stabiler Stuhl aus Zedernholz mit einem dicken Kissen. Auf der linken Seite des Raumes befanden sich zwei gut gefüllte Regale für Schriftrollen, wie sie in jeder beliebigen Bibliothek zu finden waren. Auch hier fanden sich Stühle für die Lesenden.

Die Wandmalereien zeigten Szenen aus der Jagd nach Wildenten am Nilufer. Aus der kurzen Beschriftung neben dem Jäger konnte Kutari entnehmen, wer ihn hier erwartete.

Bevor er jedoch etwas sagen konnte, ertönte eine hohe, unangenehm schrille Stimme.

„Wir haben Besucher! Warum sagt mir niemand etwas! Wer begehrt die Gunst…“

Die Stimme brach ab, als deren Besitzer den Hohenpriester erkannte.

Kutari sah, wie sich aus einem Durchgang gegenüber der Tür eine unförmige Gestalt hereinschob. Trotz der schon sichtlich herabhängenden Fettwülste und einer deutlichen Hängebrust trug der Mann, Kutari war sich dabei im ersten Moment gar nicht so sicher, ob es einer war, lediglich einen weißen Leinenschurz, der von dem Hängebauch zum Teil verdeckt wurde. Das feiste Gesicht wurde gekrönt durch eine schwarze Perücke der neuesten Mode, was zur Folge hatte, dass der Schweiß in Strömen an Gesicht und Nacken herunterlief und die aufgebrachte Farbe um die Augen und an den Wangen zum Verlaufen brachte.

Kutari dachte an die anfängliche Bemerkung und rührte sich nicht.

„Ah, der ehrenwerte Hohepriester beehrt uns mit seiner Anwesenheit. Und darf ich den Namen seiner Begleitung erfahren, damit ich euch seiner erhabenen Exzellenz melden kann?“

Kutari bemerkte, wie sich die Figur leicht vorbeugte, was bei dem Umfang an sich schon eine große Kunst war, und sich dann fast unbewusst die Lippen leckte. Kutari erschauerte innerlich. Dermaßen hatte sich nicht einmal der oberste Eunuch des Frauenhauses gehen lassen. Dann hörte er die Stimme des alten Mannes neben ihm.

„Gewiss, dies ist Kutari, der Sohn des Amun.“

Die Reaktion seines Gegenübers fand Kutari höchst amüsant. Die Gestalt straffte sich augenblicklich, das leicht überhebliche Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und machte einer Mischung aus Erschrecken und Neugier Platz.

„Äh, ja. Ich werde es seiner erhabenen Exzellenz melden. Ich schicke einen Sklaven mit den Erfrischungen.“

So schnell es sein Umfang erlaubte, eilte die Gestalt mit watschelnden Schritten den Weg zurück den sie gekommen war.

„Um deinen Fragen zuvor zu kommen. Das war Nefoy, Oberster Schreiber der Geheimen Kammer des Wesirs von Ober- und Unterägypten. Als Schreiber wohl exzellent, aber ansonsten…“

Der Hohepriester unterbrach sich, als ein junger Sklave, nur bekleidet mit einem knappen Lendentuch, mit einem Korb, gefüllt mit mehreren Krügen, eintrat. Als er den Hohenpriester erblickte, fiel er auf die Knie und verbeugte sich.

„Steh auf, du brauchst nicht zu knien. So wirst du mit deiner Arbeit nie fertig.“

Der Junge erhob sich und sah erst den Hohepriester, dann Kutari staunend an.

Kutari hatte ihn ebenfalls kurz gemustert. Er mochte vierzehn oder fünfzehn Jahre alt sein, hatte dunkle, lockige Haare und war etwas mager. Und noch etwas war Kutari aufgefallen, die blauen Flecken von der Benutzung eines Knüppels auf dem Rücken des Jungen. Bevor er etwas sagen konnte, fing er den stummen Blick des Hohepriesters auf und schwieg.

Der Hohepriester sah durch das kleine Sortiment an Krügen und lächelt spöttisch.

„Wein aus Keftiu oder Bier aus dem Vorrat des göttlichen Pharao?“

„Weder, noch. Kein Krug mit frischem Wasser?“

„Wir sind so wichtig, dass wir nur das Beste bekommen.“

„Geh, Junge. Besorge einen großen Krug mit frischem Wasser und zwei Becher.“

„Ja, Herr!“

Schnell wie der Wüstenwind war der Junge hinaus.

Kutari nahm zwei der Stühle von den Regalen und stellte sie vor den Arbeitstisch. Nur wenige Augenblicke später erschien der Junge mit einem großen Krug und zwei schmucklosen tönernen Bechern. Als er einschenken wollte, ertönte eine tiefe Stimme von der Eingangstür her.

„Es ist gut, du kannst gehen.“

Der Junge verschwand ohne ein Wort. Kutari und der Hohepriester erhoben sich und verbeugten sich knapp vor dem eingetretenen Mann. Dieser war etwa vierzig Jahre alt und von durchschnittlicher Größe. Kutari schien es, als ob er von der Last seiner Verantwortung gebeugt war, doch sein Schritt war fest. Lächelnd ging er auf den Hohepriester zu und blieb nur einen Schritt vor ihm stehen.

„Chneb, du alter Gauner. Du hast es also geschafft. Erzähl mir davon.“

Der Hohepriester des Amun sah auf den Tjati des Reiches Khemet herab und lächelte. Sanft beugte er sich vor und berührte mit seiner Stirn die des Wesirs. Dieser lachte leise und fasste Mencheperreseneb an den Schultern, um ihn aufzurichten.

„Wir haben einen Gast.“

„Stimmt.“

Der Hohepriester drehte sich zur Seite und sah Kutari an.

„Zuerst die Höflichkeiten. Kutari, dies ist Rechmire, Tjati des Reiches von Ober- und Unterägypten, der Zweite des Reiches, Oberster Richter und Herr über die Provinzen und Gaue, Oberster Bauherr des Pharao und Aufseher über den Beginn der Jahreszeiten und die Gnade des Hapi.“

Bei der Aufzählung der Titel war Kutari gar nicht bewusst geworden dass er sich, ohne nachzudenken, niedergekniet und verbeugt hatte, wie der Sklavenjunge zuvor.

„Nein, nein. Steh auf, Sohn des Amun.“

Kutari spürte, wie ihn jemand an den Schultern packte und wieder in die Senkrechte zog.

„Du hast Recht, seine Augen sind so blau wie die des Amun.“

Kutari blickte verlegen zu Boden, dann sah er wieder auf. Der Mann vor ihm, wie mächtig er auch sein mochte, lächelte ihn an und klopfte ihm dann auf die Schulter. So aus der Nähe musste Kutari seine Schätzung wohl auf die fünfzig Jahre korrigieren. Kleine Falten durchzogen sein Gesicht und der kahl rasierte Schädel glänzte im Licht der Öllampen. Erst jetzt fiel Kutari der Brustschmuck auf, der lediglich aus einer goldenen Kette mit einem Anhänger in Form der Göttin Maat bestand. Die Göttin der Gerechtigkeit, das Abzeichen als Oberster Richter und als Hoherpriester der Göttin.

„Und hier, ehrwürdiger Tjati, dies ist Kutari. Wie habe ich es vorhin formuliert? Ach ja, Kutari, Sohn einer Nebenfrau des Pharao, Beamter des Reichsgottes Amun, ausgebildeter Schreiber und bewandert in den Grundlagen von Recht, Medizin und Kriegskunst.“

„Perfekt. Weiß er, was ihn erwartet?“

„Ich habe ihm nur ein paar allgemeine Hinweise gegeben, den Rest überlasse ich gerne dir.“

Nachdenklich nickte der Wesir und ging um den Tisch herum zu seinem Sessel. Mit einer kurzen Handbewegung bat er seine Besucher Platz zu nehmen, dann griff er nach einem Becher von einem kleinen Regal hinter sich. Ohne nachzusehen, goss er sich aus dem Krug etwas Wasser ein, dann betrachtete er stirnrunzelnd den Inhalt seines Bechers.

„Du hast dich nicht ein bisschen geändert. Aber nun zu dir, junger Mann. Ich habe es so verstanden, dass dich der Hohepriester des Amun darüber informiert hat, dass zwei sehr einflussreiche Gaufürsten unter nicht geklärten Umständen zu Tode gekommen sind. Fürst Perssobek von Nechen ist unter die Hufe eines Streitwagens gekommen, Fürst Rechmire von Tanis ist bei einem Festmahl anscheinend vergiftet worden.“

Vor Kutari erschien plötzlich das Bild eines jungen Mannes mit hellen Haaren, der von einem Streitwagen überrollt wurde. Unwillkürlich schüttelte er sich. Dann stutzte er.

„Aber das sind aberhunderte von Iteru quer durch das Delta bis fast hinauf zum Ersten Katarakt. Ein unermesslicher Zeitaufwand. Und welcher Fürst wird einem dahergekommenen Schreiber Zugang zu seinem Palast gewähren und ihm neugierige Fragen beantworten? Man wird mich davonjagen, versuchen zu bestechen, mich bedrohen. Es ist wohl nicht so einfach.“

Die beiden älteren Männer lachten laut und sahen sich wissend an. Der Wesir drehte nachdenklich seinen Becher in der Hand.

„Deine Äußerungen sagen mir, dass du dich bereits mit der Aufgabe beschäftigt hast. Sehr gut, denn ich werde dir jetzt ein paar Einzelheiten verraten, die das alles etwas leichter aussehen lassen. Es wird ein Erlass unseres göttlichen Pharao herausgegeben werden, der deine Ankunft ankündigt. Ohne Zeitangabe, die tatsächliche Ankunftszeit wirst du selbst erst kurz vorher mitteilen. Sie sollen sich nicht vorbereiten können. Du wirst mit einer der großen Barken aus dem königlichen Bestand reisen, sie steht ausnahmslos nur dir zur Verfügung. Davonjagen können sie dich nicht, denn dich wird eine kleine Leibwache begleiten und du erhältst das Recht, in beschränktem Maße Truppen anzufordern. Was Bestechung anbetrifft, unser gütiger Herrscher geruht, dir etwas Land zu übereignen, damit du dort ein privates Vermögen aufbauen kannst.“

Kutari starrte den Wesir mit ungläubigen Blicken an. Seine Gedanken rasten so schnell wie sein Herz.

„Um das Thema noch weiter zu verfolgen“, ertönte die Stimme des Hohenpriesters des Amun an seiner Seite, „du bist nicht wirklich körperlich gefährdet. Man wird eher versuchen herauszufinden, was du erfahren hast und was deine Absichten sind. Du hast eine medizinische Ausbildung, also sieh dich vor, vor den Giften die den Verstand betrüben, Du kannst kämpfen, lass dich nicht bedrohen und wenn eine Frau versucht dich zu betören, nun, ich glaube nicht, dass sie Erfolg haben wird.“

Der Nachteil einer hellen Haut ist, dass man leicht erkennen kann, wenn jemand rot anläuft. Kutari war sich nun vollkommen sicher, dass der Hohepriester genau wusste, wie es um sein Verhältnis zu Frauen stand.

Der Wesir ihm gegenüber nickte jedoch lediglich und schien das Thema beendet zu haben.

„Ein letztes noch. Damit man dir auch wirklich Antworten gibt, erlässt unser weiser Herrscher ein besonderes Edikt. Du wirst erhoben werden in den Stand eines hohen Beamten des Großen Hauses, in den des Aufsehers über die Fragen des Pharao. Du wirst direkt vom Herrscher mit diesem Titel betraut und du bist dann, im Rahmen der Erfüllung deiner Aufgaben, wohl der viertmächtigste Mann im Lande Khemet. Du unterstehst direkt mir und wirst nur mir, in meiner Eigenschaft als Oberster Richter, deine Ergebnisse mitteilen.“

Kutari starrte den Wesir unverwandt an, selbst als dieser aufgehört hatte zu sprechen. Langsam tastete sich seine Hand vor zu seinem Becher. Als er es schaffte, den Becher an seine Lippen zu heben hatte er bereits die Hälfte des Inhalts durch sein starkes Zittern verschüttet.


Als Kutari an diesem Abend auf der Binsenmatte in seinem Schlafraum des Tempels lag, fand er noch lange keine Ruhe. Seine Gedanken kreisten hauptsächlich um eine Frage: Warum ich? Es gab sicherlich einige Würdenträger, die für diese Aufgabe besser geeignet waren - und es gab wahrscheinlich etliche, die von sich überzeugt waren, diese Aufgabe besser als er erfüllen zu können.

Kutari sah ein kurzes Bild von Nefoy, dem Schreiber des Wesirs vor seinem inneren Auge. Wie würde er diese Aufgabe erfüllen? Würde man über seine Erscheinung hinwegsehen und den Willen des Pharao respektieren?

Wie würde es sein, ein eigenes Landgut zu besitzen und zu verwalten?

Und würde er der Verantwortung einfach wieder so entsagen können, wenn die Zeit gekommen war? Kutari war, als vernahm er in Gedanken noch einmal die Stimmen in dem kleinen Arbeitsraum.

Wie durch einen Schleier hörte er ein Flüstern und sein Blick wurde wieder klarer. Er bemerkte, dass der Wesir ihn scharf beobachtete.

„Ich glaube, er kann jetzt wieder unserem Gespräch folgen.“

„Es war auch etwas viel auf einmal.“

„Ja, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Unser Herrscher steht im zweiundfünfzigsten Lebensjahr und seine Gesundheit ist nicht die Beste. Wenn nicht alle Gaufürsten loyal sein sollten…“

„Kutari, mein Junge, kannst du uns jetzt wieder folgen?“

Kutari nickte schweigend und sah etwas gequält zum Wesir hinüber.

„Es sind nur noch zwei Dinge. Wenn der regierende Pharao entscheidet, dass er deiner Dienste nicht mehr bedarf, wirst du deines Amtes enthoben und hast dich auf deinen Landsitz zurückzuziehen. Es wird dir nicht mehr erlaubt sein, irgendein noch so kleines öffentliches Amt anzunehmen.“

Kutari nickte zustimmend. Wer einmal Macht ausgeübt hatte, würde schwer davon lassen können. Er konnte froh sein, wenn der Pharao ihn am Leben lassen würde.

