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Ganz normal

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Er war ein Junge.

Er hieß Claas oder Sven, Jörg oder Martin, Robert oder Kai.

Er lebte gern, hörte gern Musik, tanzte gern, malte, las, machte Witze, besoff sich gern, ein ganz normaler Junge eben.

Er war ausgezogen, weil ihn seine Eltern rausgeschmissen hatten, als er das erste Mal mit einem Jungen nach Hause kam.

Die Alten hatten ihm gesagt: Entweder, du wirst wieder normal oder du fliegst raus.

Er hatte geantwortet: Ich BIN normal. Ich liebe einen Jungen. Was ist daran nicht normal?

Die Alten hatten geschrieen: Das ist abartig! Pervers! Eine Schwuchtel wollen wir nicht zum Sohn!

Er hatte gefragt: Und was ist daran nicht normal? Was ist nicht normal, wenn man einen Menschen liebt? Wenn es keinen gibt, der einem wichtiger ist? Wenn man möchte, dass es ihm gut geht? Wenn man nicht schlafen kann, wenn er nicht da ist?

Was bitte, ist daran nicht normal?

Sie hatten hasserfüllt gesagt: Weil es ein JUNGE ist! DAS ist nicht normal!

Er hatte erwidert: Also ist Vater auch nicht normal; ich liebe ihn auch und er ist schließlich auch ein Junge.

Da hatten sie ihn rausgeschmissen.

Seitdem lebt er unter einer Brücke, in der Nähe der Eltern, denn er liebt seine Eltern.

Aber die lieben ihn nicht mehr.

Seinen Freund ist er dann losgeworden.

Der wollte nicht mit einem befreundet sein, der unter einer Brücke lebt.

Das sei nicht normal.

Und der Junge, der Claas oder Sven, Jörg oder Martin, Robert oder Kai heißt, sitzt seitdem allein unter seiner Brücke und fragt sich:

Was ist denn dann normal?

Wenn es normal ist, was die Mehrheit tut, dann möchte ich lieber unnormal sein.

Unter einer Brücke leben, wenn mich die Alten rausschmeißen, weil ich einen Jungen liebe.

Die finden andere Sachen normal.

Sie finden Kriege normal.

Sie finden prügelnde und ihre Frauen vergewaltigende Ehemänner normal.

Sie finden tratschende Nachbarn normal.

Aber einen Sohn, der weder kämpft, noch jemanden verprügelt, noch Sachen herumerzählt, die ihn nichts angehen, der niemanden vergewaltigt, der nicht stiehlt, nicht betrügt, der nur leben will, wie er möchte, lieben, wen er möchte, den finden sie nicht normal.

Und der Junge sitzt unter seiner Brücke, allein und normal.

Ganz allein.

Ganz normal.

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