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Der Weihnachtsmann trägt Regenbogen

Teil 2

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Informationen

 

Als sie mit ihrem Auto auf ihre Auffahrt fahren wollten, merkten sie, dass diese schon von einem Monstrum von Wohnmobil blockiert wurde. Das Wohnmobil war so groß, dass es schon einem LKW glich. Dieser LKW von Wohnmobil half Peter kurz seine Gedanken an die bunten Weihnachtsmänner und den süßen Elfen namens Kai mit diesen wundervollen, himmelblauen Augen zu verdrängen. Ja, Peter konnte nur noch an diese Augen denken. Sie leuchteten immer noch in Peter’s Kopf.

Peters Mutter musste das Auto an den Straßenrand stellen und alle drei mussten die unzähligen Tüten von den Einkäufen von Peter‘s Mutter ins Haus schleppen. Es dämmerte schon und ein leichter Wind brachte Peter dazu zu zittern.

Kaum hatten sie die Haustüre aufgeschlossen, sind einen Schritt ins Haus eingetreten und wollten gerade die Einkäufe abstellen, kam auch schon Peter‘s Großmutter in die Diele um sie zu begrüßen.

„Halli Hallooo!“, tönte sie fröhlich und kam auf uns zu gewatschelt. Ja, sie lief nicht, sie watschelte. Sie hielt eine Zigarre in der linken Hand. Sie beugte sich runter zu Raik und kniff ihn mit der rechten Hand in die Wange, so wie es wohl alle Großmütter tun. Raik machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Peter mochte seine Großmutter, doch er fand nie etwas weibliches an ihr. Sie lief wie ein Kerl, sie saß wie ein Kerl - die Beine weit auseinander, statt überschlagen, auch wenn sie Röcke trug - und sie redete wie ein Kerl. Ordinär und ohne Rücksicht auf Verluste. Egal ob sie mit ihren Aussagen jemanden beleidigen oder gar verletzen könnte.

Peter schaute vom Flur aus in das Wohnzimmer, wo der Esstisch schon gedeckt war. Mit dem besten Geschirr und Kerzen standen überall und erhellten den Raum in einem warmen Licht. Jetzt konnte er seine große Schwester und seinen Vater sehen, die diskutierend vor dem Baum standen.

„Ich bin für rote Kugeln und goldenes Lametta.“, sagte Peter’s Schwester.

„Das hatten wir doch die letzten Jahre schon, was hälst du von blauen Kugeln und silbernes Lametta?“

„Das ist doch nicht weihnachtlich Paps. Zu Weihnachten gehören warme und gemütliche Farben.“

„Blau ist doch eine gemütliche Farbe!“

„Blau ist eine schöne Farbe, ja, aber nicht zu Weihnachten! Blau sieht aus wie in einem OP, und dort bin ich schon oft genug im Jahr drinne, das brauche ich nicht an meinen freien Stunden.“ Jetzt merkte man, dass Peter’s Schwester das letzte Wort hatte, da sie jetzt stumpf rote Kugeln an den Baum hing.

Auch Raik hatte jetzt seine große Schwester gesehen und rannte mit seinem nassen Winteranzug ins Wohnzimmer. Peter konnte seine Mutter seufzen hören, weil Raik seine dreckigen Schuhabdrücke auf dem hellen Teppich hinterließ.

„Will auch schmücken!“, rief er vergnügt.

„Hallo Raik!“ Seine Schwester kniete sich zu ihm herunter und drückte ihm eine Weihnachtskugel in die Hand.

Peter fand, dass Raik aussah wie ein Michelin-Männchen, als er die rote Kugel an einen der unteren Äste hing. Es war ein lustiges Bild, wovon er gerne ein Foto gemacht hätte.

Nachdem sie Raik in die Wange gezwickt hatte, wandte Großmutter sich zu Peter. Auch ihm wollte sie in die Wange kneifen, doch er war kein Kind mehr, so wie Raik, welcher es noch mit sich machen ließ.

