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Teil 1

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

*Jodel*...*Jodel*...*Jodel*

Ich merkte, wie mir langsam aber sicher der Schweiß die Stirn runterlief.

*Jodel*...*Jodel*...*Jodel*

'Verdammt noch mal, spring endlich an!', flehte ich in Gedanken das Stück Blech und Aluminium an, in dem ich mich gerade befand und verzweifelt versuchte, den Motor zum Leben zu erwecken. Nach einer scheinbar endlosen Zeit sprang dann der Wagen auch an und der Motor heulte gequält auf.

»Langsam....Laaaaaaangsam.«, hörte ich eine Stimme neben mir sagen und in dieser Stimme schwang ein Hauch von Belustigung mit. Ehrlich gesagt konnte ich das überhaupt nicht verstehen, denn unser altersschwacher Escort beschwerte sich lautstark darüber, dass ich zwar Gas wie ein Großer gab, aber noch keinen Gang eingelegt hatte.

»Tom, also noch mal.«, sagte mein Dad mit seiner Seelenruhe. »Du musst zuerst die Kupplung treten, dann einen Gang einlegen und dann gaaaaanz langsam die Kupplung kommen lassen. Klar?«

»Okay, Dad.« Mittlerweile war ich etwas genervt, weil wir schon seit etwa einer halben Stunde auf diesem einsamen Feldweg übten und ich es immer noch nicht so recht hinbekam. Eigentlich bekam ich es überhaupt nicht hin, um genau zu sein.

Ich trat also wie befohlen die Kupplung, legte den ersten Gang ein, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und lies meinen Kupplungsfuß vom Pedal los, aber natürlich wieder viel zu schnell. Es kam, was kommen musste und unsere Familienkutsche machte einen kleinen Satz nach vorne und ging dann aus. Das war anscheinend das Signal für Dad, die Fahrstunde zu beenden, denn zuerst kicherte er, dann ging das Kichern in ein Glucksen über und dann strubbelte mir durch die Haare.

»Hey, Kleiner, nicht so wild. Du hast noch viel Zeit das zu lernen und irgendwann bekommst du es auch noch hin. Zumindest bis zu deiner Rente.« Er lachte herzhaft, während er dies sagte, aber ich war jedoch nicht so gut gelaunt, denn es machte mich ganz fuchsig, wenn ich was nicht hinbekam. Dementsprechend gefrustet bemerkte ich, wie er die Tür öffnete und zur Fahrerseite rüberging. »Komm, wir machen Schluss für heute. Deine Mutter wartet eh schon mit dem Essen auf uns und du weißt, dass sie nichts mehr hasst als kaltes Mittagessen.«

»Ja.«, seufzte ich ein wenig resigniert und rutschte rüber auf den Beifahrersitz. Wir schnallten uns beide wieder an und anschließend fuhr Dad los. Wieso geht das bei ihm so einfach?' fragte ich mich in Gedanken und auch unser Escort schien die Fahrerablösung bemerkt zu haben, denn anstatt wie bei mir mit einem lauten Heulen konnte man von ihm nur ein leises Schnurren hören, während er seine Arbeit verrichtete. »Verräter.«, murmelte ich leise und grinste säuerlich-verärgert in mich hinein.

Zuhause angekommen kam uns im Flur schon ein angenehmer Bratengeruch entgegen. Mum hatte wieder eines ihrer herrlichen Sonntagsbraten-Rezepte, die ihr ja angeblich nie gelingen, ausprobiert und es roch herrlich.

»Ah, da seid ihr ja.«, begrüßte sie uns, während sie die Klöße auf eine große Platte schob und die Sauce abschöpfte. »Und, noch alles am Auto dran?«, fragte sie eher beiläufig, doch die Besorgnis in ihrer Stimme um unsere Familienkutsche war nicht zu überhören.

Dad lächelte breit. »Na klar, ich pass' ja schon auf ihn auf. Aber wenn unser Junior so weitermacht, wird er nur etwa 400 Fahrstunden brauchen, bis das mal mit dem Lappen klappt.«

Ich lächelte schmerzhaft wegen dieser Vorstellung, aber Dad steigerte sich immer weiter rein.

»Naja, notfalls können wir ja unser Haus verkaufen, aber dann können wir auch ganz stolz sagen: unser Sohn hat es zu was gebracht, er hat den Führerschein.«

Er klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel und auch Mom konnte sich ein kichern nicht verkneifen.

»Peter, sei nicht so hart mit ihm. Schließlich ist er erst 17 und hat noch ein Jahr Zei.t«

»Marie, üben hat noch nie geschadet und je früher, desto besser.«

»Gnagnagna.«, kam es nur aus meiner Ecke und damit hatte ich für einen erneuten Lachanfall bei meinen Erziehungsberechtigten gesorgt.

»Ich bekomm' das schon hin.«, sagte ich ein wenig deprimiert und eher zu meiner eigenen Beruhigung gedacht als für meine Eltern bestimmt. »Aber es ist auch verdammt schwer, so viele Dinge gleichzeitig zu machen und auf alles aufzupassen.«

»Kleiner, keiner hat gesagt, dass es leicht ist, aber ich bin sicher, dass du es auch hinbekommst. Bist ja nicht dämlich.«, sagte mein Vater und meine Mutter fügte nur trocken an: »Zumindest nicht von mütterlicher Seite.« Nach einem erneuten Lachanfall konnte ich nun auch nicht mehr anders und musste einfach mit lachen. Damit war das Thema Führerschein und Tom erst mal abgeschlossen und wir konnten uns dem Mittagessen widmen.

Was nun folgte war das absolut übliche Sonntag-Mittagessen-Prozedere. Meine Mutter fand, dass das Essen gar nicht schmeckt und ihr der Braten und die Klöße total misslungen seien, Dad widersprach ihr natürlich aufs Heftigste (so, wie sie es natürlich erwartete) und ich verputzte ganz genüsslich eine Scheibe nach der anderen.

Als Mom dann begann, den Tisch abzudecken, bemerkte ich, wie mein Dad langsam unruhig wurde und auch ich bemerkte, dass etwas nicht stimmte. »Wie, keinen Nachtisch?«, fragte ich ganz entgeistert und ein kontrollierender Blick zu Dad verriet mir, dass er auch noch mit einer kleinen Süßspeise zur Abrundung des Mahls gerechnet hatte. Aber Mom grinste nur und nachdem wir gemeinsam den Tisch komplett abgedeckt und das Geschirr in den Geschirrspüler geräumt hatten, überraschte sie uns noch mit einem schönen Erdbeerquark als krönenden Abschluss.

Zufrieden mit uns und der Welt erledigten wir uns auch noch dieser Bürde und lehnten uns zufrieden und gesättigt zurück.

»Sag mal, Tom, hast du heute noch was Besonderes vor?« brach Mom die eingetretene Stille.

Und ob ich noch was vor hatte! So genau wollte ich es ihr aber nicht auf die Nase binden. Ich überlegte kurz und antwortete dann: »Hm, ja klar. Simon wollte nachher zum Lernen vorbeikommen. Wir schreiben doch nächste Woche Mathe und er wollte zusammen mit mir üben.«

»Ah ja.«, antwortete sie nur und fuhr dann fort. »Simon ist wirklich ein sehr netter Junge.«

Als ob mir das nicht aufgefallen wäre *g*.

»Immer so höflich und zuvorkommend...da merkt man doch, was eine gute Erziehung ausmacht.«

»Jap, aber über mich könnt ihr euch doch auch nicht beschweren, oder?«, fragte ich zurück und sofort hoben beide entschuldigend die Hände. »Natürlich niemals.«, sagte Dad im Brustton der Überzeugung, wurde aber sofort danach von einem heftigen Lachanfall erschüttert. Hatte ich schon erwähnt, dass meine Eltern eine recht eigene Vorstellung von Humor haben?

»Ach so, Tom. Lasst euch dann nicht stören. Dein Vater und ich gehen nachher noch Tante Lisbeth besuchen, oder wolltest du lieber mitkommen?«

»Gott bew...«, wollte ich grade antworten, verschluckte aber sicherheitshalber den Rest.
»Nein, zu schade, dass ich mich schon verabredet habe und nicht mitkommen kann. Ihr wisst, wie sehr ich die Sonntag-nachmittäglichen Teestunden mit Tante Lissi schätze, aber ich fürchte, schulische Verpflichtungen gehen vor. Wärt ihr so nett, mich bei ihr zu entschuldigen?«, fragte ich ausgesprochen gestelzt und hatte Mühe, meinen ernsthaftesten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Aber meine Eltern wussten eh, dass ich da ohnehin nur sehr ungern hingehe (»Ei, was ist denn unser Bub schon so groß geworden?« Nein Danke!) und daher hielt sich ihre Enttäuschung über meine Absage in Grenzen.

