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Liebe und solche Sachen

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So'n Mist. Wütend lege ich den Telefonhörer wieder zurück an seinen Platz. Am liebsten hätte ich das Telefon gleich an der nächsten Wand in seine Bestandteile zerlegt, aber das arme Teil kann ja auch nichts für die schlechten Nachrichten, die damit übertragen werden. Ich muss mich erst mal setzen. Irgendwie bin ich sauer und das schlimmste ist, es gibt nicht mal jemanden, den ich für das eingetretene Dilemma verantwortlich machen könnte. Micha (mein bester Kumpel) hat sich das Bein gebrochen und zwar so kompliziert, dass er erst mal mindestens für zwei Wochen im Krankenhaus bleiben muss und auch dann wird er wohl noch einige Zeit mit einem dicken Gipsbein gesegnet sein.

Das alles an sich wäre ja wohl kein Grund für mich sauer zu sein, zumal mir Micha natürlich richtig leid tat und er konnte ja auch nichts dafür, aber wir wollten eigentlich in acht Tagen gemeinsam für zwei Wochen Urlaub machen. Es war geplant, dass wir mit dem Wohnmobil seiner Eltern eine Tour durch's Land machen. Michas Eltern wollten das Fahrzeug zum Ende des Monats verkaufen und so wäre es für uns noch einmal eine prima Gelegenheit gewesen, ein solches Gefährt fast zum Nulltarif zu nutzen. Selbst das Geld für den Diesel hatte mir meine Oma in einer sehr großzügigen Sponsoraktion geschenkt. (An dieser Stelle sei die Bemerkung erlaubt, dass ich Omas für eine prima Erfindung halte.) Sie sagt immer»Junge du musst dir was ansehen von der Welt, du bist doch noch jung.« Nun mit 18 ist man sicher noch jung und auch Micha ist mit 21 ja noch kein Rentner.

Wie schon erwähnt ist Micha mein bester Kumpel. Ich kenne ihn seit ich dreizehn war und die letzten Jahre waren wir fast täglich zusammen. Micha ist schon ganz o.k., hat aber einen kleinen Fehler - er steht auf Mädchen. Na ja, vielleicht ist das nicht gerade ein Fehler, denn selbst wenn er schwul wäre wie ich (ups, hatte ich das schon erwähnt?), wäre er wahrscheinlich trotzdem »nur« mein bester Freund. Micha sieht zwar nicht schlecht aus, ist aber trotzdem irgendwie nicht mein Typ. Er ist auch mehr so etwas wie ein großer Bruder für mich - eben mein bester Freund.

Micha weiß seit zwei Jahren, dass ich mich weniger für Mädchen interessiere. Als ich es ihm in einer ziemlich langen und sehr umständlichen Rede gebeichtet hatte, fing er erst mal laut an zu lachen. Er fand die Vorstellung, dass ich mal mit einem Jungen im Arm durch die Stadt laufe, ziemlich lustig. Ich denke mit dieser Reaktion konnte ich gut leben. Ansonsten hat sich nicht viel zwischen uns geändert, nur das Micha nicht mehr mitmacht, wenn andere in unserer Clique über Schwule lästern. Außer Micha weiß bisher nur noch Marcel, dass ich auf Boys stehe, aber über Marcel später mehr.

Ich lege mich erst mal aufs Bett und beschließe schlecht drauf zu sein, was mir auch prima gelingt. Es war alles so gut vorbereitet. Die letzten Abende hatten wir immer bis weit in die Nacht über Kartenmaterial gesessen, hatten Fahrtrouten geplant, für Proviant gesorgt und die Ausflugsziele besprochen. Und jetzt - alles Futsch.
Schon das Drama mit meinem Chef, gerade zu diesem Zeitpunkt Urlaub zu erhalten, war ziemlich schwierig.
»Es ist für Azubis im ersten Jahr eigentlich nicht üblich in unserer Firma, außerhalb der Betriebsferien Urlaub zu erhalten.« , sagte er mit einem Gesicht, das mir wohl sagen wollte, ich hätte meinen Bonus an Sonderwünschen für die nächste Zeit erst mal restlos aufgebraucht.

Ich grübele noch eine ganze Weile, was ich mit den zwei Wochen Urlaub nun anstellen sollte. Natürlich könnte ich mal eine Rundreise durch unser Haus machen. Jeden Tag ein anderes Zimmer zu besuchen, wäre sicher sehr interessant. Den Urlaub noch mal verschieben, dass war nicht drin und das Wohnmobil war dann ja auch weg. Irgendwie hatte ich mich wahnsinnig auf die zwei Wochen gefreut, aber das sollte wohl nicht sein.

