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Unter dem Adler
Teil 2
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Informationen
- Story: Unter dem Adler
- Autor: Philipp B.
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Lovestory
»Markus ... ich ...«, stotterte ich. Damit hatte ich weiß Gott nicht gerechnet. Dieser süße, liebe Kerl war schwul. »Warum ...?«
»Ich weiß es nicht.« Er starrte auf seine Stiefel. »Ich hatte irgendwie Angst, dass die anderen damit nicht klarkommen.«
»Die anderen haben mit mir doch auch kein Problem.«
»Schon, aber du bist einer der Ausbilder, der Chef im Ring. Vielleicht sagen einige nicht ihre Meinung wegen deinem Dienstgrad?«
»Hey, ich mach dir keinen Vorwurf. Sich zu outen ist immer wieder etwas Neues, etwas Besonderes. Das muss doch jeder für sich entscheiden.«
»Ja, das stimmt wohl.« Er schluckte.
»Willst du mir erzählen, was gestern los war?«, fragte ich ihn.
»Ich ... ich weiß es selbst nicht so genau. Michael und ich waren jetzt seit sechs Monaten zusammen. Alles war immer gut, dachte ich. Jetzt ... er hat vor ein paar Tagen jemand anders kennengelernt. Er meinte, er wolle ehrlich zu mir sein und die Beziehung beenden. Andernfalls meinte er, wäre er früher oder später fremdgegangen ...« Ich sah, wie ihm eine Träne über die Wange rollte.
»Oh Mann, Markus ...« Ich lehnte mich zu ihm herüber, nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten. Die Tränen schossen einfach nur so aus ihm heraus, während er laut schluchzte. »Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun, damit es dir besser geht. Versprich mir, dass ich dir helfen darf, wenn ich kann. Versprich mir, dass du es mir sagst. Bitte.«
Er schniefte. »Ja, Ich verspreche es dir. Aber ich weiß nicht, ob mir jetzt überhaupt jemand helfen kann.« Er nahm ein Taschentuch, das ich ihm hinhielt und schnäuzte sich, wischte sich die Tränen aus den Augen. »Hast du ... hast du wohl eine Zigarette für mich?«
Dass Markus raucht, war mir zwar neu, aber im Moment doch auch ziemlich relativ. Ich reichte ihm eine Zigarette, nahm mir selbst auch eine. Markus hatte aufgehört zu weinen und starrte nur noch auf die Glut. »Lass uns bitte weiterfahren, okay?«
»Okay.« Ich nickte und startete den Motor.
»VI. Zug, Fertigmachen zur Waffenabgabe!«, hallte es durch das Gebäude, als wir gerade ankamen.
Das bedeutete hektisches Treiben auf dem Flur, als die Rekruten zum letzten Mal hier ihre Waffen kurz einölten und dann schnell zusammensetzten. »VI. Zug vorm Block in Linie antreten!«
Hastig stürmten alle die Treppe herunter. Ich sah noch kurz, wie Wolters, einer der Kanoniere aus der Gruppe von SU Linckamp, mich hastig im Vorbeilaufen grüßte.
»Hey, Wolpers! Seit wann grüßt man mit der Waffe in der Hand!?!«, rief ich ihm nach. Er hörte es glaube ich nicht mehr, er war schon um die Ecke. Auch egal. Als Markus auch mit hinausgehen wollte, um seine Waffe zur Waffenkammer zu bringen, hielt ich ihn kurz fest. »Du musst noch putzen.«
»Och nö. Das Gewehr ist doch okay«, protestierte er.
»Komm, putz mal eben drüber, ne runde Öl dran und fertig. Und gib mir deine Munition.«
»Ja«, grummelte er und gab mir seine Magazine, »ich hol eben die Sachen.«
»Hey, Brandner, die Liste mit den Neuen ist da«, rief Uffz Schäfer mir zu. »Komm rüber, wir müssen die eben einteilen.«
»Jo, jo. Bin schon da.« Ich betrat die Zugführerstube, ging zum Wasserkocher und machte mir einen Tee. Hauptfeldwebel Scharrer blickte mich an.
