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So nah und doch so fern
Teil 5 - Ende
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Informationen
- Story: So nah und doch so fern
- Autor: ReadmyLips
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Coming Out, Lovestory
Vorwort
Nun ist es also endlich soweit: „SNUDSF“ geht zu Ende. Wie Ihr aber sicherlich schon bemerkt habt, sind es ZWEI Teile, die gleichzeitig veröffentlicht werden: Teil 5 (Ende) und Teil 6 (alternatives Ende). Dabei ist Teil 6 keine Fortsetzung von Teil 5, sondern schließt ebenfalls direkt an Teil 4 an und zeigt eine andere Möglichkeit, wie sich die Dinge entwickeln könnten.
Das kommt daher, dass ich lange, LANGE mit mir gerungen habe, ob ich für diese Geschichte überhaupt ein Happy End haben will oder nicht. Dass es nun zwei Enden gibt, liegt nun einzig und allein daran, dass ich mich nicht entscheiden konnte. Daher habe ich irgendwann beschlossen, zwei Versionen zu veröffentlichen. Das Produkt seht Ihr nun auf euren Bildschirmen.
Das ist natürlich auch der Grund dafür, dass es so lange gedauert hat, bis ich die letzten Teile veröffentlichen konnte. Daher erst einmal danke für eure Geduld. Aber ich möchte mich auch ganz besonders bei allen bedanken, die ein Feedback zu den ersten vier Teilen geschrieben haben, und bei denen, die in der Zwischenzeit gefragt haben, wann es denn weitergeht. Eure Rückmeldungen haben mir den Ansporn gegeben, weiterzuschreiben!
Und nachdem ich es bei den letzten Teilen konsequenterweise immer vergessen habe: ein GANZ DICKES DANKESCHÖN an alle meine KORREKTURLESER!!! Eure Unterstützung war Gold wert! :-)
Genug der Worte. Ich wünsche Euch nun viel Spaß bei den letzten beiden Teilen mit Tim, Lukas, Jannis, Kevin und Tine. Vielleicht lasst Ihr mich ja wissen, welcher Euch besser gefallen hat? ;-)
Liebe Grüße,
Euer readmylips
„Come stop your crying, it will be all right
Just take my hand, hold it tight
I will protect you from all around you
I will be here, don’t you cry.”
Phil Collins: „You’ll Be In My Heart“ *
Es ist doch zum Kotzen!
Wütend und geschockt flüchte ich die Treppe hinab in den Vorflur und ziehe mir hastig meine Jacke und Schuhe wieder an. Dabei weiß ich nicht einmal, ob ich mehr wütend oder geschockt bin. Die Gedanken schießen förmlich durch meinen Kopf. Was soll so ein Scheiß?!
Als ich gerade aus der Haustür stürme, taucht Jannis hinter mir auf. „Warte!“, ruft er, aber ich denke nicht im Traum daran, stehen zu bleiben. Er läuft mir nach und fängt mich an der Hecke ab, die das Grundstück von Kevins Haus umschließt.
„Tim! Warte bitte!“, wiederholt er und hält mich am Arm fest.
„Lass mich los!“, zische ich und schüttele ihn ab.
„Ich will dir doch nur erklären ...“ Doch er kommt nicht weiter, denn mir platzt der Kragen.
„Deine Erklärungen interessieren mich einen Scheiß!“, schnauze ich ihn an und stapfe wütend weiter.
„Aber ... “, setzt er an.
Zornig fahre ich herum. Jannis ist so überrascht davon, dass er mich fast umrennt.
„Ist dir eigentlich klar, was du Lukas damit antust?!“, herrsche ich ihn an. „Er liebt dich!! Mein Gott, ist dir das überhaupt bewusst??? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie glücklich er war, als ihr zusammengekommen seid? Ist dir jemals das Leuchten in seinen Augen aufgefallen, wenn er dich in der Schule gesehen hat?!“
Ich bin wortwörtlich auf 180. Aber das muss jetzt raus! Jannis starrt derweil niedergeschlagen auf den Gehweg.
„Weißt du“, fahre ich wütend fort, „ich wünsche mir nichts sehnlicher, als einmal das zu haben, was ihr habt. Und was machst du Idiot? Du vögelst mit Kevin rum!“
„Wir haben nicht ...“, setzt er an.
„Ihr hättet aber!“, unterbreche ich ihn erneut. „Und ich dachte, dass sein Ruf inzwischen auch bis zu dir durchgedrungen wäre!“
Jannis schweigt betreten, während ich wie ein Tiger im Käfig auf und ab laufe, um meine Wut unter Kontrolle zu halten, was mir allerdings nur bedingt gelingt.
„Und das Schlimmste ist, dass ihr mich da mit reingezogen habt!“
„Glaub mir, ich wusste das nicht, das war Kevin ... “
„Ach halt bloß den Rand!“ Normalerweise wäre das nicht meine übliche Art mit jemandem umzugehen. Aber das ist auch keine normale Situation.
„Du ... du verrätst ihm doch nichts, oder ... ?“ Er sieht mich ängstlich an.
Ich möchte ihm am liebsten sofort eine scheuern. Nein, zwei: eine links und eine rechts. Verdient hätte er es ja. Aber mir fällt auf, dass ich leider keine Ahnung habe, wie ich mich nun gegenüber Lukas verhalten soll.
„Ich gebe dir nur einen Tipp“, fauche ich ihn an, um von meiner Unsicherheit abzulenken, „versuch’s mal mit Ehrlichkeit.“
Damit drehe ich mich abrupt um und sehe zu, dass ich hier wegkomme. Jannis folgt mir nicht mehr.
Ich weiß schon, warum ich Diskos wie das Bizarre hasse. Da ist noch nie etwas Gutes bei rausgekommen.
Montag.
Wieder einmal mache ich mich übermüdet auf den Weg in die Schule. Übermüdet deshalb, weil ich letzte Nacht, anstatt zu schlafen, mich noch lange hin und her gewälzt und gegrübelt habe. Ich habe Lukas nicht angerufen und ihm auch keine E-Mail geschickt. Ich hätte ja eh nicht gewusst, was ich ihm hätte sagen sollen – oder wie ich es hätte sagen sollen. Außerdem wäre ich mir wie eine blöde Petze vorgekommen.
Ich frage mich, wie er reagiert hätte. Hätte er mir geglaubt? Gerade jetzt, wo er weiß, was genau in den letzten Wochen mit mir los war ... Vielleicht hätte er mir vorgeworfen, dass ich ihn und Jannis aus Eifersucht auseinanderbringen will. Aber hätte er mir das wirklich zugetraut?
Ich bin mir ja nicht mal selber sicher, welche meine wahren Motive gewesen wären. Das war auch einer der Punkte, über die ich so lange nachgedacht habe letzte Nacht. Ganz direkt gesagt, finde ich Jannis’ Verhalten einfach nur völlig daneben, indiskutabel, unentschuldbar. Aber ich kenne auch nicht die Hintergründe. Gab’s vielleicht Zoff zwischen den beiden? Aber am Samstagabend war noch alles in bester Ordnung. Wenn, dann müssen sie sich gestritten haben, nachdem ich aus dem Bizarre abgehauen bin.
Aber hätte Lukas mir das nicht erzählt? Er hätte doch anrufen können, wenn ihn etwas belastet. Immerhin sind wir doch Freunde, oder etwa nicht? Oder sind wir nicht mehr so enge Freunde, seitdem er weiß, was ich für ihn empfinde?
Ja, ich empfinde immer noch sehr viel für ihn. Das hat mir der Abend im Bizarre deutlich gezeigt.
Vielleicht würde er deshalb nicht mit mir reden wollen? Je mehr ich letzte Nacht darüber nachdachte, desto mehr musste ich einsehen, wie kompliziert diese ganze Geschichte inzwischen geworden ist. Ich liebe Lukas. Lukas liebt Jannis. Jannis liebt Lukas – dachte ich zumindest. Und dann macht er mit Kevin rum. Ich ertappe sie. Irgendwie verrückt, nicht wahr?
Apropos Kevin. Was der damit zu tun hatte, habe ich auch noch nicht so ganz kapiert. Er hatte mich ja angerufen, weil er mir etwas zeigen wollte. Aber was? Dass er Jannis rumgekriegt hat? Er kannte doch die beiden, er hatte sie ja ein paar Mal im Bizarre gesehen. Er wusste doch, dass sie zusammen sind! Umso schlimmer finde ich, dass er sich in ihre Beziehung einmischen musste! Und dass er mich da mit reingezogen hat. So ein Arsch!
Vor lauter Wut und Grübelei bin ich dann kaum zum Schlafen gekommen. Und während ich nun zur Schule radele, wird mir dieses Gefühlschaos, das in mir herrscht, von Meter zu Meter bewusster. Verdammt! Was soll ich bloß tun? Wie soll ich mich verhalten?
Pünktlich mit dem Klingeln erreiche ich unseren Klassenraum. Schmidt ist wohl verspätet, aber Lukas sitzt schon an seinem Platz und unterhält sich mit Jörg. Still setze ich mich auf meinen Platz neben ihm und packe meine Sachen aus. Bisher scheint alles in Ordnung zu sein, Lukas verhält sich ganz normal. Dann hat Jannis also noch nichts erzählt. Denn ich könnte nicht so tun, als wenn alles im grünen Bereich wäre, wenn mein Freund mir gestanden hätte, dass-
„-habe ‚Guten Morgen’ gesagt!“, sagt auf einmal jemand neben mir und knufft mich mit seinem Ellenbogen in die Seite. Lukas.
„Oh, sorry“, nuschele ich, „habe dich nicht gehört ... ’nmorgen.“
Lukas runzelt die Stirn und schaut mich komisch von der Seite an. „Meine Güte, was ist denn heute bloß los? Jannis war eben auch schon so verpeilt“, raunt Lukas mir leise zu, während Schmidt in den Klassenraum kommt, sich für seine Verspätung entschuldigt und sofort mit dem Unterricht beginnt.
Ich zucke nur mit den Schultern. Nein, der arme Lukas weiß wirklich noch nichts von seinem Glück.
So richtig interessant wird es, als wir uns alle in der Pause auf dem Schulhof begegnen. Lukas, Jörg, Andi und ich und noch ein paar Leute aus unserem Jahrgang stehen wie immer an unserem Stammplatz, als Jannis mit ein paar Freunden aus der Schule kommt. Lukas’ Augen entdecken ihn natürlich sofort und bekommen wieder diesen Glanz, den natürlich nur ich bemerke, weil ich auch darauf achte.
Jannis dagegen sieht eher niedergeschlagen und nervös aus. Etwas schüchtern erwidert er knapp Lukas’ Gruß, mich sieht er nicht mal an. Ihm sind meine Anwesenheit und die Gesamtsituation, in die er sich da bugsiert hat, sichtbar unangenehm. Ich bemerke das mit gemischten Gefühlen; einerseits verspüre ich eine gewisse Genugtuung, weil er diese Gewissensbisse mehr als verdient hat, aber andererseits macht es mich wieder einfach nur wütend.
Auch Lukas merkt, dass etwas nicht stimmt, und schaut ziemlich verwundert drein. Etwas beiläufig stehen sie nebeneinander in der Gruppe, das übliche Witzeln und Gerede fällt komplett flach. Als die Glocke das Ende der Pause einläutet, verschwindet Jannis sofort und wortlos in Richtung Schulgebäude. Lukas bleibt verwundert zurück. Während die anderen ein paar Schritte vor uns laufen, raunt er mir in besorgtem Ton zu: „Was ist denn mit dem heute los?! Der hat mich ja nicht mal beachtet!“
Um nicht lügen zu müssen, zucke ich einfach nur mit den Schultern.
„Boah, wenn ich diesen Dreckskerl zwischen die Finger bekomme, wird’s ein schwarzer Tag für die Menschheit!“, keift Tine.