Ein wenig macht doch das 'schlechte-Laune-haben' hungrig und ich will mich erst mal auf die Wanderung zu unserem Kühlschrank begeben. Im Flur treffe ich auf meine Mutter und die erkennt an meinem Gesichtsausdruck sofort, dass ich vom 'Glücklich-sein' im Moment so weit entfernt bin, wie die Songs der Wildecker Herzbuben von Musik. Sie sah mich mit ihrem typischen 'sag-mir-sofort-was-los-ist-Blick' an und ich erzählte die ganze Geschichte, um zumindest mal kein Rätselraten über meinen Gemütszustand zu veranstalten.

»Das ist ja prima Maik(Habe ich schon gesagt das ich Maik heiße?)dann kannst du uns ja beim renovieren des Gästezimmers helfen.« , sagte sie schmunzelnd.

Sie hat doch nicht wirklich 'renovieren' gesagt? Schon bei dem Gedanken an dieses Wort bekomme ich Pickel. Mein Hobby ist das nämlich nicht gerade. Obwohl ich nicht ungeschickt bin, beim Tapezieren bin ich immer von oben bis unten mit Leim vollgekleistert und es klebt mehr Tapete an mir, als an der Wand.
Meinen Eltern helfe ich schon ganz gern, wenn mal was zu tun ist (dafür genieße ich eine sehr gute und artgerechte »Haltung« in diesem Haushalt), aber meinen Urlaub hatte ich mir doch etwas anders vorgestellt.

Nachdem ich etwas für meinen Nahrungsbedarf getan habe, suche ich mir den Zettel auf den ich die Nummer geschrieben hatte, unter der Micha im Krankenhaus zu erreichen ist. Ich will ja wissen wie es ihm geht, denn vorhin hatte ich nur kurz mit seinem Vater gesprochen.

Nach zweimal Klingeln:

»Ja, Schubert hier« , höre ich Micha seine Stimme.

»He du Knalltüte, dich kann man ja keine Minute alleine lassen, schon machst du Blödsinn. Musst du dich gerade jetzt von jungen hübschen Krankenschwestern pflegen lassen, wenn ich mit dir in den Urlaub will?«

»Hallo Maik, wenn's nach mir ginge würde ich jetzt auch lieber wo anders liegen und die 'hübsche junge Krankenschwester' wiegt mindestens 120 Kilo, ist bestimmt schon 60 und war vielleicht zu einer Zeit mal hübsch, als das Wünschen noch geholfen hat. Hier neben mir ist aber noch ein Bett frei, wenn du dir also noch schnell ein Bein brichst, können wir den Urlaub trotzdem gemeinsam verbringen.«

Wir versuchten uns gegenseitig noch eine Weile mit solchen oder ähnlich konstruktiven Vorschlägen bei Laune zu halten, aber ich merkte schon, dass Micha genauso traurig war wie ich und er hatte ja noch mehr Ärger am Hals (oder besser gesagt am Bein) als ich. Ich verspreche, ihn gleich morgen zu besuchen und Micha fielen gleich Tausend Dinge ein, die er noch dringend brauchte und die ich mitbringen könnte. Ich überlege schon, ob ich vielleicht nicht die Straßenbahn, sondern eine Spedition wählen soll.

Der Abend verläuft ziemlich ruhig. Ich sehe mir noch mal unsere Urlaubsplanung an, und das die Karte zerknüllt im Papierkorb landet, ist sicher kein Ausdruck großer Freude.

Über den Besuch bei Micha im Krankenhaus gibt es eigentlich nicht allzu viel zu berichten. Vielleicht nur, dass die Schwestern ein sehr dankbares Lächeln aufsetzen, als ich mich höflich verabschiede. Wir hatten den Begriff 'Bettruhe' nicht allzu ernst genommen. Also das Bett wahr schon ruhig, aber wir waren es weniger. Michas Mutter sagt immer, man sollte in Presse und Rundfunk vor uns warnen, wenn wir zwei irgendwo gemeinsam auftauchen. Wir sind einfach ein gut eingespieltes Team und wenn wir gut drauf sind, lassen wir uns auch durch nichts die Laune verderben. Wahrscheinlich wollten wir uns aber mit dieser ausgelassenen Stimmung etwas ablenken, um nicht ständig an den verpatzten Urlaub zu denken.

