zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Das fängt ja gut an

Teil 2

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

So, hier ist also der zweite Teil der Geschichte, viel Spaß beim lesen. Ich möchte vorher noch Thomas, der mir mit seinen Ratschlägen kräftig zur Seite stand, danken und natürlich auch Nick, der das Ganze ja überhaupt erst möglich macht. Danke !!!

Sammy

8. KAPITEL - Stars

Als ich das Zimmer betrat, lag Tim auf seinem Bett, das Gesicht in einem Kissen vergraben. Irgendwie machte er auf mich einen sehr traurigen Eindruck. Ich dachte eigentlich, dass ihm der Streit vorhin nicht ganz so viel ausmachte, aber ich hatte mich wohl getäuscht.

»Hey, Tim, so schlimm war es doch auch nicht, oder?«

»Ach, Sammy, was weißt du schon.«

»Wieso, was weiß ich denn nicht.«

»Kann ich dir das sagen, ich kenne dich doch kaum.«

»Hey, du kannst mir alles sagen, ich will dir ein Freund sein, und einem Freund erzählt man doch alles, nicht wahr?«

»Ja, aber es ist nicht so einfach, ich ... nein, ich glaube, das versteht keiner.«

»Wenn du nicht sagst, was dich bedrückt, dann kann es auch keiner verstehen.«

»Ich kann das nicht, nicht hier.«

»Sollen wir an den Strand gehen.«

»Gut, ich brauche etwas frische Luft.«

Wir zogen uns schnell noch Schuhe und Jacken an, denn mittlerweile war es doch deutlich kühler geworden und gingen Richtung Strand. Tim ging mit hängendem Kopf voraus und sagte kein Wort. Auch ich hielt es für besser zu warten, bis er das Schweigen brach. Als wir etwas vom Haus entfernt waren, drehte ich mich kurz um und sah Mike an seinem Fenster, wie er zu den Sternen blickte.

Wir setzten uns direkt vor das Wasser und Tim starrte die leichte Brandung an. Nach einer Ewigkeit, oder zumindest kam es mir so vor, blickte er zu mir und begann mit zitternder Stimme zu reden.

»Also, ... was ich sagen will, ... als du so mit ... Mike im Pool, ... da habe ich ... na ja, irgendwie hätte ...ich ... auch gerne ... jemanden geküsst.«

»Hast du denn keine Freundin?«

»Nein, will ich auch gar nicht.«

»Hä? Ich dachte du willst auch jemanden.«

»Das schon, aber kein Mädchen.«

»Sondern?« Oh Gott, ich saß aber ganz schön auf der Leitung.

»Einen Jungen. Ich bin auch schwul.«

»Ja und, wo ist das Problem?«

»Ich trau mich nicht mit meiner Familie darüber zu reden. Ich kann ihnen das nicht sagen, sie würden es nicht verstehen.«

»Und warum nicht, mit Mike haben sie doch auch kein Problem.«

»Ja, aber bei mir ist da anders. Mike war schon immer ihr Liebling und überhaupt.«

Da hatte wohl jemand den ‚Mein Bruder ist was Besseres‘-Komplex. Gott sei Dank bin ich ein Einzelkind. Da hat man solche Probleme nicht, wobei, ich habe immer gedacht, die Eltern meiner Freunde wären netter und erlaubten ihren Kinder alles, aber man kann sich ja vieles einbilden. Und wie heißt es doch so schön ‚Einbildung ist auch eine Bildung‘.

»Aber warum sollte das denn so sein, so wie ich deine Eltern einschätze, lieben sie euch alle und werden das auch immer tun, egal was kommt.«

»Vielleicht hast du recht.«

»Sicher habe ich recht, also, wenn ich du wäre würde ich es ihnen so schnell wie möglich sagen. Ach, sag mal, hast du denn schon einen süßen Boy in Aussicht?«

»Nein, noch nicht.«

»Wie sollte er denn sein?«

»Also, er sollte auch in meinem Alter sein, sollte kurzes, dunkles, leicht gewelltes, hellbraunes Haar haben, leuchtend grüne Augen, eine zierliche Nase, kleine Ohren, eine erotischen Kussmund, etwas kleiner als ich sollte er sein, also so etwa 1.80 m, beim Lachen sollte er Grübchen haben, er sollte keine zu großen Füße haben so etwa Größe 43, aber höchstens, sollte schlanke Hände ...«

Er wusste wirklich genau, wie er aussehen sollte und auch sein sollte. Nach etwa einer Stunde war er dann auch fertig. Wenn er diesen Menschen jemals treffen sollte, der genau seinen Vorstellungen entspricht, dann hätte er wirklich die berüchtigte Stecknadel im Heuhaufen gefunden.

