»Verdammt, du Schwein sollst für alles büßen, was du mir angetan hast!«

Zwei Männer - um die vierzig - standen sich gegenüber. Einer der beiden trug eine Kapuze und sah den anderen hasserfüllt an. Der andere Mann wich zurück und bekam langsam Angst. Bei diesem Ausdruck im Gesicht und Stimme wusste er nicht wie weit der andere gehen würde.

»Was? Verdammt, komm doch mal zur Besinnung, niemand hat dir etwas angetan? Verdammt, es war dein Bruder, der sich selber ins Gefängnis gebracht hat.«

Einen Moment war der Kapuzenmann irritiert. Bernd schien tatsächlich an ihn ran gekommen zu sein.

»Du miese Ratte! Immer wieder die gleichen Lügen, aber das wird gleich vorbei sein?.«

Entgeistert und mit unglaublicher Angst im Blick wich Bernd vor Gerhard mit der Kapuze zurück und riss entsetzt die Augen auf.

»Das kann doch nicht dein Ernst sein, du wirst uns beide umbringen, du reißt dich selber mit in den Tod, dass willst du doch sicher nicht?.«

Doch bei dem Ausdruck, den das Gesicht Gerhards jetzt hatte, war Bernd sich gar nicht mal so sicher.

»Was weißt du schon? Du hast doch keine Ahnung.«

»Überleg es dir bitte noch einmal, ich habe doch Frau und Kinder.«

Verzweifelt versuchte er zu entkommen doch er konnte nicht. Der Raum war zu Ende und er war nicht in der Nähe einer Tür.

»Als ob mich das interessieren würde, die habe ich auch.«

Resigniert blickte Gerhard nun auf dem Boden, als er an seine eigene Familie erinnert wurde, doch die Wut brannte erneut in ihm auf und loderte heißer als zuvor.

»Ich bin es leid!!!!!!!«

»Neiiiii???????.«

Das Wort verlor sich in deren Tod?.

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Die Nacht war finster als sie über Marcos Zimmer hereingebrochen war. Seine Hände waren nicht einmal mehr vor seinen Augen zu sehen. Aber war es wirklich eine Nacht? Immerhin schien im Dezember alles eine Nacht zu sein, mal abgesehen von den wenigen Stunden, die Ihnen als Tag vorgegaukelt zur Verfügung standen.

Doch auch das war für Marco egal. Seit Wochen, fast Monaten schon, war er Gefangen von dieser Nacht, von der Nacht, die seine Seele umgab, sein Vater war tot, hatte sich selber umgebracht, aus einem Grund, den er bis heute nicht verstand, aber den verstand wohl niemand.

So saß er auch heute wieder an seinem Fenster und schaute hinaus. Was war heute überhaupt für ein Tag? Er ging zum Fernseher, schaltete diesen ein und mit einem kurzen Blick auf den Videotext bestätigte sich seine Vermutung, es war der 24.12, deshalb waren die Leute auf den Straßen wohl unterwegs, gingen zur Kirche oder nur einfach so Verwandte besuchen.

Plötzlich hatte auch er ein Gefühl, als könne er nicht mehr in den eigenen vier Wänden verweilen, als müsse er hinaus. Irgendetwas trieb ihn. So zog er sich warm an und trat aus der Haustür, in eine Welt, die ja angeblich an diesem Tage mit Liebe erfüllt sein sollte.

Simon saß in einer Bushaltestelle, er wusste nicht in welcher und hatte auch gar nicht vor mit irgendeinem Bus zu fahren. Er wollte einfach nur nicht, dass dieser Tag da war. Seine Mutter hatte es doch tatsächlich zu Stande gebracht ein richtiges Weihnachtsfest auf die Beine zu stellen um seine beiden kleinen Geschwister zu täuschen. Doch an dieser Maskerade wollte und konnte Simon nicht teilnehmen.

Er hatte es leid, immer den großen und erwachsenen Jungen zu spielen. Er war nicht in der Lage das weiter zu machen, denn im Moment fühlte er sich trotz seiner 19 Jahre nicht danach.

