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Just a step away

Teil 1

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„Wer ist da?“, brummte Lukas verstimmt.

Es ist 8 Uhr morgens und es sind Ferien. Wenn der nicht einen guten Grund hat, mich jetzt zu wecken, dann garantiere ich für gar nichts mehr, ging es ihm verstimmt und noch leicht schläfrig durch den Kopf.

„Ich bin‘s, Hendrik“ – Lukas zuckte innerlich zusammen, „das ist ein Traum“, oft hatte er gehofft, dass Hendrik eines Tages in seiner Tür steht; doch nein, hatte er es wirklich gehofft oder war es vielmehr ein Wunschtraum… nein, gehofft hatte er schon lange nicht mehr, es war zu abwegig, niemals könnte dies sein, oder könnte doch?

„Morgen, Hendrik“, murmelte Lukas halbwegs freundlich, „was bringt dich dazu, meinen Schönheitsschlaf zu stören?“

„Darf ich mich setzen?“

„Immer doch“, erwiderte Lukas, als er sich im Bett aufsetzte.

Lukas erwartete, dass Hendrik sich auf einen der beiden Bürostühle in seinem Zimmer setzen würde, doch stattdessen ging Hendrik schnurstracks auf das Bett zu und setzte sich auf die Bettkante; wobei eigentlich war es ein Sofa, Lukas war pragmatisch, er brauchte kein extra Bett, das nahm nur Platz weg. Also hatte er sich beizeiten eine Bettcouch angeschafft, die er allerdings nie auszog; ihm reichte die unausgezogen 85cm breite Liegefläche.

„Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?“, begann Hendrik zögerlich.

Ratespiele um diese Zeit, der macht sich doch über mich lustig.

Lukas schoss los mal wieder, ohne vorher zu denken, wie so oft. Irgendwie konnte er das, ohne dass er wirklich Stuss redete, allerdings kam es so oft vor, dass er mitten im Satz den Gedankengang änderte und Anfang und Ende des Satzes manchmal gar nicht mehr miteinander zu tun hatten.

„Mh… wann war das? Du musst schon auf der Schule gewesen sein, bevor du mir aufgefallen bist. Das war dann vor 2 Jahren, als du von deinem Auslandsjahr in England zurückgekommen bist und in meine Klasse gekommen bist. Doch nein, auch da haben wir uns nicht kennengelernt; nein das muss gewesen sein, als wir in Physik Sitznachbarn wurden, wobei so mal eigentlich ehrlich gesprochen, wirklich kennen tun wir uns ja auch nicht. Wir haben zwar in Physik ein bisschen über alles Mögliche und so geredet, doch wirklich etwas über dich wissen tue ich eigentlich wenig über dich.“

„Mh, irgendwie hast du recht, bevor wir Sitznachbarn wurden, hatte ich dich auch nicht wahrgenommen …...“

„Hendrik, du bist zwar ein netter Kerl und ich…“ Lukas stockte. Fuck, Fuck, Fuck, innerlich kochte er, jetzt hatte er sich beinahe verplappert. Ja klar, irgendwie stand er auf Hendrik, aber es ihm direkt sagen, nein das konnte er nicht; dazu fehlte ihm der Mut.

„Was und?“ bohrte Hendrik nach.

„Äh … Äh… ahja; und ich unterhalt mich gern mit dir und schätze deine Meinung, aber es sind Ferien, es ist 8 Uhr und ich bin erst um 4 ins Bett, auf Ratespiele hab ich zurzeit echt keinen Bock. Also bitte, Hendrik, komm zum Punkt“, seine Stimme klang hart härter, als er wollte, doch er wollte sich keine Blöße geben, nicht zeigen, dass er etwas für Hendrik empfand, und zurzeit war dies die einzige Möglichkeit, den Schein zu wahren.

„Ich sollte wohl besser gehen“, sagte Hendrik leise und mit abgewandtem Blick. Lukas erkannte Tränen in Hendricks blauen Augen, seinen wunderschönen tiefen blauen Augen. Lukas wollte einfach in dem Blick versinken, doch er wusste, dass dies wohl niemals passieren würde.