„Das Zweite ist mehr praktischer Natur. Wenn du morgen früh erwachst, wirst du beginnen, dein Leben und deine Umgebung für die neue Aufgabe auszurichten. Du benötigst einige persönliche Bedienstete, denen du vertrauen kannst, einen persönlichen Schreiber für die geheime Korrespondenz mit mir oder bei Bedarf dem Herrscher, und einige andere Dinge mehr. Beginne morgen früh am Übungsplatz der Bogenschützen. Jemand wird auf dich zukommen und dir einige Erklärungen geben. Bedienstete kannst du aus dem Großen Haus vom Obersten Verwalter in geringem Masse anfordern, einen Schreiber suche am besten selbst in der Schule des Großen Hauses aus.“

Der Wesir erhob sich und seine Besucher ebenfalls.

„Verzeihung, Herr, aber Ihr habt gesagt, ich darf mir die Bediensteten aus dem Palast aussuchen. Gilt das auch für Euren Haushalt?“

Der scharfe Blick des Hohepriesters hätte Kutari fast von seiner Idee abgebracht. Das Gesicht des Wesirs zeigte lediglich großes Erstaunen.

„Wenn ich es recht bedenke, ja. Aber an wen hast du gedacht. Du dürftest hier niemanden kennen.“

Noch bevor Kutari antworten konnte, hörte er die Stimme des Hohenpriesters neben sich.

„Und so wie ich ihn kenne, meint er den jungen Sklaven, der uns das Wasser gebracht hat.“

Kutari errötete sichtlich, doch der Wesir lächelte.

„Nefoy!“

„Ja, Herr, Ihr habt gerufen?“

Das Erscheinen des Obersten Schreibers geschah etwas zu schnell, als dass er von sehr weit hätte kommen müssen. Kutari dachte zurück an die Bemerkung über Wände mit Ohren.

„Wer war der Sklave, der die Getränke gebracht hat?“

„Oh, der? Das war hmmm, lasst mich nachdenken. Oh ja, das war ein Neuer, der vom Obersten Verwalter Eurem Haushalt zugeteilt worden ist. Kanefer heißt er, glaube ich.“

„Sehr gut. Sag dem Jungen, er gehört ab sofort zum Haushalt des Aufsehers der Fragen des Pharao. Und gib dem Obersten Verwalter Bescheid.“

„Aber… aber Herr. Ich..“

„Tu was ich dir gesagt habe. Und beeile dich.“

„Ja, Herr.“

Die Verbeugung gegenüber dem Wesir war nur angedeutet, doch Kutari bemerkte deutlich den tödlichen Blick, den ihm Nefoy zuwarf, bevor er sich umdrehte.

„Ich danke Euch, Herr. Ich werde Eure Anweisungen für den morgigen Tag befolgen.“

„Gut, wir sehen uns dann kurz vor Sonnenuntergang im Palast.“

Der Wesir wandte sich nun an den Hohenpriester.

„Chneb, mein Freund. Wir sollten uns wieder öfter treffen und von alten Zeiten reden, doch ich fürchte, dazu bleibt uns wenig Zeit.“

„Ich weiß. Wir werden sehen, was uns die Götter schenken.“

Die beiden Männer umarmten sich und Kutari stand etwas verlegen daneben. Entschlossen ging Mencheperreseneb, ohne sich umzusehen, zum Ausgang und Kutari folgte ihm schweigend.

Vor dem Palastflügel des Wesirs stand ein einsamer, zitternder Junge, nur in ein schmales, zerschlissenes Lendentuch gekleidet und mit einem kleinen Bündel voll Habseligkeiten in der Hand.

Kutari ging auf ihn zu und betrachtete ihn von oben bis unten.

„Du bist also Kanefer.“

„Ja, Herr.“

Der alte Hohepriester bedachte den Jungen mit einem halb nachdenklichen, halb spöttischen Blick.

„Ka-Nefer also, Schöner Stier. Wohl eher noch ein Kalb. Folge uns, Du wirst wohl erst noch bei Kutari wohnen müssen, bis eine angemessen Unterkunft in Theben für euch gefunden ist.“

Und so kam es, dass Kutari in der Nacht wach lag, seinen Gedanken nachhing und zwischendurch den leichten Schlafgeräuschen seines ersten Bediensteten lauschte.


Kutari erwachte trotz der unruhigen Nacht wie jeden Tag eine ganze Zeit vor Sonnenaufgang. Beim Schein einer Öllampe sucht er seine Sachen zusammen, dann rüttelte er Kanefer wach. Erschrocken fuhr der Junge hoch.

„Es ist Zeit. Wir gehen zum Bad, dann zum Essen. Hast du keine weiteren Sachen?“

Kanefer schlug die Augen nieder.

„Nein, Herr. Dies ist alles, was ein Sklave besitzen darf.“

„So wurde dir erzählt, aber es stimmt nicht. Wir werden das ändern. Folge mir.“

Kutari führte den Jungen durch ein verwirrendes Durcheinander von Hütten, Lagerhäusern, Silos und Häusern.

„Dies ist das Magazin des Tempels für Bekleidung. Mal sehen, ich habe noch genug, aber für dich…“

Nach einem kurzen Disput mit dem aus dem Schlaf gerissenen Verwalter drückte Kutari dem Jungen fünf Lendentücher, drei Leinenschurze, drei paar Schilfsandalen und einen Wollumhang in die Arme.

„Du weißt, wie man einen Leinenschurz faltet und anlegt?“

„Ja, Herr. Aber… aber… ich meine, ich will sagen, warum tut ihr das alles, ich bin nur ein Sklave des Pharao. Ich bin diese Dinge nicht wert.“

Kutari fuhr herum und funkelte ihn an.

„So, nicht wert? Nun, dann merke dir zwei Dinge. Erstens, du wirst als mein persönlicher Diener arbeiten. Neben mir, bei mir, zu allen möglichen Gelegenheiten. Die Leute werden dich neben mir sehen oder dich auf der Straße erkennen und sie werden mit dem Finger auf dich zeigen und sagen: Was ist das? Kann ein Herr nicht einmal seinen geringsten Diener aussehen lassen, wie es sich in seinem Haus gehört? Zum zweiten, dein Wert wird bestimmt durch meine Einschätzung. Beweise mir, dass das Vertrauen, das ich in dich setze, gerechtfertigt ist. Verdiene meine Wertschätzung und du wirst belohnt werden.“

Der Junge sah Kutari mit großen Augen an, dann senkte er wieder seinen Kopf.

„Ja, Herr. Ich werde tun was Ihr verlangt.“

„Gut. Dann fangen wir gleich an. Erstens möchte ich, dass du mich ansiehst, wenn ich mit dir rede. Zweitens, bringen wir jetzt die Sachen zurück zu meiner Unterkunft und dann begleitest du mich zu den Bädern. Soweit verstanden?“

Zögernd hob Kanefer den Kopf und sah Kutari mit seinen großen, braunen Augen an. Kutari wurde unwillkürlich an die Göttin Hathor erinnert, die auch den Titel trug: ‚die kuhäugige‘.

„Ja, Herr.“

Es war immer noch eine kurze Zeit bis Sonnenaufgang und die Reinigungsbäder waren zum Glück noch nicht durch die Priester belegt. Kutari legte seine mitgebrachten Sachen auf einer Steinbank ab und bedeutete Kanefer, das gleiche zu tun. Danach legte er Leinenschurz und Lendentuch ab und ging die Stufen hinunter ins Bad. Das Wasser war angenehm kühl, doch Kutari hörte plötzlich ein leises Quieken hinter sich. Der Junge war ihm gefolgt und stand bis zu den Knien im Wasser, anscheinend war er nur den warmen Fluss gewohnt.

Kutaris Blick schweifte jetzt prüfend über die Gestalt des Jungen. Die magere Statur schien etwas über das Alter hinweg zu täuschen. Die Stimme war schon tief und die Behaarung um das Geschlecht war deutlich erkennbar. Kutari nahm sich vor, den Jungen zu fragen, wer ihm seinen Namen gegeben hatte, denn so, wie er nackt vor ihm stand, war ‚Schöner Stier‘ eine sehr passende Beschreibung.

Um die Prozedur zu verkürzen und sich auch ein wenig abzulenken, zog Kutari den Jungen an der Hand ins tiefere Wasser. Einmal an die Temperatur gewöhnt, schwamm Kanefer wie ein Fisch. Kutari nahm sich noch einmal vor, den Jungen nach seiner Vergangenheit zu befragen.

„Hier, nimm das und reibe deinen ganzen Körper damit ein.“

„Was ist das, Herr?“

„Die Asche von bestimmten Pflanzen. Sie bewahrt deine Haut vor Krankheiten.“

Kutari zeigte dem Jungen die Schale mit der Asche und wie man sie benutzte.

„Den Rücken musst du mir schon einreiben.“

Kanefer war schnell bei der Arbeit und Kutari zeigte ihm dann wie man die Asche von der Haut wusch und sich mit einem speziellen Leinentuch abtrocknete.

Nachdem beide ihr Lendentuch angelegt hatten, begann Kanefer ohne Aufforderung Kutari in seinen Leinenschurz zu kleiden. Danach legte er auch seinen an, was nicht ohne Probleme abging, denn er hatte nur gelernt, jemand anderen zu bekleiden, nicht aber sich selbst.

Auf dem Rückweg zur Unterkunft begann Kutari mit seinem kleinen Spiel von Fragen und Antworten.

„Nun, Kanefer, wie alt bist du eigentlich?“

„Keine Ahnung, Herr. Ich bin eine Kriegsbeute aus einem der Feldzüge gegen die Mitanni. Die Stadt Tunip, in der ich gewohnt hatte, wurde erobert und zerstört und alle Überlebenden fortgeführt. In den Listen wurde ich geführt als Scharma, männliches Kind, etwa sechs Jahre.“

Kutari betrachtete ihn verblüfft. Er war sich sicher, dass Kanefer nicht lesen und schreiben konnte und doch wusste er, was in den Listen aufgeführt war. Im Geiste ging Kutari die Liste der Feldzüge durch. Der letzte große Feldzug gegen die Mitanni, der nach Irqata und dann nach Tunip geführt hatte, war neun Jahre her. Wenn Kanefer da sechs war, dann müsste er jetzt – etwa fünfzehn, vielleicht sogar sechzehn sein! Und noch etwas ließ Kutari nachdenklich werden. Scharma war kein Name aus Amurru oder von den Nomadenstämmen in Nahrina, der Gegend um Irqata, so hieß einer der Götter der Hethiter.

„Dann bist du jetzt etwa fünfzehn Jahre alt. Wer hat dir deinen jetzigen Namen gegeben?“

„Oh, das war bei der Verteilung im Palast des Pharao. Der Aufseher der Sklaven fragte jeden nach seinem Namen und wenn ihm dieser nicht gefiel, vergab er einen neuen. Bei mir hatte er sich schon für Ahmose entschieden, als ein alter Mann eintrat, die Liste durchsah und auf meinen Namen deutete. Dieser da soll Kanefer heißen, sagte er, dann ging er wieder.“

„Weißt du, wer er war?“

„Nein, aber er war steinalt, hatte einen langen Stab und trug nur einen Leinenschurz. Und auf der Brust hatte er einen Brustschmuck in Form eines liegenden Hundes.“

Kutari schwindelte. Diese Beschreibung traf nur auf den Hohepriester des Anubis zu, doch der war nicht so alt. Aber halt, vor neun Jahren war Mennefer noch gar nicht Hoherpriester gewesen. Wer war sein Vorgänger gewesen? Die Sache wurde immer undurchsichtiger.


Nach einem kurzen Abstecher in die Küche machten sich die beiden auf den Weg zum Waffenübungsplatz vor den Toren des Palastes. Kutari eilte hinüber zum Platz der Bogenschützen, doch es schien außer einer kleinen Gruppe niemand anwesend zu sein. Eine einsame Gestalt kam zu ihnen herübergeschlendert und als er nahe genug war, sie erkennen zu können, zischte Kutari Kanefer einen kurzen Befehl zu.

„Auf den Boden. Verbeuge dich vor dem Stellvertreter des göttlichen Pharao.“

Er selbst beugte ein Knie und sah Amenhotep erwartungsvoll entgegen. Der Prinz lächelte ihn an und bedeutete ihm aufzustehen.

„Lass ihn auch aufstehen. Wir sind alleine hier. Es besteht kein Grund auf dem Boden herumzurutschen, wenn Arbeit getan werden muss.“

„Du hast den Prinzen gehört.“

Kanefer erhob sich zögernd und sah Prinz Amenhotep scheu an. Der Prinz war eine imposante Erscheinung. Hoch gewachsen, doch immerhin etwas kleiner als Kutari, war er deutlich muskulöser und seine braune Haut glänzte wie eingeölt in der frühen Sonne. Mit nichts als einem kurzen braunen Lederschurz bekleidet, führte er einen fast mannsgroßen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen mit sich.

„Ich habe eine Überraschung für dich, Kutari, mein Freund.“

Kutari zog erstaunt die Augenbrauen zusammen. Amenhotep hatte ihn schon des Öfteren einen Freund genannt, doch meistens nach dem dritten oder vierten Krug Bier. Jetzt war er jedoch stocknüchtern und das machte Kutari etwas Angst.

„Ich weiß von deinem Auftrag und ich habe die Aufgabe, für deinen Schutz zu sorgen. Dich werden zehn Bogenschützen und ein Feldwebel meines persönlichen Regiments unter Führung von Leutnant Imiuthetep begleiten. Was sagst du?“

„Es ist eine große Ehre für mich, dass du Leute aus deinem Regiment ausgesucht hast.“

„Ha, nichts leichter als das. Ich schicke dir Imiuthetep herüber. Mit dem Rest will ich noch einmal kurz reden.“

Nach einem leichten Schlag auf die Schulter drehte sich Amenhotep um und stapfte zurück zu der kleinen Gruppe, aus der sich jetzt eine weitere Gestalt löste.

