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Jason

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Liebe Leser,

zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, dass ich auf Nickstories gestoßen bin und davon so fasziniert war, dass ich endlich meinen eigenen Wunsch zu schreiben in die Tat umgesetzt habe. Das Ergebnis warJason und diese Story liegt jetzt bei Euch in einer überarbeiteten Neufassung auf dem Tisch (oder auf dem Bildschirm, je nachdem wie sie jeder liest).

In der ersten Version ist vieles unklar geblieben; das habe ich zum Teil dadurch versucht zu kompensieren, dass es mit den Figuren in Little Lies ein Wiedersehen gab und Richie und Jason hier eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Vielfach war das jedoch nicht möglich, weil einiges nur im Kontext mit der ursprünglichen Story einen Sinn machte.

Weiterhin gab es ein nicht ganz von der Hand zu weisendes Problem mit den Promis in den Stories: man kennt die Amerikaner und weiß, wie schnell sie mit völlig überflüssigen Klagen bei der Hand sind - wer erinnert sich noch an die Klage gegen eine US-Schnellrestaurantkette von einer Frau, die sich an ihrem Kaffee verbrannt hat (seitdem werden auch wir mit dem Aufdruck 'Vorsicht, heißes Getränk' auf den Bechern beglückt). Nun werden die meisten unserer amerikanischen Freunde kaum Deutsch sprechen, abgesehen von 'Ick liebe Euck all!' und dennoch ist mir das Risiko im Laufe der Zeit zu groß geworden.

Die Story lebt jedoch von ihren Figuren. Ich hoffe jetzt wirklich, dass ich einen Mittelweg gefunden habe, der sowohl den Lesern als auch der rechtlichen Seite gerecht wird. Diejenigen von Euch, die die Story schon kennen, werden vielleicht stellenweise schmunzeln, wenn sie an die alte Version denken - und diejenigen, die sich 'Jason' zum ersten Mal vornehmen, werden hoffentlich trotzdem verstehen wer gemeint ist.

Ich rede schon wieder zuviel und sollte endlich mal an der Story selbst weiterschreiben. Also, genug der Einleitung, wie immer wünsche ich Euch viel Spaß und hoffe auf zahlreiche Anregungen und Rückmeldungen!

Rick

1. First Time, First Love

»... und hier ist das Handbuch dazu, aber viel hat sich seit der letzten Version nicht geändert. Kommst du soweit klar, Richie?« Ich nickte. »Vergiss' nicht, dass ich dir die alte Version erklärt habe, Rip.« Mein Vater grinste. »Ja, aber auch nur weil du mir nicht zugetraut hast, selbst ein vernünftiges Programm für die Praxis auszusuchen. Ach, noch was: Nachher kommt noch ein neuer Patient, kümmer' dich bitte um die Unterlagen, okay?« Ich tippte mir mit zwei Fingern an die Stirn. »Kein Problem.« »Gut, ich bin dann im Büro. Ruf' mich wenn etwas besonderes ist; Anne springt nachher bei der Assistenz mit ein.«

Mit diesen Worten verschwand mein Vater und ließ mich allein an der Rezeption der Praxis zurück. Bevor ich hier jedoch überhaupt einen Handschlag rührte, brauchte ich erst mal einen großen Becher starken, schwarzen Kaffee. Zum Glück hatten wir in der Praxis eine kleine Teeküche, in der auch eine Kaffeemaschine stand. Während der Kaffee durchlief, blätterte ich erst mal ein bisschen im Handbuch zur neuen Praxis-Software. Bisher sah ja alles recht gut aus, sogar einige Fehler in der alten Version waren endlich beseitigt worden.

Bevor ich mich dem Programm jedoch ausführlich widmete, stellte ich - jetzt wieder vorn an der Rezeption - erst mal die Unterlagen für unseren neuen Patienten zusammen. Ripley - Dad, wie auch immer; keiner von uns sprach ihn ernsthaft mit 'Daddy' an - hatte mir nichts weiter gesagt, außer, dass er irgendwann heute nachmittag ankommen würde. Ich sah auf die Uhr - es war kurz nach drei. Also hatte ich wahrscheinlich noch genügend Zeit. Ich sah den Stapel mit den Unterlagen durch, die noch zu bearbeiten waren; es war nicht viel. Die alten Datenbanken waren ohne Probleme übernommen worden und soweit wir feststellen konnten, waren auch keine Daten verlorengegangen.

Ich sehe es an Euren Blicken - Ihr könnt mir nicht ganz folgen, wer ich bin und was ich hier eigentlich mache. Also gut, unser neuer Patient ist noch nicht da, dann nutze ich die Gelegenheit und stelle mich kurz vor. Mein Name ist Richie - eigentlich Richard Andrew - Masters, ich bin gerade 18 Jahre alt geworden und wohne mit meiner Familie zusammen in Hamburg. Außer mir gibt es noch meinen Bruder Julian, er ist 20 Jahre alt und studiert seit einem Jahr Zahnmedizin an der Uni Hamburg. Meine kleine Schwester Anne ist 16 und geht wie ich noch zur Schule. Und dann ist da natürlich noch Ripley, von allen nur Rip genannt, unser Vater.

Normalerweise fehlt da doch noch jemand ... richtig. Kein Kind kommt ohne Mutter auf die Welt, aber es gibt Familien, in denen die Mutter sich irgendwann aus dem Staub macht, so war es bei uns. Ich war damals gerade vier Jahre alt, als Mum einen anderen Mann kennenlernte und Rip sitzengelassen hat. Sie hat sich nie wieder bei uns gemeldet, für eigene Kinder war sie sowieso viel zu karrieregeil. Also hat Rip die Praxis kurzerhand nur noch halbtags geöffnet, sich um uns gekümmert und nur dann gearbeitet, wenn wir in der Schule waren. Rip würde uns nie hängen lassen, er ist unser Vater und wir alle respektieren einander bedingungslos.

Mittlerweile sind wir alle alt genug, um auf uns selbst aufzupassen und greifen Rip ein bisschen in der Praxis unter die Arme - was für uns zwei Vorteile hat, nämlich zum einen den, dass wir immer genügend Taschengeld haben (Rip bezahlt uns die Stunden, in denen wir in der Praxis helfen) und zum anderen lernen wir immer wieder nette Leute kennen - Anne hat bei der Gelegenheit sogar ihren Freund kennengelernt, worauf ich immer noch ein wenig neidisch bin, weil der Kerl einfach nur verdammt süß ist. Ach ja, so am Rande: Für die Enkelkinder in der Familie werden Julian und Anne sorgen müssen, das wird bei mir leider nichts - Schwule können nur schwer eigene Kinder bekommen.

