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Die Liebe und die Freiheit

Teil 8 - Das Geheimniss

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Informationen

 

Daikin war im Palast unterwegs, um Königin Tyaida, Prinz Cain und seiner Freundin und Kampfgefährtin Darina zu folgen, denn die waren geflohen, bevor die Helfer Daikins den schwarzen Palast stürmten. Ziel war es, Kieran den Schrecklichen vom Thron zu stürzen und seiner Schreckensherrschaft ein Ende zu setzen. Das war gelungen, nach kurzem Kampf konnte Kieran festgenommen und im Kerker eingesperrt werden. Jetzt musste sich Daikin auf die Suche nach dem Prinzen machen, denn das Land brauchte einen Herrscher. Ausgemacht war die Flucht durch einen Geheimgang, den Cain kannte. Daikin wusste in etwa, wo sich dieser befand, hatte ihn aber noch nicht gesehen. Deshalb lief er mit seinen engsten Vertrauten des Umsturzes, nämlich dem persönlichen Diener des Prinzen und der Zofe des Mädchens Darina zu der vermuteten Stelle im Palast und suchte den Eingang.

Da ihm bekannt war, dass er sich hinter einer Statue befinden sollte, konzentrierten sie sich auf diese steinernen Figuren. Der junge Diener war schließlich der Finder des Eingangs, hinter einem monströsen Ebenbild eines Keilers mit riesigen Hauern war er versteckt. Also folgten die drei dem Geheimgang, die beiden Männer mit einer Fackel in der Hand.


Derweil war unten in der Stadt, in einem ganz bestimmten Haus die große Wiedersehensfreude ausgebrochen. Cain, Darina und Tyaida waren durch. Dem Geheimgang entkommen und dieser endete in jenem Haus hinter einer dicken hölzernen Geheimtür, die die Rückwand eines schweren Schrankes darstellte. In diesem Haus lebte eine alte Frau und zu diesem Zeitpunkt hatte sie Gäste bei sich, Julius und Tirka. Als aus ihrem Schrank vier Personen sprangen, war sie sehr erschrocken. Doch als sie sah, wer da durch die Geheimtür gestiegen war, freute sich sehr. Darina war wieder da, das Mädchen, welches sie eine Zeit lang bei sich aufgenommen und dem sie ein Zuhause gegeben hatte. Und noch eine Person war dabei, die sie schon lange vermisst hatte.

Inzwischen waren die beiden Gäste der alten Frau ebenfalls hinzu gekommen. Erste Blicke wechselten untereinander. Dabei war Julius dem Blick Darinas begegnet und fast erstarrt.

Beide standen sich immer noch gegenüber, keiner sagte ein Wort, bis sich die ungewöhnlich gekleidete junge Frau, denn sie trug Männerkleider und hielt ein Schwert in der Hand, sich selbst höflich vorstellte: „Mein Name ist Darina, ich begleite Cain."

Ihre Stimme klang etwas erstickt, so als wäre es ihr sehr schwer gefallen, diese Worte zu sprechen. Sie machte vor Julius einen Knicks und auch Julius verbeugte sich und stellte sich und Tirka vor. So machten sie sich alle untereinander bekannt. Nur konnte Julius die Augen immer noch nicht von Darina lassen, sie kam ihm sehr bekannt vor.

Fast hätte er es auch laut ausgesprochen, doch irgendwie war er etwas verwirrt.

Schließlich bat die alte Frau alle Anwesenden in die Küche des Hauses, dort war es nicht so eng und während sich die Zofen abseits hielten, setzten sich alle anderen an den großen Holztisch.

Bis auf Tyaida, sie blieb stehen und sah in die Runde, denn sie wollte sich erklären: „Cain mein Sohn, ich muss dir etwas Wichtiges erzählen. Dass der Geheimgang hier in diesem Haus endet, war kein Zufall, das war so gewollt. Dieser Gang wurde angelegt, als ich damals von Kieran in den Palast geholt worden bin. Fleißige Helfer hatten ihn gegraben, nachdem klar wurde, dass mich Kieran nicht mehr aus dem schwarzen Steingefängnis heraus lassen würde. Hier bin ich aufgewachsen. So konnte ich ab und an dieses Haus und meine Mutter besuchen. Cain, diese Frau hier ist meine Mutter, also gleichzeitig deine Großmutter.“

Cain stand auf, fasste seine Mutter an der Hand und drehte sich dann der Alten zu, die neben ihm gesessen hatte und jetzt ebenfalls aufgestanden war. Sie streckte ihre Hände nach Cain aus, der den kleinen Schritt noch auf sie zu machte.

Die Königin-Mutter nahm Cains Gesicht in ihre Hände. Tränen standen ihr in den Augen. "Das letzte Mal, als ich dich sah, warst du ein Baby, da lagst du noch in der Wiege. Das war auch das einzige Mal, wo ich durch diesen Gang in den Palast gegangen bin. Und fast hätte mich Kieran erwischt. Deshalb beschloss ich, dich und deine Mutter nicht zu gefährden und blieb fortan hier und wartete auf einen Besuch von deiner Mutter", sprach sie mit zittriger Stimme.

"Später, als mich Kieran stark misshandelt und fortgejagt hatte, hat mich Mutter hier gesund gepflegt. Und trotz dem Leid, welches er mir angetan hatte, zog ich wieder zurück in den Palast. Zurück in die Kammer, die ich beziehen musste, seit Kieran meiner überdrüssig wurde. Diesmal war es heimlich, ich blieb versteckt. Alle Welt dachte, ich wäre tot. Nur meine Zofe und Daikin kannten die Wahrheit. Und Daikin war meine Verbindung zu dir mein Sohn. Kieran hat glücklicher Weise nie wieder einen Fuß in diesen Teil des Palastes gesetzt, er wird mich vermutlich immer noch für tot halten.

Ich kam zurück, weil ich in deiner Nähe sein wollte, auch wenn ich dich nicht sehen durfte", ergänzte Tyaida.

Das waren heftige Neuigkeiten für Cain, überhaupt hatte sich sein Leben in den letzten Wochen stark verändert. Zuerst fand er seine Mutter wieder, die einzige Person, der er vertrauen konnte und die er tot geglaubt hatte. Dann lernte er dieses liebevolle Wesen Darina kennen, er verliebte sich. Dann hatten sie es tatsächlich geschafft seinem Vater zu entfliehen. Und wie als zusätzlicher Preis erfuhr er, dass seine Mutter im gleichen Haus gelebt hatte, in dem auch seine Liebe Aufnahme fand und dass die alte Frau nicht nur ein besonders warmherziger Mensch, sondern obendrein seine Großmutter war. Das war einfach sehr viel für ihn im Moment. Deshalb verbeugte er sich kurz und ging hinaus vor das Haus, um frische Luft zu schnappen. Darina folgte ihm, um ihm zur Seite zu stehen.

Julius hatte während der ganzen rührenden Erklärungen keinen Ton gesagt. Er war immer noch mit seinen Gedanken bei dem Mädchen, bei Darina. Es ließ ihn einfach nicht los. Konnte er sich so irren? Diese Ähnlichkeit war unglaublich. Doch es war auch wiederum unmöglich. Darina liebte ihren Prinzen, sie war ständig nahe bei ihm.

Trotzdem fühlte Julius ihre Gegenwart so, als würde er sie ganz genau kennen, ihren Atem, ja sogar ihren Herzschlag spüren. Wie war das möglich. Es war für den Knappen höchst verwirrend.

Derweil sprach draußen Darina mit Cain: „Wir haben es geschafft Cain, wir sind entkommen. Wir müssen uns jetzt für die Weiterreise vorbereiten. Ich glaube, dass wir jetzt einige Vertraute haben, die uns unterstützen werden. Unser Treffpunkt liegt jenseits der Grenze von Kaskur. Den müssen wir schnell erreichen."

Einen Moment verspätet regierte Cain auf diese Worte: "Ja. Entschuldigt! Ihr habt recht. Wir müssen auch meine Großmutter mitnehmen, denn wenn Kieran erfahren sollte, dass sie uns geholfen hat und dass sie die ganze Zeit unsere Helferin war, wird er sie töten."

Cain nahm Darina bei der Hand, gab ihr einen Kuss auf die Wange und zog sie zurück ins Haus. Dort sprach er zu den versammelten: "Ich bin euch überaus dankbar, dass ihr uns unterstützt habt. Vor allem freue ich mich, Euch kennen zu lernen, Großmutter. Doch dafür ist später sicher noch genug Zeit."

Und zu den beiden Gästen des Hauses, zu Julius und Tirka gewandt sagte er: "Euch beiden vielen Dank, dass Ihr uns so unvoreingenommen begegnet seid, doch ich muss euch nun zu etwas bitten, dessen ihr euch nicht verwehren könnt. Ihr müsst uns begleiten! Die Flucht aus dem Palast, durch den Geheimgang ist nur der erste Teil unserer Flucht gewesen. Um in Sicherheit zu sein müssen wir alle", dabei zeigte er einen großen Kreis in der Runde, "zusammen diesen Ort verlassen. Der Geheimgang könnte entdeckt werden und auch so wird bald die Suche nach uns beginnen. Wir dürfen also keine weitere Zeit verlieren und müssen sofort aufbrechen, damit wir schnellstmöglich die Grenze Kaskurs hinter uns gelassen haben. Dort werden wir erwartet und weiter begleitet. Zu eurer und unserer Sicherheit, nehmt eure Habe und verlasst mit uns diese Stadt!"

Diese Ansage beeindruckte alle. Es gab keine Widerworte und alle fingen an, schnellstens ihre nötigsten Dinge zusammenzupacken. Die Zofe half der Alten und der Königin. Auch wurde aller Proviant zusammengepackt, der im Haus war.

Julius und Tirka hatten ihre Bündel gleich griffbereit, wollten sie ja sowieso zurück nach Aurelias, nicht zuletzt wegen Tirkas Umstand.

Just in dem Augenblick, als man sich wieder zusammenfand, um das Haus zu verlassen, wurde erneutes Poltern, Hämmern und Klopfen hörbar. Inzwischen war klar, woher diese Geräusche kommen würden.

"Die waren schneller, als ich gehofft hatte", rief Cain, "Mutter, ihr geht! Wir werden versuchen unsere Verfolger aufzuhalten und daran hindern euch zu folgen".

Dabei meinte er ganz klar sich und Darina. Julius blickte er mit scharfen Blick an, der diesem deutete, dass er für seine Tirka eine Pflicht zu erfüllen hätte. Diesen Blick verstand Julius, drückte Tirka einen Kuss auf die Lippen und schob sie in Richtung der anderen Frauen. Diese liefen zusammen bereits die Straßen hinunter, weg vom Haus.

Die drei Kämpfer schützten nun gemeinsam den Ausstieg im Schrank. Dicht nebeneinander erwarteten sie das Durchbrechen der hölzernen Tür. Julius stand hautnah an Darina. Dieser Geruch, diese erwartende Grundhaltung, sogar die Ähnlichkeit der freien Ohren war unglaublich und verwirrte ihn noch mehr. Er musste sich regelrecht zwingen, seine Aufmerksamkeit auf den Schrank zu richten.

Dann passierte es, die Innentüren hielten den starken Schlägen nicht mehr stand und wurden aufgestoßen, dann krachten die Außentüren auf. Der Hereinstürzende sah sich augenblicklich drei Schwertspitzen gegenüber und zuckte zurück.

"Halt!", rief Cain, straffte sich und ließ sein Schwert sinken. Darina ebenso. Nur Julius blieb bedrohlich. Cain drückte mit seinem Schwert das von Julius herunter: "Das sind unsere Leute, das ist Daikin, mein bester Freund und Lehrer."

Darauf ließ auch Julius ab und entspannte seine Haltung. Daikin trat heraus, in einer Hand die brennende Fackel, in der anderen sein Schwert. Ihm folgte Darinas Zofe und der junge Diener, ebenfalls mit Fackel und Schwert bewaffnet, sonst niemand.

Daikin warf seine Fackel auf den Boden und trat sie aus, dann schritt er auf Cain zu und umarmte ihn ungewöhnlich kräftig. Dann trat er einen Schritt zurück, verbeugte sich tief, die Zofe knickste ergeben und der Diener tat es Daikin gleich. "Ich bin froh, Euch zu sehen König Cain!", sprach er immer noch gebückt, bevor er sich aufrichtete.

"Soll das heißen, Ihr hattet Erfolg Daikin?"