»Also erst mal etwas Allgemeines«, sagte er. »Wir bekommen zwei Gruppen mit Frauen. UAs und OAs, ein paar Mannschaften. Das werden die Gruppen Zwei und Drei sein. Sarah, du nimmst die Gruppe zwei. Philipp, eigentlich wollte ich dich für die Gruppe drei haben, aber im Rahmen deiner Ausbildung wirst du stellvertretender Zugführer. Oder sagen wir es so: Du machst meine Arbeit und ich schau zu, damit auch alles klargeht. Die letzten drei Wochen bist du dann Zugführer, weil ich in Urlaub gehe. Du hast ja Anfang Januar wieder einen Offz-Lehrgang, da musst du das draufhaben. Ach und du hast den ersten Zugdienst. Alles klar?«
Sarah und ich nickten. Na herrlich, Anfang Januar wieder sechs Monate nach Dresden, OL2. Ich konnte mich kaum beherrschen vor Glückseligkeit. Wieder sechs monatelang kaum rauskommen aus der Kaserne. Na, den letzten Lehrgang werd ich da auch noch schaffen.
»Krieger, du nimmst dafür die dritte Gruppe. Aber vergiss nicht, das sind Frauen. Ich denke schon, dass du dich benehmen kannst, aber wenn mir Klagen kommen, die nichts mit zu harter Ausbildung zu tun haben, gehe ich dem nach. Okay?«
Martin Krieger nickte auch kurz und grinste. Er galt eben als absoluter Frauenheld, und das wussten alle genau.
»Schäfer, du kriegst die erste Gruppe. Alles wie gehabt.«
»Und wer kriegt die vierte Gruppe?«, fragte ich.
»Wir kriegen Montag einen Neuen. Ein Fahnenjunker frisch vom Lehrgang. Soll ein ziemlicher Brenner sein, also passt ein bisschen auf.«
»Der soll hier eine Gruppe übernehmen, ohne dass er sich erst eingelebt hat?« Uffz Schäfer war etwas irritiert, denn normalerweise lernt man immer erst die anderen Ausbilder kennen, bevor man auf die Rekruten losgelassen wird. Außerdem sollte man als Vorgesetzter zumindest wissen, wo was ist in der Kaserne.
»Ja, Thomas. Der wird ... nein, ich hab eine Idee. Philipp, du nimmst erst eine Woche die vierte Gruppe, dann erst machst du meinen Stellv. Bis dahin müsste der Neue sich eingelebt haben und zusehen, wie das hier läuft. Noch Fragen?« Keine Reaktion. »Okay, jetzt die Stubenverteilung ...«
Ich schlürfte genüsslich meinen Tee, während der Hauptfeldwebel die Gruppenmitglieder und die Stubenbelegung bekannt gab.
***
»Hey, Hilbig! Komm rüber, wir gehen eben zur Waffenabgabe«, rief ich Markus zu, der allein am Ende des Korridors saß und putzte. Schnell setzte er seine Waffe zusammen und kam auf mich zu. Nachdem wir das Gebäude verlassen hatten und wir auf dem Weg waren zur Waffenkammer, nahm ich ihn kurz beiseite. »Du, willst du vielleicht heute Abend mitkommen nach Münster?«
»Was ist denn da?«, fragte er mich.
»Die Youngs treffen sich immer da Donnerstags abends. Das ist eine schwule Jugendgruppe in Münster ...«
»Ich weiß, was die Youngs sind. Ich war vor einem halben Jahr ein paar Mal dort. Aber Michael wollte da nie mit hin, darum war ich schon lange nicht mehr da.« Vor einem halben Jahr, da war ich auf meinem OL1 in Dresden. Da war ich logischerweise nie werktags in Münster. Daher konnte ich ihn dort auch nie gesehen haben.
»Und, willst du mitkommen?«
»Ich glaube nicht, dass das heute so eine gute Idee wäre ...«
»Ich versteh schon, das mit deinem Freund ist mit Sicherheit ziemlich beschissen für dich.« Als er mich daraufhin mit seinen traurigen Augen ansah, merkte ich, dass meine Worte nicht die richtigen waren. Aber ... gibt es in so einem Fall richtige Worte? Ich weiß es nicht.
»Sorry, aber vielleicht sehen wir uns ja dort. Ich bin ja ab Morgen wieder in Münster. Aber erstmal möchte ich nicht so gerne raus, verstehst du?«
»Hey, Kleiner. Klar verstehe ich das. Es ist okay. Mach dir einen schönen Abend und ruh dich etwas aus. Versuch, nicht mehr dran zu denken.« Er lächelte mich etwas gequält an. Ich würde heute Nacht nicht wieder hierhin kommen, ich hatte ja für die Wochenenden eine Wohnung in Münster. Da schlafe ich manchmal auch, wenn ich nach den Youngs keine Lust mehr habe, zurückzufahren.
***
Kurz nach fünf am Nachmittag. Ich stieg aus meinem Auto aus, nahm meinen Rucksack und ging zur Haustür. Etwas müde nach dem Dienst stapfte ich die Treppe hoch.