Jetzt ist eigentlich nur noch eine Frage offen: Um was für eine Praxis geht es hier eigentlich? Die Frage ist nun wirklich leicht zu beantworten. Rip ist Kieferorthopäde, den Job werden viele von Euch aus eigener Erfahrung kennen. Falls nicht: Das sind die Zahnärzte die dafür sorgen, dass man in seiner Jugend mit mehr oder weniger großen Drahtkonstruktionen, auch Zahnspangen genannt, im Mund durch die Gegend läuft. Bei Rip gibt es allerdings noch eine kleine Besonderheit: Die Praxis steht nicht in den Gelben Seiten und auch sonst in keinem Telefonbuch, wir - und das sage ich nicht ganz ohne Stolz, auch wenn es nicht so arrogant gemeint ist, wie es sich anhört - behandeln nur Patienten, die auf besondere Empfehlung in die Praxis gekommen sind. Die meisten davon kann man hin und wieder im Kino oder im Fernsehen bewundern, einige auch im Radio hören, in jedem Falle sind sie jedoch keine Unbekannten. Von den meisten werden sie einfach nur als Teenstars bezeichnet.

Wie ist das zustande gekommen - ein Kieferorthopäde aus Hamburg behandelt Patienten aus dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten? Wir waren selbst etwas überrascht, als das Ganze damals anfing. Rip stammt gebürtig aus Los Angeles und hat dort immer noch viele Freunde, einer unserer Nachbarn ist Hauptdarsteller und Produzent einer US-Fersehserie. Im Sommer 1989 gab es bei den Dreharbeiten ein paar Probleme, bei denen Rip eingreifen musste und aus dieser kurzen Hilfestellung entwickelte sich irgendwann mehr. Das Ganze sprach sich herum, Rip hatte einen ziemlich guten Ruf in der Branche und so kam es schließlich dazu, dass er sich komplett diesem Patientenkreis widmete. Rip war auch öfter als Berater bei Filmen dabei, wenn es zum Beispiel um eine Schlägerei ging, in der einer der Darsteller einen Schlag ins Gesicht bekommen sollte - hier musste er dann erstens dafür sorgen, dass niemand verletzt wurde und wenn doch etwas passierte, sofort eingreifen.

Ach ja, noch was: Da unsere Eltern beide Amerikaner sind, wir aber in Deutschland leben, sind wir zweisprachig aufgewachsen. In der Praxis ist das unumgänglich und wenn wir mal mit Rip in Los Angeles sind haben wir auch keine Probleme. Früher sind wir zwar öfter mal durcheinandergekommen, aber mittlerweile beherrschen wir beide Sprachen flüssig (sorry, soll keine Angabe sein, aber vielleicht wundern sich sonst einige darüber, dass die Unterhaltungen nicht gesondert betont werden).

So, soviel also zu uns. Ich kümmerte mich also um unsere Akten, versuche Ordnung in das Chaos zu bringen und gleichzeitig die neuen Features unserer Praxissoftware zu lernen, als sich vor mir plötzlich jemand räusperte. »Darf ich kurz stören?« Ich blickte auf, eigentlich etwas ungehalten über die Störung - aber unglücklicherweise sah ich demjenigen direkt ins Gesicht. Und so traf es mich wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. »Ja ... äh ... was kann ich für Dich tun?« »Ich soll mich hier irgendwo anmelden«, sagte der Typ. Er hatte dunkelblonde Haare, etwas gelockt, ungefähr meine Größe - für alle die mich nicht kennen: etwas über einsachtzig - und haute mich schlichtweg vom Hocker.

Das Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor, aber mir wollte partout kein Name dazu einfallen. Also suchte ich stattdessen hektisch nach den Unterlagen und stotterte etwas von »Ja, Sekunde ...«, bis ich ihm den erstbesten Stapel Papiere in die Hand drückte. »Das hier mußt du ausfüllen.« Er warf einen Blick auf den Papierstapel und lächelte - und ich krallte mich möglichst unauffällig in der Schreibtischplatte fest. »Bist Du sicher?«, fragte er. Ich sah noch einmal hin - und stellte fest, dass ich ihm irgendein Frauenmagazin von Anne gegeben hatte, passenderweise mit dem aktuellen Preisrätsel.

Ich spürte, dass ich knallrot anlief, beugte mich über den Tisch - damit er nichts davon mitbekam - und gab ihm schnell die richtigen Papiere. So dilettantisch hatte ich mich ja selbst an meinem ersten Tag in der Praxis nicht angestellt. Irgendwas fehlte doch noch ...? Ach ja, ein Kugelschreiber. Ich legte ihn wortlos auf den dünnen Papierstapel und wandte mich dann dem Rechner zu, gab vor, irgendetwas zu tun. Doch lange hielt das nicht an. Suchte er nach einem Grund?

»Was soll ich hier eintragen?« »Wo?«, fragte ich. »Schau's Dir doch einfach mal an.« Ich konnte förmlich ein süffisantes Grinsen hören. Also drehte ich mich um und sah dem Feind ins Gesicht ... naja, wenn das der Feind war, dann wollte ich so sterben. Er tippte mit der Spitze des Kulis auf das Feld »Liegt eine Schwangerschaft vor?« Jetzt konnte ich mir auch ein Lächeln nicht verkneifen. »Am besten lässt du das Feld einfach frei - oder du trägst ein, in welchem Monat du bist.« Ich hoffte, dass ihm darauf nichts einfallen würde, aber nach kurzer Überlegung sagte er: »Im 221. Monat.« »Häh???«

Wieder dieses unwiderstehliche Lächeln. »18 Jahre und knapp sechs Monate - rechne nach, mein Geburtstag steht schon hier.« »Danke, ich glaub's dir auch so.« Mann, war mir das peinlich. Wir standen nur knapp 30 Zentimeter voneinander entfernt und ich konnte sein After Shave riechen. Er strich den Abschnitt mit der Schwangerschaft schwungvoll durch und unterschrieb dann das Formular - sogar halbwegs lesbar, die meisten Promis unterschrieben noch unleserlicher als mein Vater und der hatte wirklich eine Doktorschrift.

Ich heftete das Original des Anmeldeformulars in die Karteikarte und legte den Durchschlag auf den Stapel zu bearbeiten - wenn ich mir die Daten sofort angesehen hätte, wäre das wohl zu sehr aufgefallen. »Und jetzt?«, fragte er. »Setz' dich noch kurz ins Wartezimmer, ich sag' dir dann gleich Bescheid. Oder wenn du willst kannst du auch hier warten.« Yes. Super. Die erste spontane Antwort qualifizierte mich gleich für das nächste Fettnäpfchen. Aber er lächelte - wieder mal - nur. »Kein Problem, wenn's dir nichts ausmacht ... ist mit Sicherheit interessanter als 'rumzusitzen.«

Wie durfte ich das verstehen? Naja, wahrscheinlich machte ich mir wieder vielzuviele Hoffnungen. »Von mir aus kein ...« Noch ehe ich den Satz vollenden konnte ging die Tür auf und Anne kam - natürlich mitsamt ihrem Freund - herein. Der begrüßte gleich unseren neuen Patienten. »Jason! Was machst du denn hier?« Jason hieß er also - und die beiden kannten sich. Ein Blick auf das Anmeldeformular - jetzt wollte ich es doch wissen - verriet mir zweifelsfrei mit wem ich es zu tun hatte. Hm, ich hätte mir wohl einen Wal dazu vorstellen sollen, dann wäre ich eher drauf gekommen.