"Ja Sir! Kieran sitzt streng bewacht im Kerker, der Palast ist unter Kontrolle. Alles wartet auf Eure Rückkehr. Welches sind Eure Befehle?", antwortete Daikin nochmals mit einer Verbeugung.

"Ich danke Euch Daikin, bitte seid in unserer Gegenwart weniger förmlich", erwiderte Cain zunächst. "Ich darf Euch Julius vorstellen, der uns hier auf unserer Flucht begegnete und sich anschließt."

Daikin und Julius nickten sich zu.

"Du Junge, laufe hinaus und folge der Königin und den anderen Frauen, sie sind bereits weiter geflohen in Richtung Stadttor, als wir euch hörten. Hole sie ein und bitte sie auf uns zu warten!", wies Cain seinen Diener an.

Dieser lief los, die fünf folgten ihm schnellen Schrittes. Julius und die Zofe bildeten das Ende der Gruppe, die jetzt durch die Straßen eilte. Julius Gedanken waren wieder bei Darina. Während sie liefen beobachtete er sie genau. Das Aussehen, auch von hinten, der Gang, der Schwung, mit dem sie sich bewegte, mit dem Schwert in der Hand. Das alles kam ihm so bekannt vor.

Nicht weit, da sahen sie die Gruppe Frauen entgegen kommen, Cains junger Diener hatte sie zum Umkehren bewegt. Als sie zusammen kamen, gab es erst einmal Umarmungen mit Daikin. Die Königin und die Königin-Mutter hatten dabei Freudentränen in den Augen. Julius ging zu seinem Mädchen, die Bediensteten standen beieinander und unterhielten sich, Darina war bei Cain und blickte verstohlen ein paar Mal zu Julius hinüber. Auf Wunsch der Königin liefen alle wieder zum Haus zurück, von dem man nun keine Gefahr mehr erwartete. Der Geheimgang wurde wieder gut verschlossen und alles traf sich wieder in der Küche, in der es nun doch etwas eng wurde. Hier musste Daikin den Verlauf der Dinge im Palast berichten. Cain dankte ihm nochmals sehr rührend. Auch dafür, dass er über die vielen Jahre der vertrauenswürdigste Mensch war, den sich man sich vorstellen konnte.

Dann war es an Tirka und Julius, ihre Geschichte zu erzählen. Sie wurde mit Rührung aufgenommen. Als zum Schluss Julius von Ihrem zu erwartenden Glück sprach, wurden die Glückwünsche von allen Seiten ausgesprochen. Darina hielt sich auffällig zurück, ihr Gesicht war von Tränen feucht. In dem Moment stand sie auf und verließ das Haus.

Cain folgte ihr: "Was ist mit euch, freut Ihr euch nicht?"

"Doch, doch", antwortete Darina schnell und wischte sich die Tränen weg, "es ist alle so rührend, ich freue mich für die beiden und natürlich für Euch, dass ihr euren Tyrannen los seid und nun in eine sichere Zukunft gehen könnt", ergänzte sie noch.

Cain nahm ihren Kopf am Kinn und drehte ihn, so dass sie ihn anblicken musste: "Auch Euch werden wir helfen Darina, wir werden herausfinden, wer Ihr seid und woher Ihr kommt. Wohin ihr gehört, das weiß ich schon, Ihr gehört an meine Seite! Ihr müsst nur ´Ja´ sagen." Dann senkte er seine Lippen auf ihre und gab ihr einen liebevollen, zarten Kuss.

Das brachte Darina endgültig zum Weinen. Sie hatte die Augen geschlossen, durch ihre Lieder drangen nun dicke Tropfen salziger Tränen, fast könnten es Sturzbäche werden. Cain zog sie ganz fest an sich, ihr Gesicht lag an seinem Hals und benässten ihn. Beide Arme hatte er um sie geschlungen und hielt dieses schluchzende Wesen einfach ganz fest Ihre Arme hatte sie angewinkelt und ihre Hände lagen auf seiner Brust. So standen sie eine ganze Weile. Darina beruhigte sich allmählich, als Tirka und Julius hinaus zu ihnen kamen.

"Ist alles gut? Können wir helfen?", fragte Julius, der dieses Bild, der beiden sich fest haltenden Menschen in Männerkleidung recht ungewöhnlich fand.

Ein unerwartet heftiges Kopfschütteln bekamen sie von Darina zu sehen: "Nein, nein danke! Es ist schon wieder gut."

Sie befreite sich aus Cains Umarmung und wischte sich noch einmal die Tränen. Dann lief sie zum Brunnen, Cain folgte ihr. Als sie versuchte den Kübel hochzuziehen, nahm er ihr die Arbeit ab und drehte die Rolle, bis der Wasserkübel oben war und zog in mit einer Hand auf den Brunnenrand. Darina nahm beide Hände und schlug sich das Wasser mehrfach ins Gesicht. Anschließend trocknete sie sich mit dem Leinentuch, dass unter dem Brunnendach zum Trocknen hing. Julius beobachtete wieder Gesten, die ihm so bekannt vorkamen.

Darina ergriff nun Cains Hand: "Ich denke, Daikin hat oben im Palast alles unter Kontrolle. Du musst bald zurückgehen, dein Volk braucht dich!“ So sprach Darina Cain Mut zu, ohne die beiden anderen anzublicken. Man könnte den Eindruck haben, dass sie sich zwang, keinesfalls deren Blicken zu begegnen.

„Du hast sicher Recht, ich bin nur gerade zu überwältigt, wenn ich daran denke, was sich heute alles ereignet hat. Gehen wir hinein, und sprechen mit den anderen, wie wir jetzt weiter vorgehen wollen", antwortete Cain und zog Darina mit sich ins Haus. Tirka wollte mit Julius hinterher, doch dieser winkte ab, er musste jetzt für sich alleine sein.

Denn das, was er dachte, wollte er für sich behalten. Er bat Tirka allein hinein zu gehen, was sie auch tat.

„Warum tut er mir das an? Er tut so, als würde er mich nicht erkennen. Ich bin doch nicht wirr im Kopf oder etwa doch? Kann ich mich so täuschen, diese Ähnlichkeit. Ich werde es schon rausbekommen", mit diesen Gedanken ging er einfach ein paar Schritte und entfernte sich unmerklich.

Im Haus hatte man mittlerweile die Lage besprochen. Alle waren sich einig, dass zunächst Daikin und Cain eine gewisse Ordnung im Palast herstellen sollten, damit dann dem Volk die wichtigste Verlautbarung in der jüngsten Geschichte bekannt gemacht werden konnte.

So verließen Prinz Cain, sein Vertrauter Daikin und sein Leibdiener das Haus und liefen in Richtung Palast durch die Straßen. Unterwegs waren, wie bei den bisherigen Ausflügen, nur vereinzelt Menschen anzutreffen. Anscheinend war vom Sturz des Königs noch nichts nach außen gedrungen. Zudem waren die Gesichter der drei Personen ziemlich unbekannt, hatte Kieran doch dafür gesorgt, dass sich besonders Cain nur innerhalb der Palastmauern aufhalten durfte.

Oben im Palast angekommen, sah Cain nur großes Durcheinander, viele Bedienstete liefen hin und her. Menschen die er nicht kannte, grüßten ihn plötzlich. Einige andere, sie mussten zu Daikins angeheuerten Männern gehören, liefen an ihnen einfach vorbei oder erstaunten, wenn sich das Gesinde tief verneigte, oder gar rief „Lang lebe der König!“, oder auch "Hoch lebe König Cain!", sobald sie den dreien begegneten. Dann versuchten sie dem Vorbild der Palastbediensteten zu folgen. Mit einem königlichen Nicken beantwortete der Prinz diese Ehrungen, während sich Daikin bewusst zurückhielt, um klar zu demonstrieren, um welche Person es hier ging. Für den jungen Diener war das alles sehr aufregend, er bekam jedes mal eine Gänsehaut, wenn die Gruppe gegrüßt wurde, gehörte er doch irgendwie dazu. Die leichte Röte, die ihm dabei in sein Gesicht stieg, passte gut zu dem zarten Gesicht des Jungen, wie Cain beobachtete und darüber schmunzeln musste.

Jedoch waren Cain die ganzen Huldigungen auch unangenehm, denn er wusste, noch war er nicht offiziell der König und zum Königsein gehörte mehr, als nur als Prinz geboren zu sein. Wichtig waren Vertraute, enge Vertraute. Darum musste er sich zu erst kümmern.

Doch zuvor fragte er: "Sagt mir, wo ist mein Vater?“

Daikin führte den neuen jungen König von Kaskur in den Kerker. Kieran war angekettet worden in seiner Zelle, wie ein Hund. Man wollte, dass er genauso leiden sollte, wie sein Volk. Doch Kieran ließ sich davon nicht beeindrucken, er war immer noch der festen Überzeugung, dass er noch der Herrscher sei und alles, was er befohlen hatte, rechtens gewesen war, er die Macht hatte, also auch die Macht über Wohl und Leid, über Leben und Tod. Und dass es keinen besseren gäbe, als ihn auf dem Thron. Cain ließ den Kerker öffnen, ging zu ihm hinein und sah ihn ernst an. Mit Daikin als Unterstützung im Rücken und mit neuem Selbstbewusstsein, konnte er seinem Vater endlich die Stirn bieten.

„Du verdammter Bastard, du traust dich hier her? Sei froh das ich angekettet bin, sonst würde ich dir jetzt den Hals umdrehen! ...“

Kieran kam nicht weiter zu Wort, Cain unterbrach ihn: "Dass du noch lebst, das verdankst du mir! Du hast wahrlich alles dafür getan, dass nicht nur ich dich hasse. Ein schneller Tod wäre viel zu milde für dich. Du hast die Qualen verdient, die vor allem das Volk erleiden musste. Du hast uns all die Jahre belogen. Als ich das Volk draußen sah, in welchem Elend es leben muss, da wusste ich, das würde ein Ende haben müssen.

Du hast doch gewollt dass ich zu einem Mann werde, nun das, was ich jetzt bin, das ist dein Werk. Nur ich habe nicht deine Eigenschaften, nicht den fiesen Charakter meines Vaters, sondern komme nach Mutter. Ja richtig, ich hab sie gefunden, sie ist nicht tot, sie war die ganze Zeit in meiner Nähe und jetzt werden wir uns hier ein neues Leben aufbauen, ohne dich. Du bleibst den Rest deines erbärmlichen Lebens hier unten!"

Diese Worte klangen sehr hart und Cain drehte sich zum Gehen, doch Kieran musste nachsetzten: „Wenn ich hier rauskomme, bringe ich euch alle um. Erst deine verdammte Mutter, dann dein kleines Flittchen und zum Schluss dich. Bei dir lasse ich mir gerne Zeit“.

Cain drehte sich nicht einmal mehr zurück, in der schweren, eisernen Zellentür stehend sagte er nur: „Wenn Vater, wenn du hier rauskommst“. Und dann ging er, die Tür wurde mit einem dumpfen, nach dickem Eisen klingenden Geräusch geschlossen und verriegelt, ein Geräusch, welches Cain sich fest einprägte. Kieran schrie ihm noch böse und unheimlich wütende Dinge nach, doch Cain ließ sich davon nicht mehr beeindrucken. Es war auch kaum noch zu vernehmen, der Kerker hatte dicke Wände.

Der folgende Weg führte Cain in die große Halle, dahin wo der Thron seines Vaters stand. Dieses steinerne Ungetüm hasste er zutiefst, sich darauf zu setzen käme für ihn nicht in Frage, er würde ihn abreißen lassen. Trotzdem war es ein eigenartiges Gefühl, er hatte nie auf diesem Thron sitzen dürfen, nicht mal als kleines Kind. Jetzt war es soweit, doch nun wollte er es nicht. Er würde bald Herrscher dieses Reiches sein. Und dieses Reich wird wieder strahlen, es wird seinem Volk ein lebenswerter Ort sein, das nahm er sich fest vor.

Cain ließ zwei der Wachen, die ihm jetzt folgten, zu sich rufen: „Ich möchte, dass ihr in die Stadt geht, zum Haus meiner Großmutter und meine Familie hier her bringt. Mein Diener wird euch begleiten und den Weg weisen, danke!" Die Wachen machten sich sofort auf den Weg. Cain blieb mit Daikin in dem großen Saal zurück. An der großen Tafel der Räte, zumindest sagte ihm Daikin, dass sie es vor etlichen Zeiten einmal gewesen sein musste, gaben sie Befehle an die Diener und das Gesinde, die im Palast die Ankunft der Königin und Königin Mutter vorbereiten sollten. Daikin kümmerte sich um die Aufstellung der neuen Palastwache, eine vernünftige Versorgung der Verletzten und um die ehrenhafte Aufbahrung der Toten.


