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Kurs Nord

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Inhaltsverzeichnis

1. Enttäuschungen

Sören schließt die Haustür auf und hängt das Schlüsselbund an den Haken neben der Tür.

"Hi, Mum! Ich bin da." ruft er in den Flur. Aus der Küche hört er Geschirr klappern und ein "War ja nicht zu überhören" von seiner Mutter.

Er zieht sich die Jacke und die Schuhe aus und geht in die Küche.

"Endlich Urlaub. Den Laden zwei Wochen nicht mehr sehen. Jetzt kann Weihnachten kommen" meint er und drückt seiner Mutter einen Kuss auf die Wange.

Sie schaut ihren Sohn mit einem traurigen Blick von der Seite an.

"Weihnachten wird wohl kommen. Aber aus unserem Urlaub über die Feiertage wird es dieses Jahr wohl nichts werden."

Sören guckt wie ein Auto. "Wieso? Ist was passiert?"

"Na ja. Passiert nicht direkt. Dr. Schäfer ist länger krank. Und so muss Papa seine Dienste im Krankenhaus übernehmen."

Sörens Mutter kommt gebürtig aus Dänemark und seit er denken kann, verbringt er mit seinen Eltern jedes Jahr Weihnachten und Silvester in dem kleinen Ferienhaus an der dänischen Nordseeküste, das seine Mutter von ihren Eltern geerbt hat. Das ist nicht nur Familientradition, Sören kann es sich gar nicht anders oder schöner vorstellen.

"Oh nein! Sag, dass das nicht wahr ist. Wir sind IMMER um die Zeit da oben. Ich hab mich schon so gefreut!"

"Tja, Junge, tut mir wirklich leid. Wenn du da unbedingt rauf willst, musst du dieses Jahr wohl alleine fahren. Aber wir fahren dann im Januar, wenn Dr. Schäfer wieder da ist. Sind wir Weihnachten eben mal zu Hause. Ist bestimmt auch mal schön."

"Mum. Ich kriege als Azubi nur in den Ferien Urlaub. Und diese zwei Wochen waren schon schwer zu kriegen. Bei uns im Betrieb ist im Moment total viel los."

"Sören, ich kann's doch nicht ändern. Sei bitte nicht sauer." sagt seine Mutter und stellt ihm sein Mittagessen auf den Tisch.

Missmutig stopft er das Essen in sich hinein, schaut ziemlich traurig drein und geht danach wortlos in sein Zimmer im zweiten Stock. Der Gedanke, jetzt zwei Wochen nutzlos zu Hause zu verbringen, gefällt ihm überhaupt nicht.

Sören bootet seinen PC. Inzwischen wirft er sich aufs Bett und verschränkt die Arme hinter den Kopf. "ICH – WILL – NICHT – HIERBLEIBEN" sagt er zu sich selbst und versinkt in Wut und Selbstmitleid. Da reißt ihn der Pfeifton seines Emailprogrammes aus seinen Gedanken. Er geht rüber zum PC und findet neben den üblichen Spams eine Mail von seinem besten Freund, die er gleich nervös öffnet.

EMPFANGEN 22.Dezember 12:45 Uhr

VON: tobi86@mailmail.de

AN: soeren.lange@GE-mail.de

RE: Muss dir was sagen

Hi Sören,

deine Mail hat mich echt ziemlich überrascht. Hätte wirklich nicht gedacht, dass du schwul bist. Und ich dachte, ich kenne dich.

Sei mir bitte nicht böse, aber ich brauche erstmal ein bissel Zeit, damit umzugehen.

Ich melde mich bei dir.

Ciao

Tobi

"Auch das noch. Er braucht Zeit. Tolle Abfuhr."

Sören hatte es nicht übers Herz gebracht, sich persönlich bei Tobias zu outen und den elektronischen Weg gewählt. Daraus, dass Tobi drei Tage gebraucht hat zu antworten, schließt er, dass es wohl besser so war. Tobi kann damit nicht umgehen. Wenn er es ihm ins Gesicht gesagt hätte, wäre es wohl noch schlimmer gewesen. Die beiden kennen sich seit der Realschule und waren eigentlich immer ein Herz und eine Seele gewesen. Seit sie beide in ihren Ausbildungen stecken, haben sie sich zwar nur noch am Wochenende gesehen, aber waren immer noch dicke Freunde. Na ja, einen Fehler hat Tobi: Er ist hetero. Aber sowas von.

Okay, Tobi hat noch einen Fehler: Er kann nicht damit umgehen, dass sein bester Freund schwul ist. Oder ist er jetzt der ehemalige beste Freund?

Sörens Stimmung ist unter den Nullpunkt gesunken. Zwei Hiobsbotschaften innerhalb von ein paar Minuten sind einfach zuviel. Er schmeißt sich aufs Bett und heult los.

Es klopft an seiner Zimmertür. "JA" ruft er genervt. Seine Mutter kommt herein.

"Hej, ist das jetzt so schlimm, mein Großer?" sagt sie, als sie seine geröteten Augen sieht.

Sören zeigt wortlos auf den Monitor, wo Tobis Mail noch geöffnet ist. Seine Eltern wissen über Sörens Schwulsein schon seit einem Jahr Bescheid. Probleme gab es bei dem Outing keine, sie hatten sich ihren Teil schon längst gedacht. Außerdem sind sie tolerant und weltoffen. Seine Mutter liest sich die Mail durch.

"Lass ihm die Zeit, es ist ja keine Kündigung der Freundschaft. Das würde sich anders anhören. Vielleicht ist er auch enttäuscht, dass du es ihm nicht schon längst gesagt hast."

"Kann sein. Wir werden sehen. Mum, ich glaub, ich muss wirklich mal über einiges nachdenken und meine Ruhe haben. Warum kann ich nicht einfach alleine nach Dänemark fahren?"

"Ganz alleine? Die weite Strecke? Du wirst dich zu Tode langweilen da oben."

"Kann sein, aber hier fällt mir die Decke auf den Kopf. Und außer Tobi will ja eh keiner was mit mir zu tun haben. Und der jetzt auch nicht mehr."

"Ach du. Du musst nur mal unter die Leute und dich nicht immer nur einigeln. Du siehst super aus, bist einer der nettesten Menschen, die ich kenne und wenn du nicht schon mein Sohn wärst, würd ich dich vom Fleck weg adoptieren" strahlt ihn seine Mutter an.

Sören kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Mama! Du bist hier nicht auf der Schauspielschule! Wo haste den Text denn her?"

Die beiden lachen sich an und nehmen sich kurz in den Arm.

"Du, mit Dänemark, das hab ich ernst gemeint. Würde meinen Urlaub nur ungern zu Hause verbringen!"

"Hm, du bist alt genug. Das wäre zwar schade, Weihnachten und Silvester ohne dich zu verbringen, aber verstehen kann ich dich schon irgendwie. Würde ja auch so gerne mal wieder im Wintersturm an unserem Kamin sitzen und nen Grog trinken."

"Wir können ja Weihnachten nachholen, wenn ich wieder da bin" strahlt Sören. Die Entscheidung ist gefallen. Er wird fahren.

2. Kurs Nordnordoost

Nur knapp eine Stunde später klappt Sören die Heckklappe von seinem Golf zu. Seine Mutter hatte ja schon für den Urlaub eingekauft und nun hat sie ihm einfach die Kisten mit Lebensmitteln und Getränken ins Auto gepackt.

"Mama! Du willst mich mästen, damit ich nie einen abkriege und immer zu Hause wohnen bleibe. Wer bitteschön soll das alles essen?"

"Keine Widerrede Junior! Nachher finden die Nachbarn einen verhungerten Sören vor und ich komme wegen Aushungerung in den Knast. Nix da. Und außerdem.. "

Seine Mutter hält ihm einige dänische Geldscheine und zwei Fünfzig-Euro-Scheine hin.

"...für Sprit. Und für Essen, falls das nicht reichen sollte" grinst sie ihn an.

Sören setzt eine Art Hundeblick auf "Danke schön. Das hätte aber nicht sein müssen, ich hab ja schließlich mein eigenes Geld."

"Jaja.. angekommen. Und nu fahr los, es soll heute Nacht schneien. Und ruf gleich an, wenn du angekommen bist. Hast du die Schlüssel?"

"Ja, Mama. Hab ich. Schlüssel, Geld, frische Unterhosen, und mehr als genug zu Essen."

Die beiden verabschieden sich gerade, als der Mercedes von Sörens Vater die Einfahrt hochkommt.

"Halt! Hiergeblieben! Du kannst nicht fahren…" ruft sein Vater, der aus dem Auto springt.

Etwas irritiert schaut Sören ihn an.

".. bevor du dich von deinem einzigen Vater ordentlich verabschiedet hast!" grinst sein Dad ihn an und stürzt auf Sören zu und wuschelt ihm durch seine blonden Haare.

Bevor er widersprechen kann, stopft ihm sein Vater Geldscheine in die Hemdtasche und sagt halblaut zu ihm "Aber nicht der Mama sagen" und grinst ihn an.

"Die Mama ist nicht blind und ich hab ihm gerade auch schon Geld zugesteckt." sagt seine Mutter im Hintergrund und versucht, einen empörten Gesichtsausdruck zu machen.

"So, nu fahr aber los, heute Nacht..." setzt sein Vater an...

"soll es schneien." rufen Mutter und Sohn im Chor.

Genau zu den 14-Uhr Nachrichten auf Einslive fährt Sören los.

Seine Mutter winkt ihm noch nach und ruft "Grüß mir die Heimat."

Siebenhundert Kilometer hat er vor sich und schätzt, dass er so gegen 21 Uhr am Ferienhaus ankommt. Das ist seine erste wirklich große Tour, die er alleine fährt, seit er den Führerschein hat. Da sein Vater Oberarzt an einem Gelsenkirchener Krankenhaus ist und seine Mutter mit Übersetzungen auch einiges verdient, hat er sowohl den Führerschein, als auch einen gebrauchten Golf letztes Jahr zum achtzehnten Geburtstag bekommen. Widerstand war natürlich zwecklos und auch gar nicht in seinem Sinne.

Kurz vor einem Feiertag sind die Straßen im Ruhrgebiet immer recht voll, aber es fließt so vor sich hin. Nach einer Dreiviertelstunde ist er bei Münster und biegt auf die A 1 Richtung Norden.

Nach einer Weile beschließt er, den nächsten Rastplatz anzufahren. Er fährt auf den Rastplatz "Tecklenburger Land" und stellt sein Auto ab.

3. Per Anhalter durch die Galaxis

Nachdem er auf der Toilette war, geht er zu seinem Auto zurück und steckt sich dabei eine Zigarette an. Sören raucht nicht wirklich viel, aber ab und an ein bisschen Geld für die Staatskasse zu opfern, das ist schon okay. Auf dem Weg fällt ihm ein Junge auf, vielleicht etwas jünger als er selbst, der auf einer großen Reisetasche an der Hauswand der Raststätte sitzt und ziemlich traurig aussieht.

Sören hält etwas Abstand und raucht in Ruhe seine Zigarette. Er überlegt, warum der Junge wohl so traurig ist und hier alleine auf dem Autobahnrastplatz sitzt. Er denkt bei sich, dass er wohl von zu Hause abgehauen ist. Jedenfalls sieht er irgendwie nicht so aus, als wenn er was ausgefressen hat. Er hat kurze schwarze Haare, ist schlank und scheint etwa so groß zu sein wie er selbst. Sören fasst sich ein Herz und spricht ihn an:

"Hi… ich bin Sören. Bist du per Anhalter unterwegs?"

Der Junge schaut langsam auf und nickt nur zaghaft.

"Wohin willst du denn? Soll ich dich mitnehmen?"

"Wohin ist egal. Hauptsache weit weg." sagt er mit trauriger Stimme. Sören sieht, dass er gerötete Augen hat. Er muss geweint haben.

"Ich fahre nach Dänemark, über Bremen, Hamburg, Flensburg. Ist da für dich was dabei?"

"Klar, nehm ich alles" antwortet der Junge und der Hauch eines Lächelns huscht über sein Gesicht.

"Na denn auf nach Norden" sagt Sören und hält dem Jungen die Hand hin.

Der greift nach der Hand und steht auf, nimmt seine Tasche und geht mit Sören zum Auto.

"Wie heißt du eigentlich?"

"Ich bin Dominik. Und danke, dass du mich mitnimmst. Bis jetzt haben mich immer nur Leute angesprochen, wo ich Angst um mein Leben haben musste."

"Och, gerne. Ich fahr nicht so gern alleine, und wenn ich eine nette Begleitung habe, habe ich ja auch was davon."

Nachdem er wieder losgefahren ist, fragt Sören:

"Bist du von zu Hause abgehauen? Oder warum treibst du dich kurz vor Weihnachten alleine auf der Autobahn rum?"

"Hm. Also abgehauen ja und nein. Ich werde morgen 18 und meine Eltern hätten mich morgen sowieso rausgeschmissen. Da bin ich denen eben einen Tag zuvor gekommen."

"Rausgeschmissen? Wieso das denn? Hast du was angestellt?"

"Nein, angestellt hab ich nichts. Aber in ihren Augen bin ich wohl ziemlich missraten. Aber das ist ne lange Geschichte und ich kenn dich ja gar nicht."

"Also für lange Geschichten haben wir viel Zeit. Aber ich will nicht zu neugierig sein. Wenn du sie mal erzählen willst, höre ich dir gerne zu."

Dominik lenkt schnell vom Thema ab und fragt nun Sören ein wenig aus. Wo er herkommt, was er so macht und warum er denn alleine auf der Autobahn unterwegs ist. Dominik kommt aus Dortmund und geht aufs Gymnasium. Das Gespräch ist kurzweilig und ehe sich die beiden versehen, sind sie schon im Elbtunnel.

"Du sag mal, wohin willst du jetzt eigentlich? Hast du ne Bleibe oder ein Ziel?"

"Weder noch. Wohin der Wind mich bläst."

Sören denkt bei sich, dass Blasen ja wirklich eine gute Idee wäre, verwirft aber diesen unanständigen Gedanken sofort, denn beim Ausfahren aus dem Elbtunnel hat sich das Wetter verschlechtert. Dichte Schneeflocken treiben im Scheinwerferlicht. Noch ist die Autobahn einigermaßen frei, aber das kann sich bald ändern.

"Du Nicki, ich mach dir mal einen Vorschlag: Du kannst gerne mit nach Dänemark kommen, das Haus ist groß genug, du hast ne Bleibe für die nächste Zeit, und mir ist nicht so langweilig da oben."

Dominik schaut Sören mit großen Augen an. "Hast du jetzt Nicki zu mir gesagt?"

"Ja, sorry, darf ich das nicht?"

"Doch, doch... es ist nur, weil mich meine Mutter früher immer so genannt hat, bevor..." er bricht den Satz ab.

