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Ungeplante tage
Teil 1
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Informationen
- Story: Ungeplante tage
- Autor: multiplikato
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
Inhaltsverzeichnis
1.Tag
Mein Gott war der hübsch. Mein Typ, zu jung für mich, gebe ich ja zu, aber er hatte diese unwiderstehlichen dunklen Augen, wo ich mich eben viel zu schnell zum Trottel mache. Aber er hat sich Küssen lassen. Ich hatte eh zu viel getrunken, was auch der Grund war, warum ich ihm meine Visitenkarte gab im Toms in Berlin
Dann war er weg mit einem Anderen und ich schaukelte mehr oder weniger nach Hause in mein einsames Bett, um mich zu allem Überfluss auf dem Heimweg auch noch selbst zu verscheißern.
Ich hasse den Tag danach, anstatt mich zu trauen, war ich wieder nur in der Szene in Berlin unterwegs gewesen ohne ein wirkliches Ziel, einfach auf Männer fixiert, ohne zu begreifen, dass ich doch eigentlich nur ich selber sein müsste.
Abends 23:30 Uhr klingelt mein Telefon. Auf Russisch die aufgeregten Worte, wir sind hier an der Raststätte, kommen nicht weiter, können wir bei dir schlafen.
Ja und so begannen fünf aufregende Tage, die Einiges bei mir verändert haben.
2. Tag
Düster und eng und irgendetwas war nicht wie sonst. Da war was neben mir und glatte zwei Sekunden habe ich gebraucht, um zu begreifen. Ich war nicht alleine, nicht alleine in meinem Bett.
Ach ja- Viktor und Wolodja. Der Zustand machte mir im ersten Moment Angst. Das war nicht geplant, vielleicht irgendwo tief in mir gewünscht, aber im Moment eher erschreckend.
Die Straßenlaterne warf ein bisschen Licht in das Zimmer und so starrte ich die Zimmerdecke an, den Umriss meiner Palme, auf die ich so stolz war und wagte nicht mich zu rühren.
Was hast du da wieder angestellt, war meine eine innere Stimme, sei froh man, war die andere Stimme. Ob ich jetzt verrückt werde, schoss es mir durch den Kopf. Zwei schwule Männer neben dir und in vielleicht drei Stunden klingelt mein Sohn an der Tür.
Am besten den beiden nachher gleich sagen, dass ich gegen Mittag weg muss und sie dann eben auch weg müssten. Dann wäre das Problem weg und ich wieder glücklich. Wäre ich dann glücklich?
Ich schaute auf die Seite und versuchte bei dem bisschen Licht etwas zu erkennen. Hand in Hand schliefen die beiden und sahen aus wie Unschuldsengel. Neben dem Bett standen zwei Reisetaschen und Viktor war nur bis zum Bauch zugedeckt.
Wenn das aber nun Verbrecher sind, sagte meine eine innere Stimme, aber soweit ich mich an das Toms erinnern konnte, hatte ich diesen Engel neben mir sogar geküsst und ihm auch meine Visitenkarte gegeben, sonst wären die beiden ja gar nicht hier.
Ich bin verrückt, schoss es mir wieder durch den Kopf, ich bin zwei zugleich. Luftholen, aufstehen und erst mal weitersehen. Langsam und ganz vorsichtig wuselte ich mich aus dem Bett. Die beiden bloß nicht gerade jetzt aufwecken.
Leise tapste ich in die Küche, machte die Tür zu und machte, was ich so noch nie gemacht hatte. Licht an, Kühlschrank auf und goss mir ein Trinkglas voll Wein ein, zündete mir eine Zigarette an, trank einen kleinen Schluck, setzte mich etwas unbequem auf den Rand der Spüle und starrte in das Fenster, in dem ich mich nun selber sah, weil es war düster draußen.
Ich weinte. Schaute in das Fenster, wen sah ich denn da? Eine Klemmschwester, die ihren Sex mit Männern an einer, na vielleicht an zwei Händen abzählen konnte. Einen, der sich immer damit rausgeredet hat, das mach ich doch nur weil……..???