Anne griff über den Tresen hinweg nach ihrem Magazin. »Ich wollte mir das nur schnell abholen, Richie. Kannst du gleich vielleicht einspringen? Wir müssen noch in die Stadt.« »Äh ... klär' das mit ...« »Hallo zusammen.« Dad kam aus seinem Büro, offensichtlich hatte er den Lärm an der Rezeption gehört. Er ging auf Jason zu und gab ihm die Hand. »Hallo, ich bin Ripley Masters.« Jason ergriff Rips Hand und stellte sich ebenfalls vor. »Anne, noch gar nicht umgezogen?« »Nein, eigentlich wollten wir zwei« - sie deutete mit einem Kopfnicken auf Elijah - »gleich noch in die Stadt und ich wollte Richie fragen, ob er einspringen kann?«

Ich schluckte. Ich hatte hier vorne schon genug zu kämpfen gehabt, aber jetzt auch noch Assistenz bei der Behandlung? Meine Knie wurden ein wenig weich und ich war froh, dass ich immer noch auf meinem Schreibtischstuhl saß. Rip sah mich fragend an. »Richie, wie sieht's aus? Ansonsten ist hier nicht viel los, mir reicht heute nachmittag einer von euch hier.« Ich nickte. »Klar, kein Problem ... mach' ich.« Anne lächelte mich an, beugte sich über den Tresen und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Danke, Bruderherz.« Ich wehrte mich ob dieses unerwarteten Angriffs. »Nun übertreib's nicht, sonst überleg' ich mir das noch mal.« Auch Elijah zwinkerte mir zu. »Danke Richie, ich revanchier' mich irgendwann mal für den Gefallen.« Ich winkte ab. »Dann kann Dad die Praxis zumachen.« »Richie, du musst dich noch umziehen«, merkte Dad mit einem zuckersüßen Grinsen an und verhinderte somit weitere Sticheleien, die bei uns zum Alltag gehörten.

»Okay. Jason, du kannst schon mal ins Behandlungszimmer gehen, ich bin auch gleich da«, sagte ich. Jason nickte - und irgendwie war seine Selbstsicherheit plötzlich wie weggeblasen. Sein Gesicht verlor ein wenig die Farbe und als ich hinter ihm den Raum betrat, sah er sich ziemlich unsicher um. »Setz' dich ruhig schon hin.« Ich legte seine Unterlagen aus der Hand und wusch mir die Hände, dabei konnte ich im Spiegel sein Gesicht sehen. »Hast du Angst?«, fragte ich ihn. »Äh ... nein, eigentlich nicht«, sagte er. Ich verkniff mir ein Lächeln - es schien mir, als hatten wir mit dem Betreten dieses Raums die Rollen getauscht.

Ich hängte ihm eine Serviette um den Hals und überprüfte noch einmal, ob alles bereit lag. Dad war zwar ein Mensch, mit dem man wirklich ausnahmslos über alles reden konnte, aber er duldete es nicht, wenn in der Praxis auch nur die kleinste Kleinigkeit fehlte. Ich lächelte Jason aufmunternd zu. »Wird schon nicht so schlimm werden, keine Sorge.« »Seid ihr selbst bei eurem Vater in Behandlung?« Ich nickte. »Logisch. Aber sei' froh, dass Anne nicht bei dir assistiert«, lachte ich. »Glaub' mir, das bin i... äh ...« Täuschte ich mich, oder bekamen seine Ohren in diesem Moment einen leichten Rotstich?

»So, sorry, es hat etwas länger gedauert.« Rip kam herein und wusch sich ebenfalls die Hände, bevor er sich die Handschuhe überstreifte. »Och, das macht überhaupt nichts«, antwortete Jason. Rip warf mir einen fragenden Blick zu und ich nickte nur - das alte Spiel, »Hat der Patient Angst?« »Mit Sicherheit.« Rip setzte ebenfalls seinen »Ist-ja-alles-nicht-so-schlimm«-Blick auf und bat Jason dann, den Mund zu öffnen. Der folgte nur widerstrebend, aber immerhin konnte Rip anfangen. Er diktierte mir eine Reihe von Zahlen, die ich mit notierte. Schließlich fasste Rip zusammen: »Also, Jason - du hast ziemlich gute Zähne. Ich habe ein kleines Loch gefunden und an einem Schneidezahn fehlt ein Stück - deswegen bist du hergekommen, oder?« Jason nickte. Dad lächelte. »Also, in einer Viertelstunde ist alles überstanden. Mach' dir keine Sorgen, das ist die Sache gar nicht wert.«

Jason verlor noch etwas mehr Farbe und er protestierte schwach: »Also, darauf war ich jetzt gar nicht vorbereitet.« »Ja und? Du wirst ja nicht gleich den nächsten Flieger zurück nach L. A. nehmen, oder?« Jason schüttelte den Kopf. »Mein Gepäck war vorhin sowieso noch nicht da.« Rip grinste überzeugend. »Also gut. Willst du eine Spritze, oder soll ich sofort anfangen?« Die Antwort war uns beiden schon vorher klar. Er nickte mir nur zu und ich bereitete alles vor. »Okay, dann mach' den Mund bitte noch einmal auf.« Er zog mit der linken Hand Jasons Mundwinkel hoch, so dass er ihm gleichzeitig den Blick versperrte. Irgendwann hatte er uns mal erzählt, dass es für den Patienten viel angenehmer war, wenn er die Spritze gar nicht sehen konnte. Trotzdem spürte Jason den Einstich und griff - wohl eher instinktiv - nach meiner Hand. Ich drückte kurz zu, um ihm zu zeigen, dass ich da war und er gab sich keine besondere Mühe, seine Hand wieder zu befreien.

Da die Kids immer ohne die Eltern kamen - wenigstens in den Behandlungsraum -, waren wir es gewöhnt, hin und wieder etwas Trost zu spenden. Es gibt wirklich angenehmere Dinge, als eine Behandlung beim Zahnarzt. Also nahm ich Jasons Hand und drückte leicht zu, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich keine Sorgen machen müsste. Um ehrlich zu sein: Ich genoss die Berührung jede Sekunde lang, konnte mich aber in jeder anderen Beziehung zurückhalten und konzentrierte mich voll auf meine Arbeit als Assistent - Helfer wäre übertrieben.