Sören merkt, dass er jetzt nicht weiter nachhaken darf. "Also, was ist, das ist doch n tolles Angebot, oder?"

"Ja, schon, aber das kann ich ja gar nicht annehmen. Wir kennen uns ja gar nicht und ich hab kein Geld und überhaupt…"

"Geld ist egal, das Haus kostet nix, Essen hat meine Mum mir für ne ganze Fußballmannschaft eingepackt und du störst garantiert nicht. Kennen lernen können wir uns ja noch. Und wenn du weg willst, bring ich dich wieder zur Grenze. Das ist versprochen."

"Pass auf! Da vorne!" ruft Dominik noch, da ist es schon fast zu spät. Vor ihnen hatte sich ein Auto im Schneematsch auf der rechten Fahrspur quergestellt. Sören bremst und versucht, links an dem Wagen vorbeizukommen. Glücklicherweise ist die linke Spur gerade frei und er schafft es.

"Puuuuh! Das war knapp! Wenn ich den Erfinder von ABS und ESP mal treffe, dem gebe ich einen aus!"

Nach dem Beinahe-Crash herrscht im Auto gespannte Ruhe. Sören konzentriert sich auf die Fahrbahn, der Schneematsch wird immer dichter und langsam fragt er sich, ob er es heute überhaupt noch wagen soll, bis zum Ferienhaus zu fahren. Außerdem hängt die unbeantwortete Frage im Raum.

"Du Sören. Du bist echt nett. Und ich weiß im Moment wirklich nicht, wohin ich soll. Also wenn dein Angebot noch steht... "

"Klar steht es noch. Ich freu mich."

Sören überlegt, ob er Dominik vielleicht sagen sollte, dass er schwul ist. Aber nach der Erfahrung mit Tobi lässt er es erstmal lieber. Wenn sie sich besser kennen lernen sollten, kann er es ja immer noch nachholen.

Bei Schleswig ist es 19 Uhr und der Schneematsch wird immer dichter. Er fragt sich, warum es denn hier wohl keinen Winterdienst gibt. Am Autohof Schleswig verlässt Sören die Autobahn, um zu tanken. Außerdem hat er noch eine Kleinigkeit zu kaufen. Er hat gerade bezahlt, da klingelt sein Handy.

"Sören Lange."

"Hier auch Lange. Deine dich liebenden Eltern gucken gerade die Nachrichten und stellen fest, dass es eine dumme Idee war, heute zu fahren. Bist du schon eingeschneit?"

"Bin in Schleswig. Nee, alles okay, die Autobahn ist noch ganz gut zu fahren. Jetzt ist es ja auch nicht mehr so weit. In 3 Stunden bin ich wohl da." lügt er, ohne rot zu werden. Eltern muss man ja nicht alles erzählen. Besonders nichts, worüber sie sich Sorgen machen würden.

Zurück im Auto grinst ihn Dominik an und meint:

"Du, ich fühl mich echt wohl bei dir. Der ganze Scheiß mit meinen Eltern ist schon ein Stück weiter weg."

"Hej, das ist super. Pass mal auf, wir machen uns schöne Tage da oben. Das Haus ist echt toll gelegen, mitten in den Dünen."

Sören ist hin- und hergerissen. Auf der einen Seite macht er sich große Sorgen um die weitere Autofahrt, auf der anderen Seite fasziniert ihn dieser Junge ungemein. Sein wieder gefundenes Lächeln geht ihm direkt ins Herz. So langsam fängt es an zu kribbeln.

4. Der er et yndigt land

Die Autobahn hat mittlerweile eine geschlossene Schneedecke, auf der Sören vorsichtig mit 80 km/h die Spur hält. Glücklicherweise hatte sein Dad Winterreifen gesponsert, obwohl man die in Gelsenkirchen eigentlich so gut wie nie braucht.

An der Landesgrenze drückt Sören eine Taste auf seinem Radio und wechselt so die CD. Aus den Lautsprechern erklingt die dänische Nationalhymne "Der er et yndigt land".

"Sorry, aber da musst du jetzt durch. Das ist Familientradition an der Grenze. Du musst wissen, meine Mum ist Dänin."

Dominik grinst und sagt:

"Du bist verrückt. Aber süß."

Kaum ausgesprochen scheinen ihm seine Worte schon Leid zu tun. Er greift sich an den Mund und sagt:

"Also ich meine nett."

In Sörens Kopf rattert es. Es passt einfach alles zusammen. Der Spruch eben, das Rausschmeißen bei seinen Eltern. Sören ist sich sicher: Dominik ist auch schwul.

Und außerdem ist Sören auf dem besten Weg, sich zu verlieben.

Halblaut sagt er "Aber nicht so süß wie du."

Dominik scheint der Spruch genauso zu irritieren. Er starrt nach vorne auf die Straße und sagt gar nichts dazu.

Nach einer Weile schaut Sören vorsichtig auf den Beifahrersitz. Dominik scheint eingeschlafen zu sein. Zumindest hat er die Augen geschlossen und den Kopf an die Kopfstütze angelehnt.

Der Rest der Strecke wird immer schwieriger. Der Schnee auf der Straße ist schon recht tief und Sören kann nur noch ca. 50 km/h fahren. Dafür sind fast keine Autos unterwegs. Bis zum Ferienhaus gibt es deswegen keine kritischen Fahrsituationen mehr. Zehn Minuten vor Mitternacht steuert er den Wagen zielsicher auf das Grundstück des Ferienhauses.

5. Happy Birthday

"Hej Nicki, wir sind endlich da. Aufwachen!"

Die beiden steigen aus und stapfen durch den zehn Zentimeter hohen Schnee zur Eingangstür. Sören schließt auf und macht Licht und das Kaminfeuer an. Seine Eltern bereiten den Kamin immer so vor, dass man ihn sofort anzünden kann, wenn man im Winter mal ins Haus kommt. Das Holzhaus besteht aus einem großen Hauptraum, in dem eine Wohnzimmerecke mit Kaminofen, ein Essbereich und die Küchenzeile untergebracht sind. Hiervon gehen die beiden Schlafzimmer und das Badezimmer ab.

Dominik muss auf die Toilette. Sören nutzt die Zeit, alles für Mitternacht vorzubereiten, denn Nicki hat ja jetzt gleich Geburtstag. An der Tankstelle in Schleswig hat er ein YES-Torty gekauft und eine kleine Kerze, die er darauf anzündet. Im Vorratsschrank findet er eine Flasche Sekt, die zwar Zimmertemperatur hat, aber da diese im Moment nur ca. 5 Grad ist, passt das ganz gut. Er macht den Sekt auf, zündet noch ein paar Kerzen im Wohnzimmer an, macht das elektrische Licht aus, gießt die Gläser ein und schaut dabei gespannt auf die Uhr und auf die Badezimmertür. Es ist wenige Sekunden vor Mitternacht.

Die Badezimmertür geht auf und Sören sieht glänzende Kinderaugen, ein strahlendes Lächeln und ehrliche Begeisterung.

"Das.. das gibt's ja gar nicht."

Es ist genau Mitternacht. Sören gibt ihm ein Glas Sekt in die Hand und stößt mit ihm an.

"Alles Gute zu deinem 18. Geburtstag. Ab heute wird alles besser!"

"Danke. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."

"Sag einfach Prost."

Die beiden prosten sich zu und stoßen noch mal an. Danach umarmt Sören ihn und drückt ihn fest an sich. Nicki erwidert die Umarmung und schluchzt.

"Das ist das schönste Geburtstagsgeschenk seit langem. Danke."

"Nicht der Rede wert. Bevor wir die Flasche austrinken, sollten wir aber eben das Auto leer räumen. Außerdem muss ich noch bei meinen Eltern anrufen."

"Ruf du an, ich fang schon mal an."

Sören wählt die Nummer seiner Eltern, die auch sofort ans Telefon gehen.

"Birte Lange"

"Mum. Bin da. Alles okay hier."

"Na Gottseidank! Das hat ja gedauert! Wie lange warst du jetzt unterwegs?"

"So zehn Stunden. Hab drei Stunden länger gebraucht als normal. Bin jetzt auch entsprechend k.o. und werd wohl gleich ins Bett gehen."

"Ja, tu das, wir können ja morgen Abend wieder telefonieren. Schlaf gut."

"Ihr auch. Nacht."

Gerade als Sören sein Handy auf den Küchentresen legt, kommt Dominik schwer bepackt durch die Tür herein. Seine schwarzen Haare sind durch dicke Schneeflocken weiß überzuckert.

"Hej, kaum bist du 18 kriegst du schon weiße Haare" kichert Sören.

Der zeigt seine weißen Zähne und um seine Augen bilden sich Lachfältchen. Nach ein paar Minuten haben die beiden das Auto leer geräumt und die Lebensmittel in der Küche verstaut. So langsam steigt die Raumtemperatur auf ein angenehmes Niveau und sie ziehen sich Schuhe und Jacken aus. Zum ersten Mal sieht er seinen Anhalter ohne die dicke Winterjacke. Er trägt ein helles Sweatshirt und eine Jeans und scheint eher ein wenig zu dünn zu sein, als zu dick.

"Warte, hier müssen noch irgendwo Hausschuhe sein. Wir wollen ja nicht, dass du dich erkältest, kleiner Mann."

Sören kramt in einem Schränkchen unter der Garderobe und wird fündig.

"Passt Schuhgröße 44?"

"Jo, ich hab 43-44. Müsste passen."

Sören räumt ein wenig das Wohnzimmer um, so dass das Sofa direkt vor dem Kaminofen steht. Die beiden setzen sich nebeneinander und machen sich wieder an die Flasche Sekt. Der ganze Raum wird nur durch Kerzen und den Feuerschein erhellt. Außer dem Knacken und leisem Rauschen des Feuers ist es völlig still.

"Das ist wirklich wunderschön hier. Ich fühl mich richtig wohl. Du bist ja echt ein Glückstreffer" meint Dominik und lächelt sanft.

"Warte erstmal, bis du morgen sehen kannst, wie es draußen aussieht. Das Haus liegt nämlich direkt in den Dünen und bis zur Nordsee sind es nur ein paar Meter."

"Das Haus meinte ich noch nicht mal. So wie du es hier gemütlich gemacht hast. Danke dir. Auch wenn's nur ein kurzes Gastspiel ist."

"Na, nu denk mal nicht daran, wie es weitergeht. Ich bin sicher, dass wir da gemeinsam ne vernünftige Lösung für dich finden werden. So schnell wirst du mich jetzt nicht mehr los."

Dominik lächelt, schweigt und gähnt herzzerreißend. Sören wird vom Gähnen angesteckt.

"Ich glaube, wir sollten mal so langsam ins Bett gehen. War ein harter Tag."

Nicki brummt nur zustimmend.

"Also das Haus hat zwei Schlafzimmer mit je einem Doppelbett. Die Betten sind beide frisch bezogen. Du kannst es dir aussuchen. Eins der Zimmer für dich alleine oder wir teilen uns eins. Wie du willst."

Sören schaut ihn fragend an. Insgeheim hofft er natürlich, mit dem Schnuckel in einem Bett schlafen zu dürfen. Man sieht Nicki an, wie es in seinem Kopf rattert.

"Also, mir ist das egal. Ich will dich aber nicht stören, deswegen…"

"Tust du nicht" unterbricht Sören ihn.

"Okay, also wenn's dir nichts ausmacht. Alleine zu bleiben wär im Moment vielleicht doch nicht ganz so gut."

"Kein Problem. Komm mit, wir nehmen das größere Zimmer. Gleich hier."

Sören macht Licht im Schlafzimmer und kriegt erstmal einen kleinen Schreck. Er hatte vergessen, das Thermostat der Elektroheizung hochzustellen. Die Temperatur im Zimmer ist bei 5 Grad.

Die beiden stellen ihre Reisetaschen vor den Kleiderschrank und holen Schlaf- und Waschzeug raus. Sören geht als erster ins Bad und stellt erstmal die Fußbodenheizung auf 20 Grad. Wenigstens Morgen früh soll es hier warm sein. Er putzt sich die Zähne.

"Manno. Sören Lange, du bist ein Idiot" sagt er zu sich selbst. Natürlich ist das Wasser eiskalt, denn der Boiler steht auch nur auf Frostschutzbetrieb. Es muss also eine Katzenwäsche mit kaltem Wasser reichen.

Wieder im Schlafzimmer hatte sich Dominik schon umgezogen und ein T-Shirt und eine Boxershorts an. Seiner Gänsehaut auf den leicht behaarten Beinen sieht man an, dass er friert.

"Nu aber schnell ins Bad und dann ins Bett, du frierst ja total."

"Ja, ich beeil mich."

Sören zieht sich auch für die Nacht um und nimmt die Fensterseite des Doppelbettes. Nach kurzer Zeit kommt Nicki ins Schlafzimmer und steigt wortlos in die andere Seite des Bettes.

"Du Nicki. Wenn dir kalt ist, kannst du auch gerne näher rankommen. Ich geb dir gerne was von meiner Wärme ab."

Da von der anderen Seite des Bettes keine Antwort kommt, ärgert Sören sich, dass er das gesagt hat. Er hofft, jetzt nichts kaputt gemacht zu haben.

Nach einer Minute gespannten Schweigens antwortet Dominik endlich:

"Danke für das Angebot. Aber ich glaube, das wär nicht so gut. Gute Nacht."

"Nacht" sagt Sören nur und beschließt, es jetzt dabei zu belassen. Nach kurzer Zeit hört er den regelmäßigen Atem von Dominik, der scheint eingeschlafen zu sein. Sören gehen die Ereignisse des Tages noch durch den Kopf, bevor er dann auch endlich einschläft.

6. Guten Morgen Sonnenschein

Sören schlägt die Augen auf. Direkt vor seinem Gesicht ist das Gesicht von Dominik. Beide haben sich im Schlaf zueinander gedreht und sind sich recht nahe gekommen. Er betrachtet sein Gegenüber ganz genau. Die schwarzen Haare sind völlig durcheinander gewuschelt, die Augen geschlossen, dichte Augebrauen hat er, eine gerade, schlanke Nase, einen sinnlichen Mund, einen ganz leichten Bartwuchs. "Ein hübsches Kerlchen" denkt er so bei sich. Dabei wird ihm ganz warm ums Herz. Am liebsten möchte er ihm einen Kuss auf die Stirn geben, aber diesen Impuls unterdrückt er dann doch lieber.