Imiuthetep, dachte Kutari – Anubis ist zufrieden. Schon wieder ein Zeichen der Götter?

Kutari sah eine schlanke Gestalt schnell näher kommen und bevor er etwas sagen konnte, hatte sich der Mann vor ihm auf die Knie geworfen. Immer noch etwas peinlich berührt von dieser Form der Ehrerbietung ihm gegenüber, bedeutete Kutari ihm aufzustehen.

„Erhebt Euch, Leutnant. Wie wollt Ihr eine Truppe führen mit dem Blick zu Boden.“

Ein Lächeln milderte Kutaris Aussage und als der Mann vor ihm sich erhob, sah er Erleichterung in dessen Gesichtszügen.

„Ihr seid also Imiuthetep, der Befehlshaber meiner neuen Leibwache. Erzählt mir davon.“

Kutari versuchte eine Unterhaltung in Gang zu bringen mit einem Mann, bei dessen erstem Anblick er mehr als fasziniert war. Imiuthetep war höchstens zwanzig Jahre alt und genauso groß wie er selbst, hatte kurze schwarze Haare und eine sehr dunkle Haut. Möglicherweise war ein Nubier unter seinen Vorfahren. Das auffälligste jedoch waren die großen dunkelbraunen Augen.

„Jawohl, Herr. Eure persönliche Leibwache besteht außer mir aus zehn Bogenschützen und einem Feldwebel. Wir sind nicht nur Bogenschützen sondern auch mit dem neuen Chepesch bewaffnet, das eine ideale Ergänzung für den Nahkampf ist.“

Kutari hatte schon von diesem sichelförmigen Schwert gehört, aber noch nie eines gesehen. Als er an Imiuthetep herunterblickte musste er seine Gedanken streng auf das bronzene Schwert konzentrieren.

Stolz nahm der Leutnant das Schwert aus der Halteschlinge und präsentierte es Kutari.

„Seht her, Herr. Der Griff ist aus Akazienholz und die Klinge aus einem Stück mit einer sehr scharfen Außenkante.“

Kutari bewunderte die Waffe pflichtschuldigst, dann sah er nach dem Stand der Sonne.

„Ich muss weiter. Ich habe noch einen Termin bei der Schule der Schreiber und muss mich noch um eine Unterkunft kümmern.“

„Jawohl, Herr. Doch ab sofort werden Euch immer zwei der Bogenschützen begleiten. Sie werden sich täglich abwechseln und auch in der Nacht werden Posten bereit sein.“

Kutari zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe.

„Ist das denn notwendig? Ich sehe hier keine Gefahren.“

„Das nicht, Herr, aber die Anweisung kommt direkt aus dem Palast. Es geht dabei weniger um Gefahren, als darum, den Leuten zu zeigen, dass Ihr eine wichtige Persönlichkeit seid.“

Mit den letzten Worten winkte er hinüber zu der wartenden Gruppe, aus der sich zwei weitere Gestalten lösten. Beim Näherkommen wurde Kutaris Erstaunen immer größer. Das Regiment musste seine größten Soldaten ausgewählt haben, denn die beiden waren kaum kleiner als er selbst. Sie waren erkennbar Söhne Khemets mit dunklen Haaren und brauner Haut, aber Kutari hätte schwören können, dass keiner der beiden älter als siebzehn oder achtzehn war.

Bei der Kleidung gab es eine Abwandlung, die sofort ins Auge fiel. Die Leinenschurze waren nicht etwa strahlend weiß, sondern hatten die Farbe des hellen Türkissteines aus den Steinbrüchen des Sinai. Wie die Färbung zustande gekommen war, war Kutari ein Rätsel. Bewaffnet waren die beiden mit Bogen, Köchern und Chepesch.

„Dies sind Amani und Thotseneb, die Wachen für den heutigen Tag. Ach so, wir benötigen noch einen Hinweis. Zu den Schurzen gehört noch ein Lederriemen mit einer bronzenen Gürtelschnalle. Darauf sollte sich das Symbol des Aufsehers der Fragen des Pharao befinden. Wie sieht es aus?“

Kutari wirkte verwirrt. Ein Symbol? Was könnte es sein?

„Ich werde Euch eine Nachricht überbringen lassen, spätestens heute Abend ist es entschieden.“

„Jawohl Herr.“

Kutari legte Kanefer eine Hand auf die Schulter, um ihm zu signalisieren, dass sie jetzt den Übungsplatz verlassen würden. Ein Blick über die Schulter zeigte Kutari, dass die beiden Soldaten ihnen in einem Abstand von etwa drei Schritten folgten.

Nach nur ein paar Schritten sagte einer der beiden hinter ihnen

„Ein Mann nähert sich eilig.“

Kutari hatte die kleine Staubwolke kaum bemerkt, doch jetzt erkannte er einen einzelnen Mann sich schnell nähern.

Als er nahe genug herangekommen war, erkannte Kutari eine große umgehängte Tasche und in der Hand trug der Mann den Stab eines Boten.

„Ihr seid nicht leicht zu finden, Herr. Ich habe eine Nachricht für Euch aus dem Großen Haus vom Verwalter der Häuser.“

Kaum hatte er seinem Adressaten die Nachricht überreicht, lief er schon wieder leichtfüßig weiter.

Kutari faltete den Bogen auseinander und las aufmerksam, was ihm der Verwalter der Häuser zu berichten hatte.

„Es gibt Arbeit, Kanefer. Kennst du dich auch auf der anderen Seite des Flusses aus? Dort, wo der Tempel steht. Kennst du das Viertel der Beamten?“

Der Junge nickte zögernd.

„Gut. Weißt du, wo der Schrein des Thot dort ist?“

Nach kurzem Nachdenken wieder ein Nicken.

„Der Schrein liegt direkt an der Hauptstraße zum Fluss. Wenn du vor dem Schrein stehst befindet sich auf der rechten Seite das Stadthaus eines verstorbenen Beamten des Hauses des Silbers. Ab sofort werden wir dieses Haus bewohnen. Benachrichtige Leutnant Imiuthetep davon, dann begib dich zu dem Haus und versuche dir ein Überblick zu verschaffen über den Zustand und ob eventuell Bedienstete zurückgeblieben sind. Danach begib dich zum Magazin des Palastes um unseren Bedarf an Vorräten dort anzumelden.“

Kanefer nickte noch einmal, dann schien sein Blick in die Ferne zu gehen, doch sofort sah er Kutari in die Augen.

„Das verlassene Haus am Thot-Schrein. Leutnant Imiuthetep benachrichtigen, Haus besichtigen, Vorräte anmelden. Jawohl, Herr.“

Noch bevor Kutari antworten konnte, war der Junge ebenso leichtfüßig wie der Bote davon geeilt.


Die nächste Aufgabe konfrontierte Kutari mit seiner Vergangenheit.

Etwas beklommen betrat er die Halle der Schreiber im königlichen Palast, wo ihm aus dem Lehrsaal die dozierende Stimme des alten Ahmose entgegenschallte. Der Schreiber Ahmose war ihm damals, als er noch selbst unter den Schülern saß, schon uralt vorgekommen, doch jetzt schien er noch verschrumpelter und gebeugter zu sein als zuvor. Ungebrochen jedoch war seine tragende Stimme, die den Schülern immer und immer wieder ihre Texte diktierte und Fehler unnachgiebig aufzeigte. Kutari hörte, wie der Stock aus Schilfrohr mit peitschendem Geräusch auf den Rücken eines unachtsamen Schülers herniederfuhr. ‚Es hat sich nichts geändert‘, sinnierte Kutari ‚das Ohr des Schülers ist immer noch auf dem Rücken‘.

Als Kutari gefolgt von den beiden Soldaten durch den Eingang des Lehrsaales trat, ging ein unruhiges Raunen durch die Reihen der Schüler und Ahmose blinzelte kurzsichtig in Richtung seiner Besucher.

„Ah, seid gegrüßt edler Kutari, Aufseher der Fragen des Pharaos. Ihr seht, Euer Ruf eilt Euch voraus und eine Nachricht des großmächtigen Wesirs hat mich bereits heute Morgen erreicht, damit ich Euch dienen kann, ganz nach Euren Wünschen.“

Der alte Mann stand in seiner gebeugten Haltung vor Kutari und hatte seine Hände ehrerbietig vor sich gestreckt. Die Schüler saßen stumm auf ihren Plätzen, mit untergeschlagenen Beinen, die Scherben und Griffel für die Schreibübungen auf den so gespannten Leinenschurz gelegt.

Kutari ließ seinen Blick über die etwa zwanzig versammelten Schüler schweifen. Vielleicht fünf oder sechs schienen alt genug und so weit fortgeschritten zu sein, um einen brauchbaren Schreiber für ihn abzugeben.

„Ahmose, ich war erst vor wenigen Überschwemmungen selbst Schüler hier in dieser Halle und habe deinen Weisheiten gelauscht. Sage mir, welcher deiner Schüler ist in der Lage, sowohl die schnelle Schrift, als auch die Heiligen Zeichen am besten wiederzugeben?“

Kutari hatte extra laut gesprochen, damit die Schüler alle mitbekamen, was er von ihnen wollte.

„Herr, alle diese Jungen kennen beide Schriften, doch sagt mir, wollt Ihr tatsächlich einen aus dieser Halle als verantwortlichen Schreiber haben?“

„Ahmose, ich vertraue deiner Kunst, sie zu unterrichten. Das Amt des Aufsehers der Fragen des Pharao benötigt einen Schreiber und ich werde keinen nehmen, der schon irgendwo in Diensten gestanden hat, keinen, der eine eigene Familie hat und keinen, der Angst hat, diese Stadt zu verlassen.“

Ein weiteres Raunen ging durch die Reihen der Schüler.

„Ruhe!“

„Nun, Herr dann lasst mich die besten Schüler vorstellen.“

Schnell ratterte Ahmose ein halbes Dutzend Namen herunter und die Schüler standen zögernd auf. Ahmose eilte, so schnell ihn seine alten Füße trugen, hinüber zu den Jungen und zeigte auf den ersten.

„Dies ist Edfu, Sohn des zweiten Schreibers des großmächtigen Wesirs.“

„Wie alt bist du?“

„Vierzehn, Herr.“

Kutari nickte kurz, dann winkte er dem Jungen, sich wieder hinzusetzen. Sichtlich erfreut nahm dieser wieder Platz.

„Nun, Herr, dieser hier ist Hamadi, Sohn des Meistertöpfers des göttlichen Pharao, lang möge er leben.“

Kutari nickte etwas geistesabwesend seine Zustimmung zur Lobpreisung des Herrschers und betrachtete Hamadi nachdenklich. Der Junge war groß, kräftig gebaut und er schien neben dem Besuch der Schreiberschule auch noch körperlich zu arbeiten. Unter dem schwarzen Haarschopf blickten ihn zwei braune Augen offen an.

„So, Hamadi, wie alt bist du?“

„Siebzehn, Herr.“

Kutari sah Ahmose erstaunt an. In diesem Alter sollten die Jungen eigentlich längst eine Beschäftigung als Schreiber oder anderer niedriger Beamter haben.

Ahmose rang die Hände und blickte zu Boden.

„Ach Herr, es ist ein Elend. Er ist der beste Schreiber seit Jahren, was die heiligen Zeichen betrifft, doch die schnelle Schrift ist nicht seine Stärke.“

Kutari brummte unwillig, dann sah er die restlichen Jungen kurz an.

„Wer ist der schnellste Schreiber?“

Alle sahen sich betreten an und ein Schweigen fiel über die ganze Klasse. Einige kurze scheue Blicke in eine Ecke verrieten Kutari die Antwort, doch er sah Ahmose weiterhin fragend an.

„Nun? Welcher deiner Schüler ist mit der Binse am schnellsten?“

Ahmose sah mit säuerlichem Blick in die gleiche Ecke wie die Schüler zuvor. Kutari erkannte dort einen hellhäutigen, rothaarigen Jungen, der gerade seine Binse ablegte.

Ein seltener Anblick im Lande Khemet, aber nicht ganz unbekannt. Leute mit roten Haaren gab es öfter, doch sie wurden fast immer mit dem rothaarigen Schakalgott Seth in Verbindung gebracht, einer Gottheit der Wüste, die Unglück bringt.

„Dieser dort. Er heißt Hori und ist der Sohn einer der niederen Begleiterinnen aus dem königlichen Frauenhaus.“

Kutari trat zu dem Jungen hin, der schon wieder seine Binse in der Hand hielt und etwas schrieb. Ahmose wedelte mit den Armen und bedeutete Hori aufzustehen. Mit etwas zusammengekniffenen Lippen erhob sich der Junge langsam.

Kutari sah an Hori herab und bedauerte ihn etwas. Mit der hellen Haut musste die Segnung des Sonnengottes eine Strafe für ihn sein, das wusste er selbst am besten. Doch ansonsten war auch er schlank und gut entwickelt.

„Wie alt bist du, Hori?“

„Siebzehn, Herr.“

Kutari nickte. Hori und Hamadi waren anscheinend die ältesten Schüler hier. Dass sie noch keiner Arbeit nachgingen lag offensichtlich an ihrem Elternhaus mit geringem Ansehen und noch weniger Beziehungen.

„Und wie schnell bist du in der Schrift?“

Wortlos bückte sich Hori und nahm eine der Scherben vor ihm auf und reichte sie Kutari.

Kutari sah darauf und erkannte eilig hingeworfene Zeichen der schnellen Schrift. Als er anfing zu lesen, hoben sich seine Augenbrauen.

Wer ist der schnellste Schreiber? Nun? Welcher deiner Schüler ist mit der Binse am schnellsten? Dieser dort. Er heißt Hori und ist der Sohn einer der niederen Begleiterinnen aus dem königlichen Frauenhaus.

Hori hatte tatsächlich das Gespräch, während es noch lief, mitgeschrieben. Etwas undeutlich zwar, aber man konnte es lesen.

„Und wie steht es mit den heiligen Zeichen?“

Horis Gesichtszüge wurden ernst und er sah hinüber zu Hamadi, dann drehte er sich zurück.