„Lass das Oma“, sagte er genervt und schlug ihre Hand weg. Peter musste husten, als sie vor ihm stand mit der Zigarre im Mund. Sie ließ sich nicht davon beeindrucken und musterte ihn nur mit einem Schmunzeln im Gesicht, um sich dann ihrer Schwiegertochter zuzuwenden. Sie nahm einen Zug von ihrer Zigarre und leckte sich mit ihrer Zunge die Lippen, so wie sie es immer tat. Peter fand, dass ihr Mund immer aussah wie eine Rosette. Schlimm wird’s dann auch noch, wenn sie knallroten Lippenstift trägt.

„Man siehst du scheiße aus, mein Sohn hat echt was Besseres verdient!“ Peter’s Mutter stöhnte und seufzte als sie die Tüten vor ihren Füßen absetzte.

„Danke Mutter, ich finde dich auch sehr sexy…“ Meine Oma gab ein leises Kichern von sich, sie mochte ihre Schwiegertochter noch nie besonders und gab ihr das jedes Mal zu spüren.

„Was heißt säxy, Mama?“, rief Raik aus dem Wohnzimmer.

„Frohe Weihnachten“, raunte sie Peter leise zu und ging ins Wohnzimmer, gefolgt von seiner Großmutter. Peter nutzte die Chance, rannte die Treppe hinauf und verkroch sich in sein Zimmer. Er hatte echt keine Lust darauf mit seiner schrägen Familie abzuhängen.

„Kein Grund zu Danken, Liebes. Dein Schwiegervater und ich haben gerne alles das gemacht, wofür du einfach keine Zeit mehr hattest…“ Peter machte die Tür von seinem Zimmer hinter sich zu. Er hatte keine Lust auf Weihnachten. Er hatte keine Lust auf Familie. Er wollte nur alleine sein.

In seinem Zimmer, schaltete er seine Playstation an. Während die Spielekonsole hochfuhr, entledigte er sich von seinem Schal, seinen Handschuhen, seiner Mütze und letztendlich auch seinem Wintermantel. Er schaltete das Spiel an. Auf dieses Spiel hatte er seit langem endlich mal wieder Lust. Wild herum zu schießen. Peter setzte sich auf sein Sofa und startete sein Spiel.

Auf einmal klopfte es an seiner Zimmertür. Seine Schwester schaute herein, ohne ein Herein abzuwarten.

„Es geht gleich in die Kirche, kommst du?“

„Wir wollen in die Kirche?“ Peter schaute gelangweilt und genervt zu ihr herüber.

„Ja, so wie jedes Jahr. Glaub mir, ich hab genauso wenig Lust darauf wie du.“

„Ich komme nicht mit!“ Genervt ließ seine Schwester ihre Schultern fallen und machte leise die Tür zu.

„Mensch Peter, hab dich nicht so. Willst du hier den ganzen Abend versauern?“

„Keine Angst, ich hole mir heute Nacht heimlich eine Wurst aus der Küche, das müsste reichen!“ Peter grinste.

„Du kommst also nicht mit.“ Peter schüttelte den Kopf und schaute dann wieder auf den Fernseher, wo er weiter Frauen mit wenig Stoff mit schnellen Autos überfuhr.

„Stört es dich, wenn ich nochmal meinen Freund anrufe? Hier habe ich wenigstens Ruhe vor den anderen“, sagte sie seufzend.

„Wie ist er denn so?“, fragte Peter.

„Wer?“

„Wer wohl? Der Verrückte, der so mutig war, sich auf dich einzulassen“, grinste Peter.

Gespielt beleidigt, streckte Elinor ihm den Stinkefinger hin, zückte dann ihr Handy, tippte kurz darauf herum und hielt es sich dann ans Ohr.

Peter konnte hören, wie die Mailbox ranging.

„Schatz, ich versuch dich schon seit Stunden zu erreichen. Ich bin schon bei meinen Eltern, die denken jetzt bestimmt du hast mich verlassen! Wäre schön, wenn du noch hier her kommst.“

Elinor steckte ihr Handy wieder in ihre Hosentasche.

„Also ich denke es nicht?“ Genervt schaute Elinor zu ihrem zockenden Bruder hinüber, der das einseitige Gespräch mitbekommen hatte.

