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Die Söhne des Pharao
Teil 2
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Informationen
- Story: Die Söhne des Pharao
- Autor: Mondstaub
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Abenteuer, Historisch
Zurück im Haus entledigte sich Netermest zunächst des Brustpanzers und auch des Lederschurzes. Im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert, legte er einen Leinenschurz an. Der Brustpanzer hatte ein ordentliches Gewicht und darunter war es auch deutlich zu warm. Dann erinnerte er sich des Stirnreifs, den ihm Amenhotep aufgesetzt hatte. Vorsichtig nahm er ihn ab und besah ihn sich nun das erste Mal.
Er war aus reinem Silber und so breit wie ein kleiner Finger. Lediglich vorne auf der Stirn war eine Figur angebracht. Netermest erkannt den Kopf des Löwengottes Mahes. Kopfschüttelnd legte er vorsichtig den Schmuck ab.
Auf einmal bemerkte er, dass er Hunger hatte und er wurde sich bewusst, dass er den ganzen Tag noch nicht viel gegessen hatte.
„Huni!“
Der Junge eilte herbei und war beinahe dabei, sich auf den Boden zu werfen, als ihm die Worte von Netermest wieder einfielen.
„Ja, Herr.“
„Was haben wir zum Abendessen?“
„Ich müsste etwas aus der Küche des Großen Hauses holen Herr. Unser Personal ist noch nicht eingetroffen.“
„Egal, wird sind ohnehin nur zu dritt. Besorg einfach etwas, was schnell geht.“
Huni nickte fast hektisch und Netermest hatte sich schon fast umgedreht, als Huni leise zurückfragte.
„Für drei Personen, Herr?“
„Ja, natürlich. Gemni kriegt etwas und du natürlich auch. Wir werden alle drei zusammen essen. Bevor du etwas sagst, nimm zur Kenntnis, dass dies ab sofort immer so ist. Gewöhn dich einfach daran.“
Als Netermest sich nun doch umdrehte, sah er noch im Ansatz das völlig verblüffte Gesicht seines neuen Sklaven. Netermest hatte bei seinem kurzen Besuch bei Kutari gelernt, wie einfach es war, Leute für sich zu gewinnen, ohne den Knüppel zu benutzen.
„Das Abendessen war gar nicht einmal so schlecht. Eigentlich könnte ich jetzt noch etwas Entspannung gebrauchen. Wir gehen einfach noch einmal zum Teich. Huni wird uns begleiten.“
Gemni lächelte etwas bei dem Gedanken und dachte zurück an den heutigen Nachmittag. Er war sich allerdings bewusst darüber, dass es lediglich eine nette Episode war, denn ein Prinz würde niemals eine Beziehung mit einem einfachen Schreiber anfangen.
Am Teich legten Netermest und Gemni ihre Bekleidung ab und gingen ins Wasser, doch Huni blieb wartend am Ufer stehen. Etwas verloren stand er da, nachdem er die Tücher und die Asche abgesetzt hatte.
„Was ist mit dir?“
Hunis Gesicht wurde dunkler und er sah zu Boden. Netermest runzelte die Stirn.
„Nimm die Asche und komm herein.“
Huni legte zögerlich sein Lendentuch ab, nahm etwas von der Asche und stieg ins Wasser. Bei dem Prinzen und seinem Schreiber angekommen verteilte er die Asche und verharrte mit dem Blick nach unten.
„Was ist los?“
Netermest betrachtete den Jungen nachdenklich. Seine dunkle Haut hatte überall einen gleichmäßigen Farbton, auch dort, wo normalerweise ein Lendentuch oder sogar ein Leinenschurz getragen wurde. Die schlanke Figur des Jungen war nun noch ausgeprägter, denn Arme und Beine waren dünn, der Bauch war flach und seine Hinterbacken waren etwas eingefallen und nicht so rund, wie Netermest erwartet hätte. Durch die hagere Statur etwas hervorgehoben war die doch schon gut entwickelte Männlichkeit des jungen Dieners, die sich jetzt wohl etwas neugierig erhoben hatte. Huni starrte herab und begann zu zittern.
Gemni legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, doch Huni zuckte förmlich zurück. Mit einem völlig verängstigten Blick rannte er plötzlich aus dem Wasser, hinüber zu den Tamarisken, warf sich dort zu Boden und rollte sich ein.
Gemni wollte etwas sagen, doch Netermest hob eine Hand. Leise flüsterte er mit Gemni und der verließ ebenfalls den Teich, legte seine Bekleidung wieder an und eilte mit seinem Auftrag davon. Netermest wusch sich in aller Ruhe und legte dann Lendentuch und Leinenschurz an.
Kurz darauf kam Gemni auch schon um die Ecke mit Pachred im Schlepptau. Pachred sah Huni auf dem Boden liegen und er ging langsam auf ihn zu. Gemni hatte ihm den ganzen Vorfall geschildert und Pachred sprach jetzt leise auf Huni ein.
Nach einer Weile konnte Netermest sehen, wie die beiden Jungen dicht aneinandergeklammert unter den Tamarisken saßen und Huni hatte seinen Kopf bei Pachred auf der Schulter abgelegt. Pachred flüsterte leise auf ihn ein, dann trennten sie sich und Pachred kam zu Netermest, während Huni am Boden hocken blieb.
„Er hat Angst, Herr. Angst, dass es ihm wieder so geht, wie bei seinem letzten Herrn. Und Angst, dass er geschlagen wird wegen seiner… na ja, seiner Reaktion im Wasser.“
„Was war denn mit seinem letzten Herrn? Hat er etwas gesagt?“
Pachred sah betreten zu Boden.
„Er musste ihm wohl zu Diensten sein. Ich meine, also… sein Herr hat ihn wohl benutzt…“
Netermest nickte zornig.
„Ich weiß, wovon du redest. Und weiter?“
„Das hat er wohl ziemlich oft getan, meistens in einem Teich und wenn Huni dann… also wenn er…“
Pachred wurde rot und sah Netermest etwas verzweifelt an.
„Wenn er, was?“
„Also wenn er dann ebenfalls fertig geworden war…“
Pachred hatte das ganze so schnell abgespult, dass Netermest kaum folgen konnte, doch dann dämmerte es ihm.
„…also dann hat ihn sein Herr deswegen geprügelt.“
Netermest sah Pachred vollkommen entsetzt an.
„Er hat ihn geprügelt, weil er seinen Höhepunkt hatte, während er ihn…“
Pachred nickte hektisch. Netermest war vollkommen verstört. Was war da passiert? Wer war dieser Mensch, der es wagte, selbst einen Sklaven für etwas zu bestrafen, was eigentlich eine Freude sein sollte.
„Geh hin zu ihm und frag ihn, ob er mir gegenübertreten will. Sag ihm, ich werde ihn auf gar keinen Fall schlagen.“
Gemni hatte die ganze Zeit etwas Abseits gestanden, aber trotzdem die Unterhaltung mitbekommen. Aus eigenem Antrieb hockte er sich nun auf dem Boden nieder und fing an zu protokollieren, was er eben gehört hatte.
Pachred führte einen etwas zögerlichen Huni bis vor Netermest. Huni sah immer noch zu Boden, doch das Zittern hatte nachgelassen.
„Huni, sieh mich an.“
Zögernd hob Huni seinen Kopf. Die Augen waren feucht und man sah noch Tränen die Wangen herablaufen.
„Ich werde dir wirklich nichts tun. Ich möchte nur wissen, wer dieser Mann gewesen ist, der dir dies angetan hat.“
Huni zögerte mit der Antwort, doch dann traf sie Netermest wie ein Blitz.
„Es… es war Fürst Wawerhet, Herr. Ich habe zu seinem Haushalt gehört.“
„Was?! Das ist unmöglich. Du warst nicht im Palast des Nilpferds, das wüsste ich.“
„Nein, Herr, nicht im Palast. Im Haushalt in Abedju. Bei der alten Nebet. Dort war er mindestens einmal im Monat.“
Netermest sah Huni erstaunt an, dann erinnerte er sich wieder. Das Gerichtsurteil lautete, dass alle Besitztümer des Fürsten an das Große Haus fallen würden. Alle Besitztümer. Er musste also mehrere gehabt haben. Das Landgut am Fluss war der Wohnort seiner Familie. Was hatte er noch alles besessen? Moment, Besitz?
„Huni, warst du Sklave oder Bürger in diesem Haus?“
„Ich war frei, Herr. Ich war als Hausdiener angestellt. Zwei Tage nach dem Gerichtsurteil kamen Medjai und haben uns in die Sklaverei geführt, denn ich gehörte zum Haushalt. Gestern Morgen hat mich Prinz Amenhotep aus dem Sklavenlager des Großen Hauses geholt und hier hergebracht.“
Prinz Netermest dachte angestrengt nach. Irgendetwas nagte an seinem Gedächtnis. Dann sah noch einmal zu Huni.
„Du kannst gerne Gemni und Pachred im Teich Gesellschaft leisten. Es tut dir wirklich niemand etwas. Ich muss leider noch etwas erledigen. Wenn ihr hier fertig seid, kommt ins Haus, ich habe noch etwas zu erzählen.“
Huni sah ihm erstaunt nach, ebenso wie Gemni und Pachred. Als sich Netermest nach ein paar Schritten umdrehte, sah er, wie Pachred und Gemni sich entkleideten, jeder den anderen im Blick.
Im Haus angekommen suchte Netermest nach den Berichten, die er vom Wesir bekommen hatte. Richtig, da war es. Auf der Freilassungsurkunde von Chaemwase war als Mutter eine Sklavin namens Nebet, aus dem Haushalt der königlichen Gemahlin Tuaitthesit, angegeben. Wenn das die gleiche Nebet war, die Huni erwähnt hatte, würde er ihr ein paar eindringliche Fragen stellen müssen.
Netermest studierte weiterhin die Papiere, die ihm der Wesir gegeben hatte. Kutari hatte also in seinem neuen Landgut in ein Wespennest gestochen. Als er zu der Stelle kam, in der Kutari vorsichtige Vermutungen über die Mutter von Chai anstellte, überlief es Netermest eiskalt. Es stimmte also, er hatte höchst wahrscheinlich noch einen Bruder. Dabei war der Junge dann ebenso ein Bruder der Kinder von Wawerhet. Was für ein Durcheinander.
Plötzlich wurde Netermest klar, warum er diesen Auftrag bekommen hatte. Die königliche Gemahlin hatte ihrem Gatten, dem göttlichen Pharao, Hörner aufgesetzt. Nichts davon durfte jemals an die Öffentlichkeit gelangen. Netermest erschauerte und begann zu ahnen, welche Bürde Kutari mit seinen Aufgaben übernommen hatte. Gleichzeitig fürchtete er sich auch ein wenig vor dem, was er noch alles erfahren würde.
Dann war da noch das Frachtschiff, das immer Lebensmittel abholte. Es würde wahrscheinlich nach den fünf Geburtstagen der Götter erscheinen. Wenn es vom Delta kam konnte es problemlos nach Süden segeln, um dann mit der einsetzenden Flut schnell wieder nach Norden zu fahren. Das war nicht mehr lange hin. Übermorgen würde bereits der erste der fünf, der Geburtstag des Osiris, gefeiert werden. Er musste mit seiner Truppe unbedingt rechtzeitig bei dem Landgut sein. Hauptmann Sennefer mit seinen Bogenschützen dürfte bereits unterwegs sein und Netermest hoffte, dass sie nicht zu spät kamen.
Kurze Zeit später kamen Gemni und Huni vom Teich zurück. Jeder von ihnen war nur mit einem knappen Lendentuch bekleidet und hatte einen abwesenden, glücklichen Blick, der Netermest unwillkürlich lächeln ließ. Er konnte nur hoffen, dass Huni nicht allzu sehr verstört war von den Begebenheiten in seiner Vergangenheit.
Netermest betrachtete die beiden und winkte sie zu sich. Gemni folgte sofort und setzte sich neben Netermest auf eines der Kissen, während Huni sichtlich zögerte. Gemni sah zu ihm hoch und grinste.
„Du kannst dich ruhig setzen. Er wird dich nicht beißen. Ebenso wenig wird er dir irgendetwas anderes antun.“
Huni sah unsicher zu Gemni, doch dann setzte er sich mutig neben Netermest.
„Ich werde euch jetzt eine längere Geschichte erzählen und ich sage euch gleich, sie wird nicht besonders schön.“
Netermest erzählte von Kutari, der einen Zipfel der Geschichte erhascht hatte und sie dann langsam ganz aufdeckte. Er erzählte von Hori und der Arbeit, zu der er schlussendlich gezwungen worden war. Von Manetho und seinen Misshandlungen. Von dem Haus mit den Jungen und von Neferahatj, den sein Vater verkauft hatte und auch von dem Jungen, dessen Ka und Ba nun wahrscheinlich nicht mehr litten.
Er erzählte vom Fürsten Wawerhet und seinen dunklen Plänen, seinem verborgenen Sohn und auch von dem Überfall, der wohl bald stattfinden sollte.
Schon bei den Schilderungen von Hori und Manetho liefen Huni die Tränen herab und auch Gemni schniefte vernehmlich. Am Ende der Geschichte war langes Schweigen, bis Huni tief seufzte.
„Dann bin ich froh, dass Chaemwase es geschafft hat. Eigentlich hatte er es immer am schwersten, wenn der Fürst zu Besuch war.“
Netermest und Gemni starrten Huni erstaunt an, doch dann machte Netermest Gemni ein Zeichen zu schweigen.
„Das klären wir morgen, da haben wir Zeit während wir auf dem Fluss sind.“
flüsterte er. Gemni nickte und sie zogen sich zurück in ihre Zimmer.
Als Netermest in der Nacht auf seiner Schilfmatte lag, spürte er, wie sich eine Gestalt neben ihn schob und vorsichtig eine Hand auf seine Brust legte. Kurz darauf spürte er eine weitere Gestalt, die sich auf seiner anderen Seite an ihn drängte. Er bemerkte auch dort die kurze Bewegung einer Hand, die sich dann jedoch zurückzog. Vorsichtig tastete Netermest nach der Hand und zog sie ebenfalls auf seine Brust. Kurze Zeit später hörte er die gleichmäßigen Schlafgeräusche auf beiden Seiten neben sich. Zufrieden lächelnd schlief auch er ein.