Da fiel mir plötzlich noch was Wichtiges ein. »Sagt mal, wie lange bleibt ihr denn?«

»Och, ich schätze, wir sind so gegen sechs wieder zuhause.«, antwortete Mom und ich hätte sie dafür umarmen können. 'Super, mindestens drei Stunden sturmfreie Bude' ging es mir durch den Kopf und ein wohliges Gefühl machte sich breit.

»Okay, ich geh dann schon mal nach oben und fange mit den Hausaufgaben an.« »Gut, Tom.«

Mit diesen Worten verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg nach oben. Bis Simon kommen wollte, hatte ich noch ein wenig Zeit und die nutzte ich, noch mal kurz unter die Dusche zu springen und meinen Angstschweiß von der Fahrstunde am Vormittag abzuwaschen.

Ich war gerade wieder dabei, mich anzuziehen, als ich ein Klingeln an der Haustüre hörte. Sekunden später wurde die Tür auch geöffnet und die Stimme meiner Mutter war zu hören. »Ja, Tom ist oben. Geh' ruhig schon hoch.«

Preisfrage: was machen Mütter noch in dieser Situation?
Richtig, sie stellen sich in den Flur und rufen ganz laut: »Schatz, dein Besuch ist da!«

Muss ich noch erwähnen, dass ich am liebsten im Erdboden versunken wäre?

Aber bevor ich dazu kam, hörte ich auch schon, wie Simon die Treppe hochstürmte und leicht schnaufend vor meiner Tür stand. Leise klopfte er an und noch bevor er dazu kam sie zu öffnen, hatte ich sie schon aufgemacht und schaute in sein grinsendes Gesicht.

»Na, S c h a t z, alles klar?«, säuselte er im selben Tonfall wie meine Mutter und musste schon anfangen, loszuprusten. Sein Lachen war derart ansteckend, dass ich unwillkürlich auch anfangen musste. Nachdem er sich wieder ein wenig beruhigt hatte, betrat er vollends mein Zimmer und blieb neben dem Schreibtisch stehen.

Ich wollte gerade anfangen und ihm was sagen, als meine Mutter erneut mir was zurief.

»Schatz...«, wieder ein breites Grinsen von Simon, »wir fahren jetzt zu Tante Lisbeth. Mach's gut und lernt schön!«
»Ist ok.«, rief ich runter, »und viel Spaß.« Schon hörte ich, wie die Haustür ins Schloss schlug. Endlich allein!

Auf das Zeichen schien Simon nur gewartet zu haben, denn er löste sich vom Schreibtisch und ging auf mich zu.

»Also, S c h a t z,«, er setzte sein breitestes Grinsen auf, »dann haben wir ja jetzt das Haus für uns, ja?« »Ja, antwortete ich und konnte ein Lächeln nicht verkneifen.«

»Sag mal, wie war eigentlich deine Fahrstunde mit deinem Dad?« Ich verzog das Gesicht, als ich wieder daran erinnert wurde. »Ach, frag nicht. Ich weiß nicht, ob ich das jemals hinbekommen werde. An einer Tour hab ich das Auto abgewürgt. Es war 'ne Katastrophe und Dad hat sich kaputtgelacht.« Simon lächelte nur und sagte dann: »Weist du eigentlich, dass du richtig süß aussiehst, wenn du dich ärgerst?«

Aber anstatt eine Antwort abzuwarten, kam er ganz nah an mich ran und strubbelte mir durch meine kurzen, schwarzen Haare, während er seinen Kopf schief legte und mich mit seinen phantastischen blauen Augen anschaute. Er musste auch kurz vorher geduscht haben, denn er roch noch nach diesem tollen Duschgel, dass ich so mochte. Shit, ist der Kerl süß' ging es mir durch den Kopf und ich konnte nicht mehr anders und musste ihn einfach einen Kuss auf seinen herrlichen Mund drücken.

Mooooooooment, werdet ihr jetzt natürlich völlig zu recht fragen. Ist der Kerl denn völlig durchgedreht und küsst einfach so seinen Klassenkameraden? Hat der sie noch alle?

Ja, er hat!

Tja, denn was ihr bisher nicht wisst ist, dass Simon mein Freund ist.

Richtig, mein F R E U N D!!

Wir kannten uns nun schon, seitdem er zu Beginn der elften Klasse auf mein Gymnasium gewechselt war. Das war vor einem Jahr gewesen. Wie wir uns später erzählt hatten, hat es bei uns beiden sofort Klick gemacht, nur keiner traute sich, auf den anderen zuzugehen und sich und dem anderen einzugestehen, dass er schwul war.

Und vor etwa drei Monaten hab ich es dann nicht mehr ausgehalten und ihn einfach angesprochen und meine Gefühle für ihn offenbart. Es war natürlich ein riesengroßes Risiko, aber ich musste es einfach eingehen. Ich hatte nächtelang vorher nicht geschlafen und mich immer vor der Entscheidung gedrückt, aber irgendwann war es nicht mehr zu vermeiden, sonst wäre ich wahnsinnig geworden. Aber anstatt mich abzuweisen, womit ich gerechnet hatte, nahm er mich einfach in die Arme und küsste mich. Seitdem sind wir ein Paar und versuchen, jede freie Minute zusammen zu verbringen.

Das Problem ist nur, dass wir beide völlig ungeoutet sind. Ich schätze, dass meine Eltern eigentlich ganz cool reagieren würden, aber das Risiko sind seine Eltern. Simon kommt aus einem extrem konservativen Elternhaus und er ist sich sicher, dass seine Eltern für seine sexuelle Neigung keinerlei Verständnis haben würden. Da wir keinen Skandal heraufbeschwören wollten, beschlossen wir, zunächst noch niemanden etwas zu sagen. Auch aus unserer Klasse wusste noch niemand Bescheid, was mich ehrlich gesagt schon ein bisschen verwunderte, da eigentlich jeder, der nicht halbwegs blind war, unsere Verliebtheit bemerken musste. Aber es war uns so ganz recht. Natürlich gab es schon die eine oder andere brenzlige Situation, aber wie durch ein Wunder hatte keiner was bemerkt. War das ein Zeichen von oben?

Simon schloss die Augen und ich merkte, wie er sich völlig gehenließ. Unsere Zungen vollführten einen regen Kommunikationsaustausch und ich fühlte, wie sich gewisse Regionen meines Körpers ebenfalls mit mir freuten.

Als ich mich nach endloser Zeit wieder von ihm lösen konnte, schaute ich in sein hübsches Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen und genoss noch sichtlich den Kuss.

'Womit hab' ich nur einen solch tollen Jungen verdient?', ging es mir wieder durch den Kopf. `

Ich war total verschossen in ihn und wollte es ihm auch zeigen. Wir küssten uns wieder und diesmal fand meine Hand den Weg unter sein T-Shirt und ich erforschte seine glatte Brust damit. Mittlerweile war er aber auch nicht untätig und schob nun ebenfalls seine Hände unter mein Shirt und auch diese gingen auf Erkundungsreise. Wir streichelten uns so eine ganze Weile und ich merkte, wie auch ihn diese Situation immer mehr erregte.

Mit großen Augen schaute er mich an und mir war klar, was er mit diesen Blicken meinte. Er zog mich langsam in Richtung meines großen Bettes, welches an der Fensterseite stand, aber mir fiel noch was wichtiges ein und so löste ich mich widerwillig aus seiner Umarmung, aber nicht, ohne ihm vorher noch einen Kuss auf die Stirn zu hauchen.

Das überraschte ihn anscheinend, denn verunsichert blickte er mich wieder an und sein Gesicht bildete ein einziges Fragezeichen. Er öffnete schon den Mund und wollte etwas sagen, aber ich legte nur meinen Zeigefinger auf seinen Mund und sagte: »Gleich. Ich will nur sichergehen.« So löste ich mich von ihm, ging zur Tür und schloss diese mit einem Umdrehen des Schlüssels ab.

»Sicher ist sicher.«, sagte ich nur und strahlte ihn an. Er lächelte zurück und schon lagen wir uns wieder in den Armen, wobei ich ihn aber zielstrebig Richtung Bett dirigierte.

Wir fielen einfach auf die Matratze und meine Hände fingen wieder an, Simons Körper zu erforschen. Er streckte die Arme nach oben, so dass ich ihm mit Leichtigkeit sein Shirt ausziehen konnte und schon lag er mit nacktem Oberkörper vor mir. »Jetzt du.«, sagte er nur und seine Augen strahlten. Er zog mir das Shirt aus und wir ließen uns wieder auf die Matratze fallen. Unsere Hände begannen wieder ihr Spiel und wir streichelten uns gegenseitig. Dabei blieb es nach einiger Zeit nicht mehr beim Oberkörper, so dass wir uns auch noch der Hosen entledigten und nur noch mit Shorts bekleidet nebeneinander auf dem Bett lagen.