8.00 Uhr. Ah Scheisse, ich hatte vergessen mein dummes Werbegeschenk auszuschalten. Ich fand das Ding mal toll, dieses Radio, das einen mit der Zeitansage begrüßte. Bloß keinen Krach und, ja blöd wie man manchmal eben ist, anstatt auf den Aus-Knopf zu drücken, zog ich den Stecker.
Aber Ruhe danach und egal. Was tun? – dachte ich, an einen verschmähten Politiker denkend und schaltete die Kaffeemaschine an und ging duschen. Nass und nackig fiel mir ein, dass neue Wäsche nun wieder bei den Beiden im Zimmer war, von denen ich noch nicht wollte, dass sie aufwachen.
Also schleich Schublade und drop, denn wenn etwas klemmt, klemmt das genau im falschen Moment.
Es war schon etwas heller und ich schaute mich um und Vik schaute mich an.
„He hallo“, sagte er ganz leise auf Russisch.
„Hi ich mache gerade Kaffee“, sagte ich auch leise und merkte, dass ich besser, so nackt wie ich war, wieder verschwinde.
Das manche männlichen Organe aber auch so was von Eigenleben haben ist erstaunlich. Ich rannte, naja, sofern das in einer kleinen Wohnung überhaupt geht, in die Küche und zog mich schnell an. Nein mit meiner Nacktheit konnte ich gar nicht umgehen, speicherte ich kurz ab.
Vik umso besser, so wie Gott ihn schuf kam er in die Küche, schaute sich interessiert um und sagte, auf Russisch, und die Übersetzung klingt im modernen Deutsch: „Wow, schön, warm, hübsche Wohnung und schon geküsst heute?“
Wie tief kann eine Kinnlade eigentlich fallen? Ich meine, wir wussten voneinander, dass wir schwul waren, aber ich eben nur heimlich nachts, in Berlin.
Ein Hauch von nein war wohl meine Antwort. Was er dann machte, war etwas, was ich bis dahin nicht kannte. Er strahlte mich an und zeigte seine Zunge, wie sie seine Lippen streichelte.
„Ja, ja“, sagte ich schnell, „und der Kaffee ist gleich fertig und mögt ihr gekochte Eier?“, war meine Antwort.
Meinen Blick hat Vik natürlich gesehen, denn wohin sollte ich schon schauen, wenn nicht in sein Gesicht, in seine Augen, wenn er denn nun schon mal nackt vor mir stand.
Und wie ich dann später erfuhr, hat er auch meine Angst erkannt und meinte, Wolodja ist meist eine halbe Stunde nach ihm wach.
Vik muss man an dieser Stelle einfach mal beschreiben. 22*178*65, braune Augen, lange, sehr lange Haare, kaum behaart und lackierte Fingernägel. Ja genau, das fiel mir in diesem Moment auf. Er muss meinen Blick gesehen haben.
Plötzlich schaute er mich schlagartig etwas traurig an und fragte leise: „Können wir bei dir ein paar Tage bleiben und Wolodja schläft noch, hast du etwas Zeit?“
Und ich bekam eine Gänsehaut, merkte, dass mein siebenter Sinn irgendwo vorhanden war.
„Ja, …ja!“, war meine Antwort.
„Gut dann gehe ich schnell duschen“, sagte Viktor und ich beschäftigte mich mit Eierkochen, Toast vorbereiten, wobei ich dann merkte, dass ich gar nicht auf Gäste eingerichtet war.
Die Marmelade würde ja vielleicht gerade so reichen, aber sie stand schon recht einsam im Kühlschrank. Wolltest du nicht alleine sein, sagte die Stimme in mir und nun hast du gerade ja, ja gesagt.
In Boxer und in einem sehr eindrucksvollen T-Shirt kam Viktor wieder in die Küche.
„Wolodja schläft noch fest“, sagte er, setzte sich an den Küchentisch und fragte, ob er rauchen darf.