„Ach verdammt, Hendrik, ich wollte nicht so harsch sein, es ist nur… nur dass ich einfach etwas Stress zurzeit habe und so“, bemühte Lukas Hendrik zu besänftigen, „du kennst mich doch, manchmal plappere ich ohne nachzudenken drauflos, und dann sag ich manchmal Dinge auf eine Weise, die nicht so rüberkommt wie es soll; wobei kennst du mich wirklich? Schließlich sind wir nur Sitznachbarn in Physik.“

„Sitznachbar!!! Sitznachbar!!! Das bin ich also für dich?“ Hendrik heulte nun hemmungslos und schrie fast.

Lukas war perplex. Was lief hier gerade ab? Irgendwas passte nicht ins Bild, doch er wusste nicht was. Er bemerkte, dass Hendrik gehen wollte, wollte Hendricks Arm greifen, die Situation verstehen, Hendrik trösten, ihn in den Arm nehmen, ihn sagen, dass er immer für ihn da sein würde. Er griff nach Hendricks Arm und verfehlte ihn knapp.

Hendrik sprang auf und stürmte aus dem Zimmer. Regungslos versuchte Lukas zu erfassen, was gerade passiert war. Er hörte Hendrik die Treppe hinabrennen, hörte seine Mutter rufen „Alles in Ordnung?“, die Haustür knallte, der Roller startete; Stille.

 

Christine, Lukas Mutter, betrat den Raum; im Gesicht fast so viele Fragezeichen wie in seinem eigenen. „Sag mal Lukas, was war hier eben los? Besuch um 8 Uhr morgens; also nicht dass es nicht schön ist, dass du Besuch bekommst, kommt ja selten genug vor, aber um diese Zeit; unangekündigt? War das dein Freund, hast du Schluss gemacht, hast du ihn betrogen? Mensch red mit mir!“ Christine wusste, dass ihr Sohn schwul war, und war soweit damit nicht unglücklich, sie sagte sich immer wenigstens gibt’s so keine ungewollten Kinder, und solange er glücklich ist.

Lukas erwachte aus seiner Starre: „Nein Mama, das war nicht mein Freund. Ich bin Single und hab überhaupt keine Ahnung, was das eben sollte.“

Tatsächlich hatte Lukas trotz seiner bald 19 Jahre noch keine Beziehung gehabt, was zum Großteil daran lag, dass er sich erst in der Zeit um seinen 18 Geburtstag herum selbst akzeptieren konnte, und in der Zeit seitdem hatte er festgestellt, dass es gar nicht so einfach war, einen Freund zu finden.

„Worum ging es dann?“ Christine ließ nicht locker.

Mütter ging es Lukas durch den Kopf.

„Dachte er, du wolltest ihm seine Freundin ausspannen, aber nein das macht auch keinen Sinn, in der Schule bist du schließlich geoutet.“

Teilweise geoutet, er machte zwar kein Geheimnis draus, und wenn er gefragt wurde, sagte er es auch offen oder korrigierte Leute, wenn er gefragt wurde, warum er keine Freundin hatte. Aber wer es wusste, konnte er nicht sagen, schließlich hatte er sich nicht vor die Klasse gestellt und gerufen“ Ich bin schwul“, dafür hatte er den Mut nicht gefunden, und irgendwie fand er es auch unnötig, sich so hinzustellen. Aber seiner Mutter das jetzt zu erklären, darauf hatte er keine Lust.

„Nochmal, Mama, ich weiß nicht, was los war, aber ich fahr besser mal hinterher.“

„Ui; also stehst du auf ihn.“

„…“

„Du brauchst nichts zu sagen, aber er ist süß. Würd mich für dich freuen, wenn das was würde.“

Mütter dachte Lukas erneut. Er verdrehte die Augen und schob seine Mutter aus der Tür. Schnell griff er sich irgendwelche Sachen zum Anziehen, seltsamerweise sein Lieblingsshirt.