»Ach, der junge Herr Brandner! Guten Tag! Wie geht es Ihnen?«
»Guten Tag, Frau Ossenbrink. Danke, mir gehts gut. Und Ihnen?« Frau Ossenbrink war schon eine etwas ältere Frau aus dem zweiten Stock. Eine nette Frau. Ich half ihr manchmal, mit den Einkäufen die Treppe hochzukommen und erledigte am Wochenende gerne einiges für sie. Und sie kochte manchmal für mich oder half mir mit der Wäsche. Ihr Sohn war weggelaufen, als er 15 war und ihr Mann starb vor zwei Jahren an Krebs. Als ich hier einzog, lud sie mich direkt am ersten Abend zu sich zum Essen ein, und seitdem verstanden wir uns sehr gut.
»Ach, es muss ja! Kommen Sie her, ich nehm Ihnen den Rucksack ab, da ist doch bestimmt Ihre Wäsche drin, oder?«
»Ach Frau Ossenbrink, das ist doch nicht nötig. Lassen Sie mal, das geht schon.«
Das war das übliche Spielchen. Sie wollte etwas für mich tun, ich lehnte ab, sie wirkte gekränkt und bekam meine Wäsche letztendlich doch, wofür ich jedes Mal sehr dankbar bin. Im Gegenzug half ich ihr öfter mal, wenn es um kleinere Reparaturen oder um das Tragen schwerer Taschen ging.
»Ich bringe Ihnen die Sachen nachher herunter. Ich hab im Rucksack noch soviel anderes Zeug, das pack ich erst raus, okay?«
»Ja, sehr schön. Sie wissen ja, ich freue mich immer, wenn ich Ihnen helfen kann, junger Mann.«
Ich grinste und ging weiter. Die Treppen hoch, bis in den dritten Stock. Schüssel in die Tür, Tür auf und hinein in mein ganz persönliches Reich!
Es war mäßig aufgeräumt. Ich zog meine Stiefel aus und ließ sie achtlos neben der Tür liegen. Die Hosengummis steckte ich in die Tasche, dann ging ich in meine kleine Küche, öffnete den Kühlschrank ... gähnende Leere. Ein Päckchen Butter war dort und zwei Flaschen Bier. Nee, Alkohol wollte ich jetzt keinen. Ich ging zum Vorratsschrank und schaute dort nach. Hey, ein Sixpack Cola Light! Ich griff mir eine Dose, machte sie auf. Ein tiiieeeefer Schluck ... Mann, tut das gut. Eigentlich, so dachte ich bei mir, könnte ich mal wieder zu Hause anrufen. Hab ich schon länger nicht mehr gemacht.
Ich griff mir den Telefonhörer und wählte. Keiner da. Mein Vater war wohl noch im Büro, also versuchte ich es dort ...
»Brandner«, kam es von der anderen Seite der Leitung.
»Hi Papa, ich bin`s, Philipp.
»Philipp! Schön, dass du anrufst! Wie geht es dir, Junge?«
»Gut, kann mich nicht beklagen. Wie geht es bei euch zu Hause? Mit dir und Mama alles okay?«
»Ja, natürlich. Naja, bei mir ist es ein wenig stressig, aber das kennst du ja.«
»Laufen die Geschäfte nicht gut?«
»Ach, es geht. Es könnte besser sein. Die Margen sind leider nicht mehr das, was sie mal waren, und der Betriebsrat steigt mir aufs Dach.« Mein Vater ist Geschäftsführer einer großen Firma mit 350 Angestellten in meinem Heimatort. »Sag Mal, Junge, wann kommst du mal wieder nach Hause? Wir haben dich jetzt bestimmt schon drei Monate nicht gesehen ...«
»In einer Woche, Papa. Ich freue mich auch, bald mal wieder bei euch zu sein.«
»Du hast ja am nächsten Mittwoch Geburtstag, fällt mir gerade ein ... Finde ich schön, dann können wir am Wochenende ein bisschen feiern ...«
»Ja, wie gesagt, ich freue mich sehr drauf.«
»Was wünschst du dir denn eigentlich?«
Immer diese fiesen Fragen vor einem Geburtstag ...
»Ich weiß nicht ... überrascht mich! Aber nichts zu Großes, bitte. Okay?«
»Na, mal sehen ...«
»Was macht Christoph im Moment eigentlich? Wie geht es ihm?«
»Dein Bruder ist immer noch in Herdecke. Bald ist er fertig mit dem Studium und fängt dann hier an. Ich werde ja auch nicht jünger.«
»Wer wird das schon«, sagte ich und musste lächeln. Ich, mit meinen 21 Jahren, sagte so etwas zu einem Mann Mitte 50.