Rip arbeitet schnell und gründlich und nach knapp zwanzig Minuten war er fertig. Jason war die Erleichterung deutlich anzumerken. »Muss ich auf irgendwas achten, die nächsten Stunden nichts essen oder so?« Rip schüttelte den Kopf. »Keine Sorge. Die Füllungen sind aus Kunststoff und werden mit UV-Licht bestrahlt, die sind schon ausgehärtet. Hier, schau's dir an.« Er drückte Jason eine kleinen Spiegel in die Hand und der staunte nicht schlecht. »Hey, man sieht ja gar nicht, dass da überhaupt was gemacht wurde.« Rip hüstelte leicht und Jason bemerkte die ungewollte Doppeldeutigkeit. »Ähm ... sorry, ich meine, wer nicht weiß, dass da vorher was kaputt war, sieht jetzt auch nicht, dass da etwas repariert wurde.« Rip grinste. »Das klingt schon besser. Hast du noch Lust auf eine Tasse Kaffee?«, fragte er.

Jason sah auf die Uhr. »Klar, warum nicht?« »Rip, willst du ihm das wirklich antun? Erst Deine Behandlung und dann auch noch mein Kaffee?« Rip zwinkerte mir zu. »Wenn wir's umgekehrt gemacht hätten, dann wäre ich gar nicht mehr zum Zug gekommen, Sohnemann.« Ich verzog das Gesicht - ich hatte mich daran gewöhnt, dass Rip einfach immer eine Antwort parat hatte - und Jason sah verblüfft zwischen uns hin und her. Ich grinste. »Bevor du noch irgendwas sagst - komm' einfach mit.« Jason zuckte mit den Achseln und folgte mir.

Wir gingen in Dads Büro, ich nahm unterwegs noch einige Kaffeetassen und die Kanne mit. »Milch, Zucker?« »Schwarz«, erwiderte Jason. Wir setzten uns hin und sahen uns einen Moment lang schüchtern an. »Tja«, sagte ich dann, »ich glaube, vorzustellen brauchen wir uns nicht mehr. Wie wirst Du normalerweise angesprochen?« »Jason reicht - ich kann meinen zweiten Vornamen sowieso nicht ausstehen.« Ich schenkte uns Kaffee ein. Wieder breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus, bis Jason fragte: »Hast du noch Geschwister?« Ich nickte. »Ja. Anne und ihren Freund hast du vorhin kennengelernt und mein älterer Bruder Julian dürfte gerade in einer Vorlesung über entzündete Weisheitszähne sitzen.« Jason hob abwehrend die Hände. »Okay, danke, das reicht.«

In diesem Moment kam auch Dad herein. »Was höre ich da von entzündeten Weisheitszähnen?« Jasons Gesicht wurde etwas blasser. »Bei dir ist mir doch gar nichts aufgefallen«, meinte Dad mit einem Augenzwinkern in Jasons Richtung. »Dr. Masters, ich hoffe Sie sind mir nicht böse wenn ich sage, dass ich von Zahnärzten die nächsten fünf Jahre genug habe.« Ich grinste. »Höchstens für ein halbes Jahr - ich kenn' meinen Vater schließlich nicht erst seit gestern und ich weiß, dass er in der Hinsicht unerbittlich ist.« Dad winkte ab. »Nun verunsicher' ihn doch nicht noch mehr als ohnehin schon. Mal ehrlich, Jason, war es wirklich so schlimm?« Der schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht so unangenehm wie meine bisherigen Besuche bei Kollegen von Ihnen, aber ich hab' einfach was dagegen, wenn jemand etwas mit mir macht, wogegen ich mich nicht wehren kann.« Rip nickte. »Verständlich, aber das geht vielen so. Für die Zukunft kann ich dir nur den Tip geben, wenn dir irgendetwas unangenehm ist oder du Fragen hast, dann heb' einfach die Hand, okay?« Jason nickte.

Dad steckte sich eine Zigarette an und schob mir automatisch die Schachtel 'rüber. Ich hielt sie zunächst Jason hin, der aber ablehnte. »Danke, ich rauch' seit einem halben Jahr nicht mehr. Aber lasst euch ... äh, lassen Sie sich nicht stören«, korrigierte er sich schnell mit einem Seitenblick auf Dad. Der grinste und hielt ihm die Hand hin. »Bleib ruhig bei 'Rip', anders nennt mich hier eh' kein Mensch.« »Okay ... ich bin Jason.« Rip grinste noch breiter. »Ich weiß.« Wieder umspielte dieser leichte Rotstich Jasons Gesicht.

»Sag' mal, was war eigentlich vorhin mit deinem Gepäck?«, fragte Dad, um vom Thema abzulenken. »Das hat wohl einen anderen Flieger genommen als ich.« »Aha. Also business as usual bei unserer Lieblingsfluggesellschaft. Willst du mal kurz anrufen und nachfragen, ob es mittlerweile eingetroffen ist? Dann kannst du dir den Weg zum Flughafen sparen.« »Wenn es keine Umstände macht ...?« Statt einer Antwort schob Dad ihm kommentarlos das Telefon zu. »Die Nummer vom Hamburger Flughafen ist 5075-0. Du musst noch eine Null vorneweg wählen.«

Nachdem Jason sich durch die verschiedenen Abteilungen gekämpft hatte, bekam er schließlich die Auskunft, dass sein Gepäck wohl erst am nächsten Tag eintreffen würde. Man bedauerte das ganze ... und so weiter. Etwas niedergeschlagen ließ Jason den Hörer auf die Gabel gleiten. »Hast Du wenigstens schon ein Hotelzimmer?«, fragte Rip. Jason schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wollte Sie ... äh, dich eigentlich fragen, ob du mir ein Hotel empfehlen kannst?« Rip grinste. »Stellt euch mal nebeneinander hin, ihr zwei.« Jason und ich sahen uns verständnislos an, aber ich konnte mir schon denken, was Rip durch den Kopf ging. Also stellten wir uns hin. »Okay, ich denke, ihr habt ungefähr dieselbe Größe. Richie, weißt du, ob das Gästezimmer aufgeräumt ist und hast du vielleicht noch ein paar Klamotten für Jason übrig?« Jason hob protestierend die Hände, aber ich ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.

»Das mit dem Gästezimmer ist schwierig, aber Klamotten sind kein Problem. Zur Not können wir das Gästebett aber auch bei mir 'reinstellen.« »Wunderbar. Jason, das mit dem Hotel hat sich glaube ich für heute Nacht erledigt.« »Aber das kann ich doch nicht ...« Rip winkte ab. »Ach, Blödsinn - natürlich kannst du. Außerdem dürfte das ohne Gepäck für dich ohnehin schwierig werden. Und eine Zahnbürste wird sich in diesem Hause ja wohl noch auftreiben lassen, oder?« Jetzt war das Eis endgültig gebrochen - wir mussten alle lachen und Jason ergab sich seinem Schicksal.