Als ich wieder zu Hause ankomme ruft mir meine Mutter schon entgegen:

»Schade das du jetzt erst kommst. Marcel ist gerade erst seit fünf Minuten weg. Er konnte nicht länger warten.«

Also nun wie versprochen zu Marcel. Mit ihm verbindet mich ein ganz besondere Freundschaft.
Marcel ist 19 und er wohnte bis er 12 war im Haus gegenüber. Wir haben sozusagen die Kindheit zusammen verbracht, zusammen gespielt und die Welt erkundet. Seit er weiter weg wohnt, sehen wir uns nur zwei-, dreimal im Jahr und wir telefonieren auch nicht allzu oft und trotzdem, wenn wir uns dann mal wieder treffen, ist alles wie früher. Mit Marcel kann ich einfach prima reden. Er sagt nie ein Wort zu viel, aber das was er sagt, liegt einfach auf meiner Welle. Manchmal müssen wir uns nur ansehen und wir wissen, was der andere denkt. Als ich ihm erzählt habe, dass ich schwul bin, hat er nur mit der Schultern gezuckt: »Ja, na und?«, und damit war das Thema für ihn auch schon wieder beendet. Er macht eben nie große Worte.
Marcel selber hat seit einem halben Jahr eine feste Freundin. Dafür das sie ein Mädchen ist, ist sie sogar ziemlich nett (also nicht das ich was gegen Mädchen hätte) und ich komme mit ihr super klar.

Diesen Marcel habe ich nun eben gerade verpasst. Er besucht manchmal seinen Großvater, der noch in unserer Stadt wohnt. Meistens ruft er vorher mal bei mir an, aber diesmal war es eher eine spontane Aktion, wie mir meine Mutter erzählt.

»Ich habe Marcel von deinem verpatzten Urlaub erzählt und er hatte eine gute Idee, wie du die zwei Wochen nutzen könntest. Du sollst ihn gleich noch heute Abend anrufen.«

»Was hat er denn gesagt?«, frage ich neugierig.

»Nun du weißt doch, dass Marcel mit seiner Freundin und einem anderen Pärchen eine Last Minute Reise nach Sri Lanka gebucht hat.«

»Ja und? Was hat das mit meinem Urlaub zu tun?«

»Nun sein Kumpel hat sich von seiner Freundin getrennt und nun wäre noch ein Platz frei.«

Puh, wie nun? Soll ich etwa mit Marcel, seiner Freundin und seinem Kumpel nach Sri Lanka fliegen?
Natürlich hätte ich Lust auf Palmen und 30 Grad im Schatten, aber was kostet so was?
Eine Weile muss ich jetzt erst mal noch warten, bevor sich diese Frage klären lässt. Marcel wird im Moment noch im Auto sitzen und vor zwei Stunden, brauche ich bei ihm nicht anrufen.

»Das wäre schon toll, aber das wird mir wohl eine Nummer zu teuer werden«, sage ich zu meiner Mutter.

»Da mach dir mal keine Gedanken Maik. Du hast doch das Geld von Oma und außerdem hast du in vier Wochen Geburtstag. Dein Vater und ich werden schon dafür sorgen, dass du uns die zwei Wochen hier nicht den ganzen Tag auf den Wecker gehst.«

Oh, das klingt ja wie Musik in meinen Ohren, aber ich will mich mal nicht zu früh freuen. Erst muss ich mal mit Marcel reden.

Das Gespräch mit ihm war kurz und bündig. Marcel macht mir (wie immer mit wenigen Worten) klar, dass es doch gar nichts zu überlegen gäbe. »Du hast Urlaub und noch nichts vor, also kommst Du auch mit!«
Also was soll ich da noch sagen? Der Reisepreis war durchaus vertretbar, selbst für einen immer an chronischem Finanzmangel leidenden Azubi wie mich und mit der Hilfe von Oma und meinen Eltern, war sogar noch ein brauchbares Taschengeld übrig. Schließlich hatte ich ja auch etwas für den Urlaub mit Micha gespart.