Fertig angezogen, griff er nach Fahrradschlüssel und Handy und stürmte los, im Vorbeigehen hörte er noch seinen Vater rufen „Willst du nicht das Auto nehmen?“, doch da war er schon aus der Tür. Er rannte zum Fahrrad und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie im Vogelbad gerade ein Eichhörnchen planschte, kurz stockte er, für ihn als Hobbyfotografen war dies das Bild des Jahres, doch er riss sich los. Hendrik war jetzt wichtiger, Bilder konnte er immer wieder schießen. Er lief weiter, erreichte das Fahrrad, schwang sich in den Sattel, und auf ging es Richtung Innenstadt.

Lukas wohnte etwas außerhalb, gar nicht mehr in der Stadt, sondern in einem größeren Dorf am Stadtrand, daher musste er, wenn er zur Schule wollte, jeden Tag 8 km Rad fahren, und dementsprechend gut durchtrainiert waren seine Oberschenkel. Die 8km schaffte er an guten Tagen in unter 20 min, meistens brauchte er aber so um die 25. Er genoss es, nicht in der Stadt zu wohnen, auf dem Dorf war es doch meist ruhiger und entspannter Eigenschaften, die Lukas sehr genoss, weil er selbst oft recht verspannt war und nur wenig innere Ruhe besaß.

Als er schon einige Minuten unterwegs war, fragte er sich, wo Hendrik wohl hinfahren würde, er erkannte, dass es sogar sein könnte, dass Hendrik gar nicht in Richtung Stadt, sondern in die Gegenrichtung zum See gefahren sein könnte. Er verwarf diesen Gedanken, was sollte Hendrik da, er wohnt schließlich in der Stadt, und ansonsten irgendwo musste Lukas seine Suche ja beginnen. Auch wenn er ahnte, dass sich das Ganze zu einer Nadel-im-Heuhaufen- Situation entwickeln könnte. Fieberhaft überlegte er, wo Hendrik hin sein könnte. Er wusste, dass Hendrik Rugby spielte, doch nicht wo, er wusste auch nicht, wo Hendrik wohnte und welche anderen Orte Hendrik wichtig waren, schließlich war er nur sein Sitznachbar und kein Freund. Er erkannte, dass er vielleicht überstürzt gehandelt hatte, einfach loszufahren, ohne vorher noch was über Hendrik in Erfahrung gebracht zu haben. Was soll ich nur tun? Wer kann mir hierbei helfen? Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen Dick!

Dick war Lukas‘ bester Freund, zusammen gingen sie durch dick und dünn. Oft frotzelten Leute, sie seien ein Paar, doch Dick war zu 100% Hetero, und Lukas wollte auch nicht durch eine Beziehung mit Dick die Freundschaft zwischen den beiden zerstören, als Best-Buddys waren sie perfekt, doch er wusste, eine Beziehung mit Dick würde nicht klappen.

Hektisch nestelte Lukas sein Handy aus der Tasche und wählte, dass man beim Radfahren nicht telefonieren durfte, war ihm egal. Er hoffte einfach, die Polizei sei anderweitig beschäftigt.

„Hier …“

„Dick, keine Zeit für Erklärungen, die Luft brennt.“

„Du sollst mich nicht immer Dick nennen!“

„Jetzt trink deinen verdammten Morgenkaffe und hör mir zu!“

„Okay“ kam es maulig zurück. „Was willst du?“

„Geh online und finde für mich heraus, wo Hendrik Rugby spielt, seine Handynummer und wo er wohnt, oder nein besser die Nummer seiner Eltern, und zwar so schnell wie möglich, und achja, schicks mir per SMS, ich bin grad aufm Rad.“

„Wieso willst du das wissen?“

„Erklär ich wann anders, bye!“

„Läuft da was…?“ Dick konnte seinen Satz nicht beenden. Lukas hatte einfach aufgelegt.

 

10 Minuten später erreichte Lukas die ersehnte Nachricht, gerade als er die Innenstadt erreichte. Er hatte einen neuen Streckenrekord aufgestellt, allerdings würde er wohl neue Bremsen brauchen. Am Kreisverkehr war er nur knapp einer Kollision mit einem Bus entgangen, doch seitdem tat sich, wenn er die Bremse betätigte, gar nichts mehr.