„Ich habe lange hier gelernt und ich kenne die meisten. Doch ich bin kein Künstler. Die Götter mögen mir vergeben, aber bei mir sieht ein Falke schon mal aus wie ein Wachtelküken.“

Kutari konnte sich beherrschen, doch die Schüler ringsum fingen an zu kichern.

„Ruhe!“

Ahmose versuchte seine Autorität wieder herzustellen, dann drehte er sich zu Kutari.

„Wie habt Ihr Euch entschieden, Herr?“

Kutari umklammerte seinen Armreif mit dem eingravierten Abbild des Gottes Amun, doch keine göttliche Eingebung manifestierte sich, bis sein Blick auf den Eingang zum Lehrsaal fiel.

Dort standen Amani und Thotseneb, seine beiden Leibwachen, dicht nebeneinander. Durch die etwa gleiche Größe und die gleiche Bekleidung sahen sie fast aus wie Zwillinge. Kutari blinzelte erstaunt, dann drehte er noch einmal den Armreif und murmelte leise einen kurzen Dank an Amun.

„Ahmose. Ich werde dich heute von deinen größten Sorgen befreien.“

Auf den erstaunten Blick des Alten hin drehte er sich zu den Schülern.

„Hori, Hamadi, nehmt eure Sachen auf und folgt mir.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich Kutari um und ging in Richtung Ausgang davon. Hinter sich hörte er leises Flüstern, lautes Rascheln und nach kurzer Zeit eilige Schritte.

Kutari machte erst Halt, als er einen kleinen Platz vor dem Schulgebäude erreichte, der weit genug von allen anderen Gebäuden entfernt war und auch weit genug von vorbeikommenden Passanten.

Als er sich umdrehte, sah er Hori und Hamadi etwa drei Schritte hinter sich. Beide standen nebeneinander und er konnte sehen, dass sie in etwa gleich groß waren, aber da endeten auch schon die Gemeinsamkeiten. Jetzt, unter der hellen Sonne, erkannte Kutari, dass Hamadis kurze, schwarzen Haare sich leicht kräuselten und die Haut noch etwas dunkler war, als sie ihm im schlechten Licht des Schulsaales erschienen war. Anscheinend gab es einen oder mehrere Nubier unter Hamadis Vorfahren, ähnlich wie bei Leutnant Imiuthetep.

Auf Horis heller Haut bemerkte Kutari jetzt Sommersprossen im Gesicht und auf den Schultern und seine Augen leuchteten in strahlendem Grün.

„Nun, seid ihr Einverstanden mit meiner Entscheidung?“

Hori sah Hamadi überrascht an, dann blickte er wieder zu Kutari.

„Herr, wie können wir Eure Entscheidung in Frage stellen. Wir gehorchen Euren Worten.“

Kutari seufzte laut und deutlich.

„Ich habe euch ausgewählt, ja. Doch ich werde niemanden zu etwas zwingen, denn wer gezwungen wird, macht seine Arbeit schlecht und auf ihn ist kein Verlass.“

Noch bevor Hori wieder etwas sagen konnte, hatte Hamadi ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und bedeutete ihm zu schweigen.

„Herr, wir müssen Euch danken, dass Ihr uns erwählt habt. Niemals hätten wir geglaubt, noch einen Posten als Schreiber zu bekommen. Mein Vater hat mir sogar schon gedroht, ich müsse in seinem Betrieb als Töpfer arbeiten, so wie er. Und Hori… niemand weiß, welches Schicksal ihn erwartet hätte.“

„Dann ist es beschlossen. Ihr habt Zeit bis zum höchsten Punkt des Herren Re, dann begebt ihr euch in das Viertel der Beamten.“

Kutari beschrieb den Weg zu seinem neuen Haus und schickte die beiden dann ein letztes Mal zu ihren Familien.


In dem Haus neben dem Schrein des Gottes Thot war inzwischen eine gewisse Hektik ausgebrochen. Der ehemalige Bewohner war schon vor mehr als siebzig Tagen verstorben und so hatten seine Verwandten nach der rituellen Bestattung all seine Habe an sich genommen und waren damit abgezogen. Die einzig Verbliebenen war ein altes Ehepaar, das zum Haus gehörte und es während seines Leerstandes so gut es ging, hütete und Instand hielt.

Als Kanefer am Morgen mit der Nachricht eines neuen Besitzers eintraf, waren die beiden Alten schlicht überfordert. Der Mann sah sich nur traurig um und beklagte den Zustand des Hauses, die Frau rang die Hände und lamentierte über die Leiden des Alters. Der Junge sprintete durch alle Räume und erfasste, dass so gut wie nichts Brauchbares vorhanden war.

Bevor er dem Haushalt des Wesirs zugeteilt worden war, hatte er vier Jahre als Diener im Haus des Obersten Silberschmiedes gearbeitet. Das Haus war prunkvoll ausgestattet gewesen und mit viel Aufwand verziert worden.

Dieses Haus hier war so gut wie kahl, der Garten war verwildert, sogar der vorhandene Teich war versumpft. Lediglich in einer kleinen Ecke des Gartens hatte Meresanch, die alte Frau, ein wenig Gemüse angepflanzt.

Als Leutnant Imiuthetep mit seinen verbliebenen acht Bogenschützen und dem Feldwebel bei dem Haus eintraf, postierte er gleich zwei seiner Leute vor dem Eingang. Die restlichen Soldaten räumten ein kleines Gebäude im Garten frei, dass in besseren Zeiten wohl einmal als Gästehaus gedient hatte. Hier würden die Bogenschützen unterkommen.

Kanefer hatte sich von Leutnant Imiuthetep eine kleine Liste schreiben lassen über die dringend benötigten Waren und Gegenstände. Diese mussten jetzt im königlichen Magazin bestellt werden. Kanefer wusste nicht genau, wo er was bekommen konnte, aber er verließ sich auf sein ausgeprägtes Improvisationstalent. Leutnant Imiuthetep hingegen hatte ganz andere Befürchtungen. Ein einzelner unbekannter Sklave dürfte die alten Schreiber der Magazine wohl schlecht überzeugen können. Deshalb schickte er seinen Stellvertreter, den Feldwebel Chepren, zusammen mit Kanefer los.

Feldwebel Chepren war mit seinen 24 Jahren der älteste der Soldaten, einschließlich des Leutnants. Er war ein wahres Kind des Landes Khemet.

Als Sohn eines Bauern hatte er gelernt, auf dem Feld zu arbeiten. Doch als er etwa 16 Jahre alt war, hatte eine der zahlreichen Krankheiten seine ganze Familie dahingerafft. Ärzte waren teuer und weit weg. Nachdem er das Land einem Nachbarn günstig, ja zu günstig, verkauft hatte, machte er sich auf den beschwerlichen Weg, um Soldat zu werden.

Heute, nach acht Jahren harter Arbeit, war er Feldwebel bei einer der besten und am höchsten angesehenen Einheiten des ganzen Landes. Der Sohn des göttlichen Pharao selbst war ihr Befehlshaber. Dann kam ein Befehl, der das gesamte Regiment aufscheuchte. Alle, vom Hauptmann bis zum einfachen Soldaten, mussten antreten und Prinz Amenhotep persönlich ging durch die Reihen und deutete mal hier und mal dort auf einen der Soldaten.

Die so Ausgewählten mussten sich abseits der Kaserne versammeln, wo noch einmal eine Auswahl getroffen wurde, doch niemand ahnte auch nur, warum oder nach welchen Kriterien ausgewählt wurde.

Chepren erkannte, dass alle der Soldaten jung waren, nicht ein Veteran irgendeines Krieges war darunter. Und sie waren hochgewachsen, kein einziger kleiner als der Prinz selbst.

Jetzt stand Prinz Amenhotep vor den ausgewählten Soldaten und sein Blick fiel auf die zwei Feldwebel, die in der Auswahl geblieben waren.

„Ihr beide dort. Rennt dort hinüber zum Brunnen, dann kehrt hierher zurück, so schnell, als ob es um euer Leben ginge.“

Der Feldwebel neben ihm machte ein fragendes Gesicht, doch Chepren war schon auf dem Weg zum Brunnen. Gute fünfhundert Schritte waren es und er rannte wie ihm befohlen war. Als er wieder nach Luft schnappend vor dem Prinzen zu stehen kam, nickte dieser nur und deutete auf ein Strohziel der Bogenschützten in fünfzig Schritten Entfernung.

„Fünf Schüsse, so schnell du kannst.“

Chepren fasste das Ziel ins Auge und griff nach seinem ersten Pfeil. Ihm war plötzlich bewusst geworden, dass er in eine Prüfung geraten war, von der er nicht einmal wusste, warum sie stattfand. Doch der Befehl des Prinzen war ihm Ansporn genug.

Der erste Schuss verfehlte das Ziel. Unzufrieden mit sich selbst zwang sich Chepren zu höherer Konzentration. Die nächsten vier Pfeile fanden ihr Ziel. Der zweite Feldwebel, der nun ebenfalls eingetroffen war, schaffte es nur mit einem einzigen Pfeil ins Ziel.

Prinz Amenhotep hatte die beiden Männer genau beobachtet und noch während sie bei der Schießübung waren, eine Entscheidung getroffen.

„Wie ist dein Name?“

„Chepren, Herr.“

„Gut, Chepren. Du wirst die hier versammelten Soldaten ebenfalls einer Prüfung unterziehen. Ich benötige noch zehn Mann, dem göttlichen Pharao treu ergeben und in der Lage, jede Gefahr zu erkennen und rechtzeitig zu beseitigen. Ihr sollt die Leibwache eines bedeutenden Beamten werden und ihn in allen Situationen beschützen können. Welche Prüfungen du durchführst, ist dir überlassen.“

Die Gedanken in Chepren rasten, doch er blieb äußerlich ruhig und verbeugte sich vor dem Prinzen.

„Wie Ihr befehlt, Herr.“

„Dann tu wie dir befohlen, ich muss euch noch einen Offizier besorgen.“

Chepren wartete kurz, bis der Prinz sich abgewandt hatte, dann seufzte er. Es war natürlich klar, dass sie einen Offizier bekommen würden. Hoffentlich nicht Hauptmann Dimbasi, doch nein, der war zu klein. Auch bei den Offizieren schienen nur wenige in Frage zu kommen, wenn die gleichen Maßstäbe angelegt wurden.

Mit einem Ruck drehte sich Chepren zu seiner Truppe um. Er zählte noch 45 Mann. Er war stolz darauf, zählen zu können, sogar ein wenig rechnen und er konnte seinen Namen schreiben mit den heiligen Zeichen. Das war mehr, als so mancher Andere in seinem Alter.

Kurz überlegte er. Die Soldaten hatten die gleiche Ausrüstung wie er. Einen Bogen mit Köcher und Pfeilen und das neue Chepesch. Er war gespannt darauf, wie viele wirklich damit umgehen konnten. Für die erste Prüfung brauchte er sich jedenfalls nichts Neues einfallen zu lassen. Er schickte die Soldaten in Gruppen zu fünf Mann ebenfalls zum Brunnen und ließ sie dann mit dem Bogen schießen. Schnell hatte sich die Anzahl der Anwärter halbiert.

Dann fiel ihm etwas Anderes ein. Sie sollten die Leibwache für einen bedeutenden Beamten werden. Dann würden sie wahrscheinlich auch bei offiziellen Veranstaltungen antreten müssen. Schnell ließ er alle in einer Reihe nebeneinander Aufstellung nehmen. Ein einziger Blick genügte und er fischte die Beiden heraus, die das Ebenmaß der Formation störten.

Mit den jetzt noch verbliebenen 20 Männern ging er hinüber zu einer kleinen Hütte, in der Baumaterialien für die in der Kaserne tätigen Handwerker lagerten. Aus einem Bündel mit Schilf zog er ein frisches, daumendickes Schilfrohr.

„Wer kann das Rohr mit dem Chepesch abschlagen, so dass es geschnitten und nicht geknickt wird?“

Die Soldaten sahen sich betroffen an.

„Das ist unmöglich, Feldwebel.“

Chepren schüttelte den Kopf und klemmte das Schilfrohr in eine Vorrichtung, die sonst die Wagenbauer benutzten. Dann nahm er sein Chepesch und nach einer horizontal kreisenden Bewegung fiel das obere Ende des Schilfrohrs leise herunter.

Die Soldaten rings um sahen sich schweigend an, bis einer von ihnen, ein Junge fast noch, nach einem zweiten Schilfrohr griff und es einklemmte. Nach einer kurzen zuckenden Bewegung des Sichelschwertes fiel auch hier das obere Ende des Schilfs herab. Nun wollten es alle probieren, doch es gelang nur den Wenigsten.

In der Zwischenzeit hatte sich Prinz Amenhotep den wenigen Offizieren zugewandt, die in seinen Augen für diesen Auftrag in Frage kamen. Auch hier keine Veteranen. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus wollte er niemanden nehmen, der älter als Kutari war, den Feldwebel vielleicht ausgenommen. Als er über dieses Gefühl weiter nachdachte, kamen ihm Bruchstücke der gemeinsamen Vergangenheit wieder in Erinnerung.

Er mit Kutari schwimmend im Teich des Frauenhauses - das enttäuschte Gesicht, als Kutari ihn mit Prinzessin Nefermut sah - das gequälte Gesicht Kutaris bei ihrem heimlichen Besäufnis im Bordell. Amenhotep schnippte mit den Fingern.

Er würde Kutari nicht nur einen Offizier geben, der militärische Fähigkeiten hatte, sondern einen, der dazu auch noch gut aussah.

Die vier in Frage kommenden Leutnante hatten sich neben dem Kasernengebäude in den Schatten gestellt, doch bei der brennenden Sonne war das keine wirkliche Abkühlung.

Prinz Amenhotep musterte die vier schweigend. Eine Prüfung der Kampffähigkeiten brauchte er nicht zu machen. Sie wären nicht hier, wenn sie nicht wirklich gut wären. Hier waren andere Kriterien gefragt.