Es ist inzwischen später Nachmittag und Tine und ich sitzen in ihrem Zimmer und trinken Tee. Sie hatte auch bemerkt, dass irgendetwas in der Schule heute anders war zwischen Lukas und Jannis, und sprach mich vorhin direkt drauf an, als ich bei ihr ankam. Also berichtete ich ihr, was passiert war. Ich musste es eh jemandem erzählen, weil es mir doch ganz schön zu schaffen machte, und war daher froh, dass ich Tine hatte. Ihr vertraue ich blind und bedingungslos.
„Und Lukas weiß es noch nicht?“, fragt sie.
„Naja“, erwidere ich, „er hat zwar auch gemerkt, dass Jannis’ Verhalten heute komisch war, aber den genauen Grund dafür kennt er nicht.“
„Mannomann ... der Arme ...“
„Und ich bin stinksauer auf Jannis! Und auf Kevin!“
„Ich auch“, knurrt sie.
„Was soll ich denn nun machen? Soll ich petzen und ihm erzählen, was ich gesehen habe? Glaubt er mir das überhaupt?!“
„Keine Ahnung“, meint Tine ratlos.
„Und wenn ich nichts sage und er herausfindet, dass ich das wusste, wird er doch auch sauer sein! Nachher denkt er noch, dass ich Jannis decken wollte! Egal, wie ich es drehe und wende, ich kann doch nur verlieren, oder?“
„Hm“, grübelt sie. „Ich finde, du solltest erstmal gar nichts sagen, denn in erster Linie ist das eine Sache zwischen den beiden. Es kann ja immerhin sein, dass Jannis von sich aus mit Lukas redet und die zwei das dann unter sich regeln. Das ist zwar ein krasser Vertrauensbruch, aber im Prinzip ist es Lukas’ Entscheidung, wie er damit umgeht und ob er Jannis verzeihen möchte oder nicht. Gib ihnen erstmal ein paar Tage ...“
Ich stelle fest, dass das vorerst wirklich der beste Plan zu sein scheint. Aber so richtig glücklich bin ich damit auch nicht. Nachdenklich fummele ich an meiner leeren Teetasse rum. „Noch’n Tee?“, fragt Tine, als sie bemerkt, dass der Löffel nur noch über den trockenen Keramikboden kratzt. Ich nicke kurz. Sie steht auf, nimmt meine Tasse und verschwindet in der Küche.
Gerade als sie das Zimmer verlassen hat, höre ich die ersten Takte aus Beethovens 5. Sinfonie: „Ta-ta-ta-taaaaa, ta-ta-ta-taaaaa.“ Es ist mein Klingelton. Ich krame mein Handy aus der Hosentasche und schaue auf das Display.
Oha – Lukas ruft an. Etwas nervös drücke ich auf den grünen Knopf.
„Hallo?“
Ich höre als erstes ein Schniefen. „Hi Tim, wo bist du?“, schluchzt Lukas.
Au weia. „Bei Tine ...“, antworte ich leise.
„Ich ha-hab mit Jannis Schluss gemacht“, fährt er weinend fort, „ich brauche jetzt jemanden zum Ausheulen. Hast du Zeit?“
„Na klar“, erwidere ich ohne zu zögern. „Ich bin in zehn Minuten bei dir.“
„Okay, danke ...“ Er legt auf.
Ich stecke mein Handy zurück in die Hosentasche und gehe in die Küche, wo Tine Tee kocht.
„Ich glaube, ich brauche nicht länger Lukas gegenüber zu schweigen“, murmele ich.
„Wieso?“
„Weil er es inzwischen weiß. Er hat mich gerade angerufen und mir gesagt, dass er mit Jannis Schluss gemacht habe.“
„Oh Mist ... Und wie geht’s ihm?“, fragt sie besorgt
„Naja, nicht so gut ... Er hat gerade ziemlich verheult geklungen am Telefon und mich gebeten, zu ihm zu kommen.“
„Okay, dann kümmere dich um ihn und drück ihn mal ganz lieb von mir, ja?“
Ich nicke und gehe in den Flur, um meine Jacke und Schuhe anzuziehen. Dann verabschiede ich mich von ihr. Bevor ich mich auf mein Fahrrad schwinge, schicke ich noch Mama eine SMS und sage ihr, dass ich heute Abend wahrscheinlich erst später nach Hause komme, weil ich mich um Lukas kümmern muss.
„For one so small, you seem so strong
My arms will hold you, keep you safe and warm
This bond between us can’t be broken
I will be here, don’t you cry.”
Phil Collins: „You’ll Be In My Heart“ *
Lukas öffnet mir die Haustür. Seine roten, verheulten Augen schauen mich traurig an.
„Komm rein“, sagt er nur und verschwindet wieder in seinem Zimmer im 1. Stock. Nachdem ich Schuhe und Jacke ausgezogen habe, folge ich ihm. Ansonsten ist es still im Haus, seine Eltern scheinen nicht zu Hause zu sein.
In seinem Zimmer ist es fast dunkel, nur seine Schreibtischlampe ist eingeschaltet. Ihr knappes Licht wirft lange, dunkle Schatten.
Lukas liegt in seinem extrabreiten Bett mit angewinkelten Beinen und dem Gesicht zur Wand und schluchzt herzzerreißend. Am liebsten würde ich mich einfach danebenlegen und versuchen, ihn zu trösten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das so gut wäre.
Warum tue ich es nicht einfach?!
Mit einem wütenden Gedanken fege ich all die Probleme und Erlebnisse der letzten Wochen fort. Verdammt, da liegt mein bester Freund und heult sich die Augen aus! Zum Teufel mit der Befangenheit!
Vorsichtig lege ich mich neben ihn. „Hey ...“, sage ich leise und lege meine Hand auf seine Schulter. Ich spüre, wie ihn die Weinkrämpfe durchschütteln. Oh Mann, ihm geht es jetzt so richtig dreckig. Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen.
Eine Weile bleiben wir einfach so liegen, bis er sich ein wenig zu beruhigen scheint. Er atmet wieder gleichmäßig und dreht sich um.
„Gib mir mal ein Taschentuch“, schnieft er und deutet auf seinen Nachttisch. Ich greife nach der Packung und gebe ihm eins.
„Leg die Packung nicht weg, ich glaube, ich werde noch ein paar brauchen ...“, murmelt er, nachdem er sich ausgiebig die Nase geputzt und die Tränen weggewischt hat. Dann dreht er sich wieder zur Wand, so dass ich wieder nur seinen Rücken und Hinterkopf sehe.
„Ich habe ihn vorhin angerufen und gefragt, was heute mit ihm los war“, beginnt er zu erzählen.
Ich höre schweigend zu.
„Erst ist er mir nur ausgewichen, aber irgendwann ist der dann mit der Wahrheit rausgekommen. Er sagte, du hättest ihn wohl bei einem kleinen Techtelmechtel mit Kevin erwischt ...“, fährt er stockend fort.
Ich verzichte auf einen Kommentar.
„Das erklärt wohl auch, warum du heute in der Schule auch so verpeilt warst“, fährt er leise fort.
„Ja, der Anblick war ein ziemlicher Schock“, seufze ich.
Wir liegen wieder eine Weile schweigend nebeneinander, er mit dem Rücken zu mir, meine Hand auf seiner Schulter. Ich spüre die Wärme, die sein Körper ausstrahlt, und den Duft, der so bekannt, so berauschend, so süchtig machend in meine Nase steigt. Nie zuvor bin ich Lukas so nah gewesen, nicht in Paris, als er schlafend neben mir auf der Île de la Cité lag, und auch nicht, als er mit erzählte, dass er schwul sei. Ich versinke in diesem Gefühl von körperlicher Nähe, doch gleichzeitig ist er mir so unendlich fern. Es könnte in diesem Moment alles so perfekt sein, doch leider ist die Wirklichkeit ganz anders, viel brutaler, fast schon unwirklich.
Das wird mir in dem Augenblick bewusst, als sein Schluchzen wieder stärker wird.
„Er sagte, er hatte einfach mal Bock ... etwas Neues auszuprobieren ... etwas Ungewöhnliches ... etwas Schmutziges ... “ Lukas weint wieder hemmungslos. „Er sagte, dass ich ihm zu spießig wäre ... nichts ausprobieren wollte ... Und anstatt das mit mir zu besprechen, vögelt er mit Kevin rum!“
„Sie haben nicht-“, setze ich an.
„Sie hätten aber!“, pflaumt er mich an. „Jetzt fang bloß nicht an, ihn auch noch zu verteidigen!“
„’tschuldige ...“, murmele ich.
„Schon gut“, schnieft er, „aber geht es ihm denn wirklich nur um Sex?!“
Er heult so herzzerreißend, dass auch mir die Tränen in die Augen steigen. Ich werfe alle Hemmungen über Bord und lege meinen Arm um ihn und drücke ihn an mich. Ich spüre die Krämpfe, die ihn durchschütteln, am ganzen Körper. Es zerreißt mich innerlich, ihn so leiden zu sehen. Das hat er wirklich nicht verdient.
„Tut mir leid“, schluchzt er weiter, „dass ich dich hier so vollheule ... aber ich kann gerade nicht anders ...“
„Macht nichts“, flüstere ich ebenfalls schniefend und drücke ihn noch ein wenig fester an mich. „Lass es raus ... du brauchst dich nicht zu schämen ... Weißt du noch, was ich dir damals gesagt habe, als wir die Vokabeln bei mir abgeschrieben haben? Ich sagte, dass ich immer bei dir sein werde. Und das gilt auch jetzt noch, okay?“
Lukas scheint sich wieder ein wenig zu beruhigen. „Danke“, nuschelt er mit zitternder Stimme. Nach einem kurzen Moment fügt er hinzu: „Du hättest so was nicht gemacht, oder?“
Ich schlucke und erwidere leise: „Nein ...“
Wir bleiben stumm liegen, den Körper, die Wärme, die Nähe des anderen spürend. Irgendwann schlafen wir beide ein.
Es ist schön, im Bett zu liegen und Lukas zu spüren. Sein Körper, den ich noch immer im Arm halte, pulsiert ruhig im Rhythmus seines gleichmäßigen Atems. Alles ist friedlich. Alles ist harmonisch. Alles ist im Einklang.
Meine Ohren vernehmen ein Geräusch. Es hört sich an, als ob jemand eine Tür öffnen würde. Ich spüre einen kühlen Luftzug am Rücken, der der Tür zugewandt liegt. Ich bleibe ruhig liegen, denn nichts und niemand kann mich in diesem Kokon des Wohlseins erreichen, stören. Dann höre ich, wie die Tür wieder geschlossen wird.
Ruhe und Frieden kehren wieder ein. Mein Atem geht gleichmäßig. Lukas, mein Lukas, liegt schlummernd in meinen Armen. Liebe ist ein wunderbares Gefühl.
Ich muss mal.
Vorsichtig öffne ich die Augen. Meine Stirn berührt Lukas’ Nacken. Oh Mann. Traurig stelle ich fest, dass es leider nur ein schöner Traum war. Ein Wunschtraum.
Vorsichtig stehe ich auf und schleiche ins Badezimmer, um den Druck von der Blase zu lassen und um mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen.
Das Gesicht, das mich aus dem Spiegel ansieht, ist nicht wirklich aufmunternd: Ich habe dunkle Ringe um die Augen, diese nervigen Kissenabdrücke auf meiner linken Wange und völlig verwuschelte Haare.
Egal. Ich bin nicht hier, um einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Nachdem ich meine Notdurft verrichtet und meine Hände und Gesicht gewaschen habe, verlasse ich das Badezimmer und stehe plötzlich vor Anne, Lukas’ älterer Schwester, die in Köln Medizin studiert. Ich kenne sie nur flüchtig.
„Hi Tim“, sagt sie und schaut mich etwas komisch an.
„Hi“, grüße ich freundlich zurück. „Hast du gar keine Vorlesungen heute?“
„Nein, erst dienstags. Ich fahre morgen zurück.“
Ich nicke kurz und stehe etwas unschlüssig im Flur. Anne sieht aus, als läge ihr etwas irre Wichtiges auf der Seele.