Rugbyverein, Handynummer, die Nummer der Eltern - alles da. Auf Dick konnte man sich echt verlassen. Lukas wählte sofort, doch bei Hendrik ging direkt die Mailbox ran. Vorsichtshalber hinterließ er eine Nachricht, doch er wusste, dass das sowieso egal war. Also die Eltern. Etwas verschlafen und verwundert nahm nach dem 6. Klingeln endlich Hendricks Mutter den Hörer auf. Doch auch sie konnte nicht helfen, wollte aber sofort informiert werden, wenn Lukas was herausfinden würde, und ermunterte Lukas, doch mal im Hafen zu schauen. Lukas versprach sich zu melden, wenn er etwas herausfinden würde.

Der Hafen war näher und lag sowieso auf dem Weg zum Sportplatz, also entschloss sich Lukas, zuerst dort zu schauen. So schnell wie noch nie trat er in die Pedale.

Am Hafen angekommen machte er sich auf die Suche, hielt Ausschau nach Hendrik, fragte Lagerarbeiter, schaute in leere Hallen, versuchte den Roller zu erspähen, doch nichts. Nach einer halben Stunde gab er auf, der Hafen war einfach zu groß, wenn Hendrik nicht wollte, dass man ihn hier findet, dann würde Lukas ihn auch nicht finden. Zumindest nicht ohne Hundestaffel der Polizei.

Also zum Sportplatz. Lukas ignorierte die roten Ampeln, die er überfuhr einfach, bremsen hätte er sowieso nicht können, für ihn war nur noch wichtig, Hendrik zu finden. Schon von weitem sah er Hendricks Roller am Sportplatzzaun lehnen. Hoffnung machte sich in ihm breit und auch Furcht, der Sportplatz hatte ein Tribünengebäude, 17m hoch und vom Boden aus kaum einsehbar.

Er warf sein Fahrrad ins Gras, das Sportplatztor war nicht verschlossen, panisch blickte er sich um; kein Hendrik.

Fuck, also doch auf dem Dach. Wo ist jetzt dieser verdammte Eingang? Hektisch probierte er alle Türen am Gebäude aus, eine ging endlich auf, eine Treppe, die nach oben führte, lag dahinter. Das musste der Aufgang zum Dach sein. 5 Stufen auf einmal nehmend hechtete er nach oben, hoffentlich war es noch nicht zu spät. Oben angekommen eine Tür, sie klemmte. Lukas warf sich dagegen; einmal, zweimal, endlich sprang sie auf und Lukas stürzte aufs Dach hinaus. Er bemerkte den wunderbaren Ausblick, der sich ihm bot, gar nicht. Panik machte sich breit, er konnte Hendrik nicht sehen. War er schon gesprungen, war er wirklich hier hochgelaufen? Dann plötzlich bemerkte er ihn.

Hendrik stand am Rand des Daches, den Blick von Lukas abgewandt.

Verdammt noch eins, genau an der Kante. Lukas ging langsam, ohne was zu sagen, auf Hendrik zu. Verdammte Höhenangst schoss es ihm durch den Kopf, doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Er stellte sich neben Hendrik und bemerkte, dass dieser die Augen geschlossen hatte, wie als würde er Kraft zum Springen sammeln. Lukas wollte etwas sagen, konnte nicht, seine Kehle war wie zugeschnürt, er wusste eh nicht ,was er sagen wollte. Seine Gedanken kreisten, ein Schritt und Hendrik …weg, ohne dass er mich bemerkt. Ihm stiegen Tränen in die Augen, immer noch wusste er nicht, was er sagen sollte. Plötzlich kam ihm sein Mund zu Hilfe. Ohne es zu merken, sagte er:

„Schönes Wetter heute hier oben, da möchte man glatt den Tag hier in der Sonne verbringen.“

Was laber ich da für ne Scheiße, wobei besser als gar nichts.

Hendrik erschrak, taumelte, fing sich, stand wieder sicher. Lukas‘ Herz, das einen Schlag ausgesetzt hatte, begann wieder normal weiterzuschlagen. Hendricks Blick war finster.