„Was denkst du nicht?“

„Ich denke nicht, dass er dich verlassen hat!“

„Echt?“

„Ja, ich weiß es!“ Peter grinste. Augenblicklich blickte Zorn und auch Traurigkeit in dem Gesicht seiner Schwester auf. Sie verließ sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

„Warum kommt er dann nicht und meldet sich nicht mal?“, rief Peter ihr hinterher. Doch es kam keine weitere Reaktion ihrerseits.

Ein paar Minuten später hörte Peter wie alle zum gemeinsamen Kirchengang aufbrachen. Peter war allein und das an Heiligabend. Er war froh. Sowieso war Peter kein Gruppenmensch, kein Rudeltier. Eher ein Einzelgänger. Er genoss es für sich allein zu sein und seine ganz eigenen Gedanken zu einem riesigen Netz, zu einer eigenen Welt zu spinnen.

Peter stand nochmal von seinem Sofa auf um aus der Schublade an seinem Schreibtisch eine Tüte Chips zu holen. Chips gehen immer und Peter weigerte sich, auch nur ein Lebkuchenherz zu essen, von dem Teller, den seine Mutter ihm zu den Festtagen ins Zimmer gestellt hatte. Das einzige was er gegessen hatte, war alles was aus Schokolade bestand. Aus reiner Schokolade. Denn die isst man ja auch im Sommer. Aber wo Marzipan, Zimt oder Lebkuchen enthalten war, davon ließ er schön die Finger. Igitt.

In der Schublade lag allerdings auch noch eine Flasche Glühwein, ohne Etikett. Er wollte an einer Flasche Glühwein an Weihnachten erinnert werden. Ohne Etikett und dadurch, dass der Wein nicht heiß war, war es nichts anderes als stinknormaler Rotwein. Die Flasche hatte er sich letztens eines Nachts gezottelt, als er nicht schlafen konnte. Er beschloss, ein paar Schlucke daraus zu nehmen. Ist zwar nicht warm aber was solls, dachte er sich; ohne Alkohol –oder Alohol wie seine Großmutter wohl in den nächsten Stunden lallen wird, werden diese Festtage wohl nicht zu ertragen sein.

Schließlich ließ sich Peter wieder vor seiner geliebten Spielekonsole auf das Sofa fallen. Die Flasche Wein und die Tüte Chips neben sich und versank in seiner ganz eigenen Spielwelt, wo er Prostituierten und anderen Leuten zeigte, wer der Boss ist.

Mit einem Mal fiel ihm wieder sein Traum ein, und er wusste nicht warum. Er pausierte sein Spiel und kniff seine Augen zusammen um diese scheußlichen regenbogenenfarbenen Mäntel aus dem Kopf zu kriegen, die ihn jetzt schon den ganzen Tag verfolgten.

Letzte Nacht hatte Peter geträumt, dass der Weihnachtsmann schwul und eine richtige Tunte ist. Alles an ihm war Regenbogen. Seine Mütze, sein Mantel, sogar sein Brillengestell. Peter hatte auch geträumt, dass der Weihnachtsmann und der Osterhase ein Paar waren. Es war ein skurriler Traum. Noch ein Grund mehr, sich ein paar Schlucke Alkohol zu genehmigen, um die Gehirnzellen, die diesen Traum wie eine Geisel in ihrer Gewalt hatten, zu vernichten.

Beherzt nahm Peter sich die Flasche in die Hand und trank ein paar Schlucke daraus. Das warme Gefühl des Alkohols machte sich in seinem Hals breit. Ein wohles Gefühl.

Auf einmal fiel Peter auch wieder der Weihnachtself ein. Der mit den hellblauen Augen und dem süßen, grünen Outfit. Kai.

Kai war allerdings kein Traum. Obwohl er echt hätte einer sein können. Bei seinem schönen Anblick. Moment, was dachte er da nur wieder. Hatte er Kai in seinen Gedanken schon wieder angehimmelt?

Sofort machte sich ein warmes und angenehmes Gefühl in seinem Bauch breit. Er hasste zwar den Ausdruck, wenn ein verliebter Teenager in einer Liebeskomödie sagte, dass sie Schmetterlinge im Bauch hätte, doch er stimmte. Nun ja fast.