Marcel sagt mir, dass ich mir ein Doppelzimmer mit Felix teilen muss. Nun daran soll's nicht scheitern. Ich hatte Felix schon mal bei Marcel's letzter Geburtstagsparty gesehen. Irgendwie hatte ich nicht die besten Erinnerungen an diese Begegnung. Felix war bestimmt schon 23 oder 24, studierte irgend was technisches und wusste alles besser. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es sowieso nur einen, der alles richtig machte und das war er selber. Im Moment war mir das aber egal. Zwei Wochen halt ich das schon aus und alles andere wird dieses kleine Manko wohl ausgleichen. Ich sage Marcel also, nach kurzer Rücksprache mit meiner Geschäftsleitung (sprich meinen Eltern), zu und er wollte gleich morgen im Reisebüro die Umbuchung veranlassen.

Am Abend suche ich mir erst mal meinen alten Schulatlas. Ich weiß zwar so ungefähr wo Sri Lanka liegt, aber das ist eigentlich schon alles. Ich versuche noch irgendwie etwas wissenswertes über das Land zu finden, aber so richtig gelingt mir das nicht.
Im Bett versuchte ich mir vorzustellen, wie diese zwei Wochen Urlaub wohl verlaufen könnten, ich sehe mich am Strand unter Palmen liegen und fühle wie mir die Sonne auf den Bauch scheint (natürlich nicht nur auf den Bauch) und irgendwann, mitten in diesen Gedanken, bin ich eingeschlafen.

Die nächsten Tage vergehen ziemlich schnell. Ich muss zum Hausarzt, wegen eventuell noch notwendigen Impfungen, muss Reiseschecks besorgen und den Inhalt meiner Reisetasche planen. Natürlich muss ich Micha auch noch ein wenig die Langeweile vertreiben und die Stationsschwester ärgern.
Micha sagt zwar, das er sich für mich freut, aber ich denke er ist nicht gerade glücklich über seine Situation. Verständlich. Ich würde das Hotelzimmer auch viel lieber mit ihm teilen, als mit diesem Felix.

Tja, bis zur Abreise passierte nicht mehr allzu viel und mit den wenigen unbedeutenden Ereignissen der letzten Tage vor dem Flug will ich auch niemand langweilen.
Wir hatten mit Marcel vereinbart, dass wir uns am Flughafen treffen und da das zumindest für mich erst mal 3 Stunden Zugfahrt bedeutet, habe ich beschlossen, lieber einen Zug früher zu fahren. In dieser Beziehung bin ich nämlich etwas komisch. Ich wollte nicht wegen einer eventuellen Zugverspätung alleine am Flughafen zurückbleiben.

Da steh ich also nun mit einer prall gefüllten Reisetasche an einer Telefonzelle im Flughafen und melde meiner Mutter pflichtbewusst die planmäßige Ankunft. Nachdem ich nun nochmal die typisch mütterlich besorgten Ratschläge und Richtlinien konsumiere, bedanke ich mich noch mal brav für die elterliche Unterstützung meiner Vorhaben und beende das Gespräch mit den Worten»und grüß Oma von mir.«

So nun könnte es eigentlich losgehen, aber bevor die anderen drei hier auftauchen, vergehen bestimmt noch zwei Stunden. Ich setzte mich auf eine Bank und gehe meiner Lieblingsbeschäftigung in solchen Fällen nach. Ich schaue nach allem was männlich, irgendwie in meinem Alter ist und nicht gerade aussieht wie Karl Dall.
Vielleicht ist das ja nicht gerade die feine englische Art, aber irgendwie erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich scheinbar zufällig, zu einem netten Boy sehe und natürlich so tue, als ob ich ganz zufällig in diese Richtung schaue.

Zwei Wochen Urlaub. Die erste weite Flugreise für mich. Ich bin ziemlich happy und nur manchmal wird dieses schöne Gefühl von etwas Unruhe verdrängt. In diesem Fall sehe ich dann zum mindestens 20. Mal in mein Handgepäck und kontrolliere Reisepass, Geld, Schecks u.s.w. - jedes Mal beruhigt, vielleicht doch nichts wichtiges vergessen zu haben. Um mich ein wenig abzulenken, will ich noch eine Kleinigkeit essen. Bis zum Abflug sind es noch fast drei Stunden und im Flieger, wird es ja auch noch eine Weile dauern, bevor es was zu Essen gibt.

Ich entscheide mich, gegen meine Gewohnheiten, für eine nicht ganz unbekannte amerikanische Fastfoodkette. Das Preis - Leistungsverhältnis scheint mir hier noch durchaus brauchbar, weil ich in den anderen Lokalen im Airport schon für ein paar Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat ein kleines Vermögen investieren müsste.
Die Abfertigung der Kundschaft erfolgt wie gewohnt in mehreren Reihen vor der Theke und mein Blick sucht erst mal nach der kürzesten Reihe.