Im Haus seiner Großmutter, saßen die Frauen am Tisch und warteten auf ein Zeichen.

Julius war noch nicht nicht zu den Wartenden zurückgekehrt. Als der junge Diener mit den Wachen kam, musst er den ersten Lagebericht geben. Er war fürchterlich aufgeregt, denn die ganzen Erlebnisse der letzten Tage und Stunden hatten in ihm große Euphorie erzeugt. Doch nachdem Tyaida einige ganz konkrete Fragen gestellt hatte, bekam die Gruppe die Antworten, die sie haben wollte. Also war es klar, es gingen Tyaida, die Königin-Mutter und Darina, sowie die Zofen mit Joshua, geschützt durch die Wachen, gemeinsam zum Palast. Nur Tirka blieb zurück, die alte Frau hatte ihr erlaubt mit Julius in dem Haus zu bleiben, solange sie es brauchten.

Auf dem Weg in den Palast waren wieder nur wenige Menschen, die ihnen begegneten. Allerdings war das Aufsehen, welches sie erregten, weitaus größer, als die Aufmerksamkeit, welche Cain und Daikin bekommen hatten. So war schon die Begleitung durch die Wachen ein Umstand, der die Leute bewegte stehen zu bleiben.

Die Älteren erkannten die Königen, waren überrascht, dass sie noch lebte und bezeugten ihr die ihr gebührende Ehre, indem man sich verbeugte, den Hut zog oder einen tiefen Knicks machte. Als die Leute nun noch sahen, dass ihnen freundlich zurück gewunken wurde, machte das natürlich ganz schnell die Runde. Kinder liefen der Gruppe voraus und kündeten lauthals von der nahenden Königin. Je näher sie dem Schloss kamen, desto mehr Leute traten vor ihre Häuser und grüßten. Die Schar der Kinder wuchs rasant und veranstaltete ein Tohuwabohu, wie es die Stadt seit Ewigkeiten nicht erlebt hatte. Die vor Freude und Ausgelassenheit vorweg ziehende Menge lockte nun wirklich jeden aus dem Haus. Und so kam es, dass sich der Tross kurz vor dem Palast regelrecht durch eine Woge von Menschen drängen musste und sich das riesige Hallo der Ankommenden schon weit hörbar ankündigte. Die Tore des Palastes öffneten sich weit. Ein Ereignis, das seit wer weiß wie lange nicht mehr vorgekommen war. Vor den Toren hielten die Menschen inne und ließen die Königin mit ihrem Gefolge passieren. Doch auch drinnen war der Empfang alle Ehren einer Königin wert. Die Wachen und die Bediensteten säumten den Weg zum Thronsaal, es wurde lautes "Lebe Hoch" gerufen. Daikin erwartete die Damen schon am Eingang zum Palast. Er nickte Joshua dankbar zu, dass er die Gruppe so ehrenvoll zum Palast geführt hatte. Der Junge Diener legte seine rechte Hand auf die linke Brust und deutete eine Verbeugung an. Daikin bot der Königin seine Hand an und geleitete sie, gefolgt von der Königin-Mutter, Darina und den persönlichen Bediensteten in die große Halle.

Dort wurden sie schon von Cain erwartet, der, umgeben von Wachen, vor der großen Ratstafel stand. Er nahm seine Mutter in die Arme und bat alle an der Tafel Platz zu nehmen. Cain hatte mittlerweile auch die weisen Gelehrten rufen lassen, die soeben ebenfalls an die Ratstafel geleitet wurden. Sie wurden von Cain und der Königin sehr herzlich und mit einer Umarmung empfangen. Diese Tafel, bestehend aus der Königin Tyaida, der Königin-Mutter, Prinz Cain, seinem engsten Vertrauten Daikin, dem Mädchen Darina und den weisen Gelehrten, sollte jetzt beraten, wie weiter vorzugehen war. Dazu wurden alle übrigen Anwesenden hinaus gebeten und die Türen geschlossen. Wachen schützten den Thronsaal vor Störungen.


Unterdessen stand Tirka ganz alleine in dem Haus der Alten, es war mit einem Mal sehr still geworden, zu still. Sie trat vor die Haustüre, auch dort war es ungewöhnlich still. Die Nachricht von der Rückkehr der Königin hatte sich wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitet. Alles was Beine hatte, war zum Palast gelaufen, man hätte am Ende der Stadt eine Mistgabel umfallen hören, so ruhig war es hier. Tirka setzte sich vor das Haus auf die Bank und wartete auf ihren Liebsten. Nach einer Weile kam eine Gestalt auf das Haus zugelaufen, es was Julius. Endlich war er wieder da, Tirka hatte sich schon arg gesorgt: „Wo bist du gewesen, ich habe mir Sorgen gemacht? Wir müssen uns unterhalten, wie es denn jetzt weiter gehen soll. Es war alles sehr aufregend und ich bin des Suchens und des Hinundherwanderns müde. Anscheinend möchte Tasius nicht gefunden werden. Lass uns doch zur Ruhe kommen, bitte“.

Julius war da anderer Meinung: „Ich glaube nicht, dass wir noch lange suchen müssen, ich habe da so ein Gefühl und eine Vermutung, eigentlich bin ich mir da ziemlich sicher. Erinnerst du dich noch an Darina? Hast du sie dir genauer angesehen? Mit ihr stimmt etwas nicht, ich glaube auch zu wissen, was nicht stimmt. Wir werden solange bleiben bis ich dieses Rätsel gelöst habe, bis ich Sicherheit habe. Bist du damit einverstanden?“

Tirka nickte: „Bleibt mir was anderes übrig? Und ja, ich erinnere mich an sie. Was soll denn mit ihr sein, außer, dass sie in Männerkleidern steckte?“

„Genau das ist es ja, es kommt mir alles so unwirklich vor. Wir warten einfach noch ab, irgendwie denke ich, wir sind es Prinz Cain schuldig, dass wir sie im Auge behalten“, gab Julius zurück.

Die beiden waren hinein gegangen und jetzt zusammen in der Küche. Tirka machte das Abendmahl fertig. Durch die Milch, die sie erwärmte, wurde ihr aber wieder übel.

Sie lief hinaus vor die Tür und übergab sich. Julius folgte ihr: „Jetzt sag mir bitte endlich, was mit dir los ist, bis du krank? Es ist doch nicht normal, wenn es dir immer so schlecht geht.“ Tirka setzte sich auf einen Hocker, den ihr Julis hinstellte und holte tief Luft, jetzt war es an der Zeit zu beichten: „Ich bin guter Hoffnung, wir bekommen ein Kind.“

Sie wartete nun auf eine Reaktion von ihrem Liebsten. Julius stand da und war absolut überrascht von diesem Geständnis. Er schluckte zwei Mal, Tirka wähnte schon einen fluchenden Ausbruch auf sich zu kommen, doch Julius konnte nur lachen und seine Geliebte vor lauter Freude in die Lüfte heben. Julius freute sich so sehr über diese Nachricht, dass er Tirka heftig im Kreise drehte. Dann setzte er sie vorsichtig ab, nachdem ihm bewusst wurde, dass sein Mädchen jetzt etwas mehr Schonung gebrauchen könnte. Er umarmte und küsste sie, mit dieser Freude hatte Tirka nicht gerechnet. Das war doch ein herrlicher Abend, alles schien sich zum Guten zu fügen.

Wenn Julius jetzt noch die Geschichte um Darina aufklären und seinen Prinzen Tasius schnell finden würde, dann wären es die Strapazen dieser Reise, jede Anstrengung und die Mühe und auch die auf sich genommenen Gefahren wert gewesen.


Während die zwei ihr Familienglück feierten, begann oben im Palast die Beratung der Tafel. Cain stand auf und lief hinüber zum Thron, dort nahm er Platz und sah mit finsterer Mine zu den Anwesenden hinüber. So sah er genauso aus wie sein Vater, so furchterregend und streng. Darüber erschrak seine Mutter, auch Darina war erschrocken. Was Macht mit einem machen kann, sie verändert einen sehr. Doch Cain sah nur so aus, sein Charakter war zum Glück ein anderer, er mochte das Land, er würde es neu aufbauen, ihm zu einem neuem Glanz verhelfen. Kieran war als Herrscher schrecklich gewesen, nicht umsonst nannte man ihn „den Schrecklichen“, aber Cain wollte dies nicht sein. Er hatte nicht vor, sein Volk nur zu regieren, sondern auch seinem Volk zu dienen. Er dachte, er müsste alles, was geschehen war, wieder gut machen: „Wie ihr sehen könnt, ist die Herrschaft meines Vaters Kieran zu Ende. Ich möchte euch mitteilen, dass es ab heute kein Elend mehr geben wird, wenn ich das Erbe antreten darf. Ich weiß, dass ich noch viel lernen muss, deshalb habe ich euch alle hier her gebeten."

Damit stand er vom Thron auf und kam wieder an die Tafel, von der sich jetzt seine Mutter Tyaida erhob: "Ich danke dir mein Sohn. Als noch amtierende Königin möchte ich euch alle hier fragen, seid ihr mit der Krönung meines Sohnes Cain einverstanden, traut ihr ihm diese schwere Aufgabe zu, die ihm dann bevorstehen wird und werdet ihr ihn, ebenso wie ich, Daikin und meine Mutter unterstützen, dass aus ihm ein anständiger König und ein weiser Herrscher für Kaskur wird?"

Einer der Weisen erhob sich: "Nun Königin Tyaida, Ihr habt eine weise Frage gestellt. Wir Gelehrten sind uns einig. Ihr werdet es vielleicht ahnen, denn als die Lehrer Eures Sohnes haben wir schon frühzeitig seine Fähigkeiten erkannt und gestärkt. Er hat auf jeden Fall das Zeug zu einem mächtigen Herrscher, das steht außer Zweifel. Was er damit anfängt und wie er damit umgeht, das ist das Entscheidende. Und da er vornehmlich euren Charakter geerbt hat, so scheint es, wird er auch ein gütiger König für Kaskur sein können. Wir sind jedenfalls fest entschlossen, ihn zu unterstützen, ihm für das wirkliche Wohlergehen des Volkes jedwede Hilfe zu geben und unser Wissen zum Wohle des Landes einzusetzen."

Damit verbeugte sich der Weise vor der Königin setzte sich wieder.

Nun stand die Königin-Mutter auf und sprach zu Cain: "Mein lieber Cain, als deine Großmutter wünsche ich dir, dass du die Dinge der Zeit genau zu werten weißt. Es hat unendlich viel Leid in der Zeit der Herrschaft deines Vaters gegeben. Das darf sich keinesfalls fortsetzen und wiederholen. Dein Volk wird hinter dir stehen, wenn es aus seiner heutigen Euphorie erwacht sein wird und feststellen kann, dass du alles tust, was dir möglich ist, so dass es ihm gut geht. Regiere mit Verstand, setze dein Herz ein und lass dich von den Tugenden leiten. Sie werden dir ständige Begleiter für gute und weise Entscheidungen sein, du bist meine ganze Hoffnung für eine bessere Welt, bring uns dahin, ich vertraue dir!"

Daikin erhob nun das Wort: "Ich glaube, dass alles gesagt wurde. Ich bin schon sehr lange davon überzeugt, dass Cain der zukünftige König sein kann. Er hat nicht nur die Kampfesstärke, auch nicht nur den Willen dazu, er hat auch das Herz am rechten Fleck. Ich habe ihn über all die Jahre aufwachsen sehn und war ebenso sein Lehrer und Begleiter. In schwierigen Situationen hat er den richtigen Weg eingeschlagen und ich kann mit Fug und Recht behaupten, Cain wird der König sein, den dieses geschundene Land verdient, den es braucht und der ihm gut tun wird. Von mir Cain, könnt Ihr meine volle Unterstützung erwarten!"

"Auch ich werde Cain zur Seite stehen, wo es mir möglich ist", setzte Darina die Meinungsbekundung fort, "er hat sich, seit ich ihn kenne, immer ehrenhaft gegeben, es gab nie ein Zweifel an seinem guten Willen. Er hat eure Unterstützung, eure Hilfe, euren Beistand und euren Rat verdient."

