Stories
Stories, Gedichte und mehr
Little Lies
Teil 12
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.
Informationen
- Story: Little Lies
- Autor: Rick
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Drama, Coming Out, Lovestory
Inhaltsverzeichnis
- Janosch - auf der Premiere
- Der nächste Tag
- Nachwort
- Ein kleiner Rückblick
- Und nun?
- Credits zu den Zitaten
- ... not really ...
Janosch - auf der Premiere
Mit einem Freudenschrei fiel ich ihm in die Arme. Ich registrierte am Rande, daß einige der Umstehenden etwas überrascht in unserer Richtung sahen, aber so richtig wunderte sich niemand über irgendetwas. Ich drückte David fest an mich und wollte ihn nicht wieder loslassen. Er erwiderte die Umarmung und klopfte mir sanft auf den Rücken. "Ich freu' mich echt, dich zu sehen, Janosch." flüsterte er mir ins Ohr. Ich schniefte und wischte mir ein paar Freudentränen aus den Augen. "Ja, glaub' mir - ich freu' mich auch." David umarmte auch Rip zur Begrüßung, die beiden hatten sich auch schon eine Weile nicht mehr gesehen.
Jemand tippte mir von hinten auf die Schulter – Mum. "Janosch – auch wenn ich mich ein wenig nach besorgter Mutter anhöre, aber wer ist dieser Junge und warum fallt ihr euch um den Hals?" Rip beugte sich zu Mum und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie errötete ein wenig und gab David dann die Hand. "Tut mir leid – ich hab' dich wirklich nicht erkannt." David winkte ab. "Macht nichts, Mrs. Reilly. Sie haben sich aber kein Stück verändert." Mum und Rip lächelten. Rip legte Mum einen Arm um die Taille und hielt seine rechte Hand mit dem Ehering hoch. "Finger weg, mein Lieber, die Dame gehört zu mir."
David sah überrascht zwischen den beiden hin und her. "Ihr ... sie ... ich meine ..." Rip lachte. "Ja, wir haben geheiratet, hast du das schon wieder verdrängt? Wir hatten dich sogar eingeladen. Aber ich glaube, ihr zwei solltet euch jetzt erst mal etwas zurückziehen, oder? Ihr habt euch ja ein paar Tage nicht gesehen." Ein paar Tage? Über viereinhalb Jahre. Ich hatte zwar zwischendurch Fotos von David gesehen, aber dann meistens nur mit kurzer Hose, T-Shirt und Turnschuhen - und nicht im Anzug, mit Krawatte und sauber gekämmten Haaren. "Deine Haare sind dunkler geworden." fiel mir auf, als ich ihn betrachtete.
Er nickte. "Klar. Noch 'n paar Jahre, und sie werden wieder heller. Friedhofsblond nennt man das dann", fügte er mit frechem Grinsen hinzu. Plötzlich ertönte hinter uns eine Stimme. "Ah, ich sehe die Herren haben sich gefunden." Stewart Colham mit seiner Frau und einem Jungen, der ungefähr so alt wie David und ich war. Jetzt sah Rip überrascht zu ihm herüber. "Wieso gefunden?" Colham lächelte - dieses tiefgründige Lächeln, das ich nie verstanden hatte. "Nun, ich denke wir sollten uns vielleicht in eine etwas ruhigere Ecke setzen." Rip sah auf die Uhr. "Also nachdem Janosch und sein alter Freund hier sich wahrscheinlich eine Menge zu erzählen haben, wollten wir eigentlich langsam nach Hause. David, ich gehe recht in der Annahme, daß du heute Nacht bei uns schläfst?" David lächelte. "Wenn ich darf und Janosch will, dann gern." "Blöde Frage, natürlich will ich." antwortete ich.
Colham nickte. "Ja, damit haben wir gerechnet. Und genau darum geht es ja." Ratlose Blicke bei den Masters und Reillys. Aber David, der natürlich alles mit angehört hatte, konnte es sich kaum verkneifen loszulachen. Rip schüttelte den Kopf. "Na auf die Erklärung bin ich mal gespannt. Wissen Sie was, Mr. Colham? Begleiten Sie uns doch einfach." schlug Rip vor. "David, mußt du deinen Leuten noch Bescheid geben?" erkundigte er sich. David, der immer noch sein bestes tat, um sich ein Lachen zu verkneifen, sagte gepreßt: "Nee, keine Sorge - die wissen, was Sache ist." Der Junge, der neben Colhams Frau stand, hatte wohl ähnliche Mühe nicht loszuprusten wie David.
Ich verabschiedete mich nur schnell von Andy und Barry, die anderen konnte ich nicht finden. Zumindest Scott hätte ich David gern vorgestellt, denn der kannte die ganze Geschichte und hätte sich bestimmt gefreut, David mal kennenzulernen. Richie und Jason blieben noch auf der Feier, sie freuten sich aber genauso darüber, David zu sehen, wie ich. Die Autofahrt dauerte zwar nicht lange, aber während dieser paar Minuten ließ ich Davids Hand nicht einen Moment los. Wir waren, wenn auch mit fast fünf Jahren Verspätung, endlich wieder zusammen, und schon allein, weil ich nicht glauben konnte, daß er wirklich neben mir saß, mußte ich mich immer wieder davon überzeugen. David legte mir im Auto einen Arm um die Schulter und drückte mich sanft an sich.
Als wir zuhause waren, bot Rip unsere unerwarteten Gäste herein und tischte Getränke auf. "Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe so das Gefühl, daß das ein längerer Abend werden könnte", sagte er nachdenklich Die Familien verteilten sich im Wohnzimmer, alles in allem waren wir sieben Personen. Ich sah David an. "Gehen wir in mein Zimmer." Er streichelte mir über den Kopf. "Du bist noch genauso ungeduldig wie vor fünf Jahren. Aber ich denk', wir zwei sollten noch 'n Moment hiersein." Mein Blick sprach wohl Bände, jedenfalls fügte er hinzu: "Wird nicht lange dauern, oder ... Mr. Colham?" Schon wieder zuckten seine Mundwinkel so unkontrolliert, und auch die Colhams wirkten sichtlich erheitert.