„Ja, ja!“, war dann wieder die tolle Antwort von mir.
„Bist du oft im Toms, kennst du Berlin?“, begann er zu sprechen.
„Eher selten.“
„Wir sind keine Studenten, die nach Paris wollen, wie wir dir gestern erzählt haben. Das heißt nach Paris wollen wir schon. Nur mit dem Trampen gestern ging ja voll daneben. Weißt du was … sind?“, und das Wort verstand ich nicht.
Meinen fragenden Blick muss er verstanden haben.
„Nun wir arbeiten nachts, wir suchen Kunden und machen es ihnen. Dürfen wir immer noch bei dir ein paar Tage bleiben?“
Wo war mein Glas mit Wein, ah ja auf der Spüle, das nahm ich nun und weg war mein edler Tropfen, mit einem großen Schluck.
„Los erzähl mehr!“, sagte ich zu Viktor, „warum, wieso, weshalb?“, und schaute ihn neugierig an.
„Ich habe keine Probleme damit, aber ihr beiden seid die ersten, die ich nun so live erlebe, ähm… sehe.“
Bei diesem Versprecher lachte Viktor und erzählte.
„Wusstest du, dass Wolodja mit mir rumgemeckert hat, als wir uns im Toms küssten? Er meinte, ich soll arbeiten, der Spaß hätte später Zeit. Ich arbeite jetzt gerade nicht“, sagte er, stand auf und küsste mich einfach.
Ich konnte ja gar nicht anders als auch zu küssen, denn mögliche andere Reaktionen von mir waren irgendwie abgeschaltet und wie das so ist, kam nun gerade Wolodja in die Küche. Dass er der Boss war, war sofort zuerkennen.
„Du hast es ihm erzählt?“, war seine Frage.
„Willst du frühstücken?“, fragte ich anstelle von Viktor Antwort, „dann macht es euch mal bequem.“
Ein kurzer Blick zwischen Viktor und Wolodja, die beiden verstanden sich glänzend ohne Worte, brachte dann auch diesen sehr kräftigen Wolodja zum Lächeln und mir einen zweiten Kuss ein, allerdings eben nun von Wolodja.
Und nun war Erzählen angesagt, Planung der nächsten Tage und Eieressen, denn nur davon hatte ich noch genug. Ach ja und meine Ex musste ich anrufen. Sagen, dass ich Besuch habe und mein Sohn nicht bei mir schlafen könne. Und die war erst was von neugierig. Aber da gab es ja die Geschichte von den Studenten.
„Nachts sind wir sowieso in Berlin arbeiten“, meinte Wolodja, „wir brauchen noch Geld“, sagte er in einer Art, die seltsam geschäftstüchtig war.
Für diesen Tag dann aber, war erst mal Einkaufen und Kultur angesagt. Die beiden wollten unbedingt Sanssouci sehen, denn wie alle Russen hatten sie ein großes Interesse am Preußentum.
Dann auf nach Cecilienhof, sich den großen runden Beratungstisch der Siegermächte anschauen und immer noch erzählen, berichten und sie mussten natürlich insbesondere auch alle meine Fragen zu ihrer „Arbeit“ beantworten.
So begann diese anfangs mich so beängstigende Situation einen sehr interessanten Verlauf zu nehmen.
Die nächste Nacht schlief ich alleine. Beide wollten so im Verlauf des nächsten Vormittages wieder eintreffen.
3. Tag – Silvester
Hell, na ein bisschen hell war es. Also musste es so gegen halb neun sein. Eine schöne Uhrzeit, wenn man Zeit hat zum Aufstehen. Wie immer lies ich den Tag von gestern vor meinem geistigen Auge ablaufen. Da es nun einmal so war, und Viktor und Wolodja hier waren, war ich an sich ganz glücklich, dass ich doch nicht alleine ins neue Jahr rutschen sollte.