»... und dann sollte er auf jeden Fall noch leicht behaart sein, also ich meine er kann gerne etwas Brustbehaarung haben, aber am Rücken sollte kein einziges Haar sein.«

»Ist das alles?«

»Ja, oder habe ich noch etwas vergessen. Also, sein Gesicht sollte ...«

Aber ich unterbrach ihn, denn noch einmal konnte ich mir das nicht antun.

»Schon gut, die Frage war eigentlich mehr ironisch gemeint. So genau wie du deinen Traumtypen beschrieben hast, wirst du wohl lange suchen müssen.«

»Das ist ja nur meine Wunschvorstellung, aber wenn es ihn gäbe wäre es nicht so schlecht. Mir ist kalt, wollen wir reingehen?«

»Du kannst ja schon reingehen, ich bleibe noch etwas hier.«

»Kann ich dich alleine lassen?«

»Ja, ich will noch ein bisschen alleine sein.«

»Bitte erzähl keinem etwas von dem, was ich dir gerade gesagt habe, gute Nacht.«

»Ist versprochen. Schlaf schön.«

Tim ging dann ins Haus zurück. Ich saß immer noch im Sand und dachte an die letzten zwei Tage, in denen so viel passierte, und wie glücklich ich doch jetzt war. Ich zog mir die Schuhe und Socken aus und ging durch den nassen Sand. Nachdem ich eine Weile so hin und her gegangen war, sah ich zum Haus. Alles war dunkel, nur ein Licht brannte. Es war Mikes Zimmer und soweit ich das sehen konnte stand er immer noch am Fenster und schaute hinaus. Ich wollte aber noch nicht zu ihm gehen. Im Moment genoss ich es einfach, ganz alleine dem Meer zu lauschen und für mich zu sein. Ich setzte mich wieder hin und lehnte mich zurück. Es war eine sternenklare Nacht, der Himmel leuchtete und der Mond ‚lächelte‘. Es war wirklich wunderschön ... Irgendwann muss ich dann eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffnete, ging gerade die Sonne auf. Jemand hatte mich zugedeckt. Etwas berührte meine Hand. Als ich zur Seite sah, konnte ich erkennen, dass Mike, in einer dicken Decke eingehüllt, neben mir saß und meine Hand streichelte.

»Morgen mein Schatz.«

»Guten Morgen. Bist du die ganze Nacht hier gewesen?«

»Ja, und habe die ganz Zeit deine Hand gehalten.«

»Warum hast du mich denn nicht geweckt?«

»Du bist so friedlich wie ein Baby dagelegen, da habe ich es nicht übers Herz gebracht, dich aufzuwecken.«

»Das ist aber lieb von dir.«

Ich zog Mike zu mir und gab ihm erst mal einen Kuss.

»Was hat eigentlich Tim gestern mit dir besprochen?«

»Bist du etwa neugierig?«, grinste ich ihn an.

»Ja, und es hat mich gewundert, dass er so vertraut mit einem anderen Menschen als mit mir spricht. Eigentlich sagt er mir alles. Ich weiß, wann er die ersten Schamhaare hatte, wann er seinen ersten feuchten Traum hatte, was er für Probleme mit Mädchen hatte, usw.«

»Ja, aber das wollte er lieber mit mir besprechen.«

»Was denn?«

»Das musst du ihn schon selbst fragen, ich habe versprochen nichts zu sagen, und das werde ich auch machen. Nicht einmal du kannst es aus mir heraus quetschen.«

»Ach komm, sag schon.«

»Nein, ich sage es nicht und jetzt lass uns reingehen, ich habe Hunger.«

»Na gut.«, sagte er mit einem beleidigtem Gesichtsausdruck, aber ich ließ mich nicht erweichen und wir gingen ins Haus.

9. KAPITEL – Funny Honey

Als wir das Haus betraten, kam uns Karl entgegen.