Rip hatte sich selbst einen Whisky auf Eis und für Mum einen Martini gemischt, mit diesen beiden Getränken setzte er sich jetzt an den Tisch. "Könnte mir vielleicht freundlicherweise mal jemand sagen, was hier los ist?" Colham nickte. "Ich glaube, langsam ist das wirklich überfällig. Dr. Masters, Mrs. Reilly, Janosch ... wir möchten uns zunächst mal bei euch entschuldigen. Aber wir haben mit unserem kleinen Plan schon angefangen, als sich herausstellte, daß Janosch Gefallen an dem bißchen Filmluft gefunden hat, das er geschnuppert hat.
Ich will nicht sagen, daß alles von Anfang an genau feststand, und mit Sicherheit hat jeder hier – freiwillig oder auch unfreiwillig – seinen Teil dazu beigetragen. Zum Beispiel Scott und sein Unfall. Das war wirklich nicht geplant, aber so hatte ich einen guten Vorwand, um sie, Dr. Masters, und ihre bezaubernde Frau zur Premiere einzuladen. Und daß David mit dabeisein würde, stand schon länger fest." Langsam, ganz langsam fing in meinem Gehirn etwas an zu klicken. Ich wußte zwar noch nicht genau, was los war, aber meine Denkmaschine begann zu arbeiten und fing an, die einzelnen Puzzleteile zusammenzufügen.
David und der andere Junge grinsten von Sekunde zu Sekunde breiter. Und auch in Rips Augen sah ich etwas, das darauf schließen ließ, daß er nicht mehr völlig ahnungslos war. Schließlich war der Punkt erreicht, an dem der andere Junge losprustete – und David, ebenfalls lachend, sagte: "Dad, komm' endlich zur Sache." In diesem Moment wußte ich, daß ich Stewart Colham nicht von den Umschlagfotos seiner Bücher her kannte, sondern von den Bildern, die David mir von seiner neuen Familie geschickt hatte. Auch Mr. Colham konnte kaum noch ernst bleiben. "Verzeihung, daß ich meine Manieren vergessen habe ... aber das hier ist meine Familie: meine Frau Sheila, mein Sohn Christopher ..." "Kit, bitteschön." unterbrach der Angesprochene seinen Vater. "... und ich bin George Anderson".
"Oh Mann, und ich wunder' mich die ganze Zeit, warum Sie immer so seltsam zu mir waren." sagte ich, noch bevor es mir klar war. Stewart – oder George – grinste. "Es tut mir wirklich leid, Janosch, aber dafür darfst du dich bei David bedanken. Der hat nämlich auf die Geheimnistuerei bestanden." Ich drehte mich zu David um, der mich zuckersüß anlächelte. "Ich wollt' uns beiden die Überraschung nicht versauen." Er umarmte mich und flüsterte mir ins Ohr: "Ich glaub', wenn du 'ne Ahnung davon gehabt hättest, daß wir uns bald sehen, wärst du durchgedreht, oder?" Ich drückte ihn an mich. "Ja, bestimmt." Kit mischte sich ein. "Hey, Leute, das ist unfair – ich versteh' kein Wort von dem was ihr da erzählt." David und ich hatten in alter Gewohnheit sofort wieder angefangen, Deutsch zu sprechen.
Rip lächelte, immer noch kopfschüttelnd. "Ich denke, das muß auch nicht sein. Die beiden werden sich soviel zu erzählen haben, daß wir sie jetzt entlassen sollten. Janosch, du zeigst David das Badezimmer und das Gästezimmer?" David und ich sahen uns an und dann tippte ich mir an die Stirn. "Du glaubst doch wohl nicht, daß David im Gästezimmer schläft?" Rip lachte. "Stimmt, dumme Idee. Also, du zeigst David Dein Zimmer und morgen früh könnt ihr zwei ausschlafen. Gute Nacht, Jungs." David verabschiedete sich noch schnell von seinen Eltern und Kit und folgte mir dann in mein Zimmer.
Kaum standen wir uns im Dunkeln gegenüber, fielen wir uns wieder in die Arme. "Ich kann immer noch nicht glauben, daß du wirklich hier bist, David", sagte ich ein wenig heiser. David hielt mich fest und streichelte mir sanft über den Rücken. "Doch, Janosch, das bin ich." Ich spürte die Wärme seines Körpers und konnte ihn riechen, aber trotzdem brauchte ich noch eine Bestätigung. "Du weißt nicht, wie sehr du mir gefehlt hast, David." Er hielt mich weiterhin einfach nur fest, und mehr mußte er auch nicht. "Ich bin da, Janosch, glaub' mir."
Wir gingen beide schnell duschen und legten uns dann zusammen ins Bett, eng aneinandergekuschelt. David lag auf dem Rücken und hatte seinen linken Arm um meine Schultern gelegt. Ich hatte meinen Kopf auf seine Schulter gelegt und konnte seine Wärme spüren, ja sogar seinen Herzschlag. Ähnlich hatte ich schon mit Luke dagelegen, und natürlich auch mit Lars – aber keinem Menschen, in keiner Situation, hatte ich mich so nahegefühlt wie jetzt David. Es war einfach ein Gefühl der Vollkommenheit, es war schlicht perfekt.
Vorsichtig, um ihn nicht zu kitzeln, kroch ich mit den Fingern unter sein T-Shirt und legte dann die flache Hand auf seinen Bauch. Ich konnte seine Atemzüge spüren, und auch seine Hand, die langsam das T-Shirt über meinen Schultern streichelte. Wir brauchten beide nicht viele Worte ... das Zusammensein und die Berührungen sagten mehr aus, als es jedes Wort vermochte. David drückte mich sanft an sich. Auch wenn er vielleicht etwas älter geworden war, so war er doch immer noch der Junge, den ich kennengelernt hatte, der mich in einer harten Zeit noch mehr durcheinander gebracht hatte, als ich es ohnehin schon war, und der in kürzester Zeit mein bester Freund wurde.