Unsere Erkundungstour ging aber immer weiter. Meine Hände massierten seinen Oberkörper, streichelten über den Bauch, der zwar kein Waschbrettbauch war, aber da Simon recht schlank war, fühlte man leicht die Muskeln und konnte die Kraft erahnen, die in ihnen steckte.

Ich fing ihn wieder an zu küssen, während meine Hände seine Brust weiter streichelten. Zuerst nur auf den Mund, aber dann ging mein Kopf immer tiefer und ich küsste auch seinen Hals, seine Brust. Er lehnte sich zurück und hatte die Augen geschlossen. Sichtlich genoss er das Zusammenspiel meiner Küsse mit meinen Streicheleinheiten und es war nur ein wohliges Seufzen aus seinem Mund zu hören.

Ich unterbrach kurz mein Küssen und schwang mich über ihn, wobei ich mich mit den Händen neben seinem Körper abstützte. So konnte ich ihm direkt ins Gesicht schauen. In sein verdammt hübsches Gesicht wohlgemerkt. Er wirkt ein wenig jungenhaft und wenn man es nicht wüsste, würde man ihn locker ein, zwei Jahre jünger als 17 schätzen.

Ich musste ihn einfach wieder küssen und schon verschwand meine Zunge in seinem Mund spielte dort mit seiner. Wir küssten uns leidenschaftlich und irgendwann merkte ich, dass es für heute noch nicht alles gewesen sein sollte, dass ich einfach mehr wollte und mich meinem Verlangen nach ihm hingeben und ihn besitzen wollte.

Ich hörte mit dem Küssen auf, schlug meine Augen auf und blickte ihn fragend an. Er erwiderte den Blick und in seinen Augen lag das Funkeln, welches ich so sehr mochte, das Verlangen war förmlich zu spüren. Ich schaute ihn kurz an und dann brachte ich nur ein Wort heraus: »Mehr?«

»Mehr!«
lautete seine einfache Antwort, die mich jedoch total glücklich machte. Was nun folgte, war einfach phantastisch. Ich genoss eh schon jede Sekunde, die ich mit ihm verbrachte und diese Minuten ganz besonders.

Erschöpft lagen wir später nebeneinander im Bett, nackt, wie Gott uns erschaffen hatte und schauten uns gegenseitig ins Gesicht. Ich konnte mich einfach nicht an ihm satt sehen. Dass er schlank ist, habe ich ja schon erwähnt, und mit seinen 1,72m ist er auch nur 4cm größer als ich. Er hatte sein goldblondes Haar schon seit einiger Zeit mittellang geschnitten und in seinen blauen Augen konnte man einfach versinken. Scheiße, sieht der Kerl gut aus. Und dieser Kerl war mein Kerl und das machte mich unheimlich stolz. Davon hätte ich vor einem halben Jahr nicht zu träumen gewagt, aber jetzt war es Realität und eine verdammt gute noch dazu.

Langsam fuhr meine Hand über seine glatte Brust. Ich war total glücklich, aber auch nachdenklich als ich sagte » Danke, Simon.« Er blickte auf und schaute mich überrascht an.

»Wofür?«

»Na, dass du mein Freund bist. Ich liebe dich!« Ich hauchte diese Worte mehr, als ich sie sagte, dennoch verstand er sie. Er streichelte durch mein Haar. »Hey, ich dich doch auch, Kleiner.«
Ich wünschte mir, dass dieser Moment nie vorbeigehen würde und ewig hielt.

Doch natürlich hielt er nicht ewig und dessen waren wir uns sehr wohl auch bewusst. Da wir damit rechnen mussten, dass meine Eltern bald kommen würden, beschlossen wir, unser Liebesnest zu verlassen und eine gemeinsame Dusche zu nehmen, schließlich waren wir beide total verschwitzt (*verschämtes grinsen*).

In der Dusche küssten wir uns aber auch mehr, als das wir duschten und es war toll, Simon zu spüren und gleichzeitig das Wasser an sich runter prasseln zu lassen. Wenn es wirklich einen Himmel geben sollte, dann soll er bitte so aussehen! Aber auch dieses Vergnügen war schnell vorbei und wir zogen uns wieder an.

Anschließend fingen wir dann tatsächlich noch an zu lernen und lösten einige Mathe-Aufgaben. Dabei muss man sagen, dass Simon in Mathe und den ganzen naturwissenschaftlichen Fächern sehr gut ist, während meine Schwerpunkte eher in den sprachlichen Fächern liegen. So macht es mir unheimlich viel Spaß, eine Interpretation oder Textanalyse in Deutsch zu schreiben oder einen Text auf Englisch oder Französisch zu übersetzen. Das war wiederum nicht verwunderlich, denn ich bin quasi dreisprachig aufgewachsen. Meine Mutter ist zwar Deutsche, hat aber auch einen französischen Pass weil ihr Vater Franzose war. Dementsprechend hat sie als Kind sehr viel mitbekommen und das mir nun weitergegeben, wofür ich ihr heute mehr als dankbar bin, denn es erleichtert einem die Sache in der Schule ungemein. Mein Vater ist Engländer und da er als Übersetzer arbeitet, hat er viel Wert darauf gelernt, dass ich auch Englisch fließend sprechen kann.

Dadurch, dass Simon und ich andere Interessen und Kenntnisse haben, ergänzen wir uns auch so gut. Jeder kann von dem anderen lernen (und das in jeder Hinsicht *breites grinsen*).

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es auch schon wieder sechs und meine Eltern mussten jeden Moment kommen. Ein paar Minuten später hörten wir auch ein Auto auf den Hof fahren und wenig später öffnete sich die Haustür und meine Eltern kamen laut miteinander sprechend ins Haus.

»Hallo Schatz... «
ein kurzer Blick zu Simon verriet mir, dass er sich schon wieder wegwarf...

»...wir sind wieder da.«

»Hi!«, rief ich runter, aber meine Mutter war schon auf dem Weg nach oben, klopfte brav an und als ich »Ja« sagte, öffnete sie die Tür.

»Oh... hallo Simon, ihr seid ja noch fleißig am Lernen.«

»Schon seit drei Stunden.«, antwortete Simon mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.

»Dann habt ihr bestimmt Hunger. Ich mach jetzt Abendbrot und Simon, du isst doch bestimmt mit, oder?«.

Simon überlegte einen Moment und antwortete dann: »Sehr gerne. Ich hab durch das viele Lernen... (kleine Kunstpause)... einen mordsmäßigen Hunger und bei uns gibt's Sonntag-Abend eh nix mehr.« Bei dem Wort »Lernen« bekamen Simons Augen einen ganz besonderen Glanz, der aber glaube ich nur mir auffiel.

»Na fein, kommt also gleich runter, ja?« »Ok.«, antwortete ich und schon war Mom wieder verschwunden.

Das anschließende gemeinsame Abendessen war traumhaft schön. Simon unterhielt sich nett mit meinen Eltern und ich musste aufpassen, ihn nicht die ganze Zeit lang anzustarren, was mir ziemlich schwerfiel. Hatte ich schon erwähnt, dass er total süße Grübchen hat, wenn er lächelt? Ach, ich war jedenfalls hin und weg und war ziemlich dankbar, an dem Abend nicht mehr viel sagen zu müssen.

Irgendwann später verabschiedete sich dann Simon und ich merkte, wie mir die Müdigkeit in die Knochen fuhr. Es war schon recht spät, so dass ich mich schnell von meinen Eltern verabschiedete, mich bettfertig machte und schließlich erschöpft aber total glücklich einschlief.

Die nächsten Tage verliefen wie im Traum. Simon und ich nutzen unter dem Vorwand der Mathe-Klausur jede freie Minute, die wir zusammen verbringen konnten. Nein, nicht das, was ihr wieder denkt.

Pfui!

Naja, jedenfalls nicht nur *g*.

Wir lernten tatsächlich auch für die Klausur und langsam aber sicher hatte ich wirklich den Eindruck, dass ich den Stoff nun kapierte. Warum konnte unser dämlicher Lehrer nicht so gut wie Simon (und vor allem so lieb wie er) den Stoff erklären? Dementsprechend gut gelaunt ging ich dann auch in die Klausur und Juliane, die neben uns saß, warf mir einen fragenden Blick zu, als ich mit einem leisen Pfeifen und gutgelaunt meine Schreibutensilien auspackte, während die anderen mehr oder weniger wie aufgeregte Hühner im Klassenzimmer rumturnten und versuchten, ihre Nervosität zu überspielen.