Als wir in mein Zimmer gingen - weitere Patienten kamen keine mehr und so hatte Rip mich losgeschickt, schon mal ein bisschen was vorzubereiten - wirkte er trotzdem ein bisschen nervös. »Was ist los?« »Ach, ich fühl' mich einfach ein bisschen unwohl - da platz' ich hier einfach so bei euch 'rein, ihr kennt mich doch überhaupt nicht und schon werde ich bei euch einquartiert.« Er musterte mich mit einem Seitenblick - wohl in der Annahme, ich würde es nicht bemerken - und wandte seinen Blick dann schnell wieder ab. Hm, momentan war aus ihm wohl nichts herauszubekommen. Wir setzten uns in mein Zimmer und unterhielten uns über alles mögliche, bis Dad uns zum Abendessen rief.


2. Slow Hand

Da wohl jeder von euch schon mal ein Abendessen in einer größeren Gruppe eingenommen hat, lasse ich diese Erzählung hier einfach mal aus. Ein altes Sprichwort besagt ja: »Je später der Abend, desto netter die Gäste« und obwohl mein Überraschungsgast schon am Nachmittag eingetroffen war, wurde es trotzdem ein netter Abend. Jason und Elijah erzählten irgendwann von verschiedenen Premierenfeiern, bei denen sie sich gesehen hatten und es gab viel zu lachen. Im Laufe des Abends versuchten beide ihre Deutschkenntnisse unter Beweis zu stellen - Elijah hatte lange genug mit uns zu tun, von daher konnte er sowieso ein bisschen, und Jason hatte vor einigen Jahren eine ganze Zeitlang in Deutschland gelebt, als er hier einen Film gedreht hatte. Dabei war einiges hängengeblieben und er konnte einer Unterhaltung zumindest im Wesentlichen folgen.

Schließlich war es kurz nach elf und wir gingen nach oben, um mein Zimmer endlich fertigzumachen. Jason stand etwas hilflos in der Ecke, während ich das Gästebett aufbaute. »Kann ich nicht irgendwie mit anfassen?« Ich schüttelte den Kopf. »Nö. Du bist Gast hier.« »Das ist doch kein Grund.« Ich grinste. »Ich bin doch sowieso schon fertig. So, einmal probeliegen der Herr.« Jason tat wie ihm geheißen und war mit dem Bett zufrieden. »Und nun?«, fragte er im Liegen. »Ich für meinen Teil werde noch schnell unter die Dusche gehen und mich dann hinlegen. Ach Moment, du brauchst noch Klamotten.« Ich kramte in meinem Kleiderschrank und warf ihm dann eine Shorts und ein T-Shirt zu. »Hier, das müsste dir passen.«

Wie angekündigt ging ich Duschen und als wieder in mein Zimmer kam, war Jason gerade dabei, sich umzuziehen. Gegenüber seinem ersten Film hatte er sich ganz schön verändert, wie ich innerlich lächelnd feststellen mußte. Na gut, seitdem waren fünf Jahre vergangen. Als er mich in der Tür stehen sah, wurde er mal wieder rot. »Sorry, ich dachte, du wärst noch nicht wieder da.« »Mach' dir keine Sorgen, ich hab' schon öfter Jungs mit freiem Oberkörper gesehen. Du hast ganz schöne Muskeln bekommen.« Der Satz trug nicht gerade zum Abbau seiner Gesichtsfarbe bei. »Findest du?« Ich nickte. »Ja. Zumindest im Gegensatz zu deinem ersten Film.«

»Wieso wird man in dem Job eigentlich immer an seine Jugendsünden erinnert?« Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung - weil's zum Job dazugehört?« Jason nickte ergeben. »Ja, wird wohl so sein.« »Hast du eigentlich eine Freundin?«, fragte ich ihn, während ich mich hinlegte. »Nein, und auch kei... äh, ich meine noch nie eine gehabt.« Ich sah ihn einen Moment lang an und versuchte herauszubekommen, was er ursprünglich hatte sagen wollen - ich konnte mir schon so etwas denken. »Das soll ich dir glauben, so wie du aussiehst?« Jason legte sich ebenfalls hin und deckte sich zu. »Tja, so ist es aber nunmal. Und wie sieht's bei dir aus?«

»Auch noch nie. Einmal verliebt, aber daraus ist nichts geworden. Diese Person konnte mit mir wohl nichts anfangen«, antwortete ich. Jason lächelte schwach. »Damit könnte ich diese Frage an dich zurückgeben.« Schweigen breitete sich im Raum aus. Irgendetwas war während dieses Frage-Antwort-Spiels passiert. Ich fühlte mich schon den ganzen Tag zu ihm hingezogen, aber irgendwie hatte es gerade geklickt. Zwar nicht deutlich hörbar, aber ich hatte es vernommen und das reichte mir. Jetzt musste ich nur noch herausbekommen, ob es ihm genauso ging wie mir und irgendetwas sagte mir, dass ich mich nicht unbedingt auf dem Holzweg befand. Ich wagte den Schuss ins Blaue.

»Hattest du schon mal einen Freund?« Jason fiel fast aus dem Bett, als er sich zu mir umdrehte. »Wie kommst du denn auf die Idee?« »Naja, ich dachte ich hätte da bei dir vorhin sowas wie 'Keine Freundin und auch kein Interesse' herausgehört. Aber dann hab' ich mich wohl getäuscht.« Wieder schwiegen wir beide. »Naja, wäre ja auch zu schön gewesen«, sagte ich, während ich mich umdrehte. Ich blieb jedoch nicht lange so liegen - ein dumpfer Aufschlag erregte meine Aufmerksamkeit. Ich hatte richtig vermutet, Jason war wirklich aus dem Bett gefallen.

Ich stieg ebenfalls aus dem Bett und half ihm wieder auf. »Kann es sein, dass ich mich gerade verhört habe?«, fragte er. »Wobei?«, fragte ich mit einem ganz unschuldigem Blick. »Sagtest du nicht irgendwas von zu schön um wahr zu sein?« Ich hielt immer noch seine Hand. »Ja, genau das sagte ich. Falls du damit ein Problem hast, sag's mir einfach.« Statt einer Antwort setzt er sich aufs Bett und starrte auf den Fußboden. »Nein, im Gegenteil«, sagte er. »???« Diese Fragezeichen standen mir wohl deulich ins Gesicht geschrieben.

»Warum hast du das nicht eher gesagt?«, fragte er, während er seinen Blick wieder mir zuwandte. »Warum hätte ich das tun sollen?« Er stand wieder auf uns sah mir in die Augen. »Wärst du mir böse, wenn ich dir sagen würde, dass du mir mehr als nur sympathisch bist?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, im Gegenteil.« Er lächelte ein wenig. »Dann hätten wir das hier schon viel eher haben können.« Er legte mir seine Hand in den Nacken, zog mich sanft zu sich heran und küsste mich auf die Lippen.