Der Soldat Nehesy hatte als Wachsoldat den Auftrag, den Prinzen zur letzten Stunde der Unterwelt zu wecken. Als er in das Schlafgemach von Netermest trat, staunte er nicht schlecht, denn der war sowohl von seinem Schreiber, als auch von dem niedlichen kleinen Diener eingerahmt. Und so wie es aussah, schienen sie wohl alle drei sehr angenehme Träume zu haben. Nehesy bedauerte es fast, sie wecken zu müssen. Leicht stieß er Gemni mit dem Fuß an.
„Aufstehen. Es geht los.“
Das Verladen der Pferde und Streitwagen hatte ohne Probleme funktioniert und Prinz Netermest war beeindruckt von der Geschicklichkeit der Bootsbesatzung, die innerhalb kürzester Zeit alle Passagiere, auch die vierbeinigen, untergebracht hatte.
Pünktlich mit dem Erscheinen des Herrn Re legte das Schiff ab und der Steuermann führte es dicht an das rechte Ufer des Flusses, wo die Strömung etwas stärker war als in der Mitte. Die Ruderer arbeiteten ebenfalls, damit das Schiff etwas schneller war als die Strömung und sich so besser steuern ließ.
„Wir werden unser Ziel wohl am heutigen Abend erreichen, Herr. Die Strömung ist schon stärker geworden und langsam beginnt der Wasserstand zu steigen. Wenn das Ufer überflutet wird, müssen wir in der Mitte bleiben um nicht irgendwo aufzulaufen.“
Netermest nickte zustimmend und sah hinüber zum Ufer. Sie waren erheblich schneller, als sie es je an Land hätten sein können.
„Ein Truppentransporter hat bereits gestern Nachmittag mit unseren Bogenschützen abgelegt. Werden wir ihn noch vor dem Ziel einholen können?“
Kapitän Sendji machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Wenn sie über Nacht geankert haben, könnte das vielleicht klappen. Ihr wollt dort vor den Bogenschützen eintreffen?“
Netermest machte nun ein genauso nachdenkliches Gesicht wie der Kapitän.
„Es wäre besser. Ich möchte das Landgut eines befreundeten Fürsten nicht unbedingt von einer Kompanie Bogenschützen belagert wissen. Sie sollten schon erfahren, dass wir in friedlicher Absicht kommen. Außerdem habe ich noch keine passende Idee, für den Fall, dass uns das fremde Schiff entwischt.“
Kapitän Sendji grunzte abfällig.
„Uns entwischt nichts so schnell. Wir holen sie auf jeden Fall ein.“
„Es sollen wohl fünf Bogenschützen dort an Bord sein, aber ich würde mit mehr rechnen.“
Sendji grinste dünn.
„Fünf Bogenschützen sind eine Menge, wenn man keine eigenen hat, doch selbst zehn sind kein Problem, wenn man mehr davon hat. Hier an Bord können ohne Probleme zehn Bogenschützen nebeneinander stehen und ihre Waffen benutzen. Wir sind schneller und wendiger als jede Handelsbarke. Schickt eine Anzahl Bogenschützen hierher an Bord und wir werden das Handelsschiff so sicher von einer Flucht abhalten wie der Fluss jedes Jahr über die Ufer tritt.“
Netermest überdachte den Vorschlag, der ein für ihn völlig neues Konzept des Einsatzes von Bogenschützen hatte. Anscheinend war so etwas schon öfter vorgekommen, doch hatte es nie Eingang gefunden in den Unterricht der jungen Adligen.
‚Dann bin ich froh, dass Chaemwase es geschafft hat. Eigentlich hatte er es immer am schwersten, wenn der Fürst zu Besuch war‘.
Die Äußerung von Huni schoss Netermest durch den Kopf, als er nachdenklich auf den Fluss starrte. Das Schiff glitt nun ruhig und stetig dahin, so konnte er sich endlich einem seiner weiteren Probleme widmen. Er bedeutete Gemni und Huni, ihm in das Deckshaus zu folgen, wo sie sich alle drei auf den Kissen dort niederließen.
„So, Huni. Ich möchte dann von dir einmal etwas über den Haushalt erfahren, indem du in Abedju gewesen bist.“
Huni zögerte etwas, doch das lag daran, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte.
„Das war nur ein kleineres Haus, nicht so prachtvoll wie die großen Häuser der hohen Beamten oder gar der Adligen. Dennoch hatte es einen schönen Garten, einen Teich und sogar getrennte Wohnungen für die Bediensteten und Sklaven.“
Netermest nickte, während Gemni sich Notizen machte.
„Die Herrin des Hauses war Frau Nebet, auch wenn ihr das Haus nicht gehörte. Das gehörte nämlich dem Fürsten Wawerhet und der kam etwa jeden Monat nach Abedju, um mit der alten Nebet zu sprechen. Jedes Mal wenn er da war, hat sie ihm einen kleinen Beutel überreicht und einmal habe ich sie vorher dabei gesehen, wie sie kupferne, silberne und sogar einen goldenen Deben dort hineingetan hat.“
„Also war Frau Nebet reich?“
Huni schüttelte den Kopf.
„Ich weiß es nicht. Das Haus war ziemlich groß, sie hatte einige Bedienstete, doch nie habe ich sie bei etwas gesehen, wo sie so viel Reichtum hätte anhäufen können.“
Prinz Netermest brummte unwillig.
„Und doch konnte sie dem Fürsten jeden Monat ein kleines Vermögen überreichen. Ein weiteres Rätsel. Wir werden uns in Abedju umhören müssen. Doch was war das nun mit Chaemwase?“
„Er war dort als Sklave. Ich habe es so verstanden, dass Frau Nebet eine freigelassene Sklavin war und Chaemwase ihr Sohn. Er aber war nicht freigelassen worden, sondern war im Haus als Hausdiener eingeteilt, genau wie ich.“
Huni zögerte wieder einmal, doch Netermest wollte ihn nicht unterbrechen, sondern nickte nur auffordernd.
„Jedes Mal, wenn der Fürst zu Besuch kam, war es offensichtlich, dass Chaemwase sein Sohn wa.,So stark ähnelte er ihm. Und jedes Mal, wenn der Fürst zu Besuch kam, musste Chai als sein persönlicher Diener arbeiten. Wenn der Fürst uns dann wieder verließ, war Chai oft grün und blau geprügelt.“
Netermest lag eine Frage auf der Zunge, die er dennoch nicht auszusprechen wagte. Er sah Huni weiterhin abwartend an, bis dieser seufzte.
„Ich weiß, das Bad. Zum morgendlichen Reinigungsbad hat der Fürst oft mich oder auch Aretu geholt. Aretu war ein weiterer persönlicher Diener und ist ein Jahr jünger als ich. Jedes Mal hat er uns benutzt und fast jedes Mal habe ich die Prügel bekommen, weil ich…, es hat mich einfach überkommen…“
„Ist gut, Huni, ich weiß, was du meinst. War das bei Aretu genauso?“
„Ich glaube nicht. Ihn hat das alles irgendwie nicht so gestört. Er hat einfach nur stillgehalten und fertig. Allerdings musste manchmal auch…“, Huni würgte die nächsten Worte fast hervor: „…Chai mit ins Bad. Ob er ihn ebenfalls…, ich weiß es nicht, das kann nur Chai selber sagen.“
Netermest warf einen schnellen Blick zu Gemni, der bei diesem ungeheuerlichen Gedanken aufgehört hatte zu schreiben und zu Huni sah.
„Der Fürst ist tot. Es würde niemandem etwas nutzen, wenn jemand erführe, was wirklich dort passiert ist. Umso wichtiger aber ist die Frage, ob Chai tatsächlich der Sohn der Nebet ist.“
Huni seufzte tief. Netermest und Gemni sahen ihn erstaunt an.
„Was ist?“
„Nun ja, also da war noch ein Junge im Haushalt. Nur ein paar Tage älter als Chai und eigentlich sollte er dort ebenfalls Diener sein, doch Nebet gab ihm kaum einen Auftrag. Er lungerte den ganzen Tag im Haus herum und ärgerte manchmal sogar die Sklaven.“
„Und weiter?“
Huni sah betreten zu Boden, bis Gemni ihn leicht anstieß.
„Woher weißt du, dass er ein paar Tage älter als Chai ist?“
„Frau Nebet hat ihm einmal heimlich einen Kuchen zugesteckt. Ich war gerade oben auf dem Dach und sie haben mich nicht gesehen. Hier, hat sie gesagt, für deinen Geburtstag. Halt einfach weiter den Mund und wir werden ein ruhiges Leben hier haben.“
Netermest sah hinüber zu Gemni.
„Wer, außer dir, kennt noch mit absoluter Gewissheit deinen Geburtstag?“
„Meine Mutter.“
Netermest nickte stumm und überlegte kurz.
„Und die beiden sind genau gleich alt?“
„Ja, als das letzte Mal die Erhebungen für die Steuer gemacht wurden, ist es mir aufgefallen. Chai und Peribsen sind im 35. Jahr unseres göttlichen Herrschers geboren, ich im 34. Jahr.“
Netermest grinste ihn an.
„Dann bist du ja so alt wie ich.“
Huni schnappte nach Luft, als er so einfach mit einem Sohn des göttlichen Herrschers verglichen wurde, nur Gemni verzog sein Gesicht.
„Ich habe noch zwei Monate, bevor ich siebzehn werde.“
„Keine Angst, das passiert von ganz alleine.“
Während Huni und Gemni leise lachten, überlegte Netermest, dass ihn sein nächster Weg wohl wieder nach Theben zurückführen würde, um dort den Rest des Haushaltes der Nebet zu befragen.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit zeigte Kapitän Sendji auf ein etwas größeres und schwerfälligeres Fahrzeug vor ihnen auf dem Fluss.
„Das müsste die NECHBET, sein. Der Truppentransporter mit den Bogenschützen. Sollen wir heranschließen?“
Netermest sah prüfend zum westlichen Horizont, wo der Herr Re langsam in die Unterwelt stieg.
„Ja. Können wir längsseits gehen? Ich möchte mit Hauptmann Sennefer etwas besprechen.“
Sendji nickte nur und einige Zeit später lagen beide Schiffe nebeneinander, wobei der größere Truppentransporter geankert hatte. Hauptmann Sennefer kam herüber, gefolgt von einem weiteren jungen Mann im Brustharnisch der Bogenschützen.
Netermest traute seinen Augen kaum, denn der Junge schien nicht viel älter zu sein als er, doch er war etwas größer und deutlich breiter in den Schultern. Neben seinem Bogen trug er den fast schmucklosen Stab eines Offiziers.
„Das ist Leutnant Nebamun, mein Stellvertreter.“
Hauptmann Sennefer hatte Netermests Blick bemerkt und fühlte sich trotz der Bemerkung auf dem Übungsplatz immer noch etwas kritisch beobachtet.
„Wie gesagt, Herr, Prinz Amenhotep wählt die Offiziere der Bogenschützen nach ihren Leistungen bei den Gefechtsübungen und Nebamun ist ein ausgezeichneter Bogenschütze.“
Netermest schüttelte leicht den Kopf.
„Daran zweifle ich ja auch gar nicht. Dennoch wird euer Leutnant in nächster Zeit seine Führungsqualitäten beweisen müssen. Die Bogenschützen werden geteilt.“
Auf Sennefers erstaunten Blick hin, erklärte der Prinz, was Kapitän Sendji vorgeschlagen hatte.
„Ihr werdet mich mit 30 Bogenschützen zum Landhaus begleiten, während Leutnant Nebamun mit zwanzig Mann an Bord der MACHYT geht und das Frachtschiff an einem Fluchtversuch hindert.“
Netermest wandte sich nun an den jungen Leutnant.
„Nun, Leutnant Nebamun, glaubt ihr, dass ihr das schafft?“
Das Gesicht des jungen Mannes leuchtete vor Begeisterung.
„Ja, Herr. An uns wird niemand vorbeikommen.“
„Sehr gut, aber denkt daran, dass ich die Leute nachher noch befragen will. Tote reden ziemlich wenig.“
Der Leutnant grinste und nickte verstehend. Die beiden Offiziere gingen wieder hinüber auf ihr Schiff, während sich Netermest in das Deckshaus zurückzog, das ihm zur Verfügung stand. Dort gab es zunächst noch Arbeit für Gemni, der die Protokolle der Befehle schreiben musste. Huni richtete das Abendessen. Später lag dann der Prinz friedlich schlummernd auf seiner Matte, wiederum auf beiden Seiten eingerahmt von Huni und Gemni.
Der nächste Morgen verlief ohne weitere Schwierigkeiten. Ein kleines Frühstück wurde bereitet und sie legten von der NECHBET ab. Der Truppentransporter folgte ihnen nun auf dem Weg zum Anleger beim Landhaus des Fürsten Kutari. Auf eine Anweisung des Prinzen legte die NECHBET zuerst an und entlud die Bogenschützenkompanie. Dann folgte die MACHYT und Prinz Netermest ging mit seinem Gefolge von Bord. Die MACHYT nahm daraufhin die zwanzig Bogenschützen unter dem Kommando von Leutnant Nebamun an Bord und legte ebenfalls wieder ab.
Die ganze Aktion war natürlich nicht unbemerkt geblieben und die Bauern aus den beiden umliegenden Dörfern versammelten neugierig. Niemand war bei der Arbeit, denn heute begann das „Fest der Fünf Geburtstage“ mit dem Geburtstag des Osiris.
Dies hier war auf keinen Fall das erwartete Handelsschiff, das sie um ihre Ernte bringen wollte, sondern sie erkannten erleichtert, aber auch misstrauisch, Soldaten des Pharao. Als die beiden Streitwagen vom Schiff gebracht wurden und dann Prinz Netermest in seiner prachtvollen Rüstung von Bord ging, lief ein Raunen durch die Zuschauer, denn dies war bestimmt ein sehr hoher Beamter.
Der kleine Ahmose war inzwischen schon hinüber zum Landgut geeilt, um die Neuigkeiten zu verbreiten, doch diesmal kam er ein klein wenig zu spät. Der alte Nedjem hatte, wie verabredet, seinen Ausguckposten an der Pier bezogen. Jeweils einer der drei jungen Ziegenhirten blieb als Melder bei ihm, die anderen beiden versorgten die Ziegen in den Ställen des Landhauses. Jedenfalls so lange, bis sie nach den Feiertagen wieder hinaus zu den Weidegründen mussten.