Er war leer. Sein Vater war weg und das alles nur, weil irgend so ein Typ ihn umgebracht hatte.

WARUM? Diese Frage stellte er sich immer wieder, doch er konnte keine Antwort finden. Gab es überhaupt eine?

Simon erhob sich und lief einfach durch die Stadt, ohne Ziel, ohne Weg.

Marco wusste nicht wie lange er gelaufen war, doch die reine unverbrauchte Luft der Welt tat ihm gut. Er kam vorbei an Wohnungen, mit glücklichen Menschen.

Immerhin war es der Weihnachtsabend.

Doch er war nicht glücklich. Er wollte es auch gar nicht sein.

Er fragte sich sogar, ob er jemals wieder Glück empfinden könnte.

Er wusste es nicht.

All die Fenster, so festlich geschmückt, all die glücklichen Menschen. Er hatte es satt, 90 % von Ihnen machten sich doch etwas vor.

Einen Zauber von Weihnachten? Darüber konnte Simon nur lachen. So etwas gab es nicht und wenn, ihn hatte er zumindest noch nie erreicht.

Er war absolut nicht fröhlich oder glücklich an diesem so heiligen Abend. Er wollte es auch gar nicht sein.

Er fragte sich sogar, ob er jemals wieder Glück empfinden könnte.

Er wusste es nicht.

Sie merkten plötzlich, das neben ihnen noch ein anderer ging, genauso schnell, mit dem gleichen unvermittelbaren Blick voraus.

Ohne jede Veranlassung blieben beide stehen und drehten sich langsam zueinander.

Ihre Augen begannen einen Kontakt aufzubauen. Es war Trostlosigkeit die den jeweils anderen entgegenblickte.

Überrascht davon, diese gleiche Emotion bei jemand anderen zu sehen, wandten sie sich ab und gingen weiter, nebeneinander, nebenher.

Nach einer Weile kamen sie an einem zugefrorenen See an und blickten still schweigend darauf.

Unbewusst und von deren Gehirn ungelenkt waren sie näher aneinander gerückt, bis Ihre Hände sich berührten und den Kontakt zu dem jeweils anderen fanden.

Die Hände verbanden sich, drückten sich, wurden zu einer unzerstörbaren Einheit.

Für jeden der beiden war es so, als ob er nun den Herzschlag des anderen hören konnte, nein nicht hören, sondern fühlen. Ihre Herzen begannen im Einklang zu schlagen.

Langsam drehten sich nun auch Ihre Körper, so dass Ihre Augen abermals Blickkontakt zueinander aufbauten und sie sich genau ansahen.

Die Gefühle der beiden Augenpaare waren abermals eins, doch es war keine Spur dieser Trostlosigkeit zu sehen. Das was jeweils ein Paar beim anderen sah war vielmehr Zuversicht.

Nun glitten Ihre Köpfe aufeinander zu und Ihre Münder berührten sich unvermittelt, sie trafen zusammen und vom Ursprung dieses Kontakts entsprang ein wahres Feuerwerk der Gefühle, Ihre Hände ließen einander los und umschlangen die andere Person.

Als sie schon nach kurzer Zeit aufhörten sich zu küssen, umarmten sie sich immer noch und gaben sich jeweils ein Gefühl, was sie in den letzten Monaten schmerzlich vermisst hatten, ein Gefühl der Wärme.

Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen auf einer Bank am See und wussten, dass sie sich liebten. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, gaben sie sich durch ihre Verbundenheit, dieses Gefühl.

Am nächsten Morgen wachte Simon auf und wusste nicht mehr ob er das alles nur geträumt hatte, doch er hoffte nicht, denn diesen Jungen den er getroffen hatte wollte er unbedingt wieder sehen.

Heute war also nun der 25.12., der erste Weihnachtstag, dass erste mal, das er diesen nicht mit seinem Vater verbringen konnte, doch er wusste, dass er dies nun leichter ertragen konnte, nachdem er diesen Jungen kennen gelernt hatte.