"So soll es denn sein", schlussfolgerte die Königin. "Wie ich sehe, sind wir uns alle einig. Deshalb werde ich Cain die Krone des Königs dieses Landes aufsetzen. Ich danke euch. Zur Besiegelung unseres gemeinsamen Willens werden wir nun auch gemeinsam auf das Wohl unseres Volkes anstoßen."

Diener wurden herein geholt und schnell waren für die Tafelgäste Becher mit einem besonderen Wein gefüllt. Nämlich von dem, welchen man zur Geburt des Kronerben Cain eigens für die irgendwann kommende Krönung gelagert hatte. Die Tafelgäste erhoben den Becher und prosteten dem zukünftigen König zu.

"Morgen werde ich vor unser Volk treten und ihnen diese Nachricht überbringen. Ich danke euch und da ihr wisst, ich werde es nicht alleine schaffen, das Land wieder zu einem Land der Lebensfreude zu machen, danke ich euch auch für die Hilfe und Unterstützung, die ihr mir geben wollt“, sprach er mit klaren Worten.

Somit war es besiegelt und die große Tafel wurde aufgehoben. Es wurde vereinbart, dass sich alle hier Anwesenden am nächsten Morgen frühzeitig wieder hier zusammenfinden sollten, um den Krönungsfeierlichkeiten beizuwohnen.

Die Königin-Mutter stand als erste auf und wollte sich zum Gehen wenden, Tyaida hielt sie fest: „Wo willst du hin? Bitte, bleib hier bei uns am Hofe, ich möchte dich nicht noch einmal so lange vermissen. Ich bitte dich Mutter.“

Die Königin-Mutter nahm ihre Hand: „Du wirst mich nicht verlieren Kind, ich bin immer bei dir. Und wenn du es wünschst, werde ich gern auch hier bei dir bleiben“. Die Frauen umarmten sich. Daikin winkte mit einer Hand und es kamen drei Zofen in den großen Saal, sie nahmen sich der Frauen an und führten sie zu ihren Gemächern. Für jede der königlichen Vertrauten gab es ein neues Gemach, es war Schluss mit der Dunkelheit im Palast. Darina trat selbstverständlich ihr Gemach an die Königin ab, die es schon lange vorher bewohnt hatte, obwohl sie sich dagegen wehrte und nur mit Überredung schließlich zustimmte. Darina bezog eines, das noch näher an Cains

Gemach lag, ein fairer Tausch also.

Auf Cain wartete also viel Arbeit und noch mehr Verantwortung, er war bereit sich dieser hohen Aufgabe zu stellen. Doch heute war es ein langer Tag gewesen und sie mussten alle zur Ruhe kommen.

Nur Darina war mit den Gedanken ganz wo anders. Sie setzte sich auf ihr Bett und dachte an Tirka und Julius, das Mädchen und den Jungen, die sie in dem Haus der Alten kennengelernt hatte. Sie hatte ein gewisses Gefühl, was den jungen Mann anging, eines, welches sie gar nicht unterdrücken konnte, seit dem sie aus dem Geheimgang gestiegen war und ihn erblickt hatte. Wenn der nächste Tag anbrechen würde, würde sie zum Haus gehen und diesen jungen Mann beobachten. Sie dachte noch eine ganze Weile über Julius nach, legte sich dann doch irgendwann zum Schlafen in ihr neues Bett und es dauerte nicht lange, da war sie ins Land der Träume entglitten.

Am nächsten Morgen versammelten sich alle Bewohner der Stadt auf dem Marktplatz, den man wusste mittlerweile, das Prinz Cain zu ihnen sprechen wollte. Jeder Bewohner versuchte der erste zu sein und einen guten Blick auf diesen jungen Mann zu erhaschen. Man drängte sich dicht um das Podest, welches über Nacht in aller Eile errichtet worden war. Nicht nur der Prinz kam zu diesem Platz, es folgten ihm auch Königin Tyaida, Daikin und Darina, welche ein wunderschönes, aber schlichtes Kleid anhatte, ihre Haare offen trug und dieses mit einem zarten Haarreifen geschmückt hatte. Auch die weisen Männer des Landes waren dabei. Die alten Fahnen des Landes, seit Ewigkeiten waren sie nicht mehr zu sehen gewesen, hingen an den Masten. Der Königin und ihre Gefolgsleute betraten das Podest.

Auch Julius und Tirka waren anwesend, sie wollten noch einen Blick auf den neuen Herrscher werfen, denn sie hatten vor, in ein paar Tagen abzureisen und nach Aurelias zurückzukehren. Julius musste sich dort dem König stellen, ihm alles erzählen und ihm sagen, dass er versagt hatte. Jedoch eines gab ihm halt, seine eigene kleine Familie.

„Liebe Landsleute, hört mich an!", begann Daikin seine Worte an das Vok zu richten.

Augenblicklich kehrte Ruhe ein, das Stimmengewirr versiegte. "Seit gestern Abend ist die Herrschaft von Kieran dem Schrecklichen zu Ende. Er hat euch eine sehr lange Zeit unterdrückt und geschunden, seinen eigenen Sohn hat er, wie euch alle, schändlichst belogen. Er hatte behauptet, dass eure Königin Tyaida von uns gegangen sei, aber dies stimmte nicht. Seht hier, das ist eure Königin! All die langen Jahre hatte sie sich in der dunkelsten Ecke des Palastes versteckt, nur um ihrem Kind nah zu sein. Aber ab heute ist sie wieder eure Königin." Damit verbeugte sich Daikin tief vor seiner Königin und trat hinter sie.

Tyaida nahm nun Haltung an und trat vor ihre Bewunderer, die sich mit lauten "Sie lebe hoch"-Rufen bemerkbar machten: "Ihr lieben Menschen, ich bedanke mich bei euch, dass ihr mich nicht vergessen habt. Gar zu lange konnte ich euch nicht zur Seite stehen, habe ausgeharrt und auf diesen Tag gewartet. Einzig meinem Sohn und seinen Begleitern ist es zu verdanken, dass die fürchterliche Herrschaft Kierans vorbei ist. Ihr seid mir alle wichtig und ich wünsche euch einen Herrscher, der für euch einsteht und zurück in eine friedvolle und sorgenfreie Zeit führt. Aus diesem Grund ist der neue Rat gestern überein gekommen, Prinz Cain die Geschicke des Landes Kaskur zu übergeben."

Zwei der Weisen traten hinzu und auch Cain, der sich auf ein wappenbesticktes Tuch vor die Königin kniete. Der eine Weise überreichte der Königin das Zepter des Landes, welches sie Cain übergab. Der andere Weise reichte ihr die Krone des Königs. Diese setzte sie auf Cains Haupt und reichte ihm noch einen reifen Apfel für die andere Hand.

Dann bat sie ihn aufzustehen. Das ganze Volk jubelte dem neuen König zu, Hüte wurden in die Höhe geworfen.

Cain erhob sich, verbeugte sich zuerst vor der Königin, dann vor den Weisen und den anderen Anwesenden auf dem Podest und anschließend nach allen Seiten vor seinem Volk: "Ich danke euch für die Ehre, euer König zu sein und ich möchte euch ein guter König sein, nicht über euch herrschen, sondern ich werde euch dienen. Hiermit verspreche ich, dass ich alles daran setzen werde, um unser Land Kaskur zu neuem Glanz zu. verhelfen. Es ist an der Zeit für uns alle, ein neues Leben zu beginnen. Ich bitte euch, mir bei dieser schwierigen Aufgabe zu helfen. Denn ihr alle seid Kaskur, ihr seid das Leben, ihr seid die Freude, ihr seid die Zukunft. Und lasst uns den heutigen Tag feiern, eine Feier der Freiheit soll es sein. Hoch lebe das Reich Kaskur!!!“

Ein Jubelsturm erhob sich, so laut und so kräftig, wie er wohl noch nie zu hören gewesen war, das Volk ließ seinen neuen König und dessen Familie wohl noch an die hundert Mal hochleben. So konnte die Feier stattfinden. Cain wurde akzeptiert, die Bewohner freuten sich, dass Kieran nicht mehr da war. Darina stand neben König Cain und beglückwünschte ihn. Bei einer festen Umarmung sah sie in der Menge Julius und Tirka stehen. Julius hatte die ganze Zeit seinen Blick nicht von ihr wenden können, selbst als ringsum der tosende Jubel ausbrach, sah er nur Darina an. Selbst auf Tirkas Ansprachen und Stöße reagierte er nicht. Julius war sich so sicher gewesen, dem Geheimnis um Darina auf die Spur gekommen zu sein. Doch nun, wie sie in ihrem Kleid da stand, so wunderschön und anmutig, kamen ihm ernsthafte Zweifel an seinen Gedanken.

Darina hatte seinen gebannten Blick bemerkt. Sie wusste genau, wie sie jetzt reagieren sollte, ging auf Julius zu und sprach ihn an: „Ich würde mich gerne, zu einem besseren Zeitpunkt, mich mit dir treffen und dich sprechen. Ist das möglich?“

Julius erwachte aus seiner Starre und war erstaunt, dass sie plötzlich vor ihm stand und antwortete nur: „Natürlich."

Tirka übernahm das Wort: "Wenn die Feier zu Ende ist, könnt Ihr gern vorbei kommen. Ihr wisst ja wo Ihr uns findet.“.

Darina nickte ihr zu und ging wieder zurück zu Cain, um an seiner Seite zu feiern.

Julius und Tirka blieben noch eine ganze Weile, gingen dann aber zurück in das Haus, welches sie noch nutzen durften. Tirka fühlte sich nicht so ganz wohl und sie sollte sich ja schonen, die Heimreise würde noch anstrengend genug werden. Zudem wollte Julius auf Darina warten, denn er war gespannt was sie zu erzählen hatte.

Die Feier dauerte noch lange, viele, viele Ehrenbekundungen wurden Cain noch ausgesprochen. In der Palastküche war die Hölle los, schon seit der Nacht wurde gekocht und gebraten und gebacken, auf großen Tafeln, die aufgestellt worden waren, hatten die Diener Speisen aufgetragen, so dass sich ein jeder davon bedienen konnte.

Niemand sollte hungrig oder durstig den Palast verlassen. Das war natürlich die beste Geste gewesen, denn mit Freude über diesen Wandel im Königshaus kam auch der Appetit, die Menschen nahmen die Speisen gern an. Zudem spielten Musikanten die fröhlichsten Lieder, sie waren auf einmal da, keiner wusste, dass es überhaupt welche hier gab. Es wurde gesungen und getanzt.

Viel später wollte Cain noch in paar Worte an sein Volk richten und stellte sich wieder auf das kleine Podest, welches immer noch in der Mitte des Palasthofes stand.

„Hört mich noch einmal bitte an! Es gibt Menschen, ohne die ich den Mut nie aufgebracht hätte, mich gegen meinen Vater zu stellen. Zum einen war es mein langjähriger Lehrer und Begleiter Daikin. Er war es, der mich antrieb, der mir half, etwas aus meinem Leben zu machen. Er hat viele Gefahren und Verantwortung damit auf sich genommen. Dafür kann ich ihm nicht genug danken", er winkte Daikin zu sich herauf und umarmte ihn vor allen Leuten. "Ihr seid mir inzwischen sehr wichtig und damit auch ihr zu Ehren kommt, ernenne ich Euch zu meinem 1. Minister, zu meinem persönlichen Berater und Befehlshaber über die Wachen und Soldaten des Königs."

König Cain verbeugte sich vor seinem neuen Minister. Die Menge jubelte, Daikin war bekannt, ihn hatte man schon früher als den einzig vertrauensvollen Menschen in der Nähe der Königin erkannt. Daikin war gerührt, bedankte sich mit einer ebenso tiefen Verbeugung vor Cain.

"Und ebenso danke ich Darina", fuhr Cain fort, "auch sie war sehr mutig und bot Kieran mehr als nur die Stirn, sie wies ihn in seine Schranken. Ich habe sie als lebensfrohen Menschen kennen und lieben gelernt. Und ich spreche jetzt aus vollem Herzen zu Euch Darina. Ich danke Euch, dass Ihr zu mir gekommen und bei mir geblieben seid, ich danke Euch von ganzem Herzen das Ihr an meiner Seite gekämpft habt."