Und noch etwas hatten wir gemeinsam ... jetzt war wohl der Moment gekommen, nach dem ich mich gesehnt hatte, eigentlich seit mir klar war, daß ich schwul war. Langsam bewegte ich meine Hand abwärts und streichelte David über die Innenseite seiner Oberschenkel. Doch zu meiner Überraschung hielt er sie sanft fest. "Nee, Janosch ... ich wünsch' mir das wirklich, aber nicht in der ersten Nacht." Langsam zog ich meine Hand wieder zurück. Er hatte ja recht, aber irgendwie ...
David drehte sich auf die Seite, und in dem schwachen Licht, das durchs Fenster schien, konnte ich erkennen, daß er mir in die Augen sah. "He, Kleiner ... nach so langer Zeit? Wir sollten's langsam angehen lassen, findst du nicht?" Und noch bevor ich eine Antwort geben konnte, küßte er mich sanft auf die Lippen. Ich schlang meine Arme um ihn und erwiderte den Kuß ... und das letzte Puzzleteil der chaotischen letzten fünf Jahre hatte seinen Platz gefunden.
Der nächste Tag
Gegen halb eins wurden wir von Rip aus dem Bett geworfen. "David, vergiß nicht, daß du nachher noch einen Termin bei mir in der Praxis hast." David gähnte. "Das ist ja fast wie in Hamburg. 'n Morgen, mein Kleiner." David küßte mich auf die Wange. "Wie war das damals? Mieser Kaffee und trockenes Brot?", fragte ich. David grinste. "Jo, so wars wohl. Gehst du erst ins Bad oder ich?" Ich gähnte. "Geh' du erst, dann kann ich noch liegenblieben."
Als er fertig war, zog er mir die Bettdecke weg. "So, jetzt ist aufstehen angesagt. Ich bin in der Küche, und wehe, du schläfst wieder ein, dann kitzel' ich dich durch." Am frühen Morgen fehlte mir dazu wirklich die Lust, also raffte ich mich auf. Ich machte mich fertig und ging dann in die Küche, wo David Rinty das Fell kraulte. Der freute sich über die Aufmerksamkeit, und so, wie er versuchte, David das Gesicht abzulecken, konnte er sich noch gut an ihn erinnern. Nick beobachtete die beiden lächelnd, während er mit einem Becher Kaffee in der Hand am Küchenschrank lehnte.
"Klasse, daß ihr Rinty behalten habt", sagte David. Ich nickte. "Ja, den hätten wir um nichts in der Welt hergeben wollen." Rip kam herein. "Ah, der junge Filmstar und der Sohn des Produzenten sind auch schon wach. Guten Morgen, meine Herren." "Guten Morgen, Herr Doktor", erwiderte David, während er nach der Kaffeekanne griff. Rip sah ihn an. "Da hast du mir genau das richtige Stichwort geliefert, junger Mann. Wir zwei haben heute noch einen Termin." David sah ihn entsetzt an. "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Rip nickte. "Doch, mein voller Ernst. Du bist fast 20, und damit wird es Zeit, daß wir uns um eine endgültige Lösung für dich kümmern."
David warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. "Janosch, sag' mal was dazu?" Ich hob abwehrend die Hände. "Nee, keine Chance. Du weißt doch, Diskussionen mit Rip führen in den meisten Fällen zu einer geteilten Meinung: Er teilt seine Meinung mit uns allen." Rip grinste. "Unser junger Oscar-Kandidat wird übermütig, hm? Hast du schon einen Blick in die Zeitung geworfen?" "Haha ... wann denn? Wir sind gerade erst aufgestanden." "Dann wird es Zeit. Jetzt solltet ihr zwei aber erst mal in Ruhe frühstücken. David, ich fahre in knapp einer Stunde in die Praxis, du kannst dann mitfahren. Janosch, holst du ihn dann so gegen drei in der Praxis ab?" Ich nickte. "Klar, mache ich."
Mum kam mit zwei großen Papiertüten in der Hand herein. "Guten Morgen, Jungs." Sie legte uns eine Tüte auf den Tisch. "Falls ihr lieber frische Brötchen wollt." Ich lächelte. "Kannst du hellsehen, Mum?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, aber ich kenne meinen jüngsten gut genug, um zu wissen, wann er lieber etwas länger schläft und wann nicht. Insbesondere wenn er nicht alleine ist." Sie lächelte David an. "Du bist ziemlich groß geworden, David." Er grinste. "Finden sie, Mrs. Reilly?" Mum nickte. "Ja. Und übrigens, ich heiße Lynn."
Wir wandten uns dem Frühstück zu, und ich warf einen Blick auf den Artikel in der Zeitung. Die Kritiken waren gut, besonders Scott wurde ausdrücklich gelobt. Seine Darstellung sei eine "bei einem Schauspieler dieser Altersgruppe noch nie dagewesene Mischung aus Perfektion und Glaubwürdigkeit", schrieb die Los Angeles Times. Ich wurde – dafür aber mit lobenden Worten – nur im San Francisco Chronicle namentlich genannt, in den anderen Artikeln hieß es nur sinngemäß, daß der Film durchgehend gut besetzt gewesen sei oder auch mal, daß Scott ein "engagiertes Ensemble junger Mitstreiter zur Seite gestanden" habe, so die New York Times. Lediglich ein erzkonservatives Blatt aus Utah, dem Bibelstaat, regte sich über die immer mehr schwindenden Moralvorstellungen auf – und darüber, daß ein derartiges Thema auf diese Art und Weise einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde.
Ich zeigte David den Artikel, und er nickte nur zustimmend. "George – also Dad – hat vom Chefredakteur von dem Blatt 'nen ziemlich bösen Brief bekommen, als das Buch 'rauskam, und darauf auch geantwortet. Das Ding war echt gut. Vor allem, als er dem Pressefuzzi was über Redefreiheit und Gleichberechtigung geschrieben hat. Dem dürfte der Kragen geplatzt sein, als er die Antwort gekriegt hat." Rip lächelte. "Ja, George Anderson gilt als etwas reizbar, wenn es um sein Werk geht." "Nee, Rip, das laß' ich nicht gelten. George ist echt gut drauf, aber wenn jemand so 'n Müll schreibt, dann wird er sauer."