Er schleicht sich leise aus dem Bett, mit dem Rücken zum Bett, damit Dominik, falls er aufwacht, nicht seine Morgenlatte sieht. Leise kramt er einen frischen Pullover, Unterwäsche und Socken aus seiner Tasche und verlässt geräuschlos das Schlafzimmer. Bevor er ins Badezimmer geht, facht er wieder den Kaminofen an, damit es gleich schön warm ist. Über Nacht hat die Erfindung der Elektrizität das Badezimmer aus einer Eishölle in ein Badeparadies verwandelt. Er dreht die Dusche auf und nach wenigen Augenblicken kommt herrlich heißes Wasser aus dem Duschkopf. Sören zieht sich aus und steigt unter die Dusche. Er genießt die Wärme und bleibt ein paar Minuten einfach nur stehen. Dasselbe macht Klein-Sören. Der scheint sich heute Morgen gar nicht mehr beruhigen zu wollen. Aber ihm ist irgendwie nicht nach Selbstbefriedigung. Zu viele Gedanken gehen ihm durch den Kopf. Er ist definitiv in Dominik verschossen und hat Angst, dass es nur einseitig ist. Seine Signale kann er nicht wirklich deuten. Er kann es alles so oder so gemeint haben. Er ist sich auch gar nicht mehr sicher, ob Nicki wirklich schwul ist, oder vielleicht etwas ganz anderes hinter dieser merkwürdigen Geschichte steckt.

Nach dem Duschen stellt er sich vor den Spiegel und kann sich erst noch nicht sehen, weil der beschlagen ist. Mit einem Handtuch wischt er über den Spiegel und denkt dabei an seine Mutter, wie die schimpfen würde… "jetzt muss ich den putzen. Hättest du nicht die zwei Minuten warten können"… und grinst dabei. Sören schaut sich an. Schlank, aber nicht sonderlich muskulös, mit haarlosem Oberkörper. Erst zwischen Bauchnabel und Schambereich verlaufen einige golden schimmernde Haare. Er kann zufrieden mit sich sein. "Nix dolles, aber geht" spricht er halblaut zu sich selbst. Er putzt sich die Zähne, zieht sich an und macht etwas Gel in die blonden Haare.

Im Wohnzimmer räumt er ein wenig auf, legt noch Holz nach, stellt die benutzten Gläser in den Geschirrspüler und das Sofa wieder an seinen angestammten Platz. Danach beginnt er, das Frühstück vorzubereiten. Als die Brötchen gerade im Ofen aufbacken, nimmt er seine Zigarettenschachtel und geht mit Jacke und in Hausschuhen auf die Terrasse. Diese ist teilweise überdacht und daher am Haus noch schneefrei. Das Grundstück liegt direkt in den Dünen und so schauen aus der geschlossenen, hügeligen Schneedecke einige Dünengräser heraus. Er zündet sich eine Zigarette an. Er atmet dicke Qualmwolken aus. Über Nacht hat sich das Wetter beruhigt und der Himmel ist jetzt fast wolkenlos und blau. Dafür hat es gefroren. Die Schneedecke glitzert im frühen Sonnenlicht.

"Guten Morgen" hört er hinter sich und dreht sich um. In der geöffneten Terrassentür steht Nicki, nur in T-Shirt und Boxer bekleidet. Sören muss grinsen, der Anblick ist einfach zu süß. Der verschlafene Junge mit den wuscheligen Haaren, der sich den Schlaf aus den Augen reibt.

"Guten Morgen, Nicki! Ich hab für heute extra Sonnenschein bestellt."

Nicki grinst leicht und brummt nur zustimmend. "Ich geh denn mal unter die Dusche."

"Mach das. Handtücher sind in dem Regal neben dem Waschbecken. Bedien dich einfach."

Sören macht sich daran, das Frühstück zu vollenden. Er holt die Brötchen aus dem Ofen, stellt die Kaffeekanne auf das Stövchen und zündet eine Kerze an. Nach ein paar Minuten kommt Dominik aus dem Bad und hat nur ein Handtuch um die Lenden gebunden. Sören muss schlucken. Er muss sich zusammenreißen, damit er nicht über ihn herfällt, so sehr gefällt ihm das, was er da sieht. Ein schlanker Oberkörper mit einem kleinen Dreieck aus vereinzelten Haare auf der Brust, das Handtuch beult sich an der entscheiden Stelle ein klein wenig aus. Genug, um Sörens Phantasie ins Unermessliche zu treiben. Dominik merkt, wie Sören ihn anstarrt und wird rot.

"Äh, ich zieh mir eben was an. Bin gleich wieder da."

Sören steht da mit offenem Mund und kann nichts sagen. Ihm ist gerade bewusst geworden, dass sein Anstarren bemerkt wurde. Jetzt wird auch er rot.

Nach ein paar Minuten sitzen die beiden am Esstisch und frühstücken. Das peinliche Schweigen dauert eine ganze Weile.

"Was wollen wir heute machen? Kleiner Strandspaziergang gefällig?" fragt Sören.

"Au ja. Zeig mir mal die Nordsee. Ich war noch nie am Meer. Meine Eltern sind Bergfanatiker."

"Nicki, ich werd dir die Nordsee zu Füßen legen." grinst Sören.

Dominik legt seinen Kopf schief und grinst ihn an.

Nach dem Frühstück packen sich die beiden dick ein und gehen los. Durch die Dünen führt nur ein Trampelpfad, der im Schnee gar nicht zu erkennen ist. So stapfen sie durch den knirschenden Schnee querfeldein, bis sie die höchste Stelle erreicht haben. Von hier aus können sie die Nordsee sehen. Heute ist sie ruhig und plätschert nur leise an den schneebedeckten Strand. Dominik schaut wieder mit begeisterten Augen. Beide stehen nebeneinander. Sören sagt "Komm", greift Nickis Hand und zieht ihn mit. Beide laufen die Böschung Hand-in-Hand durch den Schnee herunter und halten erst kurz vor der Brandung an. Sie lachen sich an und lassen sich erst noch nicht los. Keiner spricht ein Wort. Sie schauen sich in die Augen und werden ernst.

"Du Nicki, ich muss dir was sagen."

"Ja, ich dir auch."

Dominik lässt Sörens Hand los. Die beiden gehen schweigend nebeneinander über den Strand. Sören ergreift als erster das Wort:

"Also ich sag es, wie es ist. Kurz und schmerzlos. Ich bin schwul und ich bin dabei, mich in dich zu verlieben. Wenn du jetzt wieder nach Deutschland willst und nichts mehr mit mir zu tun haben willst, kann ich das verstehen."

Dominik sagt nichts und schaut nach unten. Eine Minute Schweigen folgt.

"Bitte sag doch was, sag wenigstens dass du mich jetzt hasst oder so."

Sören wirkt fast hysterisch. Er stellt sich vor Dominik und hindert ihn so am Weitergehen.

"Nein, ich hasse dich nicht. Du bist der liebste Mensch, der mir je begegnet ist. Und ich will auch nicht weg von hier, nicht weg von dir."

Sören atmet etwas auf. Aber die eigentliche Antwort ist er ihm noch schuldig.

Nicki spricht weiter:

"Ich mag dich sehr. Aber ich weiß im Moment noch nicht, ob da mehr ist. Ich weiß auch nicht wirklich, ob ich schwul bin. Ich will es eigentlich nicht sein. Mir geht soviel durch den Kopf, ich weiß im Moment irgendwie gar nichts."

"Ob man schwul ist, sucht man sich ja nicht aus. Ob man es nun will oder nicht, entweder man ist es, oder man ist es nicht, Man muss es sich nur bewusst machen" entgegnet Sören.

"Ach Sören, durch meine Neigung habe ich bis jetzt nur Ärger gehabt. Ich weiß ja, dass du Recht hast, aber es ist alles nicht so einfach. Bitte lass mir etwas Zeit."

"Hej, Nicki. Ich will dich ganz bestimmt zu nichts drängen. Du weißt jetzt, was ich für dich empfinde. Du hast alle Zeit der Welt, dir klar zu werden. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag es nur, ich würd alles für dich tun."

"Danke, Sören. Du bist ein toller Mensch!"

Die beiden gehen noch eine ganze Weile still nebeneinander am Strand entlang. Nach einer Stunde kehren sie zum Ferienhaus zurück.

Sören macht einen Tee und die beiden setzen sich auf die Couch.

"Ich bin dir noch meine Geschichte schuldig" sagt Dominik und fängt an zu erzählen.

"Vor ungefähr einem Jahr war die Welt zu Hause noch in Ordnung. Mein Vater war zwar streng und altmodisch, aber irgendwie konnte man es doch aushalten. Mir war klar, dass ich meinen Eltern nie erzählen könnte, dass ich vielleicht anders bin. Die Sprüche gegen Schwule und Ausländer hatten immer unterstes Niveau. Na ja, er ist Bauarbeiter und liest nur die Zeitung mit den vier Buchstaben. Nichts gegen Bauarbeiter, aber er ist wirklich noch einer wie aus den Fünfziger Jahren. Ein ganzer Kerl halt. Das einzige, was zu Hause auf mein Schwulsein hindeuten konnte, war eine... na ja, Hochglanzbroschüre mit unbekleideten Männern. Die habe ich sowas von gut versteckt. Leider nicht gut genug. Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, wartete mein Vater schon in der Küche auf mich und hielt mir das Heft hin. 'Bist du einer von diesen Perversen?' fragte er mich. Ich habe nichts gesagt. Er wäre fast auf mich losgegangen, aber meine Mutter konnte das gerade noch verhindern. Seit dem habe ich mit ihm kein einziges Wort mehr gesprochen. Meine Mutter hat mir am Tag drauf eröffnet, dass mein Vater mich nur noch im Haus duldet, bis ich volljährig bin und dann vor die Tür setzt. Wir haben nicht einmal mehr zusammen gegessen. Meine Mutter hat mir immer das Essen ins Zimmer gebracht. Die erste Zeit hab ich nur geheult. Ich glaube zwar, dass meine Mutter mich nicht hasst, aber mein Vater hat nun mal zu Hause die Hosen an. Was er sagt, wird gemacht. Ohne wenn und aber. Nur zu meinem kleinen Bruder wurde das Verhältnis dadurch enger und besser. Er hat mich oft getröstet und mich in den Arm genommen. Er ist Sechzehn. Vorgestern hat meine Mutter dann zu mir gesagt, dass ich ja nun volljährig werde und gefragt, ob ich mir schon überlegt hätte, wie es weitergehen soll. Ich habe bis zu diesem Moment noch gedacht, dass er es nicht wahr machen würde. Aber da stand mein Entschluss fest. Ich habe meine Sachen gepackt, mein Sparbuch und meinen Ausweis genommen und bin los. Bis zu dieser Raststätte habe ich nicht gewusst, was aus mir werden soll und wohin ich kann. Und dann sprach mich dieser nette junge Mann an."

Sören kriegte den Mund nicht zu. "Das es solche Menschen heute noch gibt. Ich kann es kaum glauben. Die haben dich gar nicht verdient."

"Jetzt mag ich auch nicht mehr an die Vergangenheit denken. Ich will jetzt einfach ein bisschen die Zeit hier genießen, wenn ich darf."

"Und ob du das darfst. Was hältst du von ein wenig Wellness? Du hast ja gesehen, dass wir im Badezimmer so einen 2-Personen-Whirlpool haben. Wie wär's?"

"Wär cool. Aber ich habe keine Badehose dabei. Die hab ich im Winter nun wirklich nicht für nötig gehalten."

"Hm.. ich hab auch keine dabei. Ich gucke auch weg, wenn du einsteigst" grinst Sören.

Nicki grinst zurück "Okay, dann guck ich auch weg, oder tue zumindest so."

Während Sören Wasser in den Whirlpool lässt unterhalten sich die beiden über den nächsten Tag. Sie wollen einen Weihnachtsbaum besorgen und den so richtig schön schmücken. Da die Familie Lange ja immer Weihnachten in diesem Haus verbringt, ist der ganze Weihnachtsschmuck auch hier. Etwas besonders zu essen wollen sie kochen und es sich richtig gemütlich machen.

Als der Whirlpool fast gefüllt ist, schaltet Sören die Pumpe ein und beginnt, sich auszuziehen. Dominik steht mit verschränkten Armen ein Stück entfernt und beobachtet ihn dabei.

"Ähm, willst du angezogen in den Pool?"

Dominik räuspert sich nur und zieht sich auch aus. Als beide nur noch in Boxershorts vor der Wanne stehen, schauen sie sich an. Sören zuckt mit den Schultern, lässt die Boxer auf die Erde fallen und steigt schnell ein.

"Nu mach, ich guck jetzt weg" sagt er und dreht seinen Kopf zum Fenster. Dominik steigt so in den Whirlpool, dass sie sich gegenüber sitzen. Eine Weile sagen sie nichts und genießen das heiße, sprudelnde Wasser. Ab und zu berühren sich zufällig ihre Beine, aber jedes Mal bleibt es bei einer kurzen Berührung.

"Mit wie vielen Jungs hast du denn schon hier im Pool gesessen?" fragt Nicki und grinst Sören schelmisch an.

"Um ehrlich zu sein, bisher nur mit meinem besten Freund. Einen Freund hatte ich bis jetzt noch nicht."

"Echt nicht? Ich dachte schon, ich bin der einzige, der mit 17 noch nie einen Freund hatte."

"Nee, und um ganz ehrlich zu sein, war da auch sonst noch nichts, wenn du weißt, was ich meine. Ich bin einfach zu schüchtern. Und außerdem will ich eine richtige Beziehung und kein Sexabenteuer."

"Hm, da haben wir denn wohl noch was gemeinsam."

Sören wird mutiger und lehnt sein linkes Bein an das rechte von Dominik. Der guckt ihn kurz an, schaut dann zur Seite, zieht sein Bein aber nicht weg.

"Soll ich das Bein wieder weg..." beginnt Sören.

"Nee, lass ruhig” sagt Nicki und schaut ihn an, mit einem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht.

Die beiden unterhalten sich noch über Nickis Leben. Nach dem Ärger zu Hause hat er sich mit Lernen abgelenkt. Sein Zeugnisdurchschnitt kann sich mittlerweile ganz schön sehen lassen. Echte Freunde hat er nicht, nur eben ein paar Bekannte, mit denen er früher am Wochenende mal einen Trinken oder in die Disco gegangen ist. Doch das ist im letzten Jahr fast ganz eingeschlafen. Wirkliches Vertrauen konnte er zu niemandem mehr aufbauen und hat sich ziemlich abgesondert.

Sören erzählt von seinen Eltern und von seinem Outing bei Tobi.

"Mann, hoffentlich kommt das wieder in Ordnung. Du bist so ein toller Mensch, der Tobi wäre wirklich dumm, wenn er dich als Freund aufgeben würde."

"Danke. Na, man wird sehen. Irgendwie habe ich da kein gutes Gefühl. Aber wir sollten jetzt langsam mal rausgehen, wir kriegen sonst noch Schwimmhäute."