Cain verließ das Podest, trat auf Darina zu und sprach zu ihr, so dass es nur die Umstehenden hören konnten: "Ich möchte Euch fragen, denn ein Leben ohne Euch, kann ich mir nicht mehr vorstellen, würdet Ihr an meiner Seite das neue Kaskur regieren wollen, würdet Ihr mir die Ehre erweisen und meine Frau und Königin werden?“ Nach diesen Worten ging Cain auf die Knie und nahm Darinas Hände in die seinen.

Darina stand gerührt da und konnte ihre Tränen nicht zurück halten, ihre Hände zitterten und ihr war ganz schwindlig geworden. Doch leise antwortete sie: „Als wir uns kennenlernten, war ich erst ein paar Tage hier in der Stadt. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht sagen, wer ich war und woher ich kam. Aber Ihr habt mir gezeigt, dass das egal ist, das was man jetzt ist, das zählt. Ich möchte nicht mehr ohne Euch sein, ohne Euch leben zu müssen wäre eine Qual für mich. Daher gebe ich Euch diese Antwort: Ja, ich möchte an Eurer Seite sein und ich will versuchen Euch das zu sein, was Ihr Euch wünscht.“

Die Anwesenden freuten sich für das Paar, Cain nahm Darina in den Arm und küsste sie so leidenschaftlich, wie noch nie zuvor. Jetzt wusste er, dies war die richtige Entscheidung. Sein Leben konnte sich nur zum besseren wenden, ein Anfang war gemacht.

Nach vielen Glückwünschen, und nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, die Menschen wieder feierten, sangen und tanzten, löste sich Darina aus der Menge und lief zum Haus, zu Julius. Sie hoffte dass er noch wach sei und sie ihn sprechen könnte.

Am dem Haus angekommen sah sie, dass Julius draußen auf sie wartete. Doch Darina verließ plötzlich Mut, ihm das zu sagen, was er schon lange wissen sollte. Ein heftiger Zwiespalt hatte sich im Herzen breit gemacht. Sollte Julius erfahren, weshalb sie entflohen war und weshalb er sie jetzt hier so vor fand? War das fair, wo er doch nun mit seiner Tirka so glücklich schien und sie ein ein Kind erwarteten? Auf der anderen Seite hatte sie in den letzten Wochen gelernt, dass es egal war, wer man einmal war, sondern nur das hier und jetzt zählte. Und nun zählte für sie die Freiheit und die Liebe zu Cain.

Julius sah sie im Schatten stehen und ging ein paar Schritte auf Darina zu, doch sie drehte sich um und rannte sehr schnell weg. Enttäuscht stand Julius da, so sehr hatte er sich eine Aufklärung gewünscht, wollte sich sicher sein. Er ging ratlos wieder ins Haus, legte sich schließlich zu seiner schlafenden Tirka und lag aber noch lange wach: „Warum will sie erst mit mir sprechen und läuft dann weg? Da stimmt doch etwas nicht und diese Ähnlichkeit zu Tasius, die ist verblüffend. Aber ich kann mich auch am Ende täuschen, doch weshalb wollte sie dann mit mir reden? Bevor wir abreisen, werde ich das Gespräch mit ihr suchen, ich finde sonst keine Ruhe“. Nach diesem Gedankengang schlief auch Julius irgendwann ein. Für manche Bewohner der Stadt ging die Freiheitsfeier bis zum nächsten Morgen, man freute sich ungemein, dass die Herrschaft von Kieran wirklich zu Ende und ein Neuanfang da war. Jetzt gab es Hoffnung mit dem neuem Königspaar, Cain und Darina.

Im Palast wurden schon Vorbereitungen getroffen, wann die Hochzeit stattfinden sollte.

Dem Jungen Paar wurde keine einzige freie Minute zusammen gegönnt, Cains Antrag hatte rasant die Runde gemacht. Die Königin und der halbe Hofstaat waren schon in heller Aufregung, das ging alles sehr schnell.

Nun hatte Cain auch schon die ersten königlichen Pflichten zu erfüllen, Pflichten die absolut keinen Aufschub duldeten, die man von ihm erwartete. Zuerst musste die neue Ratstafel vom König bestätigt und ein Schwur musste von dieser geleistet werden, die Garde und das Garderegiment mussten aufgestellt, Befehlshaber für die Garde und die Landessoldaten ernannt werden. Die Soldaten mussten einen neuen Eid ablegen, dieser musste im Eiltempo von den weisen Männern überarbeitet und geschrieben werden. Und vieles, vieles mehr, so dass Cain eine schlaflose Nacht haben würde, ebenso wie sein bester Freund, höchster Vertrauter und Erster Minister Daikin.

Und Darina wurde, obwohl sie dringend unter vier Augen mit Cain reden musste, sogleich in die Planung der Hochzeit eingespannt. Die Tradition einer königlichen Hochzeit verlangte es, dass sich nach der Wahl des Königs für eine Braut, beide Brautleute bis zur Vermählung nicht mehr allein begegnen dürften. Ein wenig Aberglaube war da natürlich auch dabei, "es würde Unglück bringen" und dergleichen.

Hätte Darina das vorher gewusst, hätte sie ihr "Ja"-Wort noch ein wenig hinaus gezögert. Jetzt war es zu spät, denn alles war in Bewegung und Darina wurde mit 1000 Fragen bestürmt.

"Was wollt Ihr auf der Hochzeit tragen? Welche Farben möchtet Ihr haben? Die Schneiderinnen müssten wegen dem Kleid auch kommen und Maß nehmen, lieber Leinenstoff oder auch Spitze dazu? Mit Schleier und Schleppe oder lieber einfach und schlicht?“, fragte eine der Zofen.

Darina wusste nicht wo ihr Kopf stand, Fragen über Fragen. Und sie konnte keine genaue Antwort geben. Nach einer Weile, weil ihr der Kopf rauchte, ließ sie die Bediensteten stehen und flüchtete hinaus auf den Hof. Dort wollte sie neue Kraft tanken, abschalten und überlegen, wie sie diese Situation, in der sie sich jetzt befand lösen könnte. Als sie sich den Hof genauer anschaute, sah sie, dass er immer noch sehr trist aussah.

„Ein paar Farben wären nicht schlecht", dachte Darina und so lief sie wieder hinein, zog sich Hose und Hemd über und ging wieder in den Hof. Für den Hof gab es sicher auch Gerätschaften, einen Schuppen oder so. Sie winkte Cains jungen Diener heran, der sich immer in der Nähe Darinas aufhielt, denn er hatte einen Befehl von Cain bekommen, der Befehl galt, er hatte ihm einen Schwur geleistet und daran fühlte er sich ohne jeden Zweifel gebunden. Dieser führte Darina zu einem Schuppen, der hinter einer Palastmauer aufgestellt war. In dem standen die Gerätschaften, die Darina zum Arbeiten brauchte.

Darina hockte sich an einer Seite im Hofe nieder und fing an das Unkraut zu zupfen.

Der Diener fasste ungefragt mit zu. Denn Darina einfach arbeiten zu lassen und nur dabei zu stehen, fand er unpassend und hätte sicher kein Wohlgefallen gefunden.

Darina hatte außerdem Verdorrtes herauszuschneiden, schmale Beete an den Rändern wieder sichtbar zu machen, sie zu harken, Laub und Sand von den Wegen zu fegen. Eben alles, was zu einer guten Gartenarbeit gehörte, machte sie.

Dabei wurde sie natürlich beobachtet, eine Magd kam schließlich auf sie zu: „Hoheit, dies ist doch nicht eure Aufgabe, sagt uns was gemacht werden muss und wir erledigen das.“

Doch Darina ließ sich nicht aufhalten: „Nein schon gut, ich werde das machen. Ich kann ja nicht den ganzen Tag im Palast sitzen und nichts tun. Geht und kümmert euch um die anderen Dinge. Diese Arbeit tut gut, sie ist meine Ablenkung und hilft mir den Kopf frei zu bekommen.“

Cains Diener gab einen Wink, die Magd machte einen Knicks und lief zurück in den Palast.

Darina schaute ihr nach und schüttelte mit dem Kopf. Immer diese Leute, die ihr sagen wollten, was richtig und was falsch wäre, was sie machen sollte oder zu lassen hatte.

Sie hatte es so satt. Und das Gefühl, welches dabei aufkam, das kannte sie. Es war wieder der goldene Käfig. Aber jetzt würde sie bald Königin sein und dann könnte sie machen, was sie für richtig hielte. Doch könnte sie es wirklich? Wäre sie dann nicht den gleichen Verpflichtungen ausgesetzt, denen sie eigentlich entkommen wollte? Sie wusste, dass Cain schon jetzt sehr mit seinen Aufgaben beschäftigt war, hätte sie dann nicht auch an seiner Seite zu stehen und wäre ständigen Beobachtungen ausgesetzt? Käme sie denn dann wirklich dazu, ihr Innerstes preiszugeben und ihr Leben so zu leben, dass sie frei wäre? Großer Zweifel tat sich in ihr auf, jetzt war alles so schnell gegangen. Zunächst wollten sie fliehen, irgendwo neu beginnen, da wäre sicher vieles denkbar und möglich gewesen. Jedoch kam es anders. Der überschnelle Sieg über den Tyrannen war sicher sehr gut für das Volk, welches nicht einmal mitbekommen hatte, dass sich da was anbahnte. Und schon war Cain gekrönt, hatte das Amt übernommen und die Hochzeitsvorbereitungen waren nicht mehr aufzuhalten.

Darina machte sich wieder an die Arbeit, wie eine Wilde rackerte sie, bis spät am Abend, so dass ihr junger Helfer nur über die Energie und Ausdauer staunen konnte, welche sie an den Tag legte. Irgendwann aber überkommt selbst dem härtesten Arbeiter der Hunger, sie beendeten die Arbeiten. Darina strich dem Jungen über seine zarten, rosigen Wangen und sendete ihm mit den Augen ein vom Herzen kommendes Dankeschön direkt an sein Herz. Der Junge Diener schmolz fast weg vor Stolz.

Zunächst führte sie der Weg im Palast in ihr Gemach, um sich von den leicht verschmutzten Kleidern zu befreien und zu erfrischen, dann gingen sie in den großen Saal, wo immer schon das Abendmahl stattgefunden hatte. Das war einer der Räume, die in ihrer Funktion nicht verändert wurden. Er lag auch gleich neben der großen Halle, in der die Audienzen stattfanden und der neue Rat an der großen Tafel zusammen kam.

Im Großen Saal saß man bereits zu Tisch, König Cain, des Königs Mutter und Großmutter, als auch Daikin als erster Minister waren bereits dabei zu speisen. Als Darina kam, standen die beiden Männer auf und setzten sich gemeinsam mit Darina wieder hin.

"Verzeiht bitte meine Verspätung", bat Darina demütig.

Die zwei Frauen schauten sie etwas entrüstet an, doch Cain schaltete schnell und bevor ein Wort fallen konnte, ergriff er es: „Warum wart Ihr im Palasthof dabei Gartenarbeit machen? Ihr wisst doch, dass es nicht Eure Aufgabe sein kann, oder?“

Darina sah zu ihm hinüber und bat nochmals: „Ja verzeiht, das weiß ich natürlich. Dennoch tat ich es, weil mir der ganze Trubel heute zu viel wurde und ich meinen Kopf frei bekommen wollte. Gartenarbeit liegt mir und hat schon immer für die Beruhigung meines Gemüts gesorgt. Zudem hatte es etwas nützliches, denn schließlich muss auch der Palasthof gut aussehen. Um nicht ziellos herum zu wandern dachte ich, ich mache das einfach. Ich habe ein Händchen für Pflanzen und draußen bin ich auch gerne. Bitte lasst mir die Freude an der Gartenarbeit.“

„Natürlich lasse ich Euch die Freude, Ihr könnt tun und machen, worauf ihr Lust habt. Wir können uns jetzt frei hier im Palast und im Lande bewegen. Irgendwie fand ich es auch belustigend, als ich Euch erkannte. Man konnte meinen, zwei hübsche Gärtnerburschen legen da feste Hand an, so wie Ihr mit Joshua losgelegt habt", entgegnete Cain und schmunzelte, "So, jetzt lasst uns gemeinsam essen, ich sterbe schon vor Hunger.“

"Ihr wisst gar nicht, wie recht Ihr habt", dachte Darina, sie war zusammengezuckt, als Cain seine Beobachtung beschrieb.


Im Palast wurde gegessen und ausgelassen Geschichten erzählt, im Haus der alten Frau in der Stadt hingegen war Julius mit seiner Tirka schon dabei ihre wenige Habe zusammenzusuchen. Sie würden am nächsten Tag abreisen. Solange es Tirka noch leichter fiel zu wandern, wollten sie es ausnutzen. Auch sie musste noch seiner Familie vorgestellt werden und König Fietus musste unterrichtet werden.