Nedjem hatte die Schiffe kommen sehen und das eine auch richtig als Kriegsschiff erkannt. Sofort schickte er Pasu, den heutigen Melder, hinüber zum Haupthaus. Hesire vernahm mit Erstaunen, dass es sich wohl um eine größere Anzahl Bogenschützen und einen hohen Herren handelte, der mit Streitwagen und Eskorte kam. Etwas hektisch sah er sich um und erkannte, dass es im Moment keine Möglichkeit gab, einen hochstehenden Beamten des Reiches standesgemäß unterzubringen.
Vor dem Tor des Landgutes hatten sich nur wenige Personen versammelt. Aus den Berichten von Kutari kannte Netermest schon einige und er war gespannt, ob er sie nur auf Grund der Beschreibungen würde identifizieren können.
Hesire hingegen wunderte sich, was für eine Truppe dort ankam. Das waren keine normalen Bogenschützen. Die beiden verzierten Streitwagen vorne wiesen auf höhere Würdenträger und Hesire war sich nun völlig unsicher, was oder wer erscheinen würde.
Als der erste Streitwagen hielt und ein junger Mann in einer Rüstung abstieg, kniff Hesire erstaunt die Augen zusammen. Dann erkannte er die Schriftzeichen auf dem Brustpanzer und erschrak. Schnell warf er sich zu Boden und seine wenigen Begleiter taten es ihm gleich.
Hesire sah vor sich nur ein paar Ledersandalen in sein Blickfeld kommen, dann ertönte eine fast sanfte Stimme.
„Hesire, steh auf. Wie soll ich mit dir reden, wenn du am Boden liegst.“
Dann erklang die Stimme deutlich amüsierter.
„Und haben deine Leute nichts zu tun, dass sie sich auf dem Boden ausruhen?“
Hesire durchzuckte eine Erinnerung an Kutari und er erhob sich rasch. Kurz sah er sich um.
„Zurück zur Arbeit, alle. Ka-Nechet, warte am Tor.“
Dann wandte er sich wieder seinem Besucher zu. Der junge Mann grinste ihn fast verschwörerisch an.
„Ich bin Prinz Netermest und hier auf Befehl unseres göttlichen Herrschers. Lang möge er leben, um diesen Besitz zu schützen und um Antworten auf die Fragen zu bekommen, die der ehrenwerte Aufseher der Fragen des Pharao hier gestellt hat.“
Hesire musste sich beherrschen, nicht noch einmal zu Boden zu sinken, doch dann sah er Netermest direkt in die Augen.
„Ich bin Hesire, Herr. Verwalter dieses Landgutes des Fürsten Kutari und ich heiße euch hiermit willkommen. Ich fürchte, Herr, wir sind nicht auf den Besuch eines so hohen Herren eingerichtet und wir können…“.
Netermest legte Hesire eine Hand auf die Schulter und führte ihn wortlos ein paar Schritte beiseite, wo sie niemand hören konnte.
„Pass auf, Hesire. Ich werde da unterkommen, wo Kutari untergebracht war. Ich habe nur wenige Bedienstete und meine kleine Leibwache. Die Soldaten können irgendwo auf dem Gelände untergebracht werden. Keine Feste, keine besonderen Speisen, keine extra Bedienung. Ich bin hergekommen um das Versprechen von Kutari zu erfüllen, sein Heim und alle seine Bewohner zu schützen. Wenn wir bei der Gelegenheit noch weitere Fragen beantwortet bekommen, umso besser.“
Hesire nickte langsam. Dieser Prinz war anders als die Adligen, die er bis jetzt kennengelernt hatte. Bei den seltenen Festen hier waren meist Männer und manchmal auch Frauen erschienen, die dermaßen von ihrer Wichtigkeit überzeugt waren, dass sie nicht erkannten wie armselig die Rolle war, die sie, verglichen mit dem göttlichen Herrscher, spielten.
Doch dieser Prinz wusste, was er tat. Er erinnerte Hesire an Kutari und er nahm stark an, dass die beiden sich kannten.
„Folgt mir, Herr. Mein Diener wird den Soldaten ihre Unterkunft zeigen.“
Hesire ging zum Tor, wo Ka-Nechet wartete und sprach kurz mit ihm. Dann wandte er sich wieder an Netermest.
„Hier entlang, Herr. Das Haus ist klein und hat nur wenige Räume. Wenn ihr vielleicht doch lieber im Haupthaus…“.
„Nein. Ich möchte alle zusammen haben und es soll so wenig wie möglich fremdes Personal herumlaufen. Mein Diener und meine Leibwache werden alles besorgen, was ich benötige. Doch ich möchte auch gleich mit meiner Arbeit beginnen. Ist es möglich, mit Chaemwase zu sprechen?“
Hesire sah den Prinzen an und versuchte, so gut wie möglich, sein Erstaunen zu verbergen. Er hatte nicht vermutet, dass der Prinz von Chai wusste, doch dann fiel ihm ein, dass Kutari ja alle Unterlagen nach Theben geschickt hatte. Er würde aufmerksamer sein müssen, um Kutari und auch diesem Prinzen eine Hilfe sein zu können.
Das kleine Haus im Garten kam Hesire auf einmal ziemlich schäbig vor, doch Netermest nickte nur und Huni verschwand schon im Haus. Feldwebel Umani organisierte seine Truppe und bestimmte die Wachen vor dem Haus und eine Streife. Gemni streifte ebenfalls durch das Haus, doch er besichtigte die Unterkünfte und überlegte, wie sie wohl die wenigen Zimmer am besten verteilen würden. Neben Hauptmann Sennefer würden auch die beiden Wagenlenker hier untergebracht werden. Netermest legte seinen Brustpanzer ab. Die beiden Wagenlenker legten Brustpanzer und Leinenschurz ab und lagen nun, nur im Lendentuch, im Schatten der großen Halle und ließen sich von Huni kühles Wasser reichen.
Netermest bemerkte die helle Haut der beiden Brüder. Dort, wo der Brustpanzer sie schützte, war sie noch um einiges heller als an den Armen und Beinen. Wieder wurde Netermest an Hori mit seiner hellen Haut und dem roten Haar erinnert. Simut und Userhet, die beiden Wagenlenker, lagen ganz ungezwungen auf den Kissen und Netermest verglich sie unwillkürlich mit den beiden nubischen Leibwächtern, die am Eingang standen und deren dunkle Körper in der Hitze glänzten. Seine Gedanken schweiften in eine ganz bestimmte Richtung, doch dann schüttelte er sich. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen. Was das andere betraf, würde er sehen, wie es sich entwickelte.
Netermest folgte etwas später, nur begleitet von zwei Leibwächtern und Gemni, Hesire zum Haupthaus. In einer abgelegenen, schattigen Kammer lag Chaemwase auf einer doppelten Schilfmatte, nur bekleidet mit einem knappen Lendenschurz. Ungewollt erschrak Netermest, als er die über den ganzen Körper verteilten Flecken sah, die nun fast jede bekannte Farbe angenommen hatten.
Chaemwase war wach und sah den eintretenden Personen entgegen. So wie Netermest ihn betrachtete, musterte auch er den ersten seiner Gäste. Der junge Mann mit den grauen Augen und den etwas zerwühlten braun-roten Haaren kam ihm vage bekannt vor, doch er konnte sich nicht erinnern, wo er ihm begegnet sein sollte. Hesire machte seiner Unsicherheit ein Ende.
„Chaemwase, dies ist Prinz Netermest. Der göttliche Pharao, lang möge er leben, hat ihn gesandt, die letzten Fragen zu klären, die die Handlungen des gewesenen Fürsten Wawerhet betreffen.“
Chai schloss ergeben die Augen. Er war hier. Der rechtmäßige Sohn des Pharao, der Junge, den ihm sein Vater vor mehr als zehn Jahren aus der Ferne in einem der Gärten des Palastes gezeigt hatte.
‚Sieh ihn dir genau an. Eines Tages wird ihm das hier alles gehören, obwohl ihr dieselbe Mutter habt. Doch es gibt einen Weg, der dich an seine Stelle setzen kann‘.
Dann hatte der Fürst ihn wieder zurück nach Abedju gebracht und nie wieder war die Rede vom Palast oder dem Prinzen gewesen, bis zum vorigen Jahr.
In sein Schicksal ergeben öffnete Chai wieder die Augen.
„Ich überantworte mein Leben eurer Gnade, Herr.“
Netermest hob erstaunt seine Augenbrauen und schickte mit einer Handbewegung alle Personen bis auf Hesire nach draußen.
„Chai, ich bin nicht hier um über dich zu richten. Ich bin dein Bruder, genau wie Hesire dein Bruder ist.“
Chai riss seine Augen auf und starrte Netermest ungläubig an.
„Aber…, aber Herr, das kann nicht sein. Ich bin der Sohn eines Verräters, eines Mannes, dessen Angedenken ausgelöscht wurde.“
„Nein. Du bist der Sohn einer königlichen Gemahlin. Der selben Mutter, die auch mich geboren hat und deshalb bin ich dein Bruder. Ich bin gekommen, dir zu helfen und alle Fragen zu klären, die Kutari hier gestellt hat. Du siehst, ich bin sozusagen derjenige, der die Antworten erntet, die der Aufseher der Fragen des Pharao mit seinen Fragen ausgesät hat.“
Chai musste bei diesem Vergleich doch etwas lächeln und Netermest seufzte erleichtert. Seine Fragen würden noch schwer genug werden für Chai. Er flüsterte Hesire etwas zu und der verschwand eilig. Nur wenig später öffnete sich vorsichtig die Tür und Huni sah herein. Chais Augen wurden wieder groß.
„Huni!“
Huni eilte zum Bett und sah bestürzt auf Chaemwase herab.
„Chai! Was haben sie mit dir gemacht!“
Huni sank neben dem Bett herab und wollte Chai umarmen, doch er traute sich nicht. Chai hob eine Hand und berührte Huni sanft an der Wange.
„Es ist alles in Ordnung. Es wird jeden Tag besser und bald bin ich so gut wie vorher.“
Netermest überließ die beiden noch einen Moment sich selbst, doch dann räusperte er sich.
„Huni, geh und schicke Gemni herein. Wir müssen arbeiten.“
Huni nickte stumm und verließ den Raum, den kurz darauf Gemni betrat.
„Dies ist Gemni, mein Schreiber. Wir werden jetzt versuchen, alles zusammenzutragen, was dir über den Fürsten Wawerhet und seine Taten und Verbindungen bekannt ist. Auch was weit in der Vergangenheit liegt, kann interessant sein, deshalb möchte ich dich bitten, einfach alles zu erzählen, woran du dich im Zusammenhang mit dem Fürsten erinnern kannst.“
Chaemwase nickte langsam und überlegte, wo er anfangen sollte.
„Das erste, was mir wirklich im Gedächtnis geblieben ist, war ein Besuch im Palast des Nilpferds. Nicht offiziell natürlich, sondern wir gingen durch die Gärten. Dort hat er mir einen Jungen gezeigt, etwa so alt wie ich und dann gesagt, ‚Sieh ihn dir genau an. Eines Tages wird ihm das hier alles gehören, obwohl ihr dieselbe Mutter habt. Doch es gibt einen Weg, der dich an seine Stelle setzen kann‘. Heute weiß ich wer der Junge war, doch damals war alles sehr rätselhaft für mich.“
Netermest erschauerte innerlich, doch er unterbrach Chai nicht in seiner Erzählung.
„Ich habe, solange ich mich erinnern kann, in Abedju gewohnt. Jahrelang war Nebet für mich meine Mutter und ich stellte das nie in Frage. Erst mit zehn oder elf wurde mir gesagt, dass meine Mutter eine andere Frau sei, die aber ein großes Geheimnis umgab und ich deshalb nicht bei ihr sein durfte. Ich war auch weiterhin der Sohn einer freigelassenen Sklavin und ein Sklave ihres Haushalts. Das Haus selbst war sehr schön, denn es hatte einen Garten, einen Teich und sogar getrennte Wohnungen für die Herrin, die Bediensteten und die Sklaven. Einmal im Monat kam der Besitzer des Anwesens für zwei oder drei Tage und redete mit Nebet. Was sie monatlich miteinander auszumachen hatten, habe ich nie erfahren. Doch was ich schon früh erfuhr, war, dass dieser hohe Herr mein Vater war. Ich war verwirrt darüber, dass er jedes Mal, wenn er ankam und mich sah, immer zorniger wurde. Später begriff ich, dass ich ihm immer ähnlicher sah und er sich maßlos darüber ärgerte.“
Netermest ließ ein paar Getränke kommen, dass sie sich etwas erfrischen konnten und Gemni mit der Mitschrift hinterher kam. Er erinnerte sich an Hori und seine Fähigkeit, sehr schnell schreiben zu können. Ob Gemni das von ihm erlernen konnte? Chai schwieg einen Moment und sammelte seine Gedanken, dann seufzte er.
„Ich nehme an, Huni hat euch viel vom Haushalt in Abedju erzählt.“
Netermest wusste sofort, worauf Chai anspielte und nickte.
„Du brauchst nur das zu erzählen, was du möchtest.“
„Ich war etwa vierzehn, als Huni an einem Morgen vollkommen verheult in unsere Kammer kam. Ich musste ihn lange fragen, bis er mir in Andeutungen erzählte, was passiert war. Ich konnte es kaum glauben. Ich meine, ich wusste, dass es so etwas gab, aber nicht, dass man dabei auch jemanden dermaßen misshandeln konnte. Am übernächsten Morgen war Huni noch einmal gerufen worden und ich versteckte mich in den Büschen. Ich war abgestoßen davon, wie brutal er mit Huni umging, seine eigenen Triebe kaum beherrschte, aber Huni dafür bestrafte, dass er dabei trotzdem Lust empfand.“
Stockend kam die Erzählung zu einem Ende und Netermest beugte sich vor, um Chai die ersten Tränen aus den Augen zu wischen. Überrascht griff Chai nach Netermests Hand und in seinen Augen stand eine Frage. Mit einem kurzen Seitenblick zu Gemni beugte sich Netermest vor und gab Chai einen leichten Kuss.
„Vergiss nicht, du bist mein Bruder.“
Man konnte selbst in dem schattigen Zimmer erkennen, dass Chai über und über errötete.
Chai drehte seinen Kopf von Netermest weg und fuhr fort.