Rip sah auf die Uhr. "Darüber können wir während der Autofahrt reden. David: Marsch, Zähneputzen, ich erwarte dich in fünf Minuten unten." David sah mich wieder mit einem gequälten Blick an. "Ich denk' an dich, wenn dir das hilft." David lächelte. "Okay, ich werd's überstehen." Als David verschwunden war, sah Nick mich fragend an. "Und? Haben wir zwei Singles weniger in der Familie?" Mein breites Grinsen war ihm wohl Antwort genug. "Glückwunsch, Janosch. Ich freu' mich für dich." "Ja, ich freu' mich auch wahnsinnig."
Nick fuhr mit in die Praxis, und so hatten Mum und ich die Küche für uns allein. Mum kümmerte sich um den Abwasch und drückte mir ein Handtuch in die Hand. Natürlich gehörte zur Küche auch ein Geschirrspüler, aber wir hatten schon früher gute Gespräche beim Abwaschen geführt. "Du strahlst wie ein Honigkuchenpferd, Janosch. Und ich glaube nicht, daß das an den guten Kritiken für den Film liegt, oder?" Ich stellte eine Kaffeetasse auf die Ablage. "Nein, bestimmt nicht. Eher an David." "Ich hab' ihn gestern im ersten Moment überhaupt nicht erkannt." bemerkte Mum. "Wenn ich ehrlich sein soll, ich mußte auch zweimal hinsehen. Aber gewisse Dinge vergißt man nicht."
Sie sah mich an. "Zum Beispiel?" "Ach Mum, du weißt doch selbst, wie viele Gespräche wir beide damals geführt haben." Sie nickte. "Ja, das weiß ich. Und genau deswegen mache ich mir auch ein wenig Sorgen." Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich an. "Janosch, ihr beide kennt euch unheimlich gut. Ich will euch ja nichts vermiesen, aber meinst du nicht, daß das ein Problem werden könnte?"
Wir setzten uns an den Küchentisch. "Nein, Mum, das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Es klingt vielleicht bescheuert, aber kaum hatten wir gestern ein paar Minuten miteinander gesprochen, war sofort die alte Vertrautheit wieder da." Mum nahm meine Hand. "Janosch, ich will Dir da nichts ausreden, versteh' mich da bitte auf gar keinen Fall falsch. Ich möchte nur nicht, daß du etwas machst, das du später bereust." Ich lächelte. "Mach' dir darüber keine Sorgen. Ich denke, David ..."
In diesem Moment klingelte das Telefon. Mum nahm das Gespräch entgegen und gab den Hörer sofort an mich weiter. "Für dich, es ist Scott." "Guten Morgen, Mr. Liebling der Kritiker." begrüßte ich ihn. "Hör' bloß auf ... das ist ja schon fast peinlich, was da in der Times steht." "Dann solltest du mal die anderen Blätter lesen. Rip hat heute morgen erst mal alle greifbaren Tageszeitungen besorgt. Die überschlagen sich alle mit Lob, bis auf eine Ausnahme." Ich erzählte Scott von besagtem Artikel, über den wir uns beim Frühstück schon unterhalten hatten.
"Mach' Dir nichts draus, Janosch - Idioten wird es immer geben. Aber mal was anderes: Warum warst du gestern so plötzlich verschwunden?" "Weil ganz überraschend ein alter Bekannter von mir aufgetaucht ist." "Na das muß ja ein toller Bekannter gewesen sein, wenn du nicht mal mehr die Zeit hattest, dich von mir oder Barry zu verabschieden – mit dem du immerhin noch ein paar Stunden vorher 'rumgeknutscht hast." "Ja, mein Lieber, auf deinen Vorschlag hin. Nicht, daß es mir nicht gefallen hätte, aber wenn ich gewußt hätte, wie der Abend endet, hätte ich das nicht gemacht."
"Wow! Also jetzt will ich wirklich wissen, wer da gestern abend noch aufgetaucht ist." "Was hältst du davon, wenn ich mit demjenigen nachher mal bei dir vorbeikomme?" Scott schwieg einen Moment. "Hm ... ich denk', meine Eltern werden da nichts gegen haben. Wann seid ihr hier?" Ich sah auf die Uhr, es war fast halb drei. "In einer Stunde? Der mysteriöse Fremde befindet sich nämlich zur Zeit noch in der Obhut meines Vaters." Scott lachte. "Der Arme. Okay, ich rechne so gegen halb vier mit Euch. Aber wir sollten zuhause bleiben, es ist wohl besser, wenn wir beide uns momentan nicht dem gemeinen Volk zeigen." "Na ja, noch ist der Film nicht angelaufen. Also, bis nachher."
Mum hatte in der Zwischenzeit das Geschirr weggeräumt und unsere Kaffeetassen nachgefüllt. "Wenn ich das richtig mitbekommen habe, habt ihr heute nachmittag schon was vor?" Ich nickte. "Ja, wir wollen uns mit Scott treffen. Ich denke, er will David auch mal kennenlernen, nachdem ich beiden schon viel voneinander erzählt habe ... oder jedem viel von dem anderen ... du weißt schon, was ich meine." Mum nickte. "Ja, ist schon klar. Dann solltest du dich aber langsam auf den Weg machen. Von der Praxis bis zu Scott wirst du auch 'ne Weile brauchen. Vielleicht ist David ja schon etwas eher fertig."
Wir hatten Glück: Rip hatte David in der Tat schon etwas eher aus der Praxis entlassen, die Untersuchung war offensichtlich auch gut verlaufen. Allerdings hatte David doch etwas Angst vor dem letzten Teil der Behandlung. Während der Fahrt wollte er jedoch nicht darüber sprechen. Statt dessen fragte er mich nach Scott aus. "Ich will doch wissen, in wen Du verknallt warst, Kleiner." meinte er. Ich erzählte ihm das wichtigste in Kurzfassung.
Scotts Eltern begrüßten uns herzlich. Bei der Premiere waren sie nicht dabei gewesen. Ich hatte sie jedoch bereits am Set einige Male getroffen, unter anderem nach Scotts Unfall und Rips Behandlung. Wir gingen in Scotts Zimmer, und zu meiner Erleichterung verstanden sich auch Scott und David auf Anhieb gut. Nachdem David noch ein bißchen von seiner Geschichte erzählt hatte und wir ihm schließlich erklärt hatten, daß sich hinter Stewart Colham Davids Stiefvater verbarg – Scott hatte uns hoch und heilig versprochen, das für sich zu behalten – konnte Scott natürlich auch den Film mit etwas anderen Augen sehen.