»Na, wo habt ihr euch denn die ganze Nacht herumgetrieben?«

»Am Strand. Sammy hat mit Tim irgendwas besprochen und dann ist er draußen eingeschlafen und ich habe mich zu ihm gesetzt.«

»Ach so, dann verstehst du dich also auch mit Tim recht gut?« Ich nickte. »Schön, denn in letzter Zeit hat er sich verändert, aber seit gestern Abend ist er wieder ganz der Alte. Kommt mit, das Frühstück ist schon fertig.«

Wir gingen also in die Küche, wo die anderen schon auf uns warteten. Während des Essens kam die Frage auf, was wir denn heute machen wollten?

»Ich weiß nicht, was Sammy vorhat, aber ich denke mal, dass wir den Tag zusammen verbringen werden.«

»Das denke ich auch. Aber ich hab den anderen gesagt, dass ich sie zum Mittagessen treffe. Also können wir uns bis dahin überlegen, was wir am Nachmittag machen werden und uns so lange die Zeit totschlagen. Aber als erstes geh ich jetzt mal unter die Dusche, ich glaub ich hab etwas Sand in der Hose.«

»Nicht nur du.«

»Das kommt davon, wenn man die ganze Nacht am Strand mit der Liebe verbringt.«, sagt Gerda und setzte dabei ein fieses Grinsen auf.

»Moment, es geht euch zwar absolut nichts an, was wir gemacht haben, aber das woran ihr gerade denkt, haben wir sicher nicht gemacht.«, verteidigte uns Mike.

Da mussten wir alle erst einmal lachen.

Nach dem Frühstück gingen wir in Mikes Zimmer, gingen kurz unter die Dusche und dann legte Mike eine Kuschelrock auf. Ich ging auf ihn zu und legte meine Arme um seine Schulter und er seine um meine Hüften. So begannen wir ganz langsam zu tanzen und küssten uns ...

Als wir uns aus unserer Umarmung gelöst hatten, war die CD schon zu Ende und fast Mittag. Jetzt hieß es sich beeilen, um noch rechtzeitig zu den anderen zu kommen. Wir zogen uns schnell an und schon waren wir in Mikes Auto auf dem Weg zum Hotel.

Als wir dort ankamen, saßen die anderen schon im Restaurant und wollten gerade bestellen.

»Da seid ihr ja endlich, wir dachten schon ihr kommt gar nicht mehr. Hattet ihr wenigstens eine schöne Zeit?« grinste uns Tommy entgegen.

»Ja, und ihr seht auch nicht so aus, als wäre jemand gestorben.«, erwiderte ich.

»Uns geht's allen gut, was habt ihr denn so gemacht?« Lisa war mal wieder gar nicht neugierig.

Also erzählten wir alles, aber dann waren auch wir neugierig, was die vier so gemacht hatten.

»Wir haben alle in einem Bett gelegen und haben uns miteinander vergnügt.«

Bitte, hatte ich da gerade richtig gehört? Mike und ich sahen uns verwundert an, die anderen mussten das wohl gemerkt haben.

»Nein,«, meinte Tommy, »wir haben nur miteinander geredet, dann sind wir alle in unsere eigenen Betten gegangen.«

»Ich dachte schon ...«, meinte Mike.

»Für so etwas wäre Carmen viel zu eifersüchtig.«, erwiderte Ingo.

»Schon gut, hätte aber sein können, man weiß ja nie so genau.«

Wir unterhielten uns noch ein bisschen bis wir aufbrachen, um uns die Stadt anzusehen. Weiter geschah an diesem Tag nichts weiter und auch die restliche Zeit des Urlaubs ging schneller vorüber als gedacht. Wir haben noch etliches unternommen, worauf ich jetzt nicht genauer eingehe, denn das waren zumeist Sigh-Seeing Touren oder wir entspannten am Meer. Meistens war auch Tim dabei, denn er wollte nicht immer daheim rumsitzen und außerdem war er für mich in der Zwischenzeit ein richtig guter Freund geworden.

10. KAPITEL – There's Been A Call

Einen Tag vor der Abreise, ich war irgendwie ziemlich traurig, und Mike ging es anscheinend genau so, denn auch er hatte einen traurigen Blick und war auch nicht sehr gesprächig, was man sonst nicht über ihn sagen konnte.

»Was ist denn los?«, fragte ich ihn.