Kaum hatten sich unsere Lippen nach einer Ewigkeit voneinander gelöst, klopfte es an der Tür. Wir lösten uns schnell voneinander. »Herein.« Rip steckte den Kopf zur Tür herein. »Was war denn gerade bei euch los? Ich dachte, ich hätte irgendwas gehört.« Jason setzte ein schüchternes Lächeln auf, passend zur zurückgekehrten Röte seines Gesichts. »Ich bin nur aus dem Bett gefallen - ich hab' mich noch nicht so ganz an die Umgebung gewöhnt.« Rip zwinkerte uns zu. »Na, dann ist ja alles in Ordnung. Schlaft gut, Jungs.« Mit diesen Worten schloss er die Tür und ließ uns wieder allein.

Jason sah mich kopfschüttelnd an. »Auf diesen Moment habe ich schon den ganzen Nachmittag gewartet, seit ich dich gesehen habe.« »Worauf? Dass Dad einfach so hereinplatzt?« Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, Jason gab mir einen sanften Stoß in die Rippengegend. »Blödsinn. Dass ich dich endlich im Arm halten kann.« Ich nickte. »Hey, das ging mir genauso. Aber trotzdem sollten wir uns vielleicht hinlegen und nicht ewig in der Landschaft stehenbleiben.« Ich zog Jason zu meinem Bett und kurze Zeit später lagen wir eng aneinandergekuschelt unter der Decke.

»Darf ich noch eine Kleinigkeit aufklären?«, fragte Jason. »Klar, was denn.« »Ich hab' ja vorhin gesagt, dass ich noch nie eine Freundin hatte.« »Aber einen Freund?«, fragte ich. »Ja. Du kennst ihn, er hat mich zu euch geschickt.« Ich sah ihn fragend an und überlegte, ob ich ein bisschen von ihm abrücken sollte - aber er machte mir nicht den Eindruck, als ob er noch mit jemandem liiert wäre. Er schien meine Gedanken zu spüren. »Keine Angst, wir waren nicht lange zusammen, sind aber Freunde geblieben.« »Wer ist es?« Jason lächelte sanft. »Jeremy.«

Wenn ich mich nicht an Jason hätte festhalten können, wäre ich jetzt wohl aus dem Bett gefallen. »Jeremy?« Jason nickte nur. »Ja. Ich wusste vor ein paar Tagen einfach nicht, wo ich hinsollte und mir fiel nur Jeremy ein. Wie gesagt, er hat mir dann den Tipp gegeben, mal zu deinem Vater zu gehen.« »Was ist denn überhaupt passiert?« Jason schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, Richie - ein anderes Mal.« Seine Hand suchte sich den Weg unter mein T-Shirt und er streichelte mir sanft über die Brust. Ich genoss diese Berührungen - es war das erste Mal, dass ich einem anderen Jungen so nahe war und ich schwebte wirklich auf Wolke Sieben. Schließlich zogen wir unsere T-Shirts aus, um uns noch näher sein zu können. Eine Weile lagen wir einfach so da, eng aneinandergekuschelt und schließlich schliefen wir zufrieden ein.


Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wunderte ich mich über zwei Dinge: Zum einen darüber, dass ein Arm auf mir lag und zum anderen darüber, dass ich, außer meiner Shorts, nichts anhatte. Nach einigen Sekunden wusste ich wieder, was am Vorabend passiert war. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach rechts und neben mir lag Jason - gleichmäßig atmend und offensichtlich noch tief schlafend. Ich sah ihn einfach nur an - für mich gab es keinen schöneren Anblick auf der Welt. Diejenigen von euch, die schon mal in festen Händen waren, werden sich vielleicht an dieses Glücksgefühl erinnern, wenn man frisch verliebt ist und morgens zusammen aufwacht.

Ich wäre gern noch länger so liegengeblieben, aber langsam merkte ich, dass ein Körperteil von mir bedenklich steif wurde - nämlich mein Hals, was daran lag, dass ich ziemlich schräg im Bett lag. Ich drehte mich vorsichtig um und legte meine Hand auf seine Brust. Er brummelte zufrieden vor sich hin und kuschelte sich noch enger an mich. Ich küsste ihn sanft auf die Lippen, vielleicht würde er ja davon aufwachen - aber es kam keine Reaktion. Hm ... ich hatte irgendwo mal gelesen, dass er ein ziemlicher Morgenmuffel war, aber ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir langsam mal aufstehen sollten, weil es sonst schon fast Zeit fürs Mittagessen werden würde.

Aber Jason war offensichtlich nicht wachzubekommen. Ich beugte mich nach vorn und knabberte ein wenig auf seiner Unterlippe herum, aber abgesehen davon, dass er versuchte, meinen Zähnen zu entkommen, zeigte sich auch hier keine nennenswerte Reaktion. Umspielte da nicht ein Lächeln seine Lippen? Hm, ich hatte mich wohl getäuscht. Im Geiste ging ich die weiteren Möglichkeiten durch, die mir noch blieben, um ihn in die Gegenwart zurückzuholen. Ich spannte meine Hand an und versuchte vorsichtig, seinen Nacken zu erwischen, aber gerade als ich zugreifen wollte schlug er die Augen auf und grinste mich an. »Wer wird denn am frühen Morgen schon so brutal sein?«

»Wie lange bist du schon wach?«, fragte ich, ebenfalls lächelnd - ist das eigentlich normal, dass Verliebte ständig grinsen? »Lange genug jedenfalls, um deinen Kuss genießen zu können. Kann man da mehr von haben?«, fragte er mit einem herausfordernden Blick. Die Antwort wird sich jeder denken können und natürlich schafften wir es während der nächsten Stunde nicht, endlich aufzustehen.

Gegen zwölf rafften wir uns endlich dazu auf. »Wir sollten aber trotz allem getrennt duschen, ich glaube alles andere fällt auf«s schlug ich vor. Jason nickte. »Wissen deine Leute eigentlich Bescheid?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht - aber über kurz oder lang werden sie es wohl erfahren müssen.« »Hast du Angst davor?« »Nein. Bei Dad mache ich mir überhaupt keine Sorgen, Anne und Elijah auch nicht ... nur Julian könnte vielleicht ein paar Probleme damit bekommen.« »Wieso?« »Er hat vor einiger Zeit mal erzählt, dass er mit zwei Kommilitonen aus war, die auch beide schwul sind und davon war er nicht begeistert.« Jason konnte dazu nicht viel sagen, da er Julian noch nicht weiter kannte. Er strich mir über die Wange. »Hoffen wir mal das Beste. Ich geh' duschen.«

Ich nutzte die Gelegenheit, um ihm ein paar Klamotten herauszusuchen und mein Zimmer aufzuräumen. Als Jason fertig geduscht hatte, kam er wieder in mein Zimmer und zog sich um - zum ersten Mal konnte ich ihn in seiner ganzen Schönheit betrachten. Allerdings drehte er mir während der ganzen Zeit kein einziges Mal den Rücken zu. Zwar waren wir jetzt wohl sowas wie ein Paar, aber trotzdem verwunderte mich das ein wenig. Naja, er würde wohl seine Gründe haben. »Willst du nachher mal deine Eltern anrufen, damit die Bescheid wissen, wo du bist?« Jason winkte ab. »Keine Sorge, das eilt nicht.« »Okay, du musst es wissen.«