Sören steht auf und versucht gar nicht erst, etwas vor Nicki zu verbergen. Dieser kann sich nur schwer entscheiden, wo er hinschauen soll. Die Vertraulichkeiten zwischen beiden scheinen zuzunehmen. Sören hat zwar das Gefühl, dass Nicki irgendwie auftaut, aber ob der Interesse an einer Freundschaft oder an einer Beziehung hat, kann er noch nicht wirklich sagen.

Nach dem Abtrocknen und Anziehen gehen die beiden noch mal dick eingepackt ans Meer und spazieren ausgelassen und fröhlich nebeneinander her. Die zufälligen Berührungen werden häufiger und die Zeit verfliegt. Oben auf der Düne stehen sie dicht nebeneinander und schauen sich den Sonnenuntergang an.

Den Abend verbringen sie damit, nach dem Essen am Kaminfeuer zu sitzen und eine Flasche Wein zu trinken. Gegen 23 Uhr gehen sie ins Bett.

"Du Sören, du hast mir gestern Abend angeboten, dass ich etwas näher rücken darf, wenn mir kalt ist."

"Ja klar, das Angebot steht natürlich noch."

"Gilt es auch, wenn mir gar nicht kalt ist?"

"Ach Nicki" seufzt Sören "komm schon her."

Dominik rückt an ihn heran, legt seinen Kopf auf Sörens Schulter. Der nimmt Nicki fest in den Arm. Mit der anderen Hand streicht er über seinen Kopf, sein Gesicht, zeichnet zärtlich seine Augenbrauen nach.

"Wenn man Herzklopfen hat, den anderen nicht mehr loslassen möchte und sich gleichzeitig sauwohl und irgendwie komisch fühlt, ist man dann verliebt?" fragt Dominik.

"Ich glaub schon."

"Dann bin ich wohl verliebt."

"Da bist du nicht der einzige"

Sie umarmen sich fest und dann erleben beide den ersten vorsichtigen Kuss. Auf den folgen noch viele weitere. Langsam aber sicher werden die Küsse intensiver und schließlich leidenschaftlich. Mehr passiert an diesem Abend aber nicht und nach einer Weile schlafen sie, eng ineinander verschlungen, ein.

7. Steine auf dem Weg

Sören wacht von einem Geräusch auf. Es ist schon hell. Er schaut neben sich und findet ein leeres Bett vor. Eine plötzliche Ahnung versetzt ihn in Panik. Er springt aus dem Bett und läuft ins Wohnzimmer.

Dort ist es angenehm warm, der Frühstückstisch ist gedeckt, aber von Nicki ist nichts zu sehen. Aus dem Badezimmer hört er die Dusche rauschen. Er atmet auf. Nicki ist also nicht abgehauen. Er klopft laut an der Badezimmertür und ruft "Nicki, darf ich reinkommen?"

"Ich stehe gerade unter der Dusche. Aber komm ruhig rein."

Er öffnet die Tür und sieht, dass Nicki den Duschvorhang so hält, dass nur sein Kopf rausschaut. Er geht zu ihm, zögert kurz, aber als er das erwartungsvolle Gesicht sieht, gibt er ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Vor lauter Leidenschaft verliert Nicki die Kontrolle über den Duschvorhang, der rutscht ein Stück zur Seite und Sören kriegt einen Schwall Wasser auf sein T-Shirt. Beide lachen.

"Hej, dein T-Shirt ist nass. Du solltest es schnell ausziehen, damit du dich nicht erkältest" frotzelt Nicki mit einem schelmischen Blick.

Sören zögert nur eine Sekunde, dann streift er das T-Shirt über den Kopf und schaut Nicki erwartungsvoll an.

"Soll ich…" sagt er und zeigt auf die Dusche.

Anstatt zu antworten zieht Nicki den Duschvorhang zur Seite und macht etwas Platz in der Duschkabine.

Sörens Boxer landen schnell auf der Erde und in diesem Moment ist ihm seine Erregung gar nicht peinlich, denn er sieht, dass es Nicki da nicht anders geht. Das Vertrauen zwischen den beiden ist jetzt soweit, dass es ihnen alles andere als unangenehm ist.

Die beiden küssen und umarmen sich zärtlich unter dem warmen Wasser der Dusche. Nicki nimmt etwas Duschgel und verteilt es auf Sörens Brust. Der denkt in dem Moment nur "Ich glaub, das wird jetzt mein erstes Mal." Der Gedanke ist noch nicht ganz zu Ende gedacht, da wird das Wasser plötzlich nur noch lauwarm und dann eiskalt. Das ist eben der Nachteil eines Warmwasserboilers, wie er in dänischen Ferienhäusern üblich ist. Irgendwann ist das warme Wasser alle.

Beide machen kreischende Geräusche und weichen dem Wasserstrahl aus, bevor es Sören gelingt, das Wasser abzustellen. Ihre Erregung ist in diesen Sekunden in sich zusammengefallen.

Nach dem Schreck müssen beide lachen. Die erotische Stimmung ist zwar dahin, aber aufgeschoben ist ja ganz bestimmt nicht aufgehoben.

Beim Frühstück beschließen sie, als nächstes in die Stadt zu fahren und ein paar Besorgungen zu machen. In der Innenstadt von Varde trennen sich die beiden für eine Stunde, weil jeder noch eine Kleinigkeit zu Weihnachten besorgen will. Um zwölf Uhr treffen sie sich wieder auf dem Parkplatz, wo das Auto steht.

"Mann, wir waren jetzt nur eine Stunde getrennt. Trotzdem hab ich dich schon vermisst" meint Sören und Nicki nickt nur eifrig. Im Auto umarmen sie sich dann und geben sich einen langen Kuss.

Außerdem kaufen sie noch eine kleine Nordmanntanne auf einem Bauernhof in der Nähe. Gegen Mittag sind sie wieder im Ferienhaus. Die Tanne legen Sie erst einmal auf die Terrasse.

"Was hältst du davon, wenn wir noch ein Stündchen in den Whirlpool steigen, bevor wir den Tannenbaum aufstellen und das Weihnachtsessen machen?" fragt Nicki und der Schalk blitzt aus seinen Augen. Um Wellness geht es ihm wohl dabei eher nicht.

"Gerne. Aber diesmal guck ich nicht weg" grinst Sören und kriegt einen dicken Schmatzer und ein viel sagendes Grinsen.

Unter Küssen und Streicheln ziehen sie sich gegenseitig aus, während der Whirlpool voll läuft. Sie berühren sich aber nur am Oberkörper. Irgendwie findet noch keiner den Mut, auch andere Körperteile anzufassen.

Sie steigen in das heiße Wasser und setzen sich diesmal so hin, dass Nicki vor Sören sitzt und sich an ihn kuschelt. Sören streichelt über Nickis Brust, spielt vorsichtig mit dem Brustwarzen, streicht über den Bauch und zögert einen Moment, bevor er dann tiefer nach unten geht. Seitlich erreicht er die Schambehaarung und spürt dann Nickis stahlharten Schwanz, den er erst ganz zaghaft, dann fester umfasst. Nicki stöhnt leicht auf und ein Schauer geht durch seinen Körper. Ihre Münder und Zungen finden sich und Sören beginnt mit Wichsbewegungen.

"Hej, langsam, sonst ist gleich schon alles vorbei."

Sören dreht Nicki um und setzt ihn in die Ecke des Whirlpools, legt sich auf ihn. Sie küssen sich leidenschaftlich, dann verlässt Sörens Zunge Nickis Mund und geht auf Wanderschaft. Erst den Hals entlang, dann über die Brustwarzen, den Bauch herunter. Von Nickis Schwanz guckt nur die Spitze aus dem sprudelnden Wasser des Whirlpools. Sören hält sich die Nase zu und taucht mit seinem Kopf so weit ins Wasser, dass er Nickis Schwanz in den Mund nehmen kann. Der hält die Luft an und sieht Sterne. Als Sören anfängt zu saugen stöhnt Nicki leise. Durch das laute Geräusch der Pumpe hört er nicht, wie sich die Badezimmertür öffnet.

"Überraschung! Wir… ehm… wer bist du ???"

Eine für Nicki fremde Frau steht im Badezimmer und sieht ihn mit großen Augen an. In diesem Moment taucht Sören grinsend wieder auf, schaut hoch und sieht seine Mutter.

Er schüttelt sich und schaut noch mal genau hin.

"Mama? Wie kommst du denn hierher?"

"Mit dem Auto. Wir.. also.. wir wollten dich überraschen."

"Na, die Überraschung ist gelungen."

"Okay, also, Entschuldigung, dass ich hier einfach so reingeplatzt bin, also wir sind im Wohnzimmer, sorry..." sagt sie und macht die Badezimmertür von Außen zu.

Nicki schaut Sören ganz ängstlich an. "Ach du Scheiße, das gibt Ärger."

"Wieso Ärger? Es ist doch nur meine Mutter. Es ist ihr mindestens genau so peinlich wie uns. Sie wird dir nicht den Kopf abreißen. Bleib locker, Nicki!" sagt er und nimmt ihn fest in den Arm und gibt ihm dann einen Kuss.

Nachdem die beiden sich abgetrocknet und angezogen haben gehen sie ins Wohnzimmer, wo Sörens Eltern bei einer Tasse Kaffee am Esstisch sitzen. An der Terrassentür stehen einige Taschen und Kisten.

Sörens Vater ergreift als erster das Wort: "Hallo Sohnemann! Und hallo… ?"

"Das ist Dominik."

"Na denn Hallo Dominik" sagt Birte, steht auf, geht auf Nicki zu und hält ihm die Hand hin. "Entschuldige meinen Auftritt gerade, aber ich wollte eigentlich Sörens überraschtes Gesicht sehen, dass wir plötzlich hier sind, und nu hab ich halt in erster Linie dich überrascht. Wollte ich wirklich nicht, sei mir bitte nicht böse."

"K... kein Problem Frau Lange" stottert Nicki und schüttelt Birtes Hand.

"Falsch!" unterbricht sie ihn… "ich bin Birte. Und mein Mann heißt Jürgen. Nur fürs Protokoll" und lächelt ihn freundlich an.

"Setzt euch doch. Kaffee?" fragt Jürgen.

Während Sörens Vater den Kaffee einschenkt fragt Birte:

"Wie ich ihr euch vielleicht denken könnt, würden wir gerne wissen, wie es kommt, dass ihr plötzlich zu zweit seid. Also versteht es nicht falsch, es ist okay, aber Eltern sind nun mal von Natur aus neugierig."

Sören und Nicki erzählen die Geschichte. Vom Rauswurf zu Hause, wie sie sich kennen gelernt haben.

"Das darf ja wohl nicht wahr sein. Wenn ich deine Eltern in die Finger kriege." sagt Jürgen mit finsterer Mine.

"Jedenfalls bist du bei uns herzlich Willkommen! Hoffentlich stören wir jetzt nicht all zu sehr." sagt Sörens Mutter

"Nein, tut ihr nicht" beruhigt Sören sie.

"Sagt mal, ich meine, ich kann das ja auch fehl deuten, was ich da gerade im Badezimmer gesehen habe, aber, ehm, seid ihr jetzt ein Paar?"

Sören zögert einen Moment, hierüber hatten sie ja gar nicht gesprochen. Aber Nicki nimmt ihm die Antwort ab:

"Ja, sind wir. Birte, ich hab mich Hals über Kopf in deinen Sohn verliebt."

Sören strahlt über beide Wangen: "Und ich mich auch. Ja, wir sind zusammen."

"Na dann sollten wir ja eher eine Flasche Sekt aufmachen, als Kaffee zu trinken. Aber das können wir ja nachher noch. Jungs, ich hab eine Idee. Es ist ja jetzt kurz vor 14 Uhr. Jürgen und ich haben hier noch einige Weihnachtsvorbereitungen zu treffen. Könntet ihr vielleicht mal für eins – zwei Stunden verschwinden, an den Strand oder so?" An Nicki gewandt sagt sie: "Weihnachtsvorbereitungen sind nämlich bei Langes Elternsache!"

"Klar, Mama!"

Nicki geht noch schnell auf die Toilette und Sörens Mutter nutzt die Zeit, ihrem Sohn noch einige Fragen zu stellen:

"Ein süßer Junge dein Dominik! Was meinst du, sollten wir ihm anbieten, dass er erstmal bei uns wohnen kann, bis das mit seinen Eltern geklärt ist?"

"Das wär toll. Aber ich glaube nicht, dass sich das mit den Eltern überhaupt klären lässt."

"Hm, ich werde das gleich mal mit deinem Vater besprechen. Sag ihm noch nichts, okay?"

"Ja, Danke, Mum!" sagt Sören und nimmt seine Mutter fest in den Arm.

8. Süßer die Glocken nie klingen

Inzwischen ist Nicki aus dem Schlafzimmer zurück und hat seine Winterjacke und -schuhe angezogen. Sören beeilt sich, das auch zu tun und schon spazieren die beiden Hand-in-Hand über das Grundstück auf die Dünen zu. Der Himmel hat sich inzwischen wieder zugezogen, dicke Schneewolken treiben von der Nordsee her übers Land.

"Deine Eltern sind toll. Ich wünschte, meine wären auch so."

"Sie haben natürlich auch ihre Macken, aber im Großen und Ganzen bin ich schon echt zufrieden mit denen."

"Was meinst du, wollen sie, dass ich gehe?"

"Nein! Auf keinen Fall! Ich glaube, sie mögen dich. Und außerdem könnten sie es nicht mit ansehen, wie sie mir damit das Herz brechen würden."

"Okay. Wär ja wirklich toll, wenn ich erstmal bleiben könnte. Übrigens wollte ich dir eigentlich lieber direkt sagen, dass ich dich liebe. Und nicht mit dem Umweg über deine Mutter."

Sören hält an, schlingt seine Arme um Nicki und küsst ihn.

"Es ist trotzdem angekommen. Ich liebe dich auch, mein Nicki! Aber unser erstes Mal scheint irgendwie unter einem schlechten Stern zu stehen. Irgendwie kommt immer was dazwischen, kaltes Wasser oder meine Eltern" grinst Sören.

"Dafür bleibt's spannend."

"Och ich glaube, langweilig wird das auch danach nicht werden."

Als sie am Dünengipfel ankommen, spüren sie eiskalten Westwind. Die Nordsee ist rau und aufgewühlt. Die Brandung ist laut und weiß schäumend. Langsam, wieder Händchen haltend, steigen sie an den Strand runter.

"Brrr… wenn der Wind geht, kommt es einem gleich 20 Grad kälter vor. Das sollen wir jetzt 2 Stunden durchhalten?"

"Ja, Nicki.. wir müssen. Mein Dad stellt den Baum auf und schmückt ihn, meine Mum macht das Essen. Dann kommen die Geschenke unter den Baum. Dann dürfen wir erst wieder ins Wohnzimmer. Dann wird gegessen, was gesungen und dann gibt's die Geschenke. War das früher bei euch nicht so?"