„Ähm ... kann ich dich mal kurz sprechen?“, fragt sie vorsichtig und deutet mit einem Kopfnicken auf ihre Zimmertür.
„Öh ... klar ...“; erwidere ich, folge ihr ins Zimmer und frage mich, was sie eigentlich von mir will?
Sie schließt die Tür und bietet mir den Schreibtischstuhl an. Ich nehme Platz, sie setzt sich auf das Bett. Dann grinst sie mich etwas schelmisch an und sagt: „Ich bin jetzt mal ganz direkt, ja? Seid ihr ein Paar, du und Lukas?“
Erschrocken starre ich sie an.
„Hey, jetzt guck nicht wie eine Kuh, wenn’s donnert!“, sagt sie lachend. „Ich war gerade bei euch im Zimmer, weil ich sehen wollte, ob Lukas zu Hause ist, und da habe ich euch zusammen auf dem Bett gesehen.“
Ich schlucke. „Nein“, antworte ich zögerlich, „wir sind nicht zusammen.“ Das „leider“ verkneife ich mir.
„Hm. Aber es sah nicht gerade so aus, als ob ihr nur ‚gute Freunde’ wärt. Also: seid ihr schwul?“, fragt sie nochmal und sieht mich gespannt an.
Das ist das dritte Mal in meinem Leben, dass ich so direkt darauf angesprochen werde. Erst Tine, dann Kevin und nun Anne. Ich bin schon ziemlich überrascht ... naja, sagen wir, geschockt. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Anne extrem homophob ist und gleich mit gezücktem Messer auf mich losgeht.
„Okay ...“, seufze ich ergeben. „Lukas und ich sind wirklich nur gute Freunde. Aber er hat sich von seinem Freund getrennt, weil der ... “, ich unterbreche den Satz und suche nach einer passenden Formulierung, „... weil der es wohl nicht so ganz mit der Treue hat. Und ich bin hier, um ihn zu trösten.“
Anne setzt ein zerknirschtes Gesicht auf. „Oh, der Arme ... Geht’s ihm sehr dreckig?“
Ich nicke stumm.
„Ich muss ja zugeben, dass ich so einen Verdacht hatte.“ Sie überlegt einen Moment. „Okay“, sagt sie dann und steht auf, „dann kümmere dich mal weiter um ihn, ja? Ich sehe zu, dass unsere Eltern euch nicht stören.“
„Und wie?“, frage ich und stehe ebenfalls auf.
„Keine Ahnung, irgendetwas wird mir schon einfallen.“
Wir gehen raus auf den Flur.
„Danke, dass du für ihn da bist. Du bist echt ein guter Freund.“ Sie lächelt mich an und umarmt mich. „Und du hast meine Frage noch nicht ganz beantwortet.“
„Welche?“
„Ob du auch schwul bist.“
„Oh ...“, stammele ich und werde rot, „äh ... ja ...“
Sie grinst mich verschmitzt an. „Na, dann will ich mal hoffen, dass du mir irgendwann mal als mein Schwager in spe vorgestellt wirst.“
Verlegen betrachte ich den Fußboden, damit sie nicht sieht, dass ich noch mehr erröte.
Sie kichert leise. „Bis später!“, flüstert sie und verschwindet nach unten, wo jemand bereits in der Küche mit Geschirr klappert. Ich vermute, dass das die Eltern sind.
Leise betrete ich wieder Lukas’ Zimmer. Er liegt immer noch schlafend in seinem Bett, hat sich aber auf den Rücken gelegt. Im fahlen Licht der Schreibtischlampe erkenne ich, dass sein Poloshirt verrutscht ist, so dass ich seinen Bauchnabel und ein paar Muskeln sehen kann. Eine Spur von hellen Haaren verläuft nach unten und verschwindet im Bund der Jeans, genau da, wo seine Gürtelschnalle sitzt.
Ich unterdrücke den Drang, mit meinen Fingern über diese Haare zu streicheln. Stattdessen nehme ich mein Handy und schicke meiner Mutter eine SMS, dass ich bei Lukas übernachte und morgen früh meine Schulsachen abhole. Dann lege ich mich wieder neben ihn.
Lukas atmet ruhig neben mir. Ich falte die Hände auf meinem Bauch und denke über das Gespräch mit Anne nach. Ich glaube, in dieser Familie würde ich mich wohlfühlen.
Aber gleichzeitig habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Ich sollte ihn trösten und ihn wieder aufbauen, anstatt mir auszumalen, wie schön es an seiner Seite wäre. Okay, zugegeben, es ist erlaubt zu träumen ... aber Lukas wird jetzt sicher erstmal Zeit und Ruhe brauchen. Und dann, eines Tages ... vielleicht ... wer weiß? Vielleicht stellt er mich wirklich irgendwann einmal seiner Familie als Schwiegersohn vor?
Ich werde von den nervigsten Tönen wach, die die moderne Zivilisation hervorgebracht hat: Radiomusik. Verwundert öffne ich die Augen. Ich habe doch gar keinen Radiowecker ... ?! Als ich mich umsehe, fällt mir ein, dass ich bei Lukas bin. Schnell mache ich das Gedudel aus und frage mich, wie Lukas es aushält, davon jeden Morgen geweckt zu werden.
Apropos Lukas. Er liegt neben mir, sein Kopf direkt an meiner Schulter, ein Arm um meinen Bauch geschlungen, und schläft noch. Nachdenklich betrachte ich ihn. An diesen Anblick beim Aufwachen könnte ich mich gewöhnen.
Woran ich mich aber nicht gewöhnen will, ist das Gefühl, in Klamotten aufzuwachen. Wir tragen beide noch die Sachen, mit denen wir gestern eingeschlafen sind.
Und Radiowecker. An Radiowecker will ich mich auch nicht gewöhnen.
Vorsichtig stupse ich Lukas an. „Hey ... Lukas ...“
„Mmmwüllnonichaufstehnjanni“, nuschelt er und kuschelt sich noch ein wenig enger an mich.
Gott, ist der niedlich, wenn er verschlafen ist!
„Wir müssen aber aufstehen. Außerdem bin ich nicht Jannis“, sage ich leise und stupse ihn nochmal an.
Langsam öffnet er die Augen. Als sein Blick auf unsere Klamotten und auf mich fällt, scheint ihm alles wieder einzufallen.
„Oh“, sagt er traurig, setzt sich im Bett auf und reibt sich die Augen. „Willst du zuerst ins Bad, oder soll ich gehen?“
„Geh du ruhig. Ich glaube, ich fahre direkt nach Hause und dusche da und ziehe mir frische Klamotten an. Außerdem muss ich eh noch meine Schulsachen abholen“, sage ich und setze mich auch auf.
Er nickt kurz und gähnt ausgiebig.
„Und? Geht’s dir besser?“, frage ich vorsichtig.
„Mir geht’s super“, knurrt er, steigt über mich hinweg aus dem Bett und verlässt das Zimmer. Und ich frage mich, ob es wirklich so schlau war, dass ich hiergeblieben bin.
Beim Frühstück erkläre ich meinen Eltern in knappen Worten, was passiert ist. Dann mache ich mich schnell auf den Weg in die Schule, denn die Zeit ist heute Morgen verdammt knapp.
Lukas sitzt lethargisch auf seinem Stammplatz und scheint den Unterricht weder körperlich noch geistig wahrzunehmen. Auch in der Pause nimmt er nicht an den üblichen Unterhaltungen teil und schaut etwas blass aus der Wäsche. Hin und wieder wirft er einen verstohlenen Blick in Richtung der Schule, vermutlich in der Hoffnung, dass Jannis auftaucht. Oder aber er hofft, dass er nicht auftaucht.
Irgendwann bemerken auch die anderen, dass mit Lukas etwas nicht stimmt. Jörg ist der dritte, der ihn daraufhin anspricht.
„Mensch, was’n mit dir los?“
„Nerv nicht“, faucht Lukas ihn an.
„Alta, welcher Vogel hat dir denn auf’n Kopp gekackt?!“
„Boah!“, brüllt Lukas und reißt genervt die Arme hoch. „Ich bin ein Teenager, verdammt nochmal! Darf ich nicht einmal Scheiße drauf sein?!“
Spricht’s und zieht von dannen, während wir verdutzt zurückbleiben.
Jannis lässt sich den ganzen Tag nicht blicken. Irgendjemand aus seiner Klasse deutet an, dass er wahrscheinlich krank ist. Das ist meiner Meinung nach eine ganz gute Umschreibung, auch wenn ich damit nicht seine körperliche Gesundheit meine, sondern seine geistige.
Nach der letzten Stunde gehen Lukas und ich gemeinsam zum Fahrradunterstand. Einen Teil der Strecke nach Hause radeln wir schweigend nebeneinander, bis sich schließlich unsere Wege trennen. Lukas macht aber keinerlei Anstalten anzuhalten, daher rufe ich: „Warte!“
Er kommt ein paar Meter vor mir zum Stehen. „Was?“, fragt er tonlos.
Ich bugsiere mein Rad neben ihn und schaue ihn an. In diesem Moment ist es unheimlich schwer, in seinem Gesicht zu lesen. Ich erkenne, glaube ich, eine Mischung von mehreren Emotionen: Wut, Trauer, Trotz, Gleichgültigkeit.
„Sag Bescheid, wenn ich noch irgendetwas für dich tun kann, okay?“
Er nickt kurz, tritt in die Pedale und lässt mich ratlos zurück. Ich würde ihm wahnsinnig gerne helfen. Nicht aus Eigennutz, sondern wirklich nur als ein Freund. Aber ich bin mir nicht sicher, wie ich das anstellen soll. Ich glaube, er braucht erstmal ein wenig Ruhe. Aber wenn er mich braucht, werde ich sofort für ihn da sein. Tag und Nacht.
Jannis kommt erst am Donnerstag wieder in die Schule. Er sieht etwas unsicher aus, als er mit den anderen aus seiner Klasse auf dem Schulhof auftaucht. Lukas dagegen behandelt ihn, als sei er nur Luft. Insgesamt legt sich eine eisige Stimmung über uns, was die anderen natürlich auch bemerken – aber nicht kapieren. Nur eben Lukas, Jannis, Tine und ich wissen, was los ist.
Thomas merkt als Erster, dass Lukas und Jannis sich nicht mal mehr mit dem Allerwertesten ansehen. Verdutzt schaut er zwischen ihnen hin und her. „Sagt mal, habt ihr euch gefetzt? Oder was ist mit euch los?“
Jannis schaut stur in die eine Richtung, Lukas in die andere. Keiner der beiden sagt auch nur einen Piep. Auch ich halte den Mund und beobachte gespannt, was weiter passiert.
„Mensch, ihr habt doch dauernd miteinander rumgehangen! Was ist denn bloß los?“, bohrt Thomas weiter, während alle anderen gespannt zugucken.
„Für mich is’ die Sache glasklar“, schaltet sich nun Jörg ein, woraufhin ihn alle überrascht anstarren. Bei Lukas und Jannis entdecke ich eine Spur von Panik in ihren Gesichtern.
Jörg ist sich der vollen Aufmerksamkeit, die ihm alle widmen, vollkommen bewusst. Genüsslich und theatralisch beißt er von seinem Brot ab und kaut in Ruhe aus. Als er den Bissen endlich runtergeschluckt hat, meint er nur ganz cool: „Also die Schnalle will ich ma’ seh’n, wennse’s wert is’, dass man sich wegen ihr so inne Haare kriegt.“
Alle schauen nun wieder gespannt zu Lukas und Jannis rüber, die fast erleichtert aussehen, dass ihr Geheimnis nicht gelüftet wurde.
„Glaub mir“, knurrt Lukas schließlich, „die willst du nicht kennenlernen.“ Dann dreht er sich um und geht.
Alle schauen verwundert drein, mit Ausnahme von Jannis. Der sieht immer noch nur verunsichert aus. Aber es ist allen klar geworden, dass sie dieses Thema wohl besser nicht mehr anschneiden sollten.