„Zwei Monate später musste ich den Fürsten im Bad bedienen. Alles lief ruhig ab, bis er mich umdrehte und mit der Hand zwischen meine Hinterbacken fuhr. Ich wusste was kommen sollte, doch so leicht würde ich es ihm nicht machen. ‚Ihr entehrt nicht nur mich, sondern auch euch selbst‘. Mit einem Schrei stieß er mich von sich und schrie nach Huni. Später habe ich Huni dann versorgen und trösten müssen, denn er war so brutal gewesen, dass Huni blutete. Danach kam der Fürst nur noch für zwei Tage im Monat und am Morgen musste meistens Aretu mit ins Bad.“
Gemni sah den Prinzen fragend an und dieser nickte. Alles sollte ins Protokoll, alles, bis zur letzten Silbe.
Im letzten Jahr wurden die Besuche des Fürsten seltener. Meist kam er nur noch alle zwei Monate. Es hieß, er habe im Delta wichtige Sachen zu erledigen. Frau Nebet wurde immer etwas unruhig, je länger die Abwesenheit dauerte. Huni hat sie mal beobachtet, wie sie dem Fürsten Deben von edlen Metallen gegeben hat. Sie musste ein kleines Vermögen versteckt haben, jedes Mal bevor es abgeholt wurde.“
„Du weißt nicht, woher dieser Reichtum stammt?“
Chaemwase drehte sich etwas unbequem hin und her und das lag anscheinend nicht nur an seinen Verletzungen.
„Es gab Gerüchte in Abedju. Im Viertel der Steinbrucharbeiter gab es etliche Gasthäuser, einige von ihnen sollen sogar Mädchen zum Vergnügen gehabt haben und in einem…“
Chaemwase schwieg und als er nicht weitersprach, beendete Gemni den Satz.
„Und in einem gab es Jungen zum Vergnügen. Lass mich raten, Nebet gehört dieser Schuppen.“
Netermest bedachte Gemni mit einem bösen Blick, doch Chai seufzte nur.
„Es gab Gerüchte, aber keine Beweise. Ich habe keine Ahnung, ob die Gerüchte gestimmt haben. Vorstellen könnte ich es mir jetzt.“
„Wir werden der Sache nachgehen. Aber warum bist du nun hier und nicht in Abedju?“
Chai seufzte wieder und versuchte seine Gedanken zu sortieren.
Vor etwas mehr als einer Dekade kam Fürst Wawerhet nach Abedju und schleifte mich förmlich aus dem Haus. Wir fuhren nach Theben wo er mich im Haus der beiden Wahrheiten vor einen Priester zerrte und meine Freilassung als Sklave bestätigte. Gleich darauf hat er mich als seinen Sohn anerkannt und ausgerechnet Nebet aus dem Haushalt der königlichen Gemahlin Tuaitthesit als meine Mutter angegeben.
„Bei den Göttern! Wozu denn diese Lügen? Was hat er beabsichtigt?“
„Seine Partner, oder sollte ich sagen - seine Kumpane - bei dieser Verschwörung waren sich nicht mehr sicher, ob er ihre Anweisungen alle ausführen würde. Sie wollten, dass ich nach Norden, in das Delta gebracht werde und dort bei ihnen verbleibe. Sollte der Fürst aus dem Ruder laufen, würden sie ihn ermorden und sein Vermögen würde an seinen ältesten Sohn, nämlich mich, fallen. Sie glaubten wohl, dass er Angst haben würde, sein Sohn könne seine Totenriten nicht vollführen und er nicht ins Jenseits gelangen.“
Netermest brummte abfällig.
„Das hat sich ja wohl erledigt.“
„Sie hatten Angst, er würde nicht allen Anweisungen folgen, denn sie planten wohl ein Attentat.“
Netermest nickte und sah Chai an.
„Wir wissen bereits davon und die in Frage kommende Person wird besonders beschützt. Unser Bruder sorgt dafür.“
„Unser Bruder?“[1]
„Ja, der Mitregent, Prinz Amenhotep.“
Mit einem klagenden Laut sank Chaemwase zurück auf sein Lager.
Nach dem Abendessen ging es hinaus zum Teich. Hauptmann Nefermose war bei seinen Truppen geblieben und so waren neben Netermest und Huni nur noch Gemni, Simut und Userhet im Wasser. Die beiden Wagenlenker waren zunächst etwas zurückhaltend, doch als Gemni und Huni mit Netermest im Wasser tobten, nahmen sie auch daran teil. Zur Belohnung wurden sie von Huni und Gemni abgeseift, bis Userhet, der jüngere der Brüder, Gemni etwas fragte. Dieser nickte zustimmend, so dass Userhet sich zögernd mit ein wenig Asche Netermest näherte. Der Prinz lächelte ihm entgegen und so begann Userhet ihn intensiv und überall einzuseifen. Als Netermest Userhet langsam an sich zog, verließen die anderen leise den Teich. Simut sah noch einmal unsicher zu seinem Bruder, doch dann wurde er zu seiner Überraschung links und rechts an den Händen gefasst und in einen der Schlafräume geführt.
Am nächsten Morgen wurde Prinz Netermest von Huni geweckt, ebenso, wie der in seinen Armen liegende Userhet. Netermest lächelte leicht, als er den roten Haarschopf sah und an die letzte Nacht dachte. Huni lächelte ebenfalls, denn er war mit fast dem gleichen Anblick belohnt worden, nur dass auch noch Gemni auf seiner anderen Seite lag.
Das leinene Laken war verrutscht und Huni hatte einen ungehinderten Blick auf die beiden jungen Männer vor ihm. Userhet stand seinem Bruder in nichts nach.
Prinz Netermest erhob sich und Userhet schlug ebenfalls die Augen auf. Mit einem erschreckten Schrei fuhr er hoch und sah sich nach seiner Kleidung um. Netermest grinste.
„Glaubst du nicht, ich habe in der letzten Nacht mehr von dir gesehen und erkundet, als du jetzt verbergen könntest?“
Userhet erlitt das Schicksal aller Rothaarigen und seine Haut bekam ebenfalls einen Rotton.
„Huni, wir werden heute Morgen draußen am Teich frühstücken. Bring die Schalen zum Ufer, wir essen im Wasser.“
Huni nickte und verschwand, während sich Netermest dem sprachlosen Userhet zuwandte.
„Du brauchst also nichts anzuziehen. Huni, Gemni und dein Bruder werden uns Gesellschaft leisten.“
Die beiden Brüder waren noch zurückhaltender als am Abend zuvor, doch Gemni redete eine Weile mit ihnen, so dass das Frühstück ziemlich entspannt verlief. Während des Essens erzählten Netermest und Gemni abwechselnd über ihren Auftrag und über das, was sie bereits herausgefunden hatten. Die beiden Wagenlenker sahen sich mehr als einmal fragend an, bis Simut die Frage stellte, die beide bewegte.
„Warum erzählt ihr uns das alles, Herr?“
Netermest sah beide Brüder eine lange Zeit an, dann deutete er auf Gemni und auf Huni.
„Aus dem gleichen Grund, warum diese beiden wissen, was vor sich geht. Ich brauche Leute, die mir sagen können, was ich falsch mache und die mir raten können, wenn meine Gedanken sich in die falschen Richtungen bewegen.“
Netermest lachte, als er die entsetzten Gesichter der Brüder sah.
„Ich bin nicht unfehlbar. Manchmal bedarf es einer anderen Person, mir einen Weg zu zeigen. Ihr alle habt andere Erfahrungen als ich und ein anderes Wissen. Vielleicht benötige ich etwas davon. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt.“
Leicht grinsend wandte sich Netermest um und bespritzte Simut mit ein wenig Granatapfelsaft um ihm dann sofort mit beiden Händen den Saft von der Brust zu wischen. Userhet sah den beiden erstaunt zu, bis er eine vorwitzige Hand spürte, die sich an seinem rechten Oberschenkel emporarbeitete. Gleich darauf gab es eine zweite Hand auf der anderen Seite.
„Lass uns hinübergehen zur anderen Seite des Teiches. Da sind die beiden ungestörter und wir auch.“
Userhet schnappte nach Luft. Einmal vor Überraschung und ein zweites Mal, als beide Hände ihr Ziel erreicht hatten. Wortlos ließ er sich entführen.
Direkt nach dem ausgedehnten Frühstück galt es, den Gott zu ehren, dessen Geburtstag an diesem Tag gefeiert wurde. Der zweite Tag der fünf war dem Gott Horus geweiht. Es gab zwar keinen Tempel, jedoch einen Schrein in einem der Dörfer. Alle Bewohner der umliegenden Dörfer waren zu dem Schrein gepilgert um dem Gott Horus ihre Opfergaben darzubringen. Inmitten seiner Leibwache erschien nun auch Netermest, diesmal jedoch nicht in einen Brustpanzer gekleidet, sondern in ein langes, leinenes Übergewand.
In seiner Eigenschaft als Sohn des lebendigen Horus führte er ein Opferritual durch und ließ dann durch Hesire Geschenke in Form von Getreide und Bier an die Bevölkerung verteilen. Die Ausgaben würden dem Landgut durch ein königliches Lager wieder erstattet werden.
Der Nachmittag verging, besonders bei der Dorfbevölkerung, mit fröhlichem Feiern, während Prinz Netermest mit Gemni und Hesire wieder zu Besuch bei Chaemwase war.
„Hast du eine Vorstellung davon, wo sich die Auftraggeber des Fürsten Wawerhet aufhalten?“
Chai nickte schwach.
„Es sind Hethiter. Angeblich ein hethitischer Fürst mit seinen Truppen. Er soll sich wohl in den unzugänglichen Bereichen in einem der Gaue des Deltas befinden.“
Netermest und Hesire sahen sich betroffen an. Fremde Truppen in Land Khemet hatte es seit Ahmose I. vor über hundert Jahren nicht mehr gegeben. Netermest flüsterte mit Gemni und dieser suchte aus seiner Tasche ein kleines Stück Papyrus hervor.
„Und du weißt nicht, in welchem Gau sich die Hethiter aufhalten?“
Chaemwase verzog sein Gesicht und drehte den Kopf zur Wand.
„Chai, es ist wichtig. Warum willst du es uns nicht sagen?“
Chai drehte seinen Kopf zurück und sah Netermest schmerzerfüllt an.
„Weil er Paneb dort bereits hingebracht hat.“
„Wer ist denn Paneb?“
Chai wandte wieder seinen Blick ab und holte tief Luft.
„Mein Zwillingsbruder.“
Die Stille im Raum wurde fast greifbar. Man hörte nur das leise, zischende Einatmen von Gemni und einen unterdrückten Laut von Hesire.
„Das ist völlig unmöglich.“
Chai sah Hesire müde lächelnd an.
„Doch, es ist möglich. Wir sind identische Zwillinge und wurden nach der Geburt von Nebet betreut. Dann hat man Nebet fortgeschickt und sie nahm mich mit. Als Zweitgeborener wurde Paneb nach Men-nefer gebracht und dort im Haus der Bastet abgegeben. Im letzten Jahr, als die Hethiter den Fürsten unter Druck zu setzen begonnen haben, hat er ihnen Paneb als Geisel an meiner Stelle gesandt. Zu seinem Pech hat irgendein Eunuch in Theben die Wahrheit herausgefunden und so sollte ich dann auch ins Delta gesandt werden.“
Netermest starrte Chai eine ganze Weile an, dann zückte er das Schriftstück, das Gemni ihm gegeben hatte.
„Ich habe hier die Abschrift eines Ehevertrages zwischen einem gewissen Nefersobek und Kawit, der Tochter des Wawerhet. Wir wissen inzwischen, dass der Vertrag nicht echt ist, dennoch gibt es eine Bemerkung über die gelieferte Aussteuer, die nicht geklärt werden konnte.“
Chai nickte langsam.
„Ich kenne das Schriftstück. Der Fürst hat getobt, als es hier eintraf. Die Braut bin ich. Sie erwarten mein Eintreffen. Ich soll mit dem nächsten Frachtschiff nach Norden gebracht werden. Sollte ich nicht eintreffen, wird Paneb sterben.“
Die nächste Versammlung fand im Haupthaus statt. Chai hatte sich mühselig aus seiner Kammer geschleppt, denn er wollte unbedingt dabei sein. Netermest, Gemni und Huni saßen bereits auf ihren Kissen, während Simut und Userhet in Begleitung von Hesire und Ka-nechet eintraten.
Netermest gab Gemni ein Zeichen, die wichtigsten Punkte zu notieren.
„Langsam lichtet sich etwas die ganze Angelegenheit um den Fürsten Wawerhet und seine Handlungen. Wie wir bis jetzt erfahren haben, liegt der Anfang fast zwanzig Jahre zurück. Der Fürst hat seinen Titel und das Land von seinem Vater geerbt. Um den jungen Fürsten zu ehren, hat ihm der göttliche Pharao, lang möge er leben, die Verwaltung des Besitzes der königlichen Gemahlin Tuaitthesit übertragen. Die königliche Gemahlin allerdings, betrachtete den neuen Verwalter als ihr Spielzeug, obwohl er inzwischen verheiratet war. Schwanger vom göttlichen Pharao wurde sie von diesem nicht weiter beachtet und langweilte sich. Nach der Geburt eines Prinzen, nämlich mich, wandte sie sich offensichtlich dem Verwalter zu.“
Die Darstellung der Ereignisse führte zu den unterschiedlichsten Reaktionen bei den Zuhörern, die meisten jedoch schwiegen und lauschten.
„Ein halbes Jahr später wurden Hesire und Kawit hier geboren. Wiederum ein halbes Jahr später wurde die königliche Gemahlin von Zwillingen entbunden. Chaemwase und Paneb. Wie wir inzwischen wissen, waren diese Kinder nicht vom göttlichen Pharao.“
Der einzige Kommentar während des bestürzten Schweigens kam von Gemni.
„Der Mann hatte ein Talent für Zwillinge.“
Netermest grinste unwillkürlich, fuhr dann aber fort.