„Bevor wir morgen losziehen, möchte ich gerne noch einmal hoch in den Palast. Ich muss mich mit Darina unterhalten, denn es ist schon seltsam. Sie sieht genauso aus wie Tasius, redet wie er, bewegt sich wie er und überhaupt, ja verdammt, hat seine Augen. Und gestern dann will sie mit mir sprechen, kommt extra zum Haus. Zögert, und als ich auf sie zu gehe, läuft sie weg. So als hätte sie kalte Füße bekommen, hätte sie der Mut verlassen. Ist das nicht eigenartig?“, fragte er Tirka.

Tirka antwortete: „Ich gebe dir recht, das ist seltsam. Aber es muss auch seltsame Menschen geben. Wenn es dich beruhigt, dann geh morgen zu ihr und sprich sie auch direkt darauf an. Das du vermutest, der zu sein, für den du sie hältst. Du wirst sehen, wie Darina darauf reagiert, dann wirst du wissen, ob deine Ahnung stimmt.

„Ich glaube, du hast Recht, ich sollte es so sagen wie es ist. Wenn ich falsch liege, dann liege ich falsch. Aber einen Versuch ist es wert. Und ich habe mein Bestes gegeben, um den Prinzen nach Hause zu holen. Wenn ich morgen nach dem Treffen zurück bin, wandern wir nach Hause, egal ob mit oder ohne Tasius. Bald wirst du meine Familie kennenlernen können und du wirst sie lieben, vor allem meine zwei Geschwister. Und sie werden dich lieben, da bin ich mir sehr sicher.“

Julius nahm Tirkas bei ihren Hüften, zog sie an sich heran und gab ihr einen Kuss auf die Lippen, dann legte er eine Hand auf ihren Bauch: „Und du machst uns keine Sorgen, du bleibst erst mal da wo du bist, bis es soweit ist, ich freue mich schon auf dich.“


Nach dem Abendmahl mussten sich Cain und Daikin auch schon wieder um die Staatsgeschäfte kümmern, die Auswahl der Befehlshaber stand an, eine wichtige Entscheidung. So verabschiedeten sich der König und Berater und wünschten den Damen eine angenehme Nachtruhe.

Als die beiden den Saal verlassen hatten, sprach Tyaida: "Darina, ich hörte, dass Ihr euch nicht für ein Hochzeitskleid entscheiden konntet. Deshalb habe ich einen Vorschlag für euch. Normalerweise gibt es eine Tradition, diese besagt, dass wenn es irgend möglich ist, die Hochzeitskleider von der Mutter auf die Tochter weitergegeben werden. Ich habe meines von meiner Mutter hier bekommen und es trotz der ganzen, widrigen Umstände gut bewahren und erhalten können. Meine Zofen sollten es inzwischen mit der Schneiderin hergerichtet haben. Da ich ja nun keine Tochter habe, sondern einen Sohn, möchte ich es gern an Euch weiterreichen, wenn es Euch gefällt. Ihr solltet in etwa die gleiche Figur haben wie ich damals, kleine Änderungen werden sicher ebenso machbar sein. Was meint Ihr?"

Darinas Herz schlug bis zum Hals. Urplötzlich war ihr auch etwas übel. Ihr Hals schien wie zugeschnürt, sie brachte keinen Ton heraus, ganz heftig drückten die Tränen und wollten hinaus.

"Lass dir Zeit zum Überlegen mein Kind!", sprach die Königin-Mutter zu Tyaida, dabei schaute sie aber ernsthaft besorgt zu Darina, vielleicht war es ja auch eher ängstlich, was jetzt passieren würde. "Vielleicht schläfst du erst einmal eine Nacht darüber Darina", fuhr sie fort, "und überhaupt siehst du aus, als könntest du wirklich erst einmal Schlaf gebrauchen." Darauf rief sie Darinas Zofe, trug ihr auf Darina ins Bett zu begleiten und notfalls den Medicus zu rufen, sollte es Darina schlechter gehen.

Die Zofe half Darina aufzustehen. Diese nickte dankbar zur Alten und zur Königin hinüber und verließ den Saal. Draußen kam sofort der junge Diener herbei, stützte Darina, so kamen sie zügig in den Teil des Palastes, in dem die Gemächer waren, die Zofe eilte voraus, um das Gemach zu bereiten.

Dort angekommen half die Zofe Darina beim Ablegen des Kleides, dann schlug sie die Bettdecke zurück , ließ Darina darunter schlüpfen und deckte sie sorgsam zu. Dann setzte sie sich auf den Bettrand und strich ihr die Haare aus dem Gesicht: "Da hast du dich in eine ganz schön verzwickte Situation manövriert."

Darina schaute sie mit großen Augen an.

"Ja mein Lieber, du glaubst doch nicht, dass es mir verborgen geblieben ist, wer du bist. Oder besser, was du bist", sprach sie in einem ganz ruhigen, liebevollen Ton weiter, "ich sah es schon am ersten Tag. Glaub mir, auch wenn es hier unschicklich ist, sich nackt zu waschen, die Unterkleider verbergen nicht alles."

Jetzt war alles aus, er war erkannt, die Tarnung war aufgeflogen, er war so gut wie tot.

Mit einem lauten Schrei brach alles aus ihm heraus, er konnte nicht mehr, es war einfach zu viel. Lautes Schluchzen und heftige Weinkrämpfe schüttelten den Jungen.

Sein Gesicht vergrub er tief im Kissen und schrie sich sein ganzes Leid aus der Seele.

Tränen rannen, wie Bäche aus seinen Augen und durchnässten das Kissen im Nu.

Marina rückte aber nicht von ihm ab, ganz im Gegenteil, sie nahm den Jungen fest in ihre Arme und drückte ihn an ihre Brust. Sie gab ihm Wärme und Liebe in diesem Moment, das würde jeder spüren, der in der Nähe wäre.

Es dauerte eine ganze Weile, ehe sich Tasius beruhigt hatte. In dieser Zeit war er zu dem Entschluss gekommen, dieser Geschichte ein Ende und reinen Tisch zu machen, zumindest das war er allen schuldig. Deshalb löste er sich von Marina erzählte ihr seine Geschichte und bat sie zum Schluss: "Ich werde Cain jetzt einen Brief schreiben.

Ich bitte dich darum, dass du ihn morgen Cain überbringst. Ich werde dann schon nicht mehr da sein und bitte sucht nicht nach mir. Mach es gut Marina, ich danke dir für alles. Und nun geh bitte!"


Als der nächste Tag anbrach, machte sich Julius auf, um zum Palast zu gehen. Er legte sich seinen Umhang um, küsste Tirka auf die Stirn und zog los. Viele Gedanken machte er sich auf dem Weg dahin. Würde das stimmen, was er vermutete, würde er überhaupt vorgelassen werden, was würde ihm begegnen, welche Gründe müsste er nennen, um zu Darina geführt zu werden, hatte er das Recht eine Erklärung zu fordern? Letztendlich musste er sich zwingen es durchzuziehen, er war es König Fietus schuldig, er war es Tasius schuldig und er war es Tirka schuldig. Letztenendes war er es auch sich selbst schuldig Klarheit zu erlangen und nichts unversucht gelassen zu haben, seinen besten Freund Tasius zu finden oder ihn nach Hause zu bringen.

Während er zum Palast unterwegs war, stellte Tirka alles bereit, viel war es ja nicht, um spätestens am frühen Nachmittag aufbrechen zu können. Das Haus putzte sie, um sich zu beschäftigen und sich für die Gastfreundschaft zu bedanken.

Julius war im schnellen Schritt unterwegs und bald am Palasttor angekommen. Dort hatte er wider Erwarten und trotz der Frühe, denn im Palast schien noch alles ruhig zu sein, keinerlei Probleme eingelassen zu werden. Er wurde ohne Umschweife zu dem Palastteil geführt, wo sich die Gemächer befanden. Dann rief man Darinas Diener, der sollte Julius bei ihr anmelden. Noch wartete Julius, dass er weiter geführt würde. Der Diener kam und begrüßte Julius. Die beiden kannten sich ja aus dem Haus der Königin-Mutter, sie waren sich bei der Flucht begegnet. Der junge Diener schickte die Wache zurück auf ihren Posten und lief nun mit zwei Schritten Abstand zu Julius voraus. Doch er führte ihn nicht in Darinas Zimmer, sondern in eine Kammer, in der die Stubenmädchen frische Wäsche für die Gemächer lagerten.

Julius war überrascht, als Joshua die Tür hinter ihnen schloss und ans kleine Fenster trat: "Entschuldige, was tun wir hier?"

"Es tut mir leid, doch Ihr könnt nicht zu Darina", antwortete der Junge.

"Wir können 'du' zueinander sagen, ich bin nicht vom hohen Stand, sondern eher im gleichen, wie du. Weshalb kann ich nicht zu ihr?"

"Weil sie nicht mehr da ist."

"Was soll das bedeuten?"

"Sie hat uns verlassen. König Cain weiß es noch nicht, ich bin auch nicht sicher, wie er es aufnehmen wird."

"Was heißt, sie hat euch verlassen? Wo ist sie hin, wo finde ich sie?"

"Sie ist gegangen, hat den Palast verlassen und kehrt nicht zurück. Ich weiß nicht wohin sie ist."

"Weshalb? Welchen Grund hatte sie, das alles hier aufzugeben?"

"Den Grund Julius, kann und darf ich dir nicht nennen, nur soviel, es ist ihm ... äh, ihr sehr schwer gefallen", der Junge Diener biss sich auf die Zunge, das war ein Satz zu viel.

Julius hatte sofort aufgemerkt, als dieser sich versprach: "Also doch! Ich hatte die richtige Ahnung."

Mit ängstlichen Augen sah der junge Diener Julius an, er könnte sich selbst ohrfeigen für diese Unachtsamkeit. Doch Julius hatte bereits richtig geschlussfolgert und sah sich durch den Blick des Dieners bestätigt: "Ich weiß nicht, was ihn geritten hat, hier so eine Vorstellung abzuziehen. Ich sage dir das jetzt im Vertrauen. Ich war sein Begleiter für viele Jahre, bin ihm nachgereist um ihn zu suchen und nach Hause zu holen.

Allerdings hatte er mich mit seiner Mädchen-Verkleidung sehr verwirrt und wir hatten uns lange nicht gesehen, er war verändert. Ich hätte mein Leben für ihn gegeben."

"Ich auch", flüsterte der Junge.

"Er hat es dir angetan, hm? Damit wären wir schon zwei. Ich weiß, er ist der liebste Mensch, den ich mir vorstellen kann, wenn man ihn in seiner Nähe hat."

"Bitte verrate es niemandem hier, noch ist nichts bekannt. Meine Mutter ist Darinas, ich meine Tasius Zofe. Sie hat mich schwören lassen, dass ich nichts verrate. Anscheinend bin ich kein guter Sohn, weil ich mich nicht daran gehalten habe. Aber es soll kein Aufsehen geben, bitte!", bat der junge Diener.

"Das verspreche ich dir, mache dir keine Sorgen deswegen! Aber Aufsehen wird es geben, ganz sicher. Ich hoffe König Cain kommt damit klar. So, dann gibt es hier nichts mehr zu klären. Du hast mir sehr geholfen, ich danke dir! Mach es gut!", beendete Julius ihre geheime Unterhaltung. Er gab dem Jungen Diener die Hand und zog ihn zu einer Umarmung in seine Arme.

Just in diesem Moment wurde die Kammertür von einem Stubenmädchen geöffnet. Als sie die beiden sah, quiekte sie kurz auf. Die beiden trennten sich ruckartig, wie zwei erwischte Verliebte. Dem kleinen Diener schoss sofort die Schamröte ins Gesicht. Julius schob ihn zur Tür hinaus, am Stubenmädchen vorbei, die vor ihnen knickste und ihnen hinterher kicherte. Der Junge. Diener drehte sich um und warf ihr einen zornigen Blick zu, worauf das Mädchen sofort verstummte.

"Das wird Gerede geben", schlussfolgerte er. Dann brachte er Julius noch bis ans Tor in der Palastmauer und verabschiedete ihn mit einer Verbeugung, Julius nickte deutlich und trat den Weg zurück zu seiner Tirka an.