Nein ganz im Gegenteil, es war sogar fantastisch. Raus aus diesem Selbstmitleid und der, ja, selbst verursachten Einsamkeit. Also schlurf ins Bad und mal schauen ob ich noch wie gestern aussehe.
Die Ähnlichkeit meines Spiegelbildes mit dem, was ich erwartet habe, beruhigte mich. Und ungesund wie jeden Morgen, setzte ich Kaffeewasser auf und zündete mir eine Zigarette an. Warum habe ich eigentlich eine Latte, sinnierte ich gedankenvoll vor mich hin. Nein die musste weg, also noch mal kurz aufs Bett und Viktor— ach ja. Wer hätte auch je gedacht, wie gut und sinnvoll Küchentücher sein können?
Duschen war nun angesagt und ich werde es auch nie lernen, dass zuerst immer nur kaltes Wasser kommt. Die folgende Kettenreaktion meines Hüpfens konnte ich gerade noch so aufhalten. Wach war ich nun jedenfalls.
Tja und wie jeder neugierige Mann, fing ich an, ein bisschen in den Reisetaschen meiner Gäste zu schnüffeln, die glücklicherweise so schön unordentlich gepackt waren, das mein Wissenserweiterungsvorgang unbemerkt bleiben würde.
Geil, Kevin Klein…, jetzt wurde ich gerade zum Fetischisten. W 30 L 32, aha, ich schaute mir die schwarzen Jeans doch sehr genau an. Gestört wurde ich durchs Telefon. Meine Ex.
„…Lalalala…was macht dein Besuch, ist doch viel zu eng, bist du jetzt am anderen Ufer, wann fahren die wieder, hast du an die Rechnung gedacht und was machst du heute Abend?“
Muss Realität so grausam sein. Ich bin von Natur aus höflich, also…
„Hallo, guten Morgen,… habe aber jetzt keine Zeit…ich melde mich dann wieder Tschüss!“
…tututututu…
Schon 10:00 Uhr, ich muss einkaufen. Gedacht getan, Ja logo noch fünf Mark im Geldbeutel, also erst zur Bank. Zuviel, viel zu viel, ich bin wie eine Mama, kaum hat man Besuch, kauft man grenzenlos ein.
Rein in den Kühlschrank, gerade fertig klingelt es. Ohne fragen drückte ich den Türöffner. Und ja Viktor. Alleine und strahlend. Und Kuss. Den konnte meine Nachbarin, die immer am Spion klebt, nun garantiert sehen.
„Herein mit dir…“
Viktor schlang seine Arme um mich und drückte mich.
„Zweihundert Mark und nichts dafür getan“, sagte er, „…, der hat mich überall mit hingenommen und wollte nicht mehr.“
Für mich ein Fall von theoretischem Aha.
„Hast du Hunger, willst du etwas trinken?“
„Trinken ja, dann Duschen“, sagte Viktor.
Und weg war er. Ich schaute in der Küche aus dem Fenster und versuchte diese Welt des Viktors zu begreifen. Er kam natürlich nackt aus der Dusche und legte sich auf den Rücken diagonal auf das Bett.
Viktor erzählte mir von dem reichen Ungarn oder was auch immer der war, ihn durch alle Bars geschleppt und eingeladen hat und dann nichts wollte. Ich saß bewusst soweit wie möglich in der Ecke auf dem Hocker, hörte zu und sah wie Viktor volle Latte hatte.
Er lachte, schaute mich an und sagte: „Na, wann willst du mich denn nun endlich vergewaltigen?“, in einem Tonfall, dieses Wort, dass ich zwar im russischen kannte, aber eigentlich nie benutzt habe, dass es wie ~los, nun komm schon ~ klingen ließ, ~und zieh dich endlich aus~, was ich auch machte dann.
„Wie magst du es?“, fragte er, als ich mehr auf als neben ihm lag.
„Ich kann nicht so auf Befehl, ich bin auch kein Kunde!“, sagte ich.