„Der ältere der Zwillinge, Chaemwase, wurde mit der Amme Nebet fortgeschickt und in einem abgelegenen Haushalt aufgezogen. Der jüngere, Paneb, wurde ins Waisenhaus der Bastet nach Men-nefer gegeben. Im Laufe der Jahre hat der Fürst immer wieder das Haus der Nebet aufgesucht und so auch die Entwicklung von Chai mitverfolgt.“
„Wir werden übrigens noch einem Hinweis nachgehen müssen, nach dem Nebet in Abedju ein Gasthaus betrieben haben soll, in dem auch Jungen zu haben gewesen sein sollen. Ich vermute, der Fürst hat sie auf diese Idee gebracht, nachdem er sich seiner eigenen Wünsche klar geworden war.“
Gemni sah von seiner Arbeit hoch.
“Soll jemand damit beauftragt werden?“
„Nein, das machen wir selbst.“
Gemni nickte und machte eine Notiz.
„Irgendwann kamen dann die Hethiter ins Spiel. Ich vermute, mit der Gesandtschaft kamen etliche hethitische Würdenträger, die eigene Aufträge hatten. Nichts war einfacher, als die königliche Gemahlin Tuaitthesit aufzusuchen, die ja eine hethitische Prinzessin war. Dort, im Palast des Nilpferds, muss der Plan entstanden sein, nach dem Tod des göttlichen Pharao die Armeen aufzusplittern und das Reich vom Norden her zu erobern.“
Es gab einige erstaunte Ausrufe, als der Tod des Pharao erwähnt wurde. Netermest beruhigte die Anwesenden und fuhr fort.
„Dazu wurden eine ganze Reihe Würdenträger bestochen oder erpresst. Das Geld stammte unter anderem aus einem teuer aufgezogenen Bordell mit Jungen. Wobei dann teilweise die Besucher auch noch erpresst wurden.“
„Der Aufseher der Fragen des Pharao hat das Bordell auffliegen lassen und dadurch die Verstrickungen des Fürsten Wawerhet offen gelegt. Was jetzt noch offen ist, sind die Mittelsmänner im Delta und die hethitischen Truppen, die dort irgendwo sein sollen.“
Netermest wandte sich um zu Chaemwase und sah ihn an.
„Wirst du uns alles erzählen, was du weißt?“
Chaemwase schluckte schwer, doch dann nickte er.
„Fürst Wawerhet wurde von den Hethitern unter Druck gesetzt. Sie drohten, seinen Anteil an der Verschwörung zu veröffentlichen. Keine Ahnung wie sie das anstellen wollten, aber der Fürst schien ihnen zu glauben. Sie zwangen ihn, Lebensmittel ins Delta zu liefern, damit die hethitischen Truppen dort versorgt wurden. Um sich seine Mitarbeit völlig zu sichern, zwangen sie ihn, seinen unehelichen Sohn als Geisel ins Delta zu schicken. Er hat Paneb dorthin geschickt, doch die Hethiter haben durch einen Mittelsmann in Theben herausgefunden, dass es Zwillinge gab und er ihnen den falschen, nämlich den Jüngeren der beiden geschickt hatte.“
„Noch ein Bruder“, murmelte Hesire.
„Es gab wohl einen Zwischenfall, denn der Fürst hat mich aus Abedju geholt, mich freigelassen, als Sohn anerkannt und als Erben eingesetzt. Dann hat er mich hier her gebracht. Ich sollte mit dem Getreideschiff nach Norden reisen, während er wieder zurück nach Theben fuhr.“
Hesire sah von Chai zu Netermest.
„Die Hinrichtung ist erst sieben Tage her. Vielleicht wissen die auf dem Schiff noch nichts vom Schicksal des Fürsten.“
Netermest überlegte ein wenig.
„Das wäre möglich. Dann würden sie Chai abholen wollen und das Getreide. Wir werden das auf jeden Fall verhindern und versuchen, soviel wie möglich über den Auftrag und das Ziel des Schiffes zu erfahren.“
„Was ist mit diesem Nomarchen? Ist die geplante Hochzeit mit Kawit nur eine Tarnung gewesen, oder waren diese Gespräche tatsächlich ernsthaft gemeint?“
Hesire sah von einem zum anderen und blickte nur in ratlose Gesichter, bis Ka-nechet mit gesenktem Kopf leise sprach.
„Bakare hat vor etlichen Monaten den Fürsten und Frau Hatnofer zufällig dabei belauscht, wie sie eine Anfrage eines Gaufürsten besprachen, der gerne Kawit für seinen Sohn gehabt hätte. Der Fürst war dagegen, doch Frau Hatnofer hat ihn gedrängt, denn vielleicht konnte sie ja so die zukünftige Schwiegermutter eines Gaufürsten werden.“
„Und Kawit hat sich geweigert?“
Hesire brummte belustigt.
„Sie hat sich nicht nur geweigert. Sie hat unserer Mutter damit gedroht, sie werde sich zum Fest der Trunkenheit am Tempel der Bastet zu den freiwilligen Frauen gesellen.“
„Was sie natürlich nicht gemacht hätte.“
„Nein, aber Mutter war sich da nicht so sicher. Besonders, weil dieser auserwählte Bräutigam seine Kinderlocke wohl noch ein oder zwei Jahre tragen wird.“
Netermest schüttelte nur den Kopf.
„Das kann tatsächlich ernsthaft gemeint gewesen sein. Es wäre eine Möglichkeit, die Familien aneinander zu binden und so einen Verrat zu verringern. Um welchen Nomarchen handelt es sich dabei?“
Hesire und Chaemwase antworteten gleichzeitig.
„Östlicher Harpunengau.“
„Östlicher Harpunengau? Gemni, haben wir da was?“
Gemni suchte in seinen Unterlagen und zog dann eine dicke Papyrusrolle hervor die er schnell durchging.
„Hier, Herr. Der östliche Harpunengau mit seiner Hauptstadt Tjeku wird regiert vom Nomarchen Antef. Er hat ihn von seinem Vater geerbt, der von - ähhh, der im neunten Jahr der Regierung des göttlichen Pharao Men-cheper-re dort eingesetzt wurde, nachdem der regierende Nomarch wegen Verrats verurteilt und hingerichtet wurde. Der jetzige Nomarch hat drei Kinder, der älteste heißt Nefersobek und ist knapp zwölf Jahre alt.“
Netermest dankte Gemni mit einem Nicken. Die Neubesetzung des Postens war also noch zu Zeiten der Mitregentin Hatschepsut erfolgt. Ob das etwas zu bedeuten hatte, konnte er nicht beurteilen, aber er würde es im Gedächtnis behalten.
„Das ist der Ort, an den man Paneb gebracht hat.“
Netermest überlegte kurz, was er machen sollte.
„Hesire, wann ist der Aufseher der Fragen des Pharao von hier losgefahren?“
„Vor fünf Tagen, Herr.“
Netermest fluchte leise. Dann gab er seine Anweisungen an Gemni.
„Erste Nachricht an den Tjati mit allen Informationen die wir haben. Zweite Nachricht an Prinz Amenhotep, ebenfalls mit allen Informationen. Er soll den schnellsten Kurier losschicken, der jemals den Fluss befahren hat. Kutari muss unbedingt informiert werden, bevor er dort ankommt. Dann muss er dort sofort handeln. Dazu braucht er am besten… Dritte Nachricht an die Garnison in Men-nefer. Sie sollen ein Regiment Infanterie in den Königskind-Gau verlegen. Das Regiment soll bei Bubastis auf Befehle von Kutari warten. Vierte Nachricht an den Obersten Verwalter. Ich will mit jedem Mitglied des aufgelösten Haushaltes der Nebet sprechen, sobald wir wieder in Theben sind. Hab ich was vergessen?“
Simut sah hinüber zu seinem Prinzen.
„Ich nehme an, der Aufseher der Fragen des Pharao soll mit den Vorgängen im östlichen Harpunengau beauftragt werden und das Infanterieregiment ist zu seiner Unterstützung gedacht. Dann wäre es besser, das Regiment nicht zu Fuß, sondern mit Truppentransportern in den Norden zu schicken. Das Delta ist mit Schiffen besser zu erkunden als zu Fuß, besonders während des Achet.“
„Gemni, das Infanterieregiment soll auf Truppentransporter aus Theben warten… nein halt. Sind in Men-nefer keine Schiffe?“
Hesire nickte hektisch.
„Doch, natürlich. In Men-nefer sind die großen Werften, in denen die Truppentransporter und die Kriegsschiffe des Herrschers gebaut werden.“
Gemni begann mit den Berichten und Befehlen, während Netermest, Simut und Hesire leise miteinander redeten. Zum Schluß nickte Netermest zustimmend.
„Gemni, wir machen es folgendermaßen. Alle Berichte und Befehle gehen nach Theben. Der Kurier für Kutari soll die Befehle für das Infanterieregiment und die Truppentransporter in Men-nefer auf seinem Weg ins Delta dort absetzen. So kann Prinz Amenhotep entscheiden, welche Truppentransporter genutzt werden und welches Regiment in den Einsatz geht. Mach alles fertig zum Siegeln, dann kann der Kurier morgen bei der ersten Dämmerung los.“
Der Abend brachte, außer dem Essen, keine weiteren Höhepunkte. Hesire hatte zu Ehren des Horus zwei Ochsen schlachten lassen, die nun über dem offenen Feuer brieten. Alle Mitglieder des Haushaltes und auch die Bogenschützen bekamen ihren Teil ab.
Später in seiner Kammer bemerkte Netermest im Halbschlaf, dass einer seiner beiden Begleiter fehlte. Er fuhr dem neben ihm liegenden durch die Haare und erkannte Huni.
„Wo ist Gemni?“ flüsterte er.
„Der ist bei den Wagenlenkern.“
Netermest lachte leise.
„Hoffentlich übernimmt er sich nicht.“
Spielerisch fuhr er dem auf dem Bauch liegenden Huni den Rücken herunter und blieb mit einer Hand auf einer Hinterbacke liegen. Huni brummte erwartungsvoll. Doch dann drehte sich Netermest plötzlich ebenfalls auf den Bauch und spreizte leicht seine Beine.
„Wie wäre es mal damit?“
Huni konnte in der leichten Dämmerung des Raumes erkennen, was Netermest getan hatte und zog entsetzt seinen Atem ein.
„Was? Nein. Das steht mir nicht zu. Ich bin zufrieden, so wie es ist. Niemals könnte ich einen hohen Herrn…“
„Auch nicht, wenn der hohe Herr das so will?“
Huni schüttelte hektisch den Kopf, bis Netermest sich plötzlich bewegte und über ihn herfiel. Er drehte ihn auf den Rücken und setzte sich auf Hunis Bauch, die Beine links und rechts neben dem Brustkorb. Dann drückte er dessen Arme hoch über den Körper.
„Huni, ich möchte es aber gerne. Tu mir einfach den Gefallen.“
Dabei rutschte Netermest immer weiter über Hunis Bauch nach unten.
„Aber es gehört sich nicht für einen Herrn und einen Diener.“
Netermest lachte leise und gab Huni einen schnellen Kuss.
„Doch, tut es. Außerdem hast du einen kleinen Verräter.“
Netermest war nun mit seinem Hinterteil am Ziel seiner Wünsche angekommen und der kleine - oder nun nicht mehr so kleine - Verräter zitterte erwartungsvoll. Huni ergab sich aufseufzend in sein Schicksal.
Der dritte Feiertag war der Geburtstag des Seth. Beim Frühstück hatte Gemni sich ein zweites Kissen zum Sitzen gesucht und Huni sah ihn merkwürdig an. Dann wanderte Hunis Blick zu Netermest, der ruhig auf einem Kissen saß und eine Dattel kaute. Huni ging hinüber zu Gemni und flüsterte mit ihm. Als Antwort deutete Gemni unauffällig auf Simut und Userhet. Mit einem erstaunten Blick flüsterte Huni weiter mit Gemni.
Bevor die beiden jedoch ihr Thema vertiefen konnten, gab es Geschrei auf dem Hof. Pasu kam durch die Tür hereingestürmt und rief in den Raum
„Das Schiff! Das Schiff ist da!“
Alle sprangen auf, denn jeder wusste, welches Schiff gemeint war.
„Die Bogenschützen nach vorne zum Getreidespeicher. Beide Streitwagen folgen den Bogenschützen. Gemni folgt mit der restlichen Leibwache.“
Die Aufstellung für den Fall, dass das Schiff eintreffen sollte, war schon mehrere Male besprochen worden und jeder wusste eigentlich auch ohne die letzte Anweisung, was er zu tun hatte.
Als sich die halbe Kompanie Bogenschützen vor dem Getreidespeicher entfaltete, erstarben alle Bewegungen auf dem Schiff. An Land befanden sich nur die wenigen Männer, die das Schiff soeben fest gemacht hatten. Es handelte sich um ein ziemlich großes, schlankes Frachtschiff, das mit roten und weißen Streifen bemalt war und am Bug das Auge des Horus trug.
Von Bord ertönte ein lauter Befehl und die Männer an Land begannen hektisch an den Leinen zu zerren, damit das Schiff wieder ablegen konnte. Netermest stand auf dem vorderen Streitwagen neben Simut und sah hinüber. Er hatte nichts anderes erwartet. Auf einen Kampf mit dreißig Bogenschützen würde sich der Kapitän bestimmt nicht einlassen. Er rechnete damit, schnell genug ablegen und entkommen zu können.
In der Mitte des Flusses konnte Netermest nun auch schon die MACHYT erkennen, auf der Leutnant Nebamun mit zwanzig Bogenschützen eingeschifft war. Sie hielt ihre Position und beobachtete das Ablegemanöver des Schiffes, von dem Netermest überzeugt war, dass es sich um das Schiff des Kapitäns Tarewan handelte.
Auf der MACHYT stand Leutnant Nebamun neben Kapitän Sendji und beobachtete das Ufer.
„Das dürfte wohl unser Ziel sein. Gehen wir näher heran?“
Sendji schüttelte den Kopf.
„Wir warten erst einmal ab, bis er abgelegt hat. So erfahren wir auch, wohin er will. Er ist aus dem Norden gekommen und das Segel ist noch nicht eingerollt. Vielleicht will er noch weiter nach Theben.“
„Wir sollen ihn aber hier aufhalten.“
„Ich weiß. Wir müssen nur wissen, auf welcher Seite die Bogenschützen postiert werden sollen.“
Nebamun war etwas nervös vor seinem ersten richtigen Einsatz. Natürlich hatten sie besprochen, wie die Bogenschützen eingesetzt werden sollten.