Tasius und Julius mussten unterschiedliche Wege gegangen sein, denn während Julius zum Schloss marschierte, kam Tasius von dort. Er hatte wirklich die restlichen Stunden bis zum Morgen damit verbracht, einen Brief an Cain zu schreiben. Dann hatte er sich durch den Palast geschlichen und einen Moment der Unaufmerksamkeit der neuen Wachen genutzt, um ungesehen durch ein kleines Türchen in der Palastmauer zu schlüpfen und zu verschwinden. Geradewegs lief er zum Haus, ohne aber Julius unterwegs zu treffen.

Als er dort eintraf, fand er nur Tirka vor, die das Mädchen Darina hineinbat: "Ich bin erstaunt, dass Ihr hier seid Darina, Julius ist nämlich aufgebrochen, um Euch im Palast aufzusuchen."

"Oh", entfuhr es Tasius, "wir sind uns nicht begegnet." Für einen Moment war Tasius ratlos, dann beschloss er die Mädchenkleider abzulegen: "Macht es dir etwas aus, wenn ich mich in der Kammer etwas frisch mache, bis Julius zurück ist? Ich glaube er wird bald wieder hier sein."

"Keineswegs", antwortete Tirka, "lasst Euch Zeit, ich mache inzwischen hier nur noch ein wenig Ordnung in der Küche, denn wir werden später dann die Heimreise antreten."

Tasius bedankte sich und ging in die Kammer. Dort legte er rasch alle Kleider ab und packte sie ordentlich in den Schrank, denn es waren die, die er angehabt hatte, als er Cain das erste Mal in den Palast folgte und die auch vorher in diesem Schrank gelegen hatten. Er zog wirklich alle Sachen aus, stand also so wie der Herr ihn schuf im Raum.

Als er an sich herunter sah, musste er schmunzeln. Dabei dachte er an die Worte Marinas. Da war wirklich nicht der Hauch einer weiblichen Brust. Ein paar Muskeln könnte er aber schon spielen lassen und Andeutungen machen. Und weiter unten, naja, das gehörte nun auch nicht zu einem Mädchen. Er besah sich seinen Hintern, ganz ordentlich fand er ihn. Wie hatte aber Marina nur die ganze Zeit so schweigsam sein können. Sie hatte ihm nie das Gefühl gegeben, dass sie ihn längst durchschaut hatte. Wie dem auch sei, jetzt war er wieder Tasius, bereit Julius zu gestehen, im um Verzeihung zu bitten und mit ihm zurück nach Aurelias zu gehen. Er würde sich seinem Schicksal ergeben, irgendwann König werden, das Land regieren, vielleicht selbst so eine Prinzessin heiraten, und Kinder kriegen. Irgendwann würde er alt sein und sterben, und vielleicht würde er auf dem Sterbebett noch jemandem von seinen unterdrückten Wünschen erzählen, oder auch nicht.

Tasius stieg in seine Kleider, die ihm nach wie vor passten. Seinen Haaren verpasste er kurzerhand mit seinem scharfen Dolch einen Schnitt, so dass sie wieder die Länge hatten, mit der man ihn ohne weiteres als Junge erkannte. Er band sie so zu einem Zopf zusammen, wie er es immer getan hatte, seitdem sie lang genug dafür waren.

Den Zopf hatte er früher nur nach dem Baden zum Trocknen der Haare und in der Nacht geöffnet. Julius kannte ihn nur so und so wollte er ihm auch gleich gegenübertreten. Tasius besah sich noch einmal und ging wieder hinaus zu Darina.

Als sie Tasius sah, blieb sie wie angewurzelt stehen und hielt sich die Hände vor den Mund: „Du meine Güte, Julius hatte recht, Ihr seid nicht Darina!"

"Nein, bin ich nicht. Darina gab es vorher nicht und wird es auch jetzt nicht mehr geben. Und bitte, sag Tasius zu mir!", bestätigte der 'neue Junge' im Haus.

"Aber nein", widersprach Tirka, "Ihr seid der Prinz, das ziemt sich nicht", und knickste.

"Tirka bitte! Ich bin euch beiden soviel schuldig, ich möchte nicht, dass du vor mir knickst. Ich weiß nicht, wie Julius reagieren wird, aber ich nehme jede seiner Strafen an, die er mir auferlegen wird, denn ich habe ihm Unrecht getan", gab Tasius reumütig zurück.

"Er ist sehr aufgebracht, da habt Ihr recht, ... verzeih, da hast du recht Tasius. Dennoch ich glaube, dass er eher froh sein wird dich zu sehen. Denn er liebt dich. Ich kann diese Liebe zwar nicht verstehen, dennoch scheinen dich alle zu lieben. Ich traf bisher noch keinen Menschen, dem soviel Liebe entgegen gebracht wurde wie dir. Du musst etwas an dir haben, was alle verzaubert. Und auch ich, verzeih wenn ich so offen bin, kann nur sagen, dass ich deine Anwesenheit sehr angenehm finde", erklärte Tirka.

Tasius schämte sich bei diesen Worten. Er fühlte sich dadurch gleich auch viel schlechter, denn wie konnte er dann nur so vielen Menschen weh tun. Wieso kann man nur jemanden mit Liebe so verletzen, wie konnte das sein? War es vielleicht, weil er so sehr an sich selbst gedacht hatte, wie er sich fühlen wollte? Warum hatte er nicht nachgedacht? Warum hatte er nicht frühzeitig bemerkt, dass er anderen schadete? Wie konnte er das nur zulassen?

Tirka merkte, dass Tasius jetzt stark an sich selbst zweifelte und es tat ihr schon leid, dass sie ihn so angesprochen hatte. Sie ging auf ihn zu und nahm den traurigen Jungen in den Arm.

Tasius ließ sie kurz gewähren, dann schob er sacht ihre Arme weg. Und dankte ihr mit seinem Blick. Dann lief er hinaus. Draußen sah er sich um. Er kannte hier jede Ecke, hatte er doch eine ganze Zeit unbeschwert leben können bei der Alten. Sie wusste, was er war, sie hatte ihn unterstützt, als er ein Versteck suchte, sie hatte ihm die Kleider gegeben, in denen er sich sich nach kurzer Zeit sogar sehr wohl gefühlt hatte.

Und die alte Frau hatte ihn immer wie ihr Mädchen behandelt. Es war einfach nur schön. Warum musste er sich denn nur in Cain verlieben, dann wäre alle so geblieben.

Ja Cain. Ach sein Cain, wie wird er jetzt nur über ihn denken. Bestimmt wird er ihn verachten. Aber er hatte es so verdient. Warum musste er ihm auch nur diese Darina vorspielen.

Tasius lief wie ein eingesperrter Hund vor dem Haus hin und her. Er blieb schlagartig stehen, als er es selbst bemerkte. Was könnte er tun? Julius entgegen laufen? Aber da könnten sie sich wieder verfehlen. Und wenn er einen anderen Weg nahm? Und wenn Julius auch so dachte? Ja, Julius denkt auch so. Sie kannten sich viele Jahre gut genug, um zu wissen, wie der andere dachte. Es machte also keinen Sinn. Er musste hier auf ihn warten. Aber warten, das konnte Tasius nicht, das war nicht seine Art. Er musste etwas tun, aber was? Na klar, er würde hier draußen ein wenig für Ordnung sorgen. Hatte er doch schon oft gemacht, wenn er sich von seinen Gedanken ablenken

wollte. Also holte er sich seine Geräte. Er wusste, wo sie lagen und sie lagen immer noch so, wie er sie hingelegt hatte. Das Haus hatte es verdient ringsherum gepflegt zu sein, es hatte ihm lange als Herberge gedient, hier war er wieder zu etwas Ruhe gekommen, bis Cain kam. "So, jetzt ist Schluss!", befahl sich Tasius. Immer wieder glitt er mit seinen Gedanken ab. Er kniete sich hin und begann emsig zu hacken, Unkraut zu zupfen, die wenigen grünen Triebe an den Rankgittern an der Hauswand vorsichtig zu befestigen, die abgestorbenen Zweige abzuschneiden, alles zusammen zu harken und hinter dem Haus auf einen Haufen zu werfen. Er fegte den Hof und lockerte die Erde in den Beeten rund um das Haus. Tasius war nach kurzer Zeit so vertieft in sein Tun, dass er nicht bemerkte, dass er beobachtet wurde. Die Person kam immer näher, auf einmal spürte er den Schatten, den die Person warf. Tasius drehte sich hastig um, mit seinem Dolch in der Hand. Julius machte einen Schritt zurück, um auszuweichen.

In diesem Moment erkannte Tasius den Fremden und ließ den Dolch fallen.

„Du bist es, hast mir einen Schrecken eingejagt“, Tasius stand auf und machte eine leichte Verbeugung.

Nur Julius stand da und machte keine Anstalten ihn zu begrüßen. „Du wolltest mit mir reden, aber bist weggelaufen. Worum geht es, willst du mir was sagen?“, gab Julius ernsthaft zurück.

Tasius deutete Julius an, ein Stück mit ihm zu gehen, beide gingen durch den Hof hinaus und durch die Straßen.

Nur fand Tasius keinen rechten Anfang, sein Hals war wie zugeschnürt und so fing Julius an zu sprechen: „Was wolltest du mit mir besprechen, das musste doch wichtig sein“, Julius Stimme klang traurig und enttäuscht.

Tasius druckste herum, räuspert sich und ihm war, als müsste er eine Kröte schlucken: „Ich weiß nicht wo ich genau anfangen soll, ich kann nur sagen, dass es mir sehr leid tut. Ich hatte keine andere Möglichkeit, ich wollte einfach nur frei sein“.

Julius fand das nicht ausreichend: „Was sollte diese Scharade, der du anscheinend ziemlich unrühmlich, aber immerhin jetzt ein Ende gemacht hast? Bitte erkläre es mir Tasius, sag mir die Wahrheit. Ich habe dich seit Wochen gesucht, ich dachte dir wäre etwas Schlimmes zugestoßen.“

„Du hast Recht! Ich bin jetzt wieder Tasius, genau so habe ich mich auch im Palast verabschiedet. Als ich hier in das Land kam, habe ich mitbekommen wer hier regierte.

Kieran, das war wirklich ein Tyrann, glaub mir. Und da ich immer deine Worte und die von Vater im Kopf hatte, dass es hier draußen gefährlich sei, versteckte ich mich meistens in irgendwelchen Scheunen oder Ställen. Ich irrte herum und kam schließlich bei der Großmutter von Cain unter, sie wollte wissen wer ich bin und woher ich kam, doch ich konnte ihr nichts erzählen. Ich hätte mich doch dann selbst und sie in große Gefahr gebracht. Also tat ich so, als wüsste ich nicht wer ich bin und woher ich komme. Es war doch für uns alle das Beste. Dann habe ich mich als Mädchen verkleidet. Unerwartet lernte ich Cain kennen, oder besser er mich. Er machte mir Freude, ich fand ihn unglaublich offen, entgegen allen anderen, die hier nur hinter vorgehaltener Hand über Fremde sprachen. Mir war klar, dass ich das eigentlich nicht hätte weiter treiben dürfen, doch bald konnte ich nicht mehr zurück. Viel zu weit hatte ich mich in Höhle des Löwen vorgewagt und wäre ein leichtes Fressen gewesen, hätte

man mich entdeckt.

Und dann warst du auf einmal hier, ich wollte nicht auffliegen. Deswegen habe ich mich von dir fern gehalten und so getan, als würde ich dich nicht kennen. Julius, du hattest Recht, Vater auch. Ich habe euch schrecklich vermisst, es war dumm von mir einfach wegzulaufen. Doch ich wollte doch nur die Welt kennenlernen, und jetzt hab ich noch Cain gefunden.“ Tasius beendete seine Erklärung und sackte förmlich in sich zusammen, ließ seine Schultern sinken, ein Zeichen für Aufgabe und Demut. Er war jetzt bereit, die Buße zu tun für die Strafe, die ihm Julius auferlegen würde. Julius hörte sich dies alles in Ruhe an und ließ seinen besten Freund einfach reden. Mit Vorwürfen würde er jetzt nicht weit kommen. Er war einfach froh ihn gefunden zu haben und das sie wieder vereint waren. Er nahm ihn in den Arm, wie zuvor Tirka.

Genau das erinnerte Tasius auch an die Worte, die Tirka ihm sagte. Schon hatte er wieder Tränen in den Augen.