Gegen sieben brachen wir wieder auf. Scott hatte an dem Abend noch etwas vor, und David und ich wollten auch noch etwas Zeit für uns haben. Bei der Verabschiedung nahm Scott mich wie selbstverständlich in den Arm, und auch bei David konnte er sich nach kurzem Zögern dazu durchringen. Der hatte aber offensichtlich überhaupt nichts dagegen, und wir waren uns einig, daß es nicht nur bei diesem einen Treffen bleiben würde.
"Scheint wirklich ein netter Typ zu sein. Und echt süß ist er ja auch", meinte David während der Rückfahrt grinsend. "Tja. Wenn Du nicht wieder aufgetaucht wärst, hätte ich vielleicht doch noch versucht, bei ihm zu landen." "Hey!" David boxte mir in die Rippen. "Vorsicht, ich fahre", antwortete ich. "Schon gut, ich wollte dich nicht ablenken." David streichelte mir sanft über den Arm. "Aber ich könnt' gut verstehen, daß du was von ihm wolltest. Ist der wirklich so hetero, wie er sich gibt?"
Ich erzählte David von unserem ersten Treffen, wie Scott mich mit seinem Spruch "Wer sagt denn, daß ich hetero bin?" völlig aus der Fassung gebracht hatte. David lachte. "Das paßt echt zu ihm. Er ... Vorsicht, Janosch! Da ist was auf der Straße!" Ich trat auf die Bremse. Vor uns lag ein Hund, der sich kaum rührte, auf dem Asphalt. Ich zog die Handbremse an und wir stiegen aus dem Wagen. "Na, der wär' nicht weggelaufen", war Davids erster Kommentar.
David hockte sich vor dem Hund auf die Straße. Das eigentlich weißgraue Fell hatte Blutflecken und der Hund rührte sich kaum. Es war ein Husky, offensichtlich fast noch ein Welpe – jedenfalls noch lange nicht ausgewachsen und ziemlich abgemagert noch dazu. Vorsichtig streckte David seine flache Hand aus und hielt sie dem Hund vor die Schnauze. Nachdem er nicht danach schnappte, streichelte David sanft über das Fell. "Das Blut ist noch frisch. Ob er angefahren wurde?" Ich schüttelte den Kopf. "Das glaub' ich nicht ... schau' mal, da ist auch Blut auf dem Gehweg."
David zog seine Jacke aus und legte den Hund vorsichtig darauf. "Was hast du vor?", fragte ich etwas erstaunt. "Glaubst du echt, daß ich den hier liegenlasse? Wir können ihn ja zumindest beim Tierarzt vorbeibringen." Ich war noch nicht so ganz überzeugt. David streichelte dem Hund mit einer Hand über den Kopf. "Schau' ihn dir doch mal an. Der macht es nicht mehr lange, wenn er hier liegen bleibt. Und vielleicht hat Rip ja 'ne Idee." Ich konnte mir eher vorstellen, daß Rip und Mum nicht sonderlich begeistert sein würden ...
Der Hund leckte vorsichtig über Davids Hand. "Hey, guck' ihn dir doch mal an ... er hat fast die gleichen Augen wie du, nur etwas heller." Ich sah von David zu dem Hund und wieder zu David, und schließlich konnte ich beiden nicht widerstehen. Außerdem hatte ich das unbestimmte Gefühl, daß das für David wichtig war. "Okay, nehmen wir ihn mit. Mehr als uns den Kopf abreißen kann Rip ja nicht tun." Wir stiegen wieder ins Auto, und David hielt den Hund während der Fahrt vorsichtig auf dem Schoß. Er winselte hin und wieder leise.
Rip und Mum saßen in der Küche. "Ach Du lieber Himmel, was schleppt ihr denn da an?", wollte Mum wissen. "Der Hund lag auf mitten auf der Straße", gab David knapp zurück. Rip räumte eine Ecke des Tisches frei und nahm David das Bündel ab. "Meine Güte, der sieht ja schlimm aus. So ein schönes Tier." "Kannst du da was machen, Rip?" Rip blickte von dem Hund auf. "David, ich bin Kieferorthopäde, kein Tierarzt. Und da muß ein Profi 'ran. Ab ins Auto, Jungs." Mum versuchte Einspruch zu erheben. "Rip, Moment mal. Was habt ihr vor?" Rip sah sie an. "Wir fahren zur Tierklinik. Wenn die Jungs den Hund schon anschleppen, müssen wir auch was tun." Rip klang in der Tat nicht begeistert, aber trotzdem drückte er mit diesen Worten David den Hund wieder in den Arm und holte seine Autoschlüssel.
Eine Viertelstunde später waren wir bei der Tierklinik. David hatte den kleinen Husky die ganze Zeit in den Armen gehalten und wollte auch bei ihm bleiben, als wir im Behandlungszimmer waren. Die Tierärztin, Dr. Perkins, untersuchte den Hund genau. "Hm ... es sieht so aus, als wäre das arme Tier ziemlich brutal mißhandelt worden. Eine Pfote ist verstaucht, und er hat eine ganze Menge Wunden im Fell", erklärte sie uns. "Können Sie den Besitzer herausbekommen?" erkundigte sich Rip. "Nein. Er hat keine Hundemarke, und wenn ich ihn mir so ansehe, wird ihn sein Besitzer auch nicht so richtig vermissen. Es ist eine Schande, daß wirklich jeder einen Hund haben kann."
"Ist das ein reinrassiger Husky?" wollte David wissen. Dr. Perkins nickte. "Ja, und die Welpen sind nicht gerade billig, wenn man sie kauft. Wollen sie ihn behalten?" Noch bevor Rip antworten konnte, fragte ich: "Was würde sonst mit ihm passieren?" "Sonst würden wir ihn ins Tierheim geben, wenn er wieder gesund ist." David schüttelte energisch den Kopf. "Nee, kommt nicht in Frage. Zur Not nehm' ich ihn." Rip legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Meinst Du nicht, daß deine Eltern da auch noch ein Wörtchen mitzureden haben, David?"