„Da. Er hat abgelegt und steuert in Richtung Mitte des Flusses. Sie wollen wieder nach Norden. Wir werden sie abfangen und parallel zu ihnen nach Norden laufen. Alle Bogenschützen auf die Steuerbordseite.“
Die Bogenschützen begaben sich hinter der durchgehenden Reling in Deckung und die MACHYT lief direkt auf das fremde Schiff zu, das jetzt vom Ufer aus auf die Mitte des Flusses zuhielt. Da die MACHYT schräg von hinten kam, wurde ihr zunächst nicht viel Aufmerksamkeit zu teil. Erst als sie sich bis auf eine Schiffslänge genähert hatte, zeigten einige Matrosen auf sie.
Nebamun stand im Bug und sah hinüber.
„Im Namen des Pharao, haltet das Schiff an und ergebt euch!“
Kurz darauf zischte ein Pfeil dicht neben seinem Kopf vorbei.
„Dann ja wohl nicht.“ murmelte Nebamun und drehte sich um.
„Erste Abteilung Bogenschützen, gegnerische Bogenschützen!“
Jeder zweite der Bogenschützen erhob sich aus seiner Deckung und kurz darauf flogen zehn Pfeile hinüber, wobei mindestens sechs ihr angesagtes Ziel trafen. Die ersten Wehklagen klangen herüber.
„Zweite Abteilung Bogenschützen, Steuermann und Seeleute!“
Die erste Abteilung ging wieder in Deckung und die zweite Abteilung erhob sich, um die angesagten Ziele zu bekämpfen. Sendji hatte vorgeschlagen, gleich in der zweiten Runde den oder die Steuerleute zu bekämpfen, damit das gegnerische Schiff manövrierunfähig wurde.
Die Wirkung war dann auch spektakulär. Nachdem beide Männer an den riesigen Rudern am Heck getroffen worden waren, lief das große Frachtschiff aus seinem Kurs und lag nun fast quer zur Strömung. Der Kapitän gab hektische Befehle an seine Ruderer um das Schiff gänzlich zu drehen und den Kurs stabil gegen die Strömung zu halten.
Auch die MACHYT begann zu wenden und Nebamun wusste, was zu tun war.
„Erste Abteilung Bogenschützen nach Backbord!“
Noch während der Wendung sahen dem fremden Schiff bereits wieder zehn Bogenschützen entgegen. Die MACHYT war erheblich schneller und wendiger und so befand sie sich nach kurzer Zeit wieder dicht an der Steuerbordseite des fremden Frachtschiffes. Nebamun nahm diesmal Aufstellung in der Mitte des Schiffes.
„Entkommen ist zwecklos. Ihr legt wieder dort an, wo ihr gerade abgelegt habt! Jede Gegenwehr wird sofort bestraft!“
Mühselig wurde das Frachtschiff gegen die Strömung wieder zurück an den Anleger gerudert, wo es vor fast zwei Stunden abgelegt hatte. Die Bogenschützen an Land hatten sich nun vor dem Anleger postiert und Netermest hatte die Streitwagen wieder nach hinten geschickt. Er selbst stand, von seiner Leibwache umgeben, zusammen mit Hesire und Gemni neben Hauptmann Sennefer.
Das fremde Frachtschiff legte schwerfällig an, während die MACHYT in einem eleganten Bogen an der gegenüberliegenden Seite des Steges festmachte.
„Alle verlassen das Schiff! Unbewaffnet und einzeln hintereinander. Wer eine Waffe mit sich führt oder flüchtet, wird erschossen!“
Netermest bemerkte, wie Hauptmann Sennefer beim Klang der noch etwas hellen Stimme seines Leutnants lächelte.
Kurze Zeit später kam dann auch hintereinander eine ganze Reihe von Männern die schmale Planke herunter auf den Steg und ging dann zögernd auf die Soldaten zu, die sie in Empfang nahmen, fesselten und abführten.
Auf dem Schiff gab es plötzlich einen kleinen Tumult und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf die drei Seeleute, die eine Schlägerei angefangen hatten. Lediglich Nebamun blickte kurz zu den Schlägern und suchte dann das Oberdeck ab. Achtern bei den Steuerrudern gab es eine unscheinbare Bewegung. Nebamun hob seinen Bogen und der Pfeil schlug an einem Decksaufbau ein.
„Der nächste trifft!“
Anscheinend war die Person auf dem Frachtschiff nicht dieser Ansicht, denn an Deck erhob sich nur einen winzigen Moment eine Gestalt, um auf der Wasserseite über die Reling zu klettern. Ein Aufschrei kündete davon, dass der nächste Pfeil tatsächlich getroffen hatte. Zwei Soldaten der Leibwache wurden an Bord geschickt um den Flüchtigen zu bergen.
Insgesamt waren es 36 Seeleute, die vom Frachtschiff heruntergekommen waren. Nach einer gründlichen Durchsuchung des Schiffes ließ sich niemand mehr finden. Die Person, die Nebamun mit seinem Pfeil getroffen hatte, stellte sich als Kapitän Tarewan heraus.
Der Kapitän war ein vierschrötiger, etwa vierzig Jahre alter Mann, der ein Kopftuch trug, mit dem sein linkes Auge verdeckt wurde. Trotz der Wunde, die der Pfeil in seinem rechten Oberarm hinterlassen hatte, war er äußerst kämpferisch.
„Was soll das? Wer seid ihr, dass ihr es wagt, das Schiff eines Reichsfürsten anzuhalten? Das ist Piraterie!“
Der Kapitän stand vor Hauptmann Sennefer und bedachte ihn mit einer ganzen Auswahl von Schimpfworten.
„Ich werde eine Nachricht an meinen Herrn schicken und eure Köpfe fordern!“
Prinz Netermest war ein Stück hinter ihn getreten und lauschte eine ganze Weile den ausfälligen Bemerkungen.
„Wenn ihr lesen und schreiben könnt, werdet ihr ja wissen, wer euch angehalten hat.“
Überrascht fuhr der Kapitän herum und sah zunächst einen dunkelhaarigen Jüngling in einem Brustpanzer, der nicht recht zu passen zu schien. Dann las er die wenigen heiligen Zeichen darauf. - Sohn des Herrschers von Ober- und Unterägypten -
Kapitän Tarewan wusste sofort, dass diese Beschriftung echt war. Niemand im ganzen Reich, nicht einmal der abgebrühteste Verbrecher, würde es wagen, mit diesen Symbolen öffentlich aufzutreten. Noch während er wortlos auf die Schriftzeichen starrte, trat Nebamun ihm in die Kniekehlen, so dass er vor dem Prinzen in den Staub fiel.
„Dies ist Prinz Netermest, Sohn des göttlichen Pharao“, zischte Nebamun.
„sei still und beantworte seine Fragen.“
Leicht erstaunt sah Netermest zu Nebamun und bemerkte dann, dass sich dessen rechte Hand regelrecht um den Griff seines Bogens verkrampft hatte. Dies war sein erster Einsatz und er war immer noch ziemlich nervös. Netermest würde mit ihm reden, aber zunächst war der Kapitän dran.
„Die Seeleute werden in eine leere Scheune gesperrt und bewacht. Den Kapitän bringt ihr zum Haupthaus, dort werde ich ihn vernehmen.“
Die Gefangenen wurden weggeführt und Netermest sah nachdenklich hinüber zu dem Frachtschiff, dann drehte er sich zu Nebamun.
„Nebamun, hol bitte Kapitän Sendji.“
Nebamun zuckte förmlich zusammen, als er so direkt angesprochen wurde. Doch dann nickte er und rannte fast hinüber auf die MACHYT um kurz darauf mit Kapitän Sendji wiederzukommen. Der Kapitän trug nur noch seinen ledernen Schurz, den Brustharnisch hatte er abgelegt. Seine schwarzen Haare waren ein wenig durcheinander und er sah etwas müde aus. Prinz Netermest nickte ihm zu.
„Gute Arbeit, aber sie ist leider noch nicht zu Ende. Ich möchte, dass ihr zusammen mit diesem jungen Offizier und einigen Helfern das Frachtschiff durchsucht. Wir müssen davon ausgehen, dass außer der ganz normalen Ladung noch andere Dinge versteckt sind. Sachen, die bei einer normalen Überprüfung in einem Hafen nicht so schnell gefunden werden sollen. Mein Schreiber wird alles in einer Liste erfassen, was auch nur im Geringsten verdächtig erscheint. Warum ich euch dabei haben möchte, ist ganz einfach. Ich möchte, dass ihr auch an den Stellen sucht, auf die ein normales Durchsuchungskommando nicht kommt. Ihr kennt euch auf Schiffen aus. Dreht das Ding meinetwegen um, aber ich will wissen, was da alles an Bord ist.“
Sendji nickte wortlos und musterte schon neugierig das Frachtschiff. Brummend wandte er sich an Nebamun.
„Nicht mehr als sechs Mann, sonst treten wir uns auf die Füße.“
Nebamun sah sich nach seinen Truppen um und beide bemerkten kaum, dass sie Netermest fast völlig ignorierten bei ihrer neuen Aufgabe. Der suchte nun nach Gemni und erklärte ihm, was er tun sollte. Freudig lief dieser hinüber zum Schiff. Die Durchsuchung würde wohl noch eine Zeit dauern und Prinz Netermest zog sich erst einmal für eine kleine Pause in seine Kammer zurück.
Am späten Nachmittag erschien als erster Gemni mit seiner Liste.
„War ganz schön anstrengend. Aber auch sehr nett.“
Netermest hob fragend seine Augenbrauen.
„Dieser Leutnant Nebamun ist ja ganz niedlich. Als wir im Wasser das Schiff von außen abgesucht haben, ist er ein paar Mal ziemlich nahe gekommen.“
„Wer hat dir denn gesagt, du sollst mit den anderen ins Wasser?“
„Wieso hätte ich denn sonst meine Sachen ablegen sollen?“
Netermest verdrehte die Augen und wurde wieder ernst.
„Sonst noch etwas interessantes, bevor die beiden ihren Bericht abgeben?“
„Hm, ich weiß nicht genau, aber war dieser Paneb nicht im Waisenhaus der Bastet in Men-nefer?“
„Ja, warum?“
„Nebamun kommt aus Men-nefer und wenn ich es richtig verstanden habe, war er dort in einem Waisenhaus, obwohl er etwas von irgendwelchen räudigen Katern gefaselt hat.“
Netermest starrte Gemni erstaunt an, dann lachte er laut.
„Die Kater der Bastet, ich glaube es kaum. Lies einfach den Bericht von Kutari, dann weißt du, wer gemeint ist. Ich glaube, wir müssen Nebamun noch etwas näher befragen.“
Zunächst ging es jedoch um das Schiff, das Kapitän Sendji und Leutnant Nebamun mit seinen Truppen durchsucht hatte.
Die beiden Offiziere waren kurz nach Gemni eingetroffen und Netermest hatte sie eingeladen sich zu setzen und einen Becher Wein zu trinken. Beide schienen sich in Gegenwart des Prinzen etwas unwohl zu fühlen.
Selbst die Anwesenheit von Gemni schien das nicht zu mildern, obwohl Nebamun immer mal wieder zu ihm hinüberblickte.
„Ich habe von Gemni zwar die Liste bekommen, aber ich möchte von euch wissen, ob davon etwas versteckt war oder als Handelsware deklariert.“
Sendji räusperte sich und zückte ein kleines Stück Papyrus.
„Dies ist die offizielle Ladeliste, gesiegelt am letzten Abfahrtshafen in Men-nefer am 18. Mesori.“
Netermest überlegte kurz.
„Da war Kutari gerade erst bei seinen ersten Erkundigungen. Da dürfte noch keiner etwas bemerkt haben. Was ist dort aufgeführt?“
„In Men-nefer wurde teilweise gelöscht Kupferbarren, Zedernholz und Öl. Alles angeblich erworben von Händlern in Bubastis. Dazu kamen dann dort Ballen mit wertvoller Kleidung und einige hochwertige Möbelstücke für Theben. Die vorgefundenen Mengen stimmen mit der Ladeliste überein.“
„Er wollte noch nach Theben? Ich hätte vermutet, er würde von hier aus direkt wieder zurückfahren.“
„Ich weiß es nicht, aber die Mengen würden sich für Theben auch gar nicht lohnen. Das würde gerade mal für einen ganz kleinen Handelsplatz reichen.“
Netermest richtete sich auf und sah sich um. Natürlich!
„Ich glaube, ich weiß, wo die Sachen hin sollten. Was ist jetzt mit versteckter Ware?“
Sendji nickte wiederum und gab Gemni ein Zeichen. Der verlas den ersten Eintrag.
„Siebzehn Barren reinen Goldes, jeder zu zwei Deben Gewicht.“
Der Prinz fuhr zu Gemni herum, doch der grinste nur schwach und deutete auf Kapitän Sendji.
„Es war etwas schwierig, denn die Barren befanden sich unter den Steinen im Rumpf, die für die Stabilität sorgen, aber wir glauben, wir haben alle gefunden.“
Gemni fuhr mit seiner Liste fort.
„Einundachtzig verschiedene Edelsteine, hauptsächlich Lapislazuli und Amethyste, aber auch fünf große Smaragde. Alle noch unbearbeitet.“
Gemni grinste nun ein wenig.
„Jetzt etwas aus dem persönlichen Besitz des Kapitäns. Den Beutel dafür hatte er mit, als Nebamun ihn erwischt hat.“
Gemni reichte einen Leinenbeutel herüber und Netermest holte ein Rollsiegel hervor. Neugierig betrachtete er die Symbole.
„Wohin gehört es?“
Sendji sah etwas gequält aus.
„Es ist das Siegel der Hafenbehörde von Theben.“
„Der Hafenbehörde? Also kann er damit seine Papiere fälschen?“
„Er kann jede beliebige Ware an Bord nehmen oder löschen und dann mit dem Siegel die Richtigkeit bestätigen, wenn er in plausibler Nähe zu Theben ist.“
Netermest schüttelte nur den Kopf, steckte das Siegel zurück in den Beutel und gab ihn Gemni.
„Jetzt kommt das Beste. Fünf Schriftstücke mit Anweisungen für mehrere Personen in Theben.“
„WAS!?“
Kapitän Sendji nickte langsam.
„Sie waren am besten versteckt. Dort wo die Segel mit ihren Schlaufen an der Rah befestigt werden, werden sie doppelt umgenäht. In diesen Hohlräumen waren die Papyri versteckt.“
Netermest schüttelte sprachlos den Kopf.