Nur Simon war genauso gut gelaunt wie ich und ihm machte die Klausur erst recht nix aus, da er wusste, dass er es konnte. Während die letzten noch versuchten, sich einige Sachen von Michael, dem Klassenstreber schlechthin erklären zu lassen, nutzte ich die Zeit, mich im Klassenraum umzusehen. Es war das übliche Chaos und man spürte die Aufregung und Anspannung meiner Mitschüler. Es war aber auch nur allzu verständlich. Die Zwölf war zwar grade am Laufen, aber es war nicht mehr weit weg bis zu den Zwischenzeugnissen und jetzt zählte jeder Punkt auch für das Abi. Und grade hier im Mathe-Kurs waren die Anforderungen recht hoch. Dafür war unser Pauker, Dr. Schwarz, berühmt und berüchtigt, doch wir konnten es uns ja nicht aussuchen und mussten es so hinnehmen.

Während ich so meinen Gedanken nachhing, wurde es plötzlich Mucksmäuschen still und es war fast so, als würden alle Reise nach Jerusalem spielen, denn jeder suchte auf einmal fluchtartig seinen Stuhl und setzte sich hin. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie Dr. Schwarz in den Raum kam, aber jetzt war er nicht mehr zu übersehen. Er war keine imposante Erscheinung, absolut nicht. Nur etwa 1,70 groß, schüttere Haare und eine Nickelbrille, aber dafür gefährlich blitzende Augen und einen messerscharfen Verstand, der jeden spüren lassen konnte, dass er sich hier unterfordert fühlte und nur diesen Job machte, weil er keine andere Wahl hatte. Oh ja, ich war überzeugt, dass auch die anderen Pauker ein wenig Angst vor ihm hatten, denn schon oft genug hatte ich gesehen, wie sie ihm aus dem Weg gingen, was ihm aber anscheinend nur allzu recht war. Er war der typische Einzelgänger und soweit ich weiß, war er nicht verheiratet, was seine Gereiztheit vielleicht manchmal erklärt hät-te.

»Guten Tag, meine Damen und Herren.«...gelangweilt blickte er in die Klasse. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich angefangen zu lachen, denn irgendwie waren wir wie Kaninchen und Dr. Schwarz war die böse Schlange. Jeder versuchte so gut es ging, seinem stechenden Blick auszuweichen und ich war sicher, dass die Meisten insgeheim noch mal das sichere Versteck ihrer Spickzettel überprüften.

»Sie wissen ja alle, dass wir heute die vereinbarte Klausur schreiben und da sich ihre Note in diesem Halbjahr hautsächlich aus den Arbeiten zusammensetzt, würde ich jedem empfehlen, sich heute mal ausnahmsweise etwas anzustrengen. Ich habe die Arbeit unter Berücksichtigung ihrer... (er machte eine kurze Pause, um nach den richtigem Wort zu suchen)... eingeschränkten mathematischen Fähigkeiten relativ einfach gestaltet, so dass eigentlich alle in der Lage sein müssten, die Klausur zu lösen.« Er blickte sich noch mal in der Klasse um. »Na ja...fast alle. Herr Merkle, wären Sie bitte so freundlich, die Arbeit auszuteilen?«

Als ich dann die zwei Blätter mit den Aufgabenstellungen bekam, schaute ich schnell drüber und musste schlucken. Das also verstand Herr Schwarz unter einer einfachen Arbeit. Hm... sah aber auf den zweiten Blick gar nicht so übel aus und ich dankte dem großen Manitu, dass ich viel mit Sim geübt hatte. Nachdem ich die erste Aufgabe gerechnet hatte, wusste ich plötzlich, dass es locker laufen würde und konnte nicht anders und musste kurz zu Simon rüber blicken. Er merkte es anscheinend, denn er schaute von seinen Blättern hoch und grinste mich nur kurz an. Dann machten wir uns beide wieder an die Arbeit.

Simon war natürlich der erste, der abgab und damit bewundernde und neidische Blicke meiner gequälten Mitschüler erntete, die offensichtlich nicht so gut vorbereitet waren. Nur zwanzig Minuten später war ich auch fertig. Zufrieden mit mir und der Welt packte ich meine Sachen wieder ein, ging mit meinem geschulterten Rucksack zum Lehrertisch und legte meine bearbeiteten Blätter darauf, holte mir das fragende Gesicht von Bläcki ab und mit einem tiefbefriedigten Grinsen auf dem Gesicht und einem kleinen Summen auf den Lippen verlies ich das Klassenzimmer.

Gerade als ich die Tür wieder schloss, merkte ich, wie sich ein Schatten neben mir bewegte. Ich wollte mich umdrehen, als ich sanft an der Schulter herumgezogen und gegen die Wand gedrückt wurde. Ich entspannte mich sofort, als ich Simon erkannte. Er schaute kurz nach rechts und links, bemerkte, dass niemand auf dem Gang war, und dann spürte ich schon seine Lippen auf meinem Mund. Fordernd umspielte seine Zunge meine, aber bevor ich es richtig genießen konnte, war es auch schon wieder vorbei. Simon grinste mich mit einem Honigkuchenpferdgrinsen an und seine Augen sprachen Bände. »Und, war doch easy, gell?«, fragte er mich und ich konnte nur Nicken. »Ja, das Lernen hat echt was gebracht.« »Allerdings!«, sagte er nur und lächelte verschmitzt.

Kapitel II

In den nächsten Tagen geschah recht wenig aufregendes. Ach ja, interessant war die Rückgabe der Mathe-Arbeit durch Dr. Schwarz etwa eine Woche, nachdem wir die Arbeit geschrieben hatten. Er kam schon miesgelaunt die Tür rein und ich hatte schon gleich so ein komisches Gefühl. Betont langsam legte er den dicken Stapel, den er unter dem rechten Arm trug, auf das Lehrerpult und schaute prüfend in die Runde.

Jeder im Raum wusste, dass das nichts Gutes bedeutete. Okay, er hatte also die Arbeit nachgeschaut und da er sie nicht sofort zurückgab, bedeutete dies Ärger. Großen Ärger! Megamäßigen Ärger!!
Mr. Spock mit seinen Vulkanier-Ohren hätte jetzt mühelos ein kollektives Schlucken vernehmen können, aber so blieb es ungehört und ich merkte, wie sich bei allen eine unheimliche Spannung aufbaute.

Endlich beschloss Bläcki, die Stille zu durchbrechen. »Also schön, meine Herrschaften. Ich dachte eigentlich, ich hätte den Stoff verständlich rübergebracht, und zwar für j e d e n verständlich.« Er schaute auffällig in die Richtung von Marcus. »Aber anscheinend habe ich mich getäuscht.« Seine Augen funkelten. »Ich gebe Ihnen jetzt ihre Meisterwerke zurück und anschließend besprechen wir den Wiederholungstermin.«

Oh Oh!

Nicht gut, gar nicht gut.

Er nahm sich den Stapel und ging nun von Tisch zu Tisch, wobei er die Arbeiten meinen Klassenkameraden jeweils mit einer höhnischen Bemerkung auf den Tisch pfefferte. Nach der vierten fünf hatte ich aufgehört zu zählen und zweifelte nun wieder an mir selbst. Okay, ich hatte eigentlich ein wirklich gutes Gefühl nach der Arbeit gehabt, aber das kann ja bekanntlich auch ganz gewaltig täuschen. Wenn jetzt schon Jacob gerade mal ne vier minus knallte, was soll ich dann erst haben? Er war übrigens der erste, der keine fünf oder sechs hatte.

Mittlerweile war Dottore bei Simon angekommen und sein Gesicht hellte sich ein ganz klein wenig auf. »Ah... hier haben wir ja den König unter den Blinden. Gute Arbeit, Simon aber ich habe auch nichts anderes erwartet.« Mit diesen Worten übergab er Simon seine Arbeit... 1 natürlich, dieser Streber *g*.

Mittlerweile hatten fast alle ihre Arbeit bekommen, nur ich stand noch aus. »So, und nun kommen wir zu d e r Entdeckung dieser Arbeit. Ich weiß zwar nicht, wie sie das gemacht haben, Tom, aber ihre Arbeit war einigermaßen brauchbar.« Er reichte mir meine Zettel und ich schaute sofort auf die Note. 48 von 50 Punkten stand da in seiner akribischen Handschrift und gleich daneben prangte die 1. Eine wirklich schöne 1, musste ich sagen.

»Nun, Herr Webber...«, fuhr Dr. Schwarz fort, nachdem sämtliche Arbeiten verteilt waren »..., hätten Sie Interesse, uns an ihrer neugewonnenen Leidenschaft für Mathematik teilhaben zu lassen?«, und mit einer einladenden Handbewegung deutete er auf die Tafel.

Shit!

Er wollte mir also auf den Zahn fühlen, weil er meine 1 nicht einordnen konnte. Sicher, ich war kein schlechter Schüler, aber das letzte Mal hatte ich eine 1 in Mathe in der neunten Klasse, also schon 'ne ganze Zeit her.