„Don’t listen to them, ‘cause what do they know
We need each other, to have, to hold
They’ll see in time, I know
When destiny calls you, you must be strong
I may not be with you, but you gotta hold on
They’ll see in time, I know
We’ll show them together”
Phil Collins: „You’ll Be In My Heart“ *
Die Tage vergehen, das Leben geht weiter. Lukas gibt sich immer noch ziemlich verschlossen und hat sich auch nicht wieder bei mir gemeldet. Sonntag habe ich ihn angerufen und ein bisschen Smalltalk mit ihm gehalten. Er ist immer noch ziemlich fertig, denn immerhin hat er Jannis ja wirklich geliebt. Auch die Stimmung auf dem Schulhof bleibt irgendwie komisch, aber für diejenigen, die nichts mit der Situation zu tun haben, normalisiert sich alles allmählich wieder.
So ziehen die Wochen ins Land und der Winter weicht langsam dem Frühjahr. Die Sonnenstrahlen werden wärmer, die Luft riecht so unvergleichbar nach Frühling, die Blumen und Bäume fangen an zu sprießen. Das alltägliche Grau wird abgelöst durch ein sanftes Grün.
Es ist wieder Mittwoch. Die Osterferien sind gerade vorbei. Ich sitze auf einer Bank vor der Turnhalle, wo wir gleich wieder eine Doppelstunde Sport über uns ergehen lassen müssen, und genieße die Sonnenstrahlen, die sich wohlig ausbreiten und mein Gesicht wärmen. Lukas und die anderen Jungs stehen wieder in einem größeren Pulk beisammen und reden über Dinge, die mich nicht mal mehr ansatzweise interessieren.
„Leute, es ist wieder soweit!“, ruft Thomas und drückt jedem der Jungs einen Flyer in die Hand. „ ‚Spring Break Party’ im Depot!“
Schon wieder so eine Aktion. Jörg & Co. brechen in Jubelrufe aus, während ich unbeteiligt auf der Bank sitzen bleibe und Sonne tanke. Allerdings schiebt sich auf einmal ein Schatten über mein Gesicht. Vorsichtig öffne ich ein Auge und entdecke Thomas direkt vor mir, der mir einen Flyer unter die Nase hält.
„Na, Schröder“, fragt er und grinst mich an, „diesmal kommst du aber auch, ne?“
„Das glaube ich nicht“, antworte ich trocken.
„Wieso nicht? Hast du schon was vor am Samstag?“
In diesem Moment schaltet sich Jörg ein. „Näh, der hat bestimmt wieder ’ne Allergie.“
Allergie? Was soll ich denn für eine Allergie haben? Dann fällt mir ein, dass ich damals auf Tines Valentinsparty erklärt habe, dass ich allergisch auf die notgeilen Gorillas reagiere, die sich immer in solchen Läden herumtreiben. Aber anscheinend hat Jörg da was falsch verstanden.
Mir wird ein wenig flau im Magen. Jetzt muss ich schnell nachdenken ...!
„Was denn für eine Allergie?“, fragt Thomas verwundert und dreht sich zu Jörg um.
„Ach, vergiss es“, zische ich in der Hoffnung, dass das Thema einfach fallengelassen wird.
Aber natürlich tun sie mir diesen Gefallen nicht. „Tim war damals nich’ beim ‚Wet T-Shirt Contest’ dabei, weil er allergisch ist auf Titten. Hatta mir selba gesacht!“, posaunt Jörg weiter.
Thomas dreht sich wieder zu mir um. „Was? Allergisch gegen Titten? Bist du schwul, oder was?“
„Ach Quatsch!“, zische ich ihn ärgerlich an, um von der Angst, die mich plötzlich befallen hat, abzulenken.
„Also ich hab’ dich noch nie mit ’ner Frau geseh’n“, kommentiert Jörg weiter.
Halt doch einfach die Schnauze, denke ich wütend.
Mittlerweile ist jedes weitere Gespräch unter den Jungs eingestellt worden. Alle gucken interessiert zu Jörg, Thomas und mir rüber. Auch Lukas schaut zu, scheint aber nicht ans Eingreifen zu denken, sondern isst seelenruhig seine Banane weiter.
Inzwischen ist meine Angst in blanke Panik umgeschlagen, denn ich weiß echt nicht, wie die alle reagieren würden, wenn ... ja, wenn ich es einfach zugeben würde. Aber das will ich einfach nicht. Noch nicht. Und schon gar nicht unter diesen Umständen!
„Ich bin nicht schwul“, presse ich daher nochmals zwischen meinen Zähnen hervor.
„Doch, bist du“, fällt mir auf einmal jemand gewaltig in den Rücken, aber es ist weder Jörg noch Thomas, der das gesagt hat.
Mit einem verwunderten Raunen drehen sich alle zu Lukas um.
Lukas?! Ausgerechnet er??? Fassungslos starre ich ihn an.
„Ja, Tim ist schwul. Das hat er selber zugegeben“, fährt er ganz ungerührt fort und beißt wieder von seiner Banane ab. Oh mein Gott! Warum tut er mir das an???
„Außerdem ist er einer der tollsten und liebsten Menschen, die ich kenne. Er hat zu mir gehalten, wenn es mir dreckig ging. Er hat mir geholfen, mit meinem Ex-Freund zusammenzukommen. Und er hat mich getröstet, als ich mich von ihm getrennt habe.“
Ungläubiges Schweigen liegt über der Gruppe. Auch ich glaube, ich höre nicht richtig. Selbst Jannis bekommt den Mund nicht mehr zu.
„Ja, das habt ihr richtig verstanden. Ich bin auch schwul. Ich stehe auch auf Kerle. Ich kann es nicht ändern und habe auch nicht vor, etwas daran zu ändern.“ Lukas hält seinen Monolog mit einer Ruhe und Abgebrühtheit, die ich in dieser Situation nie gehabt hätte.
Plötzlich kommt er auf mich zu, beugt sich zu mir herunter, nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich direkt auf den Mund. Ganz sanft spüre ich seine weichen Lippen auf meinen und öffne reflexartig den Mund, woraufhin seine Zunge anfängt mit meiner zu spielen. Bevor ich mir aber bewusst werden kann, was hier gerade passiert, hat er mich schon wieder losgelassen und sich zu den anderen umgedreht.
„Stellt das für irgendjemanden ein Problem dar?“, fragt er und seine blauen Augen funkeln angriffslustig in die Runde.
Niemand traut sich etwas zu sagen. Fassungslos sitze ich noch immer auf der Bank und versuche zu verstehen, was für ein Spiel hier gerade mit mir gespielt wird.
Schließlich ist es Jörg, der das Schweigen mit einem Räuspern bricht. „Naja, ich will ma’ so sagen“, beginnt er und grinst, „das kommt zwar jetzt etwas überraschend, aber ich find’s cool.“
Alle Augen starren nun auf Jörg.
„Wieso findest du so was bitte cool?“, fragt Thomas entgeistert.
„Ganz einfach“, erklärt er fachmännisch, „bleiben mehr Titten für mich!“
Das war genau der Spruch, der jetzt kommen musste. Alles bricht in schallendes Gelächter aus. Auch Lukas kann sich ein Kichern nicht verkneifen.
„Ey, du hast ja recht!“, grinst Thomas nun auch und das Fragezeichen in seinem Gesicht ist einem Ausrufezeichen gewichen.
„Na klar habbich recht!“, blökt Jörg und geht zu Lukas, legt ihm einen Arm um die Schulter. „Aber damit eins klar is’, Freundchen“, grinst er ihn an, „pass auf, wo du gleich beim Duschen nach’m Sport hinguckst, kapiert?“
„Keine Angst“, wehrt Lukas ab, „so viel gibt es bei dir eh nicht zu sehen.“
Daraufhin boxt Jörg ihn freundschaftlich auf den Oberarm. „Ey, du Penner! Bisher hat sich da noch kein Mädel drüber beschwert, ja?!“
„Außer deinen eigenen Wichsgriffeln war da ja auch noch niemand dran!“, frotzelt Lukas weiter, und einmal mehr bewundere ich ihn um seine Schlagfertigkeit.
„Boah! Na warte!“, poltert Jörg los, woraufhin Lukas laut lachend Reißaus nimmt.
Vorsichtig blicke ich mich um. Alle sind am Lachen und achten nur auf Lukas und Jörg, die sich noch immer kabbelnd über den Schulhof jagen. Dass niemand pissig oder angewidert zu sein scheint, beruhigt mich doch sehr. Vielleicht sind die Gorillas gar nicht so schlimm ...?
Als sich alle wieder beruhigt haben und Lukas und Jörg nach ihrer gespielten Rauferei wieder bei uns stehen, fragt Thomas schließlich: „Und seid ihr jetzt ein Paar, du und Tim?“
Das ist allerdings eine interessante Frage, obwohl ich glaube, die Antwort zu kennen.
„Nein, sind wir nicht“, erwidert Lukas und vermeidet es, mich anzusehen. „Ich habe ihn lediglich für meine Demonstrationszwecke missbraucht.“
War ja klar. Na vielen Dank auch.
Jörg und Thomas fangen jedenfalls an, weitergehende Pläne zu schmieden. „Wie können wir’s schaffen, dass noch mehr Jungs schwul werden?“, fragt Jörg und grübelt. „Je mehr Schwule, desto mehr Frauen für uns!“
Das ist ein interessanter Ansatz, wie ich finde, auch wenn ihre Überlegungen, wie sie das erreichen können, doch recht abenteuerlich klingen: Hormontherapie, Gentherapie, Schocktherapie. Als die Klingel das Ende der Pause einläutet, kommt Daniel hinzu, der die ganze Aufregung vorher nicht mitbekommen hat.
„Ey Daniel“, ruft Jörg ihm zu, „wir haben übrigens beschlossen, dass du schwul wirst!“
Daniels verdutztes Gesicht führt zu erneutem Gelächter, bis ihm schließlich jemand erklärt, was hier los war. Prompt schaltet er sich in die Planungen ein, alle anderen Männer schwul zu machen, unter der Bedingung, dass er weiterhin zu den Heten gehören darf. Als die Mädchen vor der Turnhalle eintrudeln, merken sie sofort, dass etwas im Busch ist.
„Was haben sie euch denn ins Trinkwasser gemischt?“, fragt Tine misstrauisch.
„Wir machen alle Männer schwul, damit mehr Frauen für uns bleiben“, erklärt Thomas und berichtet aufgeregt, dass Lukas und ich uns geoutet hätten und er mich sogar geküsst hat. Tine ist so überrascht, dass ihr der Mund offen steht und ihr nichts mehr dazu einfällt.
„Na super“, frotzelt Sarah, „und ihr seid dann die letzte Hoffnung der Menschheit, was?“
„Joah!“, strahlen Jörg und Thomas.
„Dann werden wir eben alle lesbisch“, meint Tine trocken, die ihre Sinne wohl wieder beisammenhat, und heimst damit die Unterstützung der anderen Mädchen ein.
„Was?! Du willst lieber die Menschheit aussterben lassen, als mit uns Sex zu haben?“, fragt Daniel entsetzt.
„Die Menschheit wäre so oder so dem Untergang geweiht, gerade bei euren Genen“, erwidert sie lapidar.
Aber Jörg, Thomas und die anderen lassen sich davon nicht beirren. Dass Lukas und ich noch vor wenigen Minuten im Mittelpunkt des Interesses standen, haben alle anscheinend inzwischen vergessen. Inzwischen weiß es wohl die gesamte Klasse, dass wir schwul sind, aber wirklich zu stören scheint es niemanden. Als G.I. Reuther kommt und die Turnhalle aufschließt, nimmt Lukas mich zur Seite.