„Was steht drin?“
Gemni zückte die in Frage kommenden Blätter und gab sie Netermest, der sie schnell durchsah.
‚An Hanai, Diener im Haus des Sethnacht. Die große Schlange hat befohlen, dass du in der Nacht des 3. Thot, deine Kunst dem ehrenwerten Dunmarit angedeihen lassen wirst‘.
‚An Djoser im Geschäft des Händler Rahotep. Die große Schlange hat befohlen, dass du am 3. Thot eine Ladung des speziellen Weines dem Haushalt des Unnacht liefern wirst‘.
So ging es weiter, während Netermest schnell durchblätterte. Beim letzten Blatt blieb sein Blick auf einem bestimmten Namen hängen.
‚An Haradi, Lieferant des Speichers der Beamten. Die große Schlange hat befohlen, dass du zum 3. Thot eine Lieferung des guten Getreides an das Haus des ehrenwerten Kutari ausliefern wirst‘.
Netermest sah auf und blickte erst zu Gemni, dann zu Sendji.
„Der 3. Thot ist in fünf Tagen. Wir müssen zurück nach Theben. Den Kapitän dieses Schiffes…“
„Es heißt NEMET.“
„Also gut, den Kapitän der NEMET überlassen wir dem Haus der beiden Wahrheiten. Jetzt gleich findet eine Besprechung statt und zwar drüben neben dem Teich, wo uns niemand belauschen kann. Gemni, du suchst Simut und Userhet, dann noch Hesire und Ka-nechet. Sendji, ihr sucht Hauptmann Sennefer und Leutnant Nebamun.“
Als die beiden sich mit ihrem Auftrag erhoben, wandte sich Netermest noch einmal an Gemni.
„Ach ja. Wir brauchen auch noch Feldwebel Umani und Feldwebel Ibi. Ich warte am Teich.“
Hauptmann Sennefer und Leutnant Nebamun waren die letzten die eintrafen, weil sie den weitesten Weg hatten. Netermest wies allen einen Platz in einem Halbkreis vor ihm zu.
„Es hat sich durch das Aufbringen des Frachtschiffes NEMET eine neue Lage ergeben. Das Schiff hatte auch Befehle für etliche Verschwörer in Theben dabei.“
Netermest las einen der Befehle vor und löste Erstaunen und Unglauben aus.
„Wir wissen nicht, ob dies der einzige Weg war, auf dem die Befehle überbracht worden sind, oder ob sie noch auf einem anderen Weg eingetroffen sind. Sie sind auf den 3. Thot datiert, das ist in fünf Tagen. Wir werden also so schnell wie möglich nach Theben zurückkehren. Hauptmann Sennefer und seine Hälfte von dreißig Bogenschützen wird auf der NEMET zurückfahren und die gefangenen Seeleute als Ruderer einsetzen. Er bekommt einen Steuermann von der NECHBET, unserem Truppentransporter. Die NECHBET wird die NEMET auf ihrem Weg nach Theben begleiten. Die MACHYT wird Leutnant Nebamun und seine zwanzig Bogenschützen aufnehmen. Dafür werden die Streitwagen nicht mehr an Bord genommen.“
Simut und Userhet sahen erstaunt auf, doch Netermest winkte ab.
„Zunächst eine Frage an Hesire. Ist jemals von einem Schiff, das Getreide geholt hat, etwas gebracht worden?“
Hesire dachte einen Moment nach und schüttelte dann den Kopf, doch Ka-nechet flüsterte sofort mit ihm.
„Ich wüsste es nicht, doch Ka-nechet sagt, es wären nachts von den Helfern des Verwalters einige Gegenstände vom Schiff in das Haus des Fürsten gebracht worden.“
„Gut, dann gehört die ordnungsgemäß klarierte Ladung dem Landgut und verbleibt hier. Die versteckte Ware geht an das große Haus.“
Hesire sah Netermest erstaunt an, sagte aber nichts.
„Gemni wird sofort nach dieser Besprechung Abschriften aller Schriftstücke fertigen und ich werde einen genauen Bericht verfassen. Diese Schreiben gehen noch heute an den Tjati und an Prinz Amenhotep. Sie werden von den beiden Streitwagen transportiert, die auch die Nacht durchfahren müssen. Ist das möglich?“
Simut und Userhet sahen sich fragend an. Simut zögerte zunächst mit der Antwort.
„Wenn wir in der Nacht fahren sollen, brauchen wir einen ortskundigen Führer. Am besten einen für jeden Wagen.“
Netermest sah wieder hinüber zu Hesire der bereits mit Ka-nechet tuschelte.
„Einer der Führer wird Bakare sein, bei dem anderen sind wir noch nicht sicher. Ich würde aber sagen, es wird Simut werden.“
Userhet blickte verwirrt zu seinem Bruder, wurde aber von Hesire unterbrochen.
„Das ist einer unserer Ziegenhirten. Er heißt Simut und kennt alle Wege und Stege.“
Die meisten anwesenden grinsten und Gemni sprach ihre Gedanken laut aus, als er sich an Userhet wandte.
„Den musst du dir wohl erst abwaschen, damit die Pferde nicht scheuen.“
Userhet lächelte säuerlich, während Prinz Netermest sich erhob.
„Also los, jeder hat seinen Auftrag. Die Streitwagenfahrer warten hier und fahren los, sobald die Depeschen fertiggestellt sind. Die Bogenschützen können schon an Bord gehen und morgen früh die Gefangenen übernehmen. Die beiden Kuriere sollen gleich herkommen und eine Einweisung bekommen, wie man sich auf einem Streitwagen verhält. Feldwebel Umani!“
„Ja, Herr?“
„Ich möchte ab sofort eine Leibwache aus vier Mann. Zwei Mann wie üblich, mit Schilden und Axt, dann soll Leutnant Nebamun noch jeweils zwei Bogenschützen abteilen, die mich ebenfalls begleiten.“
Feldwebel Umani machte zunächst ein aufgebrachtes Gesicht, doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr gefiel ihm der Gedanke.
„Feldwebel Ibi!“
„Ja, Herr?“
Netermest wandte sich dem Hundeführer zu, der bis jetzt immer im Hintergrund geblieben war.
„Sag, Feldwebel, sind die Hunde in der Lage, auch Gifte aufzuspüren?“
Der Feldwebel wusste sofort, worauf Netermest anspielte und er wiegte nachdenklich den Kopf.
„Nicht direkt. Sie sind eigentlich auf das Suchen von Spuren von Mensch und Tier abgerichtet, doch der kleine Sethnacht dürfte auch andere Sachen aufspüren können. Nicht im Wein, denn da übertönt der Alkohol alles, aber eine Ladung Getreide wäre den Versuch wert.“
Netermest nickte erfreut. Wenn es funktioniert, wäre das schon ein großer Fortschritt. Als er sich umdrehte, musste er ein Lachen unterdrücken, denn Bakare und Simut waren eingetroffen. Während der große Simut mit dem Jagdgehilfen freundlich redete, schnupperte Userhet deutlich an dem jungen Hirten herum. Der Junge war etwa fünfzehn oder sechzehn, hatte eine schlanke Statur und war nur in ein knappes Lendentuch gekleidet. Über einer Schulter trug er einen Lederriemen, behangen mit mehreren kleinen Beuteln. Userhet schüttelte den Kopf. Ihm nur ein neues Lendentuch zu verpassen, würde nicht viel nutzen.
Netermest trat näher, ohne dass die beiden ihn zunächst bemerkten.
„Was hast du gemacht? Mit den Ziegen geschlafen?“
Simut sah erschreckt und etwas aufgeregt zu dem großen rothaarigen jungen Mann mit den grünen Augen hoch. Natürlich, wo sollte er denn sonst übernachten. Userhet schien das erschreckte Schweigen daran zu erinnern, dass auch er schon öfter in den Ställen bei den Pferden übernachtet hatte.
„Dann wird dir nichts anderes übrig bleiben, als das zu machen, was Gemni vorgeschlagen hat."
Die beiden fuhren zu Netermest herum und sahen ihn teils erschreckt, teils fragend an.
„Herr?“
Netermest ging hinüber zu einem der steinernen Tische, nahm eine Schale mit Asche auf und zeigte sie Userhet.
„Du musst ihn dir schon abwaschen.“
Userhet starrte verblüfft auf die Asche, dann auf Simut. Seufzend legte er Leinenschurz und Lendentuch ab. Simut sah etwas verwirrt zu dem nun nackten, hellhäutigen Mann, dann dämmert ihm, was passieren sollte. Überrascht sah er zum Teich, dann wieder zurück zu Userhet. Zögernd legte Simut den Lederriemen und sein Lendentuch ab, wobei er mehr Userhet ansah, als dass er auf das achtete, was er selbst tat. Auch Userhet sah prüfend an dem Jungen auf und ab, bis er ihn mit einem spielerischen Schubs bis an den Rand des Teiches brachte. Simut sprang begeistert hinein und Userhet folgte ihm, worauf Netermest ihm die Schale reichte.
„Hier, ich hoffe es reicht. Vielleicht musst du ihn ja zwei Mal abwaschen.“
Userhet sah verwirrt auf, doch dann verstand er und errötete, bis seine Haut die Farbe seiner Haare angenommen hatte.
Die Kuriere waren fort, und Netermest hatte erfahren, dass die Schale mit der Asche leer geworden war. Irgendetwas anderes nagte an seinem Gedächtnis, doch er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was es war. Noch einmal blätterte er in den Notizen, die ihm der Tjati mitgegeben hatte und in denen Kutari alle seine Ermittlungsergebnisse zusammengefaßt hatte. Einige der Fragen waren geklärt worden, während sich weitere Fragen aufgetan hatten. Netermest überflog die einzelnen Berichte, bis er plötzlich zurückblätterte. Der Soldat Sekani war Tänzer im Tempel der Bastet von Men-nefer gewesen. Zuvor war er etliche Jahre dort im Waisenhaus der Göttin. Die Straßenjungen von Men-nefer hatten die Jungen des Waisenhauses als räudige Kater bezeichnet. Sie hatten noch darüber gelacht in der Nacht, als er bei Hori und Sekani übernachtet hatte.
Jetzt endlich schoss Netermest die Bemerkung von Gemni wieder durch den Kopf, die er über Nebamun gemacht hatte.
‚Nebamun kommt aus Men-nefer und wenn ich es richtig verstanden habe, war er dort in einem Waisenhaus, obwohl er etwas von irgendwelchen räudigen Katern gefaselt hat‘.
Konnte es sein, dass Sekani und Nebamun zur gleichen Zeit dort gewesen waren und vielleicht auch einen Paneb kannten?
„Huni! Such Nebamun und bring ihn her.“
Huni sauste los und kam schon bald darauf mit Nebamun zurück.
„Nebamun, du bist also einer von den räudigen Katern?“
Nebamun machte ein verblüfftes Gesicht, nickte dann aber.
„Ja, Herr. Aber woher habt ihr davon erfahren?“
Ein kurzer Seitenblick zu Gemni brachte Aufklärung und Nebamun seufzte etwas.
„Kennst du dann auch jemanden namens Sekani?“
„Sekani? Ja, natürlich. Was ist mit ihm? Ist ihm etwas passiert?“
Nebamun schien ganz aufgeregt zu sein und sah Netermest gespannt an.
„Nein, soviel ich weiß, geht es ihm gut. Er ist jetzt Soldat in der Leibwache des Aufsehers der Fragen des Pharao.“
„Tatsächlich? Als wir entlassen wurden, ist er als Tempeltänzer angenommen worden, ich leider nicht. Ich habe mich als Soldat gemeldet und wurde den Bogenschützen zugeteilt. Seit der Zeit habe ich ihn aus den Augen verloren.“
„Vielleicht werden wir den Aufseher der Fragen des Pharao ja bald treffen, dann werdet ihr euch wiedersehen. Aber es gibt einen anderen Grund, warum ich dich gefragt habe. Kennst du auch jemanden mit Namen Paneb?“
„Paneb? Nein, nicht das ich wüsste. Wie alt soll der denn sein?“
„Er müsste jetzt sechzehn sein. Also nur ein Jahr…“
„Ach so. Jetzt weiß ich wen ihr meint. Wir hatten nur zwei Jungen die ein Jahr jünger war als Sekani und ich. Den Namen des einen habe ich vergessen. Das war ein kleiner Dicker, der nicht viel mit uns unterwegs war. Der andere wurde nur Acher gerufen, wegen seines Gesichts.“
Auf Netermests fragenden Blick hin, seufzte Nebamun.
„Jemand hat ihm als kleines Kind schon eine Narbe quer über die ganze linke Wange verpasst, deshalb haben wir ihn ‚das Gesicht‘ gerufen.“
„Weißt du, was aus ihm geworden ist?“
„Keine Ahnung. Ich bin ja schon vor ihm entlassen worden. Mit vierzehn dürfte er dann auch entlassen worden sein. Vielleicht weiß man ja im Haus der Göttin, wo er hingegangen ist.“
Netermest zögerte etwas, dann winkte er Nebamun.
„Folge mir.“
Sie gingen hinüber zum Haupthaus und Netermest schob Nebamun in den Raum, in dem Chaemwase auf seinem Lager döste. Erstaunt wandte sich dieser seinen Besuchern zu und Nebamun stieß einen leisen Ruf aus.
„Bei den Göttern, das ist er. Doch wo ist die Narbe?“
„Dies ist Chaemwase, der Zwillingsbruder von Paneb. Zumindest haben wir die Bestätigung, dass er bis vor, wieviel Jahren…“
„Drei.“
„Bis vor drei Jahren noch im Waisenhaus von Men-nefer gewesen ist.“
Netermest und Nebamun kehrten in das kleinere Haus zurück, das der Prinz bewohnte.
„Kannst du dich an irgendetwas erinnern, was Paneb erzählt hat?“
Während Nebamun noch nachdachte, servierte Huni das Abendessen und wie selbstverständlich nahmen er und Gemni auf den kleinen Kissen ebenfalls Platz. Nebamun sah erstaunt auf, als auch er etwas vorgesetzt bekam. Gemni grinste.
„In diesem Haushalt wird jeder als Gast behandelt. Iss einfach.“
Nebamun begann zögerlich, mit einem Seitenblick auf Netermest, zu essen. Nach dem Essen entspannte sich Netermest auf den Kissen.