„Na gut!“, (das lässt sich nun kaum übersetzen) er drehte mich auf den Rücken und küsste mich, besser er berührte meine Lippen nur ganz wenig und schaute in mein Gesicht. Was dann folgte, war unbeschreiblich.
Diesen kleinen Tod kannte ich ja nur vom Lesen. Aber ich glaube ich habe noch nie so laut dabei geschrien, wie dieses mal. Natürlich, so dachte ich kurz danach, es muss ja nun Klingeln.
Wolodja. Die beiden müssen telepathische Eigenschaften haben, denn sie schauten sich zwei, drei Sekunden an, Viktor sprach noch von Zweihundert Mark und Wolodja sagte Moment, verschwand im Bad, um dann nackt zu uns zu kommen.
Er sagte etwas sehr schnell auf russisch zu Viktor, was ich tatsächlich kaum verstand, was wohl auch der Sinn war.
„Entspann dich“, sagte Viktor und schon war da was an meinem Hintern.
Ja nun den Rest will ich gar nicht erzählen, es war einfach explosiv. Es tat nicht weh , nein, es war einfach nur genial, wie ich da was in mir hatte und schon lange bin ich nicht mehr innerhalb einer Stunde ein zweites mal so was von gekommen.
Danach, Brötchen aufbacken, Teller und alles weitere ins Bett und erzählen. Plötzlich waren wir Freunde. Und was wir alles zu erzählen hatten.
Der Tag verging dann recht schnell. So gegen Mitternacht wollten die beiden auf „Arbeit“ sein. Also sollte unser Ziel Silvester am Brandenburger Tor sein. Da in Moskau um 22.00 Uhr Neujahr ist, haben wir so echt russisch, Neujahr das erste Mal gefeiert. Dann auf nach Berlin.
Und der dritte Tag war vorbei
4. Tag – Neujahr
Juhu, sie weiß es, naja, meine Nachbarin weiß es und sie redet sogar noch mit mir. Meine Nachbarin, war die erste, die ich heute früh getroffen habe, als ich zum Briefkasten ging, obwohl da gar nichts drinnen sein konnte, war ja Neujahr.
Also völlig umsonst dieser Gang zum Briefkasten. Aber die Frau, schon fast siebzig, schien darauf gewartet zu haben.
„Tag, guten Morgen… und sagen Sie, sind Sie homosexuell?“
Jetzt oder nie dachte ich.
„Ja, ja!“ und schaute sie an.
„Nein, hatte ich doch Recht und wo sie so gar nicht so aussehen und meine Freundin…blablablabla…, haben Sie einen festen Freund?“
Das kam nun unerwartet.
„Nein…? Sollten Sie aber, also ja und ich glaube ja mal der Nachbar ist auch, Sie wissen schon.“
Sie wünschte mir dann noch ein frohes Neues und meinte, die beiden jungen Männer, die gerade bei mir sind, sind die auch und sie grinste vor sich hin. Tja, so war Outing erster Schritt. Der letzte sollte zehn Jahre später erfolgen.
Ich ging wieder rein und bestaunte das große Brandloch an meiner Jacke. Ja Berlin live in der Nacht. Irgendwer hat mir mal erzählt, zieh feuerfeste Kleidung an.
Inzwischen wusste ich, dass ich noch lebe, dass es Sachen gab, die ich noch nicht so wirklich kannte und, dass es weitergehen kann.
Moskau…ging es mir durch den Kopf. Was für ein Moskau muss das heute sein? Ich kannte ja nur das Sozialistische. Und wie dumm kann ein Mann eigentlich sein. Ein bisschen habe ich mich trotzdem erst mal dem Fetisch gewidmet, weil musste sein.
Gegen zwölf oder so Klingel, und der Türöffner half gar nicht, weil Hintereingang. So bin ich nach draußen, nach hinten und da stand Wolodja. Tür auf und, oh Schreck, nein, es war sogar schon egal, er küsste mich und wer es wollte, konnte schauen, ich küsste zurück und wie.