„Geh weg, ich will dich nicht mehr sehen, und bald muss ich das auch nicht mehr!“

„Hendrik, ich weiß, dass ich manchmal etwas zu Dampfwalzenmäßig reagiere, wenn andere beginnen feinfühlig zu werden, aber ich hab keine Ahnung, was das heute morgen sollte. Bitte, ich will dich verstehen.“

„Es gibt nichts mehr zu reden.“

Lukas verlor nun endgültig die Selbstbeherrschung, und die Tränen strömten nur aus ihm hinaus.

„Spar dir deine Tränen, die sind eh nicht echt!“

Beinahe brach Lukas zusammen und wäre in den Abgrund gestürzt, doch er schaffte es, die Balance zu halten.

„Hendrik bitte…“

„Was Hendrik bitte?; Ich bin dir doch eh egal!“

Lukas weinte immer bitterlicher, er konnte es kaum aushalten, wie Hendricks Worte ihn verletzten.

„Hendrik, heute morgen, als du mich gefragt hattest: Ich empfinde mehr für dich, als dass du nur mein Sitznachbar bist, ich konnte es nur nicht gestehen, ich hatte Angst, dich komplett zu verlieren, hatte Angst, du würdest nicht mehr mit mir reden, mich ignorieren. Hendrik, als du das erste Mal in die Klasse kamst, ja schon da hatte ich mich in dich verguckt, und als wir dann Sitznachbarn wurden, da wurde es mir langsam klar, dass ich wirklich etwas für dich empfinde. Ich hab es zur Seite geschoben, es versteckt weil ich dachte, dass das eh nie was werden würde. Ach verdammt noch eins, Hendrik, ICH LIEBE DICH!

Es war raus, Lukas war erleichtert, und dennoch, eigentlich wusste er ja nicht, ob es Hendrik wirklich darum ging, er hatte nur die starke Vermutung, und egal wie: Es musste raus.

„Das sagst du doch nur so!“

„Nein, Hendrik, es ist so, und je weiter dieser Tag voranschreitet, desto mehr denke ich, dass du mich auch liebst.“

„Woher…“

„Das ist nicht so schwer. Du schreist mich an nur Sitznachbar das bin ich für dich? Stürmst dann aus dem Raum, und dann finde ich dich auf einem Dach, von dem du offenbar springen willst. Das sieht jeder Blinde!“

„… ist es so offensichtlich?“

Hendrik begann nun auch zu weinen.

„Ja!“

„Weißt du, ich kam zu dir, um es dir zu sagen, doch ich hatte Angst. Ich versuchte, irgendwie über einen anderen Weg zum Punkt zu kommen, doch dann, ja dann hattest du geantwortet, und ich war verletzt und dachte, wenn du das so siehst, dann brauch‘ ich nichts mehr zu sagen, und dann will ich auch nicht mehr…“

„Ach Hendrik, ich hatte sicher genauso viel Angst wie du und hab deswegen so reagiert. Bitte, wenn du kannst, magst du mir verzeihen?“

Aus den Tränen der Trauer und Wut wurden Tränen der Freude.

„Wie könnte ich dir je lange böse sein?“

Lukas grinste „Wir beide sind schon zwei bekloppte Vögel!“

„Halt einfach mal die Klappe und genieß den Augenblick!“ lachte Hendrik zurück.

Das tat er, auch er sagte nichts und blickte Hendrik nur in die Augen, doch er musste auch nichts sagen, die Welt hörte auf, wichtig zu sein, stoppte die Existenz, sie lebten nur noch in den Blicken des anderen, und nach einer scheinbar endlosen Zeit fielen sie sich in die Arme, und ihr Münder fanden einander für einen langersehnten Kuss. Der letzte Rest Realität wurde aus ihren Köpfen geschwemmt. Nichts war da mehr, nur der andere, sie wussten, dass niemand sie je trennen könnte.