Marco erwachte in seinem Zimmer und zum ersten Mal seit Monaten schien es ihm nicht mehr dunkel, es schien ihm zu strahlen, zu strahlen vor Wärme.

Er wusste, dass was ihm gestern passiert war, war eines der besten Dinge in seinem Leben gewesen und er hatte das Glück wieder eingefangen.

Aber heute erwartete ihn ein weiterer schwerer Gang, er sollte mit seiner Mutter zum Friedhof gehen um seinen Vater zu besuchen.

Das viel ihm noch schwer, aber es wäre ja auch komisch wenn nicht, so seufzte er nur und ging sich duschen.

Simon und seine Mutter hatten sich auf dem Weg zum Friedhof gemacht um seinen Vater zu besuchen, seine kleinen Geschwister wollten sie nicht mit nehmen, die sollten so etwas nicht am Weihnachtstag mitmachen.

Simon bemerkte mehrmals, dass seine Mutter ihn anstarrte, aber den Blick wieder abwandte, wenn er sich ihr zu drehte.

Sie merkte wohl, dass er viel glücklicher und ausgelassener wirkte als zuvor.

Marco ging ebenfalls mit seiner Mutter zum Friedhof um am Weihnachtsmorgen seinen Vater zu besuchen.

Wie auch Simons Mutter schien Marcos zu bemerken, dass sich irgendetwas an Ihrem Sohn verändert hatte. Sie konnte sich nur nicht erklären was, doch sie war glücklich darüber.

Als sie am Friedhof angekommen waren, gingen sie zum Grab seines Vaters und steckten eine Kerze an und blieben einfach davor stehen.

Als Simon mit seiner Mutter auf dem Friedhof ankam und in Richtung Grab ging beachtetet er den ihm mit dem Rücken zugewandten Jungen mit der Frau daneben gar nicht, die auf der Gegenüberliegenden Seite des Ganges vor einem anderen Grab standen.

Sie gingen zum Grab seines Vaters, entzündeten eine Kerze und standen still davor.

Plötzlich hatte Simon das Gefühl, das er sich umdrehen sollte und er tat es.

Beide hatten sich umgedreht und schauten sich nun in die Augen. Sie waren verwirrt und wunderten sich, sich gerade hier wieder zu treffen. Langsam schritten sie aufeinander zu.

Als sie näher aufeinander zugegangen waren, erstarrten sie, denn sie konnten nun die Schrift auf den Grabsteinen sehen, vor denen jeder von Ihnen bis vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte und ihnen war nun klar, wer der jeweils Andere war.

Sekunden schienen zu Stunden zu werden, beide wollten Ihre Blicke nicht wieder dem zuwenden, zu dem Ihr Herz sie noch bis vor kurzen hin gezogen hatte.

Hinter Ihnen traten Ihre Mütter auf sie zu, um zu sehen was passiert war. Da auch sie nun die Schrift der Steine lesen konnten, erstarrten sie ebenfalls.

Es war als würden sie schon Stunden in der Stille stehen und sich nichts regen, doch dann vernahmen beide Jungen ein Geräusch, ein Geräusch das sie kannten.

Es waren Ihre Herzen, die erst unterschiedlich, doch dann einheitlich im Takt, wie nur ein Einziges schlugen und von da an wussten sie, was sie zu tun hatten.

Sie gingen weiter aufeinander zu, als sie ganz nah voreinander standen, konnten sie sich wieder in die Augen blicken und sahen das gleiche wie am Vortag.

»Ich liebe dich!«

Kam es von beiden wie aus einem Mund, das erste gesprochene Wort.

Beide umschlangen sich nun abermals und küssten sich. Denn sie liebten sich, dass wussten sie ganz sicher.

Es war einer dieser magischen Momente im Leben, denn auch die Mütter sahen es und gingen zu Simon und Marco und legten Ihnen Ihre Hände auf die Schulter.

Es war Weihnachten.

Nachwort

Achtung! Diese Geschichte wurde überarbeitet und neu Online gestellt. Wem sie also bekannt vor kam, weiß warum. Ansonsten ist kritik und auch Lob immer willkommen.

Patrick