Mit einem mulmigen Gefühl trottete ich zur Tafel und bewaffnete mich mit dem Stück Kreide, dass auf der Ablage lag. Nervös blickte ich mich um und sah, dass Dr. Schwarz am anderen Ende des Zimmers sich gespielt gelangweilt gegen die Wand gelehnt hatte und mich fixierte. Etwa zwei Reihen vor ihm saß aber Simon und lächelte mich an und das gab mir ein wenig Mut.

Schon kam die erste Aufgabe von Schwarz und ich drehte mich zur Tafel um und schrieb das auf, was er mir diktierte. Und jetzt machte sich wieder bezahlt, dass ich tatsächlich mit Simon geübt hatte, denn die Aufgabe machte mir keine Probleme und ich löste sie. Zwar etwas stockend am Anfang, aber ich löste sie. Schwarz gab sich aber nicht geschlagen und diktierte die nächste und noch eine und noch eine. Aber ich konnte alle lösen und irgendwann sah auch mein Lehrer ein, dass es keinen Sinn mehr hatte und ich heute einfach zu gut drauf war.

»Okay, Herr Webber. Einigermaßen akzeptabel.«, sprach's und ging wieder nach vorne, während ich mich auf den Weg zu meinem Platz machte. Dabei kam ich natürlich an Simons Platz vorbei und er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Ich musste grinsen und gelöste setzte ich mich wieder auf meinen Platz.

Kurz nachdem ich mich gesetzt hatte, klingelte es auch schon zum Stundenende. »In zwei Wochen schreiben wir dann die Wiederholungsarbeit, meine Damen und Herren!«, brüllte Schwarz gegen den aufkeimenden Lärm von eingepackten Schulsachen an, aber die wenigsten hörten ihm überhaupt zu, da das die letzte Stunde war und jeder nur so schnell wie möglich nach Hause wollte.

Falls ihr jetzt denken solltet, dass alle meine Lehrer solche Ekel sind, kann ich euch nur widersprechen. Mit den meisten kann man sehr gut auskommen und mit solchen Exemplaren wie Herrn Schwarz muss man sich halt irgendwie arrangieren. Dennoch war die Schule wirklich nicht übel und es machte oft sogar richtig Spaß. An solchen Tagen wie heute natürlich weniger.

Irgendwann resignierte auch Schwarz und versuchte gar nicht mehr, gegen den Lärm anzukommen und gab mit einem resignierenden Schulterzucken auf. Er packte seine Sachen zusammen und verschwand ziemlich schnell. Der Klassenraum leerte sich zusehends und nur noch wenige Schüler waren da, als Jacob grinsend auf mich zukam.

»Hey, coole Sache, Tom. Den haste gut ausgeknockt.«

Naja, da war ich mir zwar nicht so sicher, aber so ein Zuspruch tat mir trotzdem gut. »Findest du?«, fragte ich zurück, während ich meine Sachen einpackte. »Ich hatte ziemliche Hänger und hab doch nur rumgestottert.«

»Ja… war echt cool... hätte ich nicht von dir gedacht.« Er klopfte mir noch mal auf die Schulter und verließ dann auch das Zimmer. Mittlerweile waren nur noch Simon und ich im Raum und Simon strahlte über das ganze Gesicht.

»Jacob hat Recht... du warst echt verdammt cool.«, sagte er, während er mich weiter angrinste. Während wir aus dem Zimmer rausgingen, sprach er weiter. »Du, sag mal, hast du heute schon was vor oder hast du Zeit für mich?«

Welch Frage!

Ich ließ mir aber bewusst Zeit für meine Antwort und setzte mein nachdenklichstes Gesicht auf und tat so, als ob ich angestrengt überlegen würde. »Hm... ne, heute geht leider nicht. Heute Mittag kommt ein guter Freund und um den muss ich mich kümmern«.

Abrupt blieb Simon stehen und schaute mich entgeistert an. Ich konnte meinen ernsthaften Ausdruck leider nicht länger beibehalten und prustete auf einmal los. Simon stand immer noch da wie bestellt und nicht abgeholt und kapierte langsam, dass es nur ein Joke war.

»Klar hab ich Zeit für dich und heute passt es wirklich gut, weil meine Eltern zusammen Einkaufen fahren. Mein Dad hat Urlaub und wurde dazu sofort für den gemeinsamen Einkauf gebucht.«

Verstohlen grinste ich ihn an. Mittlerweile hatte er sich auch wieder gefangen und grinste frech zu mir rüber.

»Na warte, dass bekommst du zurückgezahlt.« Jetzt wurde es aber wirklich Zeit für mich, denn sonst würde ich noch meinen Bus verpassen. » Also, bis nachher.«, rief ich ihm noch zu und winkte kurz zum Abschied, als ich mich trabend auf den Weg zur Haltestelle machte. Leider wohnte Simon in der entgegengesetzten Richtung, so dass wir nicht zusammen fahren konnten. Gut, aber man kann eben nicht alles haben, tröstete ich mich, als ich den Bus gerade noch so erreichte und schnaufend einstieg. Der Busfahrer hatte mich anstürmen gesehen und extra ein wenig gewartet und strafte mich deswegen mit einem vorwurfsvollen Blick. »Nächstes Mal aber ein bisschen flotter, junger Mann.«, brummte er durch seinen Schnauzbart und setzte den Bus in Bewegung, während ich mich schon auf die Rückbank fallen ließ und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

Kurze Zeit später war ich schon angekommen, stieg aus und lief die letzten Meter bis zu unserem Haus. Als ich ankam, sah ich gerade noch, wie meine Eltern in unser Auto einstiegen und im Begriff waren, wegzufahren. Mom sah mich noch, kurbelte kurz das Fenster ein wenig runter und rief mir zu: »Wir fahren dann, Tom. Brauchst du noch was Besonderes?« »Nein, danke, hab' alles.«, sagte ich und winkte kurz. »Okay, bis dann.« Langsam rollte der Wagen die Auffahrt hinunter und reihte sich dann in den Verkehr ein.

Ich schaute auf die Uhr, während ich die Tür aufschloss. Es war gerade fünf vor zwei. 'Klasse, dann habe ich ja noch genügend Zeit zum Essen und Duschen, bevor Simon kommt', ging es mir durch den Kopf. Ich brachte kurz meine Schulsachen in mein Zimmer und ging dann in die Küche zum Kühlschrank. Das vorbereitete Essen von Mom (Bratkartoffeln) schob ich kurz in die Mikrowelle und während der Teller sich unter der musikalischen Untermalung eines monotonen Brummens gelangweilt drehte, nutzte ich die Zeit, kurz das Radio einzuschalten und einen Blick in die Zeitung zu werfen. Im Radio lief gerade das neue Lied von Madhouse und da es mir gefiel, summte ich unbewusst ein wenig mit. Manch gehässige Stimme würde nun sagen, dass die Mikrowelle die Töne besser traf als ich, aber das störte mich nicht. Gedankenversunken merkte ich nicht mal, wie die Mikro mit einem Hellen »Kling« das Ende ihres Arbeitseinsatzes verkündete.

Nach einiger Zeit bemerkte ich und mein knurrender Magen aber doch, dass da was Elementares fehlen musste und holte den Teller aus der Mikro, machte es mir am Küchentisch bequem und begann zu Essen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich nun aber doch ein wenig ranhalten musste und ich machte mich auf dem Weg nach oben um zu duschen. Als ich fertig war, ging ich noch mal kurz im mein Zimmer, um es ein wenig aufzuräumen, denn es macht einfach keinen guten Eindruck auf den Lover, wenn alles unordentlich rumliegt.

Gesagt getan und zufrieden mit mir und der Welt blickte ich mich um und begutachtete meine Aufräumaktion. Also jetzt hatte er bestimmt keinen Grund mehr zu meckern, war ich mir sicher. Aber Simon meckerte eh nie, er ist einer der Menschen, die immer freundlich sind und ich hatte ihn auch noch nie über andere lästern hören, so wie es bei den Girls aus unserer Klasse normal ist.

Die Hände immer noch in die Hüften gestemmt, hörte ich die Klingel läuten. 'Showtime', sagte ich in Gedanken und grinste voller Vorfreude in mich rein. Kaum dass ich den Türöffner betätigt hatte, hörte ich schon Simon hochstürmen.

»Hi Kleiner. Alles Roger?«, fragte er mich und strubbelte kurz durch mein Haar. »Klaro, komm, lass uns in mein Zimmer gehen.«, erwiderte ich lächelnd. »Oha, hier hat aber einer aufgeräumt.«, staunte er, als er sich kurz umblickte. Ich musste mir ein Lachen verkneifen.