„Einer von euch wird ausgewählt werden, die Leibwache eines bedeutenden Beamten anzuführen. Dazu bedarf es nicht nur militärischer, sondern auch gewisser diplomatischer Fähigkeiten. Ihr werdet lange Zeit weit weg sein und fast immer unterwegs. Ihr solltet ungebunden sein und in beiden Schriften lesen und schreiben können.“

Die vier Offiziere sahen sich ebenso betroffen an wie vorher die einfachen Soldaten. Einer von ihnen trat vor.

„Herr, ich bin erst frisch verheiratet und meine Frau…“

„Kein Problem. Begib dich wieder zu deiner Einheit.“

Schweigend sahen die drei ihrem Kameraden nach.

„Es muss doch noch etwas geben… War jemand von euch schon einmal im Delta?“

Gleichzeitiges Kopfschütteln.

„Oder hoch oben an der Grenze zu Nubien?“

„Ich wurde dort geboren, Herr. Ich spreche auch die Sprache der Nubier, weil…“

Der Satz kam gar nicht zu Ende, weil Prinz Amenhotep mit der Hand wedelte.

„Wie ist dein Name?“

„Leutnant Imiuthetep, 2. Bogenschützenkompanie.“

Interessiert betrachtete Prinz Amenhotep jetzt den jungen Mann vor ihm. Er war etwas größer als der Prinz und wie der jetzt erkannte, schien er tatsächlich Vorfahren aus Nubien zu haben. Die Haut war dunkler als die der meisten Bewohner von Khemet und die tiefschwarzen Haare waren leicht gekräuselt. Die gesamte Erscheinung war deutlich muskulöser als die seiner Kameraden und als er sah, wie der Schweiß auf der dunklen Haut glitzerte, musste der Prinz etwas grinsen. Oh, ja Kutari. Mein Geschenk an dich.

Bei den einfachen Soldaten gab es den ganzen Tag noch weitere Tests. Hauptsächlich in Geschicklichkeit und sogar einen Sehtest, bei dem eine sich von weitem nähernde Person so früh wie möglich genau beschrieben werden musste. Am späten Nachmittag hatte Chepren seine Truppe beisammen. Zehn Soldaten, 17 bis 21 Jahre alt, alle mit guten Anlagen ein fähiger Soldat zu werden - wenn Chepren genug Zeit für die Ausbildung blieb. Ein Bote rief sie hinüber zur Kaserne. Dort trat ein junger Mann mit dem kurzen Stab eines Offiziers in der Hand vor die kleine Truppe.

„Mein Name ist Leutnant Imiuthetep. Ich werde euer befehlshabender Offizier sein. Prinz Amenhotep persönlich hat eine Reihe Befehle erteilt, die wir noch heute und morgen früh abarbeiten müssen. Ich werde mit eurem – nein, unserem Feldwebel sprechen und die Befehle verteilen lassen.“

Chepren nickte innerlich. Es hätte schlimmer kommen können. Dann ging er hinüber zu seinem Leutnant.

„Feldwebel Chepren, Leutnant. Wie lauten Eure Befehle?“

Imiuthetep sah den Feldwebel an. Es war eine schwierige Entscheidung. Auf der einen Seite ein Offizier aus einem der angesehensten Regimenter von ganz Khemet, auf der anderen Seite ein Feldwebel aus dem gleichen Regiment mit fast doppelt so viel Erfahrung. Er würde ihm nicht in seine Arbeit hineinreden, trotzdem musste er zeigen, dass er immer noch der Anführer ihrer, wenn auch kleinen, Truppe war.

„Wir sind nur eine kleine Einheit. Ich werde mich nicht in den täglichen Dienst einmischen. Ich erwarte nur, dass meine Befehle im Einsatz verzugslos und ohne Fragen erfüllt werden.“

Chepren war erfreut. Wenn es sich so weiter entwickelte, konnte es eine gute Einheit werden.

„Jawohl, Leutnant. Wie lauten Eure Befehle für heute?“

„Wir müssen noch für jeden eine komplette neue Ausrüstung empfangen und dann…“

Die Liste war lang und es dauerte fast bis zum Abend bis alles abgearbeitet war. Kurz bevor der Herr Re in die Unterwelt verschwand, versammelte sich die Truppe noch einmal vor ihrer Unterkunft. Leutnant Imiuthetep trat vor.

„Sehr gute Arbeit. Wir haben alles erledigt, bis auf eine Aufgabe. Alle Mann mir folgen, ohne Ausrüstung, im Laufschritt.“

Es gab nicht einen Kommentar oder gar Gemaule, wie sonst manchmal in der Truppe üblich. Der Leutnant führte seine Leute an der Uferstraße des großen Flusses entlang, gute 2000 Schritte, dann hinunter zum Flussufer, das an dieser Stelle aus weichem, weißem Sand bestand. Von dort zurück in Richtung Unterkunft und das alles im Laufschritt. Ein Stück vor der Unterkunft ließ Leutnant Imiuthetep halten. Die Männer waren sichtlich abgekämpft, besonders vom Laufen im Sand, und auch der Leutnant keuchte und schwitzte. Nicht einer von ihnen hatte sich jedoch bis jetzt beschwert oder war zurückgeblieben. Leutnant Imiuthetep blickte auf die Gruppe der verschwitzten Krieger, dann grinste er seinen Feldwebel an.

„So, Leute. Zeit zum Baden.“

Bevor einer der Soldaten etwas sagen konnte, hatte der Leutnant seinen Leinenschurz abgelegt, das Lendentuch abgestreift und war splitternackt in den Fluss gesprungen, Feldwebel Chepren nur kurz dahinter. Der Rest sah sich nur kurz an, dann streiften auch sie johlend die Kleider ab und sprangen hinterher. Minuten später war ein Spielen und Toben im Wasser, als wären alle auf einmal zehn Jahre jünger.

Am nächsten Morgen inspizierte Prinz Amenhotep noch einmal persönlich die ausgewählten Soldaten. Sie trugen die Leinenschurze in dieser merkwürdigen Farbe des Türkises und einen Lederriemen mit einer Schnalle ohne Verzierung. Feldwebel Chepren stand ganz links neben der ersten Reihe als Prinz Amenhotep in der Ferne einen Neuankömmling begrüßte und ihm nach kurzer Zeit Leutnant Imiuthetep schickte.

Von dem, was der Feldwebel auf die Entfernung erkennen konnte, war er sichtlich überrascht. Der hochgewachsene Fremde hatte Haare von der Farbe des Weizens auf den Feldern und seine Gestalt war die eines Kriegers. Chepren kannte die Gerüchte und Erzählungen, die überall kursierten, und er war sich sicher, dass dies hier der Sohn des Amun war, der Fremde, der zusammen mit dem Prinzen aufgewachsen war. Kein Wunder, dass nur die größten Krieger ausgewählt worden waren, denn der Sohn des Amun überragte fast jeden hier auf dem Platz.

Auf einen Wink des Leutnants schickte er jetzt Amani und Thotseneb wie abgesprochen nach vorne. Danach trennte sich der Leutnant von der Gruppe und kam zurück.

„Wir werden erst einmal hier abwarten, was sich heute noch ergibt. Wir werden benachrichtigt, sobald es etwas zu tun gibt.“

Nur kurze Zeit später kam ein Junge auf die Truppe zugelaufen und verbeugte sich vor Leutnant Imiuthetep.

„Du bist doch der Sklave des Aufsehers der Fragen. Was gibt es?“

„Jawohl, Herr. Mein Herr hat ein Haus zugewiesen bekommen. Ich soll Euch benachrichtigen, dann das Haus besichtigen und dann im Magazin des Palastes die benötigten Vorräte anfordern.“

Leutnant Imiuthetep hob die Augenbrauen, dann lachte er, weil Kanefer so aufgeregt vor ihm zappelte und seine Aufträge erledigen wollte.

„Ist in Ordnung. Lauf schon mal los. Wir müssen noch unsere Ausrüstung zusammenpacken und kommen dann nach. Natürlich nur, wenn du uns verrätst, wohin.“

Kanefer wurde rot und beschrieb den Weg, dann lief er los.


So kam es, dass Feldwebel Chepren zusammen mit dem Sklaven Kanefer bei den riesigen Magazinen des Palastes stand und sich eine ellenlange Belehrung von einem der Schreiber anhören mussten.

„So geht das alles nicht. Die Liste ist ja länger als der Schwanz eines Krokodils. Möbel, Leinen, Vorräte, ja selbst Pflanzen. Was glaubt ihr denn, wer ihr seid? Nur auf die Aussage eines Sklaven hin, kann ich doch nicht Waren ausliefern, die man fast mit Gold aufwiegen könnte.“

Kanefer war am Ende seiner Geduld und wiederholte zum dritten Mal seinen Spruch.

„Ich bin unterwegs im Auftrag meines Herrn Kutari, dem Aufseher der Fragen des Pharao.“

„Das kann ja jeder sagen. Außerdem kenne ich keinen Aufseher der Fragen des Pharao. Selbst wenn er dann erschiene, müsste er schon den Auftrag offiziell siegeln.“

Kanefer wusste, dass die hohen Beamten alle ein Rollsiegel besaßen, mit denen wichtige Schreiben und Unterlagen gesiegelt und damit beglaubigt wurden. Kutari würde sein Siegel aber erst heute Abend vom Herrscher erhalten. Etwas ratlos sah sich Kanefer um, bis ihm im Hintergrund ein Gebäude auffiel, das er kannte.

„Ich bin gleich wieder zurück.“

Flink wie ein Wüstenfuchs war er verschwunden und sowohl Feldwebel Chepren als auch der Magazinverwalter sahen ihm erstaunt nach.

„Na, der wird so schnell nicht wiederkommen.“

Chepren war da erheblich anderer Ansicht, aber er konnte sich nicht vorstellen, was Kanefer vorhatte.

In wirklich kurzer Zeit kam Kanefer wieder um die Ecke und ihm folgte ein etwa 40 oder 50 Jahre alter Mann in weißem Leinenschurz mit einem goldenen Brustschmuck, der die Göttin Maat darstellte.

Feldwebel Chepren erstarrte, dann sank er auf ein Knie. Der Schreiber, der nicht auf die Neuankömmlinge geachtet hatte, starrte ihn verblüfft an, dann fuhr er herum. Mit einem Aufschrei sank er auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden.

Der Wesir blieb stehen und sah auf den Schreiber herab, der zitterte wie das Schilf am Flussufer.

„Was hat das zu bedeuten?“

„Feldwebel Chepren, Herr, von der Leibwache des Aufsehers der Fragen des Pharao. Dieser Schreiber weigert sich, die benötigten Waren auszuliefern, die mein Herr über seinen Sklaven angefordert hat. Er kenne keinen Aufseher der Fragen des Pharao und er bezweifelte, dass mein Herr ein Siegel führen würde.“

„Schreiber, wie ist dein Name?“

„Edfu, Herr. Aufseher über das Lager des Großen Hauses für die Beamten“, stotterte der Schreiber hervor.

„Nun, Edfu. Dann begib dich in dein Lager und schicke mir deinen Stellvertreter. Danach meldest du dich beim Obersten Verwalter. Er wird für dich bestimmt eine Stelle haben in einer Garnison im fernen Sinai um dort Ziegen zu zählen.“

Mit einem Aufschrei erhob sich der Mann, doch der Wesir deutete lediglich mit einer Hand in Richtung des Magazins, bis der Schreiber lamentierend verschwand.

„Kanefer, so war der Name, richtig?“

„Ja, Herr.“

Langsam wurde Kanefer bewusst, dass er einen der mächtigsten Männer des Landes überredet hatte herzukommen, nur um ein paar Gegenstände aus einem Magazin zu erhalten. Zitternd sank er nun auch auf beide Knie.

Der Wesir sah kopfschüttelnd auf ihn herab und Chepren schien es, als ob der Wesir lächelte.

„Erhebt euch, alle beide.“

Als beide standen, sah der Wesir Kanefer ernst an.

„Du hast den Wesir von Khemet von seiner Arbeit abgehalten. Dies verdient eine angemessene Bestrafung.“

Kanefer sah den Wesir mit seinen großen braunen Augen an und schluckte schwer.

„Doch ebenso hast du die Ehre deines Herren, eines hohen Beamten des Reiches gerettet. Beide Taten stehen im Zusammenhang und müssen auch so behandelt werden. Da der Wesir aber höher steht als alle anderen Beamten, sind seine Belange stärker zu bewerten. Als Oberster Richter des Reiches verfüge ich eine Strafe von zehn Schlägen. Vollstreckt durch Feldwebel Chepren.“

„Zehn Schläge, Herr?“

Jetzt grinste der Wesir den Feldwebel offen an.

„Ja. Mit der flachen Hand. Vollstreckbar bis heute Abend vor der Truppe.“

„Jawohl, Herr.“

Feldwebel Chepren musste sich zusammenreißen um nicht ebenfalls zu grinsen. Kanefer stand mit roten Ohren neben den beiden.

Aus dem Lagergebäude kam ein jüngerer Mann, so um die Dreißig, gerannt und schmiss sich förmlich vor dem Wesir auf den Boden, dass es staubte.

„Geb, Herr. Stellvertretender Aufseher über das Lager des Großen Hauses für die Beamten. Man hat mir gesagt…“

„Egal, was gesagt wurde. Kennst du den Aufseher der Fragen des Pharao?“

„Nicht persönlich, Herr. Ich habe die Nachricht des Obersten Verwalters gelesen.“

„Sehr gut. Dann streiche den Stellvertreter. Du bist ab jetzt Aufseher über das Lager des Großen Hauses für die Beamten. Dieser Sklave hier hat eine Liste seines Herren und du wirst als erste Amtshandlung die Auslieferungen anordnen.“

„Jawohl, Herr.“

Nach einem kurzen Blick in die Runde drehte sich der Wesir um und ging wieder zurück in Richtung des Tempels der Maat. Sofort, als er sich umgedreht hatte, warfen sich die drei Männer zu Boden und standen erst auf, als der Wesir um die Ecke des nächsten Gebäudes gebogen war.