Nachdem ich geduscht hatte und mich ebenfalls umgezogen hatte, gingen wir nach unten in die Küche. Julian saß mit der Zeitung und einem Becher Kaffee am Tisch und begrüßte uns grinsend. »Guten Morgen, seit ihr auch schon wach?« Jason und ich sahen uns einen Moment lang etwas unsicher an - ahnte er etwa, was los war? Im nächsten Satz beruhigte Julian uns gleich wieder. »Keine Angst, ich hab' früher auch immer nächtelang mit Freunden gequatscht, wenn sie bei mir übernachtet haben.« Ich atmete erleichtert auf. »Hast du uns noch Kaffee übrig gelassen?«, fragte ich. Julian deutete mit einem Kopfnicken auf die Kaffeemaschine. »Klar, bedient euch.« Jason setzt sich schon mal an den Tisch, während ich uns mit Kaffee versorgte - der für meinen Geschmack natürlich viel zu dünn war.

Wir unterhielten uns über alles mögliche, aber als Julian aus dem Studium erzählen wollte, würgte Jason ihn höflich ab. »Danke Julian, aber mein Bedarf an zahnärztlichen Infos ist bis auf weiteres gedeckt.« Julian grinste. »Ach ja, du warst ja gestern schon bei Rip in Behandlung.« Jason nickte mit einem wehleidigen Gesichtsausdruck. »Ja und Richie hat assistiert.« Julian verschluckte sich vor Lachen fast an seinem Kaffee. »Oh Mann und das hast du überlebt?« »Ja, so gerade.« »Dann ist es aber kein Wunder, dass du auf das Thema so empfindlich reagierst.«

Ich stand auf und knuffte meinen großen Bruder herausfordernd in die Rippen - aber ohne dadurch ernsthaft Schaden anzurichten. Julian sah das Manöver kommen und reagierte wie meistens - er spannte die Bauchmuskeln an und meine Hand traf auf eine ziemliche harte Muskelplatte. Er grinste. »Richie, du lernst es nie.« Mit einer schnellen Bewegung packte er mein Handgelenk und ehe ich wusste wie mir geschah, lag ich auf dem Boden und er kitzelte mich durch. »Siehst du, kleiner Bruder, leg' dich niemals mit Älteren an.« Ich schrie und lachte zugleich, während Jason - ebenfalls lachend - zusah. Ich hatte mal wieder den Kürzeren gezogen, wie fast immer, wenn Julian und ich uns herumbalgten.


3. Summer in the city

Nach dem Frühstück sagten wir Dad Bescheid, dass wir in die Stadt gehen würden. »Habt ihr was besonderes vor?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich will Jason ein bisschen was von Hamburg zeigen und wir wollen auf dem Rückweg noch beim Flughafen vorbei.« Dad nickte. »Okay. Aber wehe ihr nehmt den BMW.« »Keine Sorge, mit dem Wagen trau' ich mich garantiert nicht in die Stadt.« Dad hatte sich vor kurzem einen schon lang gehegten Traum erfüllt - einen dunkelblauen BMW 850 CSi - und er hütete den Wagen wie seinen Augapfel. »Dann ist es ja gut. Und fahr' vorsichtig, Richie.« Ich grinste. »Du kennst mich doch.« »Eben, deshalb ja.«

Jason und ich kämpften uns mit dem Kombi durch den dichten Samstag-Mittag-Verkehr der Hamburger Innenstadt. Es war ein warmer Tag und ich hatte den Eindruck, dass es manchen Leuten wohl zu warm wurde. Jedenfalls fuhren einige Autofahrer wie die - sorry - besengten Säue und zweimal war es wohl mehr dem Glück zu verdanken, dass der Wagen keinen ernsthaften Blechschaden zurückbehielt. Es dauerte fast eine Stunde, bis wir einen Parkplatz gefunden hatten und innerlich verfluchte ich die Hamburger Verkehrsführung mehr als einmal. »Sag' mal, ich denke Hamburg hat eine eigene Metro?« Ich nickte. »Ja, viel länger hätten wir damit wirklich nicht gebraucht.« Und vom Flughafen zurück hätten wir uns immer noch ein Taxi nehmen können.

Ich parkte den Wagen in der letzten freien Parklücke in der Straße und stellte den Motor ab, während hinter mir ein Mercedes-Fahrer wütend hupte. Offensichtlich wollte er ebenfalls hier einparken. Der Fahrer und ein junges Mädchen, ungefähr in unserem Alter, stiegen ungeachtet des Verkehrs aus. »Sag' mal was fällt dir eigentlich ein, mir den Parkplatz wegzunehmen? Hast du überhaupt schon einen Führerschein?«, brüllte der Fahrer wütend. Ich nickte. »Ja, sogar in der Fahrschule gemacht und nicht mit meinem Auto zusammen gekauft.« Jason grinste und der Fahrer lief rot an. Das Mädchen - offensichtlich seine Tochter - musterte Jason plötzlich genauer, dann zupfte sie ihren Vater aufgeregt am Ärmel. »Papa, das ist ...«

»WER ist das?« Wütend drehte er sich zu ihr um. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr und deutete dann auf etwas im Wagen. Er sah sie überrascht an. »Bist du sicher?« Sie nickte eifrig. Ihr Vater griff in den Wagen und holte eine Videocassette heraus - und noch ein Personenvergleich. Offensichtlich kam er zu der Überzeugung, dass sie recht hatte. Müde winkte er ab. »Okay, vergessen wir das ganze.« Sie nahm ihm die Kassette aus der Hand, hielt sie Jason hin und fragte ihn dann auf Englisch: »Das auf dem Bild bist du, oder?« Jason lächelte. »Bis gestern war ich's jedenfalls noch.« »Könntest ... würdest du mir ein Autogramm geben?«

Während die beiden sich unterhielten, kam ihr Vater auf mich zu. »Sorry für den Auftritt gerade eben, aber wir suchen hier schon seit einer Ewigkeit nach einem Parkplatz.« Ich nickte. »Ja, willkommen im Club - so ging's uns auch.« »Normalerweise ist das nicht meine Art - Uwe Schmidt ist meine Name.« »Richie Masters.« Wir schüttelten uns die Hände. »Sind Sie Amerikaner?« »Mein Vater, er lebt aber schon ziemlich lange hier - ich bin auch in Deutschland geboren.« Er nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. »Ich hoffe, wir bringen Ihre Pläne nicht durcheinander?« Ich winkte ab. »Nein, keine Sorge - wir wollten uns nur ein bisschen die Stadt ansehen.« Herr Schmidt grinste. »Na, den Bereich mit den jungen Mädchen sollten Sie aber meiden, sonst wird das heute Nachmittag nicht mehr viel mit dem Stadtbummel.« Ich lachte ebenfalls. »Bei so einem Begleiter muss man damit rechnen, ja.«