„Hey ... entschuldige, dass ich dich da eben mit reingezogen habe ... aber ich hatte einfach nur die Schnauze gestrichen voll vom Verstecken spielen ...“
„Hmpf“, mache ich nur. „Die haben das zwar alle anscheinend ganz gut verkraftet, aber es wäre schon lieber gewesen, das selber zu entscheiden.“
„Sorry ... hast ja recht ...“
„Und vor allem: Küss mich bitte nie wieder ohne Vorwarnung in der Öffentlichkeit, okay?“
„Okay ...“, seufzt er und folgt mir in die Sporthalle.
Samstagabend. Inzwischen ist es Mai geworden und bis zum Finale von „Jugend musiziert“ sind es nur noch zwei Wochen. Ich sitze mal wieder auf der Fensterbank und schaue auf die Lichter der Stadt. Ich denke nach.
Das Leben ging nach der Szene auf dem Schulhof – erstaunlicherweise – weiter. Die meisten hatten die ganze Aufregung nach ein paar Tagen schon wieder vergessen. Hin und wieder lässt mal jemand einen Spruch fallen, aber erstens sind die nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte, sondern eher witzig gemeint. Und zweitens stehen die Leute aus der Klasse hinter Lukas und mir, wenn jemand doch mal zu weit geht.
Allerdings werden wir genauer beobachtet als vorher. Hin und wieder werden wir gefragt, wann wir denn endlich ein Paar sind. Wir würden ja soooo gut zueinander passen und so weiter. Aber leider muss ich zugeben, dass in dieser Hinsicht nicht viel passiert ist. Lukas und ich verbringen zwar wieder sehr viel mehr Zeit miteinander als vorher, als er noch mit Jannis zusammen war. Aber nur auf rein freundschaftlicher Basis.
Immerhin scheint es ihm nun, ein paar Wochen nach der Trennung von Jannis, wieder besser zu gehen. Er lacht wieder in der Schule, geht mit den anderen ins Depot und trifft sich mit mir zum Hausaufgaben machen oder Film sehen.
Die zwei haben sich sogar inzwischen ausgesprochen. Jannis tut es schon leid, dass er Lukas so hintergangen hat und dass es ihn so mitgenommen hat. Er sagt aber auch, dass er nicht bereit ist zu einer Beziehung. Im Prinzip ist also alles geklärt zwischen den beiden, aber verständlicherweise gibt sich Lukas immer noch ziemlich verschnupft im Umgang mit Jannis.
Und er hat sich bei seinen Eltern geoutet! Nachdem es ihm nach der Trennung so dreckig ging, war wohl ein klärendes Gespräch im Hause Heinecke fällig. Er meinte, dass seine Eltern am Anfang erstmal richtig geschluckt hätten, aber es wohl akzeptiert hätten. Und dass sie seiner Schwester verboten hätten, lesbisch zu werden, weil sie unbedingt Enkelkinder haben wollten. Also ist es insgesamt wohl ganz gut verlaufen und Lukas meinte, dass er sich noch nie so frei gefühlt hat wie jetzt.
Ich finde, dass das Leben sich insgesamt um mich herum wieder ziemlich beruhigt hat, wofür ich auch sehr dankbar bin. In der Schule geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Ich übe bei jeder Gelegenheit meinen Beitrag für „Jugend musiziert“ und genieße den anbrechenden Frühling.
Eine Baustelle allerdings bleibt: Lukas. Jetzt, wo er wieder Single ist, bin ich mir sicherer denn je, dass ich ihn will. Dass ich ihn liebe. Ihn und nur ihn. Und ich bin wild entschlossen, um ihm zu kämpfen.
Leider weiß ich nicht genau, wie ich das anstellen soll. Heute wäre zum Beispiel eine großartige Gelegenheit gewesen, mit ihm was zu unternehmen, denn er ist just in diesem Moment im Bizarre und hatte mich gefragt, ob ich nicht mitkommen wollte. Zwei Dinge sprachen dagegen: Erstens habe ich von dem Laden noch immer die Schnauze gestrichen voll und zweitens will ich morgen die meiste Zeit des Tages am Klavier sitzen. Und dazu brauche ich meine volle Konzentration. Daher ist er allein losgezogen. Aber ich muss zugeben, dass ein großer Teil von mir wirklich gerne mitgekommen wäre. Aber nur seinetwegen.
Um elf Uhr treibt mich die Müdigkeit ins Bett. Mitten in der Nacht werde ich davon wach, dass jemand bei uns klingelt. Verschlafen schaue ich auf den Wecker: 02:47. Da hat sich wohl irgendein Besoffski in der Klingel geirrt.
Gerade als ich mich umdrehen und weiterschlafen will, klingelt es erneut. Genervt stehe ich auf, gehe in den Flur und nehme den Hörer von der Gegensprechanlage ab.
„Hallo?“, frage ich ärgerlich.
„Ich bin’s, Lllukas“, höre ich den Traum meiner schlaflosen Nächte lallen.
„Mann ... ! Es ist Viertel vor drei!“
„’schuldijunk ... habbich dich geweckt? Kannich kurz raufkomm’?“
„Na gut, aber sei bloß leise“, raune ich und drücke auf den Summer.
„Wer ist denn das?“, höre ich eine ungehaltene Stimme hinter mir. Mein Vater steht im Schlafanzug im Flur und schaut mich verschlafen, aber auch vorwurfsvoll an.
„Lukas“, antworte ich vorsichtig.
„Und was will er mitten in der Nacht?“
„Keine Ahnung, hat er nicht gesagt. Aber er ... ähm ... klang nicht mehr ganz so nüchtern.“
In dem Moment geht die Fahrstuhltür auf und Lukas betritt etwas schwankend die Wohnung. „Hey, Timmi“, begrüßt er mich überschwänglich und umarmt mich.
„Hey“, murmele ich verlegen, denn mein Vater steht noch immer im Flur und beobachtet uns.
„Junger Mann, das wollen wir aber nicht zur Gewohnheit werden lassen, kapiert?“, ermahnt er Lukas auch gleich streng.
Und was macht Lukas? Der reagiert mal wieder ganz locker. „Oh, hallo Herr Schschschröder! Au’ noch wach?“, fragt er genauso fröhlich, wie er mich begrüßt hat.
Mein Vater schnauft nur ärgerlich, verkneift sich aber zum Glück einen Kommentar und verzieht sich wieder ins Schlafzimmer.
„Habbich ihn geweckt?“, fragt Lukas leise kichernd und zieht sich die Schuhe aus.
„Ja, hast du. Und mich übrigens auch. Und jetzt sei bloß leise!“
Immer noch leise kichernd verschwindet er in meinem Zimmer, während ich eine Flasche Wasser und Gläser aus der Küche hole. Als ich zurückkomme, liegt Lukas’ Jacke halb auf dem Klavierstuhl, halb auf dem Boden – und er in meinem Bett. Noch so ein Anblick, an den ich mich gewöhnen könnte ...
Er rutscht zur Seite und macht mir etwas Platz, sodass ich mich auf die Bettkante setzen kann.
„Schluck Wasser?“, frage ich und reiche ihm ein Glas.
„Definitiv“, nuschelt er und leert das Glas auf einen Zug. Dann meint er nachdenklich: „Ich glaub’, ich bin’n büschen angeschäkert ...“
Das halte ich für eine leichte Untertreibung. „War’s so schlimm im Bizarre?“
„Jepp. Kevin und Jannis warn da un’ haben an allem rumgegraben, wasses gab.“ Er seufzt. „Das war nich’ so lustich.“
„Und deswegen hast du so viel getrunken?“
„Soviel habbich gar nich’ getrunken ... es war nur viel Allohol drin ... “ Plötzlich fängt er schallend an zu lachen. „Ich hab’ neulich ’n geilen Witz gehört ... hahaha ... sag mal’n Wort ohne ‚k’!“
„Weiß nicht ...“
„ ‚Allohol’. Un’ nun eins mit ‚k’!“
„ ‚Alkohol’?“, rate ich.
„Nee ... ‚Alloholkontrolle’!“, prustet er und lacht sich scheckig.
„Nicht so laut!“, zische ich, denn ich befürchte, dass meine Eltern gleich Amok laufen. Sie sind zwar immer sehr tolerant gewesen, aber ich habe das Gefühl, dass ich heute Nacht ihre Nerven nicht mehr überstrapazieren sollte.
Als Lukas sich wieder beruhigt hat, bleibt er eine Weile ruhig mit geschlossenen Augen liegen und atmet gleichmäßig. Fast glaube ich schon, dass er eingeschlafen ist. Aber dann murmelt er: „All diese glücklich’n Paare da im Bizarre ... so was will ich auch wieder haben ...“
Dann fängt er an, meinen Rücken zu streicheln. „Wieso sin’ wir eigentlich nich’ zusammen? Ich mein’, ich bin schwul, du biss’ schwul. Ich bin Single, du biss’ Single. Un’ inner Schule wartense eh alle drauf, dass wir bald ma’ Händchen haltend da aufkreuz’n ...“
Ich muss fast lachen. Ihm sind die lauernden Blicke der anderen also auch aufgefallen. Aber während ich eine Gänsehaut von seiner Berührung bekomme, fange ich an nachzudenken. „Weißt du“, beginne ich langsam zu erzählen, „das hört sich so an, als wäre das nur eine Notlösung. Und das will ich nicht. Ich will nicht einfach Ersatz sein, nur weil gerade nichts Besseres in Reichweite ist.“
Nachdenklich betrachte ich das Wasserglas in meiner Hand. Dann sprudelt alles aus mir heraus. „Es gab mal eine Zeit, da habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als dein Freund zu sein“, erzähle ich langsam und mit leiser Stimme. „Da war die Welt noch in Ordnung, als ich nur davon zu träumen brauchte, dich zu küssen. Und solange du noch Single warst, war auch alles in Ordnung. Da war niemand, der mir die Illusion rauben konnte. Aber dann kam alles ganz anders, und auf einmal stand meine kleine Welt Kopf. Als du mir gesagt hast, dass du schwul bist, schien plötzlich alles möglich zu sein. Doch als du mir dann erzählt hast, dass du in Jannis verliebt warst, brach wieder alles über mir zusammen. Mir wurde klar, dass ich mit ihm nie würde konkurrieren können. Ich meine, er hat ähnliche Interessen wie du, ist sportlich und so weiter. Aber ich ... ich bin dagegen nur ein Langweiler, der die ganze Zeit nur von toten Komponisten labert. Und außerdem ... ich muss ja auch zugeben, dass Jannis echt ein ... naja, wie soll ich sagen ... ein wirklich attraktiver Typ ist. Versteh mich nicht falsch ... aber ich frage mich manchmal, ob es möglich ist, dass jemand wie du ... sich in jemand wie mich ... verlieben könnte ... und ich habe gleichzeitig Angst vor der Antwort. Falls es möglich sein sollte, dann habe ich Angst, dass ich es verbocke. Und falls es nicht möglich ist ... dann habe ich Angst davor, wie bisher nur danebenzustehen und versuchen zu müssen, damit klarzukommen.“
Es ist mir in genau diesem Moment völlig egal, wie er reagieren wird. Ob er wegrennt oder nicht, aber das muss jetzt raus! Ich schlucke. „Ich weiß nicht, wie du das siehst. Vielleicht ist es auch noch zu früh für dich, denn ich merke ja, dass die Sache mit Jannis dich noch belastet. Aber vielleicht wirst du mir ja eines Tages eine Antwort geben können.“
Ich glaube, so viel habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht am Stück erzählt. Und ich bin gespannt bis nervös, wie Lukas reagieren wird.
Er schweigt. Und das liegt daran, dass er zu schlafen scheint.
„Lukas?“, frage ich vorsichtig und stupse ihn an.
Keine Reaktion.
„Lukas?“, frage ich nochmal etwas lauter und stupse etwas doller.
Er nuschelt nur irgendetwas Unverständliches und schläft weiter. Na super. Da mache ich hier einen kompletten Seelenstrip – und was macht der Kerl? Er pennt ein.
Männer!