»Tja, wenn mein Schatz schon kommt, soll es ja auch schon nach was aussehen, oder hast du meinen normales Chaos lieber?«

»Solange es von dir ist, liebe ich alles.«, sagte er und grinste mich frech an. Ich konnte nicht anders, ging zu ihm hin und küsste ihn sanft auf seine himmlischen Lippen. Ich merkte, wie er seine Augen schloss und sich einfach hingab.

Bestimmt fünf Minuten standen wir einfach so da und küssten uns. War es ein Traum? Konnte es wirklich sein? Unsicher öffnete ich die Augen um sicherzugehen, dass ich nicht träumte, aber Simon stand immer noch da und küsste wie ein Weltmeister. Aber er merkte wohl, dass ich ein wenig abgelenkt war, denn plötzlich hörte er auf und schlug seine Augen auf. Ein hellblaues, fragendes Blitzen kam mir entgegen geschossen und er formulierte das, was ihm durch den Kopf ging. »Sag mal, stimmt was nicht? Bedrückt dich etwas?«

»Nein.«, antwortete ich unsicher. »Aber ich hab' mich nur gefragt, ob es wirklich wahr ist, oder ob ich träume.«

»Was wahr ist?«

Mit ganz leiser Stimme antwortete ich... »Das ich dich gefunden habe und du mich so akzeptierst wie ich bin und sogar liebst.« Ich drehte mich ein wenig von ihm ab. »Weißt du, früher... früher hätte ich niemals gedacht, dass es so jemanden wie dich für mich gibt. Ich dachte immer, dass es für mich nur ein Leben in Einsamkeit und Verleugnung gibt, denn wer kann schon einen wie mich mögen?«

Simon ging ein Schritt auf mich zu und ich konnte seine traurigen und doch so liebevollen Augen sehen, während er mir zärtlich über meine Wangen strich. »Hey, Babe... i c h liebe dich mehr als alles andere auf der Welt und jeder Tag ohne dich ist ein verlorener Tag. Lass uns niemals auseinandergehen, okay?«

Mittlerweile hatte ich mich wieder ein wenig gefangen und während ich überlegte, merkte ich, wie sich meine bedrückte Stimmung wieder ein wenig löste.

»Danke, Sim. Versprochen!«

»Na gut... nachdem das nun geklärt ist, könnten wir doch eigentlich weiterküssen, oder?« Ich musste lachen. »Na komm her, du Casanova.«

Eineinhalb Stunden später lagen wir uns einfach nur still gegenüber. Sim hatte die Augen geschlossen, aber wie er so friedlich dalag, lässt sich kaum beschreiben. Er sah so aus, als ob er mit sich und der Welt im reinen ist, dass ihn nichts erschüttern konnte, egal, welchen Streich ihm das Leben auch spielen wollte. Er strahlte so eine Selbstzufriedenheit, aber auch eine unglaubliche Selbstsicherheit aus und das machte mir Mut und erfüllte auch mich mit neuem Vertrauen in die Zukunft; in eine Zukunft, die ich bedingungslos mit ihm verbringen wollte. Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer drängte sich mir der Gedanke auf, dass ich rettungslos in ihn verliebt war, mit Haut und Haaren und allem, was so dazugehört.

Ich konnte einfach nicht anders und streichelte sanft mit meiner Hand über seine Wange, was er mit einem wohligen Brummen quittierte, wobei er aber immer noch die Augen geschlossen hielt. Nach einem Augenblick öffnete er seine Augen und sagte kurz aber trocken: »Shit!«

»Ähem.. .wie bitte?«, entfleuchte es mir und ich muss ihn wohl ein wenig entgeistert angesehen haben, denn er fing sofort an zu lachen.

»Ach nix... ich muss nur mal kurz aufs Klo und dabei würde ich doch viel lieber hier liegen bleiben.«, erwiderte er nur und auch ich musste nun anfangen zu Lachen.

»Okay, das genehmige ich noch mal.«, sagte ich und bevor er sich aus dem Bett wälzen konnte, küsste ich ihn noch mal.

»Das ist unfair.«, sagte er gespielt protestierend bevor er sich aus dem Bett schwang und sich auf dem Weg zum nebenanliegendem Badezimmer machte. Ich schaute ihm hinterher und konnte mich wie immer nicht satt sehen, während er wohl bemerkte, dass ich ihm hinterher schaute und gespielt tuntig mit den Hüften wackelte, kurz bevor er die Tür zum Badezimmer schloss. Ich ließ mich auf mein Bett zurückfallen und atmete tief durch. »Schöner Tag, heute.«, sagte ich mit leiser Stimme zu mir selbst und dann hörte ich auch schon die Wasserspülung und kurze Zeit später das Wassergeräusch des Waschbeckens.

Während er wieder ins Zimmer kam, schlug er sich mit der Hand kurz gegen die Stirn. »Scheiße, beinahe hätte ich vergessen dir zu sagen, dass ich dir ja noch was von Luke ausrichten sollte.«, sagte er mit einem Anflug von schlechtem Gewissen.

»Hm? Was denn?«, fragte ich neugierig zurück, während mein Schatz damit begann, seine Klamotten, die wild verstreut auf dem Fußboden lagen, zusammenzusuchen.

»Na ja... ich soll dich von Luke fragen, wie... verdammt, wo sind denn meine Socken?«

Ich fing lauthals an zu glucksen, weil Simon auf der Suche nach seinen Socken bäuchlings auf dem Boden lag und unter das Bett lugte.

»Haaaaaaa!« Mit einem infernalen Siegeslaut grabschte er unter das Bett und seine Socken erblickten wieder das Licht der Welt, während ich mich fragte, wie um alles in der Welt die unter mein Bett gekommen waren.

Triumphierend hielt er die Socken hoch, als er wieder auftauchte und vollführte auf einem Bein einen kleinen Siegestanz. Ich konnte nicht anders und warf mich vor Lachen weg. Nachdem ich mich aber wieder beruhigt hatte, fragte ich ihn, was er denn nun mir ausrichten wollte. »Ach so, ja...,«, kurzes Kratzen seinerseits... »ich soll dich von Luke fragen, wie weit du mit dem Bericht für den Informer bist.«

»Na ja, fast fertig. Ich muss noch ein paar Dinge im Netz recherchieren und das dann noch eintippen, aber ich schätze, zur nächsten Ausgabe ist alles fertig.«

Kurz zur Erklärung: der »Informer« ist unsere Schulzeitung und unser Chefredakteur, Luke, ist eine Stufe höher und hat mich einfach mal gefragt, ob ich Lust hätte, mitzuarbeiten, als er zufällig mal einen Aufsatz von mir gesehen hatte.

Ich hatte zuerst mit mir gerungen und nachgedacht, weil ich mich nicht gut genug fand, aber nach den ersten zwei, drei Probeartikel hat mir die Sache enorm viel Spaß gemacht und Luke, Mark und die anderen im Team waren recht angetan und haben mich auch gut aufgenommen. Mittlerweile sind wir sechs feste Redakteure und einige, die die technische Abwicklung, Produktion und Vertrieb übernehmen.

Der »Informer« erscheint monatlich und ist in der Schule recht begehrt, zumindest gehen sämtliche Exemplare im Nu weg und wir bekommen auch recht viel positives Feedback. In der Redaktion war ich für den Bereich »Musik/Lifestyle« zuständig und es machte mir unheimlich viel Spaß. Ich arbeitete für die nächste Ausgabe an einem Artikel über Castingshows und ich war recht gut bei, brauchte aber noch einige Zeit.

Mittlerweile hatte sich Sim wieder gefangen und begann, sich fertig anzuziehen.

»Ja, ich soll dich ja nur noch mal dran erinnern. Abgabeschluss ist nächste Woche und sie bräuchten deinen Artikel dringend.«

»Oki, notiert. Bis dahin hab' ich ihn fertig, schätze ich mal. Ich kann ja Luke nix abschlagen, wie du weißt. « Ich grinste Simon schelmisch an, während ich dies sagte.

»Jaja... mach dich ruhig lustig.«, sagte er gespielt verärgert, aber ich wusste, dass er wusste, dass ich ihn nur aufzog.

»So, mein Kleiner, ich muss jetzt wieder heim, sonst geben meine Eltern noch 'ne Vermisstenmeldung auf.«, sagte er und kam wieder zum Bett, beugte sich zu mir und gab mir noch einen Abschiedskuss. Ich nutze das Angebot ausgiebig und merkte, wie sich Simon kaum lösen wollte, es aber dann doch irgendwann schaffte. In der Tür drehte er sich noch mal um, sagte kurz »Bis morgen. Dann.«, und schon stürmte er die Treppe runter.