„He“, sagte Wolodja, „ich geh noch mal zur Tankstelle und hole was, bis gleich.“
Die zwanzig Minuten waren für mich so etwas von, ja wer bist du, was wirst du, was magst du, was willst du?
Klingel, Wolodja.
„Und wo ist Viktor?“, fragte er, gar nicht besorgt , eher so ein Aha, wir sind alleine.
„Weißt du, wen ich letzte Nacht gefickt habe?“, platzte er heraus.
„Nein?“
„Schau!“, meinte er zeigte mir eine Fotografie.
„Soll ein Schauspieler sein.“
„Ahhhhhhhhhhhhhhh.“ .
Den kannte ich .
„Wie? Echt?“, war meine Frage.
„You are a sex machine!, hat er zu mir gesagt“, sagte Wolodja, „na ja, was soll ich mit Passiven“, sagte er so einfach dahin.
Wolodja hatte Wodka, Wodka Gorbatschow, von der Tankstelle geholt.
„He, hol mal Gläser, richtige!“, sagte er.
Ich wusste was er meinte, keine Schnapsgläser, sondern solche, wo auch 100 ml reinpassten. Also stellte ich die Gläser und den Wodka auf den kleinen Tisch. Wir tranken beide auf das neue Jahr und dann fasste mich Wolodja an.
„Hast du schon mal, ich meine richtig?“
An dieser Stelle mal, ich habe da nicht alles wirklich wörtlich verstanden, zu viele neue Vokabeln. Sinngemäß verstand ich ja, aber ich streichelte Wolodjas Bauch.
„Lass mich doch machen“, sagte er, „ich habe Freizeit und bin nicht auf Arbeit.“
„Zieh dich einfach aus“, sagte er noch.
Der Rest ist, war, ja geil eben. Das war so ein Moment, wo ich hinterher gesagt habe, ja ich bin, ich will, ich werde schwul sein. Nun gegen 17.00 Uhr kam Viktor. Etwas müde, so sah er aus, aber ich hatte eine Ahnung.
Und ja, ja… nein oder ja, besser ja oder wie auch immer. Ich ja, nein, doch, das war eine Wende und der erste Schritt zu meinem Outing. Blieb nur mein Sohn und der musste noch zehn Jahre darauf warten.
Gegen 19.00 Uhr haben mir die beiden geholfen aufzuräumen. Mülleimer raustragen und so, ja und logo, meine Nachbarin haben sie getroffen, wer kann den ahnen, dass die Beiden so schnell Umgangsdeutsch lernen.
4-5. Tag
„Wir wollen heute nicht arbeiten“, sagte Wolodja, „und wir wollen morgen weiter, zuerst nach Amsterdam.“
Dass Russen sprunghaft und von zu gerade beängstigender Dynamik sind, wusste ich ja. Der Blick, den Wolodja aber aufsetzte, war etwas, ja wie sagt man, etwas geil und angsteinflößend.
Viktor lachte, schaute Wolodja an, und wieder musste ich bemerken, dass die beiden längst irgendwie alles beschlossen hatten.
„He ihr zwei“, versuchte ich mich zu retten, „ihr kennt mich nun ein bisschen, also sagt was los ist“, fand ich schnell eine Ausrede.
„Ich schau mal im Internet nach, wie es am Billigsten geht.“
Ich setzte mich schnell an den Schreibtisch und auweia, ich hatte schon eine Latte. Brandenburgticket und so weiter, da streichelte Viktor auch schon meinen Hals. Wolodja verschwand kurz und wie ich feststellen musste, kannte er meine Küche schon ganz gut, kam mit drei Gläsern, einer Flasche Wodka und Brot zurück.
Er stellte die drei Gläser auf den Tisch, goss in alle die berühmten 100 ml ein und reichte Viktor und mir ein Glas.
„Nu schtosch…“, ja was blieb mir übrig, ich mochte die beiden ja und die letzten Tage sind eh nie so abgelaufen, wie von mir geplant oder vorgestellt, also machte ich mit. Wie man 100 ml in einem Zug leerte, hatte man mir ja beigebracht und darum auch das Brot.