„Wie wär’s noch mal mit ein wenig Zeit im Teich?“
Alle vier sahen sich an und Huni und Gemni grinsten leicht. Als alle im Wasser waren, war Nebamun äußerst zurückhaltend um nicht aufzufallen, doch alle seine Bemühungen wurden durch Gemni zunichte gemacht, der hin und her tauchte und alle in spielerische Kämpfe verwickelte. Als Nebamun und Netermest sich im flachen Teil des Teiches erholten und sich gleichzeitig erhoben standen sie nicht einmal eine Körperlänge voneinander entfernt im knapp Kniehohen Wasser. Netermest betrachtete fasziniert Nebamuns braunen Körper mit seinen Muskeln und dem noch immer etwas jungenhaften Gesicht mit den dunklen braunen Augen.
Netermest wurde von den letzten Strahlen des Herrn Re beleuchtet und Nebamun war in den Anblick des schlanken Körpers mit der hellbraunen Haut förmlich versunken. Unbeweglich standen sie da und sahen sich nur an.
Gemni stieß Huni an und leise verließen sie den Teich in dem Moment, als Netermest Nebamun sanft an sich zog und ihm einen sinnlichen Kuss gab. Lediglich die Leibwache des Prinzen war noch anwesend, doch die würde eher sterben, als zu erzählen, was danach noch alles passierte.
Am nächsten Morgen wurde alles so ausgeführt, wie Prinz Netermest es angeordnet hatte. Als er sein Frühstück beendet hatte, waren die Gefangen bereits auf die NEMET gebracht worden und Hauptmann Sennefer meldet sich mit seinen dreißig Männern ab. Die NEMET setzte Segel und begann die mühselige Reise gegen die inzwischen schon starke Strömung in Richtung Theben.
Auf der MACHYT hatten sich inzwischen auch alle eingeschifft und Netermest stand, lediglich von seiner Leibwache umringt, neben Hesire und Ka-nechet.
„Ich danke euch, Herr, dass ihr uns geholfen habt. Ohne eure Hilfe hätten wir uns sicherlich nicht durchsetzen können.“
„Das waren wir euch und natürlich auch Kutari schuldig. Wir haben wichtige Informationen erhalten, so dass unser Aufenthalt hier sich in jeder Hinsicht gelohnt hat. Eine Bitte habe ich allerdings noch. Je nachdem, wie gut er sich geschlagen hat, möchte ich den kleinen Ziegenhirten gerne für meinen Kurierdienst behalten, wenn er einverstanden ist. Bakare wird auf jeden Fall hierher zurückkehren.“
Hesire schien überrascht zu sein, doch er nickte zustimmend.
„Das ist kein Problem. Seine Familie erhält eine Entschädigung und der alte Nedjem wird vielleicht ein letztes Mal einen neuen Hirten ausbilden dürfen.“
Prinz Netermest hob grüßend eine Hand und ging dann, gefolgt von seiner Leibwache an Bord. Die Planke, die als Gangway diente, wurde eingezogen und mehrere Seeleute stießen das Schiff mit langen Stangen ab, während die Ruderer anfingen zu arbeiten.
Voller Gedanken und Pläne näherte sich der Prinz Kapitän Sendji.
„Wie lange werden wir brauchen, bis nach Theben?“
Sendji beobachtete einen Moment lang ein paar Seeleute die das große Segel hissten, bevor er antwortete.
„Die Strömung ist etwas stärker geworden, aber wenn wir zusätzlich zum Segel die Ruderer einsetzen und in der Nacht nur eine kurze Pause machen, können wir zum Erscheinen des Herrn Re in Theben anlegen.“
Netermest bedankte sich und ging zum Heck, wo er sich auf einem der bereitliegenden Kissen niederließ.
„Gemni!“
„Ja, Herr?“
„Wir brauchen eine Liste. Sobald wir in Theben sind, fangen wir an, alles abzuarbeiten, was darauf erfasst ist. Nein, halt. Wir brauchen zwei Listen. Eine für Theben und eine für alle Aufgaben außerhalb der Stadt. Dort müssen wir vermerken, wer mit der Ausführung beauftragt worden ist.“
Gemni suchte rasch zwei Papyrusbögen und spitzte seine Binse um sodann die neue Spitze etwas zu zerkauen und so eine optimale Strichbreite zu erhalten.
„Ich werde erst einmal alles unsortiert erwähnen, was wir noch erledigen müssen, du sortierst nach Orten und dann legen wir die Reihenfolge fest.“
Gemni nickte und Netermest entspannte sich, während er nachdachte.
„Einen Boten nach Men-nefer zum Waisenhaus der Bastet. Er soll sich nach Paneb erkundigen. Im Haus der beiden Wahrheiten nach Kapitän Tarewan und seinen Aussagen erkundigen. Eine Abteilung nach Abedju schicken und das Haus mit den Jungen ausfindig machen und auflösen. Nebet vernehmen und eine eindeutige Aussage über die Geburt der Zwillinge erlangen. Mit Prinz Amenhotep den Einsatz im östlichen Harpunengau besprechen. Mit dem Tjati die Maßnahmen besprechen, die wegen der fünf Attentats-Anweisungen getroffen werden sollen.“
Netermest schwieg eine Weile, während er weiter nachdachte und Gemni die beiden Listen fertigte.
„Habe ich etwas vergessen, Gemni?“
Doch statt Gemni antwortete eine andere Stimme.
„Verzeiht, Herr, aber ich habe euch reden hören und da…“
Nebamuns Stimme wurde immer leiser und er wurde sich gerade bewusst, dass er zugegeben hatte, Netermest belauscht zu haben.
„Und, Nebamun, habe ich was vergessen?“
„Ich weiß es nicht genau, Herr, aber werden die beiden Kuriere zurück zum Landhaus geschickt? Wir könnten sie vielleicht öfter brauchen. Und dann haben wir ja noch bei Kapitän Tarewan dieses Siegel aus dem Hafen von Theben gefunden.“
„Ha! Setz dich her, Nebamun. Das mit den Kurieren habe ich auch schon kurz überlegt. Wir bräuchten mindestens einen der sich in der Stadt und einen, der sich auf dem Land auskennt. Aber besser wären natürlich drei bis vier. Gemni, eine Notiz für mich, dass wir uns in Theben nach geeigneten Kurieren umsehen. Zweitens, Hafenkapitän von Theben befragen, ob eines der Siegel vermisst wird oder wurde.“
Gemni begann wieder fleißig zu schreiben und Nebamun setzte sich in einigem Abstand neben Netermest. Der Prinz sah sich suchend um.
„Huni, komm her.“
Huni löste sich von Umani, mit dem er eine ganze Zeit geredet hatte und trat näher.
„Huni, was würdest du als erstes machen, wenn wir wieder in Theben sind?“
Huni sah hinüber zu Umani und lächelte leicht.
„Ich habe gerade mit Feldwebel Umani darüber geredet. Ich würde als erstes veranlassen, dass der abgesetzte Südflügel genau durchsucht wird und die dort inzwischen tätigen Diener ersetzt werden, bis auf Tjeti und Pachred, denn die sind ja schon länger dort.“
Netermest, Gemni und auch Nebamun starrten Huni erstaunt an, dann sprang der Prinz auf und eilte auf Feldwebel Umani zu, während er Feldwebel Ibi hektisch heranwinkte.
Gemni sortierte derweilen seine Notizen.
Theben:
Haus der Wahrheiten, Protokoll von Kapitän Tarewan
Nebet vernehmen, nach den Zwillingen befragen
Prinz Amenhotep aufsuchen wegen Militäraktion im Harpunengau
Den Tjati aufsuchen wegen der Attentate
Drei bis vier Kuriere rekrutieren
Hafenkapitän nach Siegel befragen
Men-nefer:
Im Waisenhaus nach Paneb erkundigen
Abedju:
Das Haus mit den Jungen auffliegen lassen
Nach einigem Überlegen fügte er unter Theben hinzu:
Liste des Haushalts der Nebet ausfindig machen. Wo sind alle von dort hingekommen?
Am Abend, als sich alle zur Ruhe begaben, sah Netermest mit einem sehnsüchtigen Blick hinter Nebamun her. Sowohl Gemni als auch Huni hatten den Blick bemerkt und Huni seufzte etwas traurig.
„Dieses Gefühl möchte ich auch einmal haben.“
Gemni nickte und sah geistesabwesend in die Ferne.
„Ich auch. Aber ich werde es wissen, wenn wir wieder in Theben sind.“
Huni warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, doch Gemni antwortete nicht.
Kapitän Sendji hatte es tatsächlich gewagt, die ganze Nacht über durchzufahren und als die ersten Strahlen des Herrn Re ihr Schiff an der Backbordseite beleuchteten, konnte Netermest bereits die Pylonen des Amuntempels in der Ferne erkennen.
Direkt nach dem Festmachen begann Prinz Netermest damit, seine selbstgestellten Aufgaben abzuarbeiten. Lediglich von seinen nun vier Leibwächtern und Gemni begleitet, wollte er sich als erstes zum Waffenübungsplatz vor den Toren der Stadt aufmachen. Dort hoffte er auf Prinz Amenhotep zu treffen. Feldwebel Umani und Feldwebel Ibi wurden mit ihren Leuten zum Südflügel des Palastes geschickt, um Netermests Anweisungen auszuführen. Leutnant Nebamun hatte der Prinz zum Hafenkapitän geschickt, um dort Nachforschungen zu betreiben. Zehn seiner Bogenschützen waren ebenfalls zum Südflügel geschickt worden, um die Befehle von Netermest durchzusetzen, die restlichen zehn folgten ihrem Leutnant.
Zu Netermests Überraschung waren vor dem Steg, an dem die MACHYT festgemacht hatte, etliche Streitwagen vorgefahren. Die beiden ersten waren die persönlichen Wagen des Prinzen mit Simut und Userhet als Fahrer. Sie standen, immer noch begleitet von Bakare und dem kleinen Simut vor dem ersten Wagen. Die fünf anderen Wagen hatten ebenfalls nur einen Fahrer, keinen Waffenträger.
Simut, der Wagenlenker, war wie sein Bruder, wieder in Leinenschurz und Lederpanzer gekleidet und trug zur Kennzeichnung seines Ranges zum ersten Mal auch seinen Offiziersstab. Erstaunt nahm Netermest zur Kenntnis, dass dieser drei goldene Ringe umfasste. Simut war also eigentlich ein ‚Standartenträger der Wagenlenker‘, der eine ganze Schwadron kommandieren konnte. Sein Bruder trug den Stab mit zwei Ringen als ‚Erster Wagenlenker‘, also als Führer einer Einheit von fünf Wagen.
Netermest hatte nie darüber nachgedacht, dass die beiden selbstverständlich Offiziere waren, so wie jeder einzelne Wagenlenker, von denen jeder einen Rang vergleichbar eines Leutnants hatte.
„Wir haben Hauptmann Nefermose eine Gruppe seiner Streitwagen abgeschwatzt. Falls etwas dringend erledigt werden muss, sind die Wagen am schnellsten.“
Prinz Netermest nickte erfreut, dann sah er zu Bakare und dem Ziegenhirten.
„Ihr beide könnt zum Landgut zurückkehren, eure Arbeit ist hiermit erledigt.“
Bakare nickte erfreut, doch der kleine Simut sah etwas enttäuscht hoch zu Userhet, der neben ihm stand. Netermest hatte den Blick gesehen und auch das enttäuschte Gesicht von Userhet.
„Allerdings beabsichtige ich, einen festen Kurierdienst einzurichten, der auch die Streitwagen mit nutzen würde. Wenn Simut möchte, kann er dort anfangen. Mit dem Verwalter Hesire ist bereits alles geklärt.“
Simut sah den Prinzen mit offenem Mund an.
„Wirklich?“
„Ja, wirklich.“
Simut und auch Userhet strahlten. Simut umarmte Userhet spontan und lief dann zu ‚seinem‘ Streitwagen, um vor den Pferden stehenzubleiben.
„Sopdet, Sah! Habt ihr das gehört? Ich darf hier bleiben.“
Die Köpfe der Pferde nickten, als ob sie ihre Zustimmung geben würden.
Netermest schüttelte erstaunt den Kopf, dann sah er zu Userhet, der regelrecht zu strahlen schien. Der Prinz wandte sich an den Standartenträger der Wagenlenker.
„Dann ist das erst einmal geklärt. Zunächst muss ich Prinz Amenhotep finden. Ich nehme an, er ist auf dem Waffenübungsplatz?“
Simut nickte und der Prinz fuhr fort.
„Also, Huni und ich fahren mit dir. Gemni findet bestimmt noch Platz bei Userhet und seinem Kurier. Je zwei Leibwächter auf zwei weitere Wagen. Der dritte Wagen steht Leutnant Nebamun zur Verfügung, falls er ihn hier für seine Ermittlungen braucht.“
Simut gab seine Anweisungen und die Streitwagen wurden besetzt, während Nebamun noch letzte Befehle von Prinz Netermest erhielt. Huni klammerte sich angstvoll fest, als die vier Streitwagen dann endlich in Richtung des Waffenübungsplatzes preschten.
Dort überraschte Netermest tatsächlich Prinz Amenhotep bei seinen täglichen Übungen, der Netermest nicht so früh erwartet hatte.
„Netermest! Gut, dich zu sehen. Der Tjati hat schon nach dir gefragt. Die Befehle für den Norden sind bereits unterwegs. Das Regiment des Sobek wird nach Bubastis verlegt und dem Kommando von Kutari unterstellt. Sobald dieser Kapitän Tarewan eingetroffen ist, wird er im Haus der beiden Wahrheiten verhört. Deine Infanteriekompanie ist unter Hauptmann Inuari unterwegs nach Abedju.“
Netermest dankte dem Prinzen mit einem Lächeln, doch dann hob er eine Hand.
„Abedju ist erst einmal nicht so wichtig. Ich muss zunächst zum Tjati, um mit ihm wegen dieser vermutlichen Attentate zu reden. Dann muss ich Nebet ausfindig machen und sie vernehmen. Bei der Gelegenheit sollten wir auch etwas über das Haus in Abedju erfahren.“
Amenhotep nickte und winkte seinem Streitwagen.
„Folgt mir einfach. Wir sehen uns beim Tjati.“
[1] Im alten Ägypten gab es keine Unterscheidung zwischen Geschwistern und Stiefgeschwistern.
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