Schon in der Halle hatte ich einige nette Jungs gesehen, aber in einer Reihe steht wirklich ein Typ, der das Prädikat 'besonders süß' verdient. Er ist etwas kleiner wie ich, vielleicht 17 oder 18 Jahre alt, hat kurze schwarze Haare, einen Körper an dem es (soweit die Kleidung das erkennen lässt) nichts zu bemängeln gibt und wie ich erkenne als er kurz zur Seite schaut, braune, leuchtende Augen. Ich weiß nicht genau wieso, aber manche Jungs finde ich einfach überaus niedlich und dieser gehört mit absoluter Sicherheit dazu.

In solchen Fällen hoffe ich immer, dass niemand meine interessierten, verstohlenen Blicke bemerkt.
Während ich noch in Gedanken versunken ein wenig darüber trauere, dass ich solche Typen leider nie kennen lerne, weckt mich die nicht ganz akzentfrei deutsch sprechende Bedienung aus meinen Träumen.
Ich bestelle eines der angebotenen Menüs und die Bestandteile des selben landen, nach ein paar zielsicheren Griffen der Bedienung in den gastronomischen Speisevorrat, auf meinem Tablett.

Ich seh' mich noch mal um, kann aber den nett aussehenden Boy leider nicht mehr sehen. Schade!
An einem Tisch beginne ich die von mir bestellte Ware zu untersuchen. Ich öffne zuerst die kleine Pappschachtel und möchte wetten, dass mein Blick dabei ziemlich misstrauisch aussieht.
Ich erkenne unter anderen ein Salatblatt, ein Stück Gurke und etwas Tomate. Alles in allem soll wohl den Eindruck vermitteln, dass es sich bei dem Inhalt der Packung wirklich um etwas zu Essen handelt.

Während ich mein Menü verdrücke, bemerke ich, dass ich mir gar nicht mehr so viel Zeit lassen sollte, wenn ich pünktlich am vereinbarten Treffpunkt sein will. Ich bringe also noch mein leeres Tablett zu dem dafür vorgesehenen Regal und mache mich mit meinem Gepäck auf den Weg.
Marcel und seine Freundin Lisa kann ich schon von weitem erkennen, Felix ist nicht zu sehen.

»Hi Maik, wir dachten schon, Du hast es dir anders überlegt.«, lachen die beiden.

»Aber auf keinen Fall, ich bin reif für die Insel und freue mich euch zu sehen. Wo ist denn Felix?«

»Der wollte noch Batterien für seinen Fotoapparat kaufen, aber da kommt er ja schon.«

»He, da sind wir wohl komplett«, spricht mich jemand lachend von hinten an. »Ich denke du bist Maik, oder?«

Ich dreh mich etwas verwundert zu der mir nicht bekannten Stimme um und eh ich antworten kann sagt Marcel:

»Genau das ist Maik. Maik das ist Felix«

Ich war etwas verwirrt, der Junge der da vor mir (bzw. bis dahin hinter mir) stand, war irgendwie nicht der Felix, den ich von besagter Geburtstagsparty in Erinnerung hatte. Nun gut, ich hatte Marcel ja auch nie gefragt, ob es sich tatsächlich um diesen, oder um einen mir noch nicht bekannten Felix handelt, wie es nun scheinbar der Fall war. Für einen Moment hatte ich jetzt bestimmt ziemlich dämlich geguckt, denn der Junge der da vor mir stand, war genau der niedliche Boy, den ich noch vor 15 Minuten so indiskret bewundert hatte.

»Wie war denn dein Hamburger vorhin, hat's geschmeckt?«, frage ich Felix.

»Na ging schon.«, antwortet er erstaunt.»Bist du Hellseher, oder hab ich mir die Hälfte auf die Jacke gekleckert?« Bei diesen Worten schaut Felix ziemlich beunruhigt an sich herab.

»Nö beides nicht, aber du standest vorhin vor mir in der Reihe.«

»Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen. Na ja, ich träume halt manchmal etwas vor mich hin«, entschuldigt er sich.