Naja, vielleicht ist das auch ganz gut so. Ich trinke mein Wasser aus und hole die Isomatte und den Schlafsack aus dem Schrank. Ich habe leider nur ein kleines Bett, was für eine Person reicht, und das ist im Moment Lukas, der noch in Klamotten da liegt und friedlich ratzt. Da er eh nichts mehr mitbekommt, beuge ich mich zu ihm runter, streiche ihm sanft ein paar blonde Haarsträhnen aus dem Gesicht und küsse ihn vorsichtig auf die Wange.
„Schlaf gut, Lukas“, flüstere ich, während er zufrieden schmatzt und sich in mein Kopfkissen kuschelt. Dann schalte ich die Nachttischlampe aus und lege mich in den Schlafsack. Eine Weile lausche ich noch seinem ruhigen Atem, dann schlafe auch ich ein.
Am nächsten Morgen werde ich von meinem schmerzenden Rücken wach. So eine Isomatte wird niemals ein vernünftiges Bett ersetzen können. Außerdem scheint die Sonne direkt in mein Zimmer und auf den Schlafsack, wodurch dieser im Inneren eine beachtliche Temperatur entwickelt hat.
Als ich mich auf die Seite drehe, sehe ich, dass Lukas schon wach ist und mich mit einem amüsierten Gesichtsausdruck beobachtet.
„Hast du wenigstens einen Kater?“, grummele ich verschlafen.
„Nein, habe ich nicht. Und auch dir einen guten Morgen!“
„’nmorgen“, nuschele ich.
Nach einer kurzen Pause fragt er: „Wieso liegst du da eigentlich auf dem Boden?“
Diese Frage empfinde ich schon fast als eine Frechheit. „Weil gestern Abend ... nein, weil heute Morgen eine Schnapsleiche mein Bett in Beschlag genommen hat.“
„Du hättest dich doch dazulegen können“, grinst er.
„Das war technisch nicht möglich, denn leider habe ich nicht so ein großes Bett wie du. Außerdem brauche ich mehr Platz als nur zehn Zentimeter.“
Lukas kichert. Dann fragt er schelmisch: „Okay, was glaubst du, wie weit mir deine Eltern gleich den Arsch aufreißen werden wegen dieser Aktion?“
„Keine Ahnung. Da ich mir so etwas noch nicht geleistet habe, kann ich nicht voraussagen, ob sie dich gleich umbringen werden oder ob sie dich vorher noch foltern werden.“
„Du bist echt zu brav, weißt du das?“, meint er lachend.
„Hmpf. Wie spät ist es eigentlich?“
„Kurz nach zehn.“
„Dann könntest du dich wenigstens um ein wenig Schadensbegrenzung bemühen und unten beim Bäcker frische Brötchen holen, falls du vorhast mit uns zu frühstücken. Ich mag übrigens Mohnbrötchen.“
„Eine hervorragende Idee! Frisches Backwerk und mein Dackelblick müssten die Wogen wieder glätten.“
„Bei meiner Mutter könnte das sogar funktionieren, aber bei meinem Vater habe ich da so meine Zweifel.“
Lukas pellt sich aus der Bettdecke. „Okay. Falls ich das nicht überleben sollte, sag meinen Eltern, dass ich sie liebe, ja?“
„Mach ich. Bekomme ich dann deinen iPod?“
„Vergiss es. Den will ich als Grabbeigabe.“ Dann steht er auf und schnappt sich meinen Schlüsselbund. Bevor er das Zimmer verlässt, kommt er zu mir rüber und setzt sich auf meinen Bauch, sodass je ein Bein links und rechts von meinem Oberkörper ist. Überrascht sehe ich ihn an.
„Was wird das denn jetzt?“, frage ich verdutzt.
„Nichts“, grinst er verschmitzt, „ich will dir nur noch mal richtig einen guten Morgen sagen.“ Dann beugt er sich zu mir runter und küsst mich kurz auf den Mund. Als der Kuss vorbei ist, zwinkert er mir zu und sagt: „Also bis gleich. Und leg schon mal ein nettes Wort für mich ein, ja?“
Dann steht er wieder auf und geht aus dem Zimmer. Ich bleibe noch eine Minute liegen und genieße das Kribbeln, das ich überall spüre.
Auf dem Weg ins Bad treffe ich Mama, die gerade vom Duschen kommt.
„Guten Morgen! Ist Lukas noch da?“, fragt sie.
„Jein, der ist gerade Brötchen holen“, erwidere ich. „Er kann doch mit uns frühstücken, oder?“
„Sicher. Dein Vater wird begeistert sein“, meint sie trocken.
„Dann sag ihm, dass er sich zusammenreißen soll. Ich ... ähm ... habe das Gefühl, dass Lukas vielleicht ... eventuell ... in Zukunft öfters hier ... übernachten könnte ...“, druckse ich mit einem Anflug von Röte im Gesicht rum.
„Oh!“ Sie sieht mich überrascht an. Dann lächelt sie. „Das freut mich. Und keine Angst, Papa hat zwar das Feingefühl einer Elefantenherde, aber ich werde ihm sagen, dass er nett sein soll zu seinem zukünftigen Schwiegersohn.“
„Naja ...“, meine ich verlegen, „soooo weit sind wir noch nicht. Aber ich denke, dass ... vielleicht ... naja, du weißt schon ...“
„Habe schon kapiert“, erwidert Mama, zwinkert mir zu und verschwindet im Schlafzimmer.
Während ich unter der Dusche stehe, lasse ich mir Lukas’ Verhalten nochmal durch den Kopf gehen. Obwohl ich zugeben muss, dass eigentlich zwei Momente mein Denken beherrschen: die zwei Küsse, die Lukas mir gegeben hat. Allein schon bei dem Gedanken daran erfüllt mich eine wohlige Wärme, die mir das Gefühl von Leichtigkeit gibt. Es ist, als bräuchte ich nur meine Arme auszubreiten und könnte sofort losfliegen.
Das ist keine normale Verliebtheit mehr. Da ist mehr ... viel mehr: ein ganz neues Gefühl, eine Intuition. Ich glaube, es ist ein vorsichtiger Optimismus. Zu glauben, dass es diesmal nicht einseitig ist.
Mir ist auch ziemlich klar, woher dieses Gefühl stammt. Es ist einzig das Resultat von Lukas’ Küssen. Und davon gab’s immerhin zwei in den letzten Wochen. Den ersten gab es bei der Szene auf dem Schulhof und den zweiten eben vor ein paar Minuten. Das ist doch eigentlich kein normales Verhalten unter Freunden ... Klar, wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken voreinander. Aber deswegen küsst man sich doch nicht einfach auf den Mund ... oder etwa doch?
Ich merke, dass ich schon wieder anfange nachzudenken. Eigentlich will ich das gar nicht, denn je mehr ich nachdenke, desto mehr fange ich an zu zweifeln. Ich will an diesem Frühlingssonntag, an dem ich so schön mit Sonnenstrahlen, zwei kornblumenblauen Augen und einem sanften Kuss geweckt wurde, nicht grübeln und zweifeln. Ich will es einfach nur genießen.
Als ich frisch geduscht aus dem Bad komme, dringt aus der Küche eine angeregte Unterhaltung.
„Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass Stuttgart nächste Woche zu Hause gegen Cottbus patzt?“, höre ich Lukas fragen.
„Das wollen wir doch mal sehen! Ich habe schon Pferde kotzen gesehen, und das vor der Apotheke!“, erwidert mein Vater.
Seit wann duzen die sich denn???
Verdutzt betrete ich die Küche. Lukas und Papa sitzen nebeneinander am Küchentisch, vor ihnen liegt der Sportteil der Sonntagszeitung. Mama setzt gerade Kaffee auf.
„So stark, wie Gómez diese Saison gespielt hat, muss schon einiges passieren, damit die die Meisterschaft verpassen“, fährt Lukas fort.
„Naja, er könnte sich ja verletzen oder vom Platz fliegen“, wirft mein Vater ein. „Und dann ist Schalke Meister!“
„Aber nur, wenn sie gewinnen und Cottbus Stuttgart besiegt.“
Verblüfft beobachte ich die Szene, die sich mir da bietet. Die beiden sind so in ihr Gespräch vertieft, sodass sie mich gar nicht bemerken. Mamas Blick entgehe ich aber nicht.
„Willst du dir nicht etwas anziehen, Tim?“, fragt sie, woraufhin Lukas und Papa mich entdecken.
„Darum möchte ich doch bitten, Sohnemann“, meint Papa trocken, während Lukas mir nur zuzwinkert.
Verwundert blicke ich an mir herunter und stelle fest, dass ich immer noch nur meine Boxershorts trage.
„Bin gleich wieder da“, murmele ich und verschwinde.
Als ich angezogen wieder in der Küche erscheine, ist Lukas im Bad und duscht. Der Tisch ist inzwischen fertig gedeckt, und während wir darauf warten, dass Lukas fertig wird, setze ich mir einen Tee auf, nehme mir das Feuilleton von der Sonntagszeitung und beginne zu lesen.
Papa kommentiert das mit gespielter Resignation: „Wenigstens ist heute mal einer hier am Frühstückstisch, der sich mit Fußball auskennt.“
„Du kannst ihn ja adoptieren und gegen mich eintauschen“, frotzele ich zurück, ohne von der Zeitung aufzublicken. „Ich werde eh im Sommer achtzehn, dann bist du mich los, wenn du mir eine eigene Wohnung zahlst.“
„Das hättest du wohl gerne.“
„Sieh es mal so: Dann wecken dich meine Freunde nicht mehr mitten in der Nacht.“
„Das ist allerdings ein Argument. Kann Lukas denn wenigstens Klavier spielen?“
„Pfff! Wenn ich von Mozart rede, denkt der an Schokoladenkugeln“, grinse ich.
„Das habe ich gehört!“, ruft Lukas plötzlich aus dem Bad. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er mit dem Duschen fertig ist und über den Flur mithören kann, was wir hier in der Küche reden.
„Ist doch wahr!“, rufe ich zurück.
Lukas kommt nach Duschgel duftend und fertig angezogen aus dem Badezimmer. „Dafür weiß ich, wie der Lieblingsverein von deinem Vater heißt“, sagt er triumphierend und setzt sich an den Tisch.
Das riecht jetzt arg nach einer Verschwörung. Aber wenn die denken, dass ich doof bin, dann haben sie sich geschnitten.
„Das ist ja wohl nicht schwer. Das ist Schalke 05.“
„Null-vier!!!“, rufen beide entrüstet wie aus einem Munde.
„Meine ich doch.“
„Oh Mann“, seufzt Papa theatralisch und rollt mit den Augen, „und das von meinem Stammhalter.“
„Keine Angst, Hermann, ich bin ja auch noch da“, tröstet Lukas ihn und tätschelt seine Hand.
„Ja ... ausgerechnet ein Dortmund-Fan ... ihr könnt froh sein, dass ihr nicht abgestiegen seid dieses Jahr“, frotzelt Papa weiter.
„Naja, dann haben wir wenigstens etwas gemeinsam“, grinst Lukas frech, „wir werden beide nicht Meister dieses Jahr.“
Gerade als Papa was erwidern will, schaltet sich Mama ein: „So, genug davon! Ich habe jetzt Hunger. Wer will Kaffee?“
Papa und Lukas halten ihre Tassen hoch und Mama schenkt ein. Ich hole meinen Tee, der inzwischen fertig sein müsste, und wir beginnen zu frühstücken.
„Sagt mal“, beginnt Lukas irgendwann kauend, „ihr fahrt doch bestimmt alle in zwei Wochen nach Berlin zum Finale, oder?“
„Welches Finale meinst du? Das DFB-Pokalfinale oder das von ‚Jugend musiziert’?“, fragt mein Vater.
„Na, das von Timmi natürlich!“
„Na klar“, erwidert Mama mit stolzgeschwellter Brust. „Das können wir uns doch auf keinen Fall entgehen lassen.“
„Hm ... ich war gerade am Überlegen. Hättet ihr was dagegen, wenn ich mitkäme?“, fragt Lukas und schaut mir dabei direkt in die Augen.