»Und wie geht es dir sonst? Wann ist es bei dir so weit mit der Uni?«
»Das dauert noch ein Weilchen, das geht erst los, wenn ich Leutnant bin. Ganz nebenbei: Ich bin heute befördert worden.«
»Hey, mein Junge ist Fähnrich! Herzlichen Glückwunsch! Wir hatten damals auch einen Fähnrich im Zug ... Mann, haben wir den gehasst, das war immer ein Arschloch, das glaubst du gar nicht ...«
»Papa, das waren doch ganz andere Zeiten! Und dann noch bei den Grenadieren ...«
»Ja, ich weiß. Mein Gott, das war damals wie in einem Straflager ...«
Das Gespräch plätscherte noch eine Weile dahin, und ich musste an früher denken. Damals, als mein Vater noch fest damit gerechnet hat, dass ich in seine Firma einsteigen würde, dass ich wie mein Bruder in Witten-Herdecke auf die Uni gehen und Wirtschaft studieren würde. Ich wollte auf eigenen Beinen stehen, mein Leben selbst in die Hand nehmen. Er war sehr enttäuscht damals, als ich ihm gesagt habe, dass ich beim Bund bleiben wollte, aber er hat mich immer unterstützt. Einige seiner Angestellten sehen ihn nicht als guten Chef, ein guter Vater war er mir aber allemal.
Als das Gespräch zu Ende war, ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Toll, Soap Operas, das brauche ich nicht unbedingt ... also ging ich in mein kleines Schlafzimmer, und zog mich aus. Als ich nur noch die Unterhose trug, entschied ich mich spontan, doch mal wieder was für meinen Körper zu tun. Ein paar Liegestütze hier, ein paar Sit-Ups da, jeden Tag ein bisschen eben. Als ich ein paar Minuten später auf dem Bett lag und mir eine Zigarette rauchte, fühlte ich mich wieder irgendwie einsam. Es musste doch auch jemanden für mich geben, jemanden, der mich versteht, der zu mir hält. Naja, wie schon mal erwähnt, wer will schon mit einem Soldaten zusammen sein, die sind ewig auf langen Lehrgängen weit weg, verdienen nicht das meiste, haben Wochenenddienste, müssen vielleicht zu Auslandseinsätzen und so weiter ... Es ist wirklich zum Heulen ...
***
»Ach nee, unser kleiner Uniformfetischist wieder!«, hörte ich jemanden sagen, als ich mich im Cuba an einen Tisch setzte. Meine Güte, dachte ich, hört das denn nie auf? Seit zwei Jahren darf ich mir sowas jetzt anhören, immer mal wieder. Keiner versteht, dass ich freiwillig beim Bund bin. Und die meisten fragen mich nicht mal nach dem Grund, sondern zerreißen sich die Mäuler hinter meinem Rücken, wenn sie mich nicht gerade dumm anmachen. Gott sei Dank gab es ja auch noch andere Leute da, die ein wenig intelligenter scheinen, mit denen ich mich angefreundet hatte, mit denen ich diskutieren kann, denen ich viel anvertrauen kann.
»N`abend. Na, wie schaut`s?«, fragte ich zur Begrüßung in die Runde. Jaja, das übliche halt, eine Umarmung hier, ein Handschlag da. Ich warf einen Blick über die Tische. Benjamin, der »Diskutator«, setzte gerade mal wieder zu einer seiner berühmten Reden an.
»Und ich bleibe dabei, es ist vollkommener Schwachsinn, wenn die Union argumentiert, die Homoehe gefährde den verfassungsmäßigen besonderen Schutz von Ehe und Familie«, sagte er in die Runde. Zustimmendes Nicken von allen Seiten zeigte ihm, dass viele seine Meinung teilten. Ich begrüßte den großen, blonden Redner mit dem konservativen Kleidungsstil und gesellte mich zu seinen Zuhörern.
»Will der Stoiber jetzt eigentlich klagen?«, fragte Florian dazwischen.
»Verlass dich drauf«, sagte ich, während Ben einen Schluck von seinem Alt-Schuss nahm.