Julius sprach ihm leise, seinen Kopf über Tasius´ Schulter haltend ins Ohr: „Du musst Cain erzählen, wer du bist. Du machst es mit deiner Lüge nur noch schlimmer. Ich verstehe, dass du dich selbst schützen musstest, aber es wird Zeit, die Wahrheit zu sagen und mit mir nach Hause zu gehen. Dein Vater macht sich ganz sicher sehr große Sorgen. Du dachtest bestimmt, ich sage ihm was geschehen ist. Aber dies habe ich nicht getan und bin dir sofort gefolgt, in der Hoffnung, dich noch rechtzeitig zu finden und umzustimmen."

"Danke Julius!", hörte man Tasius schwach. "Das habe ich bereits getan, ich habe erzählt, wer ich bin ...“

"Ja, Marina hast du es erzählt", unterbrach ihn Julius nun. "Ich hatte Gelegenheit mit ihrem Sohn zu sprechen, er hat mich über deinen Weggang aufgeklärt. Und weißt du, du hast auch dem Jungen sehr weh getan, er liebte dich, sicher ebenso wie ich."

"Auch das habe ich, ich weiß und es tut mir unendlich leid. Aber da gibt es noch etwas, was du wissen solltest", gab Tasius zu.

"Ja, was denn?", fragte Julius nach und sah nun seinem Tasius in die Augen.

"Ich habe mich verliebt."

"Aber das ist doch toll!"

"Nein, das ist es nicht Julius!", widersprach ihm Tasius, der jetzt nicht länger den Blicken seines Freundes standhielt und zu Boden sah, "Ich habe mich in dich verliebt ..."

"Aber das ist unmöglich, ich ...", unterbrach ihn Julius wieder, starrte Tasius an und wollte weitersprechen.

Doch Tasius sah ihm nun doch wieder in die Augen und legte ihm sacht seine Finger auf den Mund: "Ich weiß, es ist unmöglich. Doch es ist so Julius. Schon ziemlich bald, nachdem du mein persönlicher Begleiter und Kampftrainer wurdest, hab ich es erkannt. Ich wollte es nicht wahrhaben, dennoch wuchs meine Zuneigung zu dir unaufhaltsam. Bald sah ich nur noch dich. Ab und an wurde ich mal aus meinen Träumen zurück geholt, nämlich immer dann, wenn du mir von den Mädchen, den Mägden und Zofen und Stubenmädchen erzähltest, was du empfinden würdest und was du dann getan hast in deiner Kammer, wenn du dir Abhilfe verschaffen musstest.

Ich habe mir zunächst auch vorgestellt, wie das wäre und habe mir die Mädchen angesehen. Meine Ammen brachten auch immer Stubenmädchen mit, die mir wohl auch eindeutige Angebote machten. Doch ich fühlte mich nicht dazu fähig, mich darauf einzulassen. Bei dir war das anders, du bist so offen, so frei mit mir umgegangen. Du weißt sicher noch, als wir allein ausritten und im Fluss baden waren, ich hätte dich hinterher wirklich haben wollen. Deine Haut glänzte so in der Sonne, die Wasserperlen spiegelten den Himmel. Deine nassen Haare, dein unglaublich hübsches Gesicht und deine zarten Lippen, die hätte ich berühren wollen, ich war so erregt. Doch dann hast du wieder mit den Mädchen angefangen. Und da wusste ich, dass ich bei dir nie eine Chance hätte. Wie denn auch, und wie sollte das überhaupt gehen. Zwei Jungen. Du würdest mir weggenommen werden, wenn das heraus käme. Lieber wollte ich dich in meiner Nähe, dich immer sehen, dich ab und an berühren, als dich weit weg von mir zu wissen."

Tasius atmete tief aus, Tränen rannen ihm über sein Gesicht. Leute, die vorbei kamen, sahen die beiden nur verständnislos an. Doch keiner der beiden hatte einen Blick dafür, sie waren in einer anderen Welt, weit weg in ihrer Vergangenheit.

Julius war sehr still geworden.

"Auch das war ein Grund, weshalb ich weg wollte, weshalb ich hoffte, du würdest mich begleiten, wir hätten irgendwo zusammen sein können. Leider kam es anders.

Und vielleicht zum Glück. Denn ich hätte dich nicht so haben könne, wie ich gewollt hätte und sieh, du hast deine Tirka, sie ist ein tolles Mädchen. Ich sprach vorhin mit ihr, ich mag sie sehr. Und ihr bekommt ein Kind, ihr werdet eine richtige Familie. Du wirst ein guter Vater und Mann sein, das weiß ich, so haben es deine Eltern vorgelebt haben, du wirst Ihnen alle Ehre machen mein Freund", sprach Tasius weiter.

Schweigend liefen sie, diesmal Arm in Arm wie früher, als beste Freunde weiter.

Dann fuhr Tasius fort: "Als ich hier ankam Julius, war ich etwas abgekühlt, was die Liebe betraf. Du warst nicht mitgegangen, ich musste allein zurecht kommen. Dann hier konnte ich mich verstecken und unter den Mädchenkleidern ging das gleich noch besser. Ich musste nicht so aufpassen erkannt zu werden, die inzwischen langen Haare waren von großem Vorteil. Und, ich brauchte mich nicht mehr vor den Mädchen schützen, die mir unterwegs nachgestellt haben, .... , lache nicht, es ist wirklich wahr!"

"Na eins muss ich dir lassen", reagierte Julius, "in Mädchenkleidern hättest du mich sicher auch rumbekommen ..." Dabei musste er unweigerlich lachen.

"Siehst du", begann Tasius von neuem, musste auch ein wenig grinsen, wurde aber gleich wieder ernst, "aber leider führte das auch zu dem, was dann kam. Ich begegnete Cain. Und es war wie ein Blitz. Er stolperte über mich, berührte mich und schon war es passiert. Ich hab mich zuerst dagegen gewehrt, doch mein Herz wollte es anders. Ich bin ihm verfallen. Dann ging es Schlag auf Schlag. Ich bin sogar vor ihm im Männersachen herumgelaufen. Es war ihm egal. Doch er sah mich als Darina, nie als Tasius, deshalb musste ich ihn verlassen. Ich schrieb ihm einen Brief. Meine Zofe Marina wird ihn heute überbringen. Sie ist eingeweiht. Und ihr Sohn ist vermutlich wie ich. Und er hat sich verliebt, das stimmt, aber ich liebe Cain, doch der wird mich hassen."

Tasius war wieder sehr traurig und Julius hatte Tasius wieder in den Armen, er konnte ihm verzeihen, welch eine verrückte Welt, wie sollte er das nur Tirka erklären, sein bester Freund, ein Prinz, war in ihn verliebt, nun ist er unglücklich verliebt, auch in einen Prinzen. Das hatte die Welt noch nicht erlebt. Und Marinas Sohn auch verliebt in Tasius. Jetzt verstand er auch, wie dieser seinen Satz nach der Begegnung mit dem Stubenmädchen im Palast über das ´Gerede´ gemeint hatte. Armer Tasius, armer Cain, armer kleiner Diener.

"Tasius mein Lieber", begann Julius vorsichtig. "Ich kann dir nicht böse sein, ich möchte, dass du mir verzeihst, dass ich nicht da war, als du mich dringend brauchtest.

Du bist mein allerbester Freund, egal was war oder ist oder kommen wird, ich werde dir beistehen. Ganz gewiss! Und trotz der langen, vergeblichen Suche, ist es ein Glück dich hier und vor allem gesund zu finden, ich bin so froh dich wiederzuhaben“, mit einem Ausbruch von Erleichterung umarmte Julius seinen Freund Tasius noch fester und schlug ihn ein paar mal mit der Hand auf den Rücken. Dann sahen sie sich in die Augen. Ihre Münder näherten sich und setzten sich aufeinander. Es wurde ein ganz zarter Kuss. Ein Kuss von ganzem Herzen, aber nicht mehr.

Sie beide spazierten noch eine Zeit lang zusammen durch die jetzt langsam erwachende Stadt. Die Menschen hatten die letzten Tage ausgelassen gefeiert, immer mehr liefen durch die Straßen und fanden nun zu ihrem Tagwerk zurück. Julius und Tasius erzählten sich ein paar ihrer Abenteuer. Julius erzählte von Tirka, wie er sie kennenlernte und was sie alles zusammen durchgestanden hatten: „Und jetzt ist sie guter Hoffnung, Tasius ich werde Vater. Ist das nicht eine wundervoll? Und wenn wir zurück in Aurelias sind, möchte ich sie zu meiner Frau nehmen und du wirst der Pate meines Kindes, bitte“.

Tasius war sehr gerührt von Julius´ Angebot, doch noch etwas bedrückte ihn: „Ich werde der Pate deines Kindes und wenn ihr beide es wollt, aller eurer Kinder, versprochen. Doch würdet ihr mich heute mitnehmen? Ich habe von Tirka erfahren, dass ihr aufbrechen wollt. Auch ich möchte das. Nur sollten wir sofort los, denn wenn Cain von meinem Verschwinden erfährt, wird er sicher erzürnt sein. Schon einmal konnte ich seinen Zorn erleben, doch da beschützte er mich. Aber ich möchte ihm nicht als sein Feind begegnen."

"Natürlich, werden wir dich mitnehmen, deshalb sind wir doch bis hierher gekommen. Wir brechen sofort auf. Schau, da ist schon das Haus!"


Im Palast erwachten die Bewohner auch inzwischen. In der Palastküche wurde das Morgenmahl bereitet und schon in den Saal getragen.

Marina betrat, wie jeden Morgen das Gemach Ihrer/Ihres ... Tasius. Doch diesmal war es leer. Ihr Sohn, der junge Diener hatte sie schon über das Gespräch mit Julius informiert. Auch über die Peinlichkeit in der Wäschekammer. Sie hatte zuerst etwas lachen müssen, dann aber auf den traurigen Blick hin ihrem Liebling beigestanden und gemeint, dass es eine gewisse Art von Vorwarnung wäre, für die anderen. Denn wenn er tatsächlich irgendwann jemanden finden würde, mit dem er zusammenkäme, dann wären die anderen schon vorgewarnt und wären nicht so vor den Kopf geschlagen. Er sollte sie doch einfach reden lassen. Sich dagegen zu wehren, würde nur noch mehr Gerede schaffen.

Marina entdeckte den Brief auf Tasius Bett, sie hatte sich geschworen, ihn ab sofort bei seinem Namen zu nennen, wenn das Gespräch auf ihn käme. Es würde ihr sowieso niemand abnehmen, dass sie nichts bemerkt haben würde, so nah sie ihm die ganze Zeit war. Im Gegenteil, es würde ihr sicher sogar Anerkennung bringen, denn sie konnte schweigen und man konnte sich auf sie voll verlassen. So hatte alles auch seine guten Seiten.

Marina nahm den Brief, musste schmunzeln, als sie das Siegel sah, und trug diesen zu Cain, in den großen Saal. Sie überreichte ihrem König den Brief mit nur einem Satz: „Es tut mir schrecklich Leid, eure Hoheit“. Dann wandte sie sich ab und ging.

Cain hielt den Brief fragend in der Hand. Was würde ihn jetzt erwarten? Er war gespannt was darin stehen würde.

...

Zur gleichen Zeit waren Tasius und Julius bei dem Haus angekommen, Tasius hatte gute Arbeit geleistet, es sah richtig hübsch vor diesem aus. Nun war es soweit, dem Haus Lebewohl zu sagen. Tirka hatte alles beisammen, reichte es den Jungs. Das Tasius sie begleiten würde stand für sie seit ihrem Gespräch außer Zweifel. Sie schulterten ihre Säcke, doch Tasius wusste, er hatte noch etwas im Haus gelassen, ohne dieses wollte er nicht los. Er lief hinein zu dem Schrank mit dem Geheimgang und holte sein geliebtes Schwert hervor. Tirka und Julius standen vor dem Haus und warteten auf ihren Freund. Als Tasius wieder zurückkam, zeigte er lächelnd sein Schwert. Julius erkannte es sofort und nickte. So verließen die drei zügigen Schrittes diesen Ort und die Stadt.

Unterwegs schaute Tasius noch einmal zurück, zum Palast. Es schmerzte ihn sehr, seinen Cain so zurückzulassen: „Ich hoffe du verzeihst mir und verstehst mich. Ich danke dir für alles und ich werde dich nie vergessen!“

Julius bemerkte, wie es seinem Freund zumute war, er legte eine Hand um seine Schulter und begleitete ihn hinaus in die Ferne, zurück in die Heimat.

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