Jason hatte der Tochter mittlerweile die Videocassette signiert und jetzt kam sie wieder auf ihren Vater zu. »Dad, kannst du vielleicht ein Foto von uns machen? Jason ist einverstanden.« Ihr Vater nickte ergeben. »Habe ich eine Wahl?« Sie strahlte und die beiden stellten sich in Positur. Ich blieb absichtlich etwas abseits. Ihr Vater machte ein paar Bilder - ich war innerlich froh, dass sie kein Küsschen von Jason fürs Foto wollte - und schließlich war auch dieser Teil beendet. »Na komm, wir wollen die beiden nicht länger aufhalten.« Ich grinste. »Da vorn wird gerade ein Parkplatz frei.« Wir verabschiedeten uns voneinander und die zwei fuhren weiter. Knapp fünfzig Meter weiter sah ich, dass jemand wütend aus seinem Auto sprang ...

»Passiert dir das eigentlich öfter, Jason?«, fragte ich. »Mittlerweile nicht mehr, aber eine Zeitlang konnte ich mich kaum auf die Straße trauen.« Ich nickte. »Das glaub' ich dir gern ... schon allein deswegen wär' der Job nichts für mich.« Er grinste. »Och, man lernt aber interessante Leute kennen - und wenn's nur beim Zahnarzt ist.« Ich knuffte ihn in die Rippen und wir gingen gemütlich weiter in Richtung Alster. »Komm, wir gehen erst mal einen Kaffee trinken.« In den Alsterakarden gab es einige gemütliche Cafés, außerdem hatten wir eine schöne Aussicht.

Die Kellnerin war ebenfalls ungefähr in unserem Alter und es passierte genau das, was ich insgeheim befürchtet hatte. Wir hatten einen dieser ganz vornehmen Läden erwischt in denen man schief angesehen wurde, wenn man nicht mit einer Kreditkarte bezahlte und die Kellnerin schob mit einem lieblichen Lächeln Jason die Rechnung hin, bis ich mich demonstrativ räusperte und anmerkte: »Ich zahle.« Schließlich konnte sie sich doch noch durchringen, Jason um ein Autogramm zu bitten. Als wir das Café wieder verlassen hatten, meine Jason nur: »Warum kommen eigentlich immer nur Mädchen bei mir an? Wenn wenigstens hin und wieder mal ein süßer Typ dazwischenwäre ...« »Hey, vorsicht - und was ist mit mir?« Er hob lachend die Hände. »Hey, mach' dir keine Sorgen.« Die umstehenden Passanten warfen uns die verschiedensten Blicke zu - prinzipiell entweder amüsiert oder etwas angenervt, aber beides war uns egal.

Wir schauten uns noch ein paar Sehenswürdigkeiten in Hamburg an, bis wir schließlich beschlossen, mal beim Flughafen vorbeizufahren und nach Jasons Gepäck zu sehen. »Wann willst du deinen Vater eigentlich informieren?«, fragte Jason während der Fahrt. »Ich weiß es noch nicht.« »Naja, weil ich ja eigentlich nur für eine Nacht bei euch bleiben sollte.« Ich winkte ab. »Das sollte das kleinste Problem werden - wenn ich Dad sage, dass wir uns angefreundet haben, wird er mit Sicherheit nichts dagegen haben, wenn du noch ein paar Tage bei uns bleibst.« Jasons Blick schweifte ein wenig in die Ferne und ich beschloss, ihn nicht in seinen Gedanken zu stören.

Als wir am Flughafen ankamen, hatten wir schon mal eine Sorge weniger: Parkplatzprobleme gab es hier nicht, zumindest nicht um diese Uhrzeit. Wir kämpften uns zum Terminal der Fluglinie durch und nachdem wir in vier verschiedene Büros geschickt worden waren, hielt Jason endlich seine Reisetasche in der Hand. Die Mitarbeiterin der Fluglinie entschuldigte sich wortreich und ungezählte Male, bis Jason sie schließlich freundlich, aber bestimmt unterbrach: »Gute Frau, ich habe mein Gepäck wieder und es fehlt nichts. Wozu also die ganze Aufregung?« Sie sah ihn verblüfft an und noch ehe sie etwas sagen konnte, ergriffen wir - mit Jasons Tasche - die Flucht. Als wir wieder draußen waren sahen wir uns nur kopfschüttelnd an. »Wie kann ein Mensch ohne Pause so viel reden?«, fragte Jason. Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber diese Dame kann es offensichtlich.« Wir setzten uns ins Auto und beeilten uns, endlich nach Hause zu kommen.

Als wir dort ankamen, fragte ich Jason: »Du willst dir jetzt wohl hoffentlich kein Hotel nehmen, oder?« Jason zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht - ich hab' noch nicht weiter darüber nachgedacht. Ich würde gern bei dir bleiben, aber ich weiß nicht was dein Vater dazu sagen würde.« Ich grinste ein wenig. »Der hat dich eingeladen. Außerdem wohnt Elijah auch schon fast hier, da kommt es auf eine Person mehr oder weniger nicht an, denke ich.« »Findest du nicht, dass wir ihn trotzdem fragen sollten?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Es haben schon öfter Freunde von uns hier übernachtet und für ihn war das nie ein Problem.«

Wir gingen nach oben und brachten Jasons Tasche in mein Zimmer. Er stellte sie achtlos auf das Gästebett. »Hm, ich denke, das werden wir wohl nicht mehr brauchen, oder?«, fragte ich. »Keine Ahnung - hat dein Vater die Angewohnheit, abends noch mal 'reinzuschauen ob du auch wirklich im Bett liegst?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das macht er schon seit zwei oder drei Jahren nicht mehr.« Jason nahm mich in den Arm und küsste mich dann sanft auf die Lippen. »Ach Richie, womit hab' ich dich überhaupt verdient?«

Wir legten uns auf mein Bett und Jason zog mir langsam das T-Shirt aus. Nach und nach hatten wir beide nur noch unsere Shorts an und wir genossen das Zusammensein in vollen Zügen. Ich kraulte Jason die Brust, er meinen Nacken und wir waren einfach glücklich. Es gab zwar durchaus Körperteile, die sich nach mehr sehnten, aber zwischen uns hing unausgesprochen in der Luft, dass wir mit allem weiteren noch warten wollten.

Nachwort

Kleine Anmerkung des Autors: Diejenigen die die Story vorher schon kannten wird vielleicht aufgefallen sein, dass ich hier am meisten gekürzt habe. Ich frage mich gerade selbst wie ich damals so einen Müll schreiben konnte ... naja, es muss mir damals wohl gefallen haben. Heute würde ich sowas nicht mehr veröffentlichen *grins* ... weiter geht es im 2. Teil.

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