"Nicht so feierlich irgendwie. Einen Weihnachtsbaum gab es schon, ja. Aber kein Brimborium. Geschenke wurden ausgepackt, danach gegessen. Meistens Kartoffelsalat mit Würstchen. Meine Mutter ging dann meistens alleine in die Kirche und fertig. Und letztes Jahr Weihnachten hab ich mit Bastian, meinem Bruder, in meinem Zimmer gesessen und nur geheult."

"Na, das ist ja jetzt vorbei. Du hast anständige Menschen kennen gelernt. Ob da oben wohl einer ist, der dich zu diesem Rastplatz geführt hat und auch noch dafür gesorgt hat, dass ich ausgerechnet in diesem Moment pinkeln musste?"

"Keine Ahnung. Wenn du mich noch vor 3 Tagen gefragt hättest, hätte ich dir gesagt, dass er, wenn es ihn gibt, seinen Job verdammt schlecht macht. Aber heute sieht die Welt ja schon wieder anders aus."

Die beiden sind mittlerweile wieder in den Dünen unterwegs, weil der Wind am Strand doch im Moment zu kalt ist. Weil sie keine Handschuhe anhaben, hat Sören seine rechte Hand mit in die Jacke von Nicki gesteckt, damit sie sich trotzdem an den Händen halten können.

Nach etwa einer Stunde ist ihnen einfach zu kalt um weiter zu laufen und sie kehren zum Haus zurück. Die Vorhänge sind zugezogen und das Wohnzimmer ist schummerig beleuchtet. Sören klopft vorsichtig an der Terrassentür.

Aus dem Haus kommt nur ein "Momeeeeent", nach einer Minute kommt Sörens Vater heraus mit zwei Geschirrhandtüchern.

"So Jungs, wir sind noch nicht ganz fertig. Ich muss euch jetzt die Augen verbinden und euch in euer Schlafzimmer führen. Befehl vom Chef."

Die beiden schauen sich etwas sparsam an, fügen sich denn aber. Sörens Vater nimmt die Jungs an die Hand und nimmt ihnen erst im Schlafzimmer wieder die Augenbinden ab.

"So, ihr habt jetzt noch ne halbe Stunde Zeit. Nicht genug, um unanständige Dinge zu machen" meint Jürgen, zwinkert ihnen zu und lässt sie alleine.

"Mensch, dein Daddy ist echt cool. Und durch dieses ganze Weihnachts-Tamtam fühlt man sich irgendwie wieder wie ein Kind, oder?"

"Ja, fühlt man sich wirklich. Aber ich kenne es nicht anders. Meine Eltern bestehen jedes Jahr darauf und irgendwie find ich es auch schön."

"Also ich finde es auch schön. Ich freu mich jetzt richtig drauf, auch wenn ich keine Geschenke kriege."

"Ach die Geschenke sind eigentlich nicht das wichtigste finde ich. Irgendwie die Tradition und die schönen Gefühle, die man so hat sind mir wichtiger. Außerdem hab ich dieses Jahr mein bestes Geschenk schon vorher gekriegt."

"So, was denn?"

"Na, dich!" sagt Sören und küsst Nicki leidenschaftlich. Kurz drauf hört man ein Klingeln aus dem Wohnzimmer.

"Es geht los. Das Christkind war da."

Beide beeilen sich und öffnen die Schlafzimmertür. Sie finden einen Raum vor, der kaum wieder zu erkennen ist. Ein liebevoll in rot und gold geschmückter Baum, überall brennen Kerzen, leise Weihnachtsmusik im Hintergrund, zwei strahlende Eltern und vier strahlende Jungenaugen. Es duftet sogar irgendwie anders. So eine Mischung aus Braten, Tannenduft und Räuchermännchen. Auf dem Wohnzimmertisch steht ein Adventskranz und liegen Süßigkeiten, der Esstisch ist feierlich gedeckt mit Stoffservietten, mehreren Gläsern und Bestecksätzen für jeden. In der Mitte steht eine kleine dänische Fahne, links und rechts davon stehen Kerzen und liegt Tannengrün. Insbesondere Nicki ist sichtlich beeindruckt. Er ist richtig gerührt und hat feuchte Augen.

"Frohe Weihnachten" fängt Jürgen an und alle stimmen in diesen Wunsch ein. Sören wird von seinen Eltern nacheinander in den Arm genommen. Nicki steht erst etwas abseits, dann kommt Birte auch zu ihm und nimmt ihn in den Arm. Als Jürgen Nicki auch in den Arm nimmt, ist bei ihm der Damm gebrochen. Er heult Rotz und Wasser.

Sören hält ihn fest und sie setzen sich auf das Sofa. Nach ein paar Minuten hat sich wieder gefangen.

"Entschuldigt, aber so feierlich habe ich Weihnachten noch nie erlebt. Und meine Eltern haben mich nie in den Arm genommen."

"Naja" beginnt Birte "so ganz normal sind wir vielleicht auch nicht. Halt ein sentimentaler Haufen. Aber wir können dich verstehen. Außerdem dürfen in unserem Haus Jungs so viel weinen, wie sie wollen."

Dann setzen sie sich an den Esstisch und Birte beginnt, das Abendessen aufzutragen. Drei Gänge mit drei verschiedenen Weinen dazu, alles vom Feinsten! Die Stimmung ist ausgelassen, das Essen schmeckt hervorragend und der Wein tut das Übrige dazu. Nach dem Dessert helfen sie schnell noch, das Geschirr in den Geschirrspüler zu räumen und ein wenig aufzuräumen.

"Sag mal Mum, bei dem Trubel heute hab ich ganz vergessen zu fragen, wieso ihr doch kommen konntet und wie lange ihr bleiben könnt."

"Nur bis Morgen Mittag. Dein Vater hatte bis heute Morgen um 6 Uhr Bereitschaftsdienst und hat ab Morgen Abend 22 Uhr wieder Dienst. Aber die Stunden wollten wir einfach nutzen, damit wir Weihnachten zusammen verbringen können."

"Ich freu mich echt, dass ihr da seid."

"Wir uns auch. So und jetzt lasst uns mal rüber ins Wohnzimmer gehen. Habt ihr schon überlegt, welches Lied ihr uns vorsingen wollt?"

"Na, am bestens eins, was wir beide kennen. Kurz und schmerzlos. Nicki, wie wär's mit 'Süßer die Glocken nie klingen'? Kennste das?"

"Ja, da kenn ich sogar den Text. Also los."

Dafür, dass die beiden vorher nicht geübt hatten, konnte sich ihr Vortrag sogar hören lassen. Die Eltern klatschten am Ende des Liedes.

"So, jetzt gibt's die Geschenke. Sören, fang du mal an"

Unter dem Tannenbaum liegt nicht allzu viel, drei kleine Päckchen und ein Umschlag. Ein Päckchen ist mit "Sören" beschriftet. Sören nimmt es sich, setzt sich wieder und packt es aus. Es enthält eine Digitalkamera. Sören hatte zwar zu Hause schon mal erzählt, dass er sich eine kaufen will, aber hätte nicht gedacht, dass er sie jetzt zu Weihnachten bekommt. Und eine so gute und wahrscheinlich teure hätte er sich selbst nie geleistet.

"Danke euch. Dass ihr daran gedacht habt. Toll. Ich freu mich echt total" strahlt er seine Eltern an.

Die anderen beiden Pakete sind für Sörens Eltern. Birte bekommt von ihrem Mann zwei Bücher und ein Flugticket nach London, zum Shoppingtrip. Jürgen von seiner Frau einen Bilderrahmen fürs Büro mit einem aktuellen Familienbild und ebenfalls ein Flugticket nach London. Besonders überrascht scheinen die beiden darüber nicht zu sein. Kein Wunder, wenn man sich etwas gegenseitig schenkt.

"Meine Geschenke für euch liegen natürlich noch in Gelsenkirchen. Ich konnte ja damit nicht rechnen."

"Kein Problem, mein Junge. Das haben wir uns ja schon gedacht. Aber Dominik, schau doch mal unter den Baum, da liegt ja noch was" sagt Jürgen.

Er guckt skeptisch, steht dann auf und holt den Umschlag, auf dem eindeutig "Dominik" steht. Er schaut fragend in die Runde.

"Gibt es hier noch jemanden, der Dominik heißt" fragt Birte und sagt "Nun mach schon auf!"

Nicki macht den Umschlag auf, holt ein Blatt Papier heraus, liest es und fängt plötzlich laut an, herzzerreißend zu schluchzen. Tränen kullern über seine Wangen und tropfen auf das Papier.

ZUKUNFTSGARANTIE

Hiermit versichern Birte, Jürgen und Sören Lange, dass Dominik im Hause Lange jederzeit herzlich willkommen ist. Er kann dort wohnen und bleiben, so lange er möchte. Im Gegenzug verpflichtet sich Dominik, sich ab sofort keine Sorgen mehr um seine Zukunft zu machen.

Hvide Sande, Dänemark, Heiligabend

Dominik kriegt sich gar nicht mehr ein. Er heult Rotz und Wasser. Sören nimmt ihn in den Arm und drückt ihn, wischt ihm dann mit einem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht. Nicki schnäuzt sich kräftig.

"Ich.. ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ihr seid alle so lieb und gut zu mir. Vielen, vielen Dank, ich wisst gar nicht, was mir das bedeutet."

Birte schaut nur lieb, steht auf uns breitet ihre Arme aus. Nicki steht auf und lässt sich fest von ihr drücken.

"Wie gesagt, herzlich Willkommen in unserer Familie."

Sören strahlt seine Eltern an. Sie haben auch ihm damit ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk gemacht. Er geht schnell ins Schlafzimmer, um sein Geschenk für Nicki zu holen. Als er die Tür des dunklen Zimmers öffnet, sieht er noch, wie die Beleuchtung seines Handys gerade ausgeht.

Er nimmt das Gerät vom Nachttisch und sieht, dass er eine SMS bekommen hat.

VON: TOBI-Handy

Hi Großa! Frohe Weihnachten! Bist du zu Hause? Kann ich vorbeikommen? Gruß Tobi

Er setzt sich auf das Bett und denkt einen Moment nach. Ein gutes Zeichen, sicherlich. Nicki steht in der Tür.

"Ist was?"

"Ja, Tobi hat mir ne SMS geschrieben. Wenn ich in Deutschland wäre, würde er vorbeikommen wollen."

"Hej, das is ja super."

"Ja, ist es. Er hat mich 'Großa' genannt, wie früher immer. Ich antworte ihm nachher. Erst hab ich ja auch noch ne Kleinigkeit für dich."

Sören holt ein kleines Päckchen aus dem Kleiderschrank und gibt es ihm.

"Frohe Weihnachten mein Nicki! Ich hab dich lieb!

Dafür kriegt er einen dicken Kuss und wieder die glänzenden Augen geschenkt. Dominik öffnet das Päckchen. Er findet ein rotes Plüschherz mit einem Anhänger, auf dem steht "Das ist mein Herz. Ich schenke es dir. Pass gut drauf auf. In Liebe Dein Sören"

Eine heftige Umarmung und ein dicker Kuss folgen. Dann macht Sören sein Geschenk auf. Ein Schlüsselanhänger mit einem Passbild von Nicki, was er wohl in der einen Stunde in der Stadt gemacht haben muss. Auf der Rückseite steht "Das ist meiner."

Nach einem weiteren langen Kuss gehen die beiden zurück ins Wohnzimmer. Sören nimmt sein Handy mit und auf dem Sofa antwortet er auf die SMS von Tobi:

"Hi Kleina, auch frohe Weihnachten! Bin zurzeit in Dänemark. Kannst aber gerne vorbeikommen, wenn du willst *g*"

Jürgen steht an der Terrassentür und schaut raus.

"Hej, Leute! Es schneit gerade wieder. Ganz dicke Flocken. Was haltet ihr von einem kleinen Schneespaziergang?"

Da alle einverstanden sind, machen sich die vier nach kurzer Zeit auf den Weg. Die Flocken sind so dick, dass ihre Mützen oder Kapuzen schon bald eine weiße Haube bekommen. Die beiden Jungs laufen vor und Sören fängt an, Schneebälle auf seinen Vater zu werfen. Der reagiert prompt und bald ist eine kleine Schneeballschlacht im Gange. Sie sind ausgelassen und vergnügt. Sie benehmen sich zwar wie Kinder, aber es stört niemanden. Sogar Birte macht mit. Als sie nach einer Dreiviertelstunde wieder am Ferienhaus sind, machen sie es sich vor dem Kaminfeuer bequem und Birte macht eine Flasche Champagner auf.

"Wir haben noch gar nicht auf euch angestoßen. Ihr seid echt ein süßes Paar. Und Dominik, an dich kann man sich echt schnell gewöhnen. "

"Danke, Birte. Ihr beide seid auch echt toll. Ich weiß gar nicht, womit Sören euch verdient hat."

Damit hatte sich Nicki natürlich sofort einen Pieks in die Seite eingehandelt.

Es wird ein langer und schöner Abend. Gegen 1 Uhr gehen sie dann ins Bett. Die Eltern haben das kleine Schlafzimmer genommen, um nicht wegen einer Nacht alles umräumen zu müssen.

Als Sören sich gerade auszieht, sieht er, dass noch eine SMS von Tobi angekommen ist:

Hej Großa, für heute Abend ein bissl weit. Pech, wenn du abhaust. Kriegste dein Geschenk halt später. Tobi"

Sören grinst. Tobi hat also wirklich wohl keine Probleme mehr damit, dass er schwul ist. Und sogar ein Weihnachtsgeschenk. Er wird ihm wohl auch noch etwas besorgen müssen. Und er hat auch schon eine Idee.

Nicki kommt aus dem Badezimmer und hat nur noch ein T-Shirt und eine enge Boxer an. Er schlüpft unter die Bettdecke zu Sören und kuschelt sich direkt an. Ihre Münder finden sich und Nickis Hand gleitet zielsicher in Sörens Unterhose. Was er dort vorfindet, hat schon seinen Betriebszustand erreicht. Er umfasst Sörens Ständer zärtlich und zieht die Vorhaut ganz zurück. Sören stöhnt leicht auf.

"Du Nicki, du solltest wissen, dass man hier durch die dünnen Holzwände jedes Geräusch genau hört."

Genau in diesem Moment hören die beiden leise Schnarchgeräusche aus dem Schlafzimmer nebenan.

Nicki seufzt "Lange kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich will endlich mit dir das machen, was ich mir schon oft in meiner Phantasie vorgestellt habe."

"Wie, Fesseln, Knebeln und Auspeitschen?"