»Roman Herzog meinte sogar, dass man den besonderen Schutz der Ehe aus der Verfassung ausklammern soll. Zumindest meine er, dass Ehepaare ohne Kinder keine besonderen Rechte haben dürfen. Und ich muss sagen, ich gebe ihm vollkommen Recht. Natürlich bin ich für eine gute Familienpolitik, die Familie ist für mich das Schützenswerteste überhaupt. Aber ich sehe nicht ein, dass Ehepaare ohne Kinder andere Rechte bekommen als ein schwules oder lesbisches Paar, die vielleicht alle in derselben Stadt wohnen und genauso lange zusammen sind. Aber dann kommen die wieder mit, wenn man ihnen diese Sonderrechte beschneiden will nach dem Motto `wir können aber keine Kinder kriegen` und sowas. Na und? Ist das mein Problem? Das können wir Schwulen doch auch nicht, können wir da was für? Also nein, so geht`s ja nicht hier.« Er gestikulierte wild, während er einen seiner berühmten Monologe hielt. Okay, Politik ist vielleicht nicht für jeden das Wunschthema schlechthin, aber Ben war gebildet und wusste, wovon er sprach, außerdem erklärte er zumindest vor dem dritten Bier alles so, dass es fast jeder verstehen konnte.
»Und ich hoffe«, fuhr er fort, »dass die Union mit ihrer Normenkontrollklage vor dem Verfassungsgericht ne Bruchlandung macht und dass das Gericht vielleicht sogar sagt, dass ihm die Gesetze der Homoehe nicht weit genug gehen. Schaut euch doch mal in den anderen Ländern in Mitteleuropa um. Frankreich hat ein entsprechendes Modell, die Niederlande sind am weitesten in Europa, in Dänemark gibt es seit Anfang der Neunziger schon die Homoehe.
»Darfs hier noch was sein?«, fragte die Kellnerin.
»Machst du mir ne große Cola, ohne Eis, ohne Zitrone?«, sagte ich.
»Und mir bitte noch ein großes Alt-Schuss«, ergänzte Ben. Es war wie immer, mit Ben kann man einfach wunderbar stundenlang diskutieren, man vergisst die Zeit, man verbringt einen interessanten Abend mit ihm vorausgesetzt, man schafft es, in den kurzen Pausen seiner Reden auch mal etwas sagen zu können. Ich grübelte eine Sekunde nach, blickte einmal durch den Raum, der sich immer mehr mit Menschen füllte. Dann sah ich Martin. Er kam herein, schaute mal eben hierhin und dorthin, schüttelte ein paar Hände und kam dann direkt auf mich zu.
»Hi Philipp«, rief er schon von weitem. Wir begrüßten uns mit einer Umarmung.
»Martin, wie geht`s dir? Hab dich ja auch schon ein paar Wochen nicht mehr gesehen.«
»Gut, ja, muss ja«, grinste er. »Was machst du morgen?«
»Ähm ... ich hab am Abend noch nichts vor ...«
»Gut.« Er hielt mir einen Zettel und einen Stift hin. »Dann such dir einen Dienst aus, ich brauch dringend noch Leute auf der Party.« Party? Ist das schon wieder so weit? Tatsächlich! Ich faltete den Zettel auseinander, und da stand es groß drauf: Morgen Abend war Youngs-Party im VIVA. Ich warf einen flüchtigen Blick über die bisher eingetragenen.
»Hm ... Ich mach glaub ich Kasse von zehn bis zwölf.« Der Stift kratzte über das Papier, als ich mich eintrug.
»Sehr schön. Wenn du kannst, komm dann auch bitte schon eher, so gegen halb acht, wir müssen noch alles aufbauen, ja?«
»Klar, mach ich das.« Kaum hatte ich das gesagt, war Martin auch schon wieder mitten unter den Leuten und wollte noch den einen oder anderen zum Arbeiten verdonnern.
Morgen also Youngs-Party, das gefiel mir doch schon mal sehr gut. Da ist immer was los, da kann man so viele süße Jungs sehen, und naja, ich gab die Hoffnung eben noch nicht auf, dass ich auch nochmal irgendwo jemanden kennen lernen würde.
Okay, die schwule Szene ist teilweise wirklich durchtrieben und verlogen, aber es gibt trotz allem dort noch sehr viele Menschen, die mir am Herzen liegen und die eben doch nicht so sind, wie eben über Leute in der Szene erzählt wird. Außerdem: Zu Hause sitzen und warten, bis der Traumprinz an der Tür steht, bringt auch nichts. Bis das soweit ist, kriegen meine noch nicht geborenen Neffen Rente.
Morgen also Youngs-Party! Mein Herz schlug etwas höher, immer, wenn ich daran dachte. Mein Instinkt sagte mir, irgendetwas wird dort sein. Aber ich konnte dieses Gefühl nicht in Worte fassen. Ich dachte den ganzen Abend darüber nach, bis ich schließlich irgendwann nach Hause fuhr.
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