Kapitel III

Die nächsten Tage passierte eigentlich nichts Besonderes. Leider hatte ich nicht allzu viel Gelegenheit, Zeit mit Simon zu verbringen, da er seinen Eltern helfen musste, den Speicher auszuräumen und sie ihm mit Taschengeldkürzung gedroht hatten, wenn er sich verdrücken sollte. Na ja, dementsprechend mies gelaunt war er auch, was ich aber nur zu gut verstehen konnte. Anstatt aber Trübsal zu blasen nutzte ich die ungewollte Freizeit nun, um weiter an dem Artikel zu arbeiten. Da ich gute Fortschritte machte, war ich auch schon am Dienstag fertig. Nach mehrmaligem Durchlesen war ich schließlich selbst mit ihm einigermaßen zufrieden und setzte mich wieder an meinen PC.

'Okay, was machst du nun jetzt?', fragte ich mich, während mein etwas altersschwacher Pentium 2 langsam bootete. Gedankenverloren blickte ich mich in meinem Zimmer um. 'Könnte auch mal wieder aufgeräumt werden!' 'Ach nee, lieber heute nicht, wird ja eh wieder unordentlich' siegte schließlich meine Faulheit. Ich könnte ja noch an der Geschichte weiterarbeiten, ging es mir dann durch den Kopf und schon meldete der Compi seine Betriebsbereitschaft und wartete nur auf meine Befehle, so dass ich schnell die Datei öffnete, in der sich die angefangene Geschichte befand.

Ich hatte schon vor einiger Zeit damit angefangen, einfach mal so aus dem Bauch heraus eine Kurzgeschichte zu schreiben. Nix besonderes, aber je mehr ich schrieb, desto mehr Spaß machte es mir und ich war jetzt schon auf Seite 10 angekommen und näherte mich zügig dem von mir geplanten Ende. Es ging in dieser Geschichte um so eine Vater-Sohn Beziehungskiste, jedoch ohne irgendeinen schwulen Hintergrund. Ganz normal, halt, so fand dich zumindest. Ich hatte auch nicht vor, die Geschichte jemals zu veröffentlichen, ich schrieb einfach so aus Spaß daran.

Mittlerweile las ich sie mir bestimmt schon zum zwanzigsten Mal durch und entdeckte dennoch immer wieder Passagen, die ich noch dringend ändern musste, aber ich hatte ja alle Zeit der Welt. So arbeitete ich den Rest des Tages an der Geschichte weiter und das setzte sich die nächsten Tage auch fort, bis ich schließlich am Donnerstag soweit war, dass sie fast fertig war.

'Vielleicht zeige ich sie mal Simon', ging es mir durch den Kopf, aber ich verwarf den Gedanken wieder, weil die Geschichte zwar mir gefiel, aber im Grunde genommen bestimmt schlecht war. Aber trotzdem wollte ich sie für meinen persönlichen Ehrgeiz beenden.

»...und schließlich saßen sie zusammen beim Abendessen und die Welt war wieder in Ordnung. E N D E.«

'So fertig!' Die letzten Zeilen waren getippt und ich spürte eine absolute Befriedigung. Natürlich nicht mit Sex zu vergleichen, kam aber annähernd hin. Ich sollte mich mal mit Simon darüber unterhalten, notierte ich mir in Gedanken mit einem schelmischen Grinsen.

Endlich hatte ich die Geschichte fertig und sie war so, wie ich es mir vorgenommen hatte. Aber irgendwas fehlte noch. Ich konnte nicht sagen, was, aber es fehlte was. Ich überflog die Geschichte nochmals, aber ich kam nicht drauf. Ich blätterte vor, zurück, hin und her und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. 'Natürlich, der Autor fehlt ja noch!'. Also schnell an den Anfang gesprungen und in der Zeile unter den Titel ein geklickt. »Contact von Tom Webber.«, tippte ich da in Schriftgröße 18, natürlich fett.

Aber irgendwie fand ich das dann doch ein wenig blöd. Ich hatte mal gelesen, dass jeder Autor, der was auf sich hielt, seine Karriere mal mit einem Pseudonym begonnen hatte und außerdem klang Tom Webber ja auch ein bisschen nach Provinz. Aber mir fiel ums verplatzen kein cool klingender Name ein.

Mit derartigen abstrusen Gedankengängen beschäftigt merkte ich gar nicht, wie an meiner Tür geklopft wurde. Es geht doch nichts über wohlerzogene Eltern, nicht?

»Du Tom, möchtest du kein Abendessen?«

»Oh, wie spät ist es denn?«

»Schon kurz nach sieben. Ich hab' dich schon zweimal gerufen, aber du hast dich nicht gemeldet. Alles ok?«

»Ja klar, aber ich war hier bei was so beschäftigt, dass ich es gar nicht mitbekommen hab. Aber ich komm gleich.« Mit dieser Antwort zeigte sich Mom zufrieden und machte sich wieder auf den Weg in ihr Königreich Küche, dass sie beherrschte wie keine andere.

'Na ja, dann wird die Namenssuche für den Autor wohl noch ein wenig warten müssen', sagte ich zu mir selbst, während ich den PC wieder ausschaltete und mich auf den Weg zum Abendbrot machte. Kurze Zeit später waren wir alle schon beim mampfen, als mich Dad beiläufig fragte, ob ich morgen was Bestimmtes vorhabe.

»Och, nix besonderes.«

Fehler!

Großer Fehler!

Ich hatte die Falle zu spät bemerkt und zuckte nun innerlich zusammen.

Leute, wen ihr was aus der Geschichte lernen wollt, dann bitte dies, dass ihr bei so einer Frage niemals, aber auch wirklich niemals »Och, nix besonderes.« antwortet! Denn mit Sicherheit will der Fragende euch dann mit Arbeit eindecken, glaubt mir.

Es stimmte aber leider, das ich nichts vor hatte, da Sim mit seinen Eltern übers Wochenende weg war und ich ihn schon die ganze Woche nur in der Schule gesehen hatte. Das nervte mich tierisch, aber dagegen konnte man ja wohl schlecht was machen. Meine Hormone protestierten zwar aufs heftigste, aber was wollte ich machen?

»Hättest du Lust, dir ein paar Cents zu verdienen?« fragte mein Vater beiläufig, während er sich mit Genuss eine weitere Scheibe Brot auflud. Bei solchen Bemerkungen werde ich aber natürlich sofort hellhörig, denn welcher Teenager hat zu viel Geld und könnte freiwillig darauf verzichten? Aber irgendein Gefühl sagte mir, dass da noch was kommen musste. Richtig, er hatte ja »verdienen« gesagt und das hat meistens irgendwas mit Arbeit oder anderen hässlichen Sachen zu tun.

»Was muss ich denn machen?«

»Nichts schwieriges, nur die Garage müsste mal dringend entrümpelt werden und da du ja Freitagnachmittag frei hast, aber ich noch im Büro sitzen muss, würde es mir gut passen, wenn du schon mal anfangen würdest.« Hm, hörte sich eigentlich nicht ganz so schweißtreibend an und ein bisschen Extrageld konnte ich wirklich gut gebrauchen. Simon hatte bald Geburtstag und da wollte ich ihm schon was Schönes schenken.

»Ja, klar , warum nicht.«

»Klasse, dann fängst du einfach morgen Nachmittag an und wenn du bis zum Abend alles geschafft hast, gibt's auch mehr als nur ein paar Cents.«

»Dad, ich würde sogar ganze Euros nehmen.«, konnte ich mir nicht verkneifen und er fing an zu lachen.

Da ich es möglichst schnell hinter mich bringen wollte, fing ich also am nächsten Tag gleich nach der Schule damit an, mir die Bescherung respektive das, worauf ich mich da eingelassen hatte, anzuschauen.

»Tom, da hat dich einer ganz schön übers Ohr gehauen.«, entfleuchte es mir, als ich die Rolltür der Garage hochzog und mir die Bescherung anschaute. Wobei Bescherung noch untertrieben war. Die ganze Garage war vollgestopft von alten Sachen und schien sich köstlich über meinen entgeisterten Gesichtsausdruck zu amüsieren. Irgendwas war hier falschgelaufen. Definitiv!

Ich seufzte, stemmte die Hände in die Hüften und überlegte erst mal, wie ich vorgehen wollte. Dad hatte gestern Abend noch einen Container neben die Garage gerollt und ich sollte einfach den ganzen alten Mist im selbigen verstauen, während die noch ganz brauchbaren Sachen einigermaßen ordentlich wieder in der Garage verstaut werden sollten.

Ein Auto hatte diese Garage schon seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Seit ich mich erinnern konnte, hatten meine Eltern die Garage als Abstellkammer für ihre alten Sachen benutzt, die noch aus der Zeit vor unserem Umzug in dieses neue Haus stammten. Sie konnten sich einfach nicht von alten Sachen trennen und wer durfte es nun wieder ausbaden? Richtig, meiner einer!