Nicki grinst teuflisch. "Mindestens. Nee, wenn du auf so was stehst, dann musste dir wohl einen anderen Auspeitscher suchen."

"Nee" lacht Sören "ich brauch keinen Auspeitscher. Ich brauche jemanden, der zärtlich und lieb und manchmal vielleicht auch bisschen versaut ist."

"Check! Volle Kompatibilität!"

Zu mehr als noch ein wenig Knutschen kommt es heute Abend nicht mehr. Als ein Knäuel aus Armen und Beinen, total ineinander verschlungen, schlafen sie beide mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

9. Endlich alleine

An diesem Morgen wachen beide gleichzeitig durch ein Klopfen an der Tür auf. Sie sind immer noch mit Armen und Beinen ineinander verschlungen.

"Guten Morgen ihr Schlafmützen. Wir müssen gleich los, wollt ihr noch frühstücken?"

Sören räuspert sich, weil er einen Frosch im Hals hat.

"Ja, Mama, wir kommen sofort."

Nicki reibt sich den Schlaf aus den Augen und blinzelt Sören an.

"Guten Morgen, mein Hase. Ich hab vielleicht gut geschlafen."

"Ja ich auch, Nicki" sagt er und schaut auf seine Uhr. "Au weia, schon 11 Uhr durch."

Die beide entknoten sich und stehen auf. Sie gehen im Schlafzeug ins Wohnzimmer. Sörens Mutter putzt gerade in der Küche, während Jürgen gerade die Taschen ins Auto packt. Der Frühstückstisch ist feierlich gedeckt.

Nach einer Tasse Kaffe fragt Birte:

"Du Dominik, was hältst du davon, wenn ich mal mit deiner Mutter telefoniere. So von Frau zu Frau. Vielleicht kann ich da ja irgendwie was retten."

"Hm, ich weiß nicht. Also meine Mama hasst mich bestimmt nicht. Aber wenn mein Vater eine Entscheidung getroffen hat, dass ist das endgültig."

"Na ja, vielleicht setzt sich ja auch mal durch. Oder kommt dich wenigstens ab und zu mal bei uns besuchen, damit du den Kontakt zu deiner Mutter nicht ganz verlierst. Und zu deinem Bruder natürlich."

"Versuchen kannst du es. Ich schreib dir mal die Telefonnummer auf. Ach ja, unser Nachname ist Schneider."

"Werde ich. Außerdem sind ja noch Formalitäten zu regeln. Die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt und so was. Und ich fänds nicht so gut, wenn deine Eltern dich verstoßen und weiterhin Kindergeld für dich kassieren. Also versteh das nicht falsch, uns geht's bestimmt nicht ums Geld, aber das steht dir zu. Wenigstens das."

"An so was hab ich ja noch gar nicht gedacht. Dann bin ich ja doch nicht völlig mittellos. Ach ja, was ich auch noch habe, ist ein Sparbuch. Da sind ein paar Tausend Euro drauf. Ich könnte also für meinen Unterhalt bezahlen."

"Jaja, soweit kommt es noch. Hast du eigentlich gar keine Verwandten, Großeltern, Tanten, Onkels oder so?"

"Meine Großeltern sind schon alle tot. Meine Eltern sind ja auch schon recht alt. Meine Mutter war fast 40, als sie mich bekam. Und mein Vater geht nächstes Jahr in Rente. Meine Mutter hat nur eine jüngere Schwester, die in England lebt. Die kenne ich aber kaum. Und mehr sind da nicht."

"Na gut. Ich ruf die Tage da mal an und sag euch denn gleich Bescheid, was sie meinte. Aber nu müssen wir los. Jürgen hat ja heute Abend Dienst."

Vor dem Haus verabschieden sich die vier voneinander und natürlich nehmen Sörens Eltern Nicki auch wieder in den Arm und drücken ihn fest.

"Ich glaube, wir legen noch ein Weihnachtsgeschenk nach, wir kaufen ein größeres Bett für euch" meint Jürgen "aber damit warten wir noch, bis ihr wieder da seid. Ihr sollt es ja selbst aussuchen."

Dann fahren sie weg und die beiden sind wieder allein. Sie räumen den Frühstückstisch ab und stellen die Lebensmittel wieder in den Kühlschrank.

"Ich geh eben duschen. Und du kannst NACH mir duschen. Beide zusammen endet doch nur wieder mit einer eiskalten Überraschung" sagt Sören und streift sich das T-Shirt über den Kopf.

"Okayokay, dann beeil dich aber. Wenn du so halbnackt vor mir rumläufst kannst du nicht erwarten, dass ich mich hier lange zurückhalte."

Sören grinst und zieht seine Boxershorts langsam und genüsslich wie ein Striptänzer aus. Gerade als Nicki auf ihn zukommt und eingreifen will, dreht er sich um und verschwindet im Badezimmer.

Das Duschen geht schnell. Als Sören sich abtrocknet, steht Nicki schon unter der Dusche. Sören geht ins Schlafzimmer und legt sich nackt aufs Bett. Nach zwei Minuten kommt Nicki nach und hat wieder nur ein Handtuch umgeschlungen. Als er seinen Freund sieht, lässt er das Handtuch fallen und legt sich auf ihn. Ihre Münder verschmelzen und beide spüren die harten Tatsachen, die zwischen ihnen auf ihren Einsatz warten.

So ähnlich wie der letzte Versuch im Whirlpool ist nun Nickis Zunge auf Wanderschaft. Er leckt und knabbert an einem Ohrläppchen, dann am Hals, den Brustwarzen. Sie wandert den Bauch herunter, dann an die Innenseiten der Oberschenkel. Sören zittert am ganzen Körper. Er denkt noch "Wenn jetzt was dazwischen kommt, dann ist es mir egal." Nickis Zunge berührt seinen Sack, leckt vorsichtig darüber und leckt dann ganz zärtlich den Schwanz bis zur Spitze. Mit einer Hand zieht er die Vorhaut ganz zurück. Dann öffnen sich seine Lippen und er nimmt die Eichel in den Mund. Sören stöhnt auf. Nickis Kopf bewegt sich vor und zurück und Sörens Atmen wird schneller und lauter.

"Langsam, langsam! Ich komme gleich schon!"

Aber Nicki wird nicht langsamer, gierig bläst er immer schneller und als er merkt, wie Sören sich dem Orgasmus nähert, wichst er mit einer Hand und leckt ihm dabei die Eier. Mit mehreren kräftigen Spritzer kommt er laut stöhnend und spritzt sein Sperma dabei auf seinen Bauch.

Sören zittert noch am ganzen Körper und schaut etwas verdutzt, dass Nicki sich so beeilt hat.

"Tschuldigung, aber ich konnte nicht mehr warten. Fast hätte ich sogar bis zum Schluss geblasen, so geil bin ich auf dich."

Ohne etwas zu sagen gibt Sören ihm einen gierigen Zungenkuss und dreht jetzt den Spieß um. Auch bei Nicki dauert es nicht lange, bis er kommt.

Danach kuscheln die beiden und knutschen noch eine Weile.

"Der Mist ist, dass das Wasser noch nicht wieder warm geworden ist und wir mit dem Duschen noch warten müssen" sagt Sören.

"Hm.. macht nix. Ich finde nichts von dir eklig" sagt Nicki und spielt mit dem Zeigefinger in der kleinen Pfütze auf Sörens Bauch.

"Hm, geht mir genauso, aber ist ja nicht safe."

"Na ja, wenn wir beide bis eben noch Jungfrauen waren, kann doch eigentlich nix sein, oder?"

"Richtig. Ich gehe außerdem immer zum Blutspenden. Da machen die ja immer nen Test."

"Und ich war letztes Jahr im Krankenhaus. Da haben die auch alles Mögliche getestet, auch HIV."

"Dann hätten wir das ja geklärt" grinst Sören.

Die beiden kuscheln noch eine Weile und gehen dann, jeder für sich, noch mal kurz unter die Dusche. Den ersten Weihnachtstag verbringen sie ruhig und romantisch. Gegen Abend klingelt Sörens Handy.

"Sören Lange"

"Ja, hier auch Lange. Wir sind wieder zu Hause. Sind gut durchgekommen. Wollten uns nur eben melden."

"Ja prima, Mum. Danke nochmal für alles.”

"Aber gerne, Junior. Macht euch noch schöne Tage. Wann wollt ihr denn wieder nach Hause kommen?"

"Keine Ahnung. Ich denke, wohl erst im neuen Jahr. Nicki hat ja noch Ferien."

"Ach ja, frag ihn mal, ob wir ihn schon mal ummelden sollen an das Gymnasium bei uns hier oder ob er lieber nach Dortmund pendeln will."

"Okay, mach ich. Dann bis bald, Mama!"

"Tschüss mein Schatz, und grüß Dominik schön!"

10. Zu Dritt ist es auch schön

Kaum hat er aufgelegt, klingelt das Telefon erneut. Er meldet sich.

"Hi Großa! Ich bin's! Eigentlich wollte ich dich überraschen, aber ich find den verdammten Weg nicht mehr."

"Wie, du findest den Weg nicht, wo bist du denn?"

"Ich bin in Varde und weiß nicht, in welche Richtung ich abbiegen soll. Esbjerg oder Ringkøbing?"

"Du.. du bist hier ? Das gibt's ja gar nicht. Nørre Nebel, du musst nach Nørre Nebel. Und danach immer geradeaus bis zum Sparmarkt, danach die zweite links."

"Ah, ich seh gerade ein Schild... japp, gefunden. In zwanzig Minuten bin ich da. Freust dich scheinbar gar nicht?"

"Doch, doch. Ich freu mich total. Gibt nur noch einiges, was ich dir erklären muss. Aber das mach ich dann gleich hier. Fahr vorsichtig, Kleina."

"Mach ich doch fast immer. Also bis gleich."

Durch die Gesprächsfetzen hatte Nicki schon mitbekommen, dass Tobi am Telefon war und wohl gleich hier sein wird.

"Hej Hase, das ist doch toll. Du siehst, er hat dich immer noch gerne, wenn er sogar hier herkommt."

"Ja, ich freu mich auch. Nur wird er sich wundern, wer du bist. Ich hab ihm ja noch gar nichts von dir erzählt."

"Dann überrascht ihr euch halt gegenseitig. Ich hoffe nur, er ist nicht eifersüchtig, dass ich dich ihm praktisch weggenommen habe."

"Ach nee, ich glaub nicht. Er hat ja ganz oft Freundinnen. Da bin ich ja auch nicht eifersüchtig."

Die beiden nutzen die Zeit noch, um das kleine Schlafzimmer herzurichten. Sörens Mutter hatte zwar die Bettwäsche bereits abgezogen und mit nach Deutschland genommen, aber das Bett noch nicht wieder bezogen, was die beiden nun tun.

Etwa ein halbe Stunde nach dem Anruf fährt ein alter Opel Astra laut hupend auf das Grundstück. Sören läuft raus und bleibt erwartungsvoll vor dem Auto stehen. Tobias steigt aus und zögert einen Moment, dann geht er einen Schritt auf Sören zu und nimmt ihn fest in den Arm.

"Hej, Großa. Tut gut, dich wieder zu haben. Ich war wohl ziemlich dämlich."

"Schon okay, ich freu mich, dass du hier bist."

Tobias ist einen halben Kopf kleiner als Sören und hat rotblonde, kurze Haare. In der Schule ist er oft 'Boris' genannt worden, in Anlehnung an den Haarschopf und die Sommersprossen des Tennisstars.

Tobi sieht über Sörens Schulter Nicki in der Tür stehen, löst sich aus der Umarmung und fragt:

"Du Sören, wer isn das?"

"Ja, ehm, das muss ich dir wohl erklären. Das ist Dominik. Wir sind zusammen."

"Aha, schon lange?"

"Nee, seit... eigentlich erst seit gestern."

"Ach so, ich dachte schon, du hättest mir das auch verschwiegen."

"Nee, das war wirklich das Einzige. So nu komm rein. Ich stell ihn dir vor."

Sören stellt die beiden einander vor. Sie begrüßen sich freundlich lächelnd mit einem Handschlag.

"Ich hab mir gedacht, so ganz alleine kann ich dich hier oben ja nicht lassen. Ich wusste ja nicht, dass du gar nicht alleine bist."

"Das hat sich auch so ergeben" meint Sören und die beiden erzählen Tobi die ganze Geschichte. Okay, ein paar Kleinigkeiten lassen sie aus. Er muss ja nicht unbedingt erfahren, wie unerotisch kaltes Wasser ist und wobei Birte die beiden erwischt hat.

"Mann, hört sich ja an wie in einem Roman. Müsst ihr unbedingt mal aufschreiben."

"Machen wir mal. Du sag mal, hast du Hunger?"

Tobi bejaht und Sören macht sich daran, aus den Resten vom Vorabend was Leckeres zu zaubern. Was ihm auch gelingt.

Nach dem Essen machen die drei noch einen Strandspaziergang im Dunklen. Die Nordsee hat sich wieder beruhigt und plätschert wieder nur träge an den Strand. Sören hat eine Taschenlampe mitgenommen und gerade als sie ans Wasser kommen, reißt die Wolkendecke auf und der Mond ist zu sehen.

Nach einer Weile sitzen sie am Kamin und unterhalten sich bei einer Flasche Wein.

"Sag mal Sören, seit wann weißt du eigentlich, dass du schwul bist?"

"Hm, schon ziemlich lange. Ich glaub, mit Fünfzehn war es mir dann völlig klar. Du hast mir immer von den tollen Titten unserer Mitschülerinnen vorgeschwärmt. Mich hat das ziemlich kalt gelassen. Ich fand dich damals ziemlich toll und hätte alles dafür getan, mit dir mein erstes Mal zu erleben "grinst Sören "aber das ist lange vorbei. Später war mir dann unsere Freundschaft wichtiger."

"Hm, hättest du mal was gesagt. Damals hätte ich bestimmt mitgemacht. Ich hab mir immer jemanden zum Rummachen und Üben gewünscht, mich aber nie getraut, dich zu fragen."

"Na ja, vielleicht war es ja besser so, dass es nicht passiert ist. Du hättest mir damit wahrscheinlich völlig den Kopf verdreht und ich hätte noch mehr gelitten, als du mir dann siedendheiß von deinem ersten Mal mit einem Mädchen erzählt hast."

"Hm, was hast du denn gefühlt, als ich es dir erzählt habe? Das mit Sandra damals."

"Naja, meine allerletzte Hoffnung wurde da zerstört. Aber ich hab zu der Zeit für Manuel geschwärmt."

"Manuel Klotzer? Ach du Scheiße, der ist doch ein totaler Macho."

"Naja, mein Geschmack hat sich seit damals ganz schön verändert."

"Er ist deutlich besser geworden" grinst Tobi und schaut dabei Nicki an.