"Ach, sie sind gar nicht der Vater?" erkundigte sich Dr. Perkins, während sie die Wunden auswusch. Wir hatten uns alle mit Namen vorgestellt, und da David ja seit einigen Jahren auch Masters mit Nachnamen hieß, hatte Dr. Perkins wohl automatisch angenommen, daß er Rips Sohn sei. Aber Rip schaltete schnell. "Nein, David ist mein Neffe." David nickte nur und wandte sich wieder dem Hund zu. Dr. Perkins sah von einem zum anderen. "Also, ich sage ihnen ganz ehrlich, gerade bei so einem Tier wäre es mir lieber, wenn er in liebevolle Hände käme als ins Tierheim." Rip sah sie zweifelnd an. "Wir haben aber schon einen Hund zuhause."
"Was denn für einen?" erkundigte sich die Ärztin. "Einen deutschen Schäferhund, der ist etwa fünf Jahre alt." Sie nickte. "Das sollte aber kein großes Problem sein. Wir müssen den Kleinen hier allerdings vorher noch auf Tollwut und solche Dinge untersuchen." "Würden sie ihn dann auch gleich dagegen impfen?" Dr. Perkins nickte. "Kein Problem. Das ganze wird ungefähr eine Stunde dauern, vielleicht auch etwas länger. Dann können sie ihn wieder mitnehmen." Rip sah uns beide an. "Okay, Jungs, dann spendier' ich euch einen Kaffee und zieh' euch dabei die Ohren lang."
In diesem Moment wußte ich, daß Rip sich von uns hatte breitschlagen lassen – trotz dieser nicht ganz ernst gemeinten Drohung, oder vielleicht auch deswegen. Ich lächelte ihm zu, und er erwiderte das Lächeln. David streichelte dem Hund sanft übers Nackenfell. "Wir holen dich nachher wieder ab, mein Kleiner." Vorsichtig hielt ich dem Hund meine Hand hin. Er schnupperte daran und ließ sich dann auch von mir streicheln. Davids Hand berührte meine, und David zwinkerte mir zu.
Nach gut einer Stunde war unser neuer Hund wieder fit. Dr. Perkins hatte ihn nicht nur gut versorgt, sondern auch noch gefüttert. Rip bezahlte die Rechnung und schob uns beide dann in Richtung Auto. "Habt ihr wenigstens schon einen Namen für den Kleinen?" erkundigte er sich während der Rückfahrt. Ich grinste. "Also, wenn er weiterhin 'der Kleine' genannt wird, nennt ihn wahrscheinlich jeder bald Tiny." Rip schüttelte den Kopf. "Nee, das paßt nicht. Huskys werden ziemlich groß. Wenn der mal ausgewachsen und wieder fit ist, rennt der euch glatt um", gab er zu bedenken. "Wie wär's denn mit Timmy?", schlug David vor. "Das klingt so ähnlich und paßt irgendwie zu 'nem Hund, find' ich." "Ja, Timmy klingt gut", stimmte ich zu. Rip seufzte. "Na denn ... dann hoffen wir mal, daß Rinty und Timmy sich anfreunden."
Als wir zuhause waren, war es kurz nach elf Uhr. Der Besuch in der Tierklinik hatte doch länger gedauert, als ich geglaubt hatte. Rinty war natürlich neugierig, wen wir da mitgebracht hatten. David setzte Timmy vorsichtig auf den Boden. Er tapste zwar noch etwas unsicher durch die Gegend, konnte aber immerhin wieder allein laufen. Er und Rinty beschnupperten sich erst mal ausführlich und beschlossen dann offensichtlich, daß der andere in Ordnung war. Jedenfalls gingen sie nicht aufeinander los, und als Rinty sich wieder in seinen Korb legte, kroch Timmy dazu.
Es war spät geworden, und jetzt wollte ich endlich ein wenig mit David allein sein. Nachdem wir Mum alles erzählt hatten, ging ich duschen. Rip wollte noch mit David reden, meinte aber, daß das nicht lange dauern würde. Als ich geduscht war, suchte ich ihn und fand ihn im Wohnzimmer. Er lag auf dem Teppich vor der Terrassentür und schaute in den Nachthimmel. Timmy lag bei ihm und hatte sich eng an ihn gekuschelt. David streichelte ihn, aber er sah traurig aus.
Ich legte mich zu den beiden und kraulte Timmy zwischen den Ohren. "Was ist los mit Dir?", fragte ich ihn. Er lächelte traurig und sah mich an. "Verstehst du eigentlich, warum mir an dem Hund soviel liegt, Janosch?" "Hm ... er ist niedlich, und wir beide mögen Hunde." Er schüttelte den Kopf. "Nein, das hab' ich nicht gemeint." "Sondern?" Er sah mich an. "Weißt du, Janosch ... irgendwie hat er mich an uns erinnert. So ein edles Tier, und dann so mißhandelt. Ich hab' ... na ja, ich hab' mir gedacht, jetzt ist es mal an uns, jemandem zu helfen."
Seine Stimme brach – und es war das erste Mal, daß ich David weinen sah. Bis dahin war er immer derjenige gewesen, der mich in den Arm genommen hatte, wenn ich jemanden brauchte. Und jetzt war es umgekehrt. Wir rückten etwas enger zusammen, David hielt Timmy auf dem Schoß und heulte sich an meiner Schulter aus. Ich strich ihm sanft die Haare aus dem Nacken und redete auf ihn ein. "David, es ist vorbei - wir sind jetzt selbst erwachsen. Und wir haben in der Hand, was mit uns passiert." Er hob den Kopf und lächelte. "Weiß ich doch."