Peter hatte eher Schmetterlinge in der Lendenregion. Seine Schmetterlinge wurden immer aktiver umso mehr er an diese unwiderstehlichen Augen dachte.

Peter legte seinen Controller zur Seite und legte sich auf sein Bett und schloss die Augen. Seine Hand ließ er auf seiner Hose liegen. Nach ein paar Sekunden fing er an, seine immer schneller größer werdende Beule zu massieren. In diesem Augenblick war er echt froh alleine im Haus zu sein. Keiner da der ihn hörte, er konnte so laut sein, wie er wollte.

Das Gute an Masturbation war ja, dass die Gedanken keiner kennen konnte, wenn man sie nicht äußerte. Man kann sich seine eigenen Fetische eingestehen, auch wenn sie einem skurril vorkommen. Aber wenigstens im Kopf darf man doch so Sex haben, wie man es gerne möchte, oder? Ist doch egal ob man an den eigenen Sportlehrer denkt, oder sich Oralsex mit dem süßen Nachbarsjungen vorstellt.

Nachdem Peter seine Lust befriedigt hatte, ging er wieder stumpf an seine Playstation und ballerte rum was das Zeug hielt.

Auf einmal, als er beschäftigt war, eine Militärstation zu stürmen, hörte er, wie seine Sippe von Familie wieder nach Hause kam. Wie lange hatte er masturbiert?

Sein Großvater betrat sein Zimmer ohne ein Klopfen oder sonst etwas. Sofort hatte Peter das Bedürfnis noch einen Schluck vom Rotwein zu trinken.

Auch sein Großvater rauchte, genauso wie seine Großmutter. Lediglich ein Stummel glühte an seinem Mund, als er daran zog. Peter hatte ihn noch nie ohne Zigarrenstummel gesehen. Es war immer ein Stummel. Nie eine ganze Zigarre. Er schaute ihn etwas irritiert an, doch dann kam er auf ihn zu.

„Na mein Sohn?“ Peter’s Großvater ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen und klopfte ihm auf die Schulter, sodass er noch stärker husten musste. Doch das Gefühl vom Verschlucken war weg.

„Danke!“, keuchte Peter.

Er spürte wie sein Großvater väterlicherseits ihn musterte.

„Bist du so im Weihnachtsfieber?“, fragte er. Peter konnte nicht erkennen, wie er diese Frage gemeint hatte.

„Wie bitte?“ Sein Großvater deutete mit seinem Kopf auf seine feuerroten Haare. Peter grinste.

„Ach so die, ich hatte da Bock drauf. Sieht doch gut aus.“ Sein Großvater zog an seinem Stummel und verzog das Gesicht. Er pustete den Rauch aus und meinte:

„Ihr Jugendlichen und eure Verstümmelungen.“ Peter schaute ihn irritiert an. Er hatte eigentlich keine Lust auf dieses Gespräch. Wie oft musste er sich schon von seinen Eltern anhören, dass er doch aufhören soll, Sachen zu machen, die er später garantiert bereuen wird.

Um den unangenehmen Äußerungen seines Großvaters zu entgehen, bot er ihm lieber etwas von dem Wein an, indem er sie mit fragendem Gesicht in den Händen hielt. Sein Großvater nickte und Peter stand auf, um zwei Plastikbecher aus seiner Schreibtischschublade zu holen. Er schenkte ihnen ein und stellte die Flasche ab.

„Auf Weihnachten“, prostete Peter’s Großvater ihm zu.

„Auf Weihnachten“, seufzte Peter. Dann stießen sie die zwei Plastikbecher aneinander, was irgendwie erbärmlich klang. Peter kippte den Wein in einem Ruck runter. Inzwischen hatte er sich an das Gefühl gewöhnt und genoss es.

Sein Großvater grinste, als er mit trinken fertig war und den leeren Becher in Peter’s Händen sah.

„Fang ja nicht das Saufen an!“, scherzte er, dann griff er die Flasche und goss sich noch etwas ein. Er trank den Becher auch in einem Zug aus, um sich danach seinen Stummel von Zigarre wieder in den Mund zu stecken. Er zog daran und die Spitze glühte.