Nicki kuschelt sich bei Sören an und grinst "Mach dir keine Hoffnungen, ich bin treu."

"Nee nee, ich bin Hetero. Ihr seid ja beide echt süß, aber kein Bedarf.”

"Du Kleina, das tut echt gut, mit dir über alles reden zu können. Das hat mir lange gefehlt. Ich hätte dir das schon lange sagen müssen."

"Hej, Großa, es ist für mich okay. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach war. Aber jetzt isses ja raus. Tut mir nur leid, dass ich erst so komisch reagiert habe."

"Geschenkt. Ich hab erst echt gedacht, dass es mit unserer Freundschaft aus ist, aber deine SMS Gestern Abend war echt schön. Und dass du jetzt hier bist..."

"Na, nu umarmt euch schon" sagt Nicki.

Die beiden steht auf und nehmen sich fest in den Arm. Sie bleiben so bestimmt eine ganze Minute stehen. Als sie sich trennen, haben beide Tränen in den Augen.

"Sagt mal, wie lange kennt ihr euch eigentlich schon?"

"Seit der fünften Klasse. Wir haben vom ersten Tag an nebeneinander gesessen. Das sind also jetzt neun Jahre" sagt Sören.

Das Gespräch dreht sich noch eine Weile um ihre Freundschaft und gemeinsame Erlebnisse, dann reden sie über alles Mögliche und gehen erst, zwei Weinflaschen später, gegen zwei Uhr früh ins Bett.

Sören und Nicki schmusen noch ein bisschen, bevor sie wieder ineinander verschlungen einschlafen.

11. Ein wichtiger Anruf

Sören sieht, wie sein Schatz gerade nackt über den menschleeren Strand in die Brandung läuft. Er läuft hinterher und versucht, ihn einzuholen. Sie schwimmen beide weit aufs Meer raus. Durch das glasklare Wasser kann man den Meeresboden sehen. Unten schwimmt ein bunter Fisch vorbei und macht genau dasselbe Geräusch, wie der Klingelton seines Handys. Moment mal, ein Fisch klingelt nicht, denkt er sich noch und schlägt die Augen auf. Ein Traum, bis auf den Klingelton. Er greift auf den Nachttisch zu seinem Telefon und murmelt verschlafen:

"Lange hier. Wer stört?"

"Deine liebreizende Mutter stört. Es ist 11 Uhr und 45 Minuten. Ihr schlaft doch nicht etwa noch?"

"Nee, jetzt nicht mehr" sagt er und blinzelt dem gerade aufwachenden Nicki zu.

"Gut. Es gibt nämlich Neuigkeiten. Ich habe gerade mit Nickis Mutter telefoniert. Kann ich ihn mal eben sprechen?"

"Klar. Hier, Nicki, für dich" sagt er und reicht ihm das Handy.

"Für mich?" guckt dieser ungläubig und nimmt es entgegen. "Ja, Dominik Schneider."

"Hier ist deine Schwiegermutter. Entschuldige, wenn ich euch geweckt habe, aber ich habe gerade mit deiner Mutter telefoniert und dachte, dass du das sofort wissen willst."

Nicki setzt sich kerzengerade im Bett auf.

"Klar, was hat sie gesagt?"

"Also ihr fiel ein Stein vom Herzen, dass es dir gut geht. Seit du weg bist, ging es ihr ziemlich schlecht. Ihr ist wohl dadurch erst richtig klar geworden, dass sie nichts dagegen unternommen hat, dass dein Vater ihr ihren Sohn wegnehmen wollte."

"Aha. Und was hat sie dazu gesagt, dass ich jetzt einen Freund habe?"

"Nicht viel. Sie ist erst mal froh, dass es dir gut geht und du untergekommen bist. Dein Bruder ist übrigens auch völlig daneben, seit du weg bist. Er spricht kein Wort mehr seitdem und verlässt sein Zimmer nur noch, um aufs Klo zu gehen. Dein Vater war gerade in der Kneipe, als ich angerufen habe. Deine Mutter möchte unbedingt Kontakt zu dir und dir alles erklären und dich um Verzeihung bitten. Sie überlegt mittlerweile sogar, deinen Vater rauszuschmeißen oder sich selbst etwas anderes zu suchen."

"Spät, aber immerhin."

"Ich habe ihr die Postanschrift vom Ferienhaus gegeben. Sie wird dir einen Brief schreiben."

"Das ist okay, solange mein Vater nicht plötzlich vor der Tür steht. Aber selbst wenn, wir drei werden ihn schon verjagen."

"Drei? Wieso drei? Ist einer von euch schwanger?"

Nicki lacht. "Nee, Tobi ist gestern hier angekommen. Überraschenderweise."

"Oh, das ist ja eine tolle Neuigkeit. Das freut mich ja. Alles in Ordnung zwischen den beiden?"

"Ja, absolut. Harmonie pur."

"Das freut mich. Also meldet euch mal, wenn der Brief angekommen ist. Wenn es hier was Neues gibt, halte ich euch natürlich auf dem Laufenden. Gib Sören einen Kuss von mir und bis bald."

Nicki legt auf und drückt Sören einen Kuss auf die Wange.

"Hej, mehr gibt's nicht?"

"Doch, aber der war von deiner Mum."

Bei dem Kuss bleibt es natürlich nicht und aus dem Geknutsche wird auch wildes Fummeln, die Bettdecke fliegt auf den Fußboden und gerade, als beide ihre Boxershorts bis zu den Knien heruntergeschoben haben, bemerken sie, dass Tobi mit offenem Mund in der Tür steht und knallrot angelaufen ist.

"Äh, entschuldigt, ich dachte, ihr schlaft noch, ich wollte euch eigentlich wecken. Mist... "

Sören hebt die Bettdecke vom Boden auf und zieht sie über ihre Unterkörper. Den beiden entgeht nicht die Beule in Tobis Unterhose.

"Schon okay, wir sind daran gewöhnt, in solchen Situationen unterbrochen zu werden," grinst Sören "aber du solltest jetzt besser ne kalte Dusche nehmen."

Noch roter kann Tobi eigentlich nicht werden, aber er tut es trotzdem und macht die Tür schnell von Außen zu.

Die beiden ziehen sich an und gehen ins Wohnzimmer. Hier sitzt Tobi am gedeckten Frühstückstisch und schaut die beiden nur verschämt an.

"Seid ihr noch sauer? Also ich meine, ich hätte klopfen sollen und..."

Sören nimmt Tobi von hinten in den Arm. "Alles okay, es ist nichts passiert und wir haben dich immer noch lieb."

"Danke, also, es wird nicht wieder vorkommen. Und also, es ist mir echt peinlich, aber ich bin wirklich hetero. Nicht dass ihr denkt..."

"Nein, schon okay, ich hätte wohl auch ne Latte gekriegt, wenn ich jemanden so überrascht hätte" sagt Nicki und zwinkert Tobi zu.

Danach frühstücken sie und erzählen Tobi von den Neuigkeiten. Dieser war schon eine ganze Weile auf und hatte aufgeräumt, den Kamin angefacht und ein schönes Weihnachtsfrühstück gemacht. Als sie rausschauen, sehen sie fast keinen Schnee mehr. Über Nacht hatte es angefangen zu regnen und so ist die weiße Pracht fast völlig weggeschmolzen. Der Himmel ist dunkelgrau und es sieht so aus, als wenn der Regen erst mal eine Weile bleiben würde.

Nach dem Frühstück machen sie es sich gemütlich und spielen das Brettspiel "Siedler". Nicki gewinnt zweimal hintereinander.

"Hej, wir wärs mit Whirlpool?" fragt Sören.

Nicki nickt mit leuchtenden Augen, aber Tobi ist scheinbar nicht so begeistert.

"Ach nee, der ist doch nur für 2. Und ich will euch nicht stören. Und außerdem hab ich keine Badehose dabei."

"Du störst nicht. Und außerdem hast du uns auch schon nackt gesehen. Stell dich nicht so an, wir gucken dir nichts weg und fassen auch nichts an" grinst Nicki.

Kurze Zeit später sitzen die drei im Pool. Sören und Nicki sitzen hintereinander und Tobi auf der anderen Seite. Es ist etwas eng und ihre Beine berühren sich. Sie genießen das heiße, sprudelnde Wasser und reden über alles Mögliche. Tobi beobachtet die beiden genau. Als mit einem Mal Nicki die Augen schließt, seine Brustwarzen spitz werden und Sören hinter ihm neckisch grinst, wird es ihm zuviel.

"Hej, könntet ihr vielleicht ein bisschen Rücksicht nehmen. Ich bin nicht blind. Sören nimm deine Hand von Nickis Schwanz."

Diesmal werden die beiden rot.

"Ehm, sorry" sagt Sören "das war unfair. Bin ab sofort artig."

Tobi grinst "Schon okay, ich kann euch ja verstehen, ist ja schon irgendwie ne erotische Situation. Aber bitte, bitte führt mich nicht ständig in Versuchung."

"Sag mal, kann es sein, dass du gerade ein bisschen daran zweifelst, dass du 100% hetero bist?" fragt Nicki.

"Nee, eigentlich nicht. Aber ich hatte seit fast drei Monaten keinen Sex mehr und soviel nackte Haut und Hormone sind einfach zu viel. Also wenn ich mal einen Ständer kriege, heißt das nicht, dass ich schwul bin, sondern einfach nur notgeil. Sorry Jungs, aber so ist es halt. Also kommt nicht auf die Idee, mich zu verführen. Nachher mache ich noch mit und hinterher bedauern wir das alle."

"Hej Kleina, keine Angst, machen wir nicht. Das wär wirklich nicht so gut. Ich muss aber zugeben, dass ich einen kleinen Moment lang...."

Die drei lachen. Das Thema wäre also geklärt. Nach einer guten Stunde wollen sie raus. Beim Aussteigen dreht sich Tobi erst so komisch um, bevor er den Pool verlässt.

"Du Tobi, ich glaub du hast da ne ganz schlimme Schwellung" sagt Nicki.

"Wo denn?" fragt der und dreht sich erschrocken um.

Sören und Nicki zeigen auf Tobis Erektion und sagen gleichzeitig "Da!" und grinsen.

"Manno!" sagt der und lacht mit.

Als sie wieder angezogen im Wohnzimmer sind guckt Sören auf sein Handy.

"Ui, 3 Anrufe in Abwesenheit und eine SMS." Er ruft sie auf. "Die Box. Ich frag mal eben ab."

"Sie haben eine neue Nachricht. Nachricht eins. Heute, 15 Uhr 30 Minuten. Sören, hier ist deine Mama. Ruf mal bitte sofort zurück."

Schnell drückt er auf die Wahlwiederholungstaste und ist nach nur zweimal Klingeln mit seiner Mutter verbunden.

"Hi, ich bins. Was ist denn los?"

"Hallo Sören, endlich rufst du an. Ich habs schon dreimal versucht. Also: Nickis Mama hat angerufen. Bei ihr zu Hause ist die Hölle los. Der Vater hat alles spitz gekriegt und ist völlig ausgerastet. Er will mit Nicki nie wieder was zu tun haben. Dann hat er Bastian gedroht, wenn er versuchen würde, mit Nicki Kontakt aufzunehmen könne er auch gleich seine sieben Sachen packen. Als Bastian widersprochen hat, hat er ihm eine Ohrfeige gegeben. Als seine Mutter nach einer Stunde auf Bastis Zimmer gegangen ist, war er weg. Er hat einen Zettel geschrieben, in dem sinngemäß steht, dass er in diesem Haus keine Minute bleiben will und bevor sein Vater ihn verstößt, macht er das selbst und hat mit einem Edding riesengroß auf die Tapete geschrieben 'Ich habe keinen Vater mehr'. Jedenfalls ist er weg. Seinem Vater ist es scheinbar egal und seine Mutter ist außer sich. Sie ist gerade dabei, ihre Sachen zu packen und zu uns zu kommen. So, das war alles in Kurzform."

"Ach du Scheiße! Was machen wir denn jetzt? Sollen wir Basti suchen?"

"Nee, von da oben aus wär das wohl ein bisschen weit. Wenn seine Mutter hier ist, wird sie erst mal seine ganzen Freunde abtelefonieren. Irgendwo muss er ja abgeblieben sein."

"Seit wann ist er denn weg?"

"So ungefähr seit halb eins. Macht euch aber bitte erst mal noch keine Sorgen. Der taucht schon wieder auf. Der Showdown im Hause Schneider hat zumindest ein Gutes: Seine Mutter ist endlich aufgewacht und zieht die Konsequenzen. Wirst sehen, das kommt alles wieder in Ordnung."

"Ja, Mama. Wenn sich irgendwas Neues ergibt, ruf bitte sofort an. Ich muss jetzt erst mal meinem Schatz hier alles erzählen, der ist schon ganz ungeduldig."

"Okay, mach ich. Wir telefonieren nachher noch mal."

Schnell erzählt er Nicki die wesentlichen Fakten. Der wird ganz blass.

"Scheiße. Scheiße. Scheiße. Ich will sofort zu Basti. Wenn der jetzt irgendwo die falschen Leute trifft. Da kann ja wer weiß was passieren."

"Hej, Nicki, wir können im Moment eh nichts machen. Da passiert schon nichts" sagt Sören. "Wohin könnte er den abgehauen sein?"

"Hm, zu seinem besten Freund vielleicht. Aber Mama hat die Nummer, die wird da gleich anrufen. Sonst hat er nicht allzu viele Leute, wo ich mir das vorstellen könnte."

Die drei beratschlagen, was sie jetzt tun können. Aus der Entfernung geht irgendwie nicht viel, und bis sie in Deutschland wären, wäre es tief in der Nacht. So beschließen sie, die Nacht abzuwarten, früh aufzustehen und wenn es Morgen früh noch keine Nachricht gibt, nach Hause zu fahren und von da aus zu suchen.

Um halb Acht abends klingelt wieder das Telefon.

"Ja, Lange."

"Hier auch. Also Bastian ist noch nicht wieder aufgetaucht. Seiner Mutter ist aber eines aufgefallen: Der Zettel mit unserer Anschrift in Dänemark war nicht mehr zu finden. Sie weiß nicht genau, ob ihr Mann oder Bastian den Zettel hat. Es könnte also vielleicht sein, dass er auf dem Weg zu euch ist. Könntet ihr vielleicht mal suchen oder so?"

"Darauf kannst du dich verlassen. Wir sind zu dritt und haben zwei Autos. Wir werden hier jeden Stein umdrehen, bis wir ihn gefunden haben!"

"Okay. Und meldet euch sofort, wenn ihr ihn gefunden habt. Ach, noch was. Gib mir mal eben Nicki, seine Mutter will kurz mit ihm sprechen."

Sören reicht Nicki den Hörer, der schon ganz ungeduldig wissen will, was nun los ist.