Ich nahm Timmy vorsichtig auf den Arm. "Na komm ... geh' du unter die Dusche, ich versorg' unseren Kleinen hier noch schnell und komme auch gleich, okay?" David nickte, streichelte Timmy noch einmal über den Kopf und verschwand dann ins Badezimmer. Ich legte Timmy wieder zu Rinty in den Korb. Rinty spitzte nur kurz die Ohren und legte sich etwas anders hin, aber er öffnete nicht einmal die Augen. Jetzt, nachdem David mir gesagt hatte was ihn an diesem kleinen Hund so faszinierte, fiel es mir schwer, ihn so allein zu lassen.
"Schön, daß sich die beiden vertragen", riß mich plötzlich eine Stimme aus meinen Gedanken. "Entschuldige, Janosch, ich wollte dich nicht erschrecken." Mum stand hinter mir. "Hast du nicht, ich hab' nur gerade über etwas nachgedacht." Sie nickte. "Janosch, ich wollte dich eigentlich nur um etwas bitten", begann sie zögernd. "Was denn?" "Vergiß' unser Gespräch von heute morgen. Ich hab' einen Teil deines Gespräches mit David gerade mitbekommen. Und ich hatte fast vergessen, daß euch beide noch etwas mehr verbindet als nur ein paar Sommertage in Hamburg." Sie nahm mich in den Arm. "Ich denke, er ist der richtige für dich." sagte sie leise, während sie mich an sich drückte.
Nachdem ich mir noch schnell die Zähne geputzt hatte, ging ich in mein Zimmer. David lag auf dem Bett und blätterte in einem Buch. Ich schlich mich leise an ihn heran und kitzelte ihn an den Fußsohlen. Er reagierte blitzschnell und zog mich aufs Bett, wo wir ein wenig herumbalgten. David war schon immer etwas kräftiger gewesen als ich, und daran hatte sich in den letzten Jahren nichts geändert. Schließlich lag ich keuchend auf dem Rücken. Über mir David, der mich zuckersüß anlächelte und sich so abgestützt hatte, daß sich unsere Bäuche berührten, wenn wir beide einatmeten. Er zog die Bettdecke über uns beide ...
The End
Nachwort
Während ich diese Zeilen schreibe, läuft hier das Album "Tango in the night" – das Album, auf dem sich auch der Song befindet, nach dem diese Geschichte benannt ist. Mit vielen kleinen Lügen fing alles an: Lügen um Janosch, Schweigen, und mit Lukes Wunsch, die Zeit noch einmal zurückdrehen zu können. Und nun endet diese Geschichte: Nach zwölf Teilen hat Janosch alles hinter sich, für ihn hat sich so ziemlich alles verändert, was sich verändern konnte, und schließlich ist auch er in guten Händen. Ich will versuchen, mich beim Nachwort zu dieser Geschichte auf die Länge der CD zu beschränken :-)
Ein kleiner Rückblick
Die Idee zu dieser Geschichte entstand bereits im Januar 1997 – lange, bevor ich wußte, daß es so etwas wie Nickstories gab oder die Seite überhaupt existierte. Ich hatte den Film Sleepers im Kino gesehen, der mich damals ziemlich durcheinandergebracht hatte. Daraufhin fing ich an, mich ein wenig mit dem Thema "Jungen als Opfer von sexuellem Mißbrauch" auseinanderzusetzen und mußte recht schnell feststellen, daß es zwar einiges an wissenschaftlicher Literatur gab, aber kaum Romane. Abgesehen von wenigen Büchern, die eher für jüngere Leser gedacht waren, und der wirklich harten Literatur von Andrew Vacchs. Also beschloß ich, selbst etwas in der Art zu schreiben.
Eine gute Freundin, die zu dieser Zeit mitten im Pädagogik-Studium steckte, half mir bei dieser ersten Fassung. Irgendwann verlor ich jedoch ein wenig die Lust daran, nicht zuletzt, weil ich mir als Schauplatz damals schon Los Angeles ausgesucht hatte und es recht schwer war, Informationen über das amerikanische Rechtssystem zu bekommen. Auch der Kontakt zu besagter Freundin riß ab, und bis auf gelegentliche Versuche, mal wieder ein paar Zeilen zu schreiben, blieb diese Geschichte erst einmal in der Schublade.
Vieles in der alten Fassung war anders: Ripley Masters existierte zwar schon (wie in so vielen Geschichten, die ich geschrieben und nie veröffentlicht habe), war damals aber der Anwalt. Von den ursprünglichen Namen sind ansonsten nur Luke, Lynn, Julian und Anne übrig geblieben.
Vieles änderte sich im Laufe der Zeit: Beruflich kam eine komplette Umstellung, privat kam mir mein Outing dazwischen, und als ich wieder anfing zu schreiben war die erste Story Jason. Der Abschied von den Figuren fiel mir damals schon schwer, und für mich stand fest, daß es ein Wiedersehen geben würde – aus diesem Grunde habe ich schließlich diese Story in das bestehende Masters-Gefüge eingebaut. Das war auch die Zeit, in der Thomas seine erste Geschichte Zuhause bei Nickstories veröffentlichte. Wir kamen schnell miteinander ins Gespräch und verstanden uns gut.
Irgendwann ging es in unseren Mails um die Pläne für die nächsten Geschichten. Thomas schrieb mir, daß er das Thema "Mißbrauch" mal in einer Geschichte thematisieren wollte. Ich schickte ihm das Material zu, was ich bis dahin hatte, und nach sanftem Drängen hatte Thomas mich soweit, daß ich diesen Faden wieder aufgriff. Bei ihm entstand zeitgleich die Idee zu NetEscape, und für den Anfang war es so geplant, daß wir gegenseitig Korrekturlesen und ergänzen wollten, wenn der andere Fehler in seine Story gebaut hatte - jeder in seinem Fachgebiet.
Zumindest diejenigen, die selbst schreiben, wissen, daß so eine Story recht schnell ein Eigenleben entwickeln kann. Aus der anfänglich im Spaß geäußerten Idee, David könnte seine Verletzungen ja bei Rip behandeln lassen, wurde recht schnell eine brauchbare Grundlage, und aus unseren beiden Figuren David und Janosch wurden Freunde. Hätte mir vor vier oder fünf Jahren jemand gesagt, daß diese Story so enden würde, hätte ich denjenigen wahrscheinlich für verrückt erklärt.
Und nun?