„Dann zeig mal her, was du alles haben willst.“


Während Kanefer seinen Auftrag ausführte, versuchte Leutnant Imiuthetep sich mit seinen nun noch verblieben sechs Leuten einen Überblick zu verschaffen. Das Haus war recht großzügig geschnitten für ein Stadthaus. Das Grundstück war mit einer mehr als mannshohen Mauer aus weiß verputzten Lehmziegeln umgeben. An der Straßenseite der Mauer befand sich der Haupteingang zu dem Grundstück. Ein paar Schritte weiter befand sich ein breites Nebentor, das in den Wirtschafts- und Lagerbereich führte. Am Haupteingang war ein kleines Pförtnerhaus und hier begann der gepflasterte Weg zur Vorhalle, an welche sich direkt die in der Mitte liegende, quadratische große Halle, das Kernstück des Hauses anschloss. Um die große Halle herum befanden sich eine Reihe Gemächer, die sich an den Außenwänden entlang zogen. Der Innenraum beinhaltete vier Säulen, die, wie auch die Wände, mit reichhaltigen Mustern und Bildern verziert war. Oben auf dem Dach der großen Halle befand sich ein flacherer Bau mit vier kleinen Räumen, die als Schlafräume gedacht waren.

Hinter der großen Halle befand sich der Garten mit dem Gästehaus und dem Teich. Im östlichen Teil der Anlage war ein abgetrennter Hof mit Getreidespeichern, Vorratslagern, der Küche und den Wohnungen der Bediensteten.

Leutnant Imiuthetep zählte sechs Räume im Gästehaus und zehn Räume in den Quartieren der Bediensteten. Von der großen Halle gingen sieben Räume für unterschiedliche Zwecke ab, unter anderem der Arbeits- und Schlafraum des Hausherrn und daran direkt anschließend ein Raum der wohl der Schlafraum der Hausherrin gewesen war.

Seine Soldaten würden alle im Gästehaus unterkommen. Dort waren sie unter sich und sie würden bei der Ablösung am Haupteingang auch nicht die Leute im Haupthaus stören. Der Garten war verwildert und einige der Büsche neben dem Gästehaus waren bereits vertrocknet. Vielleicht würde ihr Herr ja an dieser Stelle einen kleinen Übungsplatz erlauben.

Kutari war inzwischen weiter durch den Palast gewandert und suchte nun den Obersten Verwalter auf. Diesem unterstanden alle Sklaven und alle beweglichen Gegenstände die zum Großen Haus, also der Palastanlage und dem davon getrennten Palast des Pharao gehörten.

Ein Diener führte Kutari in einen geräumigen Innenhof, wo unter einem aufgespannten Sonnensegel ein älterer Mann saß, der einem guten halben Dutzend vor ihm stehender Schreiber Anweisungen gab. Er hörte den jeweiligen Schreiber an, ließ den neben ihm sitzenden Schreiber eine Notiz machen und schickte den Fragesteller mit einer Antwort oder einem Befehl fort.

Als er Kutari ansichtig wurde, stand er auf und ging auf ihn zu.

„Ah, Ihr seid Kutari, der Aufseher der Fragen des Pharao. Ich bin Perinefer, der Oberste Verwalter. Was führt Euch zu mir?“

„Ich bin erstaunt, dass mich jeder zu kennen scheint, obwohl ich nur kurze Zeit im Großen Haus gelebt habe.“

„Oh, Eure Gestalt ist unverkennbar und seit der Ankündigung durch unseren Herrscher seid Ihr das Gesprächsthema Nummer eins. Aber ich will nicht den Klatsch des Hofes verbreiten. Setzt Euch zu mir und sagt mir, was Ihr benötigt.“

Der Oberste Verwalter führte Kutari an den Tisch und gab den noch wartenden Schreibern einen Wink, sich zu entfernen. Als auch sein Schreiber neben ihm sich erheben wollte, bedeutete er ihm, sitzen zu bleiben.

„Wir werden deiner Dienste wohl gleich bedürfen.“

An Kutari gewandt erklärte er

„Dies ist mein Schreiber Rachmose. Falls Ihr irgendwann eine Nachricht oder eine Anfrage habt, lasst Euren Boten einfach zu Rachmose gehen, er wird den Fall erledigen oder bei Bedarf an mich weiterleiten.“

„Ihr seid zu gütig. Mein Problem ist, ich habe heute Morgen vom Verwalter der Häuser ein Haus zugeteilt bekommen und benötige das notwendige Personal.“

Kutari erläuterte dem Schreiber, um welches Haus es sich handelte.

„Ich kenne es, Herr. Zum Besitz gehört nur ein altes Ehepaar, beide nicht mehr so recht arbeitsfähig.“

Der Oberste Verwalter dachte einen Moment nach.

„Ihr werdet mindestens einen Verwalter, drei oder vier Dienerinnen und Diener, eine Köchin, einen Bäcker und einen oder zwei Pförtner benötigen.“

Kutari sah erstaunt auf.

„So viel? Mein Haushalt besteht im Moment nur aus einem Sklaven, zwei Schreibern und zwölf Soldaten.“

„Oh, das ist etwas anderes. Dann nehmen wir einen Verwalter, zwei Diener, zwei Köchinnen, einen Bäcker und einen Pförtner. Ihr werdet ja wahrscheinlich öfter auf Reisen sein, in dieser Zeit muss das Haus auch weiterhin versorgt sein.“

„Ja, natürlich. Was den Verwalter betrifft, ich benötige einen ehrlichen Mann, der unabhängig und selbständig arbeiten kann und dem ich das Haus für längere Zeit anvertrauen kann.“

„Dies sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, aber ich weiß, was Ihr meint. Ich glaube, ich habe da auch schon eine Idee.“

Er sah seinen Schreiber an und dieser lächelte leicht.

„Teremun.“

„Ja. Der dürfte der richtige für diese Aufgabe sein. Er ist noch etwas jung, aber er hat die nötigen Kenntnisse und kann sich durchsetzen. Außerdem ist Teremun der jüngere Halbbruder von Rachmose.“

Auf den erstaunten Blick von Kutari senkte Rachmose den Kopf.

„Ich denke, ich werde es mit ihm versuchen. Was den Rest der Dienerschaft betrifft, bin ich ebenfalls auf Eure Entscheidung angewiesen.“

Der Oberste Verwalter nickte, dann griff er zur Seite, um in einem kleinen Stapel von Rollen etwas zu suchen.

„Ah, hier. Unser Herrscher hat angeordnet, dass der Sklave Kanefer aus dem Besitz des Großen Hauses in Euer privates Eigentum übergeht. Hier ist die Urkunde.“

Kutari nahm erstaunt die Urkunde entgegen und fragte sich, warum dieser Besitzwechsel stattgefunden hatte. Ein Sklave war von ziemlich hohem Wert.

„Was nun die Versorgung Eures Hauses mit täglichen Gütern anbetrifft, so seid unbesorgt. Ich habe bereits ein Schreiben an die Lager herausgeben lassen, dass Ihr eine Einrichtung erhaltet und dass auch monatlich die Lebensmittel und Haushaltsgüter geliefert werden. Euer Gehalt wurde von unserem Herrscher, lang möge er leben, als das eines Obersten Aufsehers festgelegt, so dass ihr keine Sorgen zu haben braucht, was die Menge an Gütern betrifft, die ihr erhaltet. Ihr sagtet Ihr habt Soldaten dabei? Soldaten bekommen ihre eigene Zuteilung aus dem Lager ihres Regimentes.“

Kutari schwirrte der Kopf. An die Verwaltung oder auch nur die Aufsicht über einen eigenen Haushalt hatte er bis jetzt noch nicht nachgedacht und sich deshalb auch nicht näher damit beschäftigt.

Der Oberste Verwalter lachte bei Kutaris verlorenem Blick und klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter.

„Geht unbesorgt nach Hause. Noch im Laufe des heutigen Tages werden die ersten Bediensteten eintreffen und Ihr werdet sehen, es läuft dann alles fast von ganz allein.“

Kutari erhob sich und bedankte sich beim Obersten Verwalter und auch bei dessen Schreiber. Nachdenklich blickten ihm die beiden hinterher, als er den Innenhof verließ.

„Er wird es schwer haben.“

„Vielleicht, aber nun sieh zu, dass du die Leute zusammen bekommst. Ich will keine Idioten in dem Haushalt und auch niemanden mit klebrigen Fingern.“


Als Kutari an seinem Haus eintraf, war er mehr als erstaunt. Handwerker waren dabei, die Lehmziegelmauer instand zu setzen und neu zu weißen. Der Haupteingang bekam eine neue Säuleneinfassung und etwas weiter wurden an einem zweiten Tor die altersschwachen Bretter durch massive Bohlen mit mehreren starken Riegeln ausgetauscht. Vor dem Haupteingang hatte der Leutnant die beiden Wachposten mit jeweils einem langen Speer und einem der kuhledernen, gefleckten Schilde ausgerüstet.

Als er durch den Eingang trat, salutierten die Wachposten indem sie die Speere senkrecht stellten. Etwas unwillig musterte Kutari den Weg zum Garten mit seinen vertrockneten Sträuchern und dem gelb gewordenen Gras. Vor ihm erschallte ein lauter Ruf und Kutari erkannte Kanefer, der auf ihn zustürmte. Aufgeregt berichtete der Junge von seinem Abenteuer im Lagerhaus.

„Du hast was? Du hast den Wesir belästigt?“

Kanefer wurde plötzlich sehr still und senkte den Kopf. Feldwebel Chepren berichtete von dem Richterspruch des Wesirs. Kutari musste sich ein Lachen verbeißen, aber dann sah er sich um.

„Nun gut. Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden. Feldwebel, sammle die Soldaten zum Strafvollzug.“

„Jawohl, Herr.“

Kanefer sah mit seinen großen braunen Augen zu Kutari auf und schluckte schwer.

„Du brauchst mich nicht so anzusehen. Es wird dir eine Lehre sein, einen hohen Herrn nicht mehr zu belästigen. Es wird Zeit, dass du lernst, dich selber durchzusetzen.“

Feldwebel Chepren hatte seine Soldaten eingefangen und Leutnant Imiuthetep kam jetzt auch neugierig näher. Bis auf die beiden Soldaten vor dem Tor waren jetzt alle versammelt.

Kutari wandte sich an seine Truppe.

„Der Sklave Kanefer hat sich eines Vergehens gegen die Demut gegenüber einem hohen Beamten schuldig gemacht. Er wurde vom Wesir zu einer körperlichen Züchtigung verurteilt.“

Die Soldaten sahen sich an. Seit wann verurteilte der Wesir einfache Sklaven?

„Die Strafe lautet auf zehn Schläge - mit der flachen Hand.“

Jetzt lief ein erstes Kichern durch die Reihe, doch der Feldwebel sorgte mit einem strengen Blick für Ruhe. Dann bedeutete er Kanefer seinen Leinenschurz abzulegen. Als der Junge ihn fein säuberlich zusammengefaltet hatte, kam das Lendentuch an die Reihe. Beim Anblick des nun nackten Kanefer stieß irgendeiner der Soldaten einen leisen Pfiff aus, aber trotz der schnellen Reaktion des Feldwebels ließ sich nicht mehr feststellen, wer es gewesen war.

Feldwebel Chepren nahm Kanefer an die Hand und führte ihn zu einem kleinen, wackligen Tisch im Garten der schon bessere Tage gesehen hatte. Dort musste sich der Delinquent mit dem Oberkörper darauf legen. Kutari nickte dem Feldwebel zu.

Während der ersten drei Schläge hatte Kanefer nicht einen Laut von sich gegeben, doch jetzt nahm er das in seiner Hand befindliche Lendentuch und stopfte sich einen Zipfel in den Mund. Nach dem siebten Schlag liefen ihm die Tränen herunter und er klammerte sich mit den Händen an der Tischkante fest. Nach dem letzten Schlag legte er erschöpft seinen Kopf auf die Tischplatte.

Feldwebel Chepren ging besorgt um den Tisch herum.

„Geht es wieder?“

Kanefer nickte schwach, dann erhob er sich. Der Feldwebel nahm ihm sein Lendentuch ab und hob den Leinenschurz auf.

„Komm mit. Ich habe da ein sehr gutes Mittel gegen Schmerzen.“

Die restlichen Soldaten sahen mit einem Lächeln hinterher, wie Kanefer mit rotglühenden Hinterbacken vorsichtig dem Feldwebel folgte.

Leutnant Imiuthetep beobachtete die beiden ebenfalls, bis er herumfuhr und seine Truppe musterte.

„Habt ihr nichts zu tun?“

Hektisch liefen die Soldaten auseinander und versuchten, sich zu beschäftigen.

Kutari fand es falsch, den Jungen zu bestrafen, aber das Wort des Wesirs war ein Befehl. Er hatte ihm richtiggehend leidgetan, wie seine schmale Gestalt dort auf dem Tisch lag, aber Mitleid konnte er sich nicht leisten. Oder doch? Dies hier war nicht seine Arbeit, dies waren sein Haushalt und seine Verantwortung. Er würde mit Kanefer noch einmal reden müssen.

Vom Tor her erklangen ein paar laute Stimmen und Kutari machte sich aufseufzend auf den Weg dorthin. Die beiden Wachen hatten den Durchgang versperrt und davor sammelten sich mehrere Leute. Kutari erkannte einen jungen Mann in weißem Leinenschurz mit einer Schriftrolle in der Hand und einer ledernen Umhängetasche, so wie Boten sie normalerweise trugen.

„Was gibt es?“

Die Wachposten salutierten und sahen Kutari an.

„Dieser Mann behauptet, er sei der Verwalter. Wir haben keine Nachricht darüber, dass ein Verwalter erwartet wird.“

Kutari seufzte ergeben. Wieder etwas dazu gelernt. Auch die Untergebenen brauchen Informationen. Er würde mit Imiuthetep sprechen müssen. Dann wandte er sich an den jungen Mann vor dem Eingang.