Aber alles jammern half nicht weiter, also machte ich mich lieber an die Arbeit und legte los. Ich kam auch gut voran, da ich eigentlich recht rigoros vieles zum Schrott zählte und in den Container beförderte. Nur ein paar Sachen stellte ich zunächst raus, weil ich sie noch ganz gut waren und ich sie später wieder einräumen wollte.

Schließlich war ich bei der großen alten Kiste angelangt, die ich bisher noch nicht gesehen hatte.

Holla, wer bist du denn? 'Komisch, dich kenne ich gar nicht' ging es mir durch den Kopf und da ich natürlich neugierig wie eine junge Katze war, konnte ich nicht wiederstehen und öffnete die Kiste. Sie war nicht verschlossen und als der Deckel geräuschvoll aufschwang sah ich, dass die Kiste mit allen möglichen Krimskrams vollgefüllt war. Jetzt war meine Neugier natürlich ganz und gar geweckt und ich begann, die einzelnen Sachen aus der Kiste herauszuholen. Auf den ersten Blick nichts besonderes, alte Zeitungen, Papierschnipsel, Mappen mit Papieren und Unterlagen. Ich räumte dieses zuerst aus und legte sie sorgfältig neben der Kiste auf den Boden.

Als ich mich durch die zweite Schicht von Papieren gewühlt hatte, kam auf einmal eine alte Schreibmaschine zum Vorschein. Obwohl alt trifft es hier nicht mal annähernd...sie musste uralt sein, da ich noch nicht einmal einen Stromstecker an ihr entdeckte. Langsam rief ich mir in Erinnerung, dass es im letzten Jahrtausend ja auch solche altertümliche Geräte gab, die nicht mit Elektrizität funktionierten. Zweifelsohne hatte ich hier also den letzten Überlebenden einer aussterbenden Art vor mir. Und sie musste schon reichlich benutzt worden sein, denn die Tasten waren schon ganz abgegriffen und auch insgesamt sah die Maschine sehr gebraucht aus. Was die wohl heute noch wert war?

Langsam und sehr vorsichtig hob ich dieses Monstrum aus der Kiste und als sie raus war, war fast nichts mehr in der Kiste drin. Lediglich ein kleine Handkassette war noch da, die ich natürlich auch inspizieren wollte, jedoch konnte meine Neugier hier noch nicht befriedigt werden, da irgendein überlauniger Zeitgenosse sie einfach ab-geschlossen hatte und der Schlüssel auf den ersten Blick nirgendwo lag.

Na gut, musste ich mich also mit den bisher erbeuteten Schätzen zufrieden geben. Ich schaute mich in der Garage um und entdeckte noch eine alte Decke hinter den Winterreifen, die ich ausrollte und auf den Boden legte. Dann machte ich es mir im Schneidersitz auf der Decke gemütlich und schaute mir an, was ich so neben die Truhe ausgebreitet hatte.

Zuerst nahm ich mir die alten Zeitschriften vor. Es waren allesamt englischsprachige Zeitschriften und Zeitungen, allen voran »The Mirror« und »News Today«. Warum hatten sie meine Eltern aufgehoben? War die Kiste überhaupt von uns? Ich hatte keine Ahnung, aber vermutete, dass es Dad's Sachen waren, da er sich nur unter größten Anstrengungen von was trennen konnte. Ich blätterte interessiert in den Zeitschriften, aber schnell hatte ich darauf keine Lust mehr, weil sie uralt waren. Warum um Gottes Willen hatte die mein Dad aufgehoben? Ich hatte keinen Plan.

Dann nahm ich mir die Mappe vor. Sie war ganz altmodisch mit einem Riemen umschlossen, den ich schnell öffnete. Ungeschickt wie ich nun mal war, fiel mir beim Öffnen natürlich die Mappe aus den Händen und klatschte auf den Boden, wobei sich ihr Inhalt vor mir ausbreitete. Es waren eng mit Schreibmaschine bedruckte Seiten, diverse Artikel und Notizen, soweit ich erkennen konnte. Auch hier wieder alles in Englisch. Ich überflog die Blätter.

Es handelte sich um Berichte über eine Firma, die ich nicht kannte und über verschiedene Personen, die ich aber auch noch nie gesehen hatte. Auf verschiedenen Blättern waren auch handschriftliche Notizen gemacht und diese Handschrift erkannte ich sofort. Nur Dad schrieb so schnörkellos, so markant und gradlinig. Auf einem Blatt waren die Änderungen extrem und ich las mir diesen Artikel durch. Es ging dabei um eine große englische Firma, von der ich jedoch noch nie gehört hatte.

Der Artikel berichtete über angeblich unsaubere Geschäftspraktiken und dubiose Verstrickungen in dieser Firma. Hatte Dad den Artikel geschrieben? Vermutlich ja, denn warum sonst sollte er die Änderungen auf der Seite anbringen? Und auch die klare, präzise Sprache ohne Umschweife und auf den Punkt gerichtet sprach für Dad.

'Komisch, ich wusste gar nicht, dass Dad auch journalistisch gearbeitet hatte', ging es mir durch den Kopf. Insgeheim bewunderte ich die Art, wie der Bericht geschrieben war. Er war nicht reißerisch aufgebaut, sondern präsentierte dem Leser einfach Fakten und Sachverhalte. Er gefiel mir, soweit stand fest. Als ich fertig gelesen hatte, hielt ich einen Moment inne und überlegte. Dann sah ich noch etwas durchschimmern und drehte das Blatt um. Dort waren in kleinen handschriftlichen Buchstaben in anderer Farbe die Worte »Black Business at ...« Der Rest war kaum zu lesen, so klein war er geschrieben. Aber ich meinte, die Buchstaben OPC zu er-kennen. Wer oder was war OPC? Darunter stand noch: »from Peter Rhyss-Berenger«

Holla!

Ich las noch mal. Es blieb aber dabei. Peter Rhyss-Berenger. Jetzt wurde mir auf einmal warm. Nein, es wurde mir sauwarm.

Wieso schreibt Dad in seiner Schrift diesen Namen? Sein Name war definitiv Peter Webber, mein Dad. Nur so kannte ich ihn und welchen Sinn sollte dieser Name machen?

Und dann dämmerte es mir. Natürlich! Das war ein Pseudonym, wie etwa Remarque und viele, viele andere, die Autoren benutzten, wenn sie nicht unter ihrem tatsächlichen Namen schreiben wollten. Ich atmete spürbar erleichtert auf, mein Weltbild hatte sich grade noch mal ins rechte Lot gerückt, aber dennoch erteilte ich mir in Gedanken einen Tadel, dass ich nicht gleich daran gedacht hatte!

Aber der Name war schon cool, das musste ich Dad lassen, obwohl mich immer noch ein wenig verwirrte, dass dieser Artikel von ihm stammte, denn er hatte mir immer nur erzählt, dass er schon seit seinen Berufsanfängen als Übersetzer gearbeitet hatte. Okay, blieb nur noch die kleine verschlossene Schachtel. Ich versuchte, sie mit ein wenig Gewalt aufzumachen, aber sie widersetzte sich meinen zaghaften Versuchen, da ich sie nicht kaputt machen wollte. Schließlich gab ich auf und blickte mich noch mal nach einem Schlüssel um und tatsächlich, unter einer Zeitung fand ich dann einen kleinen chromblitzenden Schlüssel, der es einfach sein musste. Ich probierte und wirklich, die Schachtel ließ sich öffnen.

Ich staunte nicht schlecht, als ich den Inhalt sah. Es lagen ein paar alte Geldscheine drin. Ich holte diese raus und entdeckte dann verschiedenfarbige Papprücken, die sich bei näherem hinsehen als Pässe herausstellten. Warum um alles in der Welt haben sie Pässe gerade hier aufgehoben?? Na ja, vielleicht haben meine Eltern sie hier einfach vergessen. Wir reisten nicht grade viel und daher brauchten wir sie eigentlich auch nicht und sie sind deshalb in Vergessenheit geraten? Das passte aber nun ganz und gar nicht zu Dad's sonst so gewissenhafte und sorgfältige Art. Machte ich mir hier was vor?

Ich nahm den ersten Pass heraus und drehte ihn um. Definitiv ein englischer Pass! Ich blätterte die erste Seite auf und...

... erschrak förmlich.

Mir wurde wieder heiß und kalt und Gänsehaut machte sich breit.

Ich erkannte auf dem Foto mein Gesicht, aber viel jünger, vielleicht so zwei, drei. Aber was mir wirklich Angst machte, war der Name, der in der ersten Zeile neben dem Foto, meinem Foto, stand.

»Tomas Rhyss-Berenger«

Mein soeben mühsam gerettetes Weltbild löste sich mit einem Schlag im Nichts auf.

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