Mir bleibt vor Freude fast der Bissen vom Mohnbrötchen im Halse stecken. Lukas will mitkommen?
„Von uns aus gerne!“, erwidert meine Mutter. „Oder wie siehst du das, Timmi?“
„Na klar! Das wäre super!“, strahle ich.
„Cool! Wo übernachtet ihr denn?“, fragt er weiter, und ich kann ihm ansehen, dass er sich auch freut.
„In einem Hotel. Timmi ist bis jetzt alleine in seinem Zimmer, aber das könntet ihr euch ja teilen“, schlägt Mama vor.
Lukas nickt. „Ich kann ja auch mal meine Eltern fragen, ob sie auch mitkommen möchten.“
In einem Zimmer mit Lukas? Das könnte in der Tat ... interessant werden.
Samstagnachmittag, zwei Wochen später.
Ich LIEBE Mozarts Klarinettenkonzert. Besonders die Version, die der blonde Klarinettist aus Dortmund gerade spielt.
Ich stehe neben der Bühne hinter dem Vorhang und lausche gebannt den sanften Klängen, die aus seiner Klarinette strömen. Völlig konzentriert steht er mitten auf der Bühne, die Augen geschlossen, und scheint eins zu sein mit seinem Instrument. Mir läuft eine Gänsehaut nach der nächsten über den Körper.
Lukas, seine Eltern, meine Eltern und ich sind gestern direkt nach der Schule nach Berlin gefahren, wo an diesem Wochenende das Finale von „Jugend musiziert“ stattfindet. Je näher dieser Termin rückte, desto nervöser wurde ich. Tine hat mir noch viel Glück gewünscht – auch in Bezug auf Lukas, denn, wie sie augenzwinkernd sagte, „die Tatsache, dass sich zwei junge, gutaussehende, ungebundene Schwule mit Hormonüberschuss ein Hotelzimmer teilen werden, lässt doch einiges vermuten.“
Nun, was die letzte Nacht betrifft, muss ich sie enttäuschen. Nach unserer Ankunft sind wir erstmal hier zur Universität der Künste gefahren, wo das Finale stattfindet, damit ich mich anmelden konnte. Danach waren wir abends noch etwas essen und ich habe vor lauter Nervosität kaum einen Bissen runterbekommen. Als wir dann wieder im Hotel waren, bin ich noch mal meine Noten durchgegangen, bis ich irgendwann eingeschlafen bin. Lukas hat derweil auf seiner Hälfte des großen Doppelbettes gelegen und gelesen.
Ich bin direkt nach dem Klarinettisten dran.
Irgendwo im Zuschauerraum sitzen jetzt meine Eltern mit Lukas und seinen Eltern. Ich wette, Mama ist mindestens genauso nervös wie ich. Die war ganz schön hibbelig heute Vormittag. Als sie mich dann am Bühneneingang, wo nur die Teilnehmer rein dürfen, verabschiedet haben, dachte ich, dass sie gleich in Ohnmacht fällt. Lukas dagegen hat mich einfach nur kräftig gedrückt und mir ins Ohr geflüstert: „Zeig’s ihnen! Bin stolz auf dich!“, was mir trotz der Aufregung die Röte ins Gesicht trieb.
Jetzt bin ich eigentlich ganz ruhig. Mozarts Klarinettenkonzert durchfließt meinen Körper und löst jede Anspannung. Ich weiß, dass ich gleich dran bin, aber mache mir keine Sorgen mehr. Ich bin stolz auf das, was ich bisher in diesem Wettbewerb geleistet habe. Es kann jetzt nichts mehr schief gehen.
„Wunderschön, nicht wahr?“, raunt auf einmal eine Stimme leise neben mir.
Es ist Kevin.
„Ja“, flüstere ich zurück.
Kevin ist direkt nach mir dran, aber er sieht aus wie die Coolness in Person. Andächtig zuhörend stehen wir nebeneinander und schauen vom Bühneneingang an der Seite zu.
„Weißt du“, setzt er schließlich leise an, „du hast mich nie erklären lassen, warum ich dich damals in die Sache mit Jannis reingezogen habe.“
Etwas überrascht sehe ich ihn an. „Und du meinst, dass jetzt der richtige Augenblick dafür ist?“
„Den wird es nie geben“, meint er lässig. „Also hör einfach nur zu. Erinnerst du dich noch an unser erstes Treffen im Bizarre?“
Ich deute ein Nicken an. Wie könnte ich das je vergessen?
„Ich hatte die beiden damals gefragt, ob sie Lust auf einen Dreier hätten, was sie abgelehnt haben, wie du weißt. Eine Woche später kam Jannis auf mich zu und fragte, ob das Angebot noch stehe. Er wäre wohl interessiert. Lukas aber nicht. Ich sagte ihm, dass ich das nur machen würde, wenn beide mitmachen, aber er sagte, dass Lukas das wohl nicht wolle. Also war das Thema für mich erledigt. Wieder eine Woche später kam er erneut damit an, sagte mir aber, dass Lukas das nicht erfahren dürfe. Ich lehnte wieder ab. Ich weiß nicht, ob du mir das glauben wirst, aber auch ich habe meine Prinzipien. Ein Dreier mit einem Paar ist in Ordnung, aber nur, wenn beide mitmachen wollen. Wenn das aber nicht der Fall ist, stehe ich zwischen den Fronten und helfe dem einen dabei, den anderen zu betrügen. So was mache ich nicht.“
Ich zucke mit den Schultern. „Es fällt mir tatsächlich schwer, das zu glauben, denn letzten Endes hast du es ja doch getan“, raune ich.
„Jein“, erwidert Kevin. „Als Jannis mich dann wieder eine Woche später zum dritten Mal fragte, sagte ich zu. Ich hatte es ihm ja zweimal erklärt, aber wenn er es auf die nette Tour nicht kapieren wollte, dann musste es eben auf die harte Tour sein. Sicher, ob das nun die feine englische Art war, darüber kann man streiten. Fakt ist, dass ich ihn dann in diese Falle gelockt habe, damit er es dann endlich kapieren würde. Denn er musste damit rechnen, dass das nicht geheim bleiben würde. Wie und ob das seine Beziehung verkraften würde, lag außerhalb meines Einflussbereiches. Und offensichtlich hat sie es nicht verkraftet.“
Sprachlos sehe ich Kevin von der Seite an. Der Typ ist echt eiskalt!
Er sieht mich mit einem leicht arroganten Lächeln an. „Sieh es von der positiven Seite. Lukas ist jetzt wieder zu haben. Wenn du deine Karten richtig ausspielst, gehört er dir. Und ich glaube, ihr zwei habt mehr gemeinsam als er und Jannis.“
Dann beugt er sich verschwörerisch zu mir rüber und flüstert mir ins Ohr: „Aber lass auf jeden Fall die Finger vom Klarinettisten. Der gehört mir!“
Bevor er sich umdreht und geht, wünscht er mir noch viel Erfolg.
„Dir auch!“, kann ich ihm gerade noch zuraunen, bevor er hinter der Bühne verschwindet.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich seine Motive wirklich für so ehrbar halte, wie er sie gerade versucht hat darzustellen. Aber ich muss zugeben, dass ich sie irgendwie nachvollziehen kann. Auch wenn ich die Art und Weise, wie er mich und Jannis wie Schachfiguren in seinem Spiel eingesetzt hat, nicht gerade toll finde. Aber bei einem Punkt hat er unbestritten Recht: Lukas ist jetzt wieder zu haben.
In diesem Moment verklingen die letzten Töne von Mozarts Klarinettenkonzert. Applaus brandet auf, der Klarinettist verbeugt sich und verschwindet von der Bühne. Erleichtert lächelnd geht er an mir vorbei, während die Helfer schnell den großen Konzertflügel in die Mitte der Bühne schieben und ein Moderator ankündigt, dass nun die Teilnehmer am Klavier drankommen.
Als mein Name aufgerufen wird, zupfe ich ein letztes Mal meinen Anzug zu Recht, atme tief durch und betrete das gleißende Scheinwerferlicht. Applaus brandet auf. Meine Augen überfliegen schnell die paar Hundert Zuschauer, aber im Gegenlicht kann ich niemanden erkennen. Während ich mich kurz vor der Jury verbeuge, höre ich durch den Applaus ein „Go, Timmi!“, und ich weiß, dass das nur Lukas gewesen sein kann.
Dann nehme ich am Flügel Platz. Ich gebe dem Tonmeister ein Zeichen und die CD mit der Orchesterbegleitung fängt an. Die ersten zweieinhalb Minuten sind noch ohne Klavier, dann erst kommt mein Einsatz.
Ich setze meine Finger auf die Tasten und beginne zu spielen.
„Auf dich, Timmi!“
Wir sitzen im Restaurant von unserem Hotel und feiern. Ich habe beim Wettbewerb 22 Punkte erreicht und damit einen 2. Preis gewonnen – worauf ich, alle Bescheidenheit in den Wind jagend, verdammt stolz bin. Meine Eltern natürlich auch. Und Lukas erst! Als ich nach der Punktevergabe wieder zu ihnen kam, hat er mich angesprungen und wollte mich anscheinend gar nicht mehr loslassen. Ich glaube, er war mindestens so erleichtert wie ich. Und bei der Preisverleihung hat er gegrinst wie ein Honigkuchenpferd.
Und nun sitzen wir alle hier und genießen den schönen Abend. Jegliche Anspannung ist von uns gefallen. Das Essen schmeckt super. Wir stoßen mit Sekt auf meinen Preis an, lachen und sind bester Dinge. Lukas’ Eltern scheinen mit meinen Eltern super auszukommen und ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass sie super Schwiegereltern wären.
Lukas sitzt mir gegenüber und grinst die meiste Zeit genauso blöd wie ich. Irgendwann, nachdem die Teller abgeräumt sind und wir noch einen Cappuccino trinken, fängt er an, unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Seine Tasse ist schon leer.
„Nun trink endlich aus, Timmi“, drängt er mich schließlich.
„Wieso? Ich habe Zeit!“, grinse ich und rühre gemächlich in meiner Tasse rum.
„Weil ich oben in unserem Zimmer noch eine kleine Überraschung für dich habe“, raunt er mir zu und schaut mich verschwörerisch an.
Ich grinse noch etwas breiter.
„Oh Gott, sag mir bitte, dass Lang Lang da auf mich wartet und mit mir Klavier spielen will!“
„Bist du nicht ein wenig zu alt für diesen Pokemon-Scheiß?“, fragt er und lächelt etwas unsicher.
Ich glaube, ich höre nicht recht!
„BOAH!“, stöhne ich. „Das ist kein Pokemon, sondern der genialste lebende Klavierspieler, du Banause!“
Er rollt mit Augen und tut so, als wäre er angenervt. „Und wieso heißt der so komisch?“
„Vielleicht, weil er aus China kommt?“, tue ich ebenso angenervt, kann mir aber ein weiteres Grinsen nicht verkneifen.
„Egal, trink aus!“, erwidert er energisch.
Lukas’ Vater schaut seinen Sohn etwas komisch von der Seite an. „Dürfen wir denn fragen, was ihr noch vorhabt, oder sollen wir so tun, als ob wir das alles nicht mitbekommen hätten?“
„Oooch“, meint Lukas nur und setzt eine Unschuldsmiene auf. „Wir wollen bloß feiern.“
„Na denn, viel Spaß“, meint sein Vater trocken. Er glaubt ihm offensichtlich kein Wort.
„Danke, werden wir haben“, erwidert Lukas und wendet sich wieder mir zu. „Aber nur, wenn du bald mal ausgetrunken hast.“
Schnell nehme ich einen letzten Schluck aus der Tasse, bevor Lukas vor Hibbeligkeit noch vom Stuhl fällt.
Als wir oben in unserem Zimmer ankommen, ist nichts Besonderes zu sehen.