„Was führt Euch her?“

„Wie ich bereits der Wache mehrfach gesagt habe, ist mein Name Teremun und ich soll hier als Verwalter arbeiten. Ich suche den Aufseher der Fragen des Pharao. Er müsste wissen, dass ich erwartet werde.“

„Ja. Ihr habt den Aufseher gefunden und ich weiß tatsächlich, dass Ihr erwartet werdet. Wer sind diese Leute?“

Teremun erschrak und verbeugte sich tief vor Kutari. Er hatte nicht damit gerechnet einen so hohen Beamten zu treffen, der sogar drei oder vier Jahre jünger war als er selber.

„Schon gut. Man kann nicht arbeiten mit dem Blick zu Boden. Was wurde Euch denn gesagt, was Ihr zu erwarten habt?“

Teremun zögerte etwas, dann sah er sich kurz prüfend um.

„Mein Bruder hat mir gesagt, der Oberste Verwalter habe eine Anstellung für mich. Ich solle mich beim Haus des Aufsehers der Fragen des Pharao einfinden und dort als Verwalter arbeiten. Das würde umfassen das Beaufsichtigen der Bediensteten, Sicherstellen von Speisen und Getränken nach Vorgaben des Hausherren, Regeln des täglichen Arbeitsablaufes im Haus. Dazu beaufsichtigen von Instandsetzungsarbeiten und Abrechnen der Lieferungen aus den Lagern des Großen Hauses.“

Kutari musterte Teremun jetzt etwas näher. Dieser war kleiner als Kutari und schlank. Seine hellbraune Haut glänzte in der Sonne und die tiefschwarzen Haare waren kurz geschnitten, doch nicht kurz genug für eine Perücke. Die Augen waren erstaunlicherweise etwas schräg gestellt und die Wangenknochen standen leicht hervor.

Teremun bemerkte die Blicke und sah Kutari an.

„Meine Mutter stammt aus einem fernen Land, noch weiter im Osten als Elam.“

„Ich beurteile nicht nach dem Äußeren. Was befähigt Euch zu der Arbeit eines Verwalters, denn Ihr scheint noch nicht sehr alt zu sein.“

Teremun lächelt schüchtern und sah zu Boden.

„Ich bin 24. Ich bin im Großen Haus zum Schreiber ausgebildet worden und habe danach den Haushalt meines Vaters geführt, bis dieser im letzten Schemu gestorben ist.“

Kutari nickte, dann deutete er auf die Leute hinter Teremun.

„Was ist mit ihnen?“

„Mein Bruder Rachmose hat einige der Arbeiter des Großen Hauses ausgewählt, von denen er glaubte, ihr könntet sie in Eurem Haushalt gebrauchen. Sie haben alle, bis auf eine Ausnahme, schon einmal in herrschaftlichen Häusern gearbeitet und kennen den Ablauf.“

„Dann lasst sehen, wen Ihr mitgebracht habt.“

Als erster trat ein stämmiger, breitschultriger Mann um die 30 vor.

„Dies ist Nakhet, der Pförtner. Er ist mit seiner ganzen Familie hier. Seine Frau Kipa könnte als eine der beiden Köchinnen arbeiten. Sie haben zwei Kinder, Thotmes und Neferi.“

Neben dem Mann erschien eine ebenso stämmige Frau und mit ihr ein Junge von etwa elf oder zwölf und ein Mädchen von acht oder neun Jahren.

Die nächsten in der Reihe waren zwei Jungen von etwa sechzehn Jahren mit absolut gleichen Gesichtszügen.

„Dies sind Ptahor und Metufer, die Zwillinge. Sie sind als Diener oder Arbeiter vorgesehen. Sie haben vorher noch nie bei jemandem gearbeitet. Sie wurden verpfändet und das Pfand wurde nicht eingelöst, so müssen sie sich jetzt selber freikaufen.“

Angsterfüllt sahen die beiden Jungen Kutari an. Trotz ihrer Jugend schienen sie schon schwer gearbeitet zu haben, denn ihre Arme waren sehr muskulös.

„Senmut und seine Schwester Amunet. Er wäre der Bäcker und Bierbrauer, während sie als Köchin arbeiten würde.“

Beide waren wohl schon weit über vierzig, aber sie machten einen gesunden, arbeitsfähigen Eindruck auf Kutari.

„Lass alle noch etwas hier draußen warten. Leutnant Imiuthetep hat das Haus besichtigt und kann Auskunft geben, ob und wie wir die Leute gebrauchen können.“

An eine der Wachen gewandt sagte er, „Der Leutnant soll kommen“, während sein Blick noch einmal über die versammelte Dienerschaft glitt. Er fragte sich, warum ausgerechnet diese von Rachmose ausgewählt worden waren und welche Geschichte womöglich hinter jedem von ihnen steckte.

Der Leutnant kam zum Tor geeilt und es dauerte nicht lange, bis er sich mit Teremun abgesprochen hatte. Dieser wandte sich an Kutari.

„Wenn Ihr nichts dagegen habt, nehmen wir alle, Herr.“

Kutari sah erstaunt, wie ein erleichtertes Aufatmen durch die Reihe ging. Er fragte sich jetzt ernsthaft, ob sie wirklich glaubten, dass es ihnen hier besser ging als bei ihren vorherigen Herrn.

„Nakhet wird mit seiner Familie im Pförtnerhaus wohnen. Seine Frau wird in der Küche arbeiten und Thotmes wird in eine Lehre gegeben. Neferi bleibt erst einmal bei ihrer Mutter.“

„Mit Ptahor und Metufer, haben wir das größte Problem. Da sie neu in einem Haushalt sind, kommen sie als Diener erst einmal nicht in Frage. Wir wollen das später entscheiden, aber die beiden bleiben auch erst einmal hier.“

„Senmut wird wie vorgesehen als Bäcker und Bierbrauer arbeiten, seine Schwester als Köchin.“

Kutari verfolgte die Gesichter der Betroffenen bei der Ansage. Der Pförtner hatte mit unbewegtem Gesicht zugehört, nur seine Frau klammerte sich unbewusst an ihren Sohn. Die Zwillinge sahen erleichtert aus, dennoch sahen sie mit traurigen Blicken zu Boden.

Lediglich der Bäcker und seine Schwester schienen es so getroffen zu haben, wie sie gehofft hatten.

Kutari trat jetzt einen Schritt vor und versuchte sich zu erinnern, was er im Haus der Maat gelernt hatte über die Befragung von Personen.

„Ihr seid Nakhet, der Pförtner. Sind das Eure einzigen Kinder?“

„Ja, Herr. Meine Frau hat neun Kindern das Leben geschenkt, doch die Göttin war uns nicht gewogen. Diese sind die einzigen, die uns geblieben sind.“

Die Antwort war etwas zögernd gekommen und Nakhet sah zu Boden. Bis zu zehn Kinder waren in einer Familie nicht unüblich, doch nur die wenigsten erreichten wirklich das Alter, um ihren Eltern eine Hilfe zu sein. So schien es kein Wunder, dass die beiden umso mehr an ihren einzigen überlebenden Kindern hingen.

Kutari überlegte kurz. Der Junge schien nicht dumm zu sein. Trotz der Aufregung um ihn herum hatte er sich aufmerksam umgesehen und er schien immer neue, interessante Sachen zu entdecken. Amüsiert beobachtete Kutari, wie der Junge mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf jeden einzelnen der kleinen Getreidesilos deutete und dann an der linken Hand entsprechend einen Finger ausstreckte.

„Teremun, Ihr seid als Verwalter doch auch Aufseher über die Lager des Hauses?“

„Ja, Herr. Aber ich verstehe nicht ganz…“

„Nun, dann habt Ihr ab sofort einen Helfer. Thotmes wird Euch ab sofort bei der Verwaltung zur Seite stehen.“

Kutari sah nur die großen braunen Augen des Jungen, die ihn ungläubig anstarrten, ebenso wie die seiner Eltern. Doch Kutari hielt sich nicht mit ihnen auf, sondern wandte sich an die Zwillinge.

„Ihr seid Ptahor und Metufer, aber das ist schon alles was ich weiß. Warum müsst Ihr Euch freikaufen und was habt ihr vorher gemacht?“

Da die beiden nicht zu unterscheiden waren, konnte Kutari nicht sagen, wer ihm antwortete. Die Stimme war leise, aber erstaunlich tief.

„Wir stammen aus dem nördlichen Delta. Unsere Eltern besitzen dort einen Bauernhof und wir haben dort gearbeitet bis zur letzten Ernte. Die Ernte ist schlecht ausgefallen und unser Vater musste sich Getreide leihen von einem reichen Nachbarn um genug zu haben für die neue Aussaat. Wir waren damals verpfändet worden für den Wert des Getreides, doch unser Vater konnte nicht alles zurückzahlen und so wurde das Pfand eingelöst. Wir müssen jetzt arbeiten und unser Lohn fällt an den Nachbarn, bis die Schuld bezahlt ist.“

„Ihr seid also eigentlich Bauern.“

Nachdenklich drehte sich Kutari um und musterte den Garten.

„Seid ihr in der Lage, den Garten wieder so herzurichten, dass man einen hohen Gast dorthin führen kann?“

„Über hohe Gäste wissen wir nichts, Herr. Doch bis zur nächsten Achet wird dort wieder alles grün sein.“

Teremun nickte erfreut und sah Kutari bewundernd an, dann wandte er sich an die Zwillinge.

„Ihr werdet in den Wohnungen der Bediensteten untergebracht, genau wie Senmut und Amunet.

Sich neugierig umsehend, zogen die neuen Bediensteten in ihre Quartiere.


Mit einem kurzen Blick in den Himmel erkannte Kutari, dass der Tag schon ziemlich fortgeschritten war. Wenn er sich richtig erinnerte, hatte er Hori und Hamadi Zeit gegeben bis zum Höchststand des Herren Re und nicht, bis er schon fast in der Unterwelt verschwunden war. Er würde sich für die beiden etwas einfallen lassen müssen.

Kurze Zeit später kamen die beiden dann auch fröhlich miteinander plaudernd durch das Tor. Leutnant Imiuthetep hatte diesmal die Wachen besser vorbereitet.

Kutari rüstete sich innerlich für seine erste Verhängung einer Strafe.

„Wo seid ihr gewesen?“

Die beiden jungen Schreiber erstarrten in ihren Bewegungen und sahen verlegen zu Boden.

„Wir waren am Ufer des Flusses, Herr. Wir haben die Zeit vergessen.“

„So, was hatte ich euch gesagt?“

„Bis zum höchsten Punkt des Herren Re“, flüsterte Hori plötzlich sehr eingeschüchtert.

„Eine kleine Verspätung hätte ich noch hingenommen, aber nicht fast den halben Tag.“

Kutari sah sich um und winkte Leutnant Imiuthetep.

„Lasst die Truppe antreten zum Strafvollzug.“

Der Leutnant hob erstaunt die Augenbrauen, sagte aber nichts. Kurze Zeit später waren die Soldaten zum zweiten Mal angetreten und auch Kanefer kam hinten aus dem Gästehaus hervor, ordentlich in seinen Leinenschurz gekleidet.

„Wegen Verstoßes gegen eine deutliche Anweisung ihres Herrn, verhänge ich eine körperliche Züchtigung von zehn Schlägen gegen Hori und Hamadi. Durchzuführen sofort durch Feldwebel Chepren.“

Beide Jungen sahen sich erstaunt an, dann wurde Hori blass im Gesicht.

Feldwebel Chepren führte als ersten Hamadi zu dem Tisch, der heute schon einmal benutzt worden war. Als Hamadi Leinenschurz und Lendentuch abgelegt hatte, beugte er sich freiwillig vor und legte seinen Oberkörper auf den Tisch. Stoisch ertrug er die Schläge und nur beim letzten entwich ihm ein kurzer unterdrückter Schrei.

Kutari war nicht der Ansicht, dass die Schläge selbst eine Strafe waren, sondern die Tatsache, dass sie vor allen Augen durchgeführt wurden. Er würde auch mit diesen beiden nachher reden müssen.

Als Hori an der Reihe war, legte er seinen Leinenschurz ab, aber bei dem Lendentuch zögerte er. Erst als Feldwebel Chepren auf ihn zutrat, legte er es ab. Die helle Haut kam hier deutlich zur Geltung und Chepren musste den Jungen mit etwas Bestimmtheit auf den Tisch drücken.

Nach dem dritten Schlag schrie Hori laut auf. Irritiert sah der Feldwebel herunter und bemerkte Blut an seiner Hand. Sofort hob er die flache Hand und zeigte Kutari und dem Leutnant seine Handfläche. Alarmiert kamen die beiden näher.

Sie erkannten, dass sich quer über Horis Hinterbacken mehrere dunkelrote Streifen zogen, die anscheinend von einer Peitsche stammten. An einigen Stellen hatte die Peitsche die Haut aufgerissen und ein paar Wunden hinterlassen, die nur schlecht zugeheilt waren. Die Schläge hatten die knapp verheilten Wunden wieder streifenweise aufgerissen.

„Die Strafe ist aufgehoben. Hamadi, bring ihn auf sein Lager, der Leutnant zeigt euch wo ihr hin müsst. Kanefer, besorg sofort den nächstgelegen Arzt.“

Hamadi stütze Hori und beide folgten dem Leutnant in Richtung der großen Halle. Kanefer war losgesprintet und Feldwebel Chepren wusch sich die Hände am Brunnen.

Kutari überlegte, wie er die Sache handhaben wollte. Die Benutzung der Peitsche war für Sklaven erlaubt, aber nicht für Bürger, schon gar nicht innerhalb des Großen Hauses in dem Hori bis dahin ja gelebt hatte. Die Strafen, die ein Gericht aussprach, waren ausschließlich Stockhiebe. Wie Hori zu den Peitschenstriemen gekommen war, war mehr als mysteriös.

Hori schleppte sich, gestützt durch Hamadi, die breite Treppe hinauf auf den Anbau der Haupthalle und dann eine kleinere Treppe hinauf auf das Dach der Haupthalle. Hier oben waren vier Räume von denen Hori und Hamadi jetzt jeweils einen bewohnten. Kurz darauf erschien Kanefer mit einem Arzt im Schlepptau und führte ihn direkt hoch zu Horis Zimmer.