Wer NetEscape parallel zu Little Lies gelesen hat, wird bemerkt haben, daß die Story momentan beim 9. Teil endet. Thomas hat dafür seine persönlichen Gründe, die mir zum Teil bekannt sind, die zu erläutern ich aber ihm selbst überlassen möchte. Daß unser Story-Paket irgendwann mit einem Happy-End für Janosch und David enden würde, stand für uns schon nach der ersten Begegnung der beiden fest. Wir wußten allerdings noch nicht genau wann und wie das Ende aussehen würde.
Die Idee, George Anderson alias Stewart Colham mit einzubeziehen, war wie so oft eine der spontanen Ideen, die im Zuge der Mails entstanden (und viele davon haben wir auch wieder verworfen, weil sie noch abgedrehter waren). Ebenso wie der Roman und die Verfilmung stand Janoschs Rolle von vornherein fest, aber wie sollte man Janosch nach Los Angeles bekommen? Ein glücklicher Zufall, daß die Stadt zufällig auch Ripleys Heimatstadt ist. So fügten sich viele Puzzleteile fast automatisch zu einem großen Bild zusammen, an dessen Ende Janosch und David (und Timmy) stehen.
Thomas hat sich seit längerer Zeit nicht gemeldet, aber zum einen konnten sich nach dem 11. Teil viele Leser denken, wer der mysteriöse Fremde sein sollte, und zum anderen gab es sowohl allgemeine als auch persönliche Beschwerden über unvollendete Stories – zu recht, ich selbst mag es als Leser auch nicht, wenn ich zu lange im Regen stehen gelassen werde.
Ich habe mich bei diesem letzten Teil bemüht, der Figur David auch ohne Thomas' tatkräftige Unterstützung gerecht zu werden. Ich hoffe, daß mir das gelungen ist. Falls nicht, geht die Schelte bitte an mich. Und ich möchte nicht ausschließen, daß es irgendwann noch mal eine überarbeitete Fassung der Geschichte (oder genauer: des letzten Teils) gibt. Bis dahin werde ich mich jedoch anderen Stories widmen, um zum Beispiel die Frage zu beantworten: Was passierte eigentlich genau, als sich die Masters und die Reillys damals kennengelernt haben?.
Als letztes im Nachwort, aber mit Sicherheit nicht in den Gedanken, steht eine Danksagung. Ein Dank an alle Leser, die sich mit Lob, Kritik und Anregungen zu Wort gemeldet haben, die einfach mal geschrieben haben Tolle Story, aber wann geht es endlich weiter?, die nach dem 10. Teil mit spekuliert haben, ob Scott nun schwul ist oder nicht und die nach dem 11. Teil gerätselt haben, wen Janosch getroffen hat.
Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle selbstverständlich Thomas – was ich im Nachwort zum 6. Teil geschrieben habe, ist immer noch unverändert gültig. Außerdem möchte ich noch zwei Leuten herzlich danken, die auch diesen Teil hoffentlich noch revidieren werden, bevor er online geht: Daniel (den ich jetzt nicht abkürze, weil er mir dann an den Hals springt) und Lasse (den ich auch nicht abkürze, weil jeder der es wissen muß sowieso weiß, wer gemeint ist).
Wie immer freue ich mich über Rückmeldungen - irgend etwas zwischen "Also Rick, das Ende hast Du jetzt aber völlig versaut!" und "Wow, klasse! Genau das was sein sollte!" wird wohl meistens dabei 'rauskommen. Ich für meinen Teil werde jetzt zum Abschluß dieser Geschichte auf Janosch und David anstoßen und den beiden alles Gute wünschen.
That's all, folks!
Richard A. Jackson
im Februar 2004
Credits zu den Zitaten
* Teil 1, Vorwort: "Little Lies", written by Christine McVie and Eddy Quintela, © 1987 Fleetwood Mac Music
* Teil 3: "The pig must die", written by Mike Batt (based upon a poem by Lewis Carroll), © 1987 RCA Schallplatten GmbH
* Teil 6: "Forever Autumn", written by Jeff Wayne, Paul Vigrass & Gary Osborne, © 1978, 1997 Sony Music Entertainment
... not really ...
Heute ist der 11. Dezember 2007, und jetzt hat der 12. Teil doch eine kleine Überarbeitung bekommen. Nichts großartiges, im Wesentlichen gab es eine kleine Rechtschreibkorrektur, und ein paar logische Fehler habe ich noch ausgebügelt, auf die ich im Laufe der Zeit aufmerksam gemacht wurde. Die Überarbeitung von "Jason" ist immer noch nicht abgeschlossen, und schon steht die nächste an: In letzter Zeit habe ich viel Arbeit in das Aufräumen meiner Story-Welt gesteckt, hier und da ein paar Kanten abgeschliffen und vor allem das ganze mal logisch geordnet. Nach und nach werden auch hier die überarbeiteten Teile veröffentlicht werden, aber das kann noch ein wenig dauern.
Nickstories hat sich in den letzten Jahren verändert, und das gilt auch für mich. Eine Story, die ich heute beginne, hat eine andere Motivation als damals: Während es seinerzeit darum ging, die eigene Unsicherheit zu verarbeiten, sich auszumalen, wie viel einfacher es doch hätte sein können, und vielleicht auch seinen Schwärmereien für den einen oder andern Star Ausdruck zu verleihen, geht es mittlerweile um andere Dinge. Ich persönlich finde, die Masters-Storys haben sich recht gut entwickelt. Sie sind sicher keine literarischen Highlights, aber darum ging es mir persönlich auch nie. Ich will und wollte nie etwas anderes, als meiner kreativen Ader freien Lauf und andere daran teilhaben zu lassen. Und gerade bei dem hier gewählten Medium, dem Internet, hat man die Möglichkeit, auch mal einen neuen kreativen Impuls einzubringen. Und wenn es nur abends um zehn die verrückte Idee ist, mal eben einen Korrekturlauf zu starten :-)
Das war's jetzt aber wirklich mit dem Nachwort :-)
Der Lesemodus blendet die rechte Navigationsleiste aus und vergrößert die Story auf die gesamte Breite.
Die Schriftgröße wird dabei vergrößert.