Erst ein bisschen einatmen, dann trinken, dann schnell ausatmen und tief den Geruch des Brotes einziehen. Das geht und die halbe Flasche Wodka war weg. Wolodja strahlte, Viktor streichelte mich und Wolodja, provozierte gleich, nahm die halbvolle Flasche Wodka in die Hand und sagte, nun, und das klingt auch nur im russischen gut, aber sinngemäß, die Nacht ist lang, hab keine Angst, wir sind doch Männer.
Irgendwie beschlich mich ein Gefühl der Angst, ich kam mir vor wie ein Kunde von den beiden und schaute wohl auch ängstlich auf den Weg in die Küche, den einzig möglichen Fluchtweg.
Viktor war es wieder, der muss einfach emphatisch sein, der mich auf die Stirn küsste und die Gläser füllte und meinte, wovor hast du Angst, wir arbeiten nicht, wir entspannen, wir sind auch Menschen.
„Seid ihr eigentlich ein Paar?“, fragte ich plötzlich.
Wolodja schaut Viktor an.
„Nein, ich habe einen Freund in Moskau.“
Der liebe Gott hat ja die Zigaretten auch deshalb erfunden, damit man so tun kann, als ob man beschäftigt ist, also rauchte ich erst mal eine. Viktor suchte unterdessen eine CD. Und er wusste auch schon, wo meine drei Lieblings CD s standen.
Er konnte kaum Deutsch, hatte aber ein erstaunlich gutes Gedächtnis und wusste auch welche Texte ich ihm vor zwei Tagen ein bisschen übersetzt habe. „Objekt der Begierde“ von Rosenstolz. Und Lied Nummer 7, „Der kleine Tod“.
In gewisser Weise waren die beiden unheimlich, in ihrer Art, die Seiten eines Menschen zu finden, die am lautesten ansprachen.
Und sehr unterschiedlich waren die beiden. Viktor, der sehr feminine Mann, Wolodja kräftig, fast ein bisschen zu gedrungen, aber eben nur fast.
Viktor manchmal erschreckend tuntig, Wolodja ein bisschen wie ein Offizier der Sowjetarmee.
Und ich mitten drin, ein immer noch etwas verklemmter und zu der Zeit fast unerfahrener Mann.
„Die Deutschen sind dumm“, fing Viktor plötzlich an, „aber ich liebe Deutschland!“
Er schaute mich an, lachte und Wolodja goss die Gläser voll.
„Warum wollt, müsst ihr immer alles verstehen? Warum lebt ihr nicht?“, fragte Viktor und zog sein Shirt aus.
Wolodja massierte mir dabei den Rücken. Ich kann mich nicht fallen lassen, war der letzte Versuch meines Widerstandes. Vor mir machte Viktor einen Strip der Extraklasse und Wolodja, ja dessen Hände waren nun nicht mehr auf meinen Schultern.
Die folgende Nacht war mehr als nur ein Erlebnis. Oh nein, ich hatte ja keine Ahnung, dass es immer wieder eine Art der Steigerung gibt und habe nie so gefühlt bis dahin. Ich hatte gar keine Ahnung, wie viele Stellen es am Körper gibt, die einen erregen.
Und was mir auch neu war, ich wusste auch nicht, wie geil Schmerz sein kann.
Dass ich mal in der Mitte von zwei Männern aufwache, die ich auch anfassen darf, hatte ich bis dahin nicht gehofft. Der Morgen, der berühmte Morgen danach war toll.
Er sollte einiges in mir verändern und ich hätte ja auch nie gedacht, dass ich Wolodja bitten würde, ob er mich nicht noch mal nehmen möchte.
Ja, das war eine geile Jahreswende und für mich der erste wirkliche Schritt zum Mann werden.
Die beiden habe ich dann gegen 16:00 Uhr zum Bahnhof gebracht und noch drei Jahre hatten wir Kontakt.
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