»Ist ja schön, dass IHR erst mal satt seid.«, meldet sich Lisa»Ich und Marcel wollten eigentlich auch noch 'ne Kleinigkeit essen, wenn wir eingecheckt haben. Kommt ihr noch mal mit?«

Dazu hatten wir nun weniger Lust. Felix wollte noch mal auf die Besucherterrasse, um eventuell noch ein Bild von unserem Flugzeug zu machen und da mich das auch interessierte, bot ich meine Begleitung an.
Das Einchecken ging erstaunlich schnell. In zehn Minuten hatte jeder von uns sein Gepäck los und als Austausch dafür, ein Bordkarte erhalten. Wir haben sogar noch sehr gute Plätze bekommen. Marcel und Lisa sitzen genau vor uns, genau wie wir (also Felix und ich), einer am Fenster und der andere auf dem Platz daneben.

Wie besprochen, trennen wir uns jetzt noch einmal. Marcel und Lisa gehen ihren Hunger stillen und Felix und ich verschwinden Richtung Besucherterrassen.
Wir haben Glück, unser Flugzeug steht schon am Gate und wir können ein, zwei Fotos machen. Felix erzählt, dass er sich sehr für die zivile Luftfahrt interessiert und auch sonst oft mal auf dem Flughafen zu finden wäre. Überhaupt, binnen weniger Minuten weiß ich schon ziemlich viel über ihn. Er ist gerade 18 geworden, hat einen kleineren Bruder, Vater und Mutter arbeiten in einem Fotolabor und seine Freundin ist vor ein paar Tagen mit einem Kumpel von ihm durchgebrannt.

Ich versuche ihn auch mit den wichtigsten Betriebsdaten meiner Wenigkeit zu versorgen, schließlich wollen wir ja zwei Wochen das Zimmer teilen und da kann man schon einiges von dem anderen wissen. Dabei erinnere ich mich, dass ich in dem Reiseprospekt, den Marcel mir gezeigt hatte, Doppelbetten in den Zimmern gesehen hatte. Also wenn ich mit diesem Jungen ein Bett teilen muss (oder sagen wir lieber darf), werde ich wohl immer ziemlich unruhig schlafen.
Felix scheint richtig nett zu sein und ich kann das Mädchen nicht verstehen, die sich so einen Traumboy entgehen lässt.

Flugzeuge starten und landen zu sehen, ist schon faszinierend. Während ich einen Jumbo beim Start beobachte, hoffe ich, dass auch unser Flieger tapfer die tückische Erdanziehungskraft überlisten wird. Ich habe keine Angst vorm Fliegen aber ein komisches Gefühl ist es doch.

40 Minuten später sitzen wir schon alle vier auf unseren Plätzen im Flugzeug. Felix inspiziert die Prospekte und Hinweise in dem Netz der Rücklehne vor ihm und Marcel ist dabei Lisa alle nur denkbaren Horrorgeschichten über Flugzeugabstürze zu erzählen. Eine Stewardess versucht ziemlich erfolglos die Aufmerksamkeit der Passagiere für ihre Sicherheitshinweise zu gewinnen und ich prüfe noch einmal meinen Sicherheitsgurt auf perfekten Sitz.

Ich genieße den Start, der für mich zu den schönsten Momenten beim Fliegen gehört. Mittlerweile ist es schon fast dunkel geworden, und da es leicht bewölkt ist, verschwinden schon bald die letzten Lichter, die man aus dem Fenster noch erkennen kann. In diesem Moment muss ich an Micha denken und hoffe, dass er das nächste mal mit von der Partie ist.

Etwas später beginnen die Stewardessen mit dem Verteilen des Abendessens. Felix und ich entscheiden uns für Geschnetzeltes, Marcel und Lisa für Fisch.
Jeder wird das kennen, solange die Mahlzeit noch fein säuberlich verpackt auf dem Tablett liegt, reicht der zur Verfügung stehende Platz locker aus, aber wehe man hat auch nur das Besteck aus seiner Verpackung befreit, dann ist das Geschick eines Magiers gefragt, um auf dem kleinen Tischchen zu recht zu kommen, ohne seinem Sitznachbarn die Gabel ins Bein zu spießen.

Nach dem Essen erhalten wir noch ein kleine Flasche Sekt, als Schlaftrunk sozusagen. Ich schließe meine Kopfhörer an das bordinterne Unterhaltungssystem an und werfe einen Blick in das dazugehörige Programmheft.
Noch ein paar Minuten und ich schließe meine Augen. Ich fühle mich richtig wohl. Mit der Aussicht auf zwei wunderschöne Wochen in denen ich mir mit einem ziemlich süßen Boy das Zimmer teilen werde, schlafe ich bei den letzten Tönen von »somebody loves you« (nik kershaw) ein.

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