„Oh, du hast die Betten gemacht ... das ist aber nett von dir.“ Ich deute auf die gemachten Betten und schaue ihn verwundert an.
„Das war die Putzfrau, du Hirni“, erwidert Lukas.
„Soso ... und was hast du jetzt vor?“, frage ich.
„Zunächst einmal werde ich jetzt duschen gehen“, antwortet er und zieht sich bis auf die Boxershorts aus.
Fasziniert schaue ich ihm dabei zu. Oh Gott, ich könnte ihn jetzt sofort einfach auf das Bett zerren und ihm ...
„Du sabberst.“ Lukas steht vor mir und sieht mich belustigt an, während ich in meinen Gedanken unanständige Dinge mit ihm mache. Ich muss wohl völlig weggetreten sein. Dann verschwindet er ihm Bad und ich höre, wie das Wasser in der Dusche läuft.
Ich lege mich auf das Bett, verschränke die Arme hinter dem Kopf und denke über den Tag nach. In meinen Gedanken lasse ich das Finale noch mal Revue passieren und genieße den Augenblick, als mein Ergebnis bekannt gegeben wurde. Und wie Lukas mir gratulierte.
Das war toll ...
Irgendwann muss ich kurz eingenickt sein, denn ich werde von Wassertropfen wach, die mein Gesicht treffen.
Verwundert öffne ich die Augen.
Lukas steht in eine frische Boxershorts gehüllt vor mir und lässt seine nassen Haare auf mich tropfen.
„Bad ist frei“, sagt er, geht zum Spiegel und rubbelt seine Haare trocken. Er steht mit dem Rücken zu mir und ich kann seine Muskeln sehen, wie sie unter seiner Haut arbeiten, während er sich weiter die Haare abtrocknet. Sein Hintern ist nur durch die Shorts verhüllt.
„Du sabberst schon wieder“, sagt er auf einmal und ich blicke erschrocken hoch. Er blickt mich durch den Spiegel an der Wand an und grinst.
Schnell und mit hochrotem Kopf stehe ich auf und ziehe mich ebenfalls bis auf die Shorts aus. Dann schnappe ich mir eine saubere und verschwinde im Bad. Oh Mann, eigentlich ist es ziemlich peinlich, zweimal von ihm beim Gaffen erwischt zu werden. Aber erstens ist es mir heute schlichtweg egal und zweitens schien es ihn auch nicht im Geringsten zu stören.
Ich frage mich, was der eigentlich vorhat. Hatte er nicht behauptet, dass wir feiern wollten?
Als ich abgetrocknet und gewaschen und gestriegelt und nur in Boxershorts aus dem Bad komme, trifft mich fast der Schlag: Das Licht ist aus, aber überall im Zimmer leuchten Kerzen und tauchen alles in eine romantische Atmosphäre. Im Hintergrund läuft leise eine Klavierversion von „Your Song“ über zwei Computerlautsprecher, die Lukas wohl von zu Hause mitgenommen hat.
Er steht neben dem Bett und hält strahlend zwei Sektgläser mit einer perlenden Flüssigkeit hoch. Er trägt immer noch nichts außer seiner Shorts.
Er reicht mir ein Glas und sagt leise: „Auf dich. Und auf deinen 2. Preis. Und auf einen tollen Abend.“
Wir stoßen an und trinken einen Schluck. Dann gibt er mir einen sanften Kuss auf die Wange.
Ich kichere und grinse. „Danke, Lukas ...“
Dann legt er sich aufs Bett und deutet mir an, mich auch hinzulegen. So liegen wir uns gegenüber, jeder mit einem Sektglas in der Hand, während die Kerzen einen angenehmen Duft und weiches Licht versprühen und sanfte Musik dazu spielt.
„Die Überraschung ist dir wirklich gelungen“, lächele ich ein wenig schüchtern.
„Gefällt’s dir?“, fragt Lukas und strahlt.
„Und wie! Wann hast du das denn geplant?“
„Letzte Woche. Ich wollte dir eine ganz besondere Feier machen.“
„Das ist es auch. Danke!“ Ich bin fast zu Tränen gerührt vor Freude.
„Aber weißt du, was noch fehlt?“, fragt er schelmisch.
„Eigentlich finde ich, dass es perfekt ist“, erwidere ich.
„Noch nicht ganz. Zu diesem Sekt würden jetzt hervorragend Erdbeeren passen.“
„Ruf doch mal den Zimmerservice an. Vielleicht haben die ja welche“, grinse ich.
„Nicht nötig“, meint er, dreht sich um und holt etwas hinter dem Bett hervor. Tatsächlich! Eine Schale mit großen, roten Erdbeeren.
„Boah!“, staune ich. „Du hast wirklich an alles gedacht.“
„Na klar!“, lacht er, nimmt eine Erdbeere und steckt sie mir in den Mund. Sie schmeckt köstlich; saftig und süß. Er nimmt sich auch eine und stellt die Schale zwischen uns aufs Bett.
„Was ist das eigentlich für Musik, die da läuft?“
„‚Kuschelklassik Piano Dreams’“, antwortet er. „Ich habe die CD extra für heute Abend gekauft, weil ich mir dachte, dass dir so was gefallen würde.“
„Die gefällt mir richtig gut“, erwidere ich und lehne mich an das Kopfende des Bettes, so dass ich das Kerzenlicht und die ganze Atmosphäre so richtig genießen kann.
„Aber eine Kleinigkeit fehlt noch ...“, meint Lukas verschwörerisch.
„Was denn noch?“, frage ich verwundert und sehe ihn an.
„Erstmal gibt’s Nachschub“, erwidert er, holt die Sektflasche hinter dem Bett hervor und füllt unsere Gläser auf.
Wieder stoßen wir an.
Dann frage ich: „Und was fehlt jetzt noch?“
Wieder greift er hinter das Bett und fördert eine Flasche Sprühsahne zutage.
„Oh nee!“, lache ich. „Was hast du denn da noch alles hinter dem Bett versteckt?!“
Lukas sitzt auf Knien auf dem Bett, nimmt den Deckel ab und schüttelt die Sprühdose. „Leider habe ich vergessen, einen Teller oder so mitzunehmen, auf den ich die Sahne sprühen könnte ... Aber egal, das muss auch so gehen“, grinst er, und bevor ich reagieren kann, hat er einen kleinen Berg Schlagsahne auf meinen Bauchnabel gesprüht.
„Woah! Kalt!“, erschrecke ich und stelle mein Glas auf den Nachtschrank neben meiner Betthälfte.
„Macht nix“, grinst er, nimmt eine Erdbeere, tunkt sie in die Sahne und steckt sie sich in den Mund. „Mmmh, lecker!“
Dann legt er sich wieder neben mich, nimmt noch eine Erdbeere, taucht sie in die Sahne und führt sie zu meinem Gesicht. Aber anstatt sie in meinen Mund zu legen, fährt er mit ihr über meine Lippen und verteilt dort die ganze Sahne. Dann erst lässt er mich die Erdbeere essen.
„Du hast da was ...“, raunt er leise, sammelt mit seinem Finger etwas Sahne aus meinem Bauch auf und leckt ihn genüsslich ab.
Ich merke, wie es in meinem Bauch anfängt zu kribbeln. Und wenn er keine Berührungsängste zu haben scheint, warum sollte ich welche haben? Also nehme ich auch eine Erdbeere und den letzten Rest Sahne von meinem Bauch auf.
„Die ist für dich“, sage ich leise. „Augen zu und Mund auf!“
Lukas folgt prompt meiner Aufforderung. Aber anstatt ihm die Erdbeere durch seine sanft geschwungenen Lippen in den Mund zu legen, mache ich einen Abstecher über seine Nase und mache einen Sahneklecks auf seine Nasenspitze. Er kichert mit noch immer offenem Mund. Dann bekommt er endlich seine Erdbeere und beginnt zu kauen.
„Du hast da auch was ...“, flüstere ich und beuge mich zu ihm rüber und küsse die Sahne von seiner Nasenspitze ab.
„Mmmh ...“, meint er nur und öffnet wieder seine Augen.
Dann greift er wieder nach seinem Glas. „Prost!“, fordert er mich zum Anstoßen auf.
„Hehe... willst du mich etwa abfüllen?“, frage ich grinsend.
„Ich glaube nicht, dass das noch nötig ist ...“
„Nicht?“
„Nein. Ich meine, wir liegen hier zusammen auf einem Bett, beide nur in Boxershorts, und du hast einen Sahneklecks auf dem Bauchnabel.“
Wieder stellt er sein Glas weg. Dann beugt er sich über meinen Bauch und beginnt, die letzten Sahnespuren abzulecken. Ganz sanft wandert seine warme, weiche Zunge über meine Haut, und ich spüre, wie die Erregung in mir wächst. Seine Hand, mit der er sich neben meinem Bein abstützte, fängt an ganz zart meinen Oberschenkel zu streicheln, während seine Lippen küssend meinen Bauch empor wandern. Als sie meine Brustwarzen erreichen, kann ich ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken und beginne, sein Haar zu streicheln. Ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen, setzt er sich auf meine Oberschenkel und küsst meinen Hals.
Kurz bevor er meinen Mund erreicht, hört er auf und sieht mir tief in die Augen. Sein Blick leuchtet dunkel im Kerzenschein.
Wir können inzwischen beide unsere Erregung nicht mehr verbergen.
Dann sagt er leise: „Weißt du noch, als ich abends besoffen in deinem Bett lag und dich gefragt habe, warum wir nicht zusammen sind?“
Ich nicke kurz.
„Du hast gesagt, dass du keine Notlösung sein wolltest, nur weil niemand Besseres in Reichweite ist“, fährt er leise und langsam fort, während seine Finger meine Brust streicheln. „Und wie sehr es dich traurig gemacht hat, als die Sache mit Jannis sich entwickelte ... Dann hast du gesagt, dass du nur ein Langweiler wärst, der nur tote Komponisten im Kopf hat und dass du dich fragst, ob jemand wie ich sich in jemanden wie dich verlieben könnte ...“
Er schaut mich nachdenklich an.
„Das hast du alles mitbekommen??? Ich dachte, du hast geschlafen?“, frage ich ihn verwundert.
Er lächelt verlegen. „Okay, ich gebe zu, ich habe nur so getan. Schuldig in Sinne der Anklage. Aber tu mir einen Gefallen, ja?“
„Welchen?“
„Sag nie wieder, dass du nur ein Langweiler bist, okay?“
„In Ordnung ...“
„Und um deine Frage zu beantworten, ob jemand wie ich sich in jemanden wie dich verlieben könnte ...“
Er beugt sich zu mir runter und küsst mich. Direkt auf den Mund. Mit Zunge.
„Nun, ich glaube, das ist bereits passiert ...“, sagt er leise und küsst mich weiter.
Die Gedanken, die durch meinen Kopf rasen, schiebe ich energisch beiseite und schlinge meine Arme um ihn und erwidere seinen Kuss.
Zu dem Gefühl der Erregung gesellt sich ein Gefühl des Glücks, welches ich so noch nie verspürt habe. Meine ganze Haut prickelt, während unsere Küsse intensiver, fordernder werden, unsere Hände alles an uns erforschen und unsere Körper sich aneinander reiben.
Lukas. Mein Lukas.
„Ich liebe dich, Timmi“, stöhnt er zwischen zwei Küssen.
„Ich liebe dich auch, Lukas.“
Und während draußen langsam die Lichter von Berlin erlischen, fliegen wir gemeinsam zu den Sternen.
„You’ll be in my heart
Believe me, you’ll be in my heart
I’ll be there from this day on
Now and forever more
You’ll be in my heart
No matter what they say
You’ll be here in my heart always
Always...”
Phil Collins: „You’ll Be In My Heart“ *
Ende
*
Phil Collins – You'll Be In My Heart
Komponist: Phil Collins
Textdichter: Phil Collins
Originalverleger: Disney-Walt-Music (USA) CO
Originalverleger: Musikverlag Intersong GmbH Co Kg
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