Als der Arzt Horis Zimmer betrat, sah er sich mit vier Menschen in einem dafür viel zu kleinen Raum konfrontiert. Keinen davon kannte er und alle sprachen durcheinander. Erst als ein großgewachsener Mann mit hellen Haaren den größten Teil der Leute hinausscheuchte, trat Ruhe ein.

„Ich bin Kutari, Aufseher über die Fragen des Pharao. Dies ist Ihr Patient, mein Schreiber Hori.“

„Rahotep, Arzt in diesem Viertel.“

Ohne weitere Worte hockte er sich neben den Patienten, der nackt ausgestreckt auf dem Bauch auf seiner Schlafmatte lag. Vorsichtig fuhr der Arzt über die Verletzungen und murmelte etwas Unverständliches. Dann öffnete er seine Ledertasche, die er über der Schulter hängen hatte und entnahm ein kleines Leinentuch und einen Tiegel.

„Du musst noch einmal tapfer sein.“

Vorsichtig tupfte der Arzt die Wunden mit einer Salbe aus dem Tiegel ab. Dann nahm er einen zweiten Tiegel und gab eine größere Menge Salbe direkt auf die Haut. Hori zuckte des Öfteren zusammen, sagte aber nichts. Zum Schluss deckte der Arzt die ganze Fläche mit einem weiteren Leinentuch ab.

Schweigend folgte Kutari dem Arzt nach draußen auf die Dachfläche. Der Arzt sah ihn merkwürdig an und begann vorsichtig

„Ich betrachte es als ungehörig, einen jungen Menschen derart zuzurichten.“

Kutari sah den Arzt erstaunt an, dann dämmert es ihm. Der Arzt glaubte, Kutari hätte die Peitschenstriemen zu verantworten.

„Der Junge ist erst seit heute mein Schreiber. Ich habe die Verletzungen auch erst heute bemerkt und gedenke, sie nicht ungeahndet zu lassen.“

Der Arzt machte ein erleichtertes Gesicht.

„Dann ist es ja gut. Ich hätte nicht gewusst, wie ich das Thema sonst hätte anpacken sollen, denn allem Anschein nach war die Peitsche mit Knoten versehen oder es war eine Nilpferd-Peitsche, eine sehr brutale Methode. Soviel ich weiß, wird sie nur von Sklavenaufsehern verwendet.“

„Ich danke Euch. Das war ein sehr wichtiger Hinweis. Für die Bezahlung wendet Euch an meinen Verwalter.“

„Ich bin froh, helfen zu können. Falls noch einmal etwas ist, lasst mich einfach rufen.“

Nach einer kurzen Verbeugung stieg der Arzt die Treppen hinunter um den Verwalter zu suchen, während Kutari überlegte, wie er diese Situation am besten anging. Doch viel Zeit blieb ihm nicht, denn der abendliche Termin im Palast rückte unaufhaltsam näher.


Kutari war nervös und nicht nur er. Leutnant Imiuthetep stand vor seinen Leuten und sah sich zum wiederholten Mal unauffällig um. Schräg rechts hinter Kutari standen Hamadi und Hori, beide in makellosen weißen Leinenschurzen, doch Hamadi war so aufgeregt, dass er fast so rot im Gesicht war wie Hori. Dieser versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch seine Schmerzen ließen ihn manchmal kurz das Gesicht verziehen. Links hinter Kutari stand Kanefer und versuchte vergeblich, sich so unsichtbar wie möglich zu machen.

Im Hintergrund des großen Thronsaales kam es zu einer Bewegung und ein Hofbeamter trat ein.

„Höret und sehet! Unser göttlicher Pharao, der Herrscher von Ober- und Unterägypten, König beider Reiche, Sohn des Horus, Mencheperre!“

Alle Anwesenden sanken zu Boden und verbeugten sich mit zu Boden gerichteten Gesichtern. Nach nur kurzer Zeit ertönte eine tiefe, sonore Stimme.

„Erhebt Euch.“

Alle erhoben sich vom Boden, doch lediglich Kutari sah nach vorne, die anderen behielten ihren Blick gesenkt.

Nur wenige Schritte vor Kutari stand der göttliche Pharao, gekleidet in einen weißen Leinenschurz und einen großen Brustschmuck aus Türkis und Gold. Keine Krone, keine Zepter.

„Nun, Kutari, so sehen wir uns wieder. Bist du enttäuscht? Es bleibt uns keine Zeit für Förmlichkeiten, Sohn des Amun.“

Kutari erstarrte und wagte es nicht, sich zu bewegen.

„Du hast Angst? Warum? Wenn ich dich damals nicht töten ließ, warum sollte ich es jetzt tun? Die Zeit ist gekommen, dass auch du mir dienst.“

Mit langsamen Schritten umkreiste der Pharao Kutari. Seine Stimme war leise, aber er sprach deutlich und mit viel Gefühl.

„Du siehst deiner Mutter ähnlich. Und deinem Vater. Ich hätte dein Vater sein können, aber er hat ihr Herz zuerst gewonnen. Ich war ehrlich traurig, als er so tragisch zu Tode kam. Die Nachricht seines Todes hat zu verfrühten Geburtswehen geführt. Wusstest du das? Als sie starb, wollte ich auch deinen Tod. Beide, die ich geliebt habe, waren tot und du solltest mich nicht mehr daran erinnern. Doch dann hat der Gott Amun dich beansprucht, mit deinen blauen Augen. Die Augen, die mich immer an ihn erinnern.“

Die Stimme des Wesirs erklang aus dem Hintergrund.

„Herr, wir sollten…“

„Ich weiß, warum wir hier sind. Nun denn, sehet her.“

Als alle aufblickten, nahm der Pharao von einem bereitliegenden Kissen eine breite goldene Halskette mit einem ebenfalls goldenen Amulett mit Einlegearbeiten aus Türkis und farbigem Glas. Das Amulett zeigte den Gott Seth und die Göttin Maat, aber nicht wie üblich, in eine Richtung blickend, sondern sie sahen sich an.

„Kutari, Sohn des Amun. Du bist ab sofort der Aufseher der Fragen des Pharaos. Jede Frage die du stellst, wird meine Frage sein, jede Antwort die du bekommst, wird mir gegeben sein. Du wirst das Chaos sein, das die Ordnung bringt.“

Dann überreichte ihm der Pharao zwei Armreifen, für den linken Arm die Göttin Maat, für den rechten Arm den Gott Seth. Zum Schluss bekam Kutari noch einen großen goldenen Siegelring, ein Rollsiegel mit den gleichen Symbolen und einen Amtsstab aus Ebenholz mit zwei verschiedenen goldenen Figuren an den Enden. Einmal die Göttin Maat mit ihrem Federschmuck, am anderen Ende der Gott Seth, stehend mit einem Speer.

Kutari ließ alles wie im Traum über sich ergehen. Die Worte des Pharaos hatten ihn dermaßen aufgewühlt, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.

Wieder ertönte die Stimme des Hofbeamten.

„Ehret den Pharao!“

Und wieder sanken alle zu Boden bis der Pharao den Raum verlassen hatte.

„Steht auf. Es ist vorbei.“

Wesir Rechmire sah Kutari prüfend an.

„Er war sehr aufgewühlt, als er dich gesehen hat. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Und doch…“

„Stimmt es wirklich, dass er meinen Vater kannte?“

Mit einem prüfenden Blick sah der Wesir kurz in die Runde.

„Später. Aber wie ich sehe, hast du bereits deine Wache und die ersten Bediensteten. Ich habe gehört, du hast die Schreiberschule geplündert?“

Kutari sah ihn erstaunt an. Hatte der alte Ahmose sich etwa beschwert? Als der Wesir Kutaris Gesicht sah, lachte er. Dann sah er hinüber zu den beiden jungen Schreibern.

„Welcher wird die geheime Korrespondenz erledigen?“

„Beide. Aber der Sohn des Seth wird die Kurierpost machen.“

Kutari hatte laut genug gesprochen, so dass ihn die beiden Jungen hören konnten und nun wurde Hori tatsächlich rot wie ein Granatapfel.

Der Wesir lachte laut, dann wandte er sich direkt an Hori.

„Nun gut, Sohn des Seth. Du wirst morgen früh in den Palast kommen und von meinem ersten Schreiber eine Einweisung bekommen in die Methode, mit der geheime Nachrichten übermittelt werden.“

Horis Augen wurden groß, dann senkte er den Kopf.

„Jawohl, Herr.“

Der Wesir wandte sich jetzt zu Hamadi.

„Wenn dieser der Sohn des Seth ist, dann wirst du wohl der Sohn der Maat sein. Aus diesem Grund wirst du morgen früh zum Gerichtsgebäude kommen und dort eine Sammlung der Gesetze von Khemet entgegennehmen. Außerdem wird dich der Oberste Schreiber dort in die Formalitäten einer gerichtlichen Ermittlung einweisen.“

Hamadi war jetzt ebenso rot wie Hori, aber er nickte ergeben.

„Jawohl, Herr.“

Mit schnellen Schritten war der Wesir hinüber zu Kanefer geeilt, der erschrocken zusammenzuckte.

„Und du, ich weiß, du hältst gerne hohe Beamte von ihrer Arbeit ab. Deshalb wirst du morgen früh zum Palast kommen und dort wird mein Haushofmeister dir einen Überblick geben über die wichtigsten Regeln für den Umgang mit hohen Würdenträgern und die Grundlagen des höfischen Protokolls.“

Kanefer starrte den Wesir an ohne zu antworten oder sich zu rühren. Langsam begann er zu zittern. Da beugte sich der Wesir über ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Jetzt wurde Kanefer ebenso rot wie die beiden vor ihm. Das Zittern hörte auf und er senkte den Blick.

„Ja, Herr. Danke, Herr.“

Nach einem weiteren Rundumblick klatschte der Wesir in die Hände.

„Ihr seid entlassen. Ich werde mit dem Aufseher der Fragen des Pharaos noch kurz hier verbleiben. Ihr könnt euch draußen eine Erfrischung geben lassen.“

Kutari runzelte die Stirn. Auch das war ungewöhnlich. Seit wann kümmerte sich der Wesir persönlich um die Angestellten eines Haushalts oder gar um Erfrischungen?

„Was, bitte, habt Ihr Kanefer gesagt, Herr, dass er so schnell ruhig geworden ist?“

Der Wesir grinste Kutari an, dann beugte er sich wieder vor und flüsterte.

„Tu es für ihn. Er liebt dich.“

Nun endlich war es an Kutari rot anzulaufen. Ja, er liebte ihn tatsächlich. Nicht mit der Hitze des Fleisches, sondern mehr wie einen Sohn. Er hatte über Nacht eine Familie bekommen. Menschen, für die er verantwortlich war. Sofort fiel ihm Hori ein.

„Ich habe da noch ein Problem, Herr, das ich nicht ohne einen Rat angehen möchte.“

Neugierig sah der Wesir ihn an, dann winkte er Kutari, ihm zu folgen. Ähnlich wie der Hohepriester des Amun wählte auch der Wesir einen der zahllosen Gärten des Palastes als ruhigen Platz für eine Unterredung. Auf seine Aufforderung hin schilderte Kutari die Vorgänge des Nachmittags.

„Es ist gut, dass du damit zu mir gekommen bist. Es geht irgendetwas im Palast vor, das nicht greifbar ist. Besonders das Frauenhaus ist betroffen. Ich habe schon vor der letzten Peret eine inoffizielle Nachforschung anstellen lassen, aber der Schreiber war nicht klug genug. Er hat sich von Titeln beeindrucken lassen und nur Gerüchte angeschleppt. Ein Eunuch ist gestorben, man munkelt von Gift. Ein Junge, etwa zwölf, Sohn einer der Begleiterinnen der Großen königlichen Gemahlin ist ertrunken, der Junge konnte schwimmen wie ein Fisch. Ein weiterer, älterer Junge, ebenfalls Sohn einer Dame aus sehr angesehenem Hause ist spurlos verschwunden. Und jetzt dieser Vorfall mit deinem Schreiber. Du musst versuchen, etwas aus ihm heraus zu bekommen. Ich möchte ihn ungern offiziell verhören lassen. Das könnte noch einmal schmerzhaft werden.“

Kutari sah den Wesir erstaunt an. Eine Intrige im Frauenhaus? Es hatte schon öfter in der Geschichte Khemets Intrigen innerhalb des Frauenhauses gegeben, die meisten zielten aber auf die Nachfolge der Großen königlichen Gemahlin oder welcher der zahlreichen Söhne dem göttlichen Pharao als Nachfolger vorgeschlagen wurden. Dies hier schien etwas anderes zu sein. Die Fälle erstreckten sich sowohl auf das Frauenhaus des Pharao als auch auf den Palast der Großen königlichen Gemahlin.

„Komm morgen früh in den Tempel der Maat. Ich werde dich offiziell mit den Nachforschungen betrauen und dann wollen wir mal sehen, wieviel Widerstand dir aus dem Frauenhaus entgegensetzt wird.“

Kutari war überrascht von der Entscheidung des Wesirs und beschäftigte sich im Geiste schon mit seinem ersten Fall, als ihn der alte Mann noch einmal unterbrach.

„Du erinnerst dich an das, was der göttliche Pharao vorhin über deine Mutter und deinen Vater gesagt hat?“

Kutari wurde aus seinen Gedanken gerissen, aber er nickte.

„Ja. Dass er sie geliebt habe.“

„Und wenn ich dir nun sage, dass das nicht nur bildlich gemeint war?“

„Was? Ihr wollt damit sagen, dass er… und die beiden… ich meine, einfach so…“

„Ich werde dir jetzt etwas erzählen, was ich nicht wiederholen werde und was du auch nie gehört haben wirst. Ja, sie haben. Alle drei. Und zwar gleichzeitig. Wir wussten bis zum Zeitpunkt der Geburt nicht, wer der Vater sein würde.“

Kutari starrte den Wesir mit offenem Mund an und ihm dämmerte, dass eine ganze Reihe Götter wohl gerade ziemlich laut lachten.

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