"Hallo? Oh, Mama!"

Seine Mutter schildert ihm kurz den Sachstand. Danach sagt sie ihm noch, dass sie alles sehr bedauert und sich wünscht, dass sie gemeinsam noch mal einen Neuanfang machen, sie drei ohne das Scheusal von Vater.

Als Nicki auflegt, hat er Tränen in den Augen.

Inzwischen hat Sören Tobi über alles aufgeklärt.

Einen Moment lang herrscht gespannte Ruhe. Danach fängt Tobi an, mit seinem Handy zu spielen.

"Musst du das jetzt machen?" fragt Sören ungeduldig.

"Moment, ich habs gleich. Schon mal was von WAP gehört? Also, wenn er gegen 13 Uhr am Dortmunder Hauptbahnhof angekommen ist, dann gibt es eigentlich nur eine Verbindung hierher. Er ist dann um 20:44 in Esbjerg und um 21:46 Uhr in Varde. In Esbjerg hätte er 44 Minuten Aufenthalt. Genau eine Stunde später geht noch mal ne Verbindung, danach könnte er mit der Bahn erst Morgen früh hier sein."

"Okay, dann los. Ich fahre mit Nicki nach Esbjerg. Tobi, du bleibst hier, falls er per Anhalter kommt. Mach einen Zettel an die Haustür, wenn er nur durchs Fenster guckt und dich sieht, traut er sich vielleicht nicht rein. Wenn was ist, telefonieren wir mit dem Handy. Wir brauchen bis Esbjerg ne gute Stunde. Das schaffen wir auf jeden Fall, bevor der Zug nach Varde weiterfährt."

Drei Minuten später startet Sören sein Auto und die beiden fahren durch die regnerische Nacht. Nicki achtet dabei auf Anhalter und andere Personen am Straßenrand. Sie reden nicht viel und sind nach 75 Minuten am Bahnhof in Esbjerg. Der Zug, mit dem Basti hätte ankommen können, ist schon wieder weg, aber der weiterführende Zug nach Varde ist noch nicht da. Sie stehen an einem leeren Bahnsteig, der von den wenigen Neonröhren nur mäßig ausgeleuchtet wird.

"Also der Anschlusszug geht um 21:28 Uhr. Wir haben eine halbe Stunde Zeit. Ich schlage vor, wir schauen uns hier mal um, ob er irgendwo im Warteraum sitzt oder sich was zu Essen holt" sagt Sören und die beiden machen sich auf den Weg.

Sie laufen über den Bahnsteig zurück, durch die Unterführung in die Bahnhofshalle. Die Halle ist fast leer. Alle Geschäfte sind geschlossen. Auch auf dem Bahnhofsvorplatz sind am zweiten Weihnachtstag um diese Zeit kaum Menschen. In der Norgesgade, die vom Bahnhof aus Richtung Innenstadt führt, gibt es eine kleine Würstchenbude. Die ist noch geöffnet. Sie laufen dorthin und sehen durch die Scheibe einen Jungen mit blonden Haaren von hinten.

"Das ist er" freut sich Nicki, reißt die Tür auf und dreht den Jungen an der Schulter um.

"Hej, hvad er..?” sagt der Junge nur. Es ist nicht Basti.

Sören entschuldigt sich auf Dänisch und erklärt ihm die Verwechslung. Praktischerweise hat seine Mutter ihn zweisprachig erzogen.

Die beiden schauen sich noch überall um und geben dann ihre Suche auf. Sie gehen zurück zum Bahnsteig. Dort schauen sie sich um, aber sehen niemanden. Nach zwei Minuten fährt der Regionalzug ein. Aus einer dunklen Ecke löst sich eine Gestalt und steuert zielsicher auf den Zug zu. Eine Sekunde lang stehen die beiden starr da und schauen der Gestalt hinterher, wie sie in den Zug einsteigt.

"Das.. das ist Bastis Jacke" stammelt Nicki und sie laufen los. Bevor sie den Wagen erreichen, in den er eingestiegen ist, gehen die Türen zu und der Zug fährt ab.

"Los, zum Auto. Wir haben 18 Minuten bis Varde. Können wir das schaffen?" fragt Nicki.

"Ja, wir schaffen das!" grinst Sören und die beiden rennen los. Noch nie sind sie so schnell gerannt, noch nie ist Sören in Dänemark so unvorschriftsmäßig Auto gefahren. Er hofft, dass am zweiten Weihnachtstag die meisten Polizisten bei ihrer Familie sind.

Für die 27 Kilometer brauchen sie knapp 20 Minuten. Sören fährt am Bahnhof falsch herum in die Einbahnstraße herein und parkt im Halteverbot. Sie springen aus dem Auto heraus, laufen durch die Unterführung zum Bahnsteig.

"Da vorne ist Gleis 3" ruft Nicki und die beiden wollen gerade die Treppe hoch laufen, als sie plötzlich einen Schrei hören.

"Domiiiii !"

Die beiden stoppen und drehen sich um. Da steht Bastian mit großen Augen und starrt sie an.

"Bastiiiiii !" schreit Nicki und rennt auf seinen Bruder zu. Sie fallen sich in die Arme. Nicki hebt ihn dabei hoch und dreht ihn zweimal um die eigene Achse.

Sören hat in der Zwischenzeit seine Mutter angerufen.

"Mama! Entwarnung! Wir haben ihn!"

"Ihr habt Bastian? Na Gottseidank! Wo seid ihr denn?”

"In Varde am Bahnhof, Tobi hat die Zugverbindung rausgesucht und lag damit goldrichtig."

"Prima. Seine Mutter ist übrigens jetzt neben mir und sieht ziemlich erleichtert aus. Warte mal eben."

"Hallo, hier ist Dominiks Mutter."

"Äh, ja Hallo, hier ist Sören."

"Ich habe das schon mitbekommen, ihr habt Bastian gefunden. Ich wollte nur sagen, dass ich mich sehr freue. Basti kann natürlich bei euch bleiben, bis ihr wieder nach Deutschland kommt."

"Äh, Danke Frau Schneider."

"Nein, nein, ich muss Danke sagen. Und Sören, ich freue mich, Sie bald mal kennen zu lernen."

"Ja, ich freue mich auch, Frau Schneider. Bis bald!"

Basti starrt Sören an.

"War das Mama?"

"Ja, war sie. Und ich bin Sören."

Die beiden geben sich die Hand. Die Ähnlichkeit der beiden Brüder ist deutlich. Basti ist praktisch die jüngere Ausgabe von Nicki.

"Ich bin Sebastian, also Bastian, ach, nenn mich Basti."

"Du Basti, Sören ist mein Freund."

"Klar. Wie? Ach, du meinst, so Freund im Sinne von Freund, also Partner?"

Nicki legt Sören seinen Arm um die Schulter.

"Ja, mein Schatz sozusagen."

"Cooool", sagt Basti nur und grinst. "Ich wusste ja, dass du bei einem in deinem Alter untergekommen bist, aber das ist mir jetzt neu. Hat Mama gar nicht erzählt. Herzlichen Glückwunsch! Apropos Mama, sie weiß schon, dass ich hier bin?"

Während sie zurück zum Auto gehen, erzählen sie Basti was er noch nicht weiß. Insbesondere dass seine Mutter ihren Mann verlassen hat, quittiert er mit einem zufriedenen Grinsen.

Am Auto angekommen sehen sie, dass ein Polizeiwagen direkt hinter ihrem Wagen gehalten hat und gerade ein Polizist aussteigt. Sören rennt zu ihm hin und erklärt ihm auf Dänisch, dass er sofort wegfährt und sie nur eben den Bruder seines Freundes abgeholt haben und es ihm Leid täte.

Der Polizist grinst nur und sagt, dass sie machen sollen, dass sie wegkommen. Sie steigen schnell ein, aber der Polizist kommt doch noch ans Auto. Sören öffnet das Seitenfenster und der Polizist grinst wieder und meint nur "God Jul."

Sören erwidert "God Jul og tusind tak!"

Die beiden anderen gucken ihn nur fragend an, als er den Motor startet und abfährt.

"Er hat uns nur schöne Weihnachten gewünscht."

"Cool, das Land gefällt mir immer besser" meint Basti.

Knapp vierzig Minuten später erreichen sie wieder das Ferienhaus. Auf der Fahrt hat Basti von seinem Entschluss abzuhauen erzählt. Nach der Ohrfeige und dem Verbot, mit seinem Bruder Kontakt aufzunehmen, war er sich absolut sicher, dass es überall auf der Welt besser ist, als zu Hause. Zur Not selbst in einem Heim. Er hat seinen Rucksack gepackt, den Zettel und die Tapete beschrieben und hat sich dann leise über den Flur geschlichen. Erst wollte er zu seinem besten Freund, aber im Flur neben dem Telefon lag der Zettel mit der dänischen Anschrift. In einem Internetcafé hat er sich dann rausgesucht, wie er da am schnellsten hinkommt. Und dann genau die Zugverbindung bekommen, die Tobi vorhergesagt hatte. In Esbjerg hatte er die beiden nicht gesehen, weil er auf einer Bank im Dunkeln gewartet hat.

Sie gehen auf das Haus zu und sehen, dass die Außenbeleuchtung eingeschaltet ist. An der Tür klebt ein großer Zettel, auf dem steht:

"Bastian, hier bist du richtig. Komm ruhig rein."

Sie machen die Tür auf und Tobi springt vom Sofa hoch.

"Da seid ihr ja endlich. Habt ihr ihn?"

Doch die Frage muss nicht beantwortet werden, denn in dem Moment kommt auch Bastian durch die Tür. Sie erzählen Tobi kurz die Ereignisse.

"Happy end sozusagen. Gottseidank. Falls ihr übrigens Hunger habt, ich hab einen Auflauf gemacht. Der ist seit ner halben Stunde fertig."

Gerne machen sich alle über Tobis Kochkünste her. Es bleibt nichts übrig,

"Ach, Tobi, hast du was dagegen, dein Bett mit einem Sechzehnjährigen zu teilen?" fragt Sören.

"Nee, solange er nicht schnarcht oder mich verführt" grinst der zurück.

"Also Schnarchen tu ich nicht" meint Basti nur und grinst schelmisch.

"Nee, sag bitte, dass du nicht auch schwul bist" seufzt Tobi.

"Nee, ich glaub nicht. Höchstens ein bisschen bi" grinst der.

"Na Tobi, du musst deine Unschuld hier ganz schön verteidigen" sagt Nicki und alle fallen in sein Lachen mit ein.

Im weiteren Verlauf des Abends beschließen sie, dass sie Morgen noch hier bleiben wollen und Übermorgen dann wieder nach Deutschland fahren.

12. Ein ereignisloser Tag

Ausnahmsweise klingelt kein Telefon und kein unangemeldeter Besuch steht vor der Tür. Das nutzen die vier, um richtig auszuschlafen. Erst gegen zwölf Uhr sitzen alle am Frühstückstisch.

"Na Tobi, wie ist mein Bruder so im Bett?" fragt Nicki neckisch und grinst frech.

"Ne Rakete. Echt, war ne geile Nacht" antwortet Tobi und grinst genauso frech zurück. Nicki spuckt den Schluck Kaffee fast aus, den er gerade im Mund hat.

"Bitte was? Nee, ne? Sag, dass das jetzt nicht wahr ist."

Basti prustet laut los und sagt "Sorry, ich kann bei so was nicht ernst bleiben. Keine Angst, großer Bruder. Wir waren artig."

Als Nicki merkt, dass er ziemlich aufs Glatteis geführt wurde, versucht er erst, böse zu gucken, was ihm aber misslingt. Er fällt in das allgemeine Gelächter mit ein.

"Ihr wart aber nicht gerade leise. Dass ihr nicht artig wart, konnte man deutlich hören" meint Basti und grinst seinen Bruder frech an.

13. Was zu feiern

Plopp macht die Sektflasche und geht schäumend auf. Tobi schenkt vier Gläser ein und reicht sie rum.

"Auf unseren Abiturienten! Prost!" sagt Bastian und stößt als erster mit Nicki an.

Dominik nimmt den Arm von Sörens Schulter, umarmt seinen Bruder und sagt "und auf deinen achtzehnten Geburtstag."

"Und auf unseren Abschluss. Nie wieder Azubi, Großa" sagt Tobi und nimmt Sören in den Arm.

Alle vier hatten beschlossen, diese Ereignisse zusammen ausgiebig zu feiern. Natürlich kam dafür nur das Ferienhaus in Dänemark in Frage.

Eineinhalb Jahre sind vergangen, seitdem Sören und Nicki ein Paar geworden sind. In dieser Zeit ist viel passiert. Letzten Monat hat Nicki sein Abitur mit Bravour bestanden und Sören ganz offiziell als seinen Partner mit zum Abiball genommen. Seine Mutter und Sörens Eltern waren auch da und allesamt ziemlich stolz. Und letzte Woche war dann endlich die mündliche Abschlussprüfung von Sören. Er wird zwar nicht von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen, hat aber ab dem 1. September eine Stelle in Witten gefunden. Die beiden haben sich für eine gemeinsame Wohnung in Bochum entschieden, damit Nicki es ab Oktober nicht so weit zur Uni hat. Ihre kleine Wohnung ist nicht allzu teuer und Sörens Gehalt und Nickis BAföG reichen locker aus, um das ganze zu finanzieren. Ja, Dominik studiert ab dem 1. Oktober Sozialpädagogik an der Ruhr-Universität. Ihre Beziehung ist immer noch frisch wie am ersten Tag. Natürlich gibt es ab und zu mal Streit, aber danach auch immer eine Versöhnung. Und über eines sind sich beide im Klaren: Sie haben beide ihre große Liebe gefunden, die sich nie mehr hergeben wollen.

Tobi hat seine Prüfung auch ganz gut hingekriegt und wurde übernommen. Aber Gelsenkirchen und Bochum liegen nicht wirklich weit auseinander. Sie werden sich auch weiterhin jedes Wochenende sehen. Er hat übrigens seit einem halben Jahr eine feste Freundin. Bianca hat sich nahtlos in diese 4-er-Freundschaft eingefügt. Sie mag die drei anderen Jungs und hatte auch nichts dagegen, Tobi mal für eine Woche nach Dänemark auszuleihen.

Bastian wohnt noch bei seiner Mutter in Gelsenkirchen und geht weiter aufs Gymnasium. Wenn er sein Abi in der Tasche hat, will er auch in Bochum studieren. Mal sehen, vielleicht gründen die drei dann eine WG. Aber das mit Basti ist eine andere Story.

"Du Kleina, du hast mal gesagt, ich soll die ganze Geschichte mal aufschreiben."

"Ja, ich weiß. Das mein ich immer noch!"

Ja, lieber Leser. Das Ergebnis hast du gerade vor Augen.

ENDE

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