»Ach weißt du, ich will nicht, dass du schon gehst. Du fehlst mir jetzt schon.«

»Du mir doch auch, aber was soll ich denn tun? Das Ticket ist gebucht, das Zimmer ist nur noch bis morgen reserviert und die Schule beginnt auch bald wieder.«

»Ich weiß, aber wie wird es mit uns weiter gehen? Werden wir uns wieder sehen?«

»Sicher werden wir uns wieder sehen! Ich liebe dich, und möchte jeden Tag mit dir verbringen, aber erst will ich die Schule beenden.«

»Ja, aber danach, was ist dann?«

»Ich weiß noch nicht, was danach kommt. Aber eigentlich wollte ich studieren. Zum Bund muss ich nicht. Die haben mich ausgemustert. Hat schon was Gutes, wenn man eine Lebensmittelallergie hat.«

»Das stimmt allerdings, mich wollten sie leider nicht loswerden. Was sollen wir bloß machen?«

Karl musste uns gehört haben, denn plötzlich klopfte er an der Tür und kam nach Mikes »Herein« ins Zimmer. Er hatte so ein Grinsen im Gesicht, das uns verriet, dass er etwas wusste und wir nicht.

»Was hängt ihr denn so traurig herum, solltet ihr nicht fröhlicher sein.«

»Papa hör auf dich über uns lustig zu machen. Sammy fliegt morgen zurück, und wir werden uns länger nicht sehen ...«

»Wirklich? Das wusste ich nicht!«, aber er hatte immer noch dieses Grinsen im Gesicht und uns war klar, dass es etwas mit und zu tun hat.

»Karl, könntest du jetzt bitte sagen, warum du dieses doofe Grinsen nicht aus deinem Gesicht bekommst? Was weißt du, was wir nicht wissen?«, sagte ich unruhig zu ihm.

»Also, ich habe gerade mit München telefoniert. Da war eine sehr nette Frau am Telefon, ich glaube sie heißt Meier. Ich habe eine halbe Stunde mit ihr telefoniert.«

»Moment, aber du meinst nicht meine Mutter, oder?«

»Ich glaube sie ist deine Mutter. Wir haben über deinen Amerikaurlaub geredet und über euch.«

Mir stockte der Atem. Hatte er etwa über unsere Liebe gesprochen? Was würde sie dazu sagen? Wusste sie jetzt, dass ich schwul bin? Was hatte er mit ihr geredet? Ich musste es wissen.

»Aber du hast ihr nicht ...?«

»Nein, ich habe ihr nicht gesagt, dass ihr zusammen seid. Das musst du schon selbst machen.«

Danach schwieg er wieder. Diese Stille machte uns beide unruhig.

»Und, Papa, was hast du mit ihr beredet.«

»Ich habe ihr gesagt, dass du dich mit Mike angefreundet hast und du gerne noch etwas hierbleiben würdest. Erst war sie skeptisch, ob das denn auch alles so stimmt, und ich nicht ein Verrückter wäre, der dich entführt hat. Aber ich konnte sie beruhigen und erklärte ihr, warum ich angerufen habe, denn ich wollte euch überraschen.«

Ich glaube, ich bin vor Freude im Dreieck gesprungen. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich habe mich auf Karl gestürzt und ihn fest umarmt.

»Danke, Karl, das ist wirklich eine Überraschung.«

»Toll Papa, das hast du für uns gemacht?«, jubelte Mike, als auch er sich seinem Vater an den Hals schmiss.

»Schon gut, ich konnte euch doch nicht so leiden sehen. Aber wenn ihr mir noch länger die Luft abschnürt, dann werde ich so etwas nicht wieder machen können.«

Wir ließen ihn wieder los und er hatte ein Strahlen auf seinem Gesicht, aber auch wir standen dem in nichts nach. Nachdem wir uns wieder etwas beruhigt hatten, ging Karl wieder, aber erinnerte uns noch, dass das Essen in einer halben Stunde fertig sei. Ich war so aufgeregt, ich konnte nicht still sitzen.

»Ich muss die anderen anrufen und ihnen sagen, dass ich noch hierbleibe.«

Ich wollte gerade zum Telefon gehen, als Karl noch einmal zur Tür herein schaute.

»Ach übrigens, dein Gepäck wird gerade hierher gebracht und dein Flug ist auch schon neu gebucht.«

Und schon war er wieder verschwunden und ich wählte die Nummer zum Hotel. Ich erklärte ihnen, dass ich zwar nicht mit ihnen zurück fliegen würde, aber wir sie morgen zum Flughafen bringen und uns dort verabschieden würden.