 

Plötzlich setzte Lukas‘ Denken wieder ein, etwas stimmte nicht, etwas stimmte ganz gewaltig nicht. Etwas sagte ihm, dass er sich bewegte, aber nicht in eine Richtung, die ihm logisch erschien. Er bewegte seine Beine, nichts. Was ist hier los? Langsam öffnete er die Augen. Hendrik schien nichts zu bemerken. Der Horizont bewegte sich, der Himmel entglitt seinem Sichtfeld, er sah den Boden, der Boden, er kam näher, er fiel. Lukas fiel, Hendrik im Arm, der immer noch mit geschlossenen Augen im Kuss versunken war. Was war los? Lukas begriff nicht, eben standen sie noch. Dann begriff er, sie standen an der Dachkante, 17 m über dem Boden. Versunken in den Kuss hatten sie unbemerkt die Balance verloren, und nun stürzten sie auf den Boden zu.

Plötzlich begriff Lukas, wenn sie fielen, dann würden sie auch aufschlagen, aus 17 m Höhe, eigentlich nicht überlebbar. Wieviel Zeit blieb ihm noch? Sicher nicht viel, er wusste, dass das Gehirn in extremen Situationen in eine Art Hyperaktivität verfällt und sich die Zeit erheblich langsamer anfühlt, so konnte er vielleicht noch ein paar Gedanken fassen, mit dem Leben abschließen, auch wenn er nicht wollte.

Er schloss die Augen, wollte nicht sehen, wann es soweit sein würde, begann seinen Geist zu leeren, erst das, was er bedauerte, dann das, was er noch tun wollte, zuletzt die schönen Dinge, die er erlebt hatte. Innerer Frieden und Ruhe breiteten sich in ihm aus, als letztes entschwanden die letzten Momente mit Hendrik aus seinem Geist. Er hatte keine Angst mehr, er hoffte nur noch, dass es schnell gehen würde, er keine Schmerzen haben würde.

Doch auch dies verebbte und dann

SCHWÄRZE

Schweißgebadet und mit klopfendem Herzen wachte Lukas auf, er saß kerzengerade im Bett, der Mond schien durch das Fenster, Vollmond musste schon einige Tage vorbei sein, die Uhr zeigte 02:30 morgens. All dies realisierte Lukas innerhalb von Sekundenbruchteilen, irgendwas stimmte nicht, er war gefallen, er war tot, oder hatte er überlebt? Doch was machte er dann zu Hause in seinem Bett in seinem Zimmer?. Warum war er am Leben? Etwas regte sich neben ihm, verdutzt blickte er hinab, neben ihm lag Hendrik. Dann fiel es ihm wieder ein: Hendrik kam in sein Zimmer, doch anstatt lange zu reden hatte Lukas Hendrik, als sich Hendrik auf die Bettkante setzte, einfach in den Arm genommen und geküsst. Das war aber vor 2 Wochen. Endlich verstand er, alles war nur ein Traum. Erleichtert atmete er auf, mit Träumen konnte er umgehen, seine Fantasie hatte ihm schon so oft den ein oder anderen Streich im Schlaf gespielt, doch nach dem Aufwachen freute er sich immer, wenn er geträumt hatte, auch wenn es oftmals sehr seltsame, zum Teil wenig erfreuliche Träume waren, aber es waren Träume, wie ein Film, nur mit besseren Special-Effekts und lebensechter.

Neben ihm regte sich Hendrik erneut.

„Was machst du hier für‘n Aufstand, man kann ja gar nicht pennen“, nölte er.

Lukas grinste „Ach nichts, ich hatte nur einen Traum.“

„Na der muss ja verstörend gewesen sein.“

„Nun ja, du kamst drin vor, also ja“, frotzelte Lukas.

„Danke, ist lieb von dir, dass du an mich denkst, wenn du schläfst.“

„Du bist darin gestorben.“

Lukas erntete einen bösen Blick von Hendrik, doch irgendwie fand er den Blick eher amüsant.

„Hey, ich bin mit dir gestorben!“

„Wie beruhigend, wenigstens konntest du dich so nicht an die Bademodenmodels ranmachen.“

„Hey!“

„Kann ich jetzt weiterschlafen, einige von uns brauchen nämlich Schlaf.“

„Mach nur, du Vogel!“

Aneinander gekuschelt und selig lächelnd schliefen sie wieder ein.

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