„Was ist das für ein Loch in deinem Ohr?“ Etwas irritiert sah Peter seinen Großvater an. Er wusste nicht was er meinte, bis er sich ans Ohr fasste.

„Das nennt man Tunnel.“

„Das nennt man Verstümmelung.“

„Nein, man nennt es praktisch, da passt genau eine Zigarette rein.“

„Ach mit Rauchen fangen wir auch noch an?“ Peter seufzte und schenkte sich noch was ein, um auch diesen Becher in einem Zug zu leeren. In der Flasche war nur noch ein kleiner Tropfen. Wenn das so weiter geht, muss ich mir wohl selber noch ein paar Flaschen besorgen um die Feiertage zu überstehen, wenn auch nicht unbedingt nüchtern, dachte Peter.

Auf dem Couchtisch vor ihnen, lag seine Schachtel Zigaretten, und daneben sein Aschenbecher. Peter wusste nicht, seit wann seine Mutter wusste dass er rauchte, aber eines Tages stand ein schlichter schwarzer Aschenbecher auf seinem Schreibtisch, mit einer Notiz daran, die offensichtlich die Handschrift seiner Mutter trug:

Heimlich rauchen ist armselig, und außerdem machen die Pflanzen das nicht mehr lange mit, wenn du die Stummel in den Blumentöpfen versteckst.

„Als ich deinen Hosenscheißer von Vater mal beim Rauchen erwischt hatte, habe ich ihn gezwungen eine ganze Zigarre auf zu rauchen. Da war er ungefähr 14.“ Peter zündete sich seine Zigarette an.

„Mein Vater hat mit 14 schon geraucht?“, grinste Peter.

„Oh ja, und danach nie wieder. Nach dieser Zigarre ging es ihm schlecht, ich sag es dir. Diese Lektion hätte er dir lieber auch mal erteilt.“

„Ich bin nicht 14, sondern schon 21, ich kann machen was ich will.“ Provokant trank Peter noch den letzten Tropfen direkt aus der Flasche, ohne sich die Mühe zu machen ihn sich noch in den Becher einzuschenken.

„Schlimm genug, dass du immer noch deiner Mutter am Rockzipfel hängst.“ Das reichte Peter. Er klemmte seine Hand unter sein Bein und ballte sie dort zur Faust.

„Entschuldigst du mich bitte, ich muss mal kurz auf den Schlitten.“ Peter stand auf und stürmte aus seinem Zimmer, Richtung Badezimmer.

In dem Moment, als er die Badezimmertür öffnen wollte, knallte er gegen die Tür.

„Besetzt!“, schrillte es aus dem Bad. Peter hörte wieder leise wie Jingle Bells lief. Peter schlug mit seiner Faust ein paar Mal auf die Badezimmertür ein.

„Verdammt Raik, lass dir doch ein Scheißhaus in deinem Zimmer einbauen!“

„PETER!“ rief es hysterisch von unten. Seine Mutter.

„Schon gut Mutter!“, rief Peter leicht gereizt nach unten. Dann drehte er sich um, um wieder in sein Zimmer zu gehen. Da fiel ihm ein, dass dort doch sein Großvater sein Unwesen trieb. Peter atmete nochmal tief durch und öffnete danach die Tür. Am liebsten hätte er sie jedoch sofort wieder geschlossen.

Sofort stieg Peter’s Puls in die Höhe und er bekam Schweißausbrüche. Sein Großvater, mit glühendem Zigarrenstummel im Mund, schaute von einer seiner Schwulenzeitschriften, die er unter seinem Bett versteckt hatte, zu ihm hoch und guckte Peter mit großen Augen an.

Er hatte sie unterm Bett versteckt. Nur nach dem Masturbieren, hatte er vergessen, sie wieder unters Bett zu tun. Dämlich, dämlich, dämlich!

Peter bekam keinen Ton heraus. Er konnte sich auch nicht bewegen, geschweige denn denken. Er stand einfach nur da. Er war definitiv in einem Schockzustand, aus dem er erst nach ein paar Sekunden wieder raus kam.

Ohne etwas zu sagen, riss er seinem Großvater die Zeitschrift aus den Händen. Stopfte sie in seinen Rucksack, der auf seinem Bett lag. Den schulterte er sich über, dann nahm er seine Jacke, seinen Schal, seine Mütze und seine Handschuhe. Dann drehte er sich um und verließ sein Zimmer, um gleich danach in der Tür stehen zu bleiben, denn was sein Großvater nun sagte, ging ihm durch Mark und Knochen. Peter hatte zwar einen schlagfertigen Charakter, doch dagegen konnte er nicht an stinken.

„Wusstest du, dass man welche wie dich damals gejagt und vernichtet hat?“ Peter blieb in der Türe stehen. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn.

Dann rannte er die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, ein bisschen schwankend, was bei den Mengen Alkohol, die er heute schon getrunken hatte, auch irgendwie kein Wunder war.

Im Wohnzimmer saßen seine Großmutter und seine Mutter am feierlich gedeckten Wohnzimmertisch, zwischen ihnen stand eine Flasche fast voller Wein.

Gott sei Dank, dachte Peter. Er hörte nur wie seine Großmutter sagte, was sie fast alle 2 Minuten sagte:

„Ist das geil oder ist das geil?“

„Das ist voll geil“, sagte seine Mutter gelangweilt, und trank einen Schluck Wein, als sie Peter bemerkte. Sofort saß sie gerade und funkelte ihn wütend an.

„Peter“, zischte seine Mutter; „wennn du noch einmal mit Raik so redest…“ Mehr sagte sie nicht, denn sie war überrascht, dass Peter die Flasche Wein griff und einen großen Schluck daraus nahm. Als er die Flasche absetzte, bemerkte er Raik, der weinend auf dem Schoß seiner Mutter saß, welche ihm zärtlich den Kopf streichelte.

Erst jetzt merkte seine Mutter, dass mit Peter etwas nicht stimmte. Der Schweiß auf seiner Stirn, er war klatschnass. Seine Augen traten hervor und er atmete laut hörbar schwer.

„Peter, was ist los mit dir?“, fragte sie besorgt. Sie hatte aufgehört den Kopf ihres Jüngsten zu streicheln.

Peter wollte nichts sagen, er wollte sie auch nicht ansehen. Er wollte nur noch weg von hier. Er drehte sich um, um zu gehen. Doch da stand sein Großvater und guckte ihn verachtend an.

Dreckiges Pack“, hörte Peter ihn zischen. Peter wandte sich doch noch einmal seiner Mutter und seiner Großmutter zu. Er wollte nicht, dass sie es von diesem alten Sack erfuhren. Er wollte es ihnen selber sagen. Er atmete tief durch und sagte dann, mit unerwartet ruhiger Stimme:

„Mama, herzlichen Glückwunsch. Dein Sohn ist schwul. Dein Sohn steht nicht auf Frauen, sondern schaut sich lieber Männer an, die sich gegenseitig hart in den Arsch ficken. Ich werde nie eine Möse lecken, sondern nur Schwänze!“

Keiner sagte etwas. Auch seine Mutter rastete nicht aus, wegen dieser ordinären Ausdrucksweise, sondern saß einfach nur ruhig da. Selbst Raik hatte aufgehört zu weinen und schaute Peter mit großen Augen an.

Peter‘s Vater, mit einer Schürze um den Hals, welche für das Würstchen kochen echt ein wenig überflüssig war, trug eben diese in einem Topf ins Wohnzimmer, als er realisierte, was sein Sohn gerade gesagt, beziehungsweise mehr gebrüllt hatte. Lediglich seine wackelnde Weihnachtsmütze bewegte sich auf dem Kopf, ansonsten war alles ruhig.

Auf einmal sah Peter auch seine Schwester, die den Kopf aus der Küche streckte. Auch sie starrte ihren jüngeren Bruder fassungslos an. Aber wohl mehr wegen der Ausdrucksweise und nicht wegen der Neuigkeit selbst.

Peter drehte sich um und ging an seinem Großvater, nicht ohne ihn anzurempeln, vorbei in die Diele und riss die Haustür auf.

Auf einmal hielt Peter’s Großvater ein Poster oder so etwas ähnliches hoch. Es zeigte einen Kerl der, außer einer in regenbogenfarbenen Weihnachtsmütze, nichts anhatte.

„Ihr könnt mir nicht sagen, dass Peter sich nicht auf Weihnachten gefreut hatte.“

Peters Mutter hielt Raik ihre Hände vor die Augen. Stinksauer riss Peter das Poster aus Großvaters Händen. Hämisch grinste er Peter an.

„Scheiß Schwuchtel!“, zischte er ihm zu, so dass kein anderer es hören konnte.

Überraschenderweise fand seine Großmutter zuerst ihre Sprache wieder.

„Ist das geil oder geil?“, rief sie fett grinsend und hob wie zu einem Tost ihr Weinglas.

„Das ist voll geil!“, schrie Peter und knallte die Tür so fest zu, dass das Familienporträt neben der Eingangstür zu Boden fiel und zerbrach.

Vor der Haustür zog er sich schnell seine Sachen an, dann lief er los. Peter lief. Er lief, lief und lief. Hauptsache weg. Erst als er ein paar Straßen weiter weg war, lief er etwas langsamer. Da merkte er auch, dass er immer noch die Flasche Wein, vom Wohnzimmertisch, in den Händen hielt. Er nahm wieder einen großen Schluck und das wohlige, warme Gefühl des Alkohols in seinem Hals beruhigte ihn. Erst jetzt konnte er tief durchatmen.

Peter merkte, dass es in seiner Hose vibrierte. Sein Handy klingelte in seiner Hosentasche. Auf dem Display leuchtete ein Bild von seiner Mutter auf. Und darunter ein grüner Button, um den Anruf anzunehmen und daneben ein roter Button um den Anruf wegzudrücken. Er drückte ihn weg. Danach schaltete er sein Handy auf stumm. Er wollte erstmal nichts mehr hören.

Peter fühlte sich einsam wie er so durch die Straßen ging. Alle Geschäfte hatten nun zu. Nur noch die Schaufensterbeleuchtungen bestrahlten Geschenke, die man zum heiligen Abend nun nicht mehr kaufen konnte.

Er kam am Einkaufszentrum vorbei. Auch das hatte zu. Nur noch die Werbetafeln leuchteten, sowie die Weihnachtsdeko, welche Peter jetzt am liebsten hinunter gerissen hätte. Scheiß Weihnachten, dachte er. Scheiß Weihnachten. Er hatte dieses Fest schon immer gehasst, doch dieses Jahr verfluchte er es.

Hieß es nicht, es ist das Fest der Liebe und Familie? Welche Familie, sie kamen ihm ja nicht mal hinterher, um ihn zu suchen. Wie erbärmlich.

Während Peter so über den Parkplatz lief, kickte er immer und immer wieder eine Konservendose vor sich her.

Peter setzte sich seufzend auf eine Bank, die auf dem Parkplatz stand, welche von einer einsamen Laterne beleuchtet wurde. Das ist also Weihnachten, dachte er; von allen verlassen und verraten auf einer Bank zu sitzen und Rotwein zu trinken. Happy Birthday Jesus! Wie seine Großmutter hob jetzt auch Peter, wie zu einem Tost, die Flasche und schrie aus voller Kehle, in der Hoffnung, dass ihn ja wohl sowieso keiner hören würde: „IST DAS GEIL; ODER IST DAS GEIL?“

Peter wurde bewusst, wie erbärmlich das war und ließ seinen Arm wieder sinken, sowie seinen Kopf. Er schloss sie Augen und begann zu weinen. Bitterlich und zu kläglich, dass er froh war, dass keiner in seiner Nähe war. Jetzt wollte er tatsächlich allein sein, und sich so richtig ausweinen. Was ihm fehlte, war allerdings eine Schulter, an die er sich lehnen konnte und vielleicht sogar noch ein Arm, welcher vielleicht um Peter’s Schultern gelegt worden wäre.

Plötzlich merkte Peter, dass sich jemand neben ihn auf die Bank setzte, jemanden den er kannte, und an den er heute Mittag noch gedacht und in Gedanken ausgiebig vernascht hatte…

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