Als ich wieder aufgelegt hatte, meinte Mike zu mir, dass wir uns langsam beeilen sollten, um rechtzeitig zum Essen zu kommen. Da klopfte es an der Tür und Tim kam herein.

»Sammy, kann ich kurz mit dir reden?«

»Klar, was gibt es denn?«

»Ähm, das würde ich dir lieber alleine sagen«.

Dabei sah er Mike mit einem strengen Blick an. Der merkte sofort, dass es besser war zu gehen, denn solange er im Zimmer wäre, würde Tim nichts sagen. Kaum war die Tür zu fing Tim auch schon an zu erzählen.

»Sammy, glaubst du es wäre der richtige Zeitpunkt ihnen jetzt davon zu erzählen?«

»Ich glaube, sobald du dazu bereit bist, solltest du ihnen davon erzählen.«

»Dann werde ich das nach dem Essen erledigen. Sammy, ich habe irgendwie Angst.«

»Aber warum denn, es wird schon alles gut gehen. Bei Mike haben sie es doch auch akzeptiert und mehr als das. Heute hat Karl meine Mutter angerufen und ihr gesagt, dass ich noch gerne hier bleiben würde. Glaubst du, er hätte das gemacht, wenn er uns nicht unterstützen wollte?«

»Nein, ich denke nicht. Ach, habe ich da richtig gehört, du bleibst noch hier?« Dabei strahlte er von einem Ohr zum anderen.

»Ja, wenn du nicht dagegen hast.«

»Nein, absolut nicht, ich mag dich sehr.«

Oh, könnte es sein, dass er sich in mich verliebt hatte? Nein, das ist nicht möglich. Was aber wenn doch? Ich mag ihn sehr sogar, aber nicht als meinen Freund, sondern wie einen Kumpel oder sogar Bruder. Ich glaube wir sind uns in den letzten Wochen so nah gekommen, wie es nur unter Brüdern oder besten Freunden möglich ist.

»Aber nur als Freund, nicht mehr.«

Gott war ich erleichtert. Ich hätte nicht gewusst, wie ich ihn abweisen hätte sollen. Einfach sagen, ich will dich aber nicht, das hätte ich nicht gekonnt, dafür mochte ich ihn zu sehr.

»Ich mag dich auch, sehr sogar. Du bist wie ein kleiner Bruder für mich.«

»Darf ich dich umarmen?«

»Das ist eine überflüssige Frage, klar darfst du. Und denk daran, was immer auch los ist, Mike und natürlich auch ich, wir sind immer für dich da. Wenn du jemanden zum reden brauchst, komm einfach zu uns.«

»Danke Sammy, das bedeutet mir wirklich sehr viel.«

Dann umarmte er mich und drückte mich ganz fest an ihn. Ich fühlte, dass ihm das gut tat, denn er wollte nicht mehr loslassen.

»Tim, wir sollten jetzt zum Essen gehen. Die anderen warten bestimmt schon auf uns und fragen sich, was wir wohl gerade machen.«

Da mussten wir beide lachen.

»Ach und Tim, viel Glück.«

»Danke.«

Wir gingen also ins Esszimmer. Gerda servierte gerade den Braten. Wir setzten uns und begannen mit der Nahrungsaufnahme. Tim konnte noch mehr als ich essen, was mich sehr erstaunte, denn an seinem Körper war kein einziges Gramm Fett zu entdecken. Als wir mit dem Essen fertig waren wollte Mike schon wieder aufstehen, doch Tim hielt ihn zurück.

»Warte, ich möchte euch allen etwas sagen, das mir sehr wichtig ist.«

»Ja Tim, was ist denn los?«, fragte Gerda.

»Also,ihr wisst ja, dass ihr von Mike keine Enkelkinder zu erwarten habt. Ich glaube, ..., nein, ich weiß, dass es bei mir genau so ist.«

Man konnte deutlich erkennen, dass Tim sehr erleichtert war, nachdem er es den anderen endlich gesagt hatte.

»Schön,«, sagte Karl ohne eine Miene zu verziehen, »könnte mir mal jemand das Brot reichen?«

»Also Schatz, was soll denn das? Unser Sohn sagt uns etwas Wichtiges und du verlangst das Brot.«

»Ja und, es ist doch egal, ob er Männer oder Frauen liebt, Hautsache er liebt überhaupt.«

»Also ist es OK?«, fragte Tim etwas zurückhaltend.

»Ja, was denn sonst, bei Mike haben wir es akzeptiert und bei dir ist es genauso. Du bist unser Sohn und das wird sich nie ändern, da kann kommen was will.«

Karl stimmte seiner Frau zu.

»Aber sag mal Gerda, haben wir bei der Erziehung unserer Söhne etwas falsch gemacht, wenn gleich beide schwul sind?«

»Wahrscheinlich, aber ich glaube sonst sind sie uns ganz gut gelungen.«

Jetzt mussten wir erst mal lachen.

»Jetzt weiß ich auch, was du letztes Mal mit meinem Liebsten am Strand gemacht hast. Warum hast du mir denn nichts gesagt?«

»Ich weiß auch nicht, ich wollte das erst mit jemandem außerhalb der Familie besprechen. Das war nicht persönlich. Du weißt doch sonst alles von mir.«

»Schon gut, ich hab ja damals auch erst mit jemand anders darüber geredet.«

»Ach Tim, sag mal, hast du schon einen Freund?«, wollte Gaby wissen.

»Nein, aber ich habe gestern einen richtig niedlichen Jungen am Strand gesehen. Vielleicht ist er ja auch schwul?«

»Dann rede doch mal mit ihm.«

»Mache ich, aber heute nicht mehr, ich wollte noch etwas einkaufen gehen. Wollt ihr morgen mit an den Strand kommen?«

»Ja, aber das geht erst wenn wir die anderen zum Flughafen gebracht haben.«

»Aber ich denke, dass Mike und ich so gegen zehn wieder da sein müssten und dann könne wir zu Strand gehen.«

Nachdem wir noch alle etwas miteinander geredete hatten, gingen Mike und ich in den Garten und sonnten uns am Pool, denn wir hatten nach diesem ereignisreichen Mittagessen keine Lust etwas Großes zu unternehmen. Weiter passiere an diesem Tag nichts Außergewöhnliches mehr und so gingen wir relativ früh schlafen, schließlich mussten wir am nächsten Morgen schon um halb sieben aufstehen, um rechtzeitig am Hotel zu sein.

11. Kapitel - Heaven Help My Heart

Als wir am nächsten Tag vom Flughafen zurück kamen, wartete Tim schon mit Handtüchern und einem Rucksack auf uns.

»Können wir endlich?«

»Moment, wir wollen uns noch schnell umziehen.«

»Beeilt euch.«

Tim war heute voller Energie. Bestimmt wollte er dem Jungen, den er gestern erwähnt hatte, so schnell es ging seine Gefühle sagen. Wir gingen also nach oben und zogen uns Badeshorts und T-Shirts an. Als wir gerade die Haustür schließen wollten, rannte Tim schon zum Auto und hatte vor lauter Übereifer den Blumentopf der neben der Treppe stand vergessen, flog geradewegs darüber und landete in den Büschen. Nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, konnte man sehen, dass er sich außer einer kleinen Schramme am Ellenbogen nichts getan hatte. So stiegen wir also in Mikes Auto und waren kurze Zeit später am Strand.

Kaum hatten wir einen freien Platz gefunden, als uns Tim auch schon seinen Traumboy zeigte. Er sah wirklich gut aus, war etwa so groß wie Tim selbst, hatte dunkelbraunes, leicht gewelltes Haar, eine gute Figur und ein liebes Gesicht.

Wir breiteten erst einmal unsere Handtücher aus und legten uns hin. Tim holte die Sonnencreme aus seiner Tasche, schraubte den Deckel ab und drückte darauf. Das war ein Fehler, denn die Tube musste beim Sturz vor der Haustüre kaputt gegangen sein, und so verteilte sich der ganze Inhalt nicht auf Tims Hand sondern auf uns und unseren Handtüchern. Wir mussten erst einmal herzlich lachen. Nachdem wir die Sauerei entfernt hatten und uns eingecremt hatten, gingen wir erst mal ins Wasser und tobten uns aus.

Nach etwa einer halben Stunde gingen wir wieder zu unseren Handtüchern. Tim ließ es sich nicht nehmen einer Frau auf die Hand zu steigen. Die regte sich natürlich riesig auf und als sich Tim entschuldigte, stieg er mit seinen Füßen, die vollkommen mit nassem Sand bedeckt waren, auf die Kleidung der Dame. Irgendwann hatte sich die Gute dann wieder beruhigt, und wir konnten endlich zurück zu unseren Handtüchern.

»Ich kann einfach nicht ruhig sitzen,«, meinte Tim nach kurzer Zeit, »ich gehe noch etwas schwimmen. Kommt ihr mit?«

»Nein.«, antworteten wir wie aus einem Mund.

»Schade, aber da kann man nichts machen.« Und schon war er weg.

»Hast du schon mal so ein Nervenbündel gesehen?«, fragte ich Mike.

»Nein, aber ich glaube, je länger er warten muss, desto nervöser wird er.«

»Das stimmt allerdings. Hoffentlich kommt der Junge bald wieder hier her.«

»Oh ja, das kann man ja nur hoffen, wenn ich daran denke, was sonst noch passieren könnte ...«

»Denk gar nicht dran.«

Ich drehte mich auf den Bauch und nahm mir wieder mein Buch und las weiter.

Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich sah, wie Tim sich in irgendeiner Schlaufe einer Tasche verfing und vornüber fiel. Mit seinem Gesicht landete er auf dem Schoss eines Mannes. Dem nicht genug, denn er musste wohl die empfindlichste Stelle getroffen haben, so wie der Mann aufschrie. Es war heute wohl wirklich nicht Tims Tag.

»Na, den hast du aber für die nächsten Tage außer Gefecht geschlagen.«, grinste ich Tim an, als er wieder bei uns war.

»Ja, das war mir so peinlich.«

»Das glaube ich dir gerne, aber eigentlich solltest du doch ganz gerne an diese Stelle wollen!«

»Eigentlich schon, aber nicht bei dem ...«

Da mussten wir erst mal lachen, denn der Mann war so um die 50 und sah nicht gerade gut aus.

»Ich hab Lust auf ein Eis, kommst du mit Sammy?«

»Ja klar, Eis ist eine gute Idee Tim.

Als wir auf dem Weg zum Eisstand waren, lief er gegen einen Laternenpfahl. Er war wohl mit seinen Gedanken so weit weg bei dem süßen Jungen, dass er nicht mal mehr mitbekam, was in seinem Weg stand. Er rieb sich kurz die Stirn, aber es hat mehr geknallt, als dass es weh getan hat. Als wir wieder bei Mike ankamen, erblickte er seinen Schwarm.

»Da ist er, ich gehe jetzt zu ihm hin, ich muss es ihm einfach sagen.«

»Mach das und viel Glück!«, riefen wir ihm noch nach, aber das schien er nicht gehört zu haben.

Mike und ich beobachteten Tim wie er mit dem Jungen redete. Dann hörte ich wie er anscheinen zu einem Kumpel rief: »Hey Chris, schau dir mal die Schwuchtel an, die will mich doch glatt anmachen.« Der andere Junge stand auf und ging zu ihnen, in seiner Hand hatte er eine Flasche. Tim hatte noch gar nicht richtig begriffen, was los war, als auch schon eine Faust in seinem Magen landete. Ich stand so schnell es ging auf um Tim zu helfen, aber Mike war schon fast bei ihnen. Inzwischen lag Tim zusammengekrümmt auf dem Boden und würde mit Füßen getreten. Die anderen Menschen am Strand schienen sich nicht darum zu kümmern, was da gerade vor sich ging. Einige lasen Zeitung, andere beobachteten das Geschehen, aber keiner griff ein. »Du Schwuchtel, lass dir das eine Lehre sein. So etwas wie du gehört doch umgebracht.« Einer der beiden Schläger hob Tim wieder auf und spuckte ihm ins Gesicht, der andere schlug ihm die Flasche über den Kopf. Die Flasche zerbrach und Tim sank zu Boden. Die beiden Jungs traten wieder auf Tim ein. Der eine hatte sogar noch seine Turnschuhe an. Endlich war Mike bei Tim. Er schubste einen der beiden weg und verpasste dem anderen einen Kinnhaken, der ihn rückwärts in den Sand fallen ließ. Endlich kam ich auch dazu. Meine Faust landete im Magen des Jungen, der gerade wieder auf Tim losgehen wollte. Mike und ich haben den beiden noch ein paar Schläge verpasst, bis sie davon liefen. Einem blutete die Nase und der andere hatte eine aufgeplatzte Lippe.

Als ich sicher war, dass die beiden außer Reichweite waren, sah ich Mike, der neben Tim kniete und weinte. Tim war bewusstlos und sein ganzer Kopf war blutverschmiert.

»Nein, Tim, bitte verlass mich nicht. Du musst durchhalten. Komm du schaffst es.«

Mittlerweile kam ein Rettungsteam. Sie untersuchten Tim kurz und trugen ihn zum Rettungswagen. Wir stiegen ein und fuhren Richtung Krankenhaus.

12. KAPITEL - Why God Why

Während der Fahrt zum Krankenhaus hielt Mike die Hand von Tim und redete unter Schluchzen auf ihn ein. Als wir endlich ankamen, brachten die Notärzte Tim sofort in einen OP. Mike setzte sich auf einen Stuhl, der vor dem Raum stand. Er sagte nichts. Seine Tränen liefen ihm die Wange hinunter. Er wischte sie nicht weg. Als ich mit ihm reden wollte, schien es, als würde er gar nicht anwesend sein. Als eine Schwester vorbei kam, sprach ich sie an.

»Können sie mir sagen, wie es um den Jungen steht, der gerade operiert wird?«

»Nein, aber ich bräuchte seine Personalien, damit wir die Eltern verständigen können.«

»Ja, warten sie, ich gebe sie ihnen. Aber ich würde gerne die Eltern anrufen, wenn das geht.«

»Ja, sicher, also wie heißt der Junge.«

Ich konnte deutlich sehen, dass sie erleichtert war, nicht mit den Eltern sprechen zu müssen. Als ich ihr die Personalien gegeben hatte, rief ich Karl an. Ich erklärte ihm kurz die ganze Sache und er sagte, dass er gleich den anderen Bescheid sagen werde und dann herkommt. Als ich das Gespräch beendet hatte, merkte ich, dass auch mir eine Träne die Wange herunter lief.

»Wie ist das eigentlich passiert?«

Ich erzählte ihr, was geschehen war. Dabei ließ ich natürlich eine kleine Sache weg, die, dass Tim schwul ist.

»Das war aber sehr mutig von ihnen und ihrem Freund ihm zu Hilfe zu kommen.«

Mir war das ganze sehr unangenehm, denn ich fühlte mich nicht mutig und schon gar nicht als Held. Ich habe einfach nur das getan, was eigentlich jeder in so einer Situation machen sollte.

»Oh, ich muss wieder los. Die Arbeit ruft.«

»Schon gut, ich werde mal nach Mike sehen.«

»Ja, machen sie das, er braucht jetzt einen Freund an seiner Seite.«

Ich ging wieder zu Mike, der immer noch so da saß, als ich mit der Schwester zum Schalter ging. Er hatte die Hände vor dem Gesicht und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Oberschenkeln auf. Er hatte zwar aufgehört zu weinen, aber er wirkte ganz abwesend. Ich setzte mich neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er lehnte sich zu mir herüber und begann nun wieder richtig los zu weinen. Ich hielt ihn einfach nur und streichelte sanft durch seine Haare.

Nach etwa einer halben Stunde kamen dann auch Karl, Gerda, Gaby und James.

»Was ist denn los? Mike?« fragte Gerda ganz aufgelöst.

»Er hat seit einer Stunde nichts mehr gesagt. Er sitzt nur da und weint immer wieder, aber im Moment hat er aufgehört. Ich glaube wir sollten ihn jetzt erst einmal in Ruhe lassen.«

»Aber dann erzähl du uns wenigstens, was passiert ist.«

»Ja, aber lasst uns ein Stück von Mike weggehen.«

Als wir ein paar Schritte von Mike entfernt waren, erzählte ich noch einmal was passiert war. Diesmal aber die ganze Geschichte. An den Blicken konnte ich erkennen, dass alle sehr besorgt waren. Während wir auf eine Auskunft eines Arztes warteten, saß Mike immer noch auf dem Stuhl und starrte an die weiße Wand, ich hielt ihn fest in meinen Armen, Gerda saß neben ihm, sie weinte, James und Gaby saßen zusammengekauert auf dem Boden und Karl ging unruhig den Flur auf und ab ...

Lesemodus deaktivieren (?)