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Der Drache von Nambaro

Teil 1

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Mächtig und gespenstisch erhebt er sich vor mir. Das wenige Licht spielt mit seiner dunklen Gestalt und malt beängstigende Bilder. Ich hatte die Geschichten als kleiner Junge gelesen, aber nie hätte ich daran geglaubt, dass es ihn wirklich gibt und noch weniger, dass er mein Schicksal bedeuten sollte. Ich hatte Angst, aber ein zurück gab es von dem Tage nicht mehr, als diese verhängnisvolle Reise begann ...

die ersten drei Wochen

Zweiundzwanzig Tage waren wir jetzt unterwegs, zweiundzwanzig von einhundert geplanten. Wir das waren zwanzig Anwärter auf einen Abschluss an der Forschungsuniversität für Raumfahrt in Brexton, fünf Offiziere, fünf Forschungsingenieure für die Betreuung und Bewertung unserer Missionsaufgaben, fünf Bordtechniker und natürlich unser Kapitän. Mit den zwei Vorbereitungsjahren war ich nun 8 Jahre an der Universität, seit meinem vierzehnten Lebensjahr und diese Mission, die uns zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum von der Erde wegführte, sollte den Abschluss bilden. Jedes Jahr gab es vier Abschlussgruppen, die in den zwei universitätseigenen Schiffen für jeweils drei bis vier Monate auf eine kleine Reise gingen und den äußeren Kontaktradius zur Erde verließen. Die Missionen waren meist nicht sehr anspruchsvoll. In erster Linie ging es darum, unsere theoretisch erlangten Fähigkeiten in der Praxis unter Beweis zu stellen. Für eine spätere Bewerbung bei einer Transportflotte oder im wissenschaftlichen Bereich, war das zwingend vorgeschrieben. Zum anderen mussten sich diese Missionen auch selbst finanzieren und so übernahm die Universität, meist für industrielle Sponsoren, kleiner Aufträge, wie das Bergen von Satelliten oder das Sammeln von Gesteinsproben auf verschiedensten Planeten. Hauptaufgabe waren aber unzählige Messreihen aller nur denkbaren Werte während unserer Reise. Da die meisten Frachtschiffe nicht mit so komfortabler Messtechnik ausgestattet waren, gab es für die Ergebnisse dieser Schulflüge eine ganze Menge interessierter Abnehmer aus Forschung und Industrie.

Bis auf einen zweiwöchigen Aufenthalt auf der erdnahen Forschungsstation SEVOX, die vom nördlichen Staatenbund betrieben wurde, war es also auch mein erster längerer Aufenthalt im All und so sehr ich mich darauf gefreut hatte, so enttäuscht war ich nun nach den ersten drei Wochen. Langeweile war ein viel zu bedeutendes Wort für das, was wir täglich erlebten. Die Beobachtung einer Feldblume mochte um vieles interessanter sein. Seit sieben Tagen hatten wir den äußeren Kontaktradius zur Erde verlassen. Nun war also auch kein Heimatkontakt über Relaisstationen mehr möglich. Das war aber eigentlich das einzig bewegende, das Gefühl, sehr weit weg von zu Hause zu sein. Der Tagesablauf war in Abschnitte von je vier Stunden geteilt. Zwei bis drei dieser Abschnitte am Tag, gehörten je nach Plan zur offiziellen Dienstzeit. Das konnte ein Dienst im Forschungs- oder Kontrollbereich sein, oder ganz einfach in der Küche. Der Rest des Tages war Freizeit und was recht positiv klingt, ist es nicht immer, in einem einhundertzwanzig Meter langen Schiff, dass man schon aus der Ausbildung der zwei Vorbereitungskurse sehr genau kennt. Sicher gab es viele Möglichkeiten an Bord sich die lange Weile zu vertreiben, aber je länger unsere Reise andauerte, wurden kleine Erinnerungen zu großen Wünschen. Ein Spaziergang im Wald, baden im Meer, einkaufen in der Stadt, ein Abend am Lagerfeuer. Nur Zeit gab es genug, Zeit zum Nachdenken und zum Träumen. Ich saß gern am großen Panoramafenster und schaute in die unvorstellbar große dunkle Welt, erhellt von Millionen von Sonnen. Wie hatte mich Sebo, mein kleiner Bruder beneidet, dass ich in den Weltraum fliegen konnte, richtige Abenteuer erleben, an Orten, wo noch nie jemand vor uns gewesen ist. Wie aufregend. Bisher hatten wir das große Nichts kennengelernt. Kleine und größere Himmelskörper, die allemal durch ihre chemische Zusammensetzung interessant waren.

Ich schaute in der Datenbank nach ein paar interessanten Filmen, aber eigentlich hatte ich keine Lust auf einen Film. Ich könnte etwas lesen? Ich könnte auch einfach nichts tun. Bei dieser Entscheidung blieb ich.

Noch drei Stunden und ich hatte wieder Dienst auf der Brücke Zwei. Die Kontrolle des Schiffes war in zwei Bereiche unterteilt. Die Brücke Zwei war das Zentrum des wissenschaftlichen Bereiches, von da aus wurden alle Messinstrumente überwacht und gesteuert, die für sämtliche laufenden Messreihen notwendig waren. Die Daten wurden hier weitestgehend geprüft, Besonderheiten vermerkt und gespeichert. Besetzt war diese Brücke mit einem Offizier, einem Forschungsingenieur und 3 Anwärtern. Die Brücke Eins war für alle technischen Systeme des Schiffes, Navigation und Steuerung zuständig. Je ein Offizier, Forschungsingenieur, Bordtechniker und 3 Anwärter waren zum ordnungsgemäßen Betrieb in diesem Steuerzentrum notwendig. Den größten Teil des Tages, war natürlich auch der Kapitän dort anwesend. Für mich war die Arbeit auf der Brücke Zwei interessanter. Wir waren dort für alle Abläufe selbst zuständig, wogegen bei der Steuerung des Schiffes auf der Brücke Eins nur assistierende Tätigkeiten zu unseren Aufgaben zählten.

Die meisten der neunzehn anderen Anwärter kannte ich schon länger, viele hatte ich die letzten drei Jahre in gemeinsamen Projekten kennengelernt. Das Klima zwischen uns war gut. Die Vorgesetzten achteten streng darauf, dass es keine bevorzugten Behandlungen gab und jeder das gleiche Arbeitspensum zu absolvieren hatte. Die Aufgaben während der Mission waren so klar festgelegt, dass autoritäre Konflikte weitestgehend ausgeschlossen waren und auch das Verhältnis zu den Vorgesetzten war durchaus recht locker. Kapitän Rheicer und seine fünf Offiziere waren ein eingespieltes, über einige Jahre bewährtes Team und auch die meisten der Forschungsingenieure und Bordtechniker gehörten schon längere Zeit zur Besatzung der ZEBROC II. Wie ich mitbekommen hatte war es nur für Mat, den mit 28 Jahren jüngsten Forschungsingenieur, die erste Fahrt auf dem Schiff. Ich hatte am dritten Abend ein Gespräch von Kapitän Rheicer mit seinem zweiten Offizier mitgehört, in dem er meinte, er sei nicht sehr glücklich, dass ihm Mat so plötzlich und unerwartet unter geschoben wurde. Irgendwie schien er Mat nicht zu mögen und auch ich hatte meine Probleme mit ihm. Er schien vor irgendetwas auf der Hut zu sein, sagte nie ein Wort zu viel und schien extrem aufmerksam. Ich weiß nicht, ob er überhaupt irgendwann schlief, denn wann immer man sich im Schiff bewegte traf man auch auf Mat.

Die anderen Forschungsingenieure waren weitaus älter und trotzdem entwickelte sich durch die tägliche Zusammenarbeit fast ein freundschaftliches Verhältnis. Mit den Offizieren hatten wir nur wenig zu tun. Sie bekamen vor jeder Wachablösung ihren Bericht, stellten mitunter ein paar wenige Fragen und zeigten sich ansonsten eher unbeeindruckt von unserer Anwesenheit. Für sie war es wohl einfach nur der ruhige, gut bezahlte Job, ohne den Stress, den ihr Amt auf einem Frachtschiff mit sich gebracht hätte, kein Zeitdruck, moderne Technik und eine sichere Anstellung. Die Bordtechniker waren nicht viel älter als wir. Sie hatten sich in ihrem Studium für eine technische Laufbahn entschieden. Damit war ihnen zwar der Weg in die Forschung versperrt, aber technisch konnte ihnen keiner etwas vormachen und viele nutzten die Schulschiffe der vier Universitäten als Ausgangsbasis für ihre weitere Karriere. Die meisten würden wohl bald die technische Leitung auf einem Fracht- oder Forschungsschiff übernehmen und nach einiger Zeit in den Offiziersgrad wechseln.

Es war Tradition und Philosophie an unserer Universität, dass die Anwärter und der größte Teil der Besatzung im Vorfeld nichts über den Inhalt der Mission erfuhren. Unsere Universität beschäftigte eine kleine Arbeitsgruppe, die hauptsächlich im wirtschaftlichen Interesse, für die Universität die Aufgaben erstellte. Lediglich der Kapitän und drei seiner Offiziere kannten schon vor dem Start den genauen Verlauf der Reise. Das ganze sollte wohl ein wenig Abenteuerfeeling aufkommen lassen. Für uns spielte es aber kaum eine Rolle, an welchem Platz im All wir uns langweilten.

Den kleinen Wohnraum teilte ich mir mit Mitsh. Ich kannte ihn schon vier Jahre und wir verstanden uns prächtig. Mitsh war ein lieber Kerl, ein Freund, der immer da war, einem zum lachen bringen konnte und mit dem man reden konnte, wenn es notwendig war und gerade die letzten Monate war es oft notwendig. Mitsh hatte gerade seinen Vater verloren, als ich ihn kennengelernt hatte. Er tat mir leid und ich habe viel Zeit mit ihm verbracht. Schade, dass es mitunter ein schlimmes Ereignis braucht, dass sich eine feste Freundschaft entwickeln kann.

Rowe

Gerade in diesem Moment musste ich an Rowe denken. Wie so oft in den letzten Wochen. Wie soll ich ihn beschreiben? Wie soll ich beschreiben, was uns verband? Er war mein bester Freund, sicher, aber was sagt das schon aus? Ich kannte ihn seit siebzehn Jahren. Wir haben zusammen den größten Teil unserer Kindheit verbracht, haben zusammen die Grund- und die Spezialisierungsstufe absolviert, sind zusammen erwachsen geworden, oder sagen wir lieber, wir haben es versucht und wir haben uns zusammen für die Universität in Brexton entschieden. Eine Alternative, etwas anderes zu tun, wo anders hinzugehen, als dahin, wo der andere hin ging, gab es für uns nie. Wann immer wir von der Zukunft sprachen, dann sprachen wir von unserer Zukunft. Es gab nichts was ich nicht von ihm wusste und er wusste ebenso alles über mich. Wenn er Bauchschmerzen hatte, dann hatte ich auch welche. So war es einfach. Wir waren die letzten Jahre nie länger als zwei Tage voneinander getrennt und wir hätten es auch nicht länger ausgehalten. Ich hatte sogar die ersten Liebesbriefe für ihn geschrieben, als er zum ersten mal verliebt war. Reden konnte Rowe gut, schreiben war nicht seine Stärke. Mit den Antworten kam er zu mir und er lass sie immer mit mir zusammen. Wir hatten ein unbeschreibliches Vertrauen zueinander.

Wir hatten beide Tränen in den Augen als wir erfuhren, dass wir gerade die Abschlussmission nicht zusammen absolvieren sollten. Alle Anträge dazu wurden abgelehnt. Die Zusammenstellung der Mannschaften sei unbedingt bindend und unwiderruflich. Es war ein Schock und ein weiterer sollte folgen.

Die Mission für die Rowe eingeteilt war startete 9 Monate vor unserer, am Anfang der letzten Ausbildungsperiode. Die voraussichtliche Dauer war auf neunzig Tage festgelegt. Drei Monate sollte ich ihn nicht sehen und dann sollte ja auch noch meine eigene Mission folgen und wir sollten wieder getrennt sein.

Die letzte Nacht vor seiner Abreise haben wir beide zusammen an dem kleinen Strand von Darence verbracht. Im Sommer waren wir oft dort, haben so manche Nacht da im Freien unter den Sternen geschlafen und träumten davon, irgendwann einmal da oben große Entdeckungen zu machen. In dieser letzten Nacht haben wir nicht geschlafen. Wir haben geredet bis zum Sonnenaufgang, bis es Zeit wurde für Rowe.

Ich zählte die Tage und je mehr vergingen, desto mehr fehlte er mir. Noch nie war mir so bewusst, wie sehr ich ihn mochte und wie wichtig er in meinem Leben war. Mitsh hatte wohl gespürt wie es mir ging und er versuchte immer mich bei guter Laune zu halten. Ich mochte ihn wahnsinnig gern, aber er war eben nicht Rowe. Es war dennoch schön zu fühlen, wie Mitsh jetzt für mich da war. Ebenso wie ich damals für ihn, als sein Vater starb.

Fünfundachtzig Tage nach dem Start der ZEBROC I gab die Universitätsleitung bekannt, dass sich die Rückkehr des Schiffes verzögern wird. Genaue Informationen gab es nicht. Man sprach lediglich von leichten Abweichungen von der Mission. Erst fünfzehn Tage später erklärte man in einer kurzen Mitteilung, dass die ZEBROC I als offiziell vermisst galt. Sie hätte sich zu diesem Zeitpunkt bereits über zwanzig Tage wieder im Kontaktbereich der Erde befinden müssen. Bereits zwei Tage nach dem Ausbleiben der erwarteten Signale von dem Schiff, wurden einige Fracht- und Forschungsschiffe in den Bereich gesandt, in den man die ZEBROC I an Hand ihrer geplanten Mission vermuten konnte. Das hielt man die ersten Tage noch geheim. Ich weiß nicht mehr wie oft ich damals Tage und Nächte an der Universität verbracht hatte, um vor Ort zu sein, falls es neue Informationen gab. Wenn ich nicht dort war, dann war ich bei Rowe seinen Eltern. Sie standen mir nah, wie meine eigenen und wir haben zusammen gehofft, geweint und uns Mut gemacht. Die Suche blieb über mehrere Wochen erfolglos und wurde später aus Kostengründen eingestellt. Es war das erste mal seit über 30 Jahren, dass ein Schiff von einer Mission nicht zurück kehrte.

An der Universität und für die Öffentlichkeit gab es nur wenige Informationen über die Mission der ZEBROC I. Die Planungsunterlagen mit der genauen Route, die das Schiff nehmen sollte, waren angeblich verschwunden und auch über den Inhalt der Mission schwieg man sich größtenteils aus. Das einzige was man wusste, war der Ort und die Richtung in die das Schulschiff den äußeren Kontaktbereich verlassen hatte. Wie sich später herausstellte, hatte ein Frachter zwei Tage danach noch ein mal Kontakt zur ZEBROC I, allerdings schon an einem Ort, der weitab von den vorgesehenen Missionszielen lag. Der Bereich, den das Schiff seit dieser Zeit erreichen konnte, war viel zu groß, als das man wirklich eine Chance gehabt hätte, es zu finden. Es gab viele Spekulationen darüber, was mit dem Schiff passiert sein konnte, aber am häufigsten hörte man Erklärungen wie größere technische Probleme an Bord, der Ausfall von Navigations-, Antriebs-, Steuer- oder Lebenserhaltungssystemen. Einige Experten, vor allem auch die des Herstellers der ZEBROC I, bestritten zwar die Möglichkeit, dass alle mehrfach redundanten Systeme ausfallen konnten, aber gerade die Universitätsleitung suchte wohl nach einer für die Öffentlichkeit glaubhaften Erklärung, nicht nach Lösungen für Experten.

Natürlich haben auch wir viel darüber diskutiert, was mit der ZEBROC I passiert sein konnte. Treibstoff, Proviant und Wasser, all das war für maximal 150 Tage an Bord des Schiffes und mittlerweile waren über 200 Tage seit dem Start vergangen. Es gab noch nie Probleme mit einem Schiff dieser Klasse und für eine größere Sicherheitsreserve, gab es bisher keinen Grund. Alternative Energiewandlungen konnten das Schiff zwar über Monate lebensfähig halten, aber nicht die Besatzung. Die Chancen das jemand diese Mission überlebt haben konnte, wurden also von Tag zu Tag geringer und in mir wurde ein Gefühl stärker, dass ich die ersten Tage in der Aufregung völlig verdrängt hatte. Wenn die Besatzung der ZEBROC I nicht mehr lebte, dann war auch Rowe nicht mehr am Leben.

Diese Vorstellung tat sich schwer in meinen Gedanken. Ich wollte sie nicht zulassen und suchte nächtelang nach Erklärungen und Lösungen, die eine Hoffnung rechtfertigten. Die einzige Möglichkeit, schien eine Notlandung auf einem erdähnlichen Planeten, der ein Überleben ohne die Schutzsysteme des Schiffes ermöglichte. Das war jedoch sehr unwahrscheinlich, denn bislang waren kaum solche Planeten bekannt und die Wahrscheinlichkeit, gerade in einer Notsituation auf einen solchen zu stoßen, war mehr als gering. Die ersten Tage hofften wir immer noch, dass das Schiff auf einem der achtzehn Planeten gelandet war, auf denen Rohstoffe abgebaut und zur Erde transportiert wurden, aber weder von da, noch von den zwölf Forschungsstationen kam die erlösende Nachricht.

Bis vor vier Wochen stand noch nicht fest, ob unsere Mission stattfinden würde. Vom Typ der ZEBROC wurden 8 Schiffe gebaut und alle waren bisher ohne besondere Vorkommnisse zuverlässig im Einsatz. Die Schiffe gehörten vom Typ zur Zegoklasse. Das waren keine sehr großen Schiffe, aber dennoch die größten, denen das Eindringen in die Atmosphäre und eine herkömmliche Landung möglich war. Viele davon wurden als Shuttlefrachter verwendet, die den Transport von und zu den großen Frachtschiffen übernahmen. Das Startverbot für diesen Typ wurde auch schon kurz nach dem Verschwinden der ZEBROC I wieder aufgehoben und die Universität entschloss sich, wohl hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen, unserer Mission mit drei Wochen Verspätung durchzuführen.

In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, dass Mitsh inzwischen hereingekommen war. Er setzte sich auf mein Bett gab mir einen Kuss auf die Stirn und lächelte:

»Na, alles klar? Du siehst nicht sehr glücklich aus?«

»Ich bin schon ok. Hab nur an Rowe gedacht.«

»Hm. Verstehe.« Er streichelte mir sanft über die Haare und lächelte: »Du hast noch eine halbe Stunde. Magst du vielleicht noch ein bisschen ...?«

»Klar.«

Mitsh legte sich neben mich, nahm mich in den Arm und kuschelte sich fest an mich heran. Wie oft hatte mir seine Nähe in den letzten Wochen geholfen. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn zurecht gekommen wäre. Er war einfach da, wann immer ich ihn brauchte. Er gab mir das Gefühl, das ich ihm wichtig war und dafür liebte ich ihn.

unheimliche begegnung

Eine Woche später. Schon lange hatten wir die Frachtrouten verlassen und schon seit Tagen gab es keinen Kontakt zu anderen Schiffen. Der erste Offizier meinte, dass das wohl auch für den Rest der Mission so bleiben wird. Nach Gerüchten war unser Ziel eine verlassene Raumstation, die sich in einer Umlaufbahn um einen Planeten namens XREDS 456 befand. Der Planet wurde früher als eine Art Deponie für atomare Reststoffe verwendet und die Station sollte die Auswirkungen dessen über einen langen Zeitraum registrieren. Aus Kostengründen hatte der Betreiber auf eine dauerhafte Besetzung verzichtet und um an die Messergebnisse zu gelangen und kleine Wartungsarbeiten vorzunehmen, war eben im Abstand von ein bis zwei Jahren eine Kontrolle notwendig.

Sehr aufregend klang das alles nicht, denn wenn es keine größeren Wartungsaufgaben gab, war es zum Auslesen der Messdaten und zum Check der Systeme nicht mal notwendig die Station zu betreten.

Nach unserer Bordzeit war es kurz nach Mitternacht, als Mitsh und Grag plötzlich herein gestürmt kamen. Ich hatte geschlafen und schaute beide ungläubig an. Sie waren ganz außer Atem, als wenn sie den Weg hierher gerannt wären und nur langsam beruhigte sich Mitsh. Obwohl ich bereits wach war, schüttelte er mich ein paar mal hin und her, um sicher zu gehen, dass ich das Traumland tatsächlich verlassen hatte. Grag schien das zufrieden zu bemerken.

»Du musst unbedingt mitkommen. Auf der Brücke Eins ist die Hölle los. Nun komm endlich.«

Ohne mir eine Wahl der Entscheidung zu lassen zog mich Mitsh aus dem Bett und war sogleich auch wieder mit Grag verschwunden. Meine Gedanken waren noch nicht recht in der Lage ein klares Bild aus der kurzen Information zu formen. Ich verstand nur soviel, als das ich aufstehen und mitkommen sollte. Ich zog mir etwas über und lief den beiden hinterher. Was war geschehen? Mitsh klang aufgeregt, aber nicht besorgt. Etwas schlimmes war wohl nicht zu erwarten. Technische Probleme?

Zugang zur Brücke bekam nur, wer auch Dienst hatte und so staute sich im großen Aufenthaltsraum vor dem Kontrollzentrum schon eine kleine wild durcheinander diskutierende Menge. Ich verstand noch immer nichts und ging auf Mitsh zu:

»Sag mir doch endlich was hier los ist?«

»Ok, Ok. Grag hatte bis vorhin Dienst auf der Brücke Eins. Vor zwei Stunden haben die Scanner ein unbekanntes Schiff entdeckt. Von der Größe her ein Schiff der Zegoklasse wie unseres, allerdings reagierte es auf keinen Versuch der Kontaktaufnahme.«

»Hm? Na und? Vielleicht ein kleiner Frachter, der uns noch nicht bemerkt hat.«

»So was in der Richtung dachten wir auch, aber wir sind weit von den Frachtrouten entfernt. Wir haben den Abstand zu dem fremden Schiff mittlerweile so verringert, dass man den passiven Transpondercode empfangen kann, allerdings nicht sehr deutlich.«

»Ja und?«

Mitsh holte noch einmal tief Luft und machte ein wichtige Miene.

»Es könnte die ZEBROC I sein.«

»Waaaas?«

Das war einfach unmöglich. Die Wahrscheinlichkeit eine Nadel im Heuhaufen zu finden war um vieles größer, als das wir zufällig bei unserer Routinemission auf das vermisste Schiff stießen. Ich konnte es nicht glauben. Es war unmöglich.

Eine halbe Stunden später trat Kapitän Rheicer vor die gesamte Besatzung und gab einen kurzen Überblick zur Lage. Wir würden das fremde Schiff in ca. vier Stunden erreicht haben. Eine Sicherheit, ob es sich um die ZEBROC I handelt, gab es noch nicht. Aktiv gingen von dem Schiff keinerlei Signale aus. Nach dem Erreichen des Schiffes, werde man neu entscheiden, wie die weiteren Schritte aussehen.

Die nächsten vier Stunden wollten und wollten nicht vergehen. Was, wenn es wirklich das vermisste Schiff war? Wie war es hier hergekommen, weit ab von seinen Missionszielen? War es Zufall, dass wir es gefunden hatten? Was war an Bord geschehen? Wie sah es an Bord aus? Lebte noch jemand? Lebte Rowe ...?

Die Informationen von der Brücke waren vorerst spärlich, aber dennoch schien sich die Vermutung zu bestätigen. Es war die ZEBROC I. Für mich war das eher Gewissheit, als für viel andere, denn ich hatte bereits eine halbe Stunde Dienst auf der Brücke Eins, als sich die Vermutungen bestätigten. Neben dem Kapitän, drei Offizieren, war auch Mat anwesend, der heute noch unruhiger schien als sonst. Je näher wir dem Schiff kamen, desto mehr wurden unsere Scans gestört. Es lies sich nicht feststellen, ob es noch Leben an Bord der ZEBROC I gab, oder was für Bedingungen dort herrschten. Die Hauptaggregate des Schiffes schienen nicht zu laufen, allerdings musste es Energie geben, denn die Navigationslichter waren in Betrieb.

Der Kapitän zog sich eine Weile mit seinen Offizieren zur Beratung zurück und teilte uns dann mit:

»Nun, im Moment können wir wohl von außen nicht feststellen, was an Bord der ZEBROC I vor sich gegangen ist und wie es im Moment da aussieht. Da das Schiff von außen nicht beschädigt ist, können wir nur spekulieren, was da drüben los ist. Da es keine Zeichen und keinerlei Kontaktversuche von der anderen Seite gibt, gehen wir nicht davon aus, dass es Überlebende gibt und jeder von ihnen weiß, wie unrealistisch diese Vorstellung wäre. Dennoch sehe ich es natürlich als unsere Pflicht, keine Möglichkeit auszulassen um zu erfahren, was da drüben passiert ist. Wir befinden uns auf einem baugleichen Schiff und somit könnte das auch für unsere Sicherheit von größter Bedeutung sein. Wir haben eine Gruppe ausgewählt, die sich auf unserem Schwesternschiff umsehen wird. Mir ist durchaus klar, dass dies nicht ganz ungefährlich ist, so lange wir nicht wissen, was die Gruppe da drüben erwartet. Da wir aber das Schiff und die Technik sehr genau kennen, denke ich, dass das für uns natürlich ein großer Vorteil ist.«

Zu meiner großen Freude war ich, neben Mitsh, Grag, zwei weiteren Anwärtern Bargy und Mali, Mat und noch einem Bordtechniker bei der kleinen Gruppe, die für die Erkundung auf der ZEBROC I ausgewählt war. Mali war eins von fünf Mädchen an Bord und sie war von ihren Leistungen eine der besten in unserem Studiengang.

»Findest du es nicht auch komisch, dass kein Offizier mit rüber kommt?«, fragte mich Grag nachdenklich.

»Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich da unbedingt rüber will, was immer uns da auch erwartet.«

Auch Mitsh war ziemlich unruhig.

»Ich weiß nicht, ob ich da rüber will. Da kann uns alles möglich erwarten. Na ja, wir sind ja Helden.«

Mitsh lächelte gequält, während er seine Ausrüstung kontrollierte.

Aus irgendeinem Grund hatte ich Hoffnung. Ich fühlte mich Rowe unheimlich nah und dennoch spürte ich keine Angst. Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte nie die Befürchtung, ich würde da drüben in kürze seine Leiche finden.

Das Anlegen der Ausrüstung war Routine. Jeder wurde noch mal von einem anderen Anwärter und einem Offizier gecheckt. Die Anzüge waren nicht sehr bequem und es dauerte eine Zeit bis man sich daran gewöhnt hatte. Vor allem die Stiefel waren recht schwer.

Obwohl wir auch mit dem Shuttle schon oft genug trainiert hatten, ging es nun doch etwas hektischer zu. Es war eben diesmal keine Übung. Aus Sicherheitsgründen, wurden die Shuttles immer erst kurz vor ihrem Einsatz mit Treibstoff betankt und das hatte länger gedauert als üblich. Die Startzeit rückte immer näher und außer uns mussten nun alle anderen die Schleusenkammer verlassen. Mali kam noch mit zwei großen Koffern.

»Was ist da noch drin?«, fragte Mat genervt. Er hatte gerade noch den Reserve Sauerstoff im engen Shuttle verstaut.

»Die hat mir der erste Offizier in die Hand gedrückt. Sind zwei Scannersets. Die im Shuttle wären veraltet und wir sollen die noch mitnehmen.«, erklärte Mali.

»So ein Quatsch. Wir haben doch das Shuttle vor drei Tagen erst in der Ausbildung gecheckt. Da ist alles auf dem aktuellsten Stand. Wir lassen die Dinger hier. Im Shuttle ist eh schon so wenig Platz. Stell die Koffer in die Druckkabine der Schleusenkammer.«

Die weiteren Startvorbereitungen waren Routine und so konnten wir pünktlich starten. Mat übernahm das Steuer und meldete unseren Start an die Brücke.

Die Schiffe lagen aus Sicherheitsgründen noch in einiger Entfernung von einander, aber wir brauchten mit dem Shuttle nur ca. 10 Minuten bis wir an der hinteren Andockstation der ZEBROC I angekommen waren und da wir den Schiffstyp nur zu gut kannten, war das Andocken kein Problem.

Zwei Schleusentüren trennten uns in diesem Moment von dem Geheimnis um das Verschwinden dieses Schiffes und keiner wollte jetzt mehr zurück. Kurze Zeit später öffnete sich , nach einem kurzen Druckausgleich, die zweite Schleusentür und wir standen im inneren des Schiffes.

»Wir sind drin Kapitän.«, meldete Mat an die ZEBROC II, » Die Temperatur beträgt 8° C, die Notbeleuchtung ist in Betrieb, der Sauerstoffgehalt der Luft ist sehr gering, der Druck ist normal. Wir gehen jetzt auf dem C - Deck bis zur Brücke und melden uns dann wieder.«

Eine Antwort von der ZEBROC II kam nicht. In diesem Moment gab es eine große Erschütterung, die Notbeleuchtung flackerte und ein dumpfes Grollen war hörbar. Wir stürzten alle durcheinander. Niemand war vorbereitet und auch ich fiel zu Boden. Es war plötzlich dunkel und ein paar Sekunden herrschte absolute Stille. Unserer Handlampen und die Helmlichter schalteten sich ein.

Mat versuchte die ZEBROC II zu rufen, aber es kam keine Antwort.»Verdammt was war das?« Er stand auf und wandte sich an uns:

»Seit ihr alle ok. Ist jemand verletzt?«

Wir brauchten noch einen kleinen Moment, um uns einer Antwort sicher zu sein, aber bis auf ein paar blaue Flecke hatte wohl keiner von uns Schäden davongetragen.

»Was könnte das gewesen sein?«, fragte jetzt auch Mali besorgt, aber niemand hatte ein Vorstellung.

Kurze Zeit später hörten wir seltsame metallische Geräusche, als ob irgend etwas gegen die Außenhaut des Schiffes schlägt.

»Kommt das von außen, oder von innen?«, fragte Mitsh.

Wieder und wieder war das Geräusch zu hören.

»Vielleicht möchte uns jemand ein Zeichen geben.«

»Kann irgend jemand die ZEBROC II erreichen? Vielleicht wissen die etwas.«

Negativ. Keiner bekam Kontakt. Dafür waren scheinbar alle Störungen der Scanner verschwunden. Selbst mit den Handscannern, konnten wir sehr gute Ergebnisse, wenn auch nicht das ganze Schiff, erreichen. Ich fragte Mat:

»Was machen wir? Zurück ins Shuttle, oder weiter Richtung Brücke?«

»Der Druck im Schiff scheint konstant zu sein. Was immer das war, ich denke es ist nicht zu gefährlich weiter Richtung Brücke zu gehen. Von dort sollten wir auch wieder Kontakt zur ZEBROC II bekommen.«

Trotzdem wir das Schiff kannten gingen wir nur langsam voran. Die Dunkelheit war etwas gespenstisch, dazu die seltsamen metallischen Geräusche und langsam wurde es kälter in meinem Anzug. Ich gebe zu, mittlerweile hatte ich Angst. Wir waren bis etwa zur Hälfte vorgedrungen. Bisher schien alles normal zu sein. Auf dem C - Deck gab es im hinteren Bereich nur die Zugänge zu den sechs Schuttleschleusen und die Zugänge zum großen Frachtraum. Wie wir bereits beim Andocken bemerkt hatten, waren die vier schiffseigenen Shuttle alle an Bord. Damit konnte also das Schiff niemand verlassen haben. Mat gab mir und Grag den Auftrag einen Blick in den Frachtraum zu werfen. Die Türen ließen sich nicht automatisch öffnen. Nach Betätigung der zwei Nothebel und dem Öffnen der Tür schlug uns bedeutend kältere Luft entgegen. Mein Handscanner zeigte 1°C. Im Raum war es ebenfalls dunkel und unsere Handleuchten vermochten nicht, die gesamte Größe auszuleuchten. Wir gingen ein paar Meter, aber hier schien es nichts zu geben. Der Raum war leer. Wir kehrten zum Hauptgang zurück. Die Scanner zeigten kein Anzeichen von Leben an Bord. Im nächsten Segment war die Notbeleuchtung noch in Betrieb, was uns ein klein wenig der Anspannung nahm. Dunkelheit ist nicht sehr beruhigend. Am Ende des Ganges waren die Wohn- und Aufenthaltsräume der Offiziere. Wir schauten in zwei davon und waren erstaunt. Die Schränke waren ausgeräumt und bis auf zwei Bilder auf dem kleinen Schreibtisch waren keine persönlichen Gegenstände mehr vorhanden.

»Das sieht aus, als wenn hier jemand geplant ausgezogen wäre?«, meinte Grag.

»Ja. Die Frage ist nur wohin? Man kann hier ja nicht schnell mal mit dem Taxi in die nächste Stadt fahren.«

Kurze Zeit später standen wir auf der Brücke Eins und auch hier schien alles im Notbetrieb zu laufen, oder besser gesagt in einer Art Sleepmodus, der das Schiff vor Schäden schützen sollte. Es war relativ dunkel. Die großen Sichtfenster waren in einer äußeren Ebene vereist. Die Heizungen dafür wurden nur über die Hauptaggregate gespeist. Die Energie schien auszureichen um die Hauptüberwachungssystme wieder zu starten und das sollte auch unsere erste Arbeit sein. Vor allem wollten wir wieder Kontakt zu unserem Schiff. Die Brücke ließ sich natürlich vom Rest des Schiffes abriegeln und die Notenergie sollte auch ausreichen, um die Luft zu entgiften und mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.

sieben

Mat saß am Hauptmonitor und nach und nach waren die wichtigsten Systeme wieder online. Wir brauchten etwa eine Stunde und die Brücke war mit einigen Ausnahmen voll funktionstüchtig. Mat wurde immer unruhiger und plötzlich drehte er sich zu uns um, nahm seinen Helm ab, atmete kurz durch und sagte mit leicht zitternder Stimme:

»Jungs, ich glaube ich weiß jetzt woher die seltsamen Geräusche kommen.«

Er macht eine kurze Pause und wir sahen ihn fragend an, dann schaltete er eine der Außenbordkameras auf den großen Hauptmonitor.

Schock! Wir befanden uns in einem Trümmermeer. Es waren Trümmerteile die an die Außenhaut des Schiffes schlugen und die gespenstischen Laute verursacht hatten.

»Verdammt, woher kommt dieser ganze Müll?«, fragte Grag und in diesem Moment schien ihm die Antwort selbst einzufallen, denn mit einer abweisenden Geste versuchte er die Reaktion von Mat abzuwenden.

Dieser sprach langsam und leise:

»Das ist, oder sagen wir das war die ZEBROC II.«

Ich musste mich setzten. Das konnte unmöglich wahr sein. Unser Schiff und die gesamte Besatzung... Freunde von mir... Die nächsten Minuten brachte keiner ein Wort hervor. Grag weinte und auch mir war danach. Was passierte hier? Ich versuchte kurz unsere Lage zu durchdenken, aber ich scheiterte immer wieder an dem Gedanken, was wohl da drüben passiert sein konnte. Im ersten Moment gab es noch Hoffnung, aber die Scans zeigten, dass von der ZEBROC II kein größeres Teil übrig war, das einen Überlebensraum hätte bieten können. Was konnte nur passiert sein?

Mat war der erste der die Sprache wiederfand:

»Ich denke wir versuchen erst mal hier heraus zu finden, was wir mit diesem Schiff anfangen können, Treibstoff, Sauerstoff, Energie, großer Systemcheck. Dann sollten wir das Schiff durchsuchen, bis zum letzten Winkel. Wir müssen irgend einen Hinweis finden, was mit der Besatzung passiert ist. Vielleicht ist ihr Schicksal unsere Hoffnung.«

»Hoffnung ist gut,«, sagte Raif, der Bordtechniker, »die Treibstoffanzeige steht auf 7 Prozent, damit kommen wir nicht mal in die Nähe einer Frachtroute.«

»Aber man wird uns doch sicher suchen? Ich meine wir sind doch sicher auf dem Kurs geblieben, wie er in unserer Mission vorgesehen war?«, meinte Bargy.

»Vielleicht wird man uns suchen, aber es werden noch über zwei Monate vergehen, bevor man unser Ausbleiben überhaupt bemerken wird und dann immer noch ein paar Wochen, bevor Schiffe bis hier her finden würden und wir stehen vor der Entscheidung, ob wir diese Zeit überhaupt hier an dieser Stelle bleiben können, wir wissen noch nicht mal, wie lange wir hier eine Chance zum Überleben haben.«

»Aber wo sollten wir hin?«, fragte Grag, »unseren Rettern entgegen?«

»Vielleicht haben wir soviel Zeit nicht. Eventuell finden wir heraus, wo die ZEBROC I herkommt. Ich meine wo sie gewesen ist, bevor wir sie hier gefunden haben.«

»Was sollte uns das bringen?«

»Ich glaube nicht, dass die Mannschaft das Schiff hier freiwillig verlassen hätte, wenn es nicht einen Ort in der Nähe gäbe, an dem man überleben kann.«

Raif runzelt die Stirn:

»Wir wissen ja nicht, ob die Besatzung das Schiff freiwillig verlassen hat, erst recht nicht warum. Wir wissen nicht, ob dieser Ort in der Nähe ist und wir wissen nicht, ob sie überlebt haben, vergessen wir das mal nicht.«

Die nächsten zwei Stunden versuchten wir uns mit Arbeit abzulenken und davon gab es genug. Dennoch steckte ein lähmender Schock in uns allen. Nur langsam versuchte ich mir die Geschehnisse bewusst zu machen. Wir waren die Überlebenden und an diesen Gedanken versuchte ich mich zu klammern.

Ich war mit Mitsh und Raif im Schiff unterwegs und wir versuchten irgend etwas zu finden, was uns ein wenig weiterbringen konnte. In den Wohnräumen der Anwärter und Techniker fanden sich noch viele private Gegenstände, so als ob sie nicht alles hätten mitnehmen können. Ich suchte nach irgend etwas von Rowe und fand in einem der Räume eine kleine mir bekannt Mappe. Es waren Bilder, die Rowe immer dabei hatte. Ich kannte sie gut. Auf vielen dieser Bilder war ich selbst mit ihm zu sehen. Die letzte Seite war herausgerissen. Es waren die letzten Aufnahmen von uns vor seiner Abreise. Er hatte sie wohl mitgenommen. Rowe - wo bist du nur?

In diesem Moment rief mich Mitsh. Er hatte unter dem Haupttank einen beunruhigenden Fund gemacht und wir kehrten sofort zurück zur Brücke, wo wir Mat und den anderen von unserer Entdeckung berichteten.

»Es ist mit Sicherheit eine Sprengladung. Zehn Kilo TAB mit Zeitzünder. Das reicht dreimal, um dieses Schiff zu zerstören. Der Zeitzünder ist abgelaufen, allerdings hat er offenbar die Sprengung nicht ausgelöst.«

Mat überlegte:

»Wir sollten uns auf jeden Fall so schnell wie möglich davon trennen. Ich werde das Zeug zur Schleuse bringen und ihr geht sofort mit dem Shuttle in einen sicheren Abstand zum Schiff. Seit ihr sicher, dass es nur diese einzige Sprengladung gibt?«

»Nun ich denke schon, wir haben sonst nichts gefunden und wenn es eine zweite gegeben hätte, dann würde es wohl das Schiff nicht mehr geben.«

Die Beseitigung der Sprengladung verlief ohne Zwischenfälle.

Wir hatten inzwischen versuchte einen kleinen Lebensraum vom Schiff abzutrennen, den wir mit Sauerstoff und Energie versorgen konnten. Aus den Bereichen die wir nicht brauchten, versuchten wir das nötigste herbei zu schaffen, was uns die nächste Zeit nützlich sein konnte und am Abend sah unsere Lage gar nicht mal so schlecht aus. Das nötigste, was wir zum Überleben brauchten, war noch für einige Tage vorhanden und alle Systeme waren betriebsbereit. Wir wollten ein paar Stunden schlafen und am nächsten Tag entscheiden, wie es weitergehen sollte.

Mat und Grag hatten versucht die Codes für das Logbuch zu knacken, aber bisher war das nicht gelungen. So wussten wir noch nichts über den Weg, den das Schiff genommen hatte.

Auch jetzt teilte ich mir einen Wohnraum mit Mitsh und ich hatte mich schon hingelegt, als er kam. Ich sah mir gerade die Bilder aus Rowes Mappe an.

»Na, magst lieber alleine sein?«

»Nein komm bitte zu mir.«

Gerade heute und in dieser Nacht, nach all den Ereignissen wollte ich nicht allein in meinem Bett schlafen. Mitsh umarmte mich und gab mir einen Kuss.

»Ich bin froh, dass Du da bist. Wenn wir nicht für diese Mission eingeteilt worden wären, dann...«

»... dann wären wir jetzt tot, wie die anderen der Mannschaft«, beendete ich leise und nachdenklich seinen Satz.

»Sag mal Mitsh, was könnte den Unfall auf der ZEBROC II verursacht haben?

»Ich habe auch schon den ganzen Tag darüber nachgedacht. Eigentlich nur eine Sprengladung, wie wir sie hier gefunden haben. Technisch ist eine solche Explosion an Bord nicht möglich. Eine Kollision mit irgendetwas könnte ähnliches hervorrufen, aber niemals so plötzlich und unerwartet. Es müsste schon etwas großes gewesen sein, dass nicht einfach so aus dem nichts auftaucht.«

Er machte eine kurze Pause.

»Ich habe auch noch eine Idee, die für mich erklären würde, wie das alles zusammen passt.«

»Und?«, fragte ich neugierig.

»Ich glaube nicht, dass wir die ZEBROC I wirklich zufällig gefunden haben. Das wäre einfach ziemlich unwahrscheinlich. Das Schiff hier sollte offensichtlich mit der Sprengladung die wir entdeckt haben zerstört werden. Das ist fehlgeschlagen und jemand hatte wohl Angst, dass man das Schiff findet. Vielleicht wollte man eine Versicherungssumme kassieren, oder was weiß ich vertuschen, oder man wollte irgend etwas vernichten, was hier an Bord ist. Ich denke nicht die ZEBROC II sollte explodieren, sondern dieses Schiff hier, nur irgend etwas ist schief gegangen.«

»Klingt einleuchtend. Aber was sollte da passiert sein? Meinst Du das Mat vielleicht die Sprengladung hier an Bord reaktivieren sollte?«

»Könnte sein, das würde auch erklären, warum er so plötzlich von der Universitätsleitung für diese Mission eingeteilt wurde. Vielleicht weil er etwas weiß, was die anderen nicht wussten und auch nicht wissen durften. Er war immerhin zu dem Zeitpunkt auf der Brücke, als die ZEBROC I entdeckt wurde.«

»Ja auch das klingt einleuchtend, nur erklärt es nicht, warum das falsche Schiff explodiert ist. Es muss demnach eine zweite Sprengladung gegeben haben, die sich auf der ZEBROC II befand.«

»Ja... Sag mal... Warum würde man wohl ein Schiff verlassen? Vielleicht gibt es etwas hier an Bord, dass... Ich meine, warum sollte man das Schiff zerstören wollen? Ob der Grund noch hier ist?«

»Ich weiß es nicht.« Und der Gedanke war nicht sehr beruhigend.

Wir überlegten noch eine ganze Weile, kamen aber zu keinem Ergebnis. Zwei Stunden später fuhr ich plötzlich aus dem Schlaf und war hellwach.

»Was ist mit Dir?« Mitsh sah mich verschlafen an.

»Die Koffer, Mitsh, die Koffer!«

»Was für Koffer, hast Du schlecht geträumt?«

»Nein Mitsh, wir haben doch die zwei Koffer in der Schleusenkammer der ZEBROC II gelassen, die uns der erste Offizier mitgeben wollte. Das muss die Sprengladung gewesen sein und wir waren das Sprengkommando, dass sie opfern wollten, verstehst du? Deshalb war auch kein Offizier bei uns. Die haben da drüben nur gewartet, bis wir hier an Bord sind und dann haben sie auf den Auslöser gedrückt. Allerdings war die Sprengladung noch auf dem falschen Schiff.«

»Puh, das könnte so gewesen sein. Das wäre natürlich...«

»Sicher. Erinnerst du dich an die Störungen der Scanner? Sie waren weg, nach der Explosion. Die Scanner wurden bewusst von der ZEBROC II gestört.«

»Und Mat?«

»Der Kapitän mochte Mat nicht, ich glaube er hat ihn gern geopfert. Vielleicht hat er ihn für einen Spion gehalten, der nicht hinter das ganze Spiel kommen sollte.«

»Vielleicht ist er das auch?«

»Ja, die Frage ist nur, ob von der guten, oder der bösen Seite.«

In diesem Moment kam Grag herein.

»Sorry, wenn ich euch jetzt noch beim Kuscheln störe, aber ich glaube ich habe ein wichtige